Bundesarbeitsgericht Beschluss, 16. März 2016 - 4 ABR 32/14

ECLI: ECLI:DE:BAG:2016:160316.B.4ABR32.14.0
published on 16/03/2016 00:00
Bundesarbeitsgericht Beschluss, 16. März 2016 - 4 ABR 32/14
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 12. Dezember 2013 - 3 TaBV 7/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der verweigerten Zustimmung des Beteiligten zu 2. (Betriebsrat) zu der Eingruppierung von siebzehn Arbeitnehmern der Reklamationsbearbeitung in die Entgeltgruppe E 5 nach der Vergütungsordnung des Entgeltrahmenabkommens für die Metall- und ElektroIndustrie Thüringen vom 15. Januar 2004 (TV ERA TH).

2

Die Arbeitgeberin ist Mitglied im Verband der Metall- und Elektro-Industrie in Thüringen e. V. Zum 1. Januar 2007 wurde bei ihr der TV ERA TH betrieblich eingeführt.

3

Die Arbeitgeberin produziert als Unternehmen der Automobilzulieferindustrie Diesel- und Benzinmotoren für verschiedene Fahrzeugwerke der M AG. Dabei fertigt sie die erforderlichen Kurbelgehäuse und Zylinderköpfe selbst. Diese werden zusammen mit ca. 400 weiteren zugekauften Teilen im Montagebereich in verschiedenen Arbeitsschritten am Fließband zu Motoren zusammengebaut. Begleitend zu den Fertigungs- und Montageprozessen unterhält die Arbeitgeberin ein betriebsinternes Reklamationssystem, dessen Aufgaben ua. von den „Mitarbeitern Reklamationsbearbeitung“ wahrgenommen werden. Neben den jeweiligen Vorgesetzten „Systemführer Reklamationsbearbeitung“ stehen den Mitarbeitern als Ansprechpartner „Produktauditoren“ in Tätigkeiten der Entgeltgruppe E 6, „Qualitätsingenieure“ und „Qualitätslenker“ je in Tätigkeiten der Entgeltgruppe E 9, „Lieferantenbetreuer“ in Tätigkeiten der Entgeltgruppe E 10 TV ERA TH und das Management zur Verfügung.

4

Die Arbeitsaufgaben der Mitarbeiter Reklamationsbearbeitung sind mit den jeweiligen Arbeitsabläufen, den benötigten Arbeitsmitteln und den hierfür erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten in einer umfangreichen, von der Arbeitgeberin erstellten Liste aufgeführt.

5

Die Arbeitsaufgaben sind dort auszugsweise wie folgt formuliert:

        

„1 Begutachten und Bewerten von Teilen und im n.i.O. Fall (auf Basis A-, B-, C-, U-Definition sperren, ggf. Sortierungen über Dienstleister nach Absprache veranlassen, Dienstleister auf Aufgabe einweisen und schriftlich festhalten …

        

2 Durchführen von Datensammlung/Fehleranalysen und Mitarbeit im Aktionsteam …

        

3 Reklamation über QDA 8.0 erfassen, bearbeiten und controllen; Abweichungen feststellen, Erstellen eines Prüfberichtes und Kontaktaufnahme mit dem Lieferanten …

        

4 Vollständigkeit und Plausibilitätsprüfung der 8D Reports …

        

5 Disposition von Reklamationsteilen: Erfassen, Buchen von Ausschuss und Nacharbeit; Teile werden ins Sperrlager über SAP gebucht; Zurücklieferung zum Lieferanten bzw. Verschrottung veranlassen …

        

6 Vorbereiten, Abarbeiten und Überwachen von Aktionen (intern/extern), z. B. Motoren werden in PLA gesperrt …

        

7 Zusammenarbeit und Abstimmung mit Montage, Fertigung und Logistik im Reklamationsfall …

        

8 Unterstützung der Fertigung und Montage bei dem Abstellen von Fehlerursachen …

        

9 Erstellen statistischer Auswertungen …

        

10 Korrespondenz mit Lieferanten zur Abstimmung von Sofortmaßnahmen …“

6

Zur Regelung der dabei zu erledigenden Arbeitsabläufe hat die Arbeitgeberin schriftliche Ablaufschemata erstellt. Die Aufgabe der Mitarbeiter Reklamationsbearbeitung besteht im Wesentlichen darin, nach Anzeige eines Mangels aus einer der am Produktionsprozess beteiligten Stellen die beanstandeten Motoren bzw. Montageteile auf ihre Mängelfreiheit zu begutachten. Bei Feststellung eines Fehlers wird dessen Gewicht eingestuft und - ggf. in Zusammenarbeit mit anderen am Herstellungsprozess beteiligten Stellen - die Fehlerquelle ausfindig gemacht. Zur Begutachtung der Kurbelgehäuse und Zylinderköpfe stehen dafür Grenzmusterkataloge zur Verfügung, in denen typische mit Text und Fotografien beschriebene Fehlerbilder hinterlegt sind, sowie technische Zeichnungen für alle bei der Motorenmontage verwendeten Teile, deren Legenden teilweise in englischer Sprache verfasst sind. Im Rahmen der weiteren Fehlerbearbeitung muss der Mitarbeiter Reklamationsbearbeitung die schriftlichen Vorgaben des von der Arbeitgeberin erstellten „Leitfaden REKLAM“ einhalten, dh. er muss zunächst die Reklamation über die Vorgaben der Software QDA 8.0 und SAP erfassen und danach die von ihm erhobenen Befunde und die getroffenen Maßnahmen unter Verwendung der hierzu vorgegebenen Formulare dokumentieren. Ist der festgestellte Fehler einem Lieferanten zuzuordnen, wird dieser vom Mitarbeiter Reklamationsbearbeitung direkt informiert. Dabei müssen ggf. Sofortmaßnahmen eingefordert und verschiedene Formulare ausgefüllt sowie Prüf- und Nacharbeitsanweisungen übersandt werden. Der Mitarbeiter hat die jeweils betroffenen Bereiche der Fertigung, Montage oder Demontage und die jeweils reklamierende Stelle über den Stand der Reklamationsbearbeitung zu informieren, für die Kennzeichnung der fehlerhaften Teile zu sorgen und Maßnahmen zur Sicherung der Produktion zu veranlassen oder selbst durchzuführen. Ua. sind dabei die betroffenen Lieferanten über die für einen gesicherten Produktionsprozess nicht mehr ausreichende Menge fehlerfreier Teile zu unterrichten. Innerhalb der Festlegungen des Reklamationsprozesses erledigt der Mitarbeiter die bei den Arbeitsaufgaben Nr. 1 bis Nr. 15 anfallenden Einzeltätigkeiten selbständig. Vor einer Abweichung von den Festlegungen des Reklamationsprozesses bzw. dem Leitfaden REKLAM oder bei Auslösung einer kostenpflichtigen Maßnahme ist der Vorgesetzte hinzuzuziehen. Für die Erledigung der Arbeitsaufgaben benötigt der Mitarbeiter Reklamationsbearbeitung jedenfalls Fertigkeiten und Kenntnisse, wie sie im Rahmen einer dreijährigen Berufsausbildung zum/r Kraftfahrzeugmechatroniker/in vermittelt werden. Die Beteiligten sind sich jedoch einig, dass nicht alle für die Mitarbeiter Reklamationsbearbeitung erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse in dieser Berufsausbildung erworben werden. Hinsichtlich der jeweiligen Vorgesetzten „Systemführer Reklamationsbearbeitung“ haben sich die Betriebspartner in einem Richtbeispiel auf eine Zuordnung zur Entgeltgruppe Z 6 TV ERA TH verständigt.

7

Nachdem sich die Betriebsparteien vor der paritätischen Kommission auf eine Tätigkeitsbeschreibung mit zehn prägenden Tätigkeiten sowie fünf weiteren allgemeinen Arbeitsaufgaben geeinigt hatten, nicht jedoch auf deren tarifliche Bewertung, teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige, die Mitarbeiter Reklamationsbearbeitung jeweils ab dem Zeitpunkt der Übernahme dieser Tätigkeiten in die Entgeltgruppe E 5 TV ERA TH einzugruppieren. Auf Anforderung des Betriebsrats übersandte die Arbeitgeberin am 6. Mai 2010 eine aktuelle Arbeitsplatzbeschreibung. Mit Beschluss vom 11. Mai 2010 verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung zu den beabsichtigten Eingruppierungen. Auch die Anrufung der erweiterten paritätischen Kommission blieb ohne ein einvernehmliches Ergebnis. Mit weiteren Schreiben von Oktober und November 2011 begehrte die Arbeitgeberin vom Betriebsrat die Zustimmung zur entsprechenden Eingruppierung weiterer Mitarbeiter/innen der Reklamationsbearbeitung, die der Betriebsrat jeweils ablehnte.

8

Mit dem beim Arbeitsgericht eingeleiteten und später auch auf die weiteren Mitarbeiter erstreckten Beschlussverfahren hat die Arbeitgeberin die Ersetzung der verweigerten Zustimmung zur Eingruppierung ihrer als Mitarbeiter Reklamationsbearbeitung beschäftigten Arbeitnehmer in die Entgeltgruppe E 5 TV ERA TH beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, diese Mitarbeiter erledigten fachspezifische Aufgaben, die lediglich Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine mindestens 3-jährige abgeschlossene fachspezifische Berufsausbildung erworben werden, und weiterhin eine höchstens anderthalbjährige Einarbeitung „on-the-job“ erforderten. Die zur Erfüllung der Arbeitsaufgaben vorzunehmenden Arbeitsschritte seien von ihr „weitgehend festgelegt“. Der Mitarbeiter arbeite zwar selbständig, aber ausschließlich im Rahmen des ihm detailliert vorgegebenen Reklamationsprozesses. 60 vH der auftretenden Fehler würden schnell erkannt. Bei weiteren 30 vH stimme nur das Maß nicht, was anhand der zur Verfügung gestellten Grenzmusterkataloge, technischen Zeichnungen und Messtechnik leicht zu erkennen sei. In 90 vH dieser Fälle entscheide der Mitarbeiter wiederum zu 80 vH selbständig über die Fehlerhaftigkeit des Teils. In 20 vH der Fälle entscheide er gemeinsam mit seinem fachlich vorgesetzten und stets anwesenden Systemführer Reklamationsbearbeitung, mit Lieferantenbetreuern, Managern für das Reklamationsmanagement oder der Entwicklungsabteilung in U. Für die Tätigkeit reiche Schulenglisch. Auch die folgenden Arbeitsschritte seien durch den „Leitfaden REKLAM“ vorgegeben. Es gebe über die Software QDA 8.0, SAP, diverse Formulare wie den 8 D Report sowie weitere Prüf- und Nacharbeitsanweisungen klare Vorgaben für die zu veranlassenden Maßnahmen, die Korrespondenz mit Lieferanten, die Erfassung, Auswertung und Dokumentation von Fehlern, Arbeitshilfen, Auswertungen und Festlegungen. Ein tarifliches Niveaubeispiel könne nur als Orientierungshilfe dienen. Das betriebliche Richtbeispiel des Systemführers Reklamationsbearbeitung sei nicht einschlägig, da die betroffenen Arbeitnehmer keine zusätzlichen Vorgesetztentätigkeiten ausübten.

9

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

        

die Zustimmung des Betriebsrats zur Ein-/Umgruppierung folgender Mitarbeiter

        

(1) K, (2) M, (3) S, (4) W, (5) Gn (6) G, (7) H, (8) R, (9) Sc, (10) Sch, (11) Ha, (12) B, (13) Be, (14) Ho, (15) Br, (16) F und (17) Re

        

für die Tätigkeit „Reklamationsbearbeitung“ in die Entgeltgruppe E 5 des Entgeltrahmenabkommens für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Thüringen vom 15. Januar 2004 zu ersetzen.

10

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, alle prägenden Tätigkeiten der Mitarbeiter Reklamationsbearbeitung erforderten nicht nur eine dreijährige Berufsausbildung zum Kraftfahrzeugmechatroniker, sondern zusätzlich Erfahrungen in der Verfahrens-, Fertigungs- und Werkstofftechnologie sowie kaufmännische Grundlagen. Insbesondere die Fehleranalyse gehe weit über die dort erworbene Grundqualifikation hinaus, da insoweit deren Ursachen, die entsprechenden Verantwortlichkeiten und Gegenmaßnahmen zu ermitteln seien. Dies setze umfassende Kenntnisse des Motors und langjährige Berufserfahrung sowie Kenntnisse über die Fertigung voraus, um geeignete Maßnahmen für die künftige Fehlervermeidung zu treffen. Dies sei allein aufgrund einer „mehrjährigen Berufserfahrung“ nicht gegeben, sondern erst bei einer „mindestens einjährigen spezifischen beruflichen Weiterbildung“, was sich auch aus dem Lehrplan für berufsbildende Fachschulen der Fachrichtung Maschinentechnik/Maschinenbautechnik, Schwerpunkt Fertigung, ergebe. Es komme hinzu, dass mit fortlaufender Prozessoptimierung ständig neue Sachverhalte zu bearbeiten seien, die nicht immer in den Grenzmusterkatalogen erfasst seien. Die Teilnahme von Mitarbeitern Reklamationsbearbeitung an von der Arbeitgeberin veranlassten betrieblichen Lehrgängen für Fachenglisch zeige, dass Schulenglisch nicht genüge. Es gebe zwar keine einschlägigen tariflichen Niveaubeispiele; allerdings enthielten verschiedene Niveaubeispiele der Entgeltgruppen E 6 und E 7 TV ERA TH jeweils prägende Tätigkeiten, die auch bei der Reklamationsbearbeitung zu erledigen seien. Gleiches gelte für das betriebliche Richtbeispiel „Systemführer Reklamationsbearbeitung“. Dessen Zuordnung zur Entgeltgruppe Z 6 TV ERA TH spreche für eine Zuordnung der Mitarbeiter Reklamationsbearbeitung zur Entgeltgruppe E 6 TV ERA TH. Es handele sich insgesamt um „schwierige Facharbeiten“, für die es keinerlei Vorgaben zur Art und Weise ihrer Erfüllung gebe und die eine Qualifikation erforderten, die man nicht nur in einer dreijährigen Berufsausbildung erwerben könne. Selbst die Stellenausschreibung verlange ein „selbständiges strukturiertes Arbeiten“ ohne direkte Anleitung oder Aufsicht. Die zitierte Berufsausbildung vermittle nur Grundkenntnisse und decke nicht alle Aspekte ab, insbesondere nicht die kaufmännischen. So müsse etwa bei der Arbeitsanweisung „Kennzeichnung und Behandlung von fehlerhaften Teilen“ der Mitarbeiter selbständig über das weitere Vorgehen entscheiden; dies entspreche einem nach der Entgeltgruppe Z 8 TV ERA TH vergüteten Mitarbeiter.

11

Die Vorinstanzen haben dem Antrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Ziel der Antragsabweisung weiter.

12

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

13

I. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig.

14

1. Bei der Zuordnung der Arbeitnehmer zu den Anforderungsmerkmalen der Entgeltgruppen nach § 4 TV ERA TH handelt es sich um einen nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Vorgang.

15

a) Eine Eingruppierung ist die erstmalige, eine Umgruppierung die erneute Einreihung eines Arbeitnehmers in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Sie besteht in der Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer bestimmten Gruppe der Vergütungsordnung nach Maßgabe der dafür gültigen Kriterien. Dabei ist es für die Mitbestimmung des Betriebsrats ohne Bedeutung, ob der Beurteilungsakt eine Eingruppierung zum Gegenstand hat oder eine Umgruppierung. Nach erfolgter Veränderung im Entgeltschema steht dem Betriebsrat ein Mitbeurteilungsrecht über die zutreffende Einreihung der Tätigkeiten zu (BAG 15. Juni 2011 - 4 ABR 115/09 - Rn. 17; vgl. auch 2. April 1996 - 1 ABR 50/95 - zu B II 1 a der Gründe; ausdr. für Ein- und Umgruppierungen nach dem TV ERA Baden-Württemberg 12. Januar 2011 - 7 ABR 34/09 - Rn. 16, BAGE 136, 359).

16

b) Mit der Einführung des TV ERA TH im Betrieb der Arbeitgeberin wurde das im Tarifvertrag geregelte Entgeltsystem zur maßgebenden innerbetrieblichen Vergütungsordnung. Die Arbeitnehmer mussten in das neue System eingeordnet werden, unabhängig davon, ob sie selbst an den Tarifvertrag gebunden waren oder nicht. Für das Eingreifen des Tarifvorbehalts des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG und damit der Verbindlichkeit der Entgeltordnung eines Tarifvertrags genügt, dass der Arbeitgeber an den Tarifvertrag gebunden ist (BAG 18. Oktober 2011 - 1 ABR 25/10 - Rn. 16 mwN, BAGE 139, 332). Nach dem Inkrafttreten des TV ERA TH waren Umgruppierungen erforderlich, hinsichtlich derer - wie bei den hier streitigen Arbeitsverhältnissen - ein Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bestand.

17

2. Das Landesarbeitsgericht ist ohne erkennbare Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Arbeitgeberin das Zustimmungsverfahren wirksam eingeleitet hat und dass die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats form- und fristgerecht erfolgt ist. Dies wird auch von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt.

18

II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern und deshalb aufzuheben. Mit der vom Beschwerdegericht gewählten Begründung konnte die Beschwerde des Betriebsrats nicht zurückgewiesen werden.

19

1. Die für die Eingruppierung maßgebenden Vorschriften aus dem TV ERA TH haben - soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung - folgenden Wortlaut:

        

§ 3   

        

Eingruppierung

        

1.    

Die Beschäftigten werden entsprechend der Anforderungen ihrer Tätigkeit in eine der 12 Entgeltgruppen E 1 bis E 12 eingruppiert.

                 

…       

        

2.    

Die Eingruppierung der Beschäftigten richtet sich nach den Anforderungsmerkmalen des Entgeltrahmenabkommens (§ 4).

                 

…       

        

4.    

Der Beschäftigte ist entsprechend derjenigen Tätigkeit einzugruppieren, die das Niveau der Gesamttätigkeit prägt, auch wenn regelmäßig oder gelegentlich Tätigkeiten mit unterschiedlichen Anforderungsniveaus ausgeübt werden.

                 

Wenn sich durch die Ausführung unterschiedlicher Tätigkeiten und/oder den Einsatz an unterschiedlichen Arbeitsplätzen ein höheres Anforderungsniveau ergibt, ist dies bei der Eingruppierung entsprechend zu berücksichtigen.

                 

Für die Bewertung des Niveaus der Tätigkeit ist eine ganzheitliche Betrachtung der Anforderungen erforderlich. Dabei ist der zeitliche Umfang einzelner Tätigkeiten nicht maßgebend.

        

5.    

Für die Eingruppierung des Beschäftigten in eine Entgeltgruppe ist allein die Tätigkeit maßgebend, nicht seine Ausbildung.

                 

Die in den Anforderungsmerkmalen enthaltenen erforderlichen Qualifikationen können auch auf anderem Weg erworben worden sein.

        

6.    

Die tariflichen Niveaubeispiele bieten Anhaltspunkte für die Eingruppierung.

                 

Sie sind nur in Übereinstimmung mit den jeweils gültigen Anforderungsmerkmalen anwendbar, weil Art und Wertigkeit des einzelnen Beispiels von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sein können.

        

7.    

Die Betriebsparteien können freiwillig ergänzende betriebliche Richtbeispiele erstellen.

                 

Bei der Zuordnung der Richtbeispiele zu den Entgeltgruppen sind die Entgeltgruppendefinitionen gem. § 4 einzuhalten.

                 

…       

        

§ 4     

        

Definitionen der Entgeltgruppen

        

…       

        

E 5     

        

Fachspezifische Aufgaben oder Facharbeiten, deren Erledigung weitgehend festgelegt ist.

        

Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten wie sie in der Regel durch eine mindestens 3-jährige abgeschlossene fachspezifische Berufsausbildung erworben werden.

        

Z 5     

        

Es werden Tätigkeiten der Entgeltgruppe E 5 ausgeführt.

        

Dem Beschäftigten werden zusätzlich dispositive Aufgaben und / oder Aufgaben der Anleitung und Führung von Beschäftigten dauerhaft übertragen.

        

oder   

        

Dem Beschäftigten werden zusätzliche Tätigkeiten dauerhaft übertragen, die wesentlich über die Anforderungen der Entgeltgruppe E 5 hinausgehen und deshalb eine zusätzliche Qualifikation erfordern.

        

E 6     

        

Erweiterte fachspezifische Aufgaben oder schwierige Facharbeiten, deren Erledigung überwiegend festgelegt ist.

        

Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten wie sie in der Regel durch eine mindestens 3-jährige abgeschlossene fachspezifische Berufsausbildung und mehrjährige Berufserfahrung erworben werden.

        

Z 6     

        

Es werden Tätigkeiten der Entgeltgruppe E 6 ausgeführt.

        

Dem Beschäftigten werden zusätzlich dispositive Aufgaben und / oder Aufgaben der Anleitung und Führung von Beschäftigten dauerhaft übertragen.

        

oder   

        

Dem Beschäftigten werden zusätzliche Tätigkeiten dauerhaft übertragen, die wesentlich über die Anforderungen der Entgeltgruppe E 6 hinausgehen und deshalb eine zusätzliche Qualifikation erfordern.

        

E 7     

        

Umfassende fachspezifische Aufgaben im Rahmen eines Sachgebiets oder hochwertige Facharbeiten, deren Erledigung teilweise festgelegt ist.

        

Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine mindestens 3-jährige abgeschlossene fachspezifische Berufsausbildung und langjährige Berufserfahrung

        

oder   

        

durch eine mindestens 3-jährige abgeschlossene fachspezifische Berufsausausbildung und mehrjährige Berufserfahrung und eine mindestens 1-jährige spezifische berufliche Weiterbildung

        

erworben werden.

        

…       

        

E 8     

        

Ein Aufgabengebiet, das im Rahmen von bestimmten Richtlinien erledigt wird, oder hochwertigste Facharbeiten, die hohes Dispositionsvermögen und umfassende Verantwortung erfordern.

        

Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine abgeschlossene mindestens 3-jährige fachspezifische Berufsausbildung und eine mindestens 2-jährige Fachausbildung

        

oder   

        

durch eine abgeschlossene 3-jährige Hochschulausbildung (z.B. Bachelor)

        

erworben werden.

        

…“    

20

2. Das Landesarbeitsgericht hat dem Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin nach § 99 Abs. 4 BetrVG stattgegeben. Grundsätzlich sei mit den Beteiligten davon auszugehen, dass die Mitarbeiter Reklamationsbearbeitung die Anforderungsmerkmale der Entgeltgruppe E 5 TV ERA TH erfüllten. Aus dem Wortlaut der jeweiligen Anforderungen folge, dass die Entgeltgruppe E 6 auf der Entgeltgruppe E 5 TV ERA TH aufbaue. In den drei Kriterien der Anforderungsmerkmale betreffend die Tätigkeit, den Umfang der Weisungsgebundenheit bei der Ausführung der Aufgaben und die erforderliche berufliche Aus- und Vorbildung hüben sich Tätigkeiten der Entgeltgruppe E 6 TV ERA TH von denen der Entgeltgruppe E 5 TV ERA TH dadurch heraus, dass nicht nur „fachspezifische Aufgaben oder Facharbeiten“ (E 5 TV ERA TH), sondern „erweiterte fachspezifische Aufgaben oder schwierige Facharbeiten“ (E 6 TV ERA TH) übertragen sind, deren Erledigung nicht mehr „weitgehend“ (E 5 TV ERA TH), sondern nur noch „überwiegend“ (E 6 TV ERA TH) festgelegt sind und deren Erledigung nicht nur Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch eine „mindestens 3-jährige abgeschlossene fachspezifische Berufsausbildung“ (E 5 TV ERA TH), sondern erst durch eine zusätzliche „mehrjährige Berufserfahrung“ (E 6 TV ERA TH) erworben werden. Im Rahmen des Zustimmungsersetzungsverfahrens obliege es - auch unter Berücksichtigung der eingeschränkten Darlegungslast - dem insoweit verpflichteten Betriebsrat, Tatsachen vorzutragen, die dem Gericht einen wertenden Vergleich ermöglichten. Stehe dann der Kreis der hiernach dreifach herausgehobenen Tätigkeiten innerhalb der maßgebenden Arbeitsaufgaben der betroffenen Arbeitnehmer fest, müsse anschließend nach Maßgabe des § 3 Ziff. 4 TV ERA TH geprüft werden, ob diese tatsächlich auch das Niveau der Gesamttätigkeit prägen. Der Betriebsrat habe jedoch zum Vorliegen der tariflichen Heraushebungsmerkmale nicht ausreichend vorgetragen, was sich exemplarisch an der Arbeitsaufgabe Nr. 1 (Sortieren über Dienstleister nach Absprache veranlassen) zeige.

21

3. Diese Auffassung ist nicht rechtsfehlerfrei. Sie berücksichtigt nicht hinreichend die Besonderheiten der hier anzuwendenden summarischen Arbeitsbewertung nach Maßgabe von § 3 TV ERA TH.

22

a) Die den Eingruppierungsregelungen des TV ERA TH zugrundeliegende Arbeitsbewertung ist in einem speziellen summarischen Verfahren vorzunehmen. Eine summarische Arbeitsbewertung liegt ua. dann vor, wenn die Anforderungen der Arbeit, des Arbeitsplatzes oder des Arbeitsbereichs in einer umfassenden Betrachtung erfasst und anhand von tariflich geregelten Eingruppierungsmerkmalen den einzelnen Entgeltgruppen zugordnet werden (Meine/Ohl/Rohnert Handbuch Arbeit - Entgelt - Leistung 6. Aufl. S. 135). Damit sollen die Arbeitsanforderungen ganzheitlich erfasst werden, wie sich aus § 3 Ziff. 4 TV ERA TH ausdrücklich ergibt.

23

aa) Die Eingruppierung ist allgemein ein gedanklicher wertender Vorgang, bei dem eine bestimmte Tätigkeit in ein abstraktes Vergütungsschema eingeordnet wird, indem die dort zu einzelnen Entgeltgruppen aufgestellten abstrakten Merkmale mit den Anforderungen verglichen werden, die die zu bewertende Tätigkeit an den sie ausführenden Arbeitnehmer stellt.

24

(1) Da eine von einem Arbeitnehmer auszuübende oder ausgeübte Tätigkeit immer aus vielen einzelnen Arbeitsschritten besteht, die nach dem Willen der Tarifvertragsparteien regelmäßig nicht einzeln bewertet werden dürfen, ist grundsätzlich zunächst die konkrete Arbeitseinheit zu bestimmen, auf die das Entgeltschema angewandt werden soll. Die Bestimmung dieser Arbeitseinheit erfolgt in der Regel ohne Rückgriff auf die anzuwendenden abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Entgeltordnung, weil zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht feststeht, welche Arbeitseinheit der tariflichen Wertung unterworfen werden soll. Das schließt regelmäßig eine Rückwirkung des abstrakten Schemas auf die Bestimmung der nach ihm zu bewertenden Tätigkeit aus (vgl. zB für die Bestimmung des „Arbeitsvorgangs“ nach dem BAT bzw. TVöD BAG 13. November 2013 - 4 AZR 53/12 - Rn. 26).

25

(2) Sodann ist in einem weiteren Schritt eine Zuordnung der zu bewertenden Tätigkeit zu den im tariflichen Tätigkeitsmerkmal genannten Anforderungen vorzunehmen. Regelmäßig sind dabei sämtliche Anforderungen zu erfüllen. Ist eine Anforderung bzw. ein Tatbestandsmerkmal des Tätigkeitsmerkmals nicht erfüllt, ist eine Eingruppierung in der betreffenden Entgeltgruppe nicht möglich.

26

bb) Die Tarifvertragsparteien des TV ERA TH haben eine von diesen allgemeinen Grundsätzen deutlich abweichende Regelung getroffen.

27

(1) Nach § 3 Ziff. 4 Satz 1 TV ERA TH ist die zu bewertende maßgebende Tätigkeit eines Arbeitnehmers - jedenfalls für den Fall, dass es sich nicht um eine zweifelsfrei zu identifizierende einheitliche Gesamttätigkeit handelt - diejenige, die das „Niveau der Gesamttätigkeit“ prägt. Dies ist ein Begriff aus der Entgeltordnung selbst und setzt deren Anwendung bereits in diesem Stadium voraus. So lässt sich ohne die Einbeziehung des „Niveaus der Gesamttätigkeit“, was nichts anderes als das Ergebnis einer tariflichen Bewertung ist, bereits nicht bestimmen, welche von mehreren Einzeltätigkeiten nach § 3 Ziff. 4 Satz 1 TV ERA TH die maßgebende (Teil-)Tätigkeit ist. Damit stellt sich der Eingruppierungsvorgang schon im ersten Schritt der Bestimmung der zu bewertenden Arbeitseinheit nach dem TV ERA TH als ein betrachtendes und wertendes „Pendeln“ zwischen den konkreten Tätigkeiten und den abstrakten Anforderungen aus der Entgeltordnung dar.

28

(2) Dies entspricht der Regelung in § 3 Ziff. 4 Satz 3 TV ERA TH, wonach für die Bewertung des Niveaus der Tätigkeiten eine „ganzheitliche Betrachtung der Anforderungen“ erforderlich ist. Anders als die ERA Tarifverträge in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, die eine analytisch orientierte Arbeitsbewertung vornehmen (Stufenwertzahlverfahren bzw. Punktbewertungsverfahren), schließt dies eine Überprüfung des Vorliegens einzelner, kumulativ zu erfüllender Anforderungsmerkmale, wie erforderliche Ausbildung, Ausmaß an vorgegebenem Handlungsspielraum und Schwierigkeitsgrad der zu erfüllenden Aufgaben, aus. Diese drei Kriterien, die in den jeweiligen tariflichen Merkmalen zu den Entgeltgruppen nach § 4 TV ERA TH aufgeführt werden, kennzeichnen das Niveau der Tätigkeit insgesamt und werden für eine ganzheitliche Betrachtung des Schwierigkeitsgrades nicht jeweils einzeln, sondern in einer Gesamtschau herangezogen.

29

(3) Dabei haben die Tarifvertragsparteien ein weiteres Kriterium, das in anderen tariflichen Eingruppierungsregelungen eine bedeutende, ggf. die entscheidende Rolle spielt, nämlich den zeitlichen Anteil einzelner Tätigkeiten an der Gesamttätigkeit (vgl. nur § 12 Abs. 1 Satz 4 TV-L; § 5 Nr. 2.3 BRTV Bau), ausdrücklich von der Heranziehung ausgeschlossen. Nach § 3 Ziff. 4 Satz 4 TV ERA TH ist der zeitliche Umfang einzelner Tätigkeiten gerade nicht maßgebend.

30

(4) Selbst die klarstellende und vereinheitlichende Wirkung der Vereinbarung von tariflichen Regelbeispielen ist nach dem TV ERA TH ausgeschlossen.

31

(a) Ordnen die Tarifvertragsparteien den abstrakten Anforderungen einzelner Entgeltgruppen bestimmte, hinreichend klar abgegrenzte konkrete Tätigkeiten zu (sog. Regel- oder Richtbeispiele), bringen sie damit zum Ausdruck, dass Beschäftigte, die diese konkrete Tätigkeit verrichten, in der entsprechenden Entgeltgruppe eingruppiert sind. Insoweit ist eine abweichende Wertung durch die Gerichte für Arbeitssachen nicht möglich, weil sie den übereinstimmenden Willen der Tarifvertragsparteien ignorieren würden (st. Rspr., vgl. nur BAG 28. Januar 2009 - 4 ABR 92/07 - Rn. 27 mwN, BAGE 129, 238).

32

(b) Den von den Tarifvertragsparteien des TV ERA TH vereinbarten „Niveaubeispielen“, in denen jeweils konkrete, umfangreich beschriebene Einzeltätigkeiten einer bestimmten Entgeltgruppe des TV ERA TH zugeordnet werden, kommt dagegen eine solche eindeutige Wirkung ausdrücklich nicht zu. Nach § 3 Ziff. 6 TV ERA TH bieten sie lediglich „Anhaltspunkte für die Eingruppierung“ und lassen dem Verständnis der Betriebspartner für die von den Tarifvertragsparteien vorausgesetzte Wertigkeit einer Tätigkeit eine eigene Auslegungsmöglichkeit. Sie ermöglichen damit eine Plausibilitätskontrolle der betrieblich vorzunehmenden Eingruppierung unter Berücksichtigung der ganzheitlichen Betrachtung. Die Tarifvertragsparteien begründen dies ausdrücklich damit, dass Art und Wertigkeit des einzelnen Beispiels von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sein können. Der dabei notwendig anfallende subjektive Bewertungsspielraum wird damit von den Tarifvertragsparteien vorausgesetzt und akzeptiert.

33

(5) Die mit einem summarischen Arbeitsbewertungsverfahren dieser speziellen Art notwendig einhergehenden Unschärfen und Abgrenzungsschwierigkeiten (vgl. Ohl AiB 2004, 394, 396; MüArbR/Krause 3. Aufl. § 57 Rn. 16) sind von den Tarifvertragsparteien des TV ERA TH bewusst in Kauf genommen worden. Damit korrespondiert eine intensive außer- bzw. vorgerichtliche Kontrolle durch betriebliche Schiedsstellen (§ 3 Ziff. 8 TV ERA TH) bzw. tarifliche paritätische Konfliktkommissionen und Schiedsstellen (so für die summarische Bewertung nach dem § 3 Abs. 5 TV ERA Niedersachsen).

34

cc) Dies hat unmittelbare Auswirkungen bei der Zuordnung einer Tätigkeit zu den Anforderungsmerkmalen einer tariflichen Entgeltgruppe.

35

(1) Das Entgeltgruppenschema des TV ERA TH ist in den E-Gruppen gekennzeichnet durch die jeweils steigenden Anforderungen hinsichtlich dreier Kriterien. Die Merkmale sind die Bezeichnung der zu erfüllenden Aufgabe hinsichtlich ihrer Komplexität, der Grad an Vorgaben oder Selbständigkeit bei ihrer Erfüllung und die Anforderungen hinsichtlich der für ihre Erledigung erforderlichen Aus- und Vorbildung. Die Tarifvertragsparteien gehen danach davon aus, dass ein bestimmter Grad an Komplexität der Aufgabe mit einem gleichsam „dazugehörigen“ Grad an Selbständigkeit und einem solchen an erforderlicher Vorbildung verbunden zu sein pflegt. Konsequenterweise sind die tariflichen Anforderungen an jedes einzelne dieser Kriterien von Entgeltgruppe zu Entgeltgruppe höher.

36

(2) Dieses systematisierende und pauschalierende Modell entspricht jedoch nicht dem betrieblichen Alltag, in dem die Anforderungen der drei Merkmale jeweils auf sehr unterschiedlichem Niveau in einer Tätigkeit auftreten können. Eine Stelle, auf der umfassende fachspezifische Aufgaben im Rahmen eines Sachgebiets anfallen, deren Erledigung nur teilweise festgelegt ist, erfordert nicht von vorneherein die in der Entgeltgruppe E 7 TV ERA TH angegebene fachspezifische Berufsausbildung von mindestens drei Jahren zuzüglich mehrjähriger Berufserfahrung sowie eine mindestens 1-jährige spezifische berufliche Weiterbildung oder - wahlweise - langjährige Berufserfahrung. Je nach den konkreten Verhältnissen können möglicherweise, wie bereits bei der Entgeltgruppe E 6 TV ERA TH gefordert, auch eine gleich lange Berufsausbildung und eine mehrjährige Berufserfahrung ausreichen. Ebenso gut wäre nach der Berufsausbildung die Anforderung einer mindestens 2-jährigen Fachausbildung denkbar, so dass die konkrete Tätigkeit im Rahmen der erforderlichen Aus- und Vorbildung die Voraussetzungen der Entgeltgruppe E 8 TV ERA TH erfüllte (Beispiel nach Franke Entgeltfindung - Entgeltgestaltung 2. Aufl. S. 21). Dabei setzt dieses Beispiel noch die Zuordnung der Aufgabenkomplexität und der dabei bestehenden Vorgaben zu derselben Entgeltgruppe voraus, was jedoch ebenfalls keineswegs zwingend ist.

37

(3) Die von den Tarifvertragsparteien des TV ERA TH geforderte „ganzheitliche Betrachtung“ führt dazu, dass die Gesamtschau auf die einer Entgeltgruppe zugeordneten Einzelanforderungen hinsichtlich der drei geregelten Kriterien erforderlich ist, um eine typisierende Charakterisierung der tariflichen Wertigkeit zu ermitteln. Dabei stellt die „gedachte Horizontale“ zwischen den jeweiligen tariflich einander zugeordneten Graden der Komplexität der Arbeitsaufgabe, des zur Verfügung stehenden Entscheidungsspielraums und der erforderlichen Aus- und Vorbildung gleichsam eine „Mittelachse“ dar, die die entsprechend wertige Tätigkeit insgesamt prägt. Sie erfasst damit im Grundsatz alle konkreten Tätigkeiten, die diesem sich daraus ergebenden „Raum“ zuzuordnen sind, und zwar in einer ebenfalls ganzheitlichen Gesamtschau.

38

b) Das Landesarbeitsgericht ist demgegenüber von einem anderen Prüfungsmaßstab ausgegangen.

39

aa) Es hat im Ergebnis angenommen, die der jeweiligen Entgeltgruppe zugeordneten Anforderungen seien „Tatbestandsmerkmale“, deren Erfüllung jeweils kumulativ festzustellen ist, und bei Nichterfüllung auch nur einer der genannten Anforderungen sei zwingend von der Nichterfüllung des Anforderungsmerkmals insgesamt auszugehen. Die Merkmalsanforderungen wären danach jeweils Mindestvoraussetzungen für die entsprechende Eingruppierung und nicht - wie es zutreffend ist - typisierte Niveaumerkmale der Entgeltgruppe insgesamt. Die „gedachte Horizontale“, die die jeweiligen tariflichen Anforderungen hinsichtlich der drei dort aufgeführten Kriterien miteinander verbindet, entspräche demgemäß nicht mehr einer „Mittelachse“, sondern markierte die „Untergrenze“ derjenigen Tätigkeiten, die der entsprechenden Entgeltgruppe zuzuordnen sind. Nach dieser Auffassung wäre die höchste erreichbare Entgeltgruppe diejenige, die dem niedrigsten der tatsächlich erzielten Werte der Tätigkeit entspricht. Verfehlt dabei eine wie komplexe und anforderungsreiche Tätigkeit auch immer etwa in dem Bereich des zur Verfügung stehenden Entscheidungsspielraums die Anforderung „überwiegend festgelegt“, käme eine Eingruppierung nach der Entgeltgruppe E 6 TV ERA TH in keinem Falle mehr in Betracht. Insofern stünde allein die Entgeltgruppe E 5 TV ERA TH zur Verfügung. Das am niedrigsten bewertete Kriterium bestimmte danach die Obergrenze der möglichen Eingruppierung. Eine im Rahmen der tariflich vorgesehenen Gesamtschau mögliche Kompensation eines knapp verfehlten Anforderungskriteriums durch eine ggf. weit überobligationsmäßige Erfüllung einer oder gar beider weiterer Kriterien wäre danach ausgeschlossen.

40

Diese Sichtweise entspricht nicht der von den Tarifvertragsparteien festgelegten und von den Gerichten zu respektierenden und damit anzuwendenden Art und Weise der tariflichen Bewertung einer Tätigkeit. Ob und wie sich Minderanforderungen bei einem der maßgebenden Kriterien und Überanforderungen bei einem anderen Kriterium ausgleichen können, ist der Gesamtschau übertragen. Dies entspricht der tariflichen Regelung, wonach diejenige Tätigkeit maßgebend ist, die das Niveau der Gesamttätigkeit prägt, ohne dass der zeitliche Umfang einzelner Tätigkeiten eine Rolle spielt, und dass für die Bewertung des Tätigkeitsniveaus die ganzheitliche Betrachtung der Anforderungen erforderlich ist (§ 3 Ziff. 4 TV ERA TH).

41

bb) Die unzutreffende Maßstabsbildung wirkt sich auf die weitere Begründung des angefochtenen Beschlusses aus. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, der Betriebsrat hätte Tatsachen darlegen müssen, aus denen sich die „dreifach herausgehobenen Tätigkeiten innerhalb der Arbeitsaufgaben Nr. 1 bis 10“ ergeben hätten, die die Tätigkeit der Mitarbeiter Reklamationsbearbeitung prägten. Dabei handele es sich um Aufgaben, „die aus einer Vielzahl von Arbeitsschritten und gewerblich-technischen Tätigkeiten bestehen“. Die nachfolgende Subsumtion unter die Merkmale der von der Arbeitgeberin angenommenen Entgeltgruppe E 5 TV ERA TH differenziert formal nicht zwischen unterschiedlichen Tätigkeiten aus dieser Aufgabenliste, sondern behandelt sie wie eine einheitliche Tätigkeit. Lediglich bei der Bewertung des möglichen Handlungsspielraums werden einzelne Tätigkeiten aufgeführt und als „weitgehend festgelegt“ angesehen. So hat das Landesarbeitsgericht zwar - von seinem Standpunkt aus konsequent - die Nichterfüllung der tariflichen Anforderungen der Entgeltgruppe E 6 TV ERA TH für die Arbeitsaufgabe Nr. 1 begründet. Dies könnte jedoch nur dann ausreichen, wenn die Aufgabe Nr. 1 eine solche Bedeutung innerhalb des gesamten Aufgabenkatalogs der Arbeitnehmer hat, dass an ihre Bewertung die Bewertung der gesamten Tätigkeit gebunden ist. Hierzu fehlt es jedoch an tatsächlichen Feststellungen. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass eine qualitative Gewichtung der einzelnen Aufgaben aus der Liste innerhalb der Gesamttätigkeit der Mitarbeiter zu einem anderen Ergebnis führt.

42

III. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Beschwerdebeschlusses. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich. Ob der Antrag begründet ist, kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entschieden werden.

43

1. Grundsätzlich ist die rechtliche Beurteilung der im Rahmen eines Zustimmungsersetzungsverfahrens festgestellten Tatsachen zuvorderst Aufgabe der tatrichterlichen Instanzen. Die für eine Entscheidung erforderlichen Tatsachen sind vom Arbeitsgericht bzw. Landesarbeitsgericht unter Heranziehung der Beteiligten nach dem Amtsermittlungsprinzip selbst festzustellen und einer rechtlichen Bewertung zu unterziehen. Gerade im Bereich einer summarischen Arbeitsbewertung, die durch „subjektiv sehr beeinflussbar(e) Bewertungsergebnisse“ gekennzeichnet und „einer Überprüfung kaum zugänglich“ sind (Däubler/Winter TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 414), haben die Tatsacheninstanzen einen weiten Entscheidungsspielraum. Eine Rechtskontrolle darf sich dann nur auf eine Verkennung des maßgebenden Rechtsbegriffs, die Verletzung von Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen und die Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände beziehen (BAG 18. April 2012 - 4 AZR 441/10 - Rn. 28 mwN). Voraussetzung ist aber, dass die Maßstabsbildung rechtsfehlerfrei erfolgt ist. Mangelt es hieran, ist schon aus grundsätzlichen Erwägungen eine abschließende Entscheidung durch die Rechtsbeschwerdeinstanz regelmäßig ausgeschlossen.

44

2. Im Streitfall macht es im Hinblick auf die vorzunehmende Gesamtschau einen uU entscheidungserheblichen Unterschied, ob die Tätigkeit Anforderungen stellt, die ein Mechatroniker unmittelbar nach Abschluss seiner Ausbildung erfüllt, oder ob es dafür zusätzlich einer, wie es das Landesarbeitsgericht angenommen hat, (nur) „unter 2-jährigen praktischen Erfahrungszeit on-the-job“ bedarf. Aus Sicht des Landesarbeitsgerichts macht dies keinen Unterschied, da in keinem der beiden Fälle die Ausbildungsanforderung der Entgeltgruppe E 6 TV ERA TH erfüllt ist. Nach dem tariflich vorgesehenen Erfordernis einer ganzheitlichen Betrachtung kann sich jedoch allein aus diesem Unterschied - ggf. im Zusammenhang mit weiteren festzustellenden Tatsachen - eine entscheidungserhebliche Abweichung in der Eingruppierung ergeben.

45

IV. Das Landesarbeitsgericht wird bei der durchzuführenden Anhörung und Entscheidung neben den bereits angesprochenen Besonderheiten des speziellen summarischen Arbeitsbewertungsverfahrens nach dem TV ERA TH Folgendes in Betracht ziehen müssen.

46

1. Bei den unterschiedlich wertigen Kriterien der verschiedenen Anforderungsmerkmale des TV ERA TH handelt es sich nicht um Heraushebungsmerkmale iSd. Rechtsprechung, die vor allem zu den Tätigkeitsmerkmalen der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes ergangen ist. Vielmehr werden hier jeweils lediglich höhere Anforderungen gestellt (vgl. dazu BAG 19. Februar 2003 - 4 AZR 158/02 - zu II 4 der Gründe; 11. Juni 1986 - 4 AZR 176/85 -).

47

2. Das Landesarbeitsgericht wird ggf. weiter zu beachten haben, dass nach § 3 Ziff. 7 Satz 1 TV ERA TH die Betriebsparteien freiwillig ergänzende betriebliche Richtbeispiele vereinbaren können. Diese bedürfen als solche nicht der Zustimmung der Tarifvertragsparteien. Dies wird durch § 3 Ziff. 7 Satz 3 TV ERA TH bestätigt, wonach bei einer Nichteinigung über die betrieblichen Richtbeispiele die Tarifvertragsparteien hinzugezogen werden können. Wie sich aus den Akten ergibt, sind bei der Arbeitgeberin solche betrieblichen Richtbeispiele vereinbart worden. Diese sind im Rahmen der geforderten ganzheitlichen Betrachtung bei der Eingruppierung der hier in Frage stehenden Arbeitnehmer auf entsprechende Anhaltspunkte zu überprüfen.

48

3. Bei der tariflichen Zuordnung der hier zu beurteilenden Tätigkeiten sind ggf. auch die tariflichen Zwischengruppen in Betracht zu ziehen. Anders als in anderen Tarifgebieten der Metall- und Elektroindustrie bietet der TV ERA TH die Möglichkeit, aber auch die Notwendigkeit, neben den bereits mehrfach genannten drei Hauptkriterien der E-Gruppen die Übertragung zusätzlicher Aufgaben zu berücksichtigen, wenn diese dispositiver Art sind und/oder die Anleitung und Führung von Beschäftigten betrifft oder wesentlich über die Anforderungen der nächsten darunter liegenden E-Gruppe hinausgehen und deshalb eine zusätzliche Qualifikation erfordern, ohne jedoch die Anforderungen der nächsthöheren E-Gruppe zu erfüllen. Dies kommt im vorliegenden Fall besonders deshalb in Betracht, weil ein Teil der von den betroffenen Arbeitnehmern zu verrichtenden Aufgaben Nr. 1 bis Nr. 15 dispositiver Art sind (zB Nr. 5 „Disposition von Reklamationsteilen“).

        

    Eylert    

        

    Rinck    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Pust    

        

    J. Ratayczak    

                 
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


§ 21a idF d. Art. 1 Nr. 51 G v. 23.7.2001 I 1852 dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim

(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen v
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

§ 21a idF d. Art. 1 Nr. 51 G v. 23.7.2001 I 1852 dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim

(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen v
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 07/03/2017 00:00

Tenor 1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 28.07.2015 - 1 Ca 215/14 - abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.01.2013 nach der Entgeltgrupp
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn

1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde,
2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde,
3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten,
4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist,
5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder
6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.

(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.

(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.