Landgericht Bochum Urteil, 05. Feb. 2015 - 8 S 17/14
Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 08.07.2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bochum teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 192,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.02.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung tragen die Klägerin zu 84 % und der Beklagte zu 16 %. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 81 % und der Beklagte zu 19 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Unter Ausnahme des in Höhe von 39,00 € anerkannten Betrages, dürfen die Klägerin und der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweils andere vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Die Klägerin ist exklusive Verwerterin des in Deutschland am 02.03.2012 erschienenen Computerspiels „X“. Sie nimmt den Beklagten wegen der öffentlichen Zugänglichmachung dieses Computerspiels im Rahmen eines Filesharingprogramms über eine Tauschbörse am 26.05.2012 um 18.53 Uhr auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 1.005,40 € in Anspruch.
4Die Klägerin war der Ansicht, die Höhe der Abmahnkosten sei nach einem Gegenstandswert von 30.000,00 € zu berechnen und hat auf die Rechtsprechung diverser Gerichte verwiesen.
5Der Beklagte hat vorgetragen, der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen dürfte auf einen Betrag von 100,00 € beschränkt sein.
6Nach einem Hinweis des Amtsgerichts, dass der Gegenstandswert der Abmahnung mit 300,00 € zu bewerten sei und dass es daher Abmahnkosten in Höhe von 39,00 € für erstattungsfähig halte, hat der Beklagte die Klageforderung in Höhe von 39,00 € nebst anteiliger Zinsen anerkannt. Das Amtsgericht Bochum hat ihn mit Urteil vom 08.07.2014 entsprechend verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es hinsichtlich des Computerspiels eine Lizenz von 50,00 € für angemessen erachtet, da die Rechtsverletzung nur für eine Sekunde festgestellt worden sei und es durchaus möglich sei, dass tatsächlich nur Fragmente des Computerspiels heruntergeladen worden seien. Gegen dieses Urteil, das am 18.07.2014 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 29.07.2014 Berufung eingelegt und diese mit einem am 18.09.2014 eingegangenen Schriftsatz begründet.
7Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens meint die Klägerin, maßgeblich für die Streitwertberechnung sei das Interesse der Klägerin, dass das Computerspiel nicht mehr illegal verbreitet werde. Außerdem sei der Zeitpunkt des Anbietens ausschlaggebend, da das öffentliche Zugänglichmachen unmittelbar nach dem Erscheinen des Werks um ein Vielfaches schädlicher wäre als zu einem späteren Zeitpunkt. Das Abstellen auf eine fiktive Lizenz sei wenig überzeugend, insbesondere in den Fällen des Filesharings, in denen eine Lizenz nicht vergeben werde.
8Die Klägerin beantragt,
9unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 966,40 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2014 zu zahlen.
10Der Beklagte beantragt,
11die Berufung zurückzuweisen.
12Auch der Beklagte verweist auf sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt vor, dass die Rechtsverletzung von einer Sekunde nicht mit einem unterlassenen Kauf des Spiels gleichgesetzt werden könnte, sodass der vom Amtsgericht angenommene Gegenstandswert von 300,00 € nicht zu beanstanden sei.
13Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
14II.
15Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
16Der Klägerin steht ein Anspruch auf Abmahnkosten in Höhe von insgesamt 192,90 € aus § 97 a UrhG zu.
17Die Höhe der zu erstattenden Abmahnkosten richtet sich nach dem Gegenstandswert des vorprozessual geltend gemachten Unterlassungsanspruchs, der vorliegend mit 2.000,00 € zu bewerten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des OLG Hamm beziffert die Kammer den Gegenstandswert eines Unterlassungsbegehrens mit der doppelten Lizenzgebühr. Bei der Bemessung des Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie ist der objektive Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung zu ermitteln, der in der angemessenen und üblichen Lizenzgebühr besteht (BGH, NJW-RR 2009, 1053). Jedoch ist in den Fällen des Filesharings das Abstellen auf eine fiktive Lizenzgebühr wenig überzeugend, insbesondere in Fällen wie diesen, in welchen eine marktübliche Lizenz schlicht nicht existiert. Eine fiktive Lizenzgebühr für das kostenlose öffentliche Zugänglichmachen und unkontrollierte Weiterverbreiten würde viele Millionen Euro betragen. Die Kammer vermag wahrlich überzeugende Faktoren zur Bemessung der Schadensersatzhöhe nicht zu erkennen. Die bisherigen Ergebnisse der Rechtsprechung zeichnen sich durch eine gewisse Beliebigkeit aus, deren Begründung bezüglich der Schadenshöhe nicht hundertprozentig überzeugt, sondern die bestehende Schwierigkeit, derartige Begehren zu beziffern, widerspiegelt. Die Kammer wird davon absehen, einzelfallabhängige Schadensersatzbeträge zu ermitteln, denn der Graubereich zwischen kommerziell eindeutig sehr erfolgreichen Computerspielen und solchen, die nur ein geringes Interesse erzielen, ist erheblich. Daher schätzt die Kammer die Schadensersatzhöhe anhand des gängigen Kaufpreises für ein Computerspiel am Markt, der Verletzungshandlung durch das illegale Anbieten in Tauschbörsen für eine unendliche Anzahl von Nutzern und unter Berücksichtigung der Verstöße durch eine Vielzahl anderer Teilnehmer. Da es sich beim Filesharing um ein Massenphänomen handelt, sodass eine Überkompensation des Schadensersatzinteresses des jeweiligen Rechteinhabers zu vermeiden ist und die begehrte Schadensersatzhöhe in einem angemessenen Verhältnis zu der Verletzungshandlung stehen muss, erachtet die Kammer einen Betrag in Höhe von 1.000,00 € als geboten. Unter Berücksichtigung des sich somit ergebenden Gegenstandswertes des Unterlassungsbegehrens in Höhe von 2.000,00 €, betragen die Abmahnkosten 192,90 €, von denen der Beklagte bereits 39,00 € anerkannt hat.
18Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
19Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
20Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. Die Bemessung der Schadensersatzhöhe sowie des Gegenstandswerts einer Abmahnung bei Verletzungen durch Filesharing betrifft keinen Einzelfall und bedarf der Klärung durch höchstrichterliche Rechtsprechung.
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Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)