Landgericht Köln Urteil, 05. Okt. 2015 - 26 O 491/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung gezahlter Beiträge aus drei fondsgebundenen Rentenversicherungen nach erklärtem Widerspruch.
3Streitgegenständlich sind folgende Versicherungsverträge:
41. Versicherung Nr. ####, versicherte Person F1
52. Versicherung Nr. ####, versicherte Person F2
63. Versicherung Nr. ####, versicherte Person F3
7Der Kläger beantragte den Abschluss der jeweiligen Versicherungen mit den Anträgen vom 06.11.2004, auf Bl. 20, 101 ff. GA, wird Bezug genommen. Mit Begleitschreiben jeweils vom 22.11.2004, Bl. 40, 115 f., und 133 f. GA, übersendete die Beklagte an den Kläger jeweils die Versicherungspolicen nebst Versicherungsscheinen, Allgemeinen Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen. In dem Begleitschreiben ist folgende Widerspruchsbelehrung enthalten:
8Widerspruchsrecht
9Der Versicherungsvertrag gilt auf der Grundlage des Versicherungsscheines, insbesondere der Versicherungsbedingungen, als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 30 Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.
10Mit Schreiben vom 02.06.2009, Bl. 43 GA, bat der Kläger um rückwirkende Beitragsfreistellung ab Mai 2009. Mit Schreiben vom 05.06.2009, Bl. 44 GA, nahm der Kläger den Antrag auf Beitragsfreistellung zurück, bat um Weiterführung der Verträge und kündigte die Zahlung der künftigen fälligen Beiträge an.
11Mit Schreiben vom 21.11.2014, Bl. 55 GA, bat der Kläger um Ruhendstellung der Verträge ab sofort bis auf Weiteres.
12Mit der Klageschrift vom 17.12.2014, Bl. 80 ff. GA, erklärte der Kläger den Widerruf bezüglich der Versicherung unter Nr. 1., mit Klageschrift vom 17.12.2014, Bl. 120 ff. GA, erklärte der Kläger den Widerruf bezüglich der Versicherung unter Nr. 2 und mit anwaltlichem Schreiben vom 25.09.2014, Bl. 4 f. GA, erklärte der Kläger den Widerruf bezüglich der Versicherung unter Nr. 3 und forderte die Beklagte zur Rückzahlung der gezahlten Beiträge bis zum 15.10.2014 auf. Mit Schreiben vom 13.11.2014 lehnte die Beklagte dies ab und bestätigte mit Schreiben vom 19.12.2014 die Ruhendstellung aller drei Verträge.
13Bislang zahlte der Kläger in alle drei Verträge jeweils 5.565,13 Euro ein.
14Der Kläger ist der Ansicht, die Belehrung sei fehlerhaft, insbesondere werde nicht zutreffend und ausreichend über den Fristbeginn belehrt. Sollte es darauf ankommen, müsse bestritten werden, dass der Kläger tatsächlich alle erforderlichen Unterlagen erhalten habe. Der Vertrag sei auch unwirksam, weil er über Rückvergütungen nicht aufgeklärt worden sei. Die Kick-Back-Rechtsprechung sei auch auf fondsgebundene Lebensversicherungen anzuwenden.
15Die Kammer hat die Verfahren 26 O 491/14, 26 O 5/15 und 26 O 501/14 unter Führung des Aktenzeichens 26 O 491/14 mit Beschluss vom 09.04.2015, Bl. 160 GA, miteinander verbunden.
16Der Kläger beantragt,
17die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückgabe der Versicherungsscheine an den Kläger 16.695,39 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 11.130,26 Euro seit Rechtshängigkeit und aus 5.565,13 Euro seit dem 13.11.2014 zu zahlen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie verteidigt die Belehrung als ordnungsgemäß und beruft sich auf Verjährung und Verwirkung.
21Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die Klage ist nicht begründet. Bereicherungsansprüche gemäß § 812 BGB bestehen nicht. Die Beklagte hat die von dem Kläger entrichteten Versicherungsbeiträge nicht ohne rechtlichen Grund erlangt. Die erklärten Widersprüche sind nicht fristgerecht erfolgt.
24Nach § 5a VVG a.F. gilt für den Fall, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG unterlassen hat, der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als geschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht binnen bestimmter Frist widerspricht (sog. Policenmodell).
25Gemäß § 5a Absatz 1 und 2 VVG in der Fassung vom 13.7.2001 (gültig vom 1.8.2001 bis 7.12.2004) betrug die Widerspruchsfrist bezogen auf die Versicherungsanträge vom 06.11.2004 und den Versicherungsscheinen vom 22.11.2004 14 Tage.
26Der Lauf dieser Frist beginnt gem. § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F., wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1, nämlich die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
27An dem Vorliegen einer solchen ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerspruchsrecht bestehen hier indes keine Zweifel. Zur Überzeugung der Kammer ist die Widerspruchsbelehrung formal und inhaltlich nicht zu beanstanden:
28- Sie ist durch Fettdruck und Unterstreichen in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt, die sich in einer nicht zu übersehenden Weise aus dem übrigen Text hervorhebt. Sie befindet sich unmittelbar unterhalb der Unterschriften auf dem nur zweiseitigen Begleitschreiben, mithin an prominenter Stelle (vgl. BGH Urt. v. 27.05.2012, IV ZR 36/13).
29- Die Belehrung über Beginn und Dauer der Frist ist ordnungsgemäß erfolgt. Dazu gehört (neben dem unverzichtbaren Hinweis darauf, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genügt) die Benennung des Ereignisses, das die Frist in Gang setzt ("nach Überlassung der Unterlagen"). Das konkrete Datum des Fristbeginns muss dabei ebenso wenig mitgeteilt werden wie die Grundsätze der Fristberechnung (vgl. BGH NJW 2010, 3503).
30- Die Belehrung macht dem Versicherungsnehmer im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben auch noch ausreichend deutlich, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist beginnt. Zwar erwähnt die Belehrung nicht ausdrücklich, dass dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsschein und den Versicherungsbedingungen auch die Verbraucherinformationen vorliegen müssen, damit die Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG aF beginnt. Dies ist jedoch unschädlich, da in dem Begleitschreiben in unmittelbarem Zusammenhang mit der Belehrung auf die nach § 10 a VAG erforderlichen Verbraucherinformationen, die im Antrag und der Urkunde enthalten sind, ausdrücklich Bezug genommen wird (BGH, IV ZR 70/13, Urteil vom 10.6.2015; für die hier streitgegenständliche Belehrung ausdrücklich BGH Beschluss v. 30.06.2015, IV ZR 16/14, nicht veröffentlicht).
31Damit begann die Frist ab Erhalt des Versicherungsscheins zu laufen; der Widerspruch vom 25.09.2014 bzw. 17.12.2014 konnte die Frist deshalb nicht mehr wahren und die ordnungsgemäß in Lauf gesetzte Widerspruchsfrist nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist verstrichen.
32Soweit der Kläger pauschal den Erhalt der Versicherungsunterlagen mit Nichtwissen bestreitet, ist dies unzulässig (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23.9.2011, 20 U 90/11, Urteil vom 8.3.2013, 20 U 178/12; OLG Hamm, Beschluss vom 31.8.2011, 20 U 81/11). Die Erklärung, sollte es darauf ankommen, müsse der Erhalt der erforderlichen Unterlagen bestritten werden, ist pauschal und durch nichts konkretisiert, sie erfolgt zudem erkennbar nur mit dem Willen, irgendwie einen Anspruch des Klägers zu konstruieren. Dies ist jedoch unzulässig und ein Verstoß gegen die prozessuale Wahrheitspflicht. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger überhaupt versucht hat sich daran zu erinnern, ob er alle Unterlagen erhalten hat.
33Letztlich kommt es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den insoweit in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien unvereinbar ist, nicht entscheidungserheblich an. Denn hier ist es dem ordnungsgemäß belehrten Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (s. BGH vom 16.7.2014 – IV ZR 73/13 – und BGH VersR 2015, 876). Der Kläger verhielt sich treuwidrig, indem er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte. Das Verhalten des Klägers war hier objektiv widersprüchlich. Die bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss im Jahr 2004 verstreichen und zahlte bis November 2014 regelmäßig die vereinbarten Versicherungsprämien. Im Jahr 2009 nahm er von einer zunächst beantragten Beitragsfreistellung Abstand und erklärte, den Vertrag fortführen zu wollen. Bis heute ist eine Kündigung nicht erfolgt. Mit seinem im eigenen Interesse begründeten und über lange Zeit fortgeführten Verhalten setzt sich der Kläger in Widerspruch, wenn nun geltend gemacht wird, ein Vertrag habe nie bestanden (BGH aaO mwN). Aufgrund der ordnungsgemäßen Belehrung war dem Kläger bekannt, dass er den Vertrag nicht hätte zustande kommen lassen müssen und ihm die Beklagte jedenfalls ein Recht zur Lösung zugestand. Vor diesem Hintergrund können die jahrelangen Prämienzahlungen nur als Ausdruck des Willens, den Vertrag durchzuführen, verstanden werden. Da die Beklagte die Prämien entgegennahm und erkennbar von einem bestehenden Versicherungsvertrag ausging, konnte sie bis zur Kündigung erwarten, Versicherungsschutz zu genießen, der zweifelsfrei bei Eintritt eines Versicherungsfalles auch in Anspruch genommen worden wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Kläger nicht sicher wissen konnte, ob das Policenmodell gemeinschaftsrechtswidrig war und ihm - wenn es so wäre – der geltend gemachte bereicherungsrechtliche Anspruch auf Rückzahlung der Prämien zustünde. Ein Rechtsverlust wegen widersprüchlichen Verhaltens kann wegen der an Treu und Glauben ausgerichteten objektiven Beurteilung selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von seiner Berechtigung hat (BGH aaO mwN). Ebensowenig sind für den aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden erforderlich; durch das Verhalten des Rechtsinhabers muss nur ein ihm erkennbares, schutzwürdiges Vertrauen der Gegenseite auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage hervorgerufen worden sein (BGH aaO mwN). Die jahrelangen Prämienzahlungen haben bei der Beklagten ein solches schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Das Vertrauen der Beklagten, die zwar durch die Wahl des Policenmodells die Ursache für die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages gesetzt hatte, ist gleichwohl schutzwürdig, weil sie eine den gesetzlichen Vorgaben des nationalen Rechts genügende Widerspruchsbelehrung und auch die weiteren Informationen erteilt hatte. Dem Vertrauensschutz der Beklagten steht auch nicht entgegen, dass die Richtlinienkonformität des Policenmodells im Schrifttum in Zweifel gezogen wurde, weil es dem damals geltend nationalen Recht entsprach (BGH aaO mwN). Für den Kläger war die vertrauensbegründende Wirkung seines Verhaltens auch erkennbar. Er konnte bemerken, dass die Beklagte im Hinblick auf die jahrelange Prämienzahlung auf den Bestand des Versicherungsvertrages vertraute.
34Dieser Einwand von Treu und Glauben greift selbst im Falle einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union unterliegen nationale Rechtsmaximen, die einem Anspruch entgegengehalten werden können, dem nationalen Recht, das unter Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden muss; auch insoweit ist eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich (BGH aaO mwN; BVerfG Beschlüsse vom 2.2.15 – 2 BvR 2437/14 – und vom 4.3.2015 – 1 BvR 3280/14 –).
35Schadensersatzansprüche bestehen darüber hinaus auch nicht. Eine Beratungspflichtverletzung ergibt sich nicht aus dem behaupteten Versäumnis, nicht auf sogenannte „Kick-Backs“ hingewiesen worden zu sein. Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGHZ 170, 226; BGH NJW 2009, 2298), die im Zusammenhang mit Anlageberatungsverträgen zwischen Banken und Anlageinteressenten entwickelt wurde, ist auf die vorliegende Problematik des Abschlusses einer fondsgebundenen Lebensversicherung nicht anwendbar, sondern gilt nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch die Bank (BGH ZIP 2012, 67, Rz 39).
36Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 709 ZPO.
37Streitwert: 16.695,39 Euro
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(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.