Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 21. März 2017 - 3 OLG 8 Ss 28/17

published on 21/03/2017 00:00
Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 21. März 2017 - 3 OLG 8 Ss 28/17
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tatbestand

Das AG verurteilte den Angekl. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten. Auf die Berufung des Angekl. hat das LG den Angekl. wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der StA hat es als unbegründet verworfen. Die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angekl. gegen das Berufungsurteil führte zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das LG.

Gründe

1. Die Strafzumessung ist bereits rechtsfehlerhaft, soweit gegen den Angekl. eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln verhängt wurde. Die tatrichterlichen Feststellungen sind lückenhaft und bieten keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung. Das LG hat keine Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des vom Angekl. erworbenen Marihuanas, mithin zu einem bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt (vgl. nur BGH, Beschl. v. 12.05.2016 – 1 StR 43/16 = NStZ-RR 2016, 247 m.w.N.) getroffen. Steht das Betäubungsmittel für eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung, so muss das Gericht unter Berücksichtigung anderer sicher festgestellter Umstände (z.B. Herkunft, Preis, Handelsstufe, Beurteilung durch die Tatbeteiligten, Begutachtungen in Parallelverfahren) die Wirkstoffkonzentration – notfalls unter Anwendung des Zweifelssatzes – durch eine Schätzung festlegen (vgl. BGH a.a.O. m.w.N.).

2. Soweit das LG gegen den Angekl. eine Einzelstrafe von einem Jahr und zwei Monaten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge festgesetzt hat, hat es gegen das Verschlechterungsverbot des § 331 I StPO verstoßen. Das AG hatte für diese Tat eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt. Da das Verbot der ‚reformatio in peius‘ nicht nur eine Erhöhung der Gesamtstrafe, sondern auch eine Erhöhung der Einzelstrafen ausschließt (vgl. BGHSt 1, 252; BGH NStZ-RR 2000, 39; Meyer-Goßner/Schmitt StPO § 331 Rn. 18 m.w.N.), kann das Berufungsurteil in Bezug auf die verhängte Einzelstrafe und die darauf aufbauende Gesamtstrafe keinen Bestand haben. Mit der Verwerfung der von der StA zu Ungunsten des Angekl. eingelegten Berufung lebte das Verschlechterungsverbot wieder auf (BayObLG NStZ-RR 2004, 22; OLG Bamberg Beschl. v. 19.11.2014 – 3 OLG 8 Ss 152/14 [bei juris] und 16.10.2014 – 3 OLG 7 Ss 132/14 = NStZ-RR 2015, 149; KK/Paul StPO 7. Aufl. § 331 Rn. 2, LR/Gössel StPO 26. Aufl. § 331 Rn. 26, jeweils m.w.N.).

3. Schließlich hat das LG rechtsfehlerhaft die sich nach den getroffenen Feststellungen aufdrängende Prüfung und Entscheidung der Frage der Unterbringung des Angekl. in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB, welche im Übrigen einer etwaigen Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG vorgeht (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ-RR 2016, 209), unterlassen. Der Umstand, dass nur der Angekl. Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der von seinem Rechtsmittelangriff nicht wirksam ausgenommenen Unterbringungsanordnung nach § 358 II 3 StPO nicht (BGHSt 37, 5; BGH, Beschl. v. 15.12.2015 – 1 StR 564/15 m.w.N. [bei juris]). Das landgerichtlich Urteil führt explizit aus, dass die Taten „Ausfluss einer Betäubungsmittelabhängigkeit des Angekl. und aufgrund Betäubungsmittelabhängigkeit begangen“ worden seien. In Anbetracht dessen und der in der Schilderung der persönlichen Verhältnisse wiedergegebenen Einlassung des Angekl. zu seinem Betäubungsmittelkonsum seit seinem 15. Lebensjahr, hätte sich – unter Heranziehung eines Sachverständigen gemäß § 246a I 2 StPO – die Prüfung eines Hangs zum Konsum berauschender Mittel und des symptombedingten Zusammenhangs mit den Taten auch mit entsprechenden Fakten geradezu aufgedrängt. Der Umstand, dass Beeinträchtigungen der Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit durch den Drogenkonsum seitens des LGs nicht festgestellt wurden, schließt die Existenz eines Hangs nicht aus (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 12.01.2017 - 1 StR 604/16 m.w.N. [bei juris]). Bei dieser Sachlage muss über die Frage der Unterbringung des Angekl. in einer Entziehungsanstalt unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a I 2 StPO) neu verhandelt und entschieden werden. [...]

Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so k

(1) Das Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat. (2)
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so k

(1) Das Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat. (2)
3 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 15/12/2015 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 564/15 vom 15. Dezember 2015 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2015:151215B1STR564.15.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichts
published on 12/01/2017 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 604/16 vom 12. Januar 2017 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags ECLI:DE:BGH:2017:120117B1STR604.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Be
published on 12/05/2016 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 43/16 vom 12. Mai 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2016:120516B1STR43.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshof
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Das Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat.

(2) Diese Vorschrift steht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht entgegen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.

(2) Gegen die Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht des ersten Rechtszuges steht der Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Buches der Strafprozeßordnung zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung dieser Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten. Das Oberlandesgericht entscheidet in diesem Falle auch über die Verweigerung der Zustimmung; es kann die Zustimmung selbst erteilen.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist oder
2.
auf eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erkannt worden ist und ein zu vollstreckender Rest der Freiheitsstrafe oder der Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt
und im übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 für den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten erfüllt sind.

(4) Der Verurteilte ist verpflichtet, zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, den Nachweis über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen; die behandelnden Personen oder Einrichtungen teilen der Vollstreckungsbehörde einen Abbruch der Behandlung mit.

(5) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt. Von dem Widerruf kann abgesehen werden, wenn der Verurteilte nachträglich nachweist, daß er sich in Behandlung befindet. Ein Widerruf nach Satz 1 steht einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegen.

(6) Die Zurückstellung der Vollstreckung wird auch widerrufen, wenn

1.
bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 zurückgestellt wird oder
2.
eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist.

(7) Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, so ist sie befugt, zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einen Haftbefehl zu erlassen. Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges herbeigeführt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird durch die Anrufung des Gerichts nicht gehemmt. § 462 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.