Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 16. Feb. 2012 - 10 Sa 453/11
Gericht
Tenor
Der Rechtsstreit wird bis zur Rechtskraft des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2012 - 24 TaBV 1285/11 - zur fehlenden Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice (CGZP) im Zeitpunkt der von ihr abgeschlossenen Tarifverträge am 29.11.2004, 19.06.2006 und 09.07.2008 ausgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Klägerin zugelassen.
Gründe
I.
- 1
Die Parteien streiten über Equal-Pay-Ansprüche.
- 2
Die Klägerin war vom 06.11.2006 bis zum 30.06.2008 bei der Beklagten, die ein Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Produktionshelferin beschäftigt. Ihr Stundenlohn betrug zuletzt € 7,00 brutto. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 03.11.2006 enthält u.a. folgende Regelungen:
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„3. Tarifvertrag
- 4
Seit dem 01.01.2005 finden die Tarifverträge zwischen der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) und dem Arbeitgeberverband Mittelständische Personaldienstleister e.V. (AMP) vollinhaltlich Anwendung.
- 5
Demnach bestimmen sich die Rechte und Pflichten der Parteien dieses Arbeitsvertrages nach den zwischen dem AMP und der CGZP geschlossenen Tarifverträgen, bestehend aus Mantel-, Entgeltrahmen-, Entgelt- und Beschäftigungssicherungstarifverträgen (MTV, ERTV, ETV, BSTV) sowie etwaigen ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen in ihrer jeweils gültigen Fassung. Dies gilt auch, wenn die Mitarbeiterin nicht Mitglied einer der Mitgliedsgewerkschaften der vorab genannten Tarifgemeinschaft ist. …“
- 6
Mit ihrer am 10.09.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht die Klägerin Differenzlohnansprüche in Höhe von € 1.581,88 brutto nebst Zinsen für die Monate Mai und Juni 2008 unter dem Gesichtspunkt des Equal-Pay geltend.
- 7
Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit zunächst mit Beschluss vom 10.12.2008 gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG ausgesetzt; ihn jedoch nach Verkündung des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) fortgesetzt.
- 8
Mit am 29.06.2011 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht der Zahlungsklage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, das BAG habe mit Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) die Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) verneint. Aufgrund der tragenden Erwägungen des BAG bestehe kein Zweifel an der fehlenden Tariffähigkeit der CSZP auch in der Vergangenheit, jedenfalls seit 05.12.2005.
- 9
Gegen dieses Urteil, das ihr am 04.07.2011 zugestellt worden ist, hat die Beklagte mit am 01.08.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am Montag, dem 05.09.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet. Sie beantragt, das Verfahren auszusetzen. Die Klägerin tritt einer Aussetzung entgegen.
- 10
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
II.
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Der vorliegende Rechtsstreit ist gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG auszusetzen.
- 12
Nach dieser Vorschrift ist für den Fall, dass die Entscheidung eines Rechtsstreits davon abhängt, ob eine Vereinigung tariffähig oder tarifzuständig ist, das Verfahren auszusetzen, bis im Beschlussverfahren über die Tariffähigkeit oder -zuständigkeit dieser Vereinigung entschieden ist. Damit hängt die Entscheidung über die Aussetzung davon ab, ob Streit über die Tariffähigkeit oder -zuständigkeit einer Vereinigung besteht und ob sich diese Frage streitentscheidend auf das Verfahren auswirkt. Das Gericht hat das Verfahren von Amts wegen und ohne dass die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts gestellt ist bis zum Abschluss des Beschlussverfahrens auszusetzen (BAG vom 28.01.2008 - 3 AZB 30/07 - NZA 2008, 489).
- 13
Nach dem bisherigen Verfahrensstand ist die Frage der Tariffähigkeit der CGZP entscheidungserheblich. Die Klägerin begründet ihre Klageforderung mit dem Equal-Pay-Anspruch. Dieser steht ihr nur zu, wenn die in ihrem Arbeitsvertrag vom 06.11.2006 in Bezug genommenen Tarifverträge zwischen der CGZP und dem AMP keine Rechtswirkung entfalten, weil sie mangels Tariffähigkeit der CGZP unwirksam sind.
- 14
Das BAG hat im Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10 - AP TVG § 2 Tariffähigkeit Nr. 6) die Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht für die Vergangenheit festgestellt (so auch: LAG Rheinland-Pfalz vom 19.12.2011 - 10 Ta 247/11, vom 15.06.2011 - 6 Ta 99/11 und vom 17.08.2011 - 11 Ta 160/11; LAG Düsseldorf vom 21.12.2011 - 2 Ta 616/11; LAG Baden-Württemberg vom 21.06.2011 - 11 Ta 10/11; LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 15.08.2011 - 2 Ta 42/11 und vom 09.09.2011 - 2 Ta 45/11; LAG Köln vom 14.10.2011 - 13 Ta 284/11; LAG Hamm vom 28.09.2011 - 1 Ta 500/11; LAG Nürnberg vom 19.09.2011 - 2 Ta 128/11; LAG Sachsen vom 08.09.2011 und 05.09.2011 - 4 Ta 149/11 und 4 Ta 162/11; jeweils dokumentiert in Juris). Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die überzeugenden Ausführungen Bezug genommen, denen sich die Berufungskammer nach eigener Prüfung anschließt.
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Entgegen LAG Sachsen-Anhalt (vom 02.11.2011 - 4 Ta 130/11) ist der Beschluss des BAG vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) nur gegenwartsbezogen. Aus der vom BAG vorgenommenen Antrags- und auch Streitgegenstandsauslegung folgt entgegen Brors (Arbeit und Recht 2011, 138 ff.) und anders als in der Entscheidung des BAG vom 15.11.2006 (10 AZR 665/05), dass dem Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) keine rückwirkende Wirkung zuerkannt werden kann. Das BAG hat rechtskräftig festgestellt, dass die CGZP ab dem 07.12.2009 (letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz) keine Tariffähigkeit besitzt.
- 16
Die Klägerin macht hier Ansprüche für die Monate Mai und Juni 2008 geltend. Für diese Zeit ist die Tariffähigkeit der CGZP nicht rechtskräftig verneint. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 09.01.2012 (24 TaBV 1285/11) zur fehlenden Tariffähigkeit der CGZP im Zeitpunkt der von ihr abgeschlossenen Tarifverträge am 29.11.2004, 19.06.2006 und 09.07.2008 ist noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat zwar die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch statthaft.
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Annotations
(1) In den Fällen des § 2a Abs. 1 Nr. 4 wird das Verfahren auf Antrag einer räumlich und sachlich zuständigen Vereinigung von Arbeitnehmern oder von Arbeitgebern oder der obersten Arbeitsbehörde des Bundes oder der obersten Arbeitsbehörde eines Landes, auf dessen Gebiet sich die Tätigkeit der Vereinigung erstreckt, eingeleitet.
(2) Für Verfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 4 ist das Landesarbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Vereinigung, über deren Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit zu entscheiden ist, ihren Sitz hat.
(2a) Für das Verfahren sind § 80 Absatz 1, 2 Satz 1 und Absatz 3, §§ 81, 83 Absatz 1 und 2 bis 4, §§ 83a, 84 Satz 1 und 2, § 91 Absatz 2 und §§ 92 bis 96 entsprechend anzuwenden. Für die Vertretung der Beteiligten gilt § 11 Absatz 4 und 5 entsprechend.
(3) Der rechtskräftige Beschluss über die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung wirkt für und gegen jedermann. Die Vorschrift des § 63 über die Übersendung von Urteilen gilt entsprechend für die rechtskräftigen Beschlüsse von Gerichten für Arbeitssachen im Verfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4.
(4) In den Fällen des § 2a Abs. 1 Nr. 4 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über die Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit darauf beruht, daß ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozeßordnung findet keine Anwendung.
(5) Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine Vereinigung tariffähig oder ob die Tarifzuständigkeit der Vereinigung gegeben ist, so hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Beschlußverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 auszusetzen. Im Falle des Satzes 1 sind die Parteien des Rechtsstreits auch im Beschlußverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 antragsberechtigt.
(1) Tarifvertragsparteien sind Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern.
(2) Zusammenschlüsse von Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern (Spitzenorganisationen) können im Namen der ihnen angeschlossenen Verbände Tarifverträge abschließen, wenn sie eine entsprechende Vollmacht haben.
(3) Spitzenorganisationen können selbst Parteien eines Tarifvertrags sein, wenn der Abschluß von Tarifverträgen zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben gehört.
(4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 haften sowohl die Spitzenorganisationen wie die ihnen angeschlossenen Verbände für die Erfüllung der gegenseitigen Verpflichtungen der Tarifvertragsparteien.