Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 08. Okt. 2015 - 11 Ta 202/15
Gericht
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird unter Zurückweisung im Übrigen der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 06.03.2015 teilweise abgeändert und der Klägerin für die erste Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt H , Hö 12, K , bewilligt.
Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, dass die Klägerin bei einem einzusetzenden Einkommen von 77,-- € eine monatliche Rate von 30,-- € zu zahlen hat.
1
G r ü n d e :
2Die nach § 127 ZPO statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Beschwerde ist teilweise begründet.
31. Die Klage hat hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO, soweit die Klägerin sich gegen die fristlose Kündigung vom 01.02.2014 wehrt und die Einhaltung der Kündigungsfrist bis zum 31.03.2014 begehrt. Das Arbeitsgericht hat die Anforderungen an das Vorliegen der Erfolgsaussicht überspannt, wenn es meint, der Beklagten sei unter keinen Umständen zuzumuten, einen stehlenden Mitarbeiter nur einen Tag weiter zu beschäftigen. Im Übrigen besteht keine hinreichende Erfolgsaussicht für die Kündigungsschutzklage.
4a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG zwar keine vollständige Gleichstellung Unbemittelter mit Bemittelten, sondern nur eine weitgehende Angleichung. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es danach, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten darf jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen mit der Folge, dass die vorverlagerte Entscheidung auch den weiteren Rechtsweg abschneidet. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz nämlich nicht selbst bieten, sondern erst zugänglich machen (BVerfG, Beschl. v. 09.10.2014 - 1 BvR 83/12 - m.w.N.). An die Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussicht dürfen daher keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Sie liegt bereits dann vor, wenn der von dem Antragsteller vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (BGH, Beschl. v. 14.12.1993- VI ZR 235/92 - m.w.N.). Rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen des Arbeitnehmers, die sich unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers richten, können zwar auch dann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB sein, wenn die Pflichtverletzung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder nur zu einem geringfügigen, möglicherweise gar keinem Schaden geführt hat. Das Gesetz kennt allerdings auch im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen des Arbeitnehmers keine absoluten Kündigungsgründe. Es bedarf stets einer umfassenden, auf den Einzelfall bezogenen Prüfung und Interessenabwägung dahingehend, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der eingetretenen Vertrauensstörung - zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG, Urt. v. 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - m.w.N.).
5b) Die Klägerin hat sich auf eine versehentliche Mitnahme der Zeitschriften berufen und eine Zueignungsabsicht in Abrede gestellt. Ob der Nachweis einer vorsätzlichen Pflichtverletzung geführt werden kann oder jedenfalls ein dringender Tatverdacht besteht, ist derzeit offen. Die Beweislage ist noch nicht geklärt. Eine Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren ist nur in eng begrenztem Rahmen zulässig (LAG Köln, Beschl. v. 30.01.2014 - 11 Ta 373/13 -). Konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass eine etwaige Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der Klägerin ausgehen wird, liegen im Übrigen nicht vor (vgl. z.B.: BVerfG, Beschl. vom 28.01.2013 - 1 BvR 274/12 - m.w.N.). Es steht weder fest, was auf den Videoaufzeichnungen zu sehen ist, noch ob diese prozessual verwertet werden dürfen (vgl. hierzu: BAG, Urt. v. 21.11.2013 - 2 AZR 797/11 - m.w.N.). Zwar darf sich ein Zivilgericht, um eine eigene Überzeugung davon zu gewinnen, ob sich ein bestimmtes Geschehen zugetragen hat, auf ein dazu ergangenes Strafurteil stützen (vgl.: BAG, Urt. v. 23.10.2014 - 2 AZR 865/13 - m.w.N.). Jedoch ist vorliegend zu beachten, dass das Urteil des AG Kerpen vom 15.09.2014 nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Das Strafverfahren wurde laut Klägervortrag in der Berufungsinstanz gegen Geldauflage eingestellt, nachdem der Nachweis der Zueignungsabsicht auch unter Zugrundelegung der Videoaufzeichnungen zweifelhaft erschien. Darüber hinaus hat sich die Klägerin darauf berufen, dass im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung jedenfalls die Dauer des langjährigen Arbeitsverhältnisses, hier seit dem 01.06.2007, und die Geringfügigkeit des Schadens einzustellen sind. Dieser Rechtsstandpunkt ist vor dem Hintergrund, dass es keine absoluten Kündigungsgründe gibt, jedenfalls rechtlich nicht unvertretbar.
62. Zutreffend hat das Arbeitsgericht die beantragte Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, soweit sich die Kündigungsschutzklage gegen die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses richtet. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Schutzbestimmungen des KSchG keine Anwendung, weil der Betrieb der Beklagten aufgrund der geringen Arbeitnehmerzahl nicht dem Geltungsbereich des KSchG unterliegt, § 23 Abs. 1KSchG. Sonstige Unwirksamkeitsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
73. Die Ratenzahlungsanordnung beruht auf folgender Grundlage: Bei einem Arbeitslosengeld von monatlich 538,50 € abzüglich des Freibetrags von 462,-- € (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2.a) ZPO) verbleibt ein einzusetzendes Einkommen von 77,-- € (§ 115 Abs. 1 Satz 6 ZPO), woraus sich gemäß § 115 Abs. 2 ZPO eine monatliche Rate von 30,-- € ergibt. Die Beiordnung folgt aus § 121 Abs. 2 ZPO.
84. Gegen diesen Beschluss ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach den §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.
(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.
(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.
(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:
- 1.
- a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge; - b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
- 2.
- a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist; - b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
- 3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen; - 4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; - 5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.
(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.
(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.
(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.
(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.
(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.
(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.
(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.
Hinsichtlich der Beschwerde gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte oder ihrer Vorsitzenden gelten die für die Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte maßgebenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gilt § 72 Abs. 2 entsprechend. Über die sofortige Beschwerde entscheidet das Landesarbeitsgericht ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter, über die Rechtsbeschwerde das Bundesarbeitsgericht.