Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 07. März 2017 - 5 Sa 227/15

published on 07/03/2017 00:00
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 07. März 2017 - 5 Sa 227/15
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Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 28.07.2015 - 1 Ca 215/14 - abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.01.2013 nach der Entgeltgruppe 9 Stufe 6 TVöD-V VKA i. V. m. der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a der Anlage 1 a zu §§ 22 ff. BAT-O und ab dem 01.01.2017 nach der Entgeltgruppe 9 c Stufe 6 TVöD-V VKA zu vergüten.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Eingruppierung und Stufenzuordnung der Klägerin nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der Fassung für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V VKA).

2

Die 1960 geborene Klägerin nahm zum 15.08.1983 beim Rat der Stadt B-Stadt eine Beschäftigung als Steno-Sachbearbeiterin auf. Zum 01.01.1988 wechselte sie gemäß Änderungsvertrag vom selben Tag auf die Position einer Leitenden Mitarbeiterin für Jugendfragen. An die Stelle des Rates der Stadt B-Stadt trat später die Hansestadt B-Stadt.

3

Diese setzte die Klägerin ab dem 01.01.2005 in der seinerzeit zusammen mit der Agentur für Arbeit gebildeten Arbeitsgemeinschaft, sog. ARGE (vgl. § 44 b SGB II a. F.) ein. Die Klägerin erhielt zunächst die Vergütung der Vergütungsgruppe (VergGr.) V b BAT-O. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme dem einschlägigen Tarifrecht des öffentlichen Dienstes. Mit dem Inkrafttreten des TVöD-V VKA wechselte die Klägerin in die Entgeltgruppe (EG) 9 Stufe 5. Die Klägerin war im Arbeitgeberservice des Jobcenters tätig. Dort war sie mit der Arbeitsvermittlung für Arbeitgeberkunden einschließlich der Entscheidung über Förderungsanträge befasst.

4

In den Jahren 2007 bis 2009 bildete sich die Klägerin berufsbegleitend zur Verwaltungsfachwirtin weiter.

5

Nachdem die Klägerin einen Antrag auf Überprüfung ihrer Eingruppierung gestellt hatte, gruppierte die Hansestadt B-Stadt sie ausweislich des Schreibens vom 15.08.2011 rückwirkend zum 01.01.2011 in die VergGr. IV b Fallgruppe 1 a BAT-O (= EG 9 TVöD-V VKA) um.

6

Am 04.09.2011 trat das Gesetz zur Neuordnung der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 12.07.2010 (Landkreisneuordnungsgesetz - LNOG M-V) in Kraft, mit dem das Jobcenter der Hansestadt B-Stadt auf den Beklagten überging. Zugleich gingen gemäß § 27 Abs. 3 LNOG M-V die Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer auf den Beklagten über, die ausschließlich mit den übergegangenen Aufgaben betraut waren. Das betraf auch die Klägerin.

7

Der Beklagte stufte die Klägerin zum 01.10.2012 nach Ablauf der fünfjährigen Stufenlaufzeit in der Stufe 5 in die EG 9 Stufe 6 TVöD-V VKA um und zahlte das entsprechende Entgelt.

8

Seit dem 01.01.2013 ist der gesamte Landkreis als zugelassener kommunaler Träger im Sinne der §§ 6 ff. SGB II anstelle der Bundesagentur für Arbeit Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aus diesem Anlass fasste der Beklagte die bis dahin fortbestehenden gemeinsamen Einrichtungen B-Stadt und Rügen sowie das kommunale Jobcenter Nordvorpommern, für das die Option der ausschließlich kommunalen Trägerschaft schon seit Januar 2012 galt, organisatorisch zusammen.

9

Aus diesem Anlass erstellte der Beklagte für die Klägerin am 05.06.2013 rückwirkend zum 01.01.2013 eine Stellenbeschreibung mit dem folgenden Inhalt:

10

"…

11

Funktionsbezeichnung
Personalserviceberater für Arbeitgeber

       

Der/die Stelleninhaber/in ist unmittelbar unterstellt
Teamleiter Personalservice für Arbeitgeber

…       

Der/die Stelleninhaber/in hat folgende Befugnisse/Verantwortung
Unterschriftsbefugnis

12

Arbeitsbeschreibung

13

lfd. Nr.    

Einzeltätigkeiten           

Zeitanteil in %   

1.




2.



3.





4.

5.       

Personalservice bewerberorientiert
Bewerbergespräche mit potentiell geeigneten Bewerbern
Bewerbungsgespräche mit Ausbildungsbewerbern
Durchführung von bewerberorientierten Vermittlungsaktivitäten unter Berücksichtigung des individuellen Integrationsplans
Beratung und Entscheidung über Eingliederungsleistungen
Personalservice stellenorientiert
Akquisition von Arbeits- und Ausbildungsstellen sowie sonstigen Beschäftigungsmöglichkeiten
Personalservice (Vorauswahl/Präsentation von potentiell geeigneten Bewerbern)
Beratung und Entscheidung über Eingliederungsleistungen
Beratung der Arbeitgeberkunden
Beratung zur Qualifizierung und Entwicklung von bereits beschäftigten Mitarbeitern
Kontaktpflege mit Wirtschaftsunternehmen
Beratung zur Akquisition von Ausbildungsbewerbern
Beratung zu ausbildungsbegleitenden Hilfen usw.
Organisation von Aktionen, Börsen usw.
Beratung von Arbeitnehmerkunden zu weitergehenden sozialen Fragestellungen der Bedarfsgemeinschaft

Bedarfsermittlung und Zusammenarbeit mit Dritten
Ermittlung der Bedarfe vorgeschalteter, begleitender oder zusätzlicher Angebote
Erstellung von Analysen, Statistiken
Zusammenarbeit mit anderen Institutionen/Behörden/Trägern/
Kammern/Netzwerkarbeit (z. B. Wirtestammtisch)

30




20



30





8

12

14

Qualifikation für den Arbeitsplatz

15

Ausbildung
Verwaltungsausbildung für den gehobenen Dienst

sonstige erforderliche Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen
Grundkenntnisse in der Geschäftspolitik und der strategischen Ziele der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende
Grundkenntnisse der Steuerlogistik SGB II
Grundkenntnisse der Aufgaben und Strukturen im Rechtskreis SGB II
Fundierte Kenntnisse der Produkte, Programme und Verfahren einschl. der relevanten Rechtsgrundlagen im Rechtskreis SGB II
Fundierte Kenntnisse des regionalen Arbeitsmarktes und Ausbildungsmarktes
Fundierte Kenntnisse MS-Office und relevanter IT-Fachanwendungen
Führerschein

16

…"

17

Der Beklagte bewertete die Stelle der Klägerin nunmehr mit der VergGr. V b Fallgruppe 1 a BAT-O und zahlte der Klägerin ab Januar 2013 nur noch das Entgelt der EG 9 Stufe 5 TVöD-V VKA statt Stufe 6. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Schreiben von 27.06.2013 und bat den Beklagten um Überprüfung der Stufenzuordnung. Der Beklagte wies das mit Schreiben vom 06.03.2014 zurück und hielt an der Eingruppierung in der VergGr. V b Fallgruppe 1 a BAT-O fest. Mit der Klage vom 13.06.2014 hat die Klägerin ihr Begehren gerichtlich weiterverfolgt. Ab Januar 2017 erhält sie das Entgelt der EG 9 a Stufe 5 TVöD-V VKA.

18

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe sie zum 01.01.2013 unberechtigt herabgestuft, obwohl sie unverändert dieselbe Tätigkeit ausübe. Ihre einzelnen Aufgaben seien zu einem einheitlichen Arbeitsvorgang im Sinne des § 22 BAT-O zusammenzufassen. Dieser Arbeitsvorgang erfülle das Tarifmerkmal „besonders verantwortungsvoll“. Die Herabgruppierung verstoße zudem gegen § 27 Abs. 4 Satz 4 LNOG M-V, nach dem die bis zum Tag vor dem Übergang der Arbeitsverhältnisse erworbene Rechtsstellung der Arbeitnehmer gewahrt bleibe. Selbst wenn der Beklagte der Klägerin eine niedriger zu bewertende Tätigkeit übertragen hätte, was aber bestritten werde, so wäre jedenfalls diese Maßnahme mangels Zustimmung des Personalrats nach § 68 Abs. 1 Nr. 6 PersVG M-V unwirksam.

19

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt

20

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.01.2013 in die Entgeltgruppe 9 Stufe 6 TVöD-V VKA entsprechend der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a der Anlage 1 a zu § 22 BAT-O einzugruppieren und zu vergüten.

21

Der Beklagte hat beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Es handele sich nicht um eine Rückgruppierung, weil sich der Aufgabenbereich verkleinert habe. Der Beklagte habe der Klägerin im Rahmen seines Direktionsrechts eine andere Tätigkeit übertragen können, da die Eingruppierung als solche hiervon nicht berührt worden sei. Dass dadurch die Endstufe 6 wegfalle, sei unerheblich. Schon nach dem alten Tarifrecht sei es zulässig gewesen, einen Arbeitnehmer durch Direktionsrecht von einer Fallgruppe mit der Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs in eine solche ohne Bewährungsaufstieg umzusetzen. Im Übrigen sei eine Stufenkorrektur nicht nach den Grundsätzen der korrigierenden Rückgruppierung zu behandeln, da sich die Vergütungsgruppe nicht ändere.

24

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Tätigkeit der Klägerin sei nicht besonders verantwortungsvoll im tariflichen Sinne. Der in § 27 LNOG M-V verankerte Bestandsschutz stehe der Rückgruppierung nicht entgegen, da er die Tarifautomatik nicht außer Kraft setze. Auf die Zustimmung des Personalrats komme es nicht an.

25

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie weist nochmals darauf hin, dass sich ihr Aufgabengebiet zum Januar 2013 gerade nicht verändert habe. Der Beklagte habe dies zwar behauptet, aber keine konkreten Tatsachen hierzu vorgetragen.

26

Die Klägerin beantragt,

27

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Stralsund vom 28.07.2015 - 1 Ca 215/14 - festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.01.2013 nach der Entgeltgruppe 9 Stufe 6 TVöD-V VKA in Verbindung mit der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a der Anlage 1 a zu §§ 22 ff. BAT-O und ab dem 01.01.2017 nach Entgeltgruppe 9 c Stufe 6 TVöD-V VKA zu vergüten.

28

Der Beklagte beantragt,

29

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

30

Er ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe zutreffend entschieden. Es sei zwar fälschlicherweise von einer korrigierenden Rückgruppierung ausgegangen, habe aber zu Recht angenommen, dass die Tätigkeit der Klägerin nicht besonders verantwortungsvoll im tariflichen Sinne sei. Maßstab sei die schon in der Ausgangsvergütungsgruppe geforderte Verantwortung. Die Verantwortlichkeit der Klägerin hebe sich hiervon nicht gewichtig und beträchtlich ab. Die Klägerin habe keine Umstände hierfür vorgetragen. Zudem sei sie einem Teamleiter unterstellt, der die Mitarbeiter fachlich anleite, Grundsatzangelegenheiten kläre, schwierigste Sachverhalte entscheide usw.

31

Einzuräumen sei allerdings, dass sich die Tätigkeit der Klägerin seit 2011 nicht wesentlich geändert habe.

32

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

33

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

34

Die Klägerin hat über den 31.12.2012 hinaus einen Anspruch nach § 15 Abs. 1, § 16 Abs. 3 TVöD-V VKA auf die Vergütung der EG 9 Stufe 6 bzw. nach Änderung des Tarifvertrages zum 01.01.2017 einen Anspruch auf die Vergütung der EG 9 c Stufe 6 TVöD-V VKA.

35

I. Zeitraum Januar 2013 bis Dezember 2016

36

Der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbare TVöD-V VKA enthält, soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung, folgende Bestimmungen:

37

"…

38

§ 15
Tabellenentgelt

39

(1) 1Die/Der Beschäftigte erhält monatlich ein Tabellenentgelt. 2Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die sie/er eingruppiert ist, und nach der für sie/ihn geltenden Stufe.

40

§ 16
Stufen der Entgelttabelle

41

(1) 1Die Entgeltgruppen 2 bis 15 umfassen sechs Stufen. 2Die Abweichungen von Satz 1 sind im Anhang zu § 16 geregelt.

42

(3) 1Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe – von Stufe 3 an in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 17 Abs. 2 – nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):

43

- Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1,
- Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,
- Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3,
- Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4 und
- Stufe 6 nach fünf Jahren in Stufe 5.

44

2Die Abweichungen von Satz 1 sind im Anhang zu § 16 geregelt.

45

Anhang zu § 16
Besondere Stufenregelungen für vorhandene und neu eingestellte Beschäftigte

I.

46

(1) Abweichend von § 16 Abs. 1 Satz 1 ist Endstufe

47


c) in der Entgeltgruppe 9 die Stufe 5 bei Tätigkeiten entsprechend

48

- Vergütungsgruppe Vb BAT/BAT-O
ohne Aufstieg nach IVb,
- Vergütungsgruppe Vb BAT/BAT-O
nach Aufstieg aus Vc,

49

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) gilt § 22 BAT-O bis zum Inkrafttreten der Eingruppierungsvorschriften des TVöD (mit Entgeltordnung) über den 30.09.2005 hinaus fort. Bei Eingruppierungen zwischen dem 01.10.2005 und dem Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung sind die Vergütungsgruppen gemäß § 17 Abs. 7 TVÜ-VKA in Verbindung mit der Anlage 3 wie folgt den Entgeltgruppen zuzuordnen:

50

"…

51

Anlage 3
Vorläufige Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den Entgeltgruppen für zwischen dem 01. Oktober 2005 und dem In-Kraft-Treten der neuen Entgeltordnung stattfindende Eingruppierungvorgänge/VKA

52

Entgelt-gruppe

Vergütungsgruppe

Lohngruppe

       

       

       

9       

IV b ohne Aufstieg nach IV a
V b mit Aufstieg nach IV b
V b ohne Aufstieg nach IV b (Stufe 5 nach 9 Jahren in Stufe 4, keine Stufe 6)

       

       

       

       

53

…“

54

Die hier maßgeblichen Eingruppierungsvorschriften des BAT-O haben folgenden Wortlaut:

55

"…
§ 22 Eingruppierung(1) Die Eingruppierung der Angestellten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung (Anlage 1 a und 1 b). Der Angestellte erhält Vergütung nach der Vergütungsgruppe, in der er eingruppiert ist.

56

(2) Der Angestellte ist in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht.

57

Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z. B. vielseitige Fachkenntnisse), sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen.

58

Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Unterabs. 2 Satz 1 bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung.

59

Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von Unterabs. 2 oder 3 abweichendes Maß bestimmt, gilt dieses.

60

Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person des Angestellten bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein.

61

(3) Die Vergütungsgruppe des Angestellten ist im Arbeitsvertrag anzugeben.

62

Protokollnotizen zu Abs. 2

63

1. Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis des Angestellten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z. B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Eintragung in das Grundbuch, Konstruktion einer Brücke oder eines Brückenteils, Bearbeitung eines Antrags auf Wohngeld, Festsetzung einer Leistung nach dem Bundessozialhilfegesetz). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.

64

2. Eine Anforderung im Sinne des Unterabs. 2 ist auch das in einem Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus einer niedrigeren Vergütungsgruppe.

65

Anlage 1 a (VKA)

66

67

Vergütungsgruppe IV b

68

1. a) Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a heraushebt, dass sie besonders verantwortungsvoll ist.

69

70

b) Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a heraushebt, dass sie mindestens zu einem Drittel besonders verantwortungsvoll ist,

71

nach vierjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 b.

72

Vergütungsgruppe V b

73

1. a) Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.

74

(Gründliche, umfassende Fachkenntnisse bedeuten gegenüber den in der Fallgruppe 1 b der Vergütungsgruppe VII und in den Fallgruppen 1 a der Vergütungsgruppen VI b und V c geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach.)

75

b) Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich dadurch aus Buchstabe a heraushebt, dass sie mindestens zu einem Drittel besonders verantwortungsvoll ist.

76

…"

77

Die Eingruppierung ist ein Akt der Rechtsanwendung, bei dem eine bestimmte Tätigkeit in ein abstraktes Vergütungsschema eingeordnet wird, indem die dort zu einzelnen Entgeltgruppen aufgestellten abstrakten Merkmale mit den Anforderungen verglichen werden, die die zu bewertende Tätigkeit an den sie ausführenden Arbeitnehmer stellt (BAG, Urteil vom 17. November 2016 - 6 AZR 487/15 - Rn. 45, juris; BAG, Beschluss vom 16. März 2016 - 4 ABR 32/14 - Rn. 23 = NZA 2016, 1286). Ist bei der Rechtsanwendung ein Fehler unterlaufen, ist es regelmäßig zulässig, diesen zu korrigieren. Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist grundsätzlich berechtigt, eine fehlerhafte, der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht entsprechende tarifliche Eingruppierung zu korrigieren (BAG, Urteil vom 17. November 2016 - 6 AZR 487/15 - Rn. 46; BAG, Urteil vom 04. Juli 2012 - 4 AZR 673/10 - Rn. 19 = ZTR 2013, 83).

78

Beruft sich der Arbeitnehmer auf die ihm zuvor als maßgebend mitgeteilte und der Vergütung zugrunde gelegte Vergütungsgruppe, muss der Arbeitgeber allerdings die objektive Fehlerhaftigkeit der bisher gewährten Vergütung darlegen und ggf. beweisen (BAG, Urteil vom 20. März 2013 - 4 AZR 521/11 - Rn. 18, juris = ZTR 2013, 615). Dieser Darlegungslast wird genügt, wenn sich aus dem Vorbringen - einschließlich des unstreitigen Sachverhaltes - ergibt, dass es jedenfalls an einer der tariflichen Voraussetzungen für die mitgeteilte Eingruppierung mangelt (BAG, Urteil vom 17. November 2016 - 6 AZR 487/15 - Rn. 46, juris; BAG, Urteil vom 05. Juni 2014 - 6 AZR 1008/12 - Rn. 12, juris = ZTR 2014, 530).

79

Die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung lassen sich auf die Stufenzuordnung im Sinne einer Rückstufung übertragen, wenn sich die Stufenzuordnung auf eine bloße Rechtsanwendung im Rahmen tariflicher Vorgaben beschränkt und nicht auf einer rechtsgestaltenden Entscheidung, z. B. einer Ermessensausübung, beruht (BAG, Urteil vom 05. Juni 2014 - 6 AZR 1008/12 - Rn. 13, juris = ZTR 2014, 530). Soweit die Stufenberechnung davon abhängt, in welcher Entgeltgruppe der Arbeitnehmer eingruppiert ist, handelt es sich ebenso wie bei einer Korrektur der Vergütungs-/Entgeltgruppe ausschließlich um einen Akt der Rechtsanwendung. Für eine Berichtigung der Vergütungsgruppenzuordnung gelten auch dann die gleichen Maßstäbe, wenn sie im Ergebnis nicht zu einer Änderung der Entgeltgruppe, sondern zu einer Änderung der Stufe führt. Ausgangspunkt ist stets die tarifrechtliche Neubewertung der Tätigkeit anhand der Entgeltordnung. Welcher Entgeltbestandteil hiervon letztlich betroffen ist, hat keinen Einfluss auf die Möglichkeit der Korrektur und die dafür geltenden Grundsätze, insbesondere die prozessuale Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.

80

Für die Eingruppierung ist die nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit maßgeblich (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 1 BAT-O). Diese hat sich bei der Klägerin seit 2011 nicht wesentlich verändert. Der Beklagte hat diese Tätigkeit jedoch zum 01.01.2013 neu bewertet und die Klägerin dementsprechend von der Stufe 6 auf die Stufe 5 zurückgestuft.

81

Nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT-O ist zunächst festzustellen, welche Arbeitsvorgänge im tariflichen Sinne anfallen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, welche Tätigkeitsmerkmale die Arbeitsvorgänge erfüllen.

82

1. Arbeitsvorgänge

83

Maßgebend für die Bestimmung eines Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten (z. B. BAG, Urteil vom 16. März 2016 - 4 AZR 502/14 - Rn. 35, juris = NZA 2017, 131; BAG, Urteil vom 13. Mai 2015 - 4 AZR 355/13 - Rn. 16, juris = NZA-RR 2015, 644). Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden, nicht aber solche, die tariflich unterschiedlich zu bewerten sind. Dies gilt jedoch nur, wenn die unterschiedlich wertigen Arbeitsleistungen von vornherein voneinander zu trennen und tatsächlich getrennt sind. Die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Angestellte übertragen zu können, reicht dagegen nicht aus. Tatsächlich getrennt sind Arbeitsschritte dann nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist. Es ist möglich, dass die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit nur einen einzigen Arbeitsvorgang bildet (BAG, Urteil vom 16. März 2016 - 4 AZR 502/14 - Rn. 36, juris = NZA 2017, 131; BAG, Urteil vom 13. Mai 2015 - 4 AZR 355/13 - Rn. 16, juris = NZA-RR 2015, 644; BAG, Urteil vom 18. März 2015 - 4 AZR 59/13 - Rn. 18, juris = NZA-RR 2015, 479).

84

Die Tätigkeit der Klägerin besteht aus einem einheitlichen Arbeitsvorgang im Sinne des § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT-O.

85

Unter dem Blickwinkel des Arbeitsergebnisses ist es nicht möglich, die Aufgaben der Klägerin in einen bewerberorientierten, einen stellenorientierten und einen arbeitgeberorientierten Service aufzuteilen. Die Klägerin ist in erster Linie Ansprechpartnerin für die Arbeitgeber der von ihr betreuten Branchen und Gebiete. Zwar steht sie darüber hinaus auch mit den Arbeitsuchenden sowie anderen Institutionen und Behörden in Kontakt. Dieser Kontakt allein führt jedoch noch nicht zu einem Ergebnis ihrer Arbeit. Ziel ihrer Tätigkeit ist es vielmehr, Arbeitgeber und Arbeitsuchende zusammenzubringen, ggf. mithilfe finanzieller Unterstützung oder unter Einbeziehung von Dritten. Das Führen eines Bewerbungsgesprächs ist noch kein Arbeitsergebnis, das vergleichbar ist mit den in der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 BAT-O genannten Beispielen (unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, Bearbeitung eines Antrags auf Wohngeld, Festsetzung einer Leistung nach dem Bundessozialhilfegesetz etc.). Das Bewerbungsgespräch dient zunächst der Feststellung, ob der Arbeitsuchende für den angebotenen Arbeitsplatz geeignet erscheint und aufgrund dessen eine Vermittlung erfolgreich sein könnte. Ein Ergebnis, das von den anderen Aufgaben trennbar ist, liegt damit noch nicht vor. Der Vorgang ist gerade nicht abgeschlossen. Die Vermittlungsbemühungen sind an dieser Stelle nicht zu Ende, sondern stehen am Anfang. Abgeschlossen ist der Vorgang erst dann, wenn ein Bewerber erfolgreich vermittelt ist und die Klägerin im Zusammenhang damit - soweit notwendig - über Eingliederungsleistungen oder sonstige Zuwendungen entschieden hat. Die Bewilligung solcher Leistungen kann nicht sinnvoll von den übrigen Vermittlungsbemühungen getrennt werden. Die Klägerin muss während des gesamten Vermittlungsvorgangs prüfen, ob eine finanzielle Unterstützung notwendig ist und in welcher Höhe diese zu gewähren ist. Ebenso muss sie während des gesamten Prozesses das Anforderungsprofil des Arbeitgebers und die Qualifikation des oder der in Frage kommenden Arbeitsuchenden im Blick behalten. Das gilt gleichermaßen für evtl. in Betracht kommende Qualifizierungsmaßnahmen. Soweit die Klägerin im Außendienst tätig ist und dort Kontakte zu Arbeitgebern herstellt und pflegt sowie Netzwerkarbeit betreibt, liegt noch kein eigenständiges, abgrenzbares Arbeitsergebnis vor. Es handelt sich nur um einzelne, notwendige Schritte, um einen Vermittlungsvorgang letztlich erfolgreich abschließen zu können.

86

2. Tätigkeitsmerkmale

87

Die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppen V b bis III BAT-O bauen aufeinander auf. Bei Aufbaufallgruppen ist zunächst zu prüfen, ob die Anforderungen der Ausgangsfallgruppe erfüllt werden. Anschließend ist zu klären, ob die qualifizierenden Merkmale der höheren Vergütungsgruppe vorliegen.

88

Wird ein Heraushebungsmerkmal in Anspruch genommen, genügt es nicht, lediglich die Tätigkeit im Einzelnen darzustellen. Das allein lässt noch keine Rückschlüsse darauf zu, ob sich eine Tätigkeit aus der Ausgangsvergütungsgruppe heraushebt. Deshalb ist darzulegen, wodurch sich eine bestimmte Tätigkeit von den „Normaltätigkeiten“ der Ausgangsgruppe abhebt. Die vorgetragenen Tatsachen müssen erkennen lassen, warum sich eine bestimmte Tätigkeit aus der in der Ausgangsfallgruppe erfassten Grundtätigkeit hervorhebt und einen wertenden Vergleich mit dieser nicht unter das Heraushebungsmerkmal fallenden Tätigkeit erlauben (BAG, Urteil vom 09. Dezember 2015 - 4 AZR 11/13 - Rn. 19, juris = öAT 2016, 168; BAG, Urteil vom 18. November 2015 - 4 AZR 605/13 - Rn. 16, juris = ZTR 2016, 320; BAG, Urteil vom 18. März 2015 - 4 AZR 702/12 - Rn. 35, juris = NZA-RR 2015, 427).

89

Im Falle der korrigierenden Rückgruppierung trägt der Arbeitgeber hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Stellt er ein bestimmtes Heraushebungsmerkmal in Abrede, muss er in Form eines wertenden Vergleichs zwischen den jeweiligen Vergütungsgruppen darlegen, weshalb das Heraushebungsmerkmal nicht erfüllt ist. Das Heraushebungsmerkmal ist den Anforderungen der vorhergehenden Vergütungsgruppe gegenüberzustellen.

90

a) Vergütungsgruppe V b BAT-O/VKA (Ausgangsfallgruppe)

91

In der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a BAT-O/VKA sind Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst eingruppiert, deren Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbstständige Leistungen erfordert.

92

Gründliche, umfassende Fachkenntnisse sind regelmäßig solche eines Fachhochschulstudiums. Der Angestellte mit Fachhochschulabschluss wird bei Eintritt in den öffentlichen Dienst als Berufsanfänger in der Regel nach Vergütungsgruppe V b BAT vergütet (BAG, Urteil vom 15. Februar 2006 - 4 AZR 645/04 - Rn. 27, juris = ZTR 2006, 491; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 08. Mai 2009 - 5 Sa 266/08 - Rn. 35, juris; LAG Düsseldorf, Urteil vom 04. Februar 1997 - 16 Sa 1554/96 - Rn. 37, juris = ZTR 1997, 325; LAG Hessen, Urteil vom 20. Februar 1996 - 9 Sa 1135/95 - Rn. 27, juris = EzBAT §§ 22, 23 BAT B1 VergGr V b Nr. 8).

93

Die Tätigkeit der Klägerin, die als einheitlicher Arbeitsvorgang zu bewerten ist, erfordert eine dem Fachhochschulabschluss entsprechende Qualifikation. Das ergibt sich schon aus der Stellenbeschreibung des Beklagten vom 05.06.2013. Danach benötigt der Stelleninhaber eine Ausbildung für den gehobenen Dienst.

94

Eine selbstständige Leistung im Tarifsinne ist dann anzunehmen, wenn eine Gedankenarbeit erbracht wird, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses, eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert. Das Merkmal „selbstständige Leistungen“ darf nicht mit dem Begriff „selbstständig arbeiten“ verwechselt werden, worunter eine Tätigkeit ohne direkte Aufsicht oder Leitung zu verstehen ist. Selbstständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbstständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen. Kennzeichnend für selbstständige Leistungen im tariflichen Sinne ist - ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe - ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses. Es werden Abwägungsprozesse verlangt, in deren Rahmen Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt werden. Dabei müssen für eine Entscheidung unterschiedliche Informationen verknüpft und untereinander abgewogen werden. Dass diese Abwägungsprozesse bei entsprechender Routine durchaus schnell ablaufen können, steht nicht entgegen (z. B. BAG, Urteil vom 21. März 2012 - 4 AZR 266/10 - Rn. 42, juris = ZTR 2012, 440).

95

Die Klägerin erbringt selbstständige Leistungen im Tarifsinne. Sie verfügt bei der Bewilligung von Eingliederungszuschüssen über erhebliche Beurteilungs- und Ermessensspielräume. Die Klägerin hat bei der Entscheidung abzuwägen, ob und in welchem Umfang sie den Wünschen des Arbeitgebers nachkommen und finanzielle Mittel für die Vermittlung eines Arbeitsuchenden bereitstellen kann. Dabei sind die Erfolgsaussichten der Vermittlungsbemühungen einschätzen, was eine Verknüpfung verschiedener sachlicher und rechtlicher Gesichtspunkte erfordert.

96

b) Vergütungsgruppe IV b BAT-O/VKA (1. Heraushebungsstufe)

97

In der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a BAT-O/VKA sind Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst eingruppiert, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a heraushebt, dass sie besonders verantwortungsvoll ist.

98

Unter Verantwortung ist die Verpflichtung des Angestellten zu verstehen, dafür einstehen zu müssen, dass in dem ihm übertragenen Dienst- oder Arbeitsbereich die dort - auch von anderen Bediensteten - zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsmäßig ausgeführt werden; dabei kann Mitverantwortung ausreichen und die Unterstellung unter einen Vorgesetzten unschädlich sein. Die dem Angestellten übertragene Verantwortung muss beträchtlicher, gewichtiger sein als die Verantwortung, die im Allgemeinen einem Angestellten der Vergütungsgruppe V b BAT-O/VKA obliegt ("Normalverantwortung"). Die Verantwortung kann sich auf andere Mitarbeiter oder dritte Personen, Sachen, Arbeitsabläufe, zu gewinnende wissenschaftliche Resultate u. Ä. beziehen. Soweit es um Entscheidungen über Leistungen an Dritte geht, kann die besondere Verantwortung darin liegen, dass sie auf die betroffenen Antragsteller Auswirkungen von erheblicher Tragweite haben (BAG, Urteil vom 21. Januar 2015 - 4 AZR 253/13 - Rn. 26, juris = ZTR 2015, 642 zu einer Sachbearbeiterin mit Aufgaben der "Wirtschaftlichen Sozialhilfe" nach dem SGB XII mit einer Anordnungsbefugnis bis zu € 1.500,- je Fall, bei der das Heraushebungsmerkmal "besonders verantwortungsvoll" vorlag).

99

Wenn auch das Merkmal "Verantwortung" in der Ausgangsfallgruppe V b Fallgruppe 1 a BAT-O/VKA nicht ausdrücklich erwähnt ist, so ergibt sich daraus nicht, dass Beschäftigte in dieser Vergütungsgruppe keine Verantwortung zu tragen hätten. Erfordert eine Tätigkeit die Fachkenntnisse einer Fachhochschul- oder ähnlichen Ausbildung sowie selbstständige Leistungen mit den entsprechenden Beurteilungs- und Ermessensspielräumen, ergibt sich daraus zwangsläufig die Verpflichtung, in gewissem Umfang für die ordnungsgemäße Erledigung der Aufgaben einstehen zu müssen. Auszugehen ist von der Verantwortung, die einem einschlägig ausgebildeten Berufsanfänger nach Abschluss der Einarbeitungszeit regelmäßig übertragen werden kann. In welchem Umfang ein Arbeitnehmer verantwortlich ist, kann u. a. von dem Ausmaß der Kontrolle durch Vorgesetzte abhängen. Je umfangreicher ein Vorgesetzter die Entscheidungen seiner Mitarbeiter zu prüfen hat desto mehr Verantwortung verbleibt bei ihm. Je weniger ein Mitarbeiter der Kontrolle unterliegt und je größer seine Entscheidungsbefugnisse sind desto eher hat er selbst und nicht ein anderer dafür einzustehen, wenn er Fehler macht.

100

Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass sich der Arbeitsvorgang der Klägerin hinsichtlich der Verantwortung noch im Bereich der Ausgangsfallgruppe bewegt und eben nicht heraushebt. Es fehlt schon an einer Darstellung der Verantwortung, die üblicherweise mit einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 a BAT-O/VKA verbunden ist. Der Beklagte hat die Verantwortung der Klägerin nicht derjenigen der Ausgangsfallgruppe vergleichsweise gegenübergestellt. Er hat nicht dargestellt, bei welchen Entscheidungen die Klägerin in welchem Umfang selbst die Verantwortung trägt und in welchem Umfang sie bei anderen Mitarbeitern, insbesondere Vorgesetzten, liegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin über erhebliche Geldbeträge entscheidet. Gemäß Stellenbeschreibung verfügt sie über Unterschriftsbefugnis. Die Entscheidungen trifft sie weitgehend allein, ohne die Zustimmung ihres Teamleiters einholen zu müssen. Die von ihr verfügten Bescheide werden im Regelfall nicht mehr sachlich geprüft, sondern nur noch ausgefertigt und versandt. Evtl. Fehler fallen auf die Klägerin zurück, ohne dass sie sich auf die Verantwortlichkeit ihres Teamleiters berufen kann.

101

II. Zeitraum ab Januar 2017

102

Ab dem 01.01.2017 richtet sich die Eingruppierung und Einstufung der Klägerin nach den folgenden, neu gefassten Bestimmungen des TVöD-V VKA:

103

"…

104

§ 12
Eingruppierung

105

(1) Die Eingruppierung der/des Beschäftigten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA). Die/Der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.

106

(2) 1Die/Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. 2Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. 3Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z.B. vielseitige Fachkenntnisse), sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. 4Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Satz 2 bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung. 5Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von den Sätzen 2 bis 4 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses. 6Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person der/des Beschäftigten bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein.

107

Protokollerklärung zu Absatz 2:

108

1Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der/des Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Konstruktion einer Brücke oder eines Brückenteils, Bearbeitung eines Antrags auf eine Sozialleistung, Betreuung einer Person oder Personengruppe, Durchführung einer Unterhaltungs- oder Instandsetzungsarbeit). 2Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. 3Eine Anforderung im Sinne der Sätze 2 und 3 ist auch das in einem Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus einer niedrigeren Entgeltgruppe.

109

Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA)

110

Teil A
Allgemeiner Teil
I.
Allgemeine Tätigkeitsmerkmale

111

112

Entgeltgruppe 9b

113

1. …
2. Beschäftigte, deren Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbstständige Leistungen erfordert.

114

(Gründliche, umfassende Fachkenntnisse bedeuten gegenüber den in den Entgeltgruppen 6 bis 9a geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach.)

115

Entgeltgruppe 9c

116

Beschäftigte, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Entgeltgruppe 9b heraushebt, dass sie besonders verantwortungsvoll ist.
…"

117

Danach ist die Klägerin nunmehr der EG 9 c TVöD-V VKA zugeordnet. Die hier maßgeblichen Tätigkeitsmerkmale und Eingruppierungsvorschriften haben sich inhaltlich nicht geändert. Die Stufe ändert sich nicht. Die obigen Ausführungen gelten entsprechend.

118

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um
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published on 17/11/2016 00:00

Tenor 1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 9. Juli 2015 - 5 Sa 1434/14 E - aufgehoben.
published on 16/03/2016 00:00

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen - das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 19. Juni 2014 - 8 Sa 668/13 - teilweise aufg
published on 16/03/2016 00:00

Tenor 1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 12. Dezember 2013 - 3 TaBV 7/12 - aufgehoben.
published on 09/12/2015 00:00

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 19. Oktober 2012 - 6 Sa 488/12 - wird zurückgewiesen.
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published on 27/02/2018 00:00

Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 20.07.2016 - 3 Ca 77/16 - wird zurückgewiesen. 2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. 3. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tr
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Annotations

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.