Bundessozialgericht Urteil, 18. Mai 2011 - B 3 KR 7/10 R

bei uns veröffentlicht am18.05.2011

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2010 geändert und festgestellt, dass der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 1. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2006 rechtswidrig gewesen ist.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen.

Tatbestand

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Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike.

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Die 1987 geborene Klägerin leidet an einer angeborenen Spaltbildung der Wirbelsäule (spina bifida) mit Paraparese der Beine. Sie ist mit einem manuell zu bewegenden Rollstuhl (Aktivrollstuhl) versorgt. Im Januar 2006 beantragte die Klägerin unter Vorlage eines vom Sanitätshaus D. erstellten Angebots und einer das Begehren befürwortenden ärztlichen Bescheinigung die Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike zum Preis von 3323,83 Euro. Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag mit der Begründung ab, das begehrte Hilfsmittel sei zum Ausgleich einer Behinderung nicht erforderlich (Bescheid vom 1.2.2006; Widerspruchsbescheid vom 11.7.2006).

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Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin mit einem Hand-Bike gemäß dem Kostenvoranschlag des Sanitätshauses D. vom 31.1.2006 iVm der ärztlichen Verordnung der Dres. B. vom 20.1.2006 zu versorgen (Urteil vom 10.9.2008). Diese Versorgung sei nach dem eingeholten Sachverständigengutachten erforderlich, um einer weiteren Überlastung des Schulter-Ellenbogenbereichs durch die Verwendung des Aktivrollstuhls vorzubeugen. Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.6.2010): Das Rollstuhl-Bike sei zur Gewährleistung des allgemeinen Grundbedürfnisses auf Mobilität und auf Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums iS des in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fallenden Basisausgleichs (Nahbereich der Wohnung) nicht erforderlich. Der Nahbereich der Wohnung beschreibe den Radius, den sich ein behinderter Versicherter mittels eines Aktivrollstuhls erschließen können müsse. Dieser Radius könne unter Rückgriff auf den für die rentenversicherungsrechtliche Wegefähigkeit geltenden Grenzwert von 500 m konkretisiert werden. Die Klägerin sei nach den gutachterlichen Feststellungen in der Lage, eine über 500 m liegende Wegstrecke in einem zeitlichen Rahmen von 20 Minuten mit dem Aktivrollstuhl zu bewältigen. Dies sei zur Verwirklichung des Grundbedürfnisses auf Mobilität ausreichend.

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Die Klägerin hat ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten zum 30.6.2010 gekündigt und ist seit dem 1.7.2010 Mitglied der Techniker-Krankenkasse (TKK).

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Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das Rollstuhl-Bike sei im vorliegenden Einzelfall sowohl zur Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (§ 33 Abs 1 Satz 1 Variante 1 SGB V)als auch zum Ausgleich einer Behinderung (§ 33 Abs 1 Satz 1 Variante 3 SGB V)erforderlich, weil durch die Nutzung des Rollstuhl-Bikes zum einen das Fortschreiten der degenerativen Veränderungen im Bereich der oberen Extremitäten verhindert und zum anderen die Erschließung des Nahbereichs und somit die Verwirklichung eines allgemeinen Grundbedürfnisses sichergestellt werde. Der Nahbereich könne mit dem vorhandenen Aktivrollstuhl nur unter Schmerzen und übermäßigen Anstrengungen erschlossen werden. Die abweichende Beurteilung des Anspruchs durch das LSG beruhe auf einer unzulässigen Übertragung des für die rentenversicherungsrechtliche Wegefähigkeit geltenden Maßstabes. Die Leistungspflicht der Beklagten werde auch nicht durch den nach Abschluss der letzten Tatsacheninstanz vorgenommenen Krankenkassenwechsel (KK-Wechsel) berührt, weil sie das ihr in Bezug auf die Hilfsmittelversorgung zustehende Wahlrecht bereits konkretisiert habe.

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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2010 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10. September 2008 zurückzuweisen;
hilfsweise,
die Techniker-Krankenkasse gemäß § 75 Abs 2, 2. Alt iVm § 168 Satz 1, 2. Alt SGG beizuladen, die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2010 und des Sozialgerichts Köln vom 10. September 2008 zu ändern und die Beigeladene zu verurteilen, die Klägerin mit einem Rollstuhl-Bike zu versorgen;
weiter hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2010 zu ändern und festzustellen, dass der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 1. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2006 rechtwidrig gewesen ist.

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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist nach Maßgabe des zweiten Hilfsantrages begründet (dazu unter C.). Hinsichtlich der mit dem Hauptantrag begehrten Verurteilung der Beklagten zur Gewährung eines Rollstuhl-Bikes als Sachleistung ist die Revision hingegen unbegründet, weil die Beklagte aufgrund des KK-Wechsels ab dem 1.7.2010 nicht mehr zur Leistung verpflichtet ist (dazu unter A.). Bezüglich des ersten Hilfsantrages ist die Revision ebenfalls unbegründet, da die ab dem 1.7.2010 für die Klägerin zuständige TKK nicht zum Verfahren beizuladen war (dazu unter B.).

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A. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht einen gegen die Beklagte gerichteten Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike abgelehnt. Ausschlaggebend für den fehlenden Leistungsanspruch ist jedoch nicht - wie vom LSG angenommen - das Fehlen der materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V, sondern der Umstand, dass die Leistungspflicht der Beklagten nach Verkündung des LSG-Urteils aufgrund der Kündigung des klägerischen Mitgliedschaftsverhältnisses am 30.6.2010 erloschen ist.

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Diese Bindung der Leistungspflicht an die Mitgliedschaft ergibt sich aus § 19 Abs 1 Halbs 1 SGB V, wonach der Anspruch auf Leistungen mit dem Ende der Mitgliedschaft erlischt. Die Vorschrift erfasst nicht nur das Ausscheiden aus der GKV schlechthin, sondern auch die Fälle des KK-Wechsels (BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr 4 RdNr 12 mwN). § 19 Abs 1 SGB V gilt auch für einmalige Leistungen(BSGE 90, 220, 229 = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 S 11 mwN). Maßgebend für die Leistungspflicht ist in diesen Fällen die im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung, dh der Abgabe des Hilfsmittels, bestehende Mitgliedschaft (BSGE 90, 220, 229 f = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 S 11), so dass die Beklagte vorliegend ab dem 1.7.2010 nicht mehr zur Gewährung des Rollstuhl-Bikes verurteilt werden kann.

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Für einen Leistungsanspruch nach beendeter Mitgliedschaft (sog nachgehender Leistungsanspruch) bestehen keine gesetzlichen Anknüpfungspunkte. Nachgehende Leistungsansprüche sind als Ausnahme von der das Versicherungsprinzip zum Ausdruck bringenden Regel des § 19 Abs 1 Halbs 1 SGB V grundsätzlich nur zulässig, wenn sie im SGB V bestimmt sind(§ 19 Abs 1 Halbs 2 SGB V). Entsprechende Bestimmungen finden sich ua in § 19 Abs 2 und 3 SGB V, deren Voraussetzungen hier aber nicht vorliegen. Darüber hinaus sind Abweichungen nur gestattet, wenn ein nachgehender Leistungsanspruch zum Schutz des Versicherten erforderlich ist. Eine solche besondere Schutzbedürftigkeit ist allerdings nicht schon dann anzunehmen, wenn der Versicherte sein Wahlrecht auf ein bestimmtes Hilfsmittel konkretisiert und die frühere Krankenkasse (KK) den geltend gemachten Versorgungsanspruch zu Unrecht abgelehnt hat, sich mit der Leistungserbringung also im Verzug befindet. Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 23.1.2003 (B 3 KR 7/02 R - BSGE 90, 220, 229 f = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 S 10 f) in einer entsprechenden Fallkonstellation einen nachgehenden Leistungsanspruch bejaht hat, wird diese Rechtsprechung im Hinblick auf die Zweckbestimmung des § 19 SGB V nicht fortgeführt.

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Mit der Einführung des § 19 SGB V durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) wollte der Gesetzgeber die bis zu diesem Zeitpunkt nach den Vorschriften der RVO und deren Auslegung durch die Rechtsprechung bestehende Vielzahl nachgehender Leistungsansprüche (dazu Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, § 19 RdNr 36 f mwN) auf ein "vertretbares Maß" zurückführen (BT-Drucks 11/2237 S 166). Zu diesem Zweck hat er das bis zum 31.12.1988 zugunsten nachgehender Leistungsansprüche bestehende Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt, so dass nunmehr das Versicherungsprinzip gilt (§ 19 Abs 1 Halbs 1 SGB V), von dem nur in eng begrenzten und gesetzlich geregelten Ausnahmefällen (§ 19 Abs 1 Halbs 2 iVm Abs 2 und 3 SGB V) abgewichen werden darf. Von dieser Zielsetzung ausgehend können zusätzlich zu den gesetzlich geregelten, aber vorliegend nicht einschlägigen nachgehenden Leistungsansprüchen nur weitere Ausnahmen vom Versicherungsprinzip anerkannt werden, wenn eine den gesetzlich normierten Ausnahmetatbeständen (§ 19 Abs 2 und 3 SGB V) vergleichbare Interessenlage besteht. Diese ist durch eine Versicherungsnähe in zeitlicher Hinsicht, eine besondere Schutzbedürftigkeit des Versicherten und die Beendigung der Mitgliedschaft durch plötzliche, unvorhersehbare und unvermeidbare Umstände (Noftz aaO RdNr 24 f) gekennzeichnet, wobei die für einen nachgehenden Leistungsanspruch notwendige besondere Schutzbedürftigkeit des Versicherten nur vorliegt, wenn ein solcher Anspruch erforderlich ist, um Lücken im Versicherungsschutz zu vermeiden (BT-Drucks 11/2237 S 166). Bei einem KK-Wechsel besteht - zumindest in den ersten Monaten nach dem Ende der Mitgliedschaft bei der alten KK - noch eine gewisse Nähe zu dem alten Versicherungsverhältnis. Allerdings bedarf der Versicherte in diesen Fällen - anders als in den Fällen der beendeten Mitgliedschaft - nicht des Schutzes durch einen nachgehenden Leistungsanspruch, soweit er die Möglichkeit hat, den primären Anspruch gegenüber der neuen KK geltend zu machen; die Gefahr einer Versicherungslücke besteht dann nicht. Dies gilt auch, wenn das gegen die alte KK gerichtete Leistungsbegehren bereits Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens ist, weil die vom Versicherten erworbenen "Prozessfrüchte" mit einer gegen die alte KK gerichteten Fortsetzungsfeststellungsklage gesichert werden können. Zudem wird die Mitgliedschaft bei einem KK-Wechsel nicht - wie in den Fallkonstellationen des § 19 Abs 2 und 3 SGB V - durch ein unvorhersehbares und unvermeidbares Ereignis beendet, sondern ist in der Regel auf eine bewusste und geplante Entscheidung des Versicherten zurückzuführen.

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Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die der Entscheidung des 3. Senats vom 23.1.2003 (BSGE 90, 220, 229 f = SozR 4-2500 § 33 Nr 1 S 10 f) zugrunde liegende Fallkonstellation vom Gesetzgeber übersehen wurde und somit eine planwidrige Regelungslücke besteht, die im Wege der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung geschlossen werden könnte. Die in § 19 Abs 2 und 3 SGB V geregelten Ausnahmetatbestände lassen vielmehr erkennen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer fortwirkenden Leistungspflicht in Erwägung gezogen, sie aber nur in sachlich und zeitlich eng begrenzten Fällen für zulässig erachtet hat.

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B. Die Klägerin kann im vorliegenden Verfahren auch keinen Anspruch auf die Gewährung eines Rollstuhl-Bikes durch die ab dem 1.7.2010 zuständige TKK geltend machen, weil diese weder am Rechtsstreit beteiligt ist noch - im Wege der notwendigen Beiladung - hätte beteiligt werden müssen.

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1. Die ab dem 1.7.2010 für die Klägerin zuständige TKK ist nicht im Wege eines gesetzlichen Beteiligtenwechsels an die Stelle der bis zum 30.6.2010 für den klägerischen Anspruch zuständigen Beklagten getreten. Ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel auf Seiten einer juristischen Person oder Behörde (sog Funktionsnachfolge) liegt nur vor, wenn aufgrund eines nach Klageerhebung erfolgten gesetzlichen oder behördlichen Organisationsaktes eine andere als die zunächst beklagte juristische Person bzw Behörde zuständig wird (vgl zur Funktionsnachfolge: BSGE 99, 15 = SozR 4-3300 § 55 Nr 1 RdNr 12; BSGE 62, 269, 270 ff = SozR 1200 § 48 Nr 14 S 71 ff; BVerwGE 44, 148, 150 f; BFHE 200, 521, 523 f). Ein der Funktionsnachfolge vergleichbarer Übergang von Verwaltungsaufgaben liegt dagegen nicht vor, wenn lediglich die Zuständigkeit aufgrund der Ausübung eines dem Versicherten gesetzlich zustehenden Wahlrechts im Einzelfall wechselt.

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2. Die TKK war auch nicht zum vorliegenden Rechtsstreit notwendig beizuladen. Zwar kommt deren Leistungspflicht für das bei der Beklagten beantragte, aber von dieser tatsächlich nicht gewährte und nach § 19 Abs 1 Halbs 1 SGB V rechtlich auch nicht mehr zu gewährende Rollstuhl-Bike aufgrund des zum 1.7.2010 vorgenommenen KK-Wechsels ernsthaft in Betracht, so dass die Voraussetzungen für eine notwendige unechte Beiladung nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG grundsätzlich erfüllt sind. Gleichwohl bestand für den Senat keine Veranlassung, die ab dem 1.7.2010 zuständige TKK - mit deren Zustimmung (§ 168 Satz 2 Alt 2 SGG) - im Revisionsverfahren beizuladen. § 168 Abs 2 Alt 2 SGG berechtigt unter Berücksichtigung des Normzwecks nur zur Nachholung einer in der Vorinstanz versäumten notwendigen Beiladung (sog vergessene Beiladung), wohingegen es dem Revisionsgericht verwehrt ist, insoweit Tatsachen zu berücksichtigen, die erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz entstanden sind und bei fortgesetztem Berufungsverfahren eine notwendige Beiladung bedingt hätten. Denn durch die mit dem Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1.1993 (BGBl I 50) eingefügte Möglichkeit einer revisionsgerichtlichen Beiladung soll im Interesse der Verfahrenskonzentration die Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz allein wegen einer unterbliebenen Beiladung vermieden werden (BT-Drucks 12/1217 S 54).

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Vor diesem Hintergrund darf das Revisionsgericht eine Beiladung nach § 75 Abs 2 SGG mit Zustimmung des Beizuladenden nur vornehmen, wenn die Beiladung in der Vorinstanz verfahrensfehlerhaft unterblieben ist, denn nur dann wäre eine mögliche Zurückverweisung gerechtfertigt. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Aufgrund des erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG erfolgten KK-Wechsels konnte das LSG die Beiladung weder während des Berufungsverfahrens vornehmen noch durfte es diese nach dem Erlass seines Urteils nachholen. Zwar ist eine Beiladung grundsätzlich in jeder Lage des Verfahrens und somit auch in der Zeit nach der Verkündung des Urteils bis zu seiner Zustellung (BSG SozR 3-5420 § 3 Nr 2 S 7; BSG SozR 1500 § 62 Nr 6 S 5) oder dem Eintritt der Rechtskraft bzw der Einlegung eines Rechtsmittels möglich (BFH Urteil vom 9.7.1992 - IV R 55/90 - BFH/NV 1993, 81 mwN; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl, § 75 RdNr 5b). Ob diese Rechtsauffassung wegen der erforderlichen Gewährung rechtlichen Gehörs in der Tat zutreffend ist, mag bezweifelt werden können; dies braucht aber vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn eine Beiladung nach Erlass des Urteils ist bislang höchstrichterlich nur für zulässig erachtet worden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegen hatten, die rechtzeitige Beiladung mithin pflichtwidrig unterlassen und somit nachgeholt wurde (vgl BSG aaO und BFH aaO). Dies ist vorliegend jedoch gerade nicht der Fall.

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Eine Beiladung im hiesigen Verfahren würde zudem gegen § 163 SGG verstoßen und somit in einem nicht zulässigen Wertungswiderspruch zu den Grundsätzen des Revisionsverfahrens stehen(vgl dazu BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 11). Die Notwendigkeit der Beiladung ergibt sich vorliegend erst aus dem zum 1.7.2010 vorgenommenen KK-Wechsel und somit aus einer Tatsache, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz eingetreten und daher vom Revisionsgericht nicht zu berücksichtigen ist. Soweit das LSG den KK-Wechsel in seinem Urteil als Tatsache genannt hat, handelt es sich um eine Feststellung, die es außerhalb des ihm zustehenden Bewertungsrahmens getroffen hat und die das Revisionsgericht nicht bindet, denn das LSG darf bei einer aufgrund mündlicher Verhandlung unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter getroffenen Entscheidung nur den Tatsachenstoff berücksichtigen, der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist (Grundsatz der Unmittelbarkeit, vgl §§ 124 Abs 1 und 129 SGG).

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Der KK-Wechsel ist letztlich auch keine Tatsache, die der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen hat. Von Amts wegen und somit ohne Verstoß gegen § 163 SGG zu berücksichtigen sind generelle und solche Tatsachen, die für die Zulässigkeit der Revision von Bedeutung sind, sowie solche, deren Nichtbeachtung zu einem fortwirkenden Verstoß gegen einen im öffentlichen Interesse liegenden verfahrensrechtlichen Grundsatz führt(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO § 163 RdNr 5b und 7 mwN). Zu letzteren zählen ua die Prozessvoraussetzungen betreffende Tatsachen. Daher hat der Senat den KK-Wechsel insoweit zu berücksichtigen, als dieser für die Zulässigkeit der gegen die Beklagte gerichteten Klage (dazu unter C.) und somit für das streitgegenständliche Rechtsverhältnis von Bedeutung ist, nicht hingegen in Bezug auf ein neues und bisher nicht streitgegenständliches Rechtsverhältnis.

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C. Das mit dem zweiten Hilfsantrag verfolgte Klagebegehren ist als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (dazu unter 1. und 2.) und begründet (dazu unter 3.).

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1. Mit dem KK-Wechsel haben sich die angefochtenen Bescheide der Beklagten auf andere Weise erledigt (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG iVm § 39 Abs 2 SGB X), weil die Beklagte aufgrund der Regelung des § 19 Abs 1 SGB V ab dem 1.7.2010 rechtlich nicht mehr zur Erbringung der von der Klägerin begehrten Leistung verpflichtet ist (vgl unter A.). Daher ist mit dem KK-Wechsel das für die Fortführung der ursprünglich zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage notwendige Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Dem hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch eine Umstellung der Klageanträge Rechnung getragen. Die Umstellung einer Anfechtungs- und Leistungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist keine Klageänderung und daher auch im Revisionsverfahren statthaft - § 99 Abs 3 Nr 3 iVm § 168 Satz 1 Alt 1 SGG (vgl dazu BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, RdNr 14 mwN). § 131 Abs 1 Satz 3 SGG gilt entsprechend für die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (BSGE 78, 243, 249 = SozR 3-2500 § 109 Nr 2 S 18).

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2. Das für die Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Klägerin an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 1.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2006 besteht unter dem Gesichtspunkt der Präjudizialität und der Wiederholungsgefahr. Auf diese Aspekte kann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse gestützt werden, wenn die begehrte Feststellung unmittelbar bindend für ein anderes gerichtliches oder behördliches Verfahren ist (rechtliche Präjudizialität - vgl dazu Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl 2009 § 113 RdNr 140) bzw ihr eine natürliche Autorität für ein anderes Rechtsverhältnis zukommt (tatsächliche Präjudizialität - Kopp/Schenke aaO; vgl auch BFHE 108, 92, 95) oder wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 7 mwN). Auf diese Weise sollen erreichte Verfahrenergebnisse gesichert und Folgeprozesse vermieden werden (Kopp/Schenke aaO RdNr 96). Vorliegend kann durch die begehrte Feststellung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Folgeprozess über den Versorgungsanspruch vermieden werden, denn die im hiesigen Verfahren streitige materiell-rechtliche Frage ist auch für das gegenüber der neuen KK bestehende Mitgliedschaftsverhältnis von Bedeutung. Unerheblich ist dabei, dass infolge des erledigenden Ereignisses nunmehr eine andere Behörde für die Entscheidung über einen künftigen Antrag zuständig ist (so auch BVerwG Urteil vom 27.9.1993 - 1 B 73/93 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr 261; BVerwG Urteil vom 31.3.1987 - 1 C 32/84 - NJW 1987, 2179). Vielmehr ist angesichts der Bedeutung höchstrichterlicher Entscheidungen für die Rechtsfortbildung davon auszugehen, dass sich die neue KK als an Recht und Gesetz gebundene Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 4 Abs 1 SGB V iVm Art 20 Abs 3 GG) den Gründen eines obsiegenden Feststellungsurteils nicht verschließen wird. Darüber hinaus haben die Vorinstanzen in Bezug auf den klägerischen Anspruch Tatsachen ermittelt, die als "erworbene Prozessfrüchte" nicht verloren gehen, sondern die Grundlage für eine mit entsprechender "natürlicher Autorität" ausgestatteten Entscheidung bilden sollen.

23

3. Das zulässige Fortsetzungsfeststellungsbegehren ist auch begründet. Die Klägerin hatte unter Zugrundelegung der vom LSG festgestellten Tatsachen bis zum 30.6.2010 einen gegen die Beklagte gerichteten Anspruch auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike als Hilfsmittel der GKV. Der diesen Anspruch ablehnende Bescheid der Beklagten vom 1.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2006 war daher rechtswidrig.

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a) Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren ist § 33 Abs 1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Erledigung(zur maßgebenden Sach- und Rechtslage bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO § 131 RdNr 10i; Kopp/Schenke aaO § 113 RdNr 124, 147) geltenden Fassung des Art 1 Nr 17a Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung im Hinblick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die KK gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen.

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Ein gegen die Beklagte gerichteter Anspruch auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike als Hilfsmittel der GKV (dazu unter b) bestand bis zum 30.6.2010 unter dem Gesichtspunkt des Behinderungsausgleichs (dazu unter d), so dass über die Frage der Erforderlichkeit des Hilfsmittels zur Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung nicht abschließend entschieden werden muss (dazu unter c).

26

b) Dem Rollstuhl-Bike kann in Bezug auf erwachsene Versicherte nicht bereits - wie vom LSG angedeutet, aber mangels Entscheidungsrelevanz offen gelassen - die Eigenschaft als Hilfsmittel abgesprochen werden. Hilfsmittel iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sind alle sächlichen Mittel, die den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern, einer drohenden Behinderung vorbeugen oder eine bestehende Behinderung ausgleichen, selbst dann, wenn ihre Anwendung durch den Versicherten selbst sicherzustellen ist(BSGE 88, 204 = SozR 3-2500 § 33 Nr 41; BSGE 87, 105, 108 f = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 5; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 39 S 220). Diese Voraussetzungen erfüllt das Rollstuhl-Bike, denn die Hilfsmitteleigenschaft wird allein nach objektiven Kriterien bestimmt. Personenbezogene Merkmale - wie zB das Alter des Versicherten - sind hierfür nicht maßgeblich. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Senatsentscheidung vom 16.9.1999 (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31), wonach "ein Rollstuhl-Bike für Personen im Erwachsenenalter kein Hilfsmittel der gesetzlichen KV" ist. Mit dieser Aussage wollte der Senat nicht die Hilfsmitteleigenschaft des Rollstuhl-Bikes für erwachsene Versicherte in Frage stellen, sondern dessen Eignung und Erforderlichkeit zur Erreichung der Versorgungsziele des § 33 SGB V im Einzelfall beurteilen.

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c) Ob das Rollstuhl-Bike als Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung (§ 33 Abs 1 Satz 1 Variante 1 SGB V) erforderlich war, kann anhand der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

28

Der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung dient ein sächliches Mittel, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Dabei kommt nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation ein Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung iS von § 27 SGB V zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche oder ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung iS der Behandlungsziele des § 27 SGB V als erforderlich anzusehen sind(BSG vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - Therapiedreirad - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 21). Diese Voraussetzungen liegen bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung vor, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der physikalischen Therapie hat und die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann (BSG aaO). Bei der Klägerin bestehen neben der Gehbehinderung degenerativ bedingte Beschwerden und Funktionsstörungen im Bereich der oberen Extremitäten, die krankengymnastisch behandelt werden. Die Frage, ob diese Krankengymnastik durch die Verwendung eines Rollstuhl-Bikes wesentlich gefördert oder die Behandlungsfrequenz reduzieren wird, kann anhand der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beantwortet werden. Zwar hat das LSG festgestellt, dass die verordnete Krankengymnastik im Vergleich zu den mit der Nutzung des Rollstuhl-Bikes verbundenen gesundheitlichen Vorteilen ausreichend und sogar besser geeignet ist, um Verbesserungen der körperlichen und seelischen Verfassung eines behinderten Menschen zu erreichen. Allerdings bleibt offen, auf welche medizinische Tatsachen das LSG diese Feststellung stützt, zumal sie im Widerspruch zu den gutachterlichen Feststellungen steht. Nach Auffassung des Sachverständigen ersetzt ein Rollstuhl-Bike zwar nicht die aufgrund der degenerativen Erkrankung der oberen Extremitäten erforderliche Krankengymnastik, ermöglicht aber wegen der Verringerung der Schmerzsituation im Bereich des Schultergürtels dessen intensivere krankengymnastische Beübung und kann ein Fortschreiten der Veränderungen erheblich verringern. Soweit das LSG diesen medizinischen Tatsachen offensichtlich nicht folgt, wären weitere Ermittlungen erforderlich gewesen.

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d) Diese unzureichenden Ermittlungen führen gleichwohl nicht zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, weil der von der Klägerin geltend gemachte Versorgungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Behinderungsausgleichs (§ 33 Abs 1 Satz 1 Variante 3 SGB V) begründet ist. Zwar ist ein Rollstuhl-Bike grundsätzlich nicht zum Ausgleich einer Behinderung erforderlich, weil es dem Versicherten eine Mobilität ermöglicht, die über den durch Leistungen der GKV zu gewährleistenden Bereich der medizinischen Rehabilitation hinausgeht. Allerdings bestand gleichwohl ein entsprechender Versorgungsanspruch, weil die Behinderung im vorliegenden Einzelfall nicht auf andere Weise zumutbar ausgeglichen werden kann.

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aa) Der Behinderungsausgleich nach § 33 Abs 1 Satz 1 Variante 3 SGB V umfasst zwei Zielrichtungen:

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Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (stRspr, BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 18 mwN - Badeprothese). Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSG aaO; vgl auch BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 mwN - C-leg-Prothese). Die Prüfung, ob mit der vorgesehenen Verwendung ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt in den Fällen der Erst- und Ersatzausstattung, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 18 - Badeprothese).

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Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen. Im Rahmen dieses sog mittelbaren Behinderungsausgleichs geht es nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V, § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (zum mittelbaren Behinderungsausgleich zuletzt: BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - Scalamobil, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 18 mwN). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist daher von der GKV nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (stRspr, zuletzt BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KR 9/10 R - Barcodelesegerät, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 13 ff mwN). Nach stRspr gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (vgl zuletzt BSG Urteil vom 10.3.2011 aaO und Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R aaO, jeweils mwN).

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Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich im vorliegenden Fall um den mittelbaren Behinderungsausgleich, weil durch das begehrte Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht wird, sondern lediglich die Folgen einer Funktionsbeeinträchtigung der Beine - hier in Form des eingeschränkten Geh- und Stehvermögens - ausgeglichen werden sollen.

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bb) Das hier betroffene Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums umfasst die Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich (BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 20 ff mwN - Scalamobil). Anknüpfungspunkt für die Reichweite des Nahbereichs ist der Bewegungsradius, den ein Nichtbehinderter üblicherweise zu Fuß zurücklegt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27 RdNr 15 - Elektrorollstuhl). Dies entspricht dem Umkreis, der mit einem vom behinderten Menschen selbst betriebenen Aktivrollstuhl erreicht werden kann (vgl zu diesem Maßstab BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 28 S 163 - Therapie-Tandem II; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 25 S 141 - Therapie-Tandem I; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 7 S 26 - Rollstuhl-Boy). Die in früheren Entscheidungen angedeutete Möglichkeit, dass "zwischen dem durch einen Selbstfahrrollstuhl regelmäßig eröffneten Freiraum und den Entfernungen, die ein Gesunder auch bei eingeschränktem Gesundheitszustand vor allem im ländlichen Bereich zu Fuß zurücklegt, eine Lücke besteht, die ebenfalls noch den Grundbedürfnissen zuzurechnen ist" (so noch BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 7 S 27 - Rollstuhl-Boy), hat der Senat nicht weiter verfolgt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike II).

35

cc) Für die Bestimmung des Nahbereichs gilt ein abstrakter, von den Besonderheiten des jeweiligen Wohnortes unabhängiger Maßstab (BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 14 - Kraftknoten; BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 17 - behinderungsgerechter Pkw). Dem steht weder entgegen, dass nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V Hilfsmittel zu gewähren sind, wenn sie "im Einzelfall erforderlich sind", noch dass nach § 33 SGB I bei der Ausgestaltung von Rechten nach dem SGB "die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten" berücksichtigt werden müssen. Die Frage, ob ein Hilfsmittel der Sicherung menschlicher Grundbedürfnisse dient, betrifft dessen Eignung und Erforderlichkeit zur Erreichung der in § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Versorgungsziele. Diese Eignung und Erforderlichkeit zählt ebenso wie die Hilfsmitteleigenschaft und das Nichtvorliegen der in § 33 Abs 1 Satz 1 Halbs 2 SGB V formulierten Ausschlusstatbestände zu den objektiven, dh unabhängig vom konkreten Einzelfall zu beurteilenden Anspruchsvoraussetzungen. Hierfür ist allein die Zielsetzung des § 33 SGB V und somit die Abgrenzung der Leistungspflicht der GKV von der anderer Träger nach einem abstrakt-aufgabenbezogenen Maßstab ausschlaggebend. Die Erforderlichkeit der Hilfsmittelversorgung "im Einzelfall" ist dagegen - ebenso wie deren Wirtschaftlichkeit - eine subjektbezogene Anspruchsvoraussetzung, die nach einem konkret-individuellen Maßstab beurteilt wird. Der in § 33 SGB I normierte Individualisierungsgrundsatz ist für den die Anspruchsvoraussetzungen des § 33 SGB V betreffenden Nahbereich bereits deshalb ohne Bedeutung, weil er ausschließlich für die Ausgestaltung sozialer Rechte gilt, seine Anwendung mithin auf die Rechtsfolgenseite einer im SGB geregelten Anspruchsgrundlage beschränkt ist(BSG SozR 4-7610 § 362 Nr 1 RdNr 11 f).

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dd) Der Nahbereich wurde in der bisherigen Senatsrechtsprechung nicht im Sinne einer Mindestwegstrecke bzw einer Entfernungsobergrenze festgelegt, sondern lediglich beispielhaft im Sinne der Fähigkeit konkretisiert, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (stRspr, erstmals BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike II; zuletzt BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KR 9/10 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 15 - Barcodelesegerät), wobei allerdings die Fähigkeit, eine Wegstrecke von 100 m (BSG Urteil vom 21.11.2002 - B 3 KR 8/02 R, RdNr 16 - Therapie-Tandem IV) bzw 200 m (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 12 RdNr 15 f - Liegedreirad) zurückzulegen, nicht als ausreichend zur Erschließung des Nahbereichs angesehen worden ist. Dagegen umfasst der von der GKV zu gewährleistende Basisausgleich nicht die Fähigkeit, weitere Wegstrecken, vergleichbar einem Radfahrer, Jogger oder Wanderer, zu bewältigen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 186 - Rollstuhl-Bike II). An diesen Grundsätzen hält der Senat weiterhin fest. Eine weitere Konkretisierung des Nahbereichs im Sinne einer Mindestwegstrecke ist vor dem Hintergrund des sich wandelnden Mobilitätsverhaltens (vgl Kurzfassung des Ergebnisberichts "Mobilität in Deutschland 2008", abrufbar unter www.mobilitaet-in-deutschland.de - recherchiert am 16.5.2011) weder tatsächlich möglich noch zur sachgerechten Anwendung des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V notwendig.

37

ee) Für die Bestimmung des durch Hilfsmittel der GKV zu erschließenden Nahbereichs ist allein der Zweck des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V maßgebend. Dieser liegt in der Sicherstellung der in Satz 1 formulierten Versorgungsziele. Dabei soll mit dem Versorgungsziel des Behinderungsausgleichs (§ 33 Abs 1 Satz 1 Variante 3 SGB V) grundsätzlich eine Gleichstellung des behinderten Menschen mit Nichtbehinderten erreicht werden, wobei allerdings im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs kein Gleichziehen mit den nahezu unbegrenzten Möglichkeiten zu gewährleisten ist, sondern lediglich ein Aufschließen zu den Grundbedürfnissen eines nicht behinderten Menschen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185 - Rollstuhl-Bike II), um die Zuständigkeit der GKV von der anderer Träger abzugrenzen. Von dieser Zielsetzung ausgehend sind dem der Zuständigkeitsabgrenzung der GKV von anderen Rehabilitationsträgern dienenden Nahbereich beim mittelbaren Behinderungsausgleich solche Wege zuzuordnen, die räumlich einen Bezug zur Wohnung und sachlich einen Bezug zu den Grundbedürfnissen der physischen und psychischen Gesundheit bzw der selbständigen Lebensführung aufweisen. In räumlicher Hinsicht ist der Nahbereich auf den unmittelbaren Umkreis der Wohnung des Versicherten beschränkt (vgl zum Zusammenhang zwischen dem Grundbedürfnis auf Mobilität und dem Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens: BSG Urteil vom 10.3.2011 - B 3 KR 9/10 R - Barcodelesegerät - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 15). Diese ist Ausgangs- und Endpunkt der zum Nahbereich zählenden Wege, so dass die Mobilität für den Hin- und Rückweg durch Leistungen der GKV sicherzustellen ist. Hierfür sind allerdings nicht die konkreten Wohnverhältnisse des behinderten Menschen maßgebend, weil der Nahbereich ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens konkretisiert und somit die Eignung und Erforderlichkeit des Hilfsmittels als objektive Anspruchsvoraussetzung betrifft. Sachlich umfasst der Nahbereich gesundheitserhaltende Wege, Versorgungswege sowie elementare Freizeitwege. Zu den gesundheitserhaltenden Wegen zählen Entfernungen, die zur Aufrechterhaltung der physischen und psychischen Existenz zurückgelegt werden (zB Besuch von Ärzten und Therapeuten, Aufsuchen der Apotheke). Der Versorgungsweg umschreibt dagegen die Fähigkeit, die Wohnung zu verlassen, um die für die Grundbedürfnisse der selbständigen Existenz und des selbständigen Wohnens notwendigen Verrichtungen und Geschäfte (Einkauf, Post, Bank) wahrnehmen zu können. Die Mobilität für Freizeitwege ist in Abgrenzung zu der durch andere Leistungsträger sicherzustellenden Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft jedoch nur durch Leistungen der GKV abzudecken, wenn (und soweit) diese Wege von besonderer Bedeutung für die physische und psychische Gesundheit sind. In diesem Sinne zählen zu den Freizeitwegen Entfernungen, die bewältigt werden, um die körperlichen Vitalfunktionen aufrechtzuerhalten (kurzer Spaziergang an der frischen Luft) und um sich einen für die seelische Gesundheit elementaren geistigen Freiraum zu erschließen (zB Gang zum Nachbarn zur Gewährleistung der Kommunikation, Gang zum Zeitungskiosk zur Wahrnehmung des Informationsbedürfnisses).

38

ff) Dagegen sind die zur rentenversicherungsrechtlichen Wegefähigkeit und zum Nachteilsausgleich "G" entwickelten Maßstäbe aufgrund ihrer abweichenden Zweckbestimmung nicht geeignet, den für das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums relevanten Nahbereich näher bzw in anderer Weise zu bestimmen.

39

Die Wegefähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung, dh das gesundheitliche Vermögen, viermal am Tag eine Wegstrecke von 500 m in einem Zeitraum von 20 Minuten zurückzulegen (vgl BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 8 RdNr 15; BSG Urteil vom 28.8.2002 - B 5 RJ 12/02 R - RdNr 13 und 15), ist ein wesentliches Kriterium für die Erwerbsfähigkeit. Sie betrifft Voraussetzungen für die Gewährung der Versicherungsleistung Rente. Bereits aus diesem Grund ist der für die rentenversicherungsrechtliche Wegefähigkeit geltende Maßstab nicht zur Bestimmung der Leistungspflicht im Bereich der GKV-Rehabilitationsleistungen geeignet. Soweit entsprechend dem Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" (§ 9 Abs 1 Satz 2 SGB VI) zum Ausgleich einer eingeschränkten Wegefähigkeit Leistungen des Rentenversicherungsträgers zur (beruflichen) Rehabilitation erbracht werden, dienen diese Leistungen dem Zweck, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten bzw gesundheitlich bedingte Erwerbshindernisse zu beseitigen, und verfolgen daher einen erwerbsbezogenen Rehabilitationsansatz (§ 9 Abs 1 SGB VI; § 6 Abs 1 Nr 4 iVm § 5 Nr 1, 2 SGB IX). Dagegen liegt den von der GKV zu erbringenden Leistungen der medizinischen Rehabilitation ein gesundheitsbezogener Rehabilitationsansatz zugrunde. Mit diesen Leistungen soll eine durch Krankheit bedingte Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abgewendet, beseitigt, gemildert, ausgeglichen, ihre Verschlimmerung verhütet oder ihre Folgen gemildert werden (§ 11 Abs 2 Satz 1 SGB V; § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 SGB IX). In diesem Sinne erschließen die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation dem Versicherten die Möglichkeiten - im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs allerdings nur in Bezug auf seine Grundbedürfnisse - eines nicht behinderten Menschen. Maßstab ist daher weder der erwerbsfähige noch der aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen ggf an der Grenze zur aufgehobenen Erwerbsfähigkeit stehende Versicherte, sondern der nichtbehinderte Mensch, so dass die Bestimmung des Nahbereichs anhand der zur rentenversicherungsrechtlichen Wegefähigkeit entwickelten Kriterien den Leistungsumfang des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in einer mit der Zweckrichtung der Norm nicht zu vereinbarenden Weise verkürzen würde.

40

Der für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs mit dem Merkzeichen "G" geltende (Mobilitäts-)Maßstab kann aufgrund seiner abweichenden Zweckbestimmung ebenfalls nicht zur Konkretisierung des Nahbereichs herangezogen werden. Das Merkzeichen "G" wird zuerkannt, wenn infolge einer Einschränkung des Gehvermögens Wegstrecken im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder Gefahren bewältigt werden können (§ 146 Abs 1 Satz 1 SGB IX), wobei die "Wegstrecken im Ortsverkehr" von der Rechtsprechung im Sinne einer Länge von bis zu 2 km bei einer Gehdauer von 30 Minuten konkretisiert worden sind (so schon BSGE 62, 273, 274 ff = SozR 3870 § 60 Nr 2 S 3 ff). Mit dem Merkzeichen "G" sollen Mehraufwendungen ausgeglichen werden, die einem gehbehinderten Menschen dadurch entstehen, dass er öfter als ein nicht behinderter Mensch - nämlich auch für kürzere und üblicherweise zu Fuß zu bewältigende Wegstrecken - auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen ist (BT-Drucks 8/2453, S 11 zu § 59 SchwbG; BSGE 62, 273, 276 f = SozR 3870 § 60 Nr 2 S 4; Dreher, ZfS 1986, 65, 67). Maßstab für die Gewährung des Nachteilsausgleichs ist damit zwar - ebenso wie bei den von der GKV zu erbringenden Leistungen - der nichtbehinderte Mensch. Allerdings gehen die mit der Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" verbundenen Vergünstigungen (unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr - § 145 iVm § 147 Abs 1 SGB IX) über den engeren Umkreis der Wohnung des behinderten Menschen hinaus, weil zum einen die den Ausgleich begründenden Wegstrecken nicht zwingend von der eigenen Wohnung ausgehen bzw zu ihr hinführen (Dreher, ZfS 1986, 65, 67) und zum anderen mit dem Merkzeichen "G" nicht nur Mobilitätsdefizite im Nahbereich der Wohnung, sondern darüber hinaus auch solche in Bezug auf Arbeitswege und Freizeitwege jeglicher Art ausgeglichen werden. Mit dem Merkzeichen "G" werden Nachteile des behinderten Menschen im Hinblick auf die "nahezu unbegrenzten Möglichkeiten" und nicht nur die Grundbedürfnisse eines nicht behinderten Menschen ausgeglichen. Für die Zuerkennung dieses Merkzeichens ist ein über den gesundheitsbezogenen Ansatz des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V hinausgehender teilhabebezogener Rehabilitationsansatz maßgebend. Infolge dessen ist im Rahmen des Nachteilsausgleichs "G" die Wegstrecke und somit die Entfernung im Sinne einer Mindestwegstrecke für die Leistungspflicht ausschlaggebend (Dreher, ZfS 1986, 65, 68 f), während im Anwendungsbereich des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V die Wegeart, dh der mit der Zurücklegung des Weges verbundene Zweck im Sinne des Mobilitätsziels, leistungsrechtlich von Bedeutung ist.

41

GG) Hiervon ausgehend eröffnet das Rollstuhl-Bike dem behinderten Menschen grundsätzlich eine dem Radfahren vergleichbare und somit über den nach den dargelegten Grundsätzen (vgl unter ee) bestimmten Nahbereich hinausgehende Mobilität. Denn mit dem Rollstuhl-Bike können nicht nur die im Nahbereich der Wohnung liegenden Ziele erreicht, sondern darüber hinaus auch Arbeits- und Freizeitwege jeglicher Art bewältigt werden. Allerdings sind Hilfsmittel, die dem Versicherten eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität ermöglichen, im Einzelfall gleichwohl von der KK zu gewähren, wenn besondere qualitative Momente dieses "Mehr" an Mobilität erfordern. Solche besonderen qualitativen Momente liegen zB vor, wenn der Nahbereich ohne das begehrte Hilfsmittel nicht in zumutbarer Weise erschlossen werden kann oder wenn eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität zur Wahrnehmung eines anderen Grundbedürfnisses notwendig ist. So ist etwa die Erschließung des Nahbereichs ohne das begehrte Hilfsmittel unzumutbar, wenn Wegstrecken im Nahbereich nur unter Schmerzen oder nur unter Inanspruchnahme fremder Hilfe bewältigt werden können (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27 RdNr 24 - Elektrorollstuhl)oder wenn die hierfür benötigte Zeitspanne erheblich über derjenigen liegt, die ein nicht behinderter Mensch für die Bewältigung entsprechender Strecken zu Fuß benötigt. Andere Grundbedürfnisse, die eine über den Nahbereich hinausgehende Mobilität erfordern, sind vom Senat in der Integration von Kindern und Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 10 RdNr 16 - Reha-Kinderwagen; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 S 258 f - Therapiedreirad; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 S 158 f - Rollstuhl-Bike I) sowie in der Erreichbarkeit von Ärzten und Therapeuten bei Bestehen einer besonderen gesundheitlichen Situation (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 13 ff - schwenkbarer Autositz II)gesehen worden. Zur Beantwortung der Frage, ob besondere qualitative Umstände ausnahmsweise die Gewährung eines Rollstuhl-Bikes erfordern, sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls maßgebend.

42

hh) Im vorliegenden Fall kann offen gelassen werden, ob das vom LSG festgestellte gesundheitliche Vermögen der Klägerin, sich mit dem vorhandenen Aktivrollstuhl etwa zehn Minuten in langsamen Fußgängertempo fortzubewegen und diese Fortbewegung nach einer zwei- bis dreiminütigen Pause in entsprechender Weise fortzuführen, ausreicht, um den Nahbereich der Wohnung zu erschließen, weil jedenfalls die Bedingungen, unter denen dies möglich ist, nicht zumutbar sind und somit besondere qualitative Momente bestehen, die das mit der Gewährung eines Rollstuhl-Bikes verbundene "Mehr an Mobilität" in den Hintergrund treten lassen.

43

Ausgehend von den Feststellungen des LSG haben sich bei der Klägerin die degenerativen Veränderungen und die hierdurch bedingten Funktionsstörungen und Beschwerden im Bereich der oberen Extremitäten in der Zeit zwischen der erst- und zweitinstanzlichen Begutachtung verschlechtert. Nunmehr treten bereits nach einer zehnminütigen Fortbewegung mit dem Aktivrollstuhl Schmerzen auf, die zur Einlegung einer Pause zwingen. Diese degenerativen Veränderungen werden nach den gutachterlichen Feststellungen bei der weiteren Verwendung des Aktivrollstuhls fortschreiten und die dadurch bedingten Beschwerden zunehmen, wohingegen die Progredienz der degenerativen Veränderungen durch die Verwendung des Rollstuhl-Bikes erheblich vermindert werden kann. Die Wahrnehmung eines Grundbedürfnisses unter Inkaufnahme gesundheitlicher Einschränkungen und verbunden mit der Gefahr einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist nicht zumutbar. Aus diesem Grund erfordert die besondere gesundheitliche Situation der Klägerin die Versorgung mit einem Rollstuhl-Bike.

44

ii) Das Rollstuhl-Bike ist auch nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (§ 33 Abs 1 Satz 1, letzter Halbs SGB V) von der Sachleistungspflicht der GKV ausgenommen. Es handelt sich um eine speziell für die Bedürfnisse behinderter Menschen entwickelte Zusatzausrüstung für einen Aktivrollstuhl, die von gesunden Menschen nicht genutzt werden kann.

45

jj) Gegen die Versorgung der Klägerin mit einem Rollstuhl-Bike sprechen auch keine Kostengesichtspunkte. Es handelt sich um eine wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung (§ 12 Abs 1 SGB V). Insbesondere kann die Klägerin nicht alternativ auf einen restkraftunterstützenden Greifreifenantrieb verwiesen werden. Zwar bietet dieser möglicherweise dem Rollstuhl-Bike vergleichbare Erleichterungen, weil der behinderte Mensch in die Lage versetzt wird, beim Auftreten von Schmerz- oder Erschöpfungszuständen individuell über eine Fernbedienung den zusätzlichen Antrieb zuzuschalten. Aufgrund der bei voller Aufladung des Antriebs ermöglichten Reichweite von 25 km ist die Erschließung des Nahbereichs in jedem Fall sichergestellt. Allerdings belaufen sich die Kosten für den Zusatzantrieb auf 3500 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer - bezogen auf einen Gewährleistungszeitraum von 60 Monaten - und liegen damit über den für ein Rollstuhl-Bike aufzuwendenden Kosten. Zudem würde die Vergütungspauschale nach dem Ablauf des Gewährleistungszeitraums erneut anfallen.

46

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Urteil, 18. Mai 2011 - B 3 KR 7/10 R

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bei uns veröffentlicht am 07.10.2010

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. März 2009 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 07. Okt. 2010 - B 3 KR 5/10 R

bei uns veröffentlicht am 07.10.2010

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. Dezember 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Lande
7 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Urteil, 18. Mai 2011 - B 3 KR 7/10 R.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 27. Sept. 2018 - 5 C 7/17

bei uns veröffentlicht am 27.09.2018

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger als schwerbehindertem Menschen gegenüber der Beklagten ein Anspruch zusteht, von dieser auf der

Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 11. Okt. 2016 - L 2 AL 16/12

bei uns veröffentlicht am 11.10.2016

Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts C-Stadt vom 09.12.2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 01. Okt. 2015 - L 6 KR 36/11

bei uns veröffentlicht am 01.10.2015

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen, wobei der Tenor klarstellend dahingehend abgeändert wird, dass die Beklagte zur Versorgung des Klägers mit einem Rollstuhlzuggerät Speedy B 26 oder eines vergleichbaren Modells verurteilt wird. Die Bekla

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 09. Dez. 2014 - L 2 SB 15/13

bei uns veröffentlicht am 09.12.2014

Tenor 1. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Itzehoe vom 11. März 2013 und der Bescheid des beklagten Landes vom 5. September 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2011 abgeändert un

Referenzen

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Der Anspruch auf Leistungen erlischt mit dem Ende der Mitgliedschaft, soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist.

(1a) Endet die Mitgliedschaft durch die Schließung oder Insolvenz einer Krankenkasse, gelten die von dieser Krankenkasse getroffenen Leistungsentscheidungen mit Wirkung für die aufnehmende Krankenkasse fort. Hiervon ausgenommen sind Leistungen aufgrund von Satzungsregelungen. Beim Abschluss von Wahltarifen, die ein Mitglied zum Zeitpunkt der Schließung in vergleichbarer Form bei der bisherigen Krankenkasse abgeschlossen hatte, dürfen von der aufnehmenden Krankenkasse keine Wartezeiten geltend gemacht werden. Die Vorschriften des Zehnten Buches, insbesondere zur Rücknahme von Leistungsentscheidungen, bleiben hiervon unberührt.

(2) Endet die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger, besteht Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Eine Versicherung nach § 10 hat Vorrang vor dem Leistungsanspruch nach Satz 1.

(3) Endet die Mitgliedschaft durch Tod, erhalten die nach § 10 versicherten Angehörigen Leistungen längstens für einen Monat nach dem Tode des Mitglieds.

(1) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, daß bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie beizuladen.

(2a) Kommt nach Absatz 2 erste Alternative die Beiladung von mehr als 20 Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluss anordnen, dass nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Er muss außerdem in im gesamten Bundesgebiet verbreiteten Tageszeitungen veröffentlicht werden. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muss mindestens drei Monate seit der Bekanntgabe betragen. Es ist jeweils anzugeben, an welchem Tag die Antragsfrist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(2b) In Verfahren gegen Entscheidungen nach § 7a Absatz 1 Satz 3, § 28h Absatz 2 und § 28p Absatz 1 Satz 5 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind andere Versicherungsträger abweichend von Absatz 2 nur auf deren Antrag beizuladen. Das Gericht benachrichtigt die anderen Versicherungsträger über die Erhebung einer entsprechenden Klage und über die Möglichkeit der Beiladung auf Antrag. Das Gericht setzt den anderen Versicherungsträgern für die Antragstellung eine angemessene Frist. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht kann Versicherungsträger auch von Amts wegen beiladen.

(3) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Der Beschluß, den Dritten beizuladen, ist unanfechtbar.

(4) Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge der anderen Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur dann stellen, wenn eine Beiladung nach Absatz 2 vorliegt.

(5) Ein Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land kann nach Beiladung verurteilt werden.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Wird ein Verwaltungsakt oder ein Widerspruchsbescheid, der bereits vollzogen ist, aufgehoben, so kann das Gericht aussprechen, daß und in welcher Weise die Vollziehung des Verwaltungsakts rückgängig zu machen ist. Dies ist nur zulässig, wenn die Verwaltungsstelle rechtlich dazu in der Lage und diese Frage ohne weiteres in jeder Beziehung spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Hält das Gericht die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsakts für begründet und diese Frage in jeder Beziehung für spruchreif, so ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen. Im Übrigen gilt Absatz 3 entsprechend.

(3) Hält das Gericht die Unterlassung eines Verwaltungsakts für rechtswidrig, so ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(4) Hält das Gericht eine Wahl im Sinne des § 57b oder eine Wahl zu den Selbstverwaltungsorganen der Kassenärztlichen Vereinigungen oder der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen ganz oder teilweise oder eine Ergänzung der Selbstverwaltungsorgane für ungültig, so spricht es dies im Urteil aus und bestimmt die Folgerungen, die sich aus der Ungültigkeit ergeben.

(5) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt auch bei Klagen auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsakts und bei Klagen nach § 54 Abs. 4; Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Der Anspruch auf Leistungen erlischt mit dem Ende der Mitgliedschaft, soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist.

(1a) Endet die Mitgliedschaft durch die Schließung oder Insolvenz einer Krankenkasse, gelten die von dieser Krankenkasse getroffenen Leistungsentscheidungen mit Wirkung für die aufnehmende Krankenkasse fort. Hiervon ausgenommen sind Leistungen aufgrund von Satzungsregelungen. Beim Abschluss von Wahltarifen, die ein Mitglied zum Zeitpunkt der Schließung in vergleichbarer Form bei der bisherigen Krankenkasse abgeschlossen hatte, dürfen von der aufnehmenden Krankenkasse keine Wartezeiten geltend gemacht werden. Die Vorschriften des Zehnten Buches, insbesondere zur Rücknahme von Leistungsentscheidungen, bleiben hiervon unberührt.

(2) Endet die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger, besteht Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Eine Versicherung nach § 10 hat Vorrang vor dem Leistungsanspruch nach Satz 1.

(3) Endet die Mitgliedschaft durch Tod, erhalten die nach § 10 versicherten Angehörigen Leistungen längstens für einen Monat nach dem Tode des Mitglieds.

(1) Wird ein Verwaltungsakt oder ein Widerspruchsbescheid, der bereits vollzogen ist, aufgehoben, so kann das Gericht aussprechen, daß und in welcher Weise die Vollziehung des Verwaltungsakts rückgängig zu machen ist. Dies ist nur zulässig, wenn die Verwaltungsstelle rechtlich dazu in der Lage und diese Frage ohne weiteres in jeder Beziehung spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Hält das Gericht die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsakts für begründet und diese Frage in jeder Beziehung für spruchreif, so ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen. Im Übrigen gilt Absatz 3 entsprechend.

(3) Hält das Gericht die Unterlassung eines Verwaltungsakts für rechtswidrig, so ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(4) Hält das Gericht eine Wahl im Sinne des § 57b oder eine Wahl zu den Selbstverwaltungsorganen der Kassenärztlichen Vereinigungen oder der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen ganz oder teilweise oder eine Ergänzung der Selbstverwaltungsorgane für ungültig, so spricht es dies im Urteil aus und bestimmt die Folgerungen, die sich aus der Ungültigkeit ergeben.

(5) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt auch bei Klagen auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsakts und bei Klagen nach § 54 Abs. 4; Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Krankenkassen sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung.

(2) Die Krankenversicherung ist in folgende Kassenarten gegliedert:

Allgemeine Ortskrankenkassen,
Betriebskrankenkassen,
Innungskrankenkassen,
Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als Träger der Krankenversicherung der Landwirte,
die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der Krankenversicherung (Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See),
Ersatzkassen.

(3) Im Interesse der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der gesetzlichen Krankenversicherung arbeiten die Krankenkassen und ihre Verbände sowohl innerhalb einer Kassenart als auch kassenartenübergreifend miteinander und mit allen anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens eng zusammen.

(4) Die Krankenkassen haben bei der Durchführung ihrer Aufgaben und in ihren Verwaltungsangelegenheiten sparsam und wirtschaftlich zu verfahren und dabei ihre Ausgaben so auszurichten, dass Beitragserhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten.

(5) Im Jahr 2023 dürfen sich die sächlichen Verwaltungsausgaben der einzelnen Krankenkasse nicht um mehr als 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr erhöhen. Die Begrenzung nach Satz 1 gilt nicht für sächliche Verwaltungsausgaben, die wegen der Durchführung der Sozialversicherungswahlen einschließlich der Teilnahme am Modellprojekt zur Durchführung von Online-Wahlen und der Kostenumlage für dieses Modellprojekt nach § 194a Absatz 3 entstehen, sowie für Aufwendungen für Datentransparenz nach den §§ 303a bis 303e.

(6) (weggefallen)

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:

1.
versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr,
2.
versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
Für Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind von der Versorgung nach § 31 folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verordnung in den genannten Anwendungsgebieten ausgeschlossen:
1.
Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel,
2.
Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen,
3.
Abführmittel,
4.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

(2) Abweichend von Absatz 1 haben Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung nach Satz 1 ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung nach Satz 1 möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 fest, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können.

(3) Der Ausschluss der Arzneimittel, die in Anlage 2 Nummer 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl. I S. 301), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4554) geändert worden ist, aufgeführt sind, gilt als Verordnungsausschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und ist Teil der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Die Rechtsverordnung kann auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Instandsetzung von Hörgeräten und ihre Versorgung mit Batterien bei Versicherten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für nicht durch Rechtsverordnung nach Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 unberührt.

(5) (weggefallen)

(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. Dezember 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die Anschaffung eines Therapiedreirades.

2

Die 1965 geborene Klägerin leidet ua an einer links- und beinbetonten Tetraspastik (Grad der Behinderung von 100 mit den Nachteilsausgleichen B, G und aG); sie ist mit einem Aktiv- und einem Elektrorollstuhl versorgt. Seit ihrem 16. Lebensjahr nutzt sie ergänzend zu Zwecken der Krankengymnastik ein - nunmehr funktionsuntauglich gewordenes - Behindertendreirad.

3

Im Februar 2007 beantragte die Klägerin unter Vorlage eines Kostenvoranschlages der Firma tri-mobil sowie ihr Begehren unterstützender ärztlicher Bescheinigungen die erneute Versorgung mit einem als Sonderanfertigung individuell an Gewicht, Größe und Art der Behinderung angepassten Behindertendreirad, weil der Erhalt ihrer Gehfähigkeit nur durch ein intensives Training sichergestellt werden könne. Das Dreirad reguliere den Muskeltonus, was Schmerzen reduziere und die Beweglichkeit erhalte. Würde sie statt des mobilen Trainings die Frequenz der wöchentlichen krankengymnastischen Behandlungen erhöhen, entstünden dadurch bereits innerhalb eines Jahres höhere Kosten als für die Ersatzbeschaffung des Hilfsmittels.

4

Die beklagte Krankenkasse lehnte den Antrag ab, da das Radfahren bei Erwachsenen nicht als Grundbedürfnis anzuerkennen sei. Für die Bewältigung von Strecken, die von Gesunden üblicherweise zu Fuß zurückgelegt würden, sei die Klägerin hinreichend in Form der vorhandenen Rollstühle versorgt (Bescheid vom 7.3.2007, Widerspruchsbescheid vom 30.10.2007). Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und - die Klägerin hatte zwischenzeitlich ein neues Dreirad zum Preis von 2300 Euro selbst angeschafft (Rechnung vom 9.11.2007) - die Beklagte zur Kostenübernahme in vorgenannter Höhe verurteilt (Urteil vom 11.11.2008). Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 17.12.2009). Auf die begehrte Versorgung habe die Klägerin zwar keinen Anspruch zum Zwecke des Behinderungsausgleichs, das Hilfsmittel sei aber zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung erforderlich. Vergleichbar effektive Trainingsmethoden stünden nicht zur Verfügung; insbesondere sei das Training mit dem Dreirad nicht mit einem Heimtrainer vergleichbar, da nur mit dem Dreirad koordinative Bewegungs- und Steuerungsabläufe von gleichzeitigem Treten und Lenken gefordert würden.

5

Die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten wird mit einer Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V) begründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Hilfsmittelversorgung sei schon deshalb nicht gegeben, weil dreirädrige Fahrräder von einer Vielzahl insbesondere älterer und/oder im Straßenverkehr unsicherer Personen genutzt würden und es sich deshalb um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele. Zudem sei das Dreirad nicht geeignet, einer drohenden Behinderung vorzubeugen, da der Verlust der Gehfähigkeit nicht konkret und unmittelbar drohe. Die allgemein krankheitsimmanente Möglichkeit der Verschlechterung des Gesundheitszustandes reiche für einen Versorgungsanspruch nicht aus. Der gesundheitsfördernde Nebeneffekt des vorwiegend als sportliche Freizeitbeschäftigung einzustufenden (Drei-)Radfahrens begründe keinen eigenständigen Leistungsanspruch nach § 33 Abs 1 SGB V, sondern sei dem Bereich der Eigenverantwortung der Versicherten zuzuordnen. Jedenfalls aber müsse die Klägerin einen Eigenanteil in Höhe der Kosten für ein handelsübliches Fahrrad selbst tragen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. Dezember 2009 sowie des Sozialgerichts Marburg vom 11. November 2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin verteidigt die angefochtenen Urteile und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der Klägerin steht grundsätzlich der geltend gemachte Erstattungsanspruch zu, weil sie einen Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit einem individuell angepassten Behindertendreirad hatte, denn es handelt sich um ein Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 SGB V, das seiner Art und Funktion nach zur Sicherung der Krankenbehandlung geeignet und notwendig ist. Die bisher vom LSG getroffenen Feststellungen reichen aber nicht aus, um abschließend über die Höhe des dem Grunde nach bestehenden Erstattungsanspruchs zu entscheiden.

9

1. Rechtsgrundlage des Kostenerstattungsanspruchs ist § 13 Abs 3 Satz 2 SGB V iVm § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX. Hiernach ist der Rehabilitationsträger zur Erstattung einer vom Leistungsberechtigten selbst beschafften erforderlichen Leistung ua dann verpflichtet, wenn er diese zu Unrecht abgelehnt hat und zwischen der rechtswidrigen Ablehnung und der Kostenlast des Versicherten ein Ursachenzusammenhang besteht (vgl zur Kausalität ausführlich: BSG SozR 4-2500 § 43 Nr 1 RdNr 16). Ausgangspunkt zur Beantwortung der Frage, ob die begehrte Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde, ist primär das für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltende Leistungsrecht (Helbig in Schlegel/Engelmann, juris-PK SGB V, 2008, § 13 RdNr 62); vorliegend sind dies die §§ 11 ff SGB V.

10

2. Die Beklagte hat die Versorgung der Klägerin mit dem streitgegenständlichen Dreirad iS von § 13 Abs 3 Satz 2 SGB V, § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX zu Unrecht abgelehnt. Die Sachleistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die Versorgung ihrer Versicherten mit Hilfsmitteln bestimmt sich nach § 33 SGB V - hier in der ab dem 1.4.2007 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I S 378), da der Ablehnungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2007 datiert, die Klägerin das Dreirad im November 2007 erworben und ihre Zahlungspflicht damit spätestens mit Erhalt der Rechnung vom 9.11.2007 bestanden hat. Auf den - vom LSG im Übrigen nicht festgestellten - Zeitpunkt der tatsächlichen Begleichung der Rechnung durch die Klägerin kommt es nicht an, da der Versicherte im Rahmen seines Erstattungsanspruches bereits Freistellung von seiner Zahlungspflicht verlangen kann (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 29 RdNr 14). Etwas anderes gilt auch nicht im Rahmen von § 31 SGB IX, denn wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, gibt der dortige Hilfsmittelbegriff ohnehin nur den Regelungsgehalt des § 33 SGB V wieder, wie er durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt worden ist(BSGE 91, 60 RdNr 13 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 14; BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 25 RdNr 26).

11

Versicherte haben nach § 33 Abs 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Anspruch auf Versorgung besteht nur, soweit das begehrte Hilfsmittel ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenversicherung gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen(vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 16). Nicht entscheidend für den Versorgungsanspruch ist, ob das begehrte Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) gelistet ist, denn es handelt sich bei diesem Verzeichnis nicht um eine abschließende Regelung iS einer Positivliste (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16, 20, 27; BSGE 99, 197 = SozR 4-2500 § 33 Nr 16, RdNr 20). Hiervon ausgehend durfte die Beklagte die Versorgung mit dem begehrten Therapiedreirad nicht ablehnen, weil es als Hilfsmittel zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung erforderlich ist (dazu unter 6.).

12

3. Allerdings hat die Beklagte die Versorgung nicht bereits deshalb zu Unrecht abgelehnt, weil es sich um eine sog "Ersatzbeschaffung" gehandelt hat. Denn auch bei vorangegangener Versorgung mit einem Hilfsmittel müssen bei einer erneuten Anschaffung sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 33 SGB V erfüllt sein(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 17 und Nr 24 RdNr 16; BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 19).

13

4. Ebenfalls zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, dass die Klägerin keinen Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit dem Ziel des Behinderungsausgleichs (§ 33 Abs 1 Satz 1, 3. Alt SGB V) gehabt hat. Denn Aufgabe der GKV bei der Hilfsmittelversorgung ist allein die an Gesundheit, Organfunktion und Behandlungserfolg orientierte medizinische Rehabilitation (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 2 RdNr 6). Darüber hinausgehende soziale oder berufliche Rehabilitationsleistungen könnten allenfalls von anderen Sozialleistungsträgern erbracht werden. Bei GKV-Hilfsmitteln, die - wie hier - nicht unmittelbar eine körperliche Funktion ersetzen, sondern lediglich die direkten oder indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen ("mittelbarer Behinderungsausgleich"), kann von medizinischer Rehabilitation aber nur dann die Rede sein, wenn der Zweck des Hilfsmitteleinsatzes der Befriedigung körperlicher Grundfunktionen und in diesem Sinne einem Grundbedürfnis dient (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 S 173 f; erstmals ausdrücklich: BSG SozR 2200 § 182b Nr 10 S 30). Dies ist der Fall, wenn das Hilfsmittel die Auswirkungen einer Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27 RdNr 14, stRspr; vgl zuletzt: BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 12 ff - Lichtsignalanlage). Der Gesetzgeber hat diese ständige Rechtsprechung des BSG zur Hilfsmittelversorgung durch die Regelung in § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ausdrücklich gesetzlich bestätigt.

14

a) Soweit die Klägerin das Dreirad für die Bewältigung von Strecken nutzt, die über den Nahbereich der Wohnung hinausgehen, ist das Hilfsmittel nicht "zum Behinderungsausgleich" erforderlich. Denn wegen der allein auf die medizinische Rehabilitation beschränkten Leistungspflicht der GKV ist diese im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs in Bezug auf Mobilitätshilfen nur verpflichtet, Versicherten die Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums zu ermöglichen (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12). Es sind deshalb nur solche Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die dem Grundbedürfnis dienen, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und diese zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 14 - Kraftknotensystem; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 25 RdNr 19 - Rollstuhl-Fahrrad-Kombination; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 26 RdNr 16 f - GPS-System). Soweit der Senat in Einzelfällen das Grundbedürfnis von Versicherten auf Mobilität auch für einen darüber hinausgehenden Radius anerkannt hat, handelte es sich um Einzelfälle, bei denen ein zusätzliches qualitatives Moment - etwa der Schulbesuch eines Schulpflichtigen - verlangt worden ist (vgl zusammenfassend: BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 2 RdNr 14 - Therapie-Tandem; zu den besonderen entwicklungsbedingten Grundbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen: BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 S 259 f - Kinder-Dreirad). Für ein solch besonderes und vom allgemeinen Grundbedürfnis nach körperlichem Freiraum losgelöstes Bedürfnis der Klägerin bestehen im vorliegenden Fall nach den Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte.

15

b) Soweit die Klägerin das Dreirad für kürzere, im Nahbereich ihrer Wohnung liegende Strecken nutzt, scheitert der Anspruch ebenfalls an der Erforderlichkeit der Versorgung, denn die Klägerin ist bereits mit hierfür geeigneten Hilfen in Form der beiden vorhandenen Rollstühle ausreichend versorgt. Gehbehinderte Menschen können sich den Nahbereich ihrer Wohnung in aller Regel mit den vorgenannten Mobilitätshilfen erschließen (BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 14). Ein Anspruch ergibt sich auch nicht daraus, dass es die Klägerin etwa wegen des Trainingseffekts vorzieht, abhängig von Witterungsverhältnissen und gesundheitlichem Befinden das Dreirad an Stelle der vorhandenen Rollstühle zu benutzen. Denn das (Drei-)Radfahren als spezielle Art der Fortbewegung mit den damit verbundenen Effekten hinsichtlich Geschwindigkeit und sportlicher Betätigung ist vom Senat nicht als Grundbedürfnis des täglichen Lebens anerkannt worden (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 12 RdNr 16 - Liegedreirad; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 2 RdNr 11 f - Therapie-Tandem).

16

5. Anders als vom LSG angenommen hat die Klägerin auch keinen Sachleistungsanspruch auf Versorgung zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung (§ 33 Abs 1 Satz 1, 2. Alt SGB V). Denn bei Zugrundelegung der mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin ohne den Einsatz des Dreirades nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit und im erforderlichen Ausmaß zu erwarten gewesen.

17

a) Menschen sind gemäß § 2 Abs 1 Satz 2 SGB IX von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung iS von Satz 1 der Vorschrift zu erwarten ist. Damit sind nicht nur erstmalige beeinträchtigende Regelabweichungen gemeint, sondern auch solche Fälle, in denen sich eine bereits bestehende Behinderung zu verschlimmern droht. Für den GKV-Versorgungsanspruch reicht es allerdings nicht aus, dass aus einer vorhandenen Krankheit irgendwann in der Zukunft möglicherweise eine Behinderung entsteht bzw sich verschlimmert (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 47 S 264). Eine Behinderung "droht" erst dann, wenn sie - in sachlicher Hinsicht - nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Götz in Kossens/von der Heide/Maaß SGB IX, 3. Aufl 2009, § 2 RdNr 10; Joussen in LPK-SGB IX, 3. Aufl 2011, § 2 RdNr 13). Erforderlich ist ferner, dass nicht irgendeine Form der Behinderung vorstellbar, sondern eine ganz konkrete Art der Behinderung zu erwarten ist, die bei einer bestimmten Erkrankung typischerweise als Folge eintreten kann (BSGE 103, 66 = SozR 4-2500 § 33 Nr 22, RdNr 25 - Hüftprotektoren). Zudem muss die Behinderung - in zeitlicher Hinsicht - mit Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft und in Form eines ansonsten nicht mehr behebbaren Dauerzustandes eintreten (BSG aaO).

18

b) Im Fall der Klägerin ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen, dass eine über die bestehende Funktionseinschränkung hinausgehende, nicht mehr behebbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei natürlichem Verlauf, in absehbarer Zeit und mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Die Feststellungen des LSG zum für die Zukunft prognostizierten Gesundheitszustand der Klägerin beziehen sich in erster Linie auf die erwarteten positiven, dh gesundheitsfördernden Wirkungen des Dreiradtrainings. Soweit das LSG darüber hinaus meint, die Sturz- und Stolpergefahr werde durch das mobile Training gemindert, genügt dieser Effekt zur Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "Vorbeugung einer drohenden Behinderung" nicht. Denn die mit einem Hilfsmittel bezweckte Sturzfolgenprophylaxe bzw Frakturprophylaxe allein ist nicht ausreichend, um den notwendigen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu begründen (BSGE 103, 66 = SozR 4-2500 § 33 Nr 22, RdNr 25 - Hüftprotektoren). Dies gilt ebenso für die psychisch wirkenden Nebenfolgen einer solchen Prophylaxe in Form verringerter Angst vor einem Sturz.

19

6. Die Beklagte hat die Versorgung aber deshalb zu Unrecht abgelehnt, weil das Therapiedreirad hier "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" dient (§ 33 Abs 1 Satz 1, 1. Alt SGB V) und ebenso wirksame, aber wirtschaftlich günstigere Alternativen nach den Feststellungen des LSG nicht zur Verfügung stehen, das Training mit dem Dreirad also ein im Rahmen der Krankenbehandlung erforderliches Hilfsmittel zur Mobilisation der Klägerin darstellt.

20

a) Grundsätzlich allerdings fallen Maßnahmen oder Hilfen zur Bewegungsförderung nur ausnahmsweise in die Leistungszuständigkeit der Krankenkassen. Jedenfalls zur Krankenbehandlung iS von §§ 27 Abs 1, 28 Abs 1 Satz 1 SGB V gehören regelmäßig nur Maßnahmen mit Behandlungs- und Therapiecharakter, die einen eindeutigen Krankheitsbezug aufweisen(BSGE 85, 132 , 138 = SozR 3-2500 § 27 Nr 12 S 65 - medizinische Fußpflege). Bloß allgemeine Maßnahmen der Erhaltung und Förderung der Gesundheit genügen diesen Anforderungen nach der Rechtsprechung des BSG demgegenüber nicht, selbst wenn sie von qualifizierten Fachkräften unter ärztlicher Betreuung und Überwachung (§ 44 Abs 1 Nr 3 SGB IX) durchgeführt werden (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 4 RdNr 23 - Krankentransport für Reha-Sport; BSG Urteil vom 22.4.2009 - B 3 KR 5/08 R - RdNr 23). Demgemäß fällt Sport - anders als Krankengymnastik oder physikalische Therapie -, der in allgemeiner Weise den körperlichen und psychischen Zustand positiv beeinflussen soll und bei dem der medizinische Zweck nicht überwiegt, nicht unter den krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsbegriff (vgl BSG aaO RdNr 21 mwN). Unabhängig von der Art der Behinderung weisen behinderte oder chronisch kranke Menschen eine ausgeprägte körperliche Inaktivität mit einer Vielzahl negativer Folgen auf, die mit dem Behindertensport angegangen werden sollen (vgl Schmid/Huber/Marschner/Zimmer, Medizinische Aspekte im Behindertensport, DÄBl 2004, A-2177). Dementsprechend dient ärztlich verordneter Behindertensport in Gruppen nach der Rechtsprechung des BSG nicht unmittelbar der Therapie einer Krankheit, sondern soll wesentlich dazu beitragen, die körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern, Restfunktionen zu mobilisieren, die Ausdauer und Belastungsfähigkeit zu erhöhen und den Betroffenen bei der psychischen Bewältigung ihrer Krankheit und Behinderung sowie den Folgewirkungen zu helfen (so Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe, BT-Drucks 15/4575 S 59 unter 3.27).

21

b) Gleichwohl können bewegliche sächliche Mittel zur Förderung oder Ermöglichung der Mobilisation - wie hier das Therapiedreirad - in besonders gelagerten Fällen Hilfsmittel "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" iS von § 33 Abs 1 Satz 1, 1. Alt SGB V sein. Der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung dient ein bewegliches sächliches Mittel nach der Rechtsprechung des BSG, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen (BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 11; BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 11; Butzer in Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl 2010, § 33 RdNr 12). Eine unmittelbare Bedienung des Hilfsmittels durch den Arzt selbst ist dabei nicht zwingend erforderlich, so dass ein Hilfsmittel nicht schon deshalb nach § 33 Abs 1 SGB V ausgeschlossen ist, weil die praktische Anwendung durch den Versicherten selbst erfolgt(BSGE 87, 105, 109 = SozR 3-2500 § 139 Nr 1 S 5 - Magnetfeldtherapiegerät; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 39 S 220 - Therapie-Dreirad). Jedoch ist nicht jedwede gesundheitsfördernde Betätigung als "spezifischer Einsatz im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung“ anzusehen. Keinen ausreichend engen Bezug zu einer konkreten Krankenbehandlung weisen nach den dargelegten Maßstäben demgemäß diejenigen gesundheitsförderlichen Maßnahmen auf, die (nur) allgemein auf die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, die Mobilisierung von Restfunktionen des behinderten Menschen, die Erhöhung der Ausdauer und Belastungsfähigkeit sowie die Hilfe bei der Krankheitsbewältigung zielen. Andernfalls bedürfte es nicht der besonderen Leistungstatbestände ua der §§ 20 ff SGB V sowie des § 44 Abs 1 Nr 3 und 4 SGB IX, mit denen die Leistungspflicht der GKV unter den dort jeweils aufgeführten Voraussetzungen über die gezielte Krankheitsbekämpfung als deren Kernaufgabe hinaus(BSGE 81, 240, 243 = SozR 3-2500 § 27 Nr 9 - Diät- oder Krankenkost)auf Aufgaben im Rahmen der gesundheitlichen Prävention und Rehabilitation ausgedehnt worden ist (vgl dazu Schütze in Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB V Stand: 21.1.2008, § 20 SGB V RdNr 9 und § 23 SGB V RdNr 12 f). Ein weitergehender spezifischer Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung iS von § 27 Abs 1 SGB V kommt daher nur solchen Maßnahmen zur körperlichen Mobilisation zu, die in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer stehen und für die gezielte Versorgung iS der Behandlungsziele des § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V als erforderlich anzusehen sind. Davon ist bei einer Hilfe zur körperlichen Betätigung - wie hier mit dem Therapiedreirad - dann auszugehen, wenn der Versicherte aufgrund der Schwere der Erkrankung dauerhaft Anspruch auf Maßnahmen der Physikalischen Therapie hat, die durch das beanspruchte Hilfsmittel unterstützte eigene körperliche Betätigung diese Therapie entweder wesentlich fördert oder die Behandlungsfrequenz infolge der eigenen Betätigung geringer ausfallen kann und sich deshalb die Versorgung mit dem Hilfsmittel im Rahmen der Wahlmöglichkeit des Versicherten (vgl § 33 SGB I und § 9 Abs 1 SGB IX) als wirtschaftlich darstellt.

22

c) So liegt es nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen und den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hier. Danach ist der Einsatz des Therapiedreirades Teil des ärztlich verantworteten komplexen therapeutischen krankheitsbezogenen Vorgehens, in dem das Hilfsmittel neben weiteren therapeutischen Maßnahmen wie insbesondere einer regelmäßigen Krankengymnastik zum Zwecke der Mobilisation und Verbesserung des Gangbildes, zur Minderung von Spastiken sowie zur Förderung des ansonsten gefährdeten Erhalts der Gehfähigkeit eingesetzt wird und dies von den behandelnden Ärzten bei der Planung von Intensität und Häufigkeit der Krankengymnastik als weiteres Therapieelement berücksichtigt wird.

23

d) Diese Versorgung ist zum Zwecke der Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung auch erforderlich iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V, denn ebenso wirksame, aber wirtschaftlich günstigere Alternativen als das Training mit dem Dreirad stehen nach den Feststellungen des LSG nicht zur Verfügung. Insbesondere ist die Klägerin nicht auf das Training mit einem - üblicherweise preisgünstigeren - sog "Heimtrainer" zu verweisen, denn das Training mit dem Therapiedreirad unterstützt und fördert den Gleichgewichtssinn der Klägerin insbesondere durch die Notwendigkeit zur Koordination von gleichzeitigem Treten und Lenken in einer Weise, wie es durch einen statischen Heimtrainer nicht erreicht werden kann. Sollte - wovon nach den Feststellungen des LSG aber nicht auszugehen ist - das Training mit dem Dreirad durch eine höher frequentierte Krankengymnastik ersetzt werden können, stünde dies der Erforderlichkeit der Versorgung mit dem Therapiedreirad ebenfalls nicht entgegen. Denn angesichts der für das Dreirad lediglich einmaligen Anschaffungskosten und voraussichtlicher Nutzbarkeit von vielen Jahren ist davon auszugehen, dass eine dann zumindest notwendige weitere wöchentliche Krankengymnastikstunde wirtschaftlich ungünstiger wäre als die Anschaffung des Hilfsmittels. Selbst wenn die Kosten - wofür wenig spricht - in der Summierung über Jahre gleich hoch wären, hätte dem Wunsch der Klägerin wegen des ihr nach § 33 SGB I und § 9 Abs 1 SGB IX eröffneten Wahlrechts bei gleichermaßen geeigneten und wirtschaftlichen Alternativen entsprochen werden müssen. Ein genereller Vorrang krankengymnastischer Leistungen als Heilmittel (§ 32 SGB V) gegenüber der Versorgung mit Hilfsmitteln zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung besteht nicht (vgl zum Verhältnis eines PC-gestützten Hirnleistungstrainings und zum Training mit einem Ergotherapeuten BSGE 88, 204 = SozR 3-2500 § 33 Nr 41).

24

e) Dem Versorgungsanspruch steht schließlich ebenfalls nicht entgegen, dass das Therapiedreirad der Klägerin nicht im Wege einer formellen vertragsärztlichen Verordnung iS von § 73 Abs 2 Nr 7 SGB V verordnet wurde. Denn der Sachleistungsanspruch gegenüber der GKV nach § 33 Abs 1 SGB V setzt nicht zwingend eine vertragsärztliche Verordnung des Hilfsmittels voraus(stRspr; vgl nur BSGE 88, 204, 206 = SozR 3-2500 § 33 Nr 41 S 229 mwN).

25

7. Das individuell an die körperlichen Bedürfnisse der Klägerin angepasste Therapiedreirad ist auch nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (§ 33 Abs 1 Satz 1, letzter Halbs SGB V) von der Sachleistungspflicht der GKV ausgenommen. Die Einordnung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens hängt davon ab, ob ein Gegenstand bereits seiner Konzeption nach den Zwecken des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V dienen soll oder - falls dies nicht so ist - den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen jedenfalls besonders entgegenkommt und von körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird(vgl zuletzt: BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 16 mwN). Fährräder in Form eines üblichen Zweirades sind zweifelsohne allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Zudem hat der Senat bereits entschieden, dass serienmäßig hergestellte Liegedreiräder - die auch von gesunden Menschen genutzt werden - als derartige allgemeine Gebrauchsgegenstände anzusehen sind (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 12 RdNr 17). Mit den vorgenannten Fortbewegungsmitteln ist das von der Klägerin beantragte Therapiedreirad indes nicht vergleichbar. Denn das Dreirad der Klägerin ist - worauf sie schon in ihrem Antrag Anfang 2007 hingewiesen hat - eine individuell angefertigte Konstruktion, bei der an die vordere Hälfte eines handelsüblichen 24-Gang-Damen-Rades statt des Hinterrades eine sonderangefertigte Dreiradachse mit zwei Reifen und weiterem Zubehör (Gepäckträger, Bremse, Gangschaltung) eingebaut wurde. Derartig sonderangefertigte Dreiräder werden von gesunden Menschen üblicherweise nicht genutzt (vgl allg zu Spezialanfertigungen: BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32 S 189 f - Therapie-Tandem).

26

8. Ob die Klägerin der Höhe nach einen Erstattungsanspruch in dem vom LSG tenorierten Umfang hat, lässt sich nach seinen bisherigen Feststellungen allerdings nicht abschließend beurteilen.

27

a) Zum einen fehlen Feststellungen dazu, ob ein vergleichbares Dreirad auch kostengünstiger hätte angeschafft werden können. Die Sachleistungspflicht nach § 33 Abs 1 SGB V beschränkt sich auf die kostengünstigste Hilfsmittelversorgung, es besteht also kein Anspruch auf Optimalversorgung, sondern nur auf ausreichende, wirtschaftliche und zweckmäßige Hilfsmittel(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 19 RdNr 21). Wählt der Versicherte etwa aus Komfortgründen ein teureres Hilfsmittel, hat er die Mehrkosten im Vergleich zu dem kostengünstigeren, funktionell ebenfalls geeigneten Hilfsmittel selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 Satz 5 SGB V; § 31 Abs 3 SGB IX). Dies gilt grundsätzlich auch für die Höhe des Erstattungsanspruchs, denn hier erfolgt eine Erstattung ebenfalls nur für "notwendige" (§ 13 Abs 3 Satz 1 SGB V) bzw "erforderliche" (§ 15 Abs 1 Satz 3 SGB IX) Leistungen. Der Versicherte soll wirtschaftlich nur so gestellt werden, als hätte die Krankenkasse die Sachleistung rechtzeitig zur Verfügung gestellt (Helbig in juris-PK - SGB V aaO, § 13 RdNr 59). Daraus folgt zum einen, dass der Erstattungsanspruch der Höhe nach nicht auf diejenigen Kosten begrenzt ist, die der Krankenkasse bei rechtzeitiger Leistung entstanden wären (Kingreen in Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl 2010, § 13 RdNr 29). Zum anderen können der Krankenkasse im Fall der Erstattung wegen zu Unrecht abgelehnter Leistungen auch dann wirtschaftlich höhere Kosten als bei einer Sachleistung entstehen, wenn sie es wegen der Verlagerung des Verschaffungsrisikos auf den Versicherten hinzunehmen hat, dass dieser seinen Bedarf mit zwar der Sache nach erforderlichen, aber - für ihn nicht offensichtlich - kostenmäßig unwirtschaftlichen Mitteln deckt. Der Versicherte muss lediglich die ihm offensichtlichen und zumutbaren Möglichkeiten der Schadensminderung oder -begrenzung nutzen (BSGE 73, 271, 289 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4 S 28 f). Das LSG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob und zu welchem Preis Alternativen zu dem von der Klägerin angeschafften Hilfsmittel auf dem Markt angeboten wurden, obwohl dies der Klägerin vor dem Kauf angesichts des nicht unerheblichen Anschaffungspreises von 2300 Euro im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht zumutbar gewesen wäre. Sollten die nachzuholenden Feststellungen ergeben, dass die Kosten für das von der Klägerin angeschaffte Rad wegen offensichtlich günstigerer Vergleichsangebote unwirtschaftlich waren, reduziert sich ihr Erstattungsanspruch um diesen Differenzbetrag.

28

b) Zum anderen besteht Unklarheit darüber, ob die Kosten in Höhe von 2300 Euro allein für die sonderangefertigte Hinterradachse oder für das komplette Therapiedreirad aufgewendet wurden, da in dem von der Klägerin eingeholten Angebot des Herstellers vom 30.8.2006 lediglich von einer "Dreiradachse zum Einschrauben" die Rede ist. Sollten die Feststellungen des LSG ergeben, dass es sich bei den Kosten in Höhe von 2300 Euro um den Komplettpreis für das Therapiedreirad gehandelt hat, reduziert sich der Erstattungsanspruch der Klägerin um die durchschnittlichen Anschaffungskosten für ein handelsübliches Zweirad. Denn das Dreirad ersetzt ein von Gesunden als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens benutztes handelsübliches Zweirad. Bei Hilfsmitteln, die neben ihrer Zweckbestimmung iS von § 33 Abs 1 SGB V einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ersetzen, haben die Versicherten einen Eigenanteil für ersparte Aufwendungen in Höhe des wirtschaftlichen Wertes des ersetzten Gebrauchsgegenstandes selbst zu tragen(BSGE 77, 209, 215 = SozR 3-2500 § 33 Nr 19 S 102 - Telefaxgerät; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 25 S 146 - Tandem-Therapiefahrrad). Wirtschaftlicher Maßstab hierfür sind im Fall der Klägerin die durchschnittlichen Anschaffungskosten für ein handelsübliches Markenfahrrad für Damen mit zwei Rädern (vgl allg: BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 S 160 - Rollstuhl-Bike); diesen Durchschnittspreis wird das LSG zu ermitteln haben. Nicht abzustellen ist indes auf die Anschaffungskosten eines mittlerweile als Serienprodukt angebotenen und vielfach als "Seniorenfahrrad" bezeichneten Dreirads. Denn auch solche Räder werden in der Regel nur von Personen benutzt, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen - seien sie krankheits- oder altersbedingt - sich nicht mehr in der Lage sehen, ein Rad mit lediglich zwei Rädern sicher zu führen (vgl etwa Produktbeschreibung bei http://www.seniorenfahrrad.com oder http://www.dreirad.org/seniorendreirad.html - jeweils recherchiert am 27.9.2010). Denn Maßstab für die Frage, welche Anschaffung der Versicherte sich durch die Versorgung mit dem Hilfsmittel erspart, ist dasjenige Produkt, welches gesundheitlich nicht eingeschränkte Personen üblicherweise benutzen.

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9. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Das umfasst auch die Förderung der gesundheitlichen Eigenkompetenz und Eigenverantwortung der Versicherten. Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewußte Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden. Die Krankenkassen haben den Versicherten dabei durch Aufklärung, Beratung und Leistungen zu helfen und unter Berücksichtigung von geschlechts-, alters- und behinderungsspezifischen Besonderheiten auf gesunde Lebensverhältnisse hinzuwirken.

(1) Träger der Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können sein:

1.
die gesetzlichen Krankenkassen für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3,
2.
die Bundesagentur für Arbeit für Leistungen nach § 5 Nummer 2 und 3,
3.
die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 3 und 5; für Versicherte nach § 2 Absatz 1 Nummer 8 des Siebten Buches die für diese zuständigen Unfallversicherungsträger für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 5,
4.
die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 3, der Träger der Alterssicherung der Landwirte für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3,
5.
die Träger der Kriegsopferversorgung und die Träger der Kriegsopferfürsorge im Rahmen des Rechts der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 5,
6.
die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für Leistungen nach § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5 sowie
7.
die Träger der Eingliederungshilfe für Leistungen nach § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5.

(2) Die Rehabilitationsträger nehmen ihre Aufgaben selbständig und eigenverantwortlich wahr.

(3) Die Bundesagentur für Arbeit ist auch Rehabilitationsträger für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Behinderungen im Sinne des Zweiten Buches, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist. Die Zuständigkeit der Jobcenter nach § 6d des Zweiten Buches für die Leistungen zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nach § 16 Absatz 1 des Zweiten Buches bleibt unberührt. Die Bundesagentur für Arbeit stellt den Rehabilitationsbedarf fest. Sie beteiligt das zuständige Jobcenter nach § 19 Absatz 1 Satz 2 und berät das Jobcenter zu den von ihm zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 16 Absatz 1 Satz 3 des Zweiten Buches. Das Jobcenter entscheidet über diese Leistungen innerhalb der in Kapitel 4 genannten Fristen.

Zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden erbracht:

1.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
2.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
3.
unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen,
4.
Leistungen zur Teilhabe an Bildung und
5.
Leistungen zur sozialen Teilhabe.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. März 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Versorgung mit einer elektrisch betriebenen mobilen Treppensteighilfe, um mit Hilfe ihrer Tochter im Rollstuhl sitzend Treppen überwinden zu können.

2

Die 1952 geborene Klägerin leidet an Multipler Sklerose mit beinbetonter Tetraparese und ist deswegen auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie ist schwerpflegebedürftig und bezieht von der Pflegekasse seit November 2005 Leistungen nach der Pflegestufe II. Von der Beklagten ist sie sowohl mit einem - manuell zu bewegenden - mechanischen Rollstuhl als auch mit einem Elektrorollstuhl versorgt worden. Am 5.5.2006 beantragte sie unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung die Ausstattung mit einer elektrisch betriebenen Treppensteighilfe (Treppenfahrgerät) des Typs Scalamobil (Hilfsmittelverzeichnis - HMV - Nr 18.65.01.1000) als Hilfsmittel der GKV, weil sie seit Ende 2005 auch mit Hilfe einer Begleitperson nicht mehr selbst Treppen steigen könne. Dabei handelt es sich um ein mobiles Treppensteiggerät für manuell betätigte Rollstühle. Seiner Konstruktion nach kann es von einer Begleitperson allein bedient werden, sofern diese in der Lage ist, rückwärts Treppen zu steigen, mindestens 10 kg zu heben und selbst nicht auf Gehhilfen angewiesen ist. An dem Rollstuhl wird dauerhaft eine spezielle Halterung angebracht, an der das Scalamobil jeweils mit wenigen Handgriffen befestigt wird. Dabei müssen die großen Hinterräder des Rollstuhls entfernt werden. Nach dem Einsatz werden die Hinterräder wieder anmontiert und das Scalamobil von der Halterung abgenommen. Der Vorteil für den Rollstuhlfahrer besteht darin, dass er vor und nach dem Treppensteigen nicht umsitzen muss. Außerhalb der Wohnung muss das Scalamobil jeweils bis zu seinem Einsatzort vom Rollstuhl getrennt mitgeführt werden; dies geschieht regelmäßig durch Mitnahme in dem Fahrzeug, mit dem die Begleitperson auch den Versicherten und dessen Rollstuhl transportiert.

3

Zur Begründung ihres Antrages machte die Klägerin geltend, die Wohnungen mehrerer ihrer Freunde und Verwandten, die sie regelmäßig besuche, seien nur über Treppen erreichbar. Gleiches gelte für die Praxen ihres Frauenarztes und ihres Zahnarztes, die sie jeweils ein- oder zweimal jährlich aufsuche. Auch zum wöchentlichen Kirchgang müsse eine Treppe bewältigt werden. Ebenso seien Treppenstufen zu überwinden, wenn sie in den Garten ihres Hauses oder in den Keller wolle, in dem neben eigenen Räumen auch eine Kellerwohnung liege, die sie vermietet habe und ab und zu aufsuchen müsse. Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag ab, weil die Klägerin mit den Rollstühlen ausreichend versorgt sei. Sie könne damit ihre ebenerdig gelegene Wohnung uneingeschränkt nutzen sowie den Nahbereich um das Grundstück erschließen. Damit sei das Grundbedürfnis auf Mobilität ausreichend erfüllt. Für die soziale Eingliederung eines Versicherten in sein gesellschaftliches Umfeld seien die Krankenkassen nicht zuständig (Bescheid vom 18.5.2006, Widerspruchsbescheid vom 24.1.2007).

4

Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kosten für die Beschaffung eines Scalamobil Treppensteiggerätes zu übernehmen (Urteil vom 31.10.2007). Das LSG hat diese Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 3.3.2009): Das Scalamobil sei zur Gewährleistung des allgemeinen Grundbedürfnisses der Bewegungsfreiheit nicht erforderlich. Mit den Rollstühlen sei die Klägerin ausreichend versorgt. Für die maximal viermal im Jahr anfallenden Besuche beim Frauenarzt und Zahnarzt könne der Fahrdienst in Anspruch genommen werden, der angesichts des Kaufpreises für ein Scalamobil (Typ S 30 IQ) von ca 5400 Euro (im gebrauchten Zustand ca 3600 Euro) auch deutlich preisgünstiger sei, weil jährlich nur ca 100 Euro anfielen. Das Aufsuchen des Kellers und des Gartens gehöre nicht zu den elementaren Bedürfnissen des täglichen Lebens. Auch für das Überwinden von Treppen, um Freunde und Verwandte in deren Wohnungen sowie den Gottesdienst zu besuchen, seien die Krankenkassen nicht zuständig, weil es dabei um die soziale und nicht um die medizinische Rehabilitation eines behinderten Menschen gehe.

5

Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin, die mit der Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V) begründet wird. Zur Erschließung eines körperlichen Freiraums im Nahbereich einer Wohnung gehöre auch die Möglichkeit, dort nur über Treppen zu erreichende Orte aufzusuchen, wie es bei den Wohnungen, den Arztpraxen und der Kirche der Fall sei. Die Integration gehbehinderter Versicherter in Familie und Gesellschaft sowie die Pflege sozialer Kontakte außerhalb der eigenen Wohnung stellten elementare Bedürfnisse des täglichen Lebens dar. Das Scalamobil sei ein "Zubehör" zur Modernisierung herkömmlicher mechanischer Rollstühle und entspreche damit dem von der GKV geschuldeten technischen Fortschritt bei Hilfsmitteln. Bei leihweiser Überlassung des Scalamobils seien die Kosten auch deutlich niedriger als vom LSG veranschlagt.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. März 2009 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 31. Oktober 2007 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach §§ 165, 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Versorgung mit einer mobilen Treppensteighilfe besteht. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 18.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.1.2007 ist rechtmäßig.

10

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

11

a) In erster und zweiter Instanz stritten die Beteiligten nur um die Versorgung mit einer "Scalamobil Treppensteighilfe"; ein spezielles Fabrikat war weder in den Klageanträgen der Klägerin noch im zusprechenden Urteil des SG genannt. Dies ist prozessual unschädlich, weil die Beteiligten nur um den Versorgungsanspruch nach § 33 SGB V dem Grunde nach, nicht aber um ein ganz bestimmtes Fabrikat streiten und zu erwarten ist, dass bei einer rechtskräftigen Verurteilung der Beklagten zur Ausstattung der Klägerin mit einer mobilen Scalamobil Treppensteighilfe kein zusätzlicher Streit über das Fabrikat entstehen würde. In der ärztlichen Verordnung vom 5.5.2006 war allerdings noch ein spezielles Fabrikat genannt, nämlich das im HMV unter Nr 18.65.01.1000 aufgeführte Scalamobil S 28, das aber mittlerweile nicht mehr lieferbar ist (vgl zB die Übersicht bei der Rehadat Datenbank Hilfsmittel, Stand 28.7.2010). Lieferbar sind derzeit Scalamobile der Fabrikate S 30 IQ (HMV Nr 18.65.01.1008) und S 31 (HMV Nr 18.65.01.1009). Die Verordnung ist bei sach- und interessengerechter Auslegung jedoch nicht so zu verstehen, das diese Fabrikate ausgeschlossen sein sollten; vielmehr soll ein Scalamobil in geeigneter Ausführung geliefert werden. Der Klageantrag ist damit hinreichend spezifiziert. Es fehlt auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis, wie es bei der Alternativen ausschließenden Beantragung der Versorgung mit einem ganz bestimmten Fabrikat eines Hilfsmittels der Fall wäre, das im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr lieferbar und auch nicht im Fundus vorrätig ist.

12

b) Unerheblich ist im vorliegenden Zusammenhang, dass die Bezeichnung "Scalamobil" nur einen Markenname der Fa. A. GmbH darstellt. Möglicherweise sind am Markt auch elektrisch betriebene Treppensteighilfen anderer Hersteller verfügbar. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin ebenso geeignete Treppensteighilfen anderer Hersteller ausschließen will und diese nicht wenigstens hilfsweise von ihrem Klagebegehren umfasst werden. Da es hier aber schon an einem Versorgungsanspruch dem Grunde nach fehlt, brauchte nicht ermittelt zu werden, ob eine Scalamobil Treppensteighilfe dem Gebot der Wirtschaftlichkeit der Hilfsmittelversorgung (§ 12 Abs 1, § 70 Abs 1 SGB V) entspricht oder ob es eine preisgünstigere, ebenso geeignete Treppensteighilfe anderer Hersteller gibt.

13

2. Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung geltenden Fassung des Art 1 Nr 17 Buchst a "Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz" vom 26.3.2007, BGBl I 378), der inhaltlich der bei Antragstellung gültigen Fassung des Art 5 Nr 9 des Gesetzes vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) entspricht. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Der Anspruch umfasst nach § 33 Abs 1 Satz 4 SGB V auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen(vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 16). Die Voraussetzungen des Versorgungsanspruchs nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sind hier nicht erfüllt. Der mit der Bereitstellung der mobilen Treppensteighilfe bezweckte zusätzliche Behinderungsausgleich betrifft nicht die - von der GKV allein geschuldete - medizinische Rehabilitation der Klägerin, sondern deren soziale bzw gesellschaftliche Integration und Rehabilitation, die in den Zuständigkeitsbereich anderer Sozialleistungsträger fällt, wobei vor allem die Sozialhilfe zu nennen ist.

14

3. Der Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V besteht nicht allein deshalb, weil die begehrte Treppensteighilfe vertragsärztlich verordnet(§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V) worden und im HMV (§ 139 SGB V) verzeichnet ist. Den Krankenkassen steht ein eigenes Entscheidungsrecht zu, ob ein Hilfsmittel nach Maßgabe des § 33 SGB V zur medizinischen Rehabilitation, also zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, zur Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung oder zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung, im Einzelfall erforderlich ist; dabei können die Krankenkassen zur Klärung medizinisch-therapeutischer Fragen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einschalten (vgl § 275 Abs 3 Nr 1 SGB V). Eine vertragsärztliche Verordnung wäre nur dann für die Krankenkassen verbindlich, soweit sie für bestimmte Hilfsmittel auf ein Prüfungs- und Genehmigungsrecht generell verzichtet haben, was zB durch diverse vertragliche Vereinbarungen mit Leistungserbringern bzw deren Verbänden möglich ist (§ 127 SGB V). Eine solche Vereinbarung ist für Treppensteighilfen nicht geschlossen worden.

15

4. Die Treppensteighilfe ist auch nicht schon deshalb zu gewähren, weil die Klägerin wegen ihrer Gehunfähigkeit mit zwei Rollstühlen versorgt worden ist und das Gerät die ausschließliche Funktion hat, einen gehunfähigen Versicherten im Rollstuhl sitzend und ohne Notwendigkeit des Umsitzens (aber nicht aus eigener Kraft, sondern nur mit Hilfe einer Begleitperson, die das Gerät bedient) Treppen überwinden zu lassen und so Orte erreichen zu können, die ihnen sonst verwehrt bleiben oder die nur auf andere, beschwerlichere Weise erreicht werden könnten. Obwohl eine Treppensteighilfe also nur in Kombination mit einem Rollstuhl eine Funktion hat und insofern als "Zusatzgerät" zum Rollstuhl bezeichnet werden kann, folgt aus der medizinischen Notwendigkeit des Rollstuhls noch nicht die Notwendigkeit der Treppensteighilfe. Dieses Gerät hat im Rahmen des - hier allein in Betracht kommenden - Behinderungsausgleichs (3. Variante des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) für einen gehunfähigen Versicherten eine eigenständige Bedeutung, weil es die Bewegungsmöglichkeiten mit dem Rollstuhl erweitert, indem Treppen kein unüberwindliches Hindernis mehr darstellen, um bestimmte Orte aufzusuchen. Eine Treppensteighilfe hat also von ihrer Konstruktion und ihrem Verwendungszweck her einen eigenständigen Nutzen für den Versicherten und seine Begleitperson. Dieser Gebrauchsvorteil muss den Kriterien der Versorgung mit einem "anderen Hilfsmittel" iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V zum Zwecke des Behinderungsausgleichs genügen und verlangt somit eine gesonderte, von der Notwendigkeit der Versorgung mit einem Rollstuhl unabhängige Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen.

16

5. Der Behinderungsausgleich nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V(vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) hat zweierlei Zielrichtung:

17

a) Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, wie es zB insbesondere bei Prothesen der Fall ist. Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-leg-Prothese). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen.

18

b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (vgl zB § 5 Nr 2 SGB IX: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und § 5 Nr 4 SGB IX: Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 13; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

19

c) Im vorliegenden Fall geht es - wie bei der Ausstattung mit einem Rollstuhl - nicht um den unmittelbaren, sondern nur um einen mittelbaren Behinderungsausgleich, weil durch das Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht wird (wie zB bei einer Beinprothese). Ausgeglichen werden lediglich die Folgen der Funktionsbeeinträchtigung der Beine, hier in Form der Unfähigkeit, selbst und aus eigener Kraft - oder auch nur mit stützender Hilfe einer Begleitperson - eine Treppe hinauf- und herabzusteigen. Das dabei betroffene allgemeine Grundbedürfnis des täglichen Lebens ist aber nicht das selbstständige Wohnen, weil dies zum einen nur auf die Möglichkeit ausgerichtet ist, trotz der Behinderung dauerhaft in einer eigenen Wohnung zu leben, und zum anderen vor allem auf Hilfsmittel abzielt, die vom Behinderten selbst bedient werden und ihn von fremder Hilfe ganz oder teilweise unabhängig machen. Dies ist hier gerade nicht der Fall, weil die Treppensteighilfe nur durch die Begleitperson zu bedienen ist, der gehunfähige Versicherte also selbst dann auf Hilfe angewiesen bleibt, wenn er sich mit seinem Rollstuhl ansonsten aus eigener Kraft fortbewegen kann.

20

Betroffen ist vielmehr das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums in Form der Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich. Diese Bewegungsmöglichkeit wird zwar grundsätzlich durch Rollstühle gewährleistet, stößt aber dort an ihre Grenzen, wo Treppen, also mehr als nur einzelne Stufen (zB bei einer Bordsteinkante) zu bewältigen sind. Hier kann eine Treppensteighilfe vom Grundsatz her eine geeignete Hilfe sein, die ansonsten eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit eines Rollstuhlfahrers - wenn auch nur mit fremder Unterstützung - zu erweitern. Dabei muss aber der Zweck, eine bestimmte Treppe im Rollstuhl sitzend zu überwinden und so an einen ansonsten nicht oder nur unter besonderen Schwierigkeiten zu erreichenden Ort zu kommen, vom Maßstab der medizinischen Rehabilitation gedeckt sein, weil die GKV nur für diesen Bereich der Hilfsmittelversorgung zuständig ist (§ 5 Nr 1 SGB IX). Die Leistungspflicht der GKV entfällt, wenn zB die berufliche oder die soziale Rehabilitation bezweckt wird (§ 5 Nr 2 und 4 SGB IX).

21

d) Ein über die Befriedigung von allgemeinen Grundbedürfnissen hinausgehender Behinderungsausgleich ist als Leistung der GKV nicht vorgesehen, was sich aus der Regelung des § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ergibt, die der Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Hilfsmittelversorgung mit Wirkung zum 1.7.2001 in Kraft gesetzt hat. Damit wird der Hilfsmittelbegriff für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs 1, § 5 Nr 1 SGB IX) einheitlich definiert. Selbst wenn der Vorrang abweichender Regelungen für den einzelnen Rehabilitationsträger weiterhin besteht (§ 7 SGB IX), kann aus der insoweit unberührt gebliebenen Fassung des § 33 SGB V nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe nunmehr den Behinderungsausgleich durch die GKV über die bisherige Rechtsprechung hinaus ausweiten wollen(BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 16).

22

Nach diesen Maßstäben besteht kein Anspruch der Klägerin nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V, auf Kosten der Beklagten mit einer Treppensteighilfe versorgt zu werden, und zwar unabhängig davon, ob es um die Übereignung oder die leihweise Überlassung des Geräts geht und auch unabhängig davon, ob das Gerät fabrikneu oder schon gebraucht ist. Der Versorgungsanspruch besteht bereits vom Grundsatz her nicht.

23

6. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die Überwindung der Kellertreppe im Hause sowie der zum Garten führenden Treppe durch Ausstattung mit einer Treppensteighilfe zu ermöglichen. Die Krankenkassen sind nicht für solche Hilfsmittel eintrittspflichtig, die ein dauerhaft behinderter Versicherter allein wegen seiner individuellen Wohnsituation benötigt.

24

a) Bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV kommt es nicht auf die konkreten Wohnverhältnisse des einzelnen Versicherten an, sondern auf einen generellen, an durchschnittlichen Wohn- und Lebensverhältnissen orientierten Maßstab. Besonderheiten der Wohnung und des Umfeldes, die anderswo - etwa nach einem Umzug - regelmäßig so nicht vorhanden sind und einem allgemeinen Wohnstandard nicht entsprechen, sind bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV nicht zu berücksichtigen. Der Versicherte muss das Hilfsmittel also nicht nur gerade wegen der Besonderheiten seiner konkreten Wohnverhältnisse, sondern in gleicher Weise auch in einer anderen Wohnung und deren Umfeld benötigen. Mit anderen Worten: Ein anderer Versicherter mit den gleichen körperlichen Behinderungen müsste auf das Hilfsmittel in dessen Wohn- und Lebenssituation ebenfalls angewiesen sein. Fehlt es daran, ist ein Anspruch nach § 33 SGB V in der Regel ausgeschlossen. Es kann sich dann nur um eine Form der Hilfe zur Anpassung an die konkrete Wohnsituation handeln, für die nicht die Krankenkassen, sondern der Versicherte selbst - im Rahmen seiner Eigenverantwortung - oder andere Sozialleistungsträger (zB Pflegekassen, Sozialhilfeträger, Unfallversicherungsträger) zuständig sein können.

25

b) In diesem vorstehenden Sinne ist die Zuständigkeit für den Ausgleich von Behinderungsfolgen im Bereich der Mobilität vom Gesetzgeber nach dem geltenden Recht grundsätzlich anderen Zweigen der Sozialversicherung oder der Eigenverantwortung der behinderten Menschen selbst zugewiesen. Nachdem bereits die frühere Rechtsprechung des BSG nur ausnahmsweise von einer entsprechenden Einstandspflicht der GKV ausgegangen war, hat der Gesetzgeber insbesondere mit der Begründung eines Anspruchs auf Leistungen für wohnumfeldbezogene Maßnahmen im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung in dieser Hinsicht eine grundlegende Systementscheidung getroffen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 40 Abs 4 SGB XI. Danach gilt: "Die Pflegekassen können subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Die Höhe der Zuschüsse ist unter Berücksichtigung der Kosten der Maßnahme sowie eines angemessenen Eigenanteils in Abhängigkeit von dem Einkommen des Pflegebedürftigen zu bemessen. Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von 2557 Euro je Maßnahme nicht übersteigen." Diese Norm ist Teil des Gesetzesprogramms, der häuslichen Pflege den Vorrang vor der stationären Pflege zu geben (§ 3 Satz 1 SGB XI). Sie berücksichtigt, dass Leistungen zur Anpassung des Wohnumfeldes an die Bedürfnisse kranker und behinderter Menschen im Sozialleistungssystem der GKV nicht vorgesehen waren und deshalb ein in die Zuständigkeit der Pflegeversicherung fallender Leistungsbedarf bestehen kann, soweit nicht andere Träger für die behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfeldes einzustehen haben. Hat kein anderer Leistungsträger vorrangig einzutreten, soll deshalb die soziale Pflegeversicherung - allerdings beschränkt auf den finanziellen Rahmen des § 40 Abs 4 Satz 3 SGB XI - die behindertengerechte Umgestaltung der Wohnung des Pflegebedürftigen fördern, wenn dadurch die häusliche Pflege überhaupt erst ermöglicht oder erheblich erleichtert wird oder ein Verbleiben des Pflegebedürftigen in seiner häuslichen Umgebung und damit eine möglichst selbstständige Lebensführung sichergestellt werden kann(vgl BT-Drucks 12/5262 S 114 zu Art 1 § 36 Abs 4 des Gesetzesentwurfs von CDU/CSU und FDP zum Pflege-Versicherungsgesetz).

26

c) Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber des SGB XI an die schon zuvor seit langem bestehende Unterscheidung zwischen der behindertengerechten Anpassung der Wohnsituation einerseits und der Versorgung mit Hilfsmitteln zur Bewältigung oder Minderung von Behinderungsfolgen andererseits angeknüpft. In diesem Sinne war bereits in der Einweisungsnorm des § 29 SGB I in der bis zum 30.6.2001 geltenden Fassung vom 11.12.1975 (BGBl I 3015) bei Leistungen zur Eingliederung behinderter Menschen unterschieden worden zwischen Leistungen zur allgemeinen sozialen Eingliederung mit Hilfen ua "zur Verbesserung der wohnungsmäßigen Unterbringung" (§ 29 Abs 1 Nr 3 Buchst h SGB I) auf der einen und medizinischen Leistungen unter Einschluss von Hilfsmitteln (§ 29 Abs 1 Nr 1 Buchst d SGB I) auf der anderen Seite. Daran anschließend ist in dem am 1.1.1997 in Kraft getretenen SGB VII in dessen § 41 eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für Wohnungshilfe normiert worden, wonach diese erbracht wird, "wenn infolge Art oder Schwere des Gesundheitsschadens nicht nur vorübergehend die behindertengerechte Anpassung vorhandenen oder die Bereitstellung behindertengerechten Wohnraums erforderlich ist." Andererseits hat der Gesetzgeber in Abgrenzung dazu durch das zum 1.7.2001 in Kraft getretene SGB IX in dessen § 31 Abs 1 explizit klargestellt, dass zur Hilfsmittelversorgung solche Hilfen nicht rechnen, die bei einem Wohnungswechsel "nicht mitgenommen werden können". Ähnlich ist in § 18 Abs 1 Satz 4 "Verordnung über die Versorgung mit Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz" mit der am 1.1.1990 in Kraft getretenen Fassung vom 4.10.1989 (BGBl I 1989, 1834) zur Hilfsmittelversorgung bestimmt: "Unbewegliche Gegenstände werden nicht geliefert."

27

d) Diese an die frühere Rechtsprechung noch unter Geltung der RVO anknüpfende Systementscheidung des Gesetzgebers kann nur durch diesen selbst, nicht aber durch die Gerichte korrigiert werden. Nicht zu verkennen ist zwar, dass die von der Pflegeversicherung gewährte Unterstützung in dem knappen - und seit seiner Einführung auch nicht angepassten - finanziellen Rahmen des § 40 Abs 4 Satz 3 SGB XI dem tatsächlichen Bedarf für eine behindertengerechte Wohnungsausstattung kaum gerecht werden kann. Dies den heutigen Verhältnissen anzupassen ist aber nicht Aufgabe der Gerichte, sondern allein des Gesetzgebers. Demgemäß ist - wie bereits unter Geltung der RVO - nach der gegenwärtigen Rechtslage weiter maßgebend, dass Hilfen bei der Beschaffung und Unterhaltung einer den Bedürfnissen behinderter Menschen entsprechenden Wohnung über die Zuständigkeit der GKV hinausreichen, und zwar vor allem - aber nicht nur - dann, wenn sie mit der Veränderung der Wohnung selbst verbunden sind (BSG SozR 2200 § 182b Nr 10, 23 und 29). Daran hat das BSG nach dem Inkrafttreten von § 40 SGB XI und § 31 SGB IX weiter festgehalten. Eine Hilfe zählt danach zu den Mitteln der behinderungsgerechten Zurichtung der Wohnung und nicht zu den Hilfsmitteln nach § 33 SGB V und § 31 SGB IX, wenn sie nur in der konkreten Wohnung (Wohngrundstück) wegen deren besonderer Beschaffenheit erforderlich ist, nicht aber, wenn es dieser Hilfe typischerweise und erfahrungsgemäß auch in anderen Wohnungen bzw Wohngebäuden bedarf(BSGE 101, 22 = SozR 4-2500 § 33 Nr 18, RdNr 11 ff - Deckenlifter). Eine Treppensteighilfe ist hinsichtlich des häuslichen Einsatzes insoweit kein von der konkreten Wohnsituation unabhängiges Hilfsmittel, weil das Gerät in einer treppenlosen Wohnumgebung nicht erforderlich ist.

28

e) Die Zweigeschossigkeit einer Wohnung (Maisonette) oder ein Dachboden zählen nicht zum allgemeinen Wohnstandard, so dass die beklagte Krankenkasse keine Hilfsmittel für deren Erreichbarkeit zur Verfügung stellen muss. Dies gilt in entsprechender Weise auch für einen Hausgarten (so bereits BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 9). Schon deshalb stellt sich nicht die Frage, ob eine Treppensteighilfe erst dann in Betracht käme, wenn die Erreichbarkeit des Hausgartens über eine Betonrampe oder über einen Außenlift nicht zu realisieren und diese Maßnahme preisgünstiger wäre. Da es hier um eine erwachsene Versicherte geht, braucht auch nicht entschieden zu werden, ob die Nutzung des Hausgartens wenigstens für Kinder und Jugendliche ein Grundbedürfnis darstellen kann, wie es der Senat im Urteil im Zusammenhang mit der Bezuschussung des barrierefreien Zugangs zum Garten (§ 40 Abs 4 SGB XI)angedeutet hat (BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 9).

29

f) Soweit der Zugang zur Wohnung nur über eine Treppe im Hausflur (Treppenhaus) möglich ist, handelt es sich zwar durchaus um den allgemein üblichen durchschnittlichen Wohnstandard, gerade bei Mietshäusern. Nach dem vorstehend aufgezeigten Maßstab fällt indes die Leistungszuständigkeit für Hilfen bei der Bewältigung solcher Hürden nach dem geltenden Recht grundsätzlich nicht in den Verantwortungsbereich der GKV.

30

h) Das vorstehende Ergebnis behält auch im Lichte des § 33 SGB I Bestand, dort heißt es: "Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art und Umfang nicht im einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind." Auf diese Regelung kann sich die Klägerin bei der Auslegung des Leistungsrechts nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht stützen.

31

Die in § 33 SGB I angesprochene Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse betrifft nur die Ausgestaltung vorhandener Rechtsansprüche, nicht hingegen die Begründung der Rechtsansprüche als solche. Dies bezieht sich also nicht auf das "Ob" des Bestehens, sondern nur auf das "Wie" der Erfüllung einer bestehenden Leistungspflicht (Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2010, § 33 RdNr 2). Demgemäß hat der Senat bei einem gehbehinderten und auch in der Armkraft beeinträchtigten Versicherten, der den Nahbereich seiner Wohnung nicht mehr zu Fuß erschließen konnte, einen Anspruch nach § 33 SGB V auf eine Mobilitätshilfe mit Elektromotor zuerkannt und bei dessen Ausgestaltung ein Wahlrecht zwischen einem Elektrorollstuhl und einem Shoprider nach § 33 SGB I angenommen(BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1).

32

g) Offen lässt der Senat die Frage, ob der Ausschluss der Leistungspflicht der GKV nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V für in der Wohnung bzw im Haus einzusetzende Treppensteighilfen nicht nur bei dauerhaft, sondern auch bei vorübergehend (zB nach einer Verletzung) "behinderten" Versicherten gilt, die in absehbarer Zeit auf bestimmte Hilfsmittel oder andere Hilfen nicht mehr angewiesen sind und denen deshalb ein Umzug oder eine behinderungsgerechte Umgestaltung der Wohnung nicht zugemutet werden kann. Die zeitliche Grenze wird dabei durch § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX vorgegeben: "Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist." Diese Sechsmonatsgrenze des SGB IX korrespondiert mit der Regelung der Pflegebedürftigkeit in der sozialen Pflegeversicherung. Nach § 14 Abs 1 SGB XI sind Personen pflegebedürftig, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens "auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate", in erheblichen oder höherem Maße der Hilfe bedürfen.

33

7. Die Klägerin kann den Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit einer Treppensteighilfe nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V auch nicht auf das Argument stützen, sie benötige dieses Hilfsmittel, um die Wohnungen von Verwandten und Freunden, Arztpraxen und die örtliche Kirche aufzusuchen.

34

a) Das allgemeine Grundbedürfnis auf Mobilität im Nahbereich der Wohnung ist durch die Ausstattung der Klägerin mit zwei Rollstühlen gewährleistet. Hinsichtlich des von der Erschließung des Nahbereichs ebenfalls umfassten Zugangs zu den Gebäuden in diesem Bereich ist zu unterscheiden zwischen - öffentlichen oder privaten - Gebäuden mit Publikumsverkehr (Behörden, Post, Geldinstitute, Kirchen, Theater, Supermärkte, Läden, Kliniken, Apotheken, Arztpraxen) einerseits und privaten Gebäuden ohne Publikumsverkehr (Wohngebäude) andererseits. Anders als nach der dem Treppenraupen-Urteil vom 22.5.1984 (BSG SozR 2200 § 182b Nr 29) zugrunde liegenden Situation Anfang der 1980-er Jahre, als auf die besonderen Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern beim Gebäude- und Straßenbau noch wenig Rücksicht genommen wurde und die Forderung nach weitgehender Barrierefreiheit noch nicht ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen war, ist heutzutage festzustellen, dass Gebäude mit Publikumsverkehr in aller Regel einen ebenerdigen Zugang haben und bei Mehrgeschossigkeit ein Fahrstuhl vorhanden ist. Fehlt es bei einem öffentlichen Gebäude noch an einem behindertengerechten Eingangsbereich, ist in aller Regel zumindest eine Rufanlage vorhanden, um den Pförtner zu benachrichtigen, der Hilfe gewährt oder organisiert. Die Herstellung der Barrierefreiheit öffentlicher und vieler ziviler Bauten ist sowohl auf der Ebene des Bundes als auch in den Ländern gesetzlich der Verantwortung der Eigentümer zugewiesen und damit der Zuständigkeit der GKV entzogen (vgl §§ 4 und 8 Behindertengleichstellungsgesetz vom 27.4.2002 und § 554a BGB; auf Länderebene vgl zB § 3 Hessisches Behinderten-Gleichstellungsgesetz vom 20.12.2004 und §§ 2, 33, 43, 46 Hessische Bauordnung vom 18.6.2002). Nur bei vor Erlass dieser Regelungen errichteten privaten Gebäuden ohne Publikumsverkehr, insbesondere selbstgenutzten Wohngebäuden und Mietshäusern, ist gelegentlich noch keine Barrierefreiheit vorhanden (vgl zum Anpassungsanspruch betroffener Mieter § 554a BGB). Die fortschreitende, wenn auch noch nicht vollständig hergestellte Barrierefreiheit in Deutschland stellt eine generelle Tatsache dar, zu deren Feststellung das Revisionsgericht selbst berechtigt ist (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 163 RdNr 7). Wegen dieser grundlegend geänderten rechtlichen Bewertung und der daraus folgenden tatsächlichen Situation in Bezug auf die Barrierefreiheit von Gebäuden mit Publikumsverkehr und des öffentlichen Raums geht der Senat nunmehr davon aus, dass im Nahbereich der Wohnung üblicherweise keine Treppen mehr zu überwinden sind und die Herstellung der Barrierefreiheit öffentlicher und vieler ziviler Bauten weiterhin voranschreitet. Deshalb steht einer/einem Versicherten kein Anspruch gegen die Krankenkasse auf Gewährung einer Treppensteighilfe (Treppenraupe) in diesem Rahmen zu; die dies noch bejahende Rechtsprechung des 8. Senats des BSG aus dem Jahre 1984 (BSG SozR 2200 § 182b Nr 29) gibt der nunmehr allein für das Hilfsmittelrecht der GKV zuständige 3. Senat des BSG daher auf.

35

b) Soweit die Klägerin die Überwindung von Treppen in fremden Wohngebäuden geltend macht, geht es um den Besuch bei Verwandten und Freunden. Dabei dient die Treppensteighilfe aber nicht der medizinischen Rehabilitation, sondern der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Für den Bereich der sozialen Rehabilitation ist aber nicht die Krankenkasse, sondern - gegebenenfalls - der Sozialhilfeträger (§ 5 Nr 4 iVm § 6 Abs 1 Nr 7 SGB IX und § 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX) leistungspflichtig.

36

c) Zur sozialen Rehabilitation und Integration zählt auch der Besuch des Gottesdienstes und von Veranstaltungen. Die Leistungspflicht der GKV ist also auch insoweit ausgeschlossen.

37

d) Zur medizinischen Rehabilitation gehört in vorliegendem Zusammenhang allerdings die Sicherstellung der Möglichkeit, die noch nicht barrierefrei gestalteten Praxen des Frauenarztes und des Zahnarztes aufsuchen zu können. Insofern fehlt es jedoch an der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit der Hilfsmittelversorgung. Da es um insgesamt nur vier Arztbesuche jährlich geht, kann die Klägerin auf den Fahrdienst (§ 60 SGB V) verwiesen werden, für den die Beklagte nach Feststellung des LSG pro Jahr lediglich rund 100 Euro aufzubringen hätte. Der Fahrdienst übernimmt auch den Transport des Versicherten und des Rollstuhls in die Praxisräume. Deshalb ist die Inanspruchnahme des Fahrdienstes objektiv wirtschaftlich und der Klägerin subjektiv zumutbar.

38

8. Der Leistungsanspruch gegen die Beklagte lässt sich auch nicht aus anderen Rechtsvorschriften herleiten.

39

a) Ein Anspruch aus § 31 SGB IX scheidet aus. Diese Vorschrift gibt hinsichtlich des Hilfsmittelbegriffs nur den Regelungsgehalt wieder, wie er durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt worden ist, und bestätigt somit diese Rechtsprechung. Eine Ausweitung der Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung war nicht beabsichtigt, was vor allem darin zum Ausdruck kommt, dass nach § 7 Satz 2 SGB IX die Regelung des § 33 SGB V maßgeblich bleibt: "Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen"(vgl im Einzelnen BSGE 91, 60 RdNr 12, 13 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3, RdNr 13, 14 sowie zur Gesetzesbegründung BT-Drucks 14/5074 S 94).

40

b) Aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Benachteiligung behinderter Menschen in Art 3 Abs 3 Satz 2 GG ergeben sich ebenfalls keine weitergehenden Leistungsansprüche gegen die GKV bei der Hilfsmittelversorgung. Zwar ist das Verbot einer Benachteiligung zugleich mit einem Auftrag an den Staat verbunden, auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken (vgl BT-Drucks 12/8165 S 29). Diesem Auftrag zur Umsetzung und Konkretisierung hat der Gesetzgeber mit dem SGB IX Rechnung getragen, ohne dass damit der Auftrag als erledigt anzusehen wäre. Der somit fortbestehende Auftrag zur Ausgestaltung des Sozialstaatsgebots begründet indes keine konkreten Leistungsansprüche (BSGE 91, 60 RdNr 14 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 15).

41

c) Auch eine Leistungspflicht der Beklagten nach § 14 SGB IX scheidet aus. Diese Vorschrift ist als Anspruchsgrundlage zu prüfen, weil eine Leistungspflicht nach § 33 SGB V (bzw § 31 SGB IX) ausscheidet und die Beklagte als erstangegangener Träger den Leistungsantrag seinerzeit nicht an einen anderen Sozialleistungsträger weitergeleitet hat.

42

aa) Eine Leistungspflicht anstelle der Pflegekasse entfällt schon deshalb, weil die Pflegekassen nicht zu den Rehabilitationsträgern iS des SGB IX gehören, an die ein Leistungsantrag weitergeleitet werden könnte.

43

bb) Eine Leistungspflicht der Beklagten anstelle des Sozialhilfeträgers scheidet ebenfalls aus. Die Klägerin gehört - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht zu dem Personenkreis, der Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen könnte.

44

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Juli 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Bewilligung eines elektronischen Produkterkennungssystems mit Sprachausgabe (Barcodelesegerät) als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für eine hochgradig sehbehinderte Versicherte.

2

Die 1959 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet seit 2005 unter einer Leberschen Optikusatrophie. Infolge dieser Erkrankung verfügt sie nur noch über ein Restsehvermögen von 2 % beidseitig, das ihr die grobe Kontrast- und die Hell-Dunkel-Wahrnehmung ermöglicht. Sie ist mit einem Vorlesegerät mit Braillezeile versorgt. Im März 2007 beantragte die Firma S. GmbH im Auftrag der Klägerin unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung, eines Kostenvoranschlags und des Bescheides über die Aufnahme des Barcodelesegeräts "EinkaufsFuchs" in das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) deren Versorgung mit diesem Gerät zum Preis von 3094 Euro. Mit dem Gerät werden in Strichcodes verschlüsselte Produktdaten von ca 900 000 handelsüblichen Waren über die Sprachausgabe für sehbehinderte Menschen hörbar gemacht. Darüber hinaus können weitere Gegenstände mit beigefügten Strichcode-Etiketten versehen und auf diese Weise individuell zugeordnete Informationen abgerufen werden.

3

Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag ab, weil der durch das begehrte Hilfsmittel ermöglichte selbständige Einkauf nicht zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens zähle (Bescheid vom 28.6.2007, Widerspruchsbescheid vom 20.11.2007). Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung eines "Einkaufs-Fuchs" der Firma S. GmbH als Sachleistung verurteilt (Gerichtsbescheid vom 2.6.2009). Die Versorgung der Klägerin mit diesem Gerät sei zum Ausgleich des durch die Sehbehinderung eingetretenen Funktionsverlusts erforderlich iS des § 33 SGB V. Das Gerät diene der Befriedigung elementarer Bedürfnisse in der Haushaltsführung und der Orientierung bei weiteren grundlegenden Alltagshandlungen. Daher könne offen bleiben, ob der Einkauf zu den elementaren Grundbedürfnissen zähle, wovon allerdings auszugehen sei, weil die Erreichbarkeit eines Ortes zur Tätigung von Alltagsgeschäften und das Alltagsgeschäft selbst einen einheitlichen Lebensvorgang bildeten. In Anbetracht der Nutzungsmöglichkeiten des Gerätes sei diese Hilfsmittelversorgung auch als wirtschaftlich anzusehen. Die Berufung hiergegen hat das LSG unter weitgehender Bezugnahme auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen (Urteil vom 16.7.2010).

4

Mit der vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 33 SGB V. Das Barcodelesegerät sei nicht zum Ausgleich der bestehenden Behinderung im Bereich der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erforderlich. Zum einen zähle der Einkauf nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens. Zum anderen sei das Barcodelesegerät nicht zum Ausgleich der insoweit bestehenden behinderungsbedingten Einschränkungen geeignet, weil für die Kaufentscheidung wesentliche Produktdaten (Preis, Mindesthaltbarkeit) nicht entschlüsselt werden könnten und das Gerät keine Orientierung ohne fremde Hilfe im Geschäft ermögliche. Die Einsatzmöglichkeiten des Hilfsmittels bei der Organisation des Haushalts gingen über die vom Basisausgleich umfassten Tätigkeiten hinaus und seien daher ebenfalls nicht dem Bereich der elementaren Grundbedürfnisse zuzuordnen.

5

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 16.7.2010 und den Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 2.6.2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin verteidigt die angefochtenen Urteile und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das von der Klägerin begehrte Barcodelesegerät kann ein Hilfsmittel der GKV iS des § 33 Abs 1 SGB V sein, denn es ist grundsätzlich geeignet, die Auswirkungen einer Sehbehinderung im Bereich der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens auszugleichen bzw zu mildern. Die bisher vom LSG getroffenen Feststellungen reichen aber nicht aus, um abschließend entscheiden zu können, ob die Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel im Einzelfall erforderlich (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) und wirtschaftlich (§ 12 Abs 1 SGB V) ist.

8

1. Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem Barcodelesegerät bestehend aus einem omnidirektionalen Strichcode-Handscanner, einer Sprachausgabe, einer austauschbaren Speicherkarte mit aktuellem Datenbestand und einem Akku. Rechtsgrundlage für dieses Klagebegehren ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung des Art 1 Nr 17 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen(vgl auch BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - Scalamobil, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Der geltend gemachte Anspruch betrifft konkret das Versorgungsziel des Behinderungsausgleichs (§ 33 Abs 1 Satz 1, 3. Variante SGB V).

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2. Das Barcodelesegerät ist keine Sehhilfe iS des § 33 Abs 2 SGB V, so dass dessen einschränkende Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt sein müssen. Allerdings kann die Abgrenzung zwischen Hilfsmitteln iS des § 33 Abs 1 SGB V und Sehhilfen iS des § 33 Abs 2 SGB V nach der mit Wirkung zum 1.1.2004 vorgenommenen Änderung des § 33 SGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) nicht mehr - wie früher - offen bleiben (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 151; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 18 S 90; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16 S 73 zu der bis 31.12.2003 geltenden Rechtslage). Denn Sehhilfen iS des § 33 Abs 2 SGB V sind Hilfsmittel, für die heute besondere - einschränkende - Anspruchsvoraussetzungen gelten. Unter den Begriff der Sehhilfe sind nur solche sächlichen Mittel zu subsumieren, die das Restsehvermögen verstärken (zB Brillen, Kontaktlinsen, Lupen, Lupenbrillen), während Hilfsmittel, die das behinderungsbedingt eingeschränkte Sehen durch das Ansprechen anderer Körperfunktionen ausgleichen (Hören, taktiler Sinn), als Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 SGB V anzusehen sind. Bereits der Wortsinn "Seh-Hilfe" lässt erkennen, dass es sich um Mittel zur Unterstützung des Sehvermögens handelt. Diesem Begriffsverständnis entspricht auch die in anderen Regelungszusammenhängen vorgenommene Differenzierung. So werden in § 17 Abs 2 der Verordnung über die Versorgung mit Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (Orthopädieverordnung) in der Fassung durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Orthopädieverordnung vom 26.6.2001 (BGBl I 1352) unter der Bezeichnung "Sehhilfen" nur Hilfsmittel aufgeführt, die das Restsehvermögen verstärken (Fernrohrbrillen, Lupen, Bildschirm-Lesegeräte). Dagegen werden Geräte, die Text in Sprache umsetzen, in § 17a Orthopädieverordnung als Kommunikationshilfen bezeichnet. Auch Ziffer 4 der Anlage 5 Bundesbeihilfeverordnung vom 13.2.2009 (BGBl I 326) listet unter dem Begriff der Sehhilfen lediglich Hilfen zur Verbesserung der (Rest-)Sehschärfe, aber keine sonstigen Hilfsmittel auf, die andere Körperfunktionen unterstützen und nur mittelbar Defizite des behinderungsbedingt eingeschränkten Sehens ausgleichen können.

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3. Der Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V besteht weder allein aufgrund der vertragsärztlichen Verordnung(§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V)des Barcodelesegerätes Typ "EinkaufsFuchs" vom 20.2.2007 noch - wie die Vorinstanzen zu Recht angenommen haben - aufgrund der Auflistung dieses Gerätes im HMV (§ 139 SGB V). Den Krankenkassen steht vielmehr ein eigenes Entscheidungsrecht zu, ob ein Hilfsmittel nach Maßgabe des § 33 SGB V zur medizinischen Rehabilitation, also zur Sicherung des Erfolges der Krankenhausbehandlung, zur Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung oder zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung, im Einzelfall erforderlich ist; dabei können die Krankenkassen zur Klärung medizinisch-therapeutischer Fragen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung nach § 275 Abs 3 SGB V einschalten(vgl BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - Scalamobil). Das vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf der Grundlage von § 139 SGB V erstellte HMV legt die Leistungspflicht der GKV gegenüber den Versicherten ebenfalls nicht verbindlich und abschließend fest. Es schließt weder Hilfsmittel von der Versorgung der Versicherten aus, die den gesetzlichen Anforderungen des § 33 SGB V genügen(BSG SozR 4-2500 § 127 Nr 2 RdNr 10), noch besteht ein Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die zwar im HMV verzeichnet, für die aber nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 33 SGB V erfüllt sind. Daher sind die für das unter der Positionsnummer 07.99.04.2001 gelistete Barcodelesegerät "EinkaufsFuchs" im HMV formulierte Beschränkung (Einkaufshilfe im Rahmen der selbständigen Lebensführung unter Berücksichtigung elementarer Grundbedürfnisse) und der Leistungsausschluss bei Nutzung des Hilfsmittels ausschließlich zur Organisation der Wohnung für den klägerischen Anspruch ohne Bedeutung.

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4. Ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Barcodelesegerätes als Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich im vorliegenden Einzelfall erfüllt sind, kann anhand der bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilt werden. Allerdings ist ein Barcodelesegerät grundsätzlich geeignet, die Auswirkungen einer Sehbehinderung bei einem nicht seit Geburt erblindeten bzw sehbehinderten Menschen auszugleichen. Der Behinderungsausgleich nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V hat dabei zwei Zielrichtungen:

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a) Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (vgl BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - RdNr 17 mwN - Scalamobil). Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 RdNr 4 - C-leg-Prothese). Die gesonderte Prüfung, ob mit der vorgesehenen Verwendung ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt in Fällen der Erstausstattung mit Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 18).

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b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung auszugleichen. Im Rahmen dieses sog mittelbaren Behinderungsausgleichs geht es nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V, § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (zum mittelbaren Behinderungsausgleich: BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - RdNr 18 mwN - Scalamobil). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist daher von der GKV nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (stRspr zuletzt: BSG Urteile vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - Therapiedreirad, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen und B 3 KR 13/09 R) - sog Basisausgleich. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - RdNr 18 ff mwN - Scalamobil).

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c) Nach Maßgabe dieser Grundsätze geht es im vorliegenden Fall um ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich, weil das Barcodelesegerät nicht das behinderungsbedingt stark eingeschränkte Sehvermögen wiederherstellen kann, sondern die ausgefallene bzw eingeschränkte Körperfunktion durch Nutzung des nicht beeinträchtigten Hörvermögens kompensiert, indem die auf Gegenständen befindlichen und in Strichcodes verschlüsselten Informationen über eine Sprachausgabe für den sehbehinderten Menschen hörbar gemacht werden. Der Ersatz eines ausgefallenen bzw beeinträchtigten Sinnes durch die Nutzung eines intakten anderen Sinnes stellt sich als mittelbarer Behinderungsausgleich dar (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 14 - Lichtsignalanlage).

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d) Betroffen sind im vorliegenden Fall das allgemeine Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens und die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Das allgemeine Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens umfasst die körperlichen und geistigen Fähigkeiten, die notwendig sind, um ohne fremde Hilfe im häuslichen Umfeld verbleiben zu können. Der dazu erforderliche körperliche Freiraum beinhaltet die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen, die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind und in die Wohnung zurückzukehren. Zu dem für das selbständige Wohnen erforderlichen geistigen Freiraum zählt ua die Fähigkeit, die für eine selbständige Lebens- und Haushaltsführung notwendigen Informationen erhalten bzw aufnehmen zu können. Das Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens kann jedoch nur verwirklicht werden, wenn bestimmte Grundvoraussetzungen im Sinne von elementaren Rahmenbedingungen erfüllt sind. Diese Grundvoraussetzungen sind üblicherweise dem hauswirtschaftlichen Bereich zuzuordnen. So setzt das selbständige Wohnen ua voraus, dass Nahrungsmittel und Gegenstände des täglichen Bedarfs selbständig besorgt und im häuslichen Umfeld sachgerecht verwendet werden können und dass die Wohnung durch regelmäßiges und ausreichendes Reinigen in einem gesundheitsdienlichen Zustand gehalten werden kann. Die möglichst weitgehende Erfüllung dieser Rahmenbedingungen stellt sich als Annex zu dem allgemeinen Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens dar und findet Ausdruck in dem in § 14 Abs 4 Nr 4 SGB XI enthaltenen Rechtsgedanken. In § 14 Abs 4 SGB XI werden die für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit maßgebenden gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens unterteilt nach den Bereichen Körperpflege(Nr 1), Ernährung (Nr 2), Mobilität (Nr 3) und hauswirtschaftliche Versorgung (Nr 4) aufgezählt. Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung werden das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen genannt. Ungeachtet der unterschiedlichen Zielsetzung der GKV (Bewältigung von Krankheit und ihren Folgen) und der gesetzlichen Pflegeversicherung (partielle Abdeckung des Risikos der Pflegebedürftigkeit) werden mit den in § 14 Abs 1 und 4 SGB XI genannten gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens Bereiche bezeichnet, die für die physische Existenz des Menschen unerlässlich sind und die der Erfüllung seiner Grundbedürfnisse, einschließlich der auf die Person bezogenen hauswirtschaftlichen Versorgung, dienen(BSGE 72, 261, 263 = SozR 3-2500 § 53 Nr 2 S 9). Die in § 14 Abs 4 Nr 4 SGB XI aufgezählten hauswirtschaftlichen Verrichtungen gewährleisten die elementare Lebensführung zu Hause(ähnlich: Udsching in ders, SGB XI, 3. Aufl 2010, § 14 RdNr 28)und sind daher als für das Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens unerlässliche Grundvoraussetzungen zu werten. Die uneingeschränkte Wahrnehmung dieser Verrichtungen ist auch nach dem ICF-Modell der WHO Teil der funktionalen Gesundheit des Menschen (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit - ICF, herausgegeben vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information , Stand Oktober 2005, Kapitel 6 - Häusliches Leben - S 112 ff).

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Wegen der auf die medizinische Rehabilitation beschränkten Zuständigkeit der GKV erstreckt sich deren Leistungspflicht allerdings zum einen nur auf die für ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens unabdingbaren hauswirtschaftlichen Verrichtungen. Zum anderen begründen behinderungsbedingte Einschränkungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Verrichtungen für sich genommen noch keine Leistungspflicht der GKV im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs. Ebenso wie die Pflegebedürftigkeit nicht allein durch einen Hilfebedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung begründet wird, sondern einen zusätzlichen Hilfebedarf im Bereich der Grundversorgung (§ 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI) verlangt (so schon der Entwurf des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 24.6.1993, BT-Drucks 12/5262 S 97; Udsching, aaO, § 14 RdNr 41), setzt die Leistungspflicht der GKV nach § 33 Abs 1 SGB V voraus, dass die durch das begehrte Hilfsmittel ermöglichte hauswirtschaftliche Verrichtung notwendig ist, um ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens sicherzustellen.

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e) Die für das selbständige Wohnen elementaren hauswirtschaftlichen Verrichtungen setzen eine uneingeschränkte visuelle Wahrnehmung voraus. Das gilt sowohl für die Wahrnehmung, dass bestimmte Verrichtungen notwendig sind (zB Verschmutzungsgrad der Wohnung), als auch für die bei Ausübung der jeweiligen Verrichtung notwendigen Arbeitsschritte (zB Auswahl der Reinigungsmittel, Auswahl der Zutaten beim Kochen). Diese Wahrnehmungsmöglichkeit ist bei einem sehbehinderten Menschen aufgehoben bzw beeinträchtigt. Durch ein Barcodelesegerät können diese Einschränkungen grundsätzlich ausgeglichen bzw gemildert werden, indem die für elementare hauswirtschaftliche Verrichtungen erforderlichen Informationen über einzelne Produkte und Gegenstände mittels einer Sprachausgabe für den sehbehinderten Menschen zugänglich gemacht werden (sog ersetzender Ausgleich). Auf diese Weise können zB die für das Sauberhalten der Wohnung und Kleidung notwendigen Reinigungsmittel zutreffend ausgewählt sowie sachgerecht und vor allem gefahrenfrei verwendet werden. Die genaue Kenntnis des Produktinhalts ist gerade bei der Verwendung von Reinigungsmitteln von Bedeutung, deren unsachgemäße Verwendung zu Gesundheitsschäden führen kann (zB bei ätzenden Flüssigkeiten). Auch die hauswirtschaftliche Verrichtung des Kochens als Vorstufe zum anerkannten Grundbedürfnis der Nahrungsaufnahme wird durch ein Barcodelesegerät nicht nur unwesentlich erleichtert, sondern teilweise erst ermöglicht. Denn Voraussetzung für die selbständige Nahrungszubereitung ist eine zutreffende Auswahl und Abmessung der Speisen und Zutaten.

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f) Darüber hinaus ist ein Barcodelesegerät grundsätzlich auch geeignet, die infolge einer Sehbehinderung bestehenden Einschränkungen bei der Erschließung des für das selbständige Wohnen erforderlichen körperlichen und geistigen Freiraums auszugleichen. Soweit nach der Rechtsprechung des Senats der körperliche Freiraum im Sinne eines Basisausgleichs auch die Fähigkeit umfasst, die eigene Wohnung zu verlassen, um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (so erstmals BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27 RdNr 15 - Elektrorollstuhl und BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - RdNr 18 - Scalamobil), bezogen sich diese Entscheidungen jeweils auf Fallkonstellationen, in denen die körperliche Bewegungsfreiheit aufgrund einer Behinderung eingeschränkt war. In diesen Fällen war und ist es Aufgabe der GKV im Rahmen des geschuldeten Basisausgleichs, die Mobilität des behinderten Menschen von der Wohnung zu den Orten im Nahbereich sicherzustellen, an denen Alltagsgeschäfte erledigt werden können. Ist dagegen nicht die Bewegungsfähigkeit als solche, sondern - wie im vorliegenden Fall - die Sinneswahrnehmung infolge einer Behinderung aufgehoben bzw beeinträchtigt, ist in der Regel nicht die Fortbewegung zu einem Ort, an dem Alltagsgeschäfte erledigt werden können, sondern die Betätigung der Alltagsgeschäfte selbst eingeschränkt. In diesen Fallkonstellationen erfordert der in die Zuständigkeit der GKV fallende Basisausgleich, dass der behinderte Mensch nicht nur befähigt wird, die Orte, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind, im Sinne der Fortbewegung zu erreichen, sondern dass ihm auch die Tätigung des Alltagsgeschäfts selbst ermöglicht wird. Der Basisausgleich umfasst in diesem Bereich auch die Möglichkeit zur Wahrnehmung der für eine selbständige Lebens- und Haushaltsführung notwendigen Informationen. Hierzu zählen Informationen über Gegenstände des täglichen Bedarfs, Grundnahrungsmittel, Produkte zur elementaren Körperpflege und zur Reinigung von Wohnung und Kleidung. Die Wahrnehmung dieser Informationen ist bei der Beschaffung und Verwendung der genannten Gegenstände sicherzustellen. Zur Beschaffung zählt der Einkauf - damit ist jedoch weder eine Anerkennung des Einkaufens als allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens noch die Ermöglichung von Einkäufen jeder Art durch Hilfsmittel der GKV verbunden. Zu gewährleisten ist von der GKV vielmehr nur die Möglichkeit des Einkaufs als Alltagsgeschäft, dh die Beschaffung von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs (Definition des Alltagsgeschäfts: BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1 S 5), soweit die Befähigung hierzu aufgrund einer Behinderung aufgehoben bzw eingeschränkt ist und durch das Hilfsmittel ausgeglichen werden kann.

19

Die mit dem Barcodelesegerät abrufbaren Informationen (zB Name bzw Produktbezeichnung, Hersteller und Mengenangabe) sind entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht unerheblich, denn sie ermöglichen einem sehbehinderten Menschen einen weitgehend selbständigen Einkauf von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs und damit eine überwiegend selbständige Haushaltsführung. Damit ggf nicht entschlüsselbare Informationen über den Preis und die Mindesthaltbarkeit von Lebensmitteln können im Geschäft leicht erfragt werden. Zudem ist davon auszugehen, dass Lebensmittel in aller Regel nicht außerhalb der Mindesthaltbarkeitsdauer angeboten werden. Im Hinblick auf die persönliche Haushaltsgestaltung und Vorratshaltung können überdies zusätzliche wesentliche Produktinformationen - wie etwa das Einkaufsdatum - zu Hause durch Verwendung der mitgelieferten Strichcodeetiketten verfügbar gemacht werden.

20

Außerdem ist die Verwendung des Barcodelesegerätes als Einkaufshilfe nur eine von vielen Einsatzmöglichkeiten des Gerätes. Neben der schnellen und verwechslungsfreien Identifikation käuflich erworbener Produkte und Gegenstände des täglichen Bedarfs im persönlichen Umfeld dient es allgemein der Orientierung in der Wohnung sowie der selbständigen Organisation und Führung des Haushaltes. Die vielfältige Einsetzbarkeit des Barcodelesegerätes wird insbesondere durch die individuelle Verwendung der mitgelieferten Strichcode-Etiketten ermöglicht. Auf diese Weise kann nahezu jeder Gegenstand im persönlichen Umfeld eines sehbehinderten Menschen gekennzeichnet und die individuell vergebene Information jederzeit abgerufen werden.

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5. Die generelle Eignung eines Barcodelesegerätes zur Verwirklichung des als Grundbedürfnis anerkannten selbständigen Wohnens und zur Schaffung des dazu erforderlichen körperlichen und geistigen Freiraums wird weder durch die mögliche Hilfe Dritter noch durch die dem sehbehinderten Menschen möglichen sekundären Sinneswahrnehmungen in Frage gestellt.

22

a) Dem Verweis des behinderten Menschen auf die Hilfe Dritter steht bereits die Zielsetzung der Hilfsmittelversorgung entgegen. Wesentliches Ziel der Hilfsmittelversorgung ist es, den behinderten Menschen von der Hilfe anderer weitgehend bzw deutlich unabhängiger zu machen (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27 RdNr 18). Daher kann der für die Leistungspflicht der GKV ausschlaggebende funktionelle Gebrauchsvorteil eines Hilfsmittels auch darin liegen, dass sich der behinderte Mensch durch das Hilfsmittel ein bis dahin nur mit fremder Hilfe wahrnehmbares allgemeines Grundbedürfnis (teilweise) erschließen kann und somit befähigt wird, ein selbständigeres Leben zu führen. In diese Richtung zielen nunmehr ebenfalls Art 19 (Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft) und Art 20 (Persönliche Mobilität) des "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen". Dieses Übereinkommen und sein Fakultativprotokoll sind für Deutschland nach Maßgabe des Vertragsgesetzes vom 21.12.2008 (BGBl II 2008 S 1419) seit 26.3.2009 verbindlich.

23

b) Die Fähigkeit sehbehinderter Menschen unter Nutzung der unbeeinträchtigten sekundären Sinne (Riech-, Tast- und Hörsinn), Ordnungssysteme und Kennzeichnungsmöglichkeiten zu entwickeln, gleicht die Sehbehinderung nur unzureichend aus. Zum einen werden hierdurch Verwechslungen bei der Identifizierung von Gegenständen nicht ausgeschlossen, weil das menschliche Erinnerungsvermögen weder grenzenlos noch unfehlbar ist. Zum anderen sind Entwicklung und Einhaltung solcher Ordnungssysteme häufig mit einem erheblichen zeitlichen und intellektuellen Aufwand verbunden. Das Wiederauffinden von Gegenständen ist nur gewährleistet, wenn sich der behinderte Mensch einer strengen Ordnung bei der Ablage und Verwahrung der Gegenstände unterwirft (so schon BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 18 S 92 - Farberkennungsgerät). Die mit der Entwicklung und Einhaltung entsprechender Ordnungssysteme verbundene Mehrbelastung kann im Einzelfall sogar die Grenze des Zumutbaren überschreiten. Das gilt insbesondere dann, wenn sich gelegentlich andere, mit den Ordnungssystemen nicht vertraute Personen besuchsweise in der Wohnung des sehbehinderten Menschen aufhalten oder wenn mit den sekundären Sinnen die Produktbeschaffenheit nicht eindeutig identifizierbar ist (zB Konservendosen, Tetrapacks). Die Öffnung der Verpackung, um den Inhalt über den Riechsinn wahrzunehmen, würde nicht dem Vorgehen im Rahmen einer normalen Haushaltsführung entsprechen.

24

c) Letztlich ist die menschliche Fähigkeit, die nicht von einer Behinderung betroffenen Sinne zu sensibilisieren und besonders zu trainieren, zumindest in den Fällen begrenzt, in denen der Betroffene - wie hier - nicht seit Geburt erblindet bzw sehbehindert ist. Je älter der Betroffene bei Eintritt der Erblindung bzw einer der Erblindung vergleichbaren Sehbeeinträchtigung ist, desto schwieriger ist es für ihn, die in der Nutzung anderer Sinne liegenden Kompensationsmöglichkeiten auszuschöpfen, weil Anpassungs- und Merk- sowie kognitive Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nachlassen (vgl "Mobil im Alltag", Broschüre des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, Mai 2010, S 14).

25

6. Das zum mittelbaren Behinderungsausgleich grundsätzlich geeignete Barcodelesegerät ist auch nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens von der Sachleistungspflicht der GKV ausgenommen. Die Einordnung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens hängt davon ab, ob ein Gegenstand bereits seiner Konzeption nach den Zwecken des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V dienen soll oder - falls dies nicht so ist - den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen jedenfalls besonders entgegenkommt und von körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird(vgl BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - RdNr 25 - Therapiedreirad; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 16 mwN). Die für sehbehinderte Menschen angebotenen Barcodelesegeräte sind nach ihrer Funktion und Bauart speziell auf die Bedürfnisse dieser Gruppe von behinderten Menschen zugeschnitten. Anders als bei handelsüblichen Barcodelesegeräten wird die in einem Strichcode verschlüsselte Produktinformation über eine Sprachausgabe für die Betroffenen hörbar gemacht. Zudem kommen handelsübliche Barcodelesegeräte nicht in privaten Haushalten, sondern ausschließlich im gewerblichen Sektor zum Einsatz und können bereits aus diesem Grund nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens angesehen werden (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 19 S 103 f). Letztlich ist auch die Aufnahme des Gerätes in das HMV ein gewichtiges Indiz dafür, dass es sich nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 17 ff).

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7. Ob ein Barcodelesegerät im vorliegenden Einzelfall erforderlich ist, um die Folgen der Sehbehinderung auszugleichen, kann allerdings anhand der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG noch nicht abschließend beurteilt werden.

27

a) Zum einen fehlen Feststellungen zur persönlichen Lebensführung und den Lebensverhältnissen der Klägerin. In diesem Zusammenhang ist zu ermitteln, ob die Klägerin mit anderen Personen in einem Haushalt zusammenlebt und wie sie ihren Alltag, die Haushaltsführung sowie die damit zusammenhängenden hauswirtschaftlichen Verrichtungen bisher organisiert und wahrgenommen hat. Dabei wird in medizinischer Hinsicht aufzuklären sein, wie sich das Alter der Klägerin bei Eintritt der Sehbehinderung auf deren Fähigkeit auswirkt, das eingeschränkte Sehvermögen durch die Nutzung anderer Sinne zu kompensieren. Allerdings wird das LSG in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen haben, dass die vorhandene Hilfsmittelausstattung der Klägerin die behinderungsbedingten Einschränkungen in Bezug auf das Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens nur unzureichend ausgleicht. Das der Klägerin gewährte Vorlesegerät mit Braillezeile ermöglicht ihr lediglich, die in Büchern und Zeitungen enthaltenen Informationen zu hören bzw über die Braillezeile zu ertasten. Auf Gegenständen befindliche Aufschriften können auf diese Art nicht wiedergegeben und erst Recht keine eigene Kennzeichnung vorgenommen werden.

28

Zum anderen bedarf es der Feststellung, welche Anforderungen an die Bedienung eines Barcodelesegerätes gestellt werden und ob die Klägerin diesen gerecht wird. Hierbei wird das LSG - ausgehend von seinen bereits getroffenen Feststellungen - zugrunde legen können, dass die Klägerin aufgrund ihres 2 %-igen Restsehvermögens in der Lage ist, Kontraste sowie Hell und Dunkel wahrzunehmen, so dass die durch das Barcodelesegerät nicht gewährleistete Orientierung im Ladengeschäft über die vorhandene Sinneswahrnehmung sichergestellt ist.

29

b) Auch die Wirtschaftlichkeit der Hilfsmittelgewährung (§ 33 Abs 1 Satz 1 iVm § 12 Abs 1 SGB V) lässt sich anhand der bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen. Die Sachleistungspflicht nach § 33 Abs 1 SGB V beschränkt sich auf die kostengünstigste Hilfsmittelversorgung; es besteht also kein Anspruch auf Optimalversorgung, sondern nur auf ausreichende, wirtschaftliche und zweckmäßige Hilfsmittel - § 12 Abs 1 SGB V(vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 19 RdNr 21). Soweit ein kostengünstigeres Hilfsmittel zum Ausgleich der Behinderung funktionell ebenso geeignet ist, besteht daher kein Anspruch auf die Versorgung mit einem teureren Hilfsmittel (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 26 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 19 RdNr 21). Sowohl der Umfang der konkreten Nutzung des Barcodelesegerätes durch die Klägerin unter Berücksichtigung seiner Einsatzmöglichkeiten als auch die im Rahmen der Wirtschaftlichkeit vorzunehmende Kosten-Nutzen-Analyse bedingen deshalb noch weitere Ermittlungen. Trotz der Bedeutung der durch ein Barcodelesegerät vermittelten Information für sehbehinderte Menschen bedarf es in Anbetracht des hohen Anschaffungspreises einer relativ häufigen Nutzung des Gerätes pro Tag, um dessen Wirtschaftlichkeit bejahen zu können. Ferner wird das LSG aufzuklären haben, ob andere funktional ebenso einsetzbare, aber kostengünstigere Hilfsmittel angeboten werden. In diesem Zusammenhang wird zu prüfen sein, ob das der Klägerin gewährte Vorlesegerät mit einem auch zur mobilen Nutzung geeigneten Barcodemodul gekoppelt werden kann und welche Kosten für diese Zusatzversorgung ggf anfallen würden. Bei der Prüfung einer Alternativversorgung wird das LSG neben der Produktpalette der Firma S. GmbH auch die Angebote anderer Anbieter zu berücksichtigen haben. Entsprechende Versorgungsalternativen sind festzustellen sowie hinsichtlich ihrer Nutzungsmöglichkeiten und der Anschaffungs- und Betriebskosten zu vergleichen.

30

Im Rahmen der abschließenden Beurteilung des klägerischen Anspruchs wird das LSG im Übrigen wohl davon ausgehen können, dass die Klägerin mit der Spezifizierung ihres Antrages auf die Gewährung des Barcodelesegerätes "EinkaufsFuchs" der Firma S. GmbH nicht die Gewährung von Barcodelesegeräten anderer Hersteller ausschließen wollte. Die Beschränkung war offensichtlich der Beauftragung der Firma S. GmbH mit der Durchführung des Antragsverfahrens geschuldet, enthält aber zumindest hilfsweise den Antrag auf Gewährung eines vergleichbaren Gerätes anderer Hersteller.

31

8. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. März 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Versorgung mit einer elektrisch betriebenen mobilen Treppensteighilfe, um mit Hilfe ihrer Tochter im Rollstuhl sitzend Treppen überwinden zu können.

2

Die 1952 geborene Klägerin leidet an Multipler Sklerose mit beinbetonter Tetraparese und ist deswegen auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie ist schwerpflegebedürftig und bezieht von der Pflegekasse seit November 2005 Leistungen nach der Pflegestufe II. Von der Beklagten ist sie sowohl mit einem - manuell zu bewegenden - mechanischen Rollstuhl als auch mit einem Elektrorollstuhl versorgt worden. Am 5.5.2006 beantragte sie unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung die Ausstattung mit einer elektrisch betriebenen Treppensteighilfe (Treppenfahrgerät) des Typs Scalamobil (Hilfsmittelverzeichnis - HMV - Nr 18.65.01.1000) als Hilfsmittel der GKV, weil sie seit Ende 2005 auch mit Hilfe einer Begleitperson nicht mehr selbst Treppen steigen könne. Dabei handelt es sich um ein mobiles Treppensteiggerät für manuell betätigte Rollstühle. Seiner Konstruktion nach kann es von einer Begleitperson allein bedient werden, sofern diese in der Lage ist, rückwärts Treppen zu steigen, mindestens 10 kg zu heben und selbst nicht auf Gehhilfen angewiesen ist. An dem Rollstuhl wird dauerhaft eine spezielle Halterung angebracht, an der das Scalamobil jeweils mit wenigen Handgriffen befestigt wird. Dabei müssen die großen Hinterräder des Rollstuhls entfernt werden. Nach dem Einsatz werden die Hinterräder wieder anmontiert und das Scalamobil von der Halterung abgenommen. Der Vorteil für den Rollstuhlfahrer besteht darin, dass er vor und nach dem Treppensteigen nicht umsitzen muss. Außerhalb der Wohnung muss das Scalamobil jeweils bis zu seinem Einsatzort vom Rollstuhl getrennt mitgeführt werden; dies geschieht regelmäßig durch Mitnahme in dem Fahrzeug, mit dem die Begleitperson auch den Versicherten und dessen Rollstuhl transportiert.

3

Zur Begründung ihres Antrages machte die Klägerin geltend, die Wohnungen mehrerer ihrer Freunde und Verwandten, die sie regelmäßig besuche, seien nur über Treppen erreichbar. Gleiches gelte für die Praxen ihres Frauenarztes und ihres Zahnarztes, die sie jeweils ein- oder zweimal jährlich aufsuche. Auch zum wöchentlichen Kirchgang müsse eine Treppe bewältigt werden. Ebenso seien Treppenstufen zu überwinden, wenn sie in den Garten ihres Hauses oder in den Keller wolle, in dem neben eigenen Räumen auch eine Kellerwohnung liege, die sie vermietet habe und ab und zu aufsuchen müsse. Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag ab, weil die Klägerin mit den Rollstühlen ausreichend versorgt sei. Sie könne damit ihre ebenerdig gelegene Wohnung uneingeschränkt nutzen sowie den Nahbereich um das Grundstück erschließen. Damit sei das Grundbedürfnis auf Mobilität ausreichend erfüllt. Für die soziale Eingliederung eines Versicherten in sein gesellschaftliches Umfeld seien die Krankenkassen nicht zuständig (Bescheid vom 18.5.2006, Widerspruchsbescheid vom 24.1.2007).

4

Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kosten für die Beschaffung eines Scalamobil Treppensteiggerätes zu übernehmen (Urteil vom 31.10.2007). Das LSG hat diese Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 3.3.2009): Das Scalamobil sei zur Gewährleistung des allgemeinen Grundbedürfnisses der Bewegungsfreiheit nicht erforderlich. Mit den Rollstühlen sei die Klägerin ausreichend versorgt. Für die maximal viermal im Jahr anfallenden Besuche beim Frauenarzt und Zahnarzt könne der Fahrdienst in Anspruch genommen werden, der angesichts des Kaufpreises für ein Scalamobil (Typ S 30 IQ) von ca 5400 Euro (im gebrauchten Zustand ca 3600 Euro) auch deutlich preisgünstiger sei, weil jährlich nur ca 100 Euro anfielen. Das Aufsuchen des Kellers und des Gartens gehöre nicht zu den elementaren Bedürfnissen des täglichen Lebens. Auch für das Überwinden von Treppen, um Freunde und Verwandte in deren Wohnungen sowie den Gottesdienst zu besuchen, seien die Krankenkassen nicht zuständig, weil es dabei um die soziale und nicht um die medizinische Rehabilitation eines behinderten Menschen gehe.

5

Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin, die mit der Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V) begründet wird. Zur Erschließung eines körperlichen Freiraums im Nahbereich einer Wohnung gehöre auch die Möglichkeit, dort nur über Treppen zu erreichende Orte aufzusuchen, wie es bei den Wohnungen, den Arztpraxen und der Kirche der Fall sei. Die Integration gehbehinderter Versicherter in Familie und Gesellschaft sowie die Pflege sozialer Kontakte außerhalb der eigenen Wohnung stellten elementare Bedürfnisse des täglichen Lebens dar. Das Scalamobil sei ein "Zubehör" zur Modernisierung herkömmlicher mechanischer Rollstühle und entspreche damit dem von der GKV geschuldeten technischen Fortschritt bei Hilfsmitteln. Bei leihweiser Überlassung des Scalamobils seien die Kosten auch deutlich niedriger als vom LSG veranschlagt.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. März 2009 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 31. Oktober 2007 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach §§ 165, 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Versorgung mit einer mobilen Treppensteighilfe besteht. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 18.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.1.2007 ist rechtmäßig.

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1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.

11

a) In erster und zweiter Instanz stritten die Beteiligten nur um die Versorgung mit einer "Scalamobil Treppensteighilfe"; ein spezielles Fabrikat war weder in den Klageanträgen der Klägerin noch im zusprechenden Urteil des SG genannt. Dies ist prozessual unschädlich, weil die Beteiligten nur um den Versorgungsanspruch nach § 33 SGB V dem Grunde nach, nicht aber um ein ganz bestimmtes Fabrikat streiten und zu erwarten ist, dass bei einer rechtskräftigen Verurteilung der Beklagten zur Ausstattung der Klägerin mit einer mobilen Scalamobil Treppensteighilfe kein zusätzlicher Streit über das Fabrikat entstehen würde. In der ärztlichen Verordnung vom 5.5.2006 war allerdings noch ein spezielles Fabrikat genannt, nämlich das im HMV unter Nr 18.65.01.1000 aufgeführte Scalamobil S 28, das aber mittlerweile nicht mehr lieferbar ist (vgl zB die Übersicht bei der Rehadat Datenbank Hilfsmittel, Stand 28.7.2010). Lieferbar sind derzeit Scalamobile der Fabrikate S 30 IQ (HMV Nr 18.65.01.1008) und S 31 (HMV Nr 18.65.01.1009). Die Verordnung ist bei sach- und interessengerechter Auslegung jedoch nicht so zu verstehen, das diese Fabrikate ausgeschlossen sein sollten; vielmehr soll ein Scalamobil in geeigneter Ausführung geliefert werden. Der Klageantrag ist damit hinreichend spezifiziert. Es fehlt auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis, wie es bei der Alternativen ausschließenden Beantragung der Versorgung mit einem ganz bestimmten Fabrikat eines Hilfsmittels der Fall wäre, das im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr lieferbar und auch nicht im Fundus vorrätig ist.

12

b) Unerheblich ist im vorliegenden Zusammenhang, dass die Bezeichnung "Scalamobil" nur einen Markenname der Fa. A. GmbH darstellt. Möglicherweise sind am Markt auch elektrisch betriebene Treppensteighilfen anderer Hersteller verfügbar. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin ebenso geeignete Treppensteighilfen anderer Hersteller ausschließen will und diese nicht wenigstens hilfsweise von ihrem Klagebegehren umfasst werden. Da es hier aber schon an einem Versorgungsanspruch dem Grunde nach fehlt, brauchte nicht ermittelt zu werden, ob eine Scalamobil Treppensteighilfe dem Gebot der Wirtschaftlichkeit der Hilfsmittelversorgung (§ 12 Abs 1, § 70 Abs 1 SGB V) entspricht oder ob es eine preisgünstigere, ebenso geeignete Treppensteighilfe anderer Hersteller gibt.

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2. Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung geltenden Fassung des Art 1 Nr 17 Buchst a "Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz" vom 26.3.2007, BGBl I 378), der inhaltlich der bei Antragstellung gültigen Fassung des Art 5 Nr 9 des Gesetzes vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) entspricht. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Der Anspruch umfasst nach § 33 Abs 1 Satz 4 SGB V auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen(vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 16). Die Voraussetzungen des Versorgungsanspruchs nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sind hier nicht erfüllt. Der mit der Bereitstellung der mobilen Treppensteighilfe bezweckte zusätzliche Behinderungsausgleich betrifft nicht die - von der GKV allein geschuldete - medizinische Rehabilitation der Klägerin, sondern deren soziale bzw gesellschaftliche Integration und Rehabilitation, die in den Zuständigkeitsbereich anderer Sozialleistungsträger fällt, wobei vor allem die Sozialhilfe zu nennen ist.

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3. Der Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V besteht nicht allein deshalb, weil die begehrte Treppensteighilfe vertragsärztlich verordnet(§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V) worden und im HMV (§ 139 SGB V) verzeichnet ist. Den Krankenkassen steht ein eigenes Entscheidungsrecht zu, ob ein Hilfsmittel nach Maßgabe des § 33 SGB V zur medizinischen Rehabilitation, also zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, zur Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung oder zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung, im Einzelfall erforderlich ist; dabei können die Krankenkassen zur Klärung medizinisch-therapeutischer Fragen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einschalten (vgl § 275 Abs 3 Nr 1 SGB V). Eine vertragsärztliche Verordnung wäre nur dann für die Krankenkassen verbindlich, soweit sie für bestimmte Hilfsmittel auf ein Prüfungs- und Genehmigungsrecht generell verzichtet haben, was zB durch diverse vertragliche Vereinbarungen mit Leistungserbringern bzw deren Verbänden möglich ist (§ 127 SGB V). Eine solche Vereinbarung ist für Treppensteighilfen nicht geschlossen worden.

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4. Die Treppensteighilfe ist auch nicht schon deshalb zu gewähren, weil die Klägerin wegen ihrer Gehunfähigkeit mit zwei Rollstühlen versorgt worden ist und das Gerät die ausschließliche Funktion hat, einen gehunfähigen Versicherten im Rollstuhl sitzend und ohne Notwendigkeit des Umsitzens (aber nicht aus eigener Kraft, sondern nur mit Hilfe einer Begleitperson, die das Gerät bedient) Treppen überwinden zu lassen und so Orte erreichen zu können, die ihnen sonst verwehrt bleiben oder die nur auf andere, beschwerlichere Weise erreicht werden könnten. Obwohl eine Treppensteighilfe also nur in Kombination mit einem Rollstuhl eine Funktion hat und insofern als "Zusatzgerät" zum Rollstuhl bezeichnet werden kann, folgt aus der medizinischen Notwendigkeit des Rollstuhls noch nicht die Notwendigkeit der Treppensteighilfe. Dieses Gerät hat im Rahmen des - hier allein in Betracht kommenden - Behinderungsausgleichs (3. Variante des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) für einen gehunfähigen Versicherten eine eigenständige Bedeutung, weil es die Bewegungsmöglichkeiten mit dem Rollstuhl erweitert, indem Treppen kein unüberwindliches Hindernis mehr darstellen, um bestimmte Orte aufzusuchen. Eine Treppensteighilfe hat also von ihrer Konstruktion und ihrem Verwendungszweck her einen eigenständigen Nutzen für den Versicherten und seine Begleitperson. Dieser Gebrauchsvorteil muss den Kriterien der Versorgung mit einem "anderen Hilfsmittel" iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V zum Zwecke des Behinderungsausgleichs genügen und verlangt somit eine gesonderte, von der Notwendigkeit der Versorgung mit einem Rollstuhl unabhängige Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen.

16

5. Der Behinderungsausgleich nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V(vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) hat zweierlei Zielrichtung:

17

a) Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, wie es zB insbesondere bei Prothesen der Fall ist. Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-leg-Prothese). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen.

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b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (vgl zB § 5 Nr 2 SGB IX: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und § 5 Nr 4 SGB IX: Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 13; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

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c) Im vorliegenden Fall geht es - wie bei der Ausstattung mit einem Rollstuhl - nicht um den unmittelbaren, sondern nur um einen mittelbaren Behinderungsausgleich, weil durch das Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht wird (wie zB bei einer Beinprothese). Ausgeglichen werden lediglich die Folgen der Funktionsbeeinträchtigung der Beine, hier in Form der Unfähigkeit, selbst und aus eigener Kraft - oder auch nur mit stützender Hilfe einer Begleitperson - eine Treppe hinauf- und herabzusteigen. Das dabei betroffene allgemeine Grundbedürfnis des täglichen Lebens ist aber nicht das selbstständige Wohnen, weil dies zum einen nur auf die Möglichkeit ausgerichtet ist, trotz der Behinderung dauerhaft in einer eigenen Wohnung zu leben, und zum anderen vor allem auf Hilfsmittel abzielt, die vom Behinderten selbst bedient werden und ihn von fremder Hilfe ganz oder teilweise unabhängig machen. Dies ist hier gerade nicht der Fall, weil die Treppensteighilfe nur durch die Begleitperson zu bedienen ist, der gehunfähige Versicherte also selbst dann auf Hilfe angewiesen bleibt, wenn er sich mit seinem Rollstuhl ansonsten aus eigener Kraft fortbewegen kann.

20

Betroffen ist vielmehr das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums in Form der Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich. Diese Bewegungsmöglichkeit wird zwar grundsätzlich durch Rollstühle gewährleistet, stößt aber dort an ihre Grenzen, wo Treppen, also mehr als nur einzelne Stufen (zB bei einer Bordsteinkante) zu bewältigen sind. Hier kann eine Treppensteighilfe vom Grundsatz her eine geeignete Hilfe sein, die ansonsten eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit eines Rollstuhlfahrers - wenn auch nur mit fremder Unterstützung - zu erweitern. Dabei muss aber der Zweck, eine bestimmte Treppe im Rollstuhl sitzend zu überwinden und so an einen ansonsten nicht oder nur unter besonderen Schwierigkeiten zu erreichenden Ort zu kommen, vom Maßstab der medizinischen Rehabilitation gedeckt sein, weil die GKV nur für diesen Bereich der Hilfsmittelversorgung zuständig ist (§ 5 Nr 1 SGB IX). Die Leistungspflicht der GKV entfällt, wenn zB die berufliche oder die soziale Rehabilitation bezweckt wird (§ 5 Nr 2 und 4 SGB IX).

21

d) Ein über die Befriedigung von allgemeinen Grundbedürfnissen hinausgehender Behinderungsausgleich ist als Leistung der GKV nicht vorgesehen, was sich aus der Regelung des § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ergibt, die der Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Hilfsmittelversorgung mit Wirkung zum 1.7.2001 in Kraft gesetzt hat. Damit wird der Hilfsmittelbegriff für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs 1, § 5 Nr 1 SGB IX) einheitlich definiert. Selbst wenn der Vorrang abweichender Regelungen für den einzelnen Rehabilitationsträger weiterhin besteht (§ 7 SGB IX), kann aus der insoweit unberührt gebliebenen Fassung des § 33 SGB V nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe nunmehr den Behinderungsausgleich durch die GKV über die bisherige Rechtsprechung hinaus ausweiten wollen(BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 16).

22

Nach diesen Maßstäben besteht kein Anspruch der Klägerin nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V, auf Kosten der Beklagten mit einer Treppensteighilfe versorgt zu werden, und zwar unabhängig davon, ob es um die Übereignung oder die leihweise Überlassung des Geräts geht und auch unabhängig davon, ob das Gerät fabrikneu oder schon gebraucht ist. Der Versorgungsanspruch besteht bereits vom Grundsatz her nicht.

23

6. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die Überwindung der Kellertreppe im Hause sowie der zum Garten führenden Treppe durch Ausstattung mit einer Treppensteighilfe zu ermöglichen. Die Krankenkassen sind nicht für solche Hilfsmittel eintrittspflichtig, die ein dauerhaft behinderter Versicherter allein wegen seiner individuellen Wohnsituation benötigt.

24

a) Bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV kommt es nicht auf die konkreten Wohnverhältnisse des einzelnen Versicherten an, sondern auf einen generellen, an durchschnittlichen Wohn- und Lebensverhältnissen orientierten Maßstab. Besonderheiten der Wohnung und des Umfeldes, die anderswo - etwa nach einem Umzug - regelmäßig so nicht vorhanden sind und einem allgemeinen Wohnstandard nicht entsprechen, sind bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV nicht zu berücksichtigen. Der Versicherte muss das Hilfsmittel also nicht nur gerade wegen der Besonderheiten seiner konkreten Wohnverhältnisse, sondern in gleicher Weise auch in einer anderen Wohnung und deren Umfeld benötigen. Mit anderen Worten: Ein anderer Versicherter mit den gleichen körperlichen Behinderungen müsste auf das Hilfsmittel in dessen Wohn- und Lebenssituation ebenfalls angewiesen sein. Fehlt es daran, ist ein Anspruch nach § 33 SGB V in der Regel ausgeschlossen. Es kann sich dann nur um eine Form der Hilfe zur Anpassung an die konkrete Wohnsituation handeln, für die nicht die Krankenkassen, sondern der Versicherte selbst - im Rahmen seiner Eigenverantwortung - oder andere Sozialleistungsträger (zB Pflegekassen, Sozialhilfeträger, Unfallversicherungsträger) zuständig sein können.

25

b) In diesem vorstehenden Sinne ist die Zuständigkeit für den Ausgleich von Behinderungsfolgen im Bereich der Mobilität vom Gesetzgeber nach dem geltenden Recht grundsätzlich anderen Zweigen der Sozialversicherung oder der Eigenverantwortung der behinderten Menschen selbst zugewiesen. Nachdem bereits die frühere Rechtsprechung des BSG nur ausnahmsweise von einer entsprechenden Einstandspflicht der GKV ausgegangen war, hat der Gesetzgeber insbesondere mit der Begründung eines Anspruchs auf Leistungen für wohnumfeldbezogene Maßnahmen im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung in dieser Hinsicht eine grundlegende Systementscheidung getroffen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 40 Abs 4 SGB XI. Danach gilt: "Die Pflegekassen können subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Die Höhe der Zuschüsse ist unter Berücksichtigung der Kosten der Maßnahme sowie eines angemessenen Eigenanteils in Abhängigkeit von dem Einkommen des Pflegebedürftigen zu bemessen. Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von 2557 Euro je Maßnahme nicht übersteigen." Diese Norm ist Teil des Gesetzesprogramms, der häuslichen Pflege den Vorrang vor der stationären Pflege zu geben (§ 3 Satz 1 SGB XI). Sie berücksichtigt, dass Leistungen zur Anpassung des Wohnumfeldes an die Bedürfnisse kranker und behinderter Menschen im Sozialleistungssystem der GKV nicht vorgesehen waren und deshalb ein in die Zuständigkeit der Pflegeversicherung fallender Leistungsbedarf bestehen kann, soweit nicht andere Träger für die behindertengerechte Gestaltung des Wohnumfeldes einzustehen haben. Hat kein anderer Leistungsträger vorrangig einzutreten, soll deshalb die soziale Pflegeversicherung - allerdings beschränkt auf den finanziellen Rahmen des § 40 Abs 4 Satz 3 SGB XI - die behindertengerechte Umgestaltung der Wohnung des Pflegebedürftigen fördern, wenn dadurch die häusliche Pflege überhaupt erst ermöglicht oder erheblich erleichtert wird oder ein Verbleiben des Pflegebedürftigen in seiner häuslichen Umgebung und damit eine möglichst selbstständige Lebensführung sichergestellt werden kann(vgl BT-Drucks 12/5262 S 114 zu Art 1 § 36 Abs 4 des Gesetzesentwurfs von CDU/CSU und FDP zum Pflege-Versicherungsgesetz).

26

c) Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber des SGB XI an die schon zuvor seit langem bestehende Unterscheidung zwischen der behindertengerechten Anpassung der Wohnsituation einerseits und der Versorgung mit Hilfsmitteln zur Bewältigung oder Minderung von Behinderungsfolgen andererseits angeknüpft. In diesem Sinne war bereits in der Einweisungsnorm des § 29 SGB I in der bis zum 30.6.2001 geltenden Fassung vom 11.12.1975 (BGBl I 3015) bei Leistungen zur Eingliederung behinderter Menschen unterschieden worden zwischen Leistungen zur allgemeinen sozialen Eingliederung mit Hilfen ua "zur Verbesserung der wohnungsmäßigen Unterbringung" (§ 29 Abs 1 Nr 3 Buchst h SGB I) auf der einen und medizinischen Leistungen unter Einschluss von Hilfsmitteln (§ 29 Abs 1 Nr 1 Buchst d SGB I) auf der anderen Seite. Daran anschließend ist in dem am 1.1.1997 in Kraft getretenen SGB VII in dessen § 41 eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für Wohnungshilfe normiert worden, wonach diese erbracht wird, "wenn infolge Art oder Schwere des Gesundheitsschadens nicht nur vorübergehend die behindertengerechte Anpassung vorhandenen oder die Bereitstellung behindertengerechten Wohnraums erforderlich ist." Andererseits hat der Gesetzgeber in Abgrenzung dazu durch das zum 1.7.2001 in Kraft getretene SGB IX in dessen § 31 Abs 1 explizit klargestellt, dass zur Hilfsmittelversorgung solche Hilfen nicht rechnen, die bei einem Wohnungswechsel "nicht mitgenommen werden können". Ähnlich ist in § 18 Abs 1 Satz 4 "Verordnung über die Versorgung mit Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz" mit der am 1.1.1990 in Kraft getretenen Fassung vom 4.10.1989 (BGBl I 1989, 1834) zur Hilfsmittelversorgung bestimmt: "Unbewegliche Gegenstände werden nicht geliefert."

27

d) Diese an die frühere Rechtsprechung noch unter Geltung der RVO anknüpfende Systementscheidung des Gesetzgebers kann nur durch diesen selbst, nicht aber durch die Gerichte korrigiert werden. Nicht zu verkennen ist zwar, dass die von der Pflegeversicherung gewährte Unterstützung in dem knappen - und seit seiner Einführung auch nicht angepassten - finanziellen Rahmen des § 40 Abs 4 Satz 3 SGB XI dem tatsächlichen Bedarf für eine behindertengerechte Wohnungsausstattung kaum gerecht werden kann. Dies den heutigen Verhältnissen anzupassen ist aber nicht Aufgabe der Gerichte, sondern allein des Gesetzgebers. Demgemäß ist - wie bereits unter Geltung der RVO - nach der gegenwärtigen Rechtslage weiter maßgebend, dass Hilfen bei der Beschaffung und Unterhaltung einer den Bedürfnissen behinderter Menschen entsprechenden Wohnung über die Zuständigkeit der GKV hinausreichen, und zwar vor allem - aber nicht nur - dann, wenn sie mit der Veränderung der Wohnung selbst verbunden sind (BSG SozR 2200 § 182b Nr 10, 23 und 29). Daran hat das BSG nach dem Inkrafttreten von § 40 SGB XI und § 31 SGB IX weiter festgehalten. Eine Hilfe zählt danach zu den Mitteln der behinderungsgerechten Zurichtung der Wohnung und nicht zu den Hilfsmitteln nach § 33 SGB V und § 31 SGB IX, wenn sie nur in der konkreten Wohnung (Wohngrundstück) wegen deren besonderer Beschaffenheit erforderlich ist, nicht aber, wenn es dieser Hilfe typischerweise und erfahrungsgemäß auch in anderen Wohnungen bzw Wohngebäuden bedarf(BSGE 101, 22 = SozR 4-2500 § 33 Nr 18, RdNr 11 ff - Deckenlifter). Eine Treppensteighilfe ist hinsichtlich des häuslichen Einsatzes insoweit kein von der konkreten Wohnsituation unabhängiges Hilfsmittel, weil das Gerät in einer treppenlosen Wohnumgebung nicht erforderlich ist.

28

e) Die Zweigeschossigkeit einer Wohnung (Maisonette) oder ein Dachboden zählen nicht zum allgemeinen Wohnstandard, so dass die beklagte Krankenkasse keine Hilfsmittel für deren Erreichbarkeit zur Verfügung stellen muss. Dies gilt in entsprechender Weise auch für einen Hausgarten (so bereits BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 9). Schon deshalb stellt sich nicht die Frage, ob eine Treppensteighilfe erst dann in Betracht käme, wenn die Erreichbarkeit des Hausgartens über eine Betonrampe oder über einen Außenlift nicht zu realisieren und diese Maßnahme preisgünstiger wäre. Da es hier um eine erwachsene Versicherte geht, braucht auch nicht entschieden zu werden, ob die Nutzung des Hausgartens wenigstens für Kinder und Jugendliche ein Grundbedürfnis darstellen kann, wie es der Senat im Urteil im Zusammenhang mit der Bezuschussung des barrierefreien Zugangs zum Garten (§ 40 Abs 4 SGB XI)angedeutet hat (BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 9).

29

f) Soweit der Zugang zur Wohnung nur über eine Treppe im Hausflur (Treppenhaus) möglich ist, handelt es sich zwar durchaus um den allgemein üblichen durchschnittlichen Wohnstandard, gerade bei Mietshäusern. Nach dem vorstehend aufgezeigten Maßstab fällt indes die Leistungszuständigkeit für Hilfen bei der Bewältigung solcher Hürden nach dem geltenden Recht grundsätzlich nicht in den Verantwortungsbereich der GKV.

30

h) Das vorstehende Ergebnis behält auch im Lichte des § 33 SGB I Bestand, dort heißt es: "Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art und Umfang nicht im einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind." Auf diese Regelung kann sich die Klägerin bei der Auslegung des Leistungsrechts nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht stützen.

31

Die in § 33 SGB I angesprochene Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse betrifft nur die Ausgestaltung vorhandener Rechtsansprüche, nicht hingegen die Begründung der Rechtsansprüche als solche. Dies bezieht sich also nicht auf das "Ob" des Bestehens, sondern nur auf das "Wie" der Erfüllung einer bestehenden Leistungspflicht (Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2010, § 33 RdNr 2). Demgemäß hat der Senat bei einem gehbehinderten und auch in der Armkraft beeinträchtigten Versicherten, der den Nahbereich seiner Wohnung nicht mehr zu Fuß erschließen konnte, einen Anspruch nach § 33 SGB V auf eine Mobilitätshilfe mit Elektromotor zuerkannt und bei dessen Ausgestaltung ein Wahlrecht zwischen einem Elektrorollstuhl und einem Shoprider nach § 33 SGB I angenommen(BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1).

32

g) Offen lässt der Senat die Frage, ob der Ausschluss der Leistungspflicht der GKV nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V für in der Wohnung bzw im Haus einzusetzende Treppensteighilfen nicht nur bei dauerhaft, sondern auch bei vorübergehend (zB nach einer Verletzung) "behinderten" Versicherten gilt, die in absehbarer Zeit auf bestimmte Hilfsmittel oder andere Hilfen nicht mehr angewiesen sind und denen deshalb ein Umzug oder eine behinderungsgerechte Umgestaltung der Wohnung nicht zugemutet werden kann. Die zeitliche Grenze wird dabei durch § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX vorgegeben: "Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist." Diese Sechsmonatsgrenze des SGB IX korrespondiert mit der Regelung der Pflegebedürftigkeit in der sozialen Pflegeversicherung. Nach § 14 Abs 1 SGB XI sind Personen pflegebedürftig, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens "auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate", in erheblichen oder höherem Maße der Hilfe bedürfen.

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7. Die Klägerin kann den Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit einer Treppensteighilfe nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V auch nicht auf das Argument stützen, sie benötige dieses Hilfsmittel, um die Wohnungen von Verwandten und Freunden, Arztpraxen und die örtliche Kirche aufzusuchen.

34

a) Das allgemeine Grundbedürfnis auf Mobilität im Nahbereich der Wohnung ist durch die Ausstattung der Klägerin mit zwei Rollstühlen gewährleistet. Hinsichtlich des von der Erschließung des Nahbereichs ebenfalls umfassten Zugangs zu den Gebäuden in diesem Bereich ist zu unterscheiden zwischen - öffentlichen oder privaten - Gebäuden mit Publikumsverkehr (Behörden, Post, Geldinstitute, Kirchen, Theater, Supermärkte, Läden, Kliniken, Apotheken, Arztpraxen) einerseits und privaten Gebäuden ohne Publikumsverkehr (Wohngebäude) andererseits. Anders als nach der dem Treppenraupen-Urteil vom 22.5.1984 (BSG SozR 2200 § 182b Nr 29) zugrunde liegenden Situation Anfang der 1980-er Jahre, als auf die besonderen Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern beim Gebäude- und Straßenbau noch wenig Rücksicht genommen wurde und die Forderung nach weitgehender Barrierefreiheit noch nicht ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen war, ist heutzutage festzustellen, dass Gebäude mit Publikumsverkehr in aller Regel einen ebenerdigen Zugang haben und bei Mehrgeschossigkeit ein Fahrstuhl vorhanden ist. Fehlt es bei einem öffentlichen Gebäude noch an einem behindertengerechten Eingangsbereich, ist in aller Regel zumindest eine Rufanlage vorhanden, um den Pförtner zu benachrichtigen, der Hilfe gewährt oder organisiert. Die Herstellung der Barrierefreiheit öffentlicher und vieler ziviler Bauten ist sowohl auf der Ebene des Bundes als auch in den Ländern gesetzlich der Verantwortung der Eigentümer zugewiesen und damit der Zuständigkeit der GKV entzogen (vgl §§ 4 und 8 Behindertengleichstellungsgesetz vom 27.4.2002 und § 554a BGB; auf Länderebene vgl zB § 3 Hessisches Behinderten-Gleichstellungsgesetz vom 20.12.2004 und §§ 2, 33, 43, 46 Hessische Bauordnung vom 18.6.2002). Nur bei vor Erlass dieser Regelungen errichteten privaten Gebäuden ohne Publikumsverkehr, insbesondere selbstgenutzten Wohngebäuden und Mietshäusern, ist gelegentlich noch keine Barrierefreiheit vorhanden (vgl zum Anpassungsanspruch betroffener Mieter § 554a BGB). Die fortschreitende, wenn auch noch nicht vollständig hergestellte Barrierefreiheit in Deutschland stellt eine generelle Tatsache dar, zu deren Feststellung das Revisionsgericht selbst berechtigt ist (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 163 RdNr 7). Wegen dieser grundlegend geänderten rechtlichen Bewertung und der daraus folgenden tatsächlichen Situation in Bezug auf die Barrierefreiheit von Gebäuden mit Publikumsverkehr und des öffentlichen Raums geht der Senat nunmehr davon aus, dass im Nahbereich der Wohnung üblicherweise keine Treppen mehr zu überwinden sind und die Herstellung der Barrierefreiheit öffentlicher und vieler ziviler Bauten weiterhin voranschreitet. Deshalb steht einer/einem Versicherten kein Anspruch gegen die Krankenkasse auf Gewährung einer Treppensteighilfe (Treppenraupe) in diesem Rahmen zu; die dies noch bejahende Rechtsprechung des 8. Senats des BSG aus dem Jahre 1984 (BSG SozR 2200 § 182b Nr 29) gibt der nunmehr allein für das Hilfsmittelrecht der GKV zuständige 3. Senat des BSG daher auf.

35

b) Soweit die Klägerin die Überwindung von Treppen in fremden Wohngebäuden geltend macht, geht es um den Besuch bei Verwandten und Freunden. Dabei dient die Treppensteighilfe aber nicht der medizinischen Rehabilitation, sondern der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Für den Bereich der sozialen Rehabilitation ist aber nicht die Krankenkasse, sondern - gegebenenfalls - der Sozialhilfeträger (§ 5 Nr 4 iVm § 6 Abs 1 Nr 7 SGB IX und § 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX) leistungspflichtig.

36

c) Zur sozialen Rehabilitation und Integration zählt auch der Besuch des Gottesdienstes und von Veranstaltungen. Die Leistungspflicht der GKV ist also auch insoweit ausgeschlossen.

37

d) Zur medizinischen Rehabilitation gehört in vorliegendem Zusammenhang allerdings die Sicherstellung der Möglichkeit, die noch nicht barrierefrei gestalteten Praxen des Frauenarztes und des Zahnarztes aufsuchen zu können. Insofern fehlt es jedoch an der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit der Hilfsmittelversorgung. Da es um insgesamt nur vier Arztbesuche jährlich geht, kann die Klägerin auf den Fahrdienst (§ 60 SGB V) verwiesen werden, für den die Beklagte nach Feststellung des LSG pro Jahr lediglich rund 100 Euro aufzubringen hätte. Der Fahrdienst übernimmt auch den Transport des Versicherten und des Rollstuhls in die Praxisräume. Deshalb ist die Inanspruchnahme des Fahrdienstes objektiv wirtschaftlich und der Klägerin subjektiv zumutbar.

38

8. Der Leistungsanspruch gegen die Beklagte lässt sich auch nicht aus anderen Rechtsvorschriften herleiten.

39

a) Ein Anspruch aus § 31 SGB IX scheidet aus. Diese Vorschrift gibt hinsichtlich des Hilfsmittelbegriffs nur den Regelungsgehalt wieder, wie er durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt worden ist, und bestätigt somit diese Rechtsprechung. Eine Ausweitung der Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung war nicht beabsichtigt, was vor allem darin zum Ausdruck kommt, dass nach § 7 Satz 2 SGB IX die Regelung des § 33 SGB V maßgeblich bleibt: "Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen"(vgl im Einzelnen BSGE 91, 60 RdNr 12, 13 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3, RdNr 13, 14 sowie zur Gesetzesbegründung BT-Drucks 14/5074 S 94).

40

b) Aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Benachteiligung behinderter Menschen in Art 3 Abs 3 Satz 2 GG ergeben sich ebenfalls keine weitergehenden Leistungsansprüche gegen die GKV bei der Hilfsmittelversorgung. Zwar ist das Verbot einer Benachteiligung zugleich mit einem Auftrag an den Staat verbunden, auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken (vgl BT-Drucks 12/8165 S 29). Diesem Auftrag zur Umsetzung und Konkretisierung hat der Gesetzgeber mit dem SGB IX Rechnung getragen, ohne dass damit der Auftrag als erledigt anzusehen wäre. Der somit fortbestehende Auftrag zur Ausgestaltung des Sozialstaatsgebots begründet indes keine konkreten Leistungsansprüche (BSGE 91, 60 RdNr 14 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 15).

41

c) Auch eine Leistungspflicht der Beklagten nach § 14 SGB IX scheidet aus. Diese Vorschrift ist als Anspruchsgrundlage zu prüfen, weil eine Leistungspflicht nach § 33 SGB V (bzw § 31 SGB IX) ausscheidet und die Beklagte als erstangegangener Träger den Leistungsantrag seinerzeit nicht an einen anderen Sozialleistungsträger weitergeleitet hat.

42

aa) Eine Leistungspflicht anstelle der Pflegekasse entfällt schon deshalb, weil die Pflegekassen nicht zu den Rehabilitationsträgern iS des SGB IX gehören, an die ein Leistungsantrag weitergeleitet werden könnte.

43

bb) Eine Leistungspflicht der Beklagten anstelle des Sozialhilfeträgers scheidet ebenfalls aus. Die Klägerin gehört - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht zu dem Personenkreis, der Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen könnte.

44

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art oder Umfang nicht im einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art oder Umfang nicht im einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Juli 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Bewilligung eines elektronischen Produkterkennungssystems mit Sprachausgabe (Barcodelesegerät) als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für eine hochgradig sehbehinderte Versicherte.

2

Die 1959 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet seit 2005 unter einer Leberschen Optikusatrophie. Infolge dieser Erkrankung verfügt sie nur noch über ein Restsehvermögen von 2 % beidseitig, das ihr die grobe Kontrast- und die Hell-Dunkel-Wahrnehmung ermöglicht. Sie ist mit einem Vorlesegerät mit Braillezeile versorgt. Im März 2007 beantragte die Firma S. GmbH im Auftrag der Klägerin unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung, eines Kostenvoranschlags und des Bescheides über die Aufnahme des Barcodelesegeräts "EinkaufsFuchs" in das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) deren Versorgung mit diesem Gerät zum Preis von 3094 Euro. Mit dem Gerät werden in Strichcodes verschlüsselte Produktdaten von ca 900 000 handelsüblichen Waren über die Sprachausgabe für sehbehinderte Menschen hörbar gemacht. Darüber hinaus können weitere Gegenstände mit beigefügten Strichcode-Etiketten versehen und auf diese Weise individuell zugeordnete Informationen abgerufen werden.

3

Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag ab, weil der durch das begehrte Hilfsmittel ermöglichte selbständige Einkauf nicht zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens zähle (Bescheid vom 28.6.2007, Widerspruchsbescheid vom 20.11.2007). Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung eines "Einkaufs-Fuchs" der Firma S. GmbH als Sachleistung verurteilt (Gerichtsbescheid vom 2.6.2009). Die Versorgung der Klägerin mit diesem Gerät sei zum Ausgleich des durch die Sehbehinderung eingetretenen Funktionsverlusts erforderlich iS des § 33 SGB V. Das Gerät diene der Befriedigung elementarer Bedürfnisse in der Haushaltsführung und der Orientierung bei weiteren grundlegenden Alltagshandlungen. Daher könne offen bleiben, ob der Einkauf zu den elementaren Grundbedürfnissen zähle, wovon allerdings auszugehen sei, weil die Erreichbarkeit eines Ortes zur Tätigung von Alltagsgeschäften und das Alltagsgeschäft selbst einen einheitlichen Lebensvorgang bildeten. In Anbetracht der Nutzungsmöglichkeiten des Gerätes sei diese Hilfsmittelversorgung auch als wirtschaftlich anzusehen. Die Berufung hiergegen hat das LSG unter weitgehender Bezugnahme auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen (Urteil vom 16.7.2010).

4

Mit der vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 33 SGB V. Das Barcodelesegerät sei nicht zum Ausgleich der bestehenden Behinderung im Bereich der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erforderlich. Zum einen zähle der Einkauf nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens. Zum anderen sei das Barcodelesegerät nicht zum Ausgleich der insoweit bestehenden behinderungsbedingten Einschränkungen geeignet, weil für die Kaufentscheidung wesentliche Produktdaten (Preis, Mindesthaltbarkeit) nicht entschlüsselt werden könnten und das Gerät keine Orientierung ohne fremde Hilfe im Geschäft ermögliche. Die Einsatzmöglichkeiten des Hilfsmittels bei der Organisation des Haushalts gingen über die vom Basisausgleich umfassten Tätigkeiten hinaus und seien daher ebenfalls nicht dem Bereich der elementaren Grundbedürfnisse zuzuordnen.

5

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 16.7.2010 und den Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 2.6.2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin verteidigt die angefochtenen Urteile und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das von der Klägerin begehrte Barcodelesegerät kann ein Hilfsmittel der GKV iS des § 33 Abs 1 SGB V sein, denn es ist grundsätzlich geeignet, die Auswirkungen einer Sehbehinderung im Bereich der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens auszugleichen bzw zu mildern. Die bisher vom LSG getroffenen Feststellungen reichen aber nicht aus, um abschließend entscheiden zu können, ob die Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel im Einzelfall erforderlich (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) und wirtschaftlich (§ 12 Abs 1 SGB V) ist.

8

1. Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem Barcodelesegerät bestehend aus einem omnidirektionalen Strichcode-Handscanner, einer Sprachausgabe, einer austauschbaren Speicherkarte mit aktuellem Datenbestand und einem Akku. Rechtsgrundlage für dieses Klagebegehren ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung des Art 1 Nr 17 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen(vgl auch BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - Scalamobil, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Der geltend gemachte Anspruch betrifft konkret das Versorgungsziel des Behinderungsausgleichs (§ 33 Abs 1 Satz 1, 3. Variante SGB V).

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2. Das Barcodelesegerät ist keine Sehhilfe iS des § 33 Abs 2 SGB V, so dass dessen einschränkende Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt sein müssen. Allerdings kann die Abgrenzung zwischen Hilfsmitteln iS des § 33 Abs 1 SGB V und Sehhilfen iS des § 33 Abs 2 SGB V nach der mit Wirkung zum 1.1.2004 vorgenommenen Änderung des § 33 SGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) nicht mehr - wie früher - offen bleiben (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 151; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 18 S 90; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16 S 73 zu der bis 31.12.2003 geltenden Rechtslage). Denn Sehhilfen iS des § 33 Abs 2 SGB V sind Hilfsmittel, für die heute besondere - einschränkende - Anspruchsvoraussetzungen gelten. Unter den Begriff der Sehhilfe sind nur solche sächlichen Mittel zu subsumieren, die das Restsehvermögen verstärken (zB Brillen, Kontaktlinsen, Lupen, Lupenbrillen), während Hilfsmittel, die das behinderungsbedingt eingeschränkte Sehen durch das Ansprechen anderer Körperfunktionen ausgleichen (Hören, taktiler Sinn), als Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 SGB V anzusehen sind. Bereits der Wortsinn "Seh-Hilfe" lässt erkennen, dass es sich um Mittel zur Unterstützung des Sehvermögens handelt. Diesem Begriffsverständnis entspricht auch die in anderen Regelungszusammenhängen vorgenommene Differenzierung. So werden in § 17 Abs 2 der Verordnung über die Versorgung mit Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (Orthopädieverordnung) in der Fassung durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Orthopädieverordnung vom 26.6.2001 (BGBl I 1352) unter der Bezeichnung "Sehhilfen" nur Hilfsmittel aufgeführt, die das Restsehvermögen verstärken (Fernrohrbrillen, Lupen, Bildschirm-Lesegeräte). Dagegen werden Geräte, die Text in Sprache umsetzen, in § 17a Orthopädieverordnung als Kommunikationshilfen bezeichnet. Auch Ziffer 4 der Anlage 5 Bundesbeihilfeverordnung vom 13.2.2009 (BGBl I 326) listet unter dem Begriff der Sehhilfen lediglich Hilfen zur Verbesserung der (Rest-)Sehschärfe, aber keine sonstigen Hilfsmittel auf, die andere Körperfunktionen unterstützen und nur mittelbar Defizite des behinderungsbedingt eingeschränkten Sehens ausgleichen können.

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3. Der Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V besteht weder allein aufgrund der vertragsärztlichen Verordnung(§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V)des Barcodelesegerätes Typ "EinkaufsFuchs" vom 20.2.2007 noch - wie die Vorinstanzen zu Recht angenommen haben - aufgrund der Auflistung dieses Gerätes im HMV (§ 139 SGB V). Den Krankenkassen steht vielmehr ein eigenes Entscheidungsrecht zu, ob ein Hilfsmittel nach Maßgabe des § 33 SGB V zur medizinischen Rehabilitation, also zur Sicherung des Erfolges der Krankenhausbehandlung, zur Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung oder zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung, im Einzelfall erforderlich ist; dabei können die Krankenkassen zur Klärung medizinisch-therapeutischer Fragen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung nach § 275 Abs 3 SGB V einschalten(vgl BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - Scalamobil). Das vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf der Grundlage von § 139 SGB V erstellte HMV legt die Leistungspflicht der GKV gegenüber den Versicherten ebenfalls nicht verbindlich und abschließend fest. Es schließt weder Hilfsmittel von der Versorgung der Versicherten aus, die den gesetzlichen Anforderungen des § 33 SGB V genügen(BSG SozR 4-2500 § 127 Nr 2 RdNr 10), noch besteht ein Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die zwar im HMV verzeichnet, für die aber nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 33 SGB V erfüllt sind. Daher sind die für das unter der Positionsnummer 07.99.04.2001 gelistete Barcodelesegerät "EinkaufsFuchs" im HMV formulierte Beschränkung (Einkaufshilfe im Rahmen der selbständigen Lebensführung unter Berücksichtigung elementarer Grundbedürfnisse) und der Leistungsausschluss bei Nutzung des Hilfsmittels ausschließlich zur Organisation der Wohnung für den klägerischen Anspruch ohne Bedeutung.

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4. Ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Barcodelesegerätes als Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich im vorliegenden Einzelfall erfüllt sind, kann anhand der bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilt werden. Allerdings ist ein Barcodelesegerät grundsätzlich geeignet, die Auswirkungen einer Sehbehinderung bei einem nicht seit Geburt erblindeten bzw sehbehinderten Menschen auszugleichen. Der Behinderungsausgleich nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V hat dabei zwei Zielrichtungen:

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a) Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (vgl BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - RdNr 17 mwN - Scalamobil). Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 RdNr 4 - C-leg-Prothese). Die gesonderte Prüfung, ob mit der vorgesehenen Verwendung ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt in Fällen der Erstausstattung mit Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 18).

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b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung auszugleichen. Im Rahmen dieses sog mittelbaren Behinderungsausgleichs geht es nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V, § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (zum mittelbaren Behinderungsausgleich: BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - RdNr 18 mwN - Scalamobil). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist daher von der GKV nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (stRspr zuletzt: BSG Urteile vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - Therapiedreirad, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen und B 3 KR 13/09 R) - sog Basisausgleich. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - RdNr 18 ff mwN - Scalamobil).

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c) Nach Maßgabe dieser Grundsätze geht es im vorliegenden Fall um ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich, weil das Barcodelesegerät nicht das behinderungsbedingt stark eingeschränkte Sehvermögen wiederherstellen kann, sondern die ausgefallene bzw eingeschränkte Körperfunktion durch Nutzung des nicht beeinträchtigten Hörvermögens kompensiert, indem die auf Gegenständen befindlichen und in Strichcodes verschlüsselten Informationen über eine Sprachausgabe für den sehbehinderten Menschen hörbar gemacht werden. Der Ersatz eines ausgefallenen bzw beeinträchtigten Sinnes durch die Nutzung eines intakten anderen Sinnes stellt sich als mittelbarer Behinderungsausgleich dar (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 14 - Lichtsignalanlage).

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d) Betroffen sind im vorliegenden Fall das allgemeine Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens und die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Das allgemeine Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens umfasst die körperlichen und geistigen Fähigkeiten, die notwendig sind, um ohne fremde Hilfe im häuslichen Umfeld verbleiben zu können. Der dazu erforderliche körperliche Freiraum beinhaltet die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen, die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind und in die Wohnung zurückzukehren. Zu dem für das selbständige Wohnen erforderlichen geistigen Freiraum zählt ua die Fähigkeit, die für eine selbständige Lebens- und Haushaltsführung notwendigen Informationen erhalten bzw aufnehmen zu können. Das Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens kann jedoch nur verwirklicht werden, wenn bestimmte Grundvoraussetzungen im Sinne von elementaren Rahmenbedingungen erfüllt sind. Diese Grundvoraussetzungen sind üblicherweise dem hauswirtschaftlichen Bereich zuzuordnen. So setzt das selbständige Wohnen ua voraus, dass Nahrungsmittel und Gegenstände des täglichen Bedarfs selbständig besorgt und im häuslichen Umfeld sachgerecht verwendet werden können und dass die Wohnung durch regelmäßiges und ausreichendes Reinigen in einem gesundheitsdienlichen Zustand gehalten werden kann. Die möglichst weitgehende Erfüllung dieser Rahmenbedingungen stellt sich als Annex zu dem allgemeinen Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens dar und findet Ausdruck in dem in § 14 Abs 4 Nr 4 SGB XI enthaltenen Rechtsgedanken. In § 14 Abs 4 SGB XI werden die für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit maßgebenden gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens unterteilt nach den Bereichen Körperpflege(Nr 1), Ernährung (Nr 2), Mobilität (Nr 3) und hauswirtschaftliche Versorgung (Nr 4) aufgezählt. Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung werden das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen genannt. Ungeachtet der unterschiedlichen Zielsetzung der GKV (Bewältigung von Krankheit und ihren Folgen) und der gesetzlichen Pflegeversicherung (partielle Abdeckung des Risikos der Pflegebedürftigkeit) werden mit den in § 14 Abs 1 und 4 SGB XI genannten gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens Bereiche bezeichnet, die für die physische Existenz des Menschen unerlässlich sind und die der Erfüllung seiner Grundbedürfnisse, einschließlich der auf die Person bezogenen hauswirtschaftlichen Versorgung, dienen(BSGE 72, 261, 263 = SozR 3-2500 § 53 Nr 2 S 9). Die in § 14 Abs 4 Nr 4 SGB XI aufgezählten hauswirtschaftlichen Verrichtungen gewährleisten die elementare Lebensführung zu Hause(ähnlich: Udsching in ders, SGB XI, 3. Aufl 2010, § 14 RdNr 28)und sind daher als für das Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens unerlässliche Grundvoraussetzungen zu werten. Die uneingeschränkte Wahrnehmung dieser Verrichtungen ist auch nach dem ICF-Modell der WHO Teil der funktionalen Gesundheit des Menschen (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit - ICF, herausgegeben vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information , Stand Oktober 2005, Kapitel 6 - Häusliches Leben - S 112 ff).

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Wegen der auf die medizinische Rehabilitation beschränkten Zuständigkeit der GKV erstreckt sich deren Leistungspflicht allerdings zum einen nur auf die für ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens unabdingbaren hauswirtschaftlichen Verrichtungen. Zum anderen begründen behinderungsbedingte Einschränkungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Verrichtungen für sich genommen noch keine Leistungspflicht der GKV im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs. Ebenso wie die Pflegebedürftigkeit nicht allein durch einen Hilfebedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung begründet wird, sondern einen zusätzlichen Hilfebedarf im Bereich der Grundversorgung (§ 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI) verlangt (so schon der Entwurf des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 24.6.1993, BT-Drucks 12/5262 S 97; Udsching, aaO, § 14 RdNr 41), setzt die Leistungspflicht der GKV nach § 33 Abs 1 SGB V voraus, dass die durch das begehrte Hilfsmittel ermöglichte hauswirtschaftliche Verrichtung notwendig ist, um ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens sicherzustellen.

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e) Die für das selbständige Wohnen elementaren hauswirtschaftlichen Verrichtungen setzen eine uneingeschränkte visuelle Wahrnehmung voraus. Das gilt sowohl für die Wahrnehmung, dass bestimmte Verrichtungen notwendig sind (zB Verschmutzungsgrad der Wohnung), als auch für die bei Ausübung der jeweiligen Verrichtung notwendigen Arbeitsschritte (zB Auswahl der Reinigungsmittel, Auswahl der Zutaten beim Kochen). Diese Wahrnehmungsmöglichkeit ist bei einem sehbehinderten Menschen aufgehoben bzw beeinträchtigt. Durch ein Barcodelesegerät können diese Einschränkungen grundsätzlich ausgeglichen bzw gemildert werden, indem die für elementare hauswirtschaftliche Verrichtungen erforderlichen Informationen über einzelne Produkte und Gegenstände mittels einer Sprachausgabe für den sehbehinderten Menschen zugänglich gemacht werden (sog ersetzender Ausgleich). Auf diese Weise können zB die für das Sauberhalten der Wohnung und Kleidung notwendigen Reinigungsmittel zutreffend ausgewählt sowie sachgerecht und vor allem gefahrenfrei verwendet werden. Die genaue Kenntnis des Produktinhalts ist gerade bei der Verwendung von Reinigungsmitteln von Bedeutung, deren unsachgemäße Verwendung zu Gesundheitsschäden führen kann (zB bei ätzenden Flüssigkeiten). Auch die hauswirtschaftliche Verrichtung des Kochens als Vorstufe zum anerkannten Grundbedürfnis der Nahrungsaufnahme wird durch ein Barcodelesegerät nicht nur unwesentlich erleichtert, sondern teilweise erst ermöglicht. Denn Voraussetzung für die selbständige Nahrungszubereitung ist eine zutreffende Auswahl und Abmessung der Speisen und Zutaten.

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f) Darüber hinaus ist ein Barcodelesegerät grundsätzlich auch geeignet, die infolge einer Sehbehinderung bestehenden Einschränkungen bei der Erschließung des für das selbständige Wohnen erforderlichen körperlichen und geistigen Freiraums auszugleichen. Soweit nach der Rechtsprechung des Senats der körperliche Freiraum im Sinne eines Basisausgleichs auch die Fähigkeit umfasst, die eigene Wohnung zu verlassen, um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (so erstmals BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27 RdNr 15 - Elektrorollstuhl und BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - RdNr 18 - Scalamobil), bezogen sich diese Entscheidungen jeweils auf Fallkonstellationen, in denen die körperliche Bewegungsfreiheit aufgrund einer Behinderung eingeschränkt war. In diesen Fällen war und ist es Aufgabe der GKV im Rahmen des geschuldeten Basisausgleichs, die Mobilität des behinderten Menschen von der Wohnung zu den Orten im Nahbereich sicherzustellen, an denen Alltagsgeschäfte erledigt werden können. Ist dagegen nicht die Bewegungsfähigkeit als solche, sondern - wie im vorliegenden Fall - die Sinneswahrnehmung infolge einer Behinderung aufgehoben bzw beeinträchtigt, ist in der Regel nicht die Fortbewegung zu einem Ort, an dem Alltagsgeschäfte erledigt werden können, sondern die Betätigung der Alltagsgeschäfte selbst eingeschränkt. In diesen Fallkonstellationen erfordert der in die Zuständigkeit der GKV fallende Basisausgleich, dass der behinderte Mensch nicht nur befähigt wird, die Orte, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind, im Sinne der Fortbewegung zu erreichen, sondern dass ihm auch die Tätigung des Alltagsgeschäfts selbst ermöglicht wird. Der Basisausgleich umfasst in diesem Bereich auch die Möglichkeit zur Wahrnehmung der für eine selbständige Lebens- und Haushaltsführung notwendigen Informationen. Hierzu zählen Informationen über Gegenstände des täglichen Bedarfs, Grundnahrungsmittel, Produkte zur elementaren Körperpflege und zur Reinigung von Wohnung und Kleidung. Die Wahrnehmung dieser Informationen ist bei der Beschaffung und Verwendung der genannten Gegenstände sicherzustellen. Zur Beschaffung zählt der Einkauf - damit ist jedoch weder eine Anerkennung des Einkaufens als allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens noch die Ermöglichung von Einkäufen jeder Art durch Hilfsmittel der GKV verbunden. Zu gewährleisten ist von der GKV vielmehr nur die Möglichkeit des Einkaufs als Alltagsgeschäft, dh die Beschaffung von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs (Definition des Alltagsgeschäfts: BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1 S 5), soweit die Befähigung hierzu aufgrund einer Behinderung aufgehoben bzw eingeschränkt ist und durch das Hilfsmittel ausgeglichen werden kann.

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Die mit dem Barcodelesegerät abrufbaren Informationen (zB Name bzw Produktbezeichnung, Hersteller und Mengenangabe) sind entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht unerheblich, denn sie ermöglichen einem sehbehinderten Menschen einen weitgehend selbständigen Einkauf von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs und damit eine überwiegend selbständige Haushaltsführung. Damit ggf nicht entschlüsselbare Informationen über den Preis und die Mindesthaltbarkeit von Lebensmitteln können im Geschäft leicht erfragt werden. Zudem ist davon auszugehen, dass Lebensmittel in aller Regel nicht außerhalb der Mindesthaltbarkeitsdauer angeboten werden. Im Hinblick auf die persönliche Haushaltsgestaltung und Vorratshaltung können überdies zusätzliche wesentliche Produktinformationen - wie etwa das Einkaufsdatum - zu Hause durch Verwendung der mitgelieferten Strichcodeetiketten verfügbar gemacht werden.

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Außerdem ist die Verwendung des Barcodelesegerätes als Einkaufshilfe nur eine von vielen Einsatzmöglichkeiten des Gerätes. Neben der schnellen und verwechslungsfreien Identifikation käuflich erworbener Produkte und Gegenstände des täglichen Bedarfs im persönlichen Umfeld dient es allgemein der Orientierung in der Wohnung sowie der selbständigen Organisation und Führung des Haushaltes. Die vielfältige Einsetzbarkeit des Barcodelesegerätes wird insbesondere durch die individuelle Verwendung der mitgelieferten Strichcode-Etiketten ermöglicht. Auf diese Weise kann nahezu jeder Gegenstand im persönlichen Umfeld eines sehbehinderten Menschen gekennzeichnet und die individuell vergebene Information jederzeit abgerufen werden.

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5. Die generelle Eignung eines Barcodelesegerätes zur Verwirklichung des als Grundbedürfnis anerkannten selbständigen Wohnens und zur Schaffung des dazu erforderlichen körperlichen und geistigen Freiraums wird weder durch die mögliche Hilfe Dritter noch durch die dem sehbehinderten Menschen möglichen sekundären Sinneswahrnehmungen in Frage gestellt.

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a) Dem Verweis des behinderten Menschen auf die Hilfe Dritter steht bereits die Zielsetzung der Hilfsmittelversorgung entgegen. Wesentliches Ziel der Hilfsmittelversorgung ist es, den behinderten Menschen von der Hilfe anderer weitgehend bzw deutlich unabhängiger zu machen (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27 RdNr 18). Daher kann der für die Leistungspflicht der GKV ausschlaggebende funktionelle Gebrauchsvorteil eines Hilfsmittels auch darin liegen, dass sich der behinderte Mensch durch das Hilfsmittel ein bis dahin nur mit fremder Hilfe wahrnehmbares allgemeines Grundbedürfnis (teilweise) erschließen kann und somit befähigt wird, ein selbständigeres Leben zu führen. In diese Richtung zielen nunmehr ebenfalls Art 19 (Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft) und Art 20 (Persönliche Mobilität) des "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen". Dieses Übereinkommen und sein Fakultativprotokoll sind für Deutschland nach Maßgabe des Vertragsgesetzes vom 21.12.2008 (BGBl II 2008 S 1419) seit 26.3.2009 verbindlich.

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b) Die Fähigkeit sehbehinderter Menschen unter Nutzung der unbeeinträchtigten sekundären Sinne (Riech-, Tast- und Hörsinn), Ordnungssysteme und Kennzeichnungsmöglichkeiten zu entwickeln, gleicht die Sehbehinderung nur unzureichend aus. Zum einen werden hierdurch Verwechslungen bei der Identifizierung von Gegenständen nicht ausgeschlossen, weil das menschliche Erinnerungsvermögen weder grenzenlos noch unfehlbar ist. Zum anderen sind Entwicklung und Einhaltung solcher Ordnungssysteme häufig mit einem erheblichen zeitlichen und intellektuellen Aufwand verbunden. Das Wiederauffinden von Gegenständen ist nur gewährleistet, wenn sich der behinderte Mensch einer strengen Ordnung bei der Ablage und Verwahrung der Gegenstände unterwirft (so schon BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 18 S 92 - Farberkennungsgerät). Die mit der Entwicklung und Einhaltung entsprechender Ordnungssysteme verbundene Mehrbelastung kann im Einzelfall sogar die Grenze des Zumutbaren überschreiten. Das gilt insbesondere dann, wenn sich gelegentlich andere, mit den Ordnungssystemen nicht vertraute Personen besuchsweise in der Wohnung des sehbehinderten Menschen aufhalten oder wenn mit den sekundären Sinnen die Produktbeschaffenheit nicht eindeutig identifizierbar ist (zB Konservendosen, Tetrapacks). Die Öffnung der Verpackung, um den Inhalt über den Riechsinn wahrzunehmen, würde nicht dem Vorgehen im Rahmen einer normalen Haushaltsführung entsprechen.

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c) Letztlich ist die menschliche Fähigkeit, die nicht von einer Behinderung betroffenen Sinne zu sensibilisieren und besonders zu trainieren, zumindest in den Fällen begrenzt, in denen der Betroffene - wie hier - nicht seit Geburt erblindet bzw sehbehindert ist. Je älter der Betroffene bei Eintritt der Erblindung bzw einer der Erblindung vergleichbaren Sehbeeinträchtigung ist, desto schwieriger ist es für ihn, die in der Nutzung anderer Sinne liegenden Kompensationsmöglichkeiten auszuschöpfen, weil Anpassungs- und Merk- sowie kognitive Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nachlassen (vgl "Mobil im Alltag", Broschüre des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, Mai 2010, S 14).

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6. Das zum mittelbaren Behinderungsausgleich grundsätzlich geeignete Barcodelesegerät ist auch nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens von der Sachleistungspflicht der GKV ausgenommen. Die Einordnung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens hängt davon ab, ob ein Gegenstand bereits seiner Konzeption nach den Zwecken des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V dienen soll oder - falls dies nicht so ist - den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen jedenfalls besonders entgegenkommt und von körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird(vgl BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - RdNr 25 - Therapiedreirad; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 16 mwN). Die für sehbehinderte Menschen angebotenen Barcodelesegeräte sind nach ihrer Funktion und Bauart speziell auf die Bedürfnisse dieser Gruppe von behinderten Menschen zugeschnitten. Anders als bei handelsüblichen Barcodelesegeräten wird die in einem Strichcode verschlüsselte Produktinformation über eine Sprachausgabe für die Betroffenen hörbar gemacht. Zudem kommen handelsübliche Barcodelesegeräte nicht in privaten Haushalten, sondern ausschließlich im gewerblichen Sektor zum Einsatz und können bereits aus diesem Grund nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens angesehen werden (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 19 S 103 f). Letztlich ist auch die Aufnahme des Gerätes in das HMV ein gewichtiges Indiz dafür, dass es sich nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 17 ff).

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7. Ob ein Barcodelesegerät im vorliegenden Einzelfall erforderlich ist, um die Folgen der Sehbehinderung auszugleichen, kann allerdings anhand der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG noch nicht abschließend beurteilt werden.

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a) Zum einen fehlen Feststellungen zur persönlichen Lebensführung und den Lebensverhältnissen der Klägerin. In diesem Zusammenhang ist zu ermitteln, ob die Klägerin mit anderen Personen in einem Haushalt zusammenlebt und wie sie ihren Alltag, die Haushaltsführung sowie die damit zusammenhängenden hauswirtschaftlichen Verrichtungen bisher organisiert und wahrgenommen hat. Dabei wird in medizinischer Hinsicht aufzuklären sein, wie sich das Alter der Klägerin bei Eintritt der Sehbehinderung auf deren Fähigkeit auswirkt, das eingeschränkte Sehvermögen durch die Nutzung anderer Sinne zu kompensieren. Allerdings wird das LSG in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen haben, dass die vorhandene Hilfsmittelausstattung der Klägerin die behinderungsbedingten Einschränkungen in Bezug auf das Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens nur unzureichend ausgleicht. Das der Klägerin gewährte Vorlesegerät mit Braillezeile ermöglicht ihr lediglich, die in Büchern und Zeitungen enthaltenen Informationen zu hören bzw über die Braillezeile zu ertasten. Auf Gegenständen befindliche Aufschriften können auf diese Art nicht wiedergegeben und erst Recht keine eigene Kennzeichnung vorgenommen werden.

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Zum anderen bedarf es der Feststellung, welche Anforderungen an die Bedienung eines Barcodelesegerätes gestellt werden und ob die Klägerin diesen gerecht wird. Hierbei wird das LSG - ausgehend von seinen bereits getroffenen Feststellungen - zugrunde legen können, dass die Klägerin aufgrund ihres 2 %-igen Restsehvermögens in der Lage ist, Kontraste sowie Hell und Dunkel wahrzunehmen, so dass die durch das Barcodelesegerät nicht gewährleistete Orientierung im Ladengeschäft über die vorhandene Sinneswahrnehmung sichergestellt ist.

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b) Auch die Wirtschaftlichkeit der Hilfsmittelgewährung (§ 33 Abs 1 Satz 1 iVm § 12 Abs 1 SGB V) lässt sich anhand der bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen. Die Sachleistungspflicht nach § 33 Abs 1 SGB V beschränkt sich auf die kostengünstigste Hilfsmittelversorgung; es besteht also kein Anspruch auf Optimalversorgung, sondern nur auf ausreichende, wirtschaftliche und zweckmäßige Hilfsmittel - § 12 Abs 1 SGB V(vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 19 RdNr 21). Soweit ein kostengünstigeres Hilfsmittel zum Ausgleich der Behinderung funktionell ebenso geeignet ist, besteht daher kein Anspruch auf die Versorgung mit einem teureren Hilfsmittel (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 26 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 19 RdNr 21). Sowohl der Umfang der konkreten Nutzung des Barcodelesegerätes durch die Klägerin unter Berücksichtigung seiner Einsatzmöglichkeiten als auch die im Rahmen der Wirtschaftlichkeit vorzunehmende Kosten-Nutzen-Analyse bedingen deshalb noch weitere Ermittlungen. Trotz der Bedeutung der durch ein Barcodelesegerät vermittelten Information für sehbehinderte Menschen bedarf es in Anbetracht des hohen Anschaffungspreises einer relativ häufigen Nutzung des Gerätes pro Tag, um dessen Wirtschaftlichkeit bejahen zu können. Ferner wird das LSG aufzuklären haben, ob andere funktional ebenso einsetzbare, aber kostengünstigere Hilfsmittel angeboten werden. In diesem Zusammenhang wird zu prüfen sein, ob das der Klägerin gewährte Vorlesegerät mit einem auch zur mobilen Nutzung geeigneten Barcodemodul gekoppelt werden kann und welche Kosten für diese Zusatzversorgung ggf anfallen würden. Bei der Prüfung einer Alternativversorgung wird das LSG neben der Produktpalette der Firma S. GmbH auch die Angebote anderer Anbieter zu berücksichtigen haben. Entsprechende Versorgungsalternativen sind festzustellen sowie hinsichtlich ihrer Nutzungsmöglichkeiten und der Anschaffungs- und Betriebskosten zu vergleichen.

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Im Rahmen der abschließenden Beurteilung des klägerischen Anspruchs wird das LSG im Übrigen wohl davon ausgehen können, dass die Klägerin mit der Spezifizierung ihres Antrages auf die Gewährung des Barcodelesegerätes "EinkaufsFuchs" der Firma S. GmbH nicht die Gewährung von Barcodelesegeräten anderer Hersteller ausschließen wollte. Die Beschränkung war offensichtlich der Beauftragung der Firma S. GmbH mit der Durchführung des Antragsverfahrens geschuldet, enthält aber zumindest hilfsweise den Antrag auf Gewährung eines vergleichbaren Gerätes anderer Hersteller.

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8. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Juli 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Bewilligung eines elektronischen Produkterkennungssystems mit Sprachausgabe (Barcodelesegerät) als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für eine hochgradig sehbehinderte Versicherte.

2

Die 1959 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet seit 2005 unter einer Leberschen Optikusatrophie. Infolge dieser Erkrankung verfügt sie nur noch über ein Restsehvermögen von 2 % beidseitig, das ihr die grobe Kontrast- und die Hell-Dunkel-Wahrnehmung ermöglicht. Sie ist mit einem Vorlesegerät mit Braillezeile versorgt. Im März 2007 beantragte die Firma S. GmbH im Auftrag der Klägerin unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung, eines Kostenvoranschlags und des Bescheides über die Aufnahme des Barcodelesegeräts "EinkaufsFuchs" in das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) deren Versorgung mit diesem Gerät zum Preis von 3094 Euro. Mit dem Gerät werden in Strichcodes verschlüsselte Produktdaten von ca 900 000 handelsüblichen Waren über die Sprachausgabe für sehbehinderte Menschen hörbar gemacht. Darüber hinaus können weitere Gegenstände mit beigefügten Strichcode-Etiketten versehen und auf diese Weise individuell zugeordnete Informationen abgerufen werden.

3

Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag ab, weil der durch das begehrte Hilfsmittel ermöglichte selbständige Einkauf nicht zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens zähle (Bescheid vom 28.6.2007, Widerspruchsbescheid vom 20.11.2007). Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung eines "Einkaufs-Fuchs" der Firma S. GmbH als Sachleistung verurteilt (Gerichtsbescheid vom 2.6.2009). Die Versorgung der Klägerin mit diesem Gerät sei zum Ausgleich des durch die Sehbehinderung eingetretenen Funktionsverlusts erforderlich iS des § 33 SGB V. Das Gerät diene der Befriedigung elementarer Bedürfnisse in der Haushaltsführung und der Orientierung bei weiteren grundlegenden Alltagshandlungen. Daher könne offen bleiben, ob der Einkauf zu den elementaren Grundbedürfnissen zähle, wovon allerdings auszugehen sei, weil die Erreichbarkeit eines Ortes zur Tätigung von Alltagsgeschäften und das Alltagsgeschäft selbst einen einheitlichen Lebensvorgang bildeten. In Anbetracht der Nutzungsmöglichkeiten des Gerätes sei diese Hilfsmittelversorgung auch als wirtschaftlich anzusehen. Die Berufung hiergegen hat das LSG unter weitgehender Bezugnahme auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgewiesen (Urteil vom 16.7.2010).

4

Mit der vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 33 SGB V. Das Barcodelesegerät sei nicht zum Ausgleich der bestehenden Behinderung im Bereich der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erforderlich. Zum einen zähle der Einkauf nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens. Zum anderen sei das Barcodelesegerät nicht zum Ausgleich der insoweit bestehenden behinderungsbedingten Einschränkungen geeignet, weil für die Kaufentscheidung wesentliche Produktdaten (Preis, Mindesthaltbarkeit) nicht entschlüsselt werden könnten und das Gerät keine Orientierung ohne fremde Hilfe im Geschäft ermögliche. Die Einsatzmöglichkeiten des Hilfsmittels bei der Organisation des Haushalts gingen über die vom Basisausgleich umfassten Tätigkeiten hinaus und seien daher ebenfalls nicht dem Bereich der elementaren Grundbedürfnisse zuzuordnen.

5

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 16.7.2010 und den Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 2.6.2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin verteidigt die angefochtenen Urteile und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das von der Klägerin begehrte Barcodelesegerät kann ein Hilfsmittel der GKV iS des § 33 Abs 1 SGB V sein, denn es ist grundsätzlich geeignet, die Auswirkungen einer Sehbehinderung im Bereich der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens auszugleichen bzw zu mildern. Die bisher vom LSG getroffenen Feststellungen reichen aber nicht aus, um abschließend entscheiden zu können, ob die Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel im Einzelfall erforderlich (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) und wirtschaftlich (§ 12 Abs 1 SGB V) ist.

8

1. Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem Barcodelesegerät bestehend aus einem omnidirektionalen Strichcode-Handscanner, einer Sprachausgabe, einer austauschbaren Speicherkarte mit aktuellem Datenbestand und einem Akku. Rechtsgrundlage für dieses Klagebegehren ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung des Art 1 Nr 17 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Danach haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen(vgl auch BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - Scalamobil, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Der geltend gemachte Anspruch betrifft konkret das Versorgungsziel des Behinderungsausgleichs (§ 33 Abs 1 Satz 1, 3. Variante SGB V).

9

2. Das Barcodelesegerät ist keine Sehhilfe iS des § 33 Abs 2 SGB V, so dass dessen einschränkende Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt sein müssen. Allerdings kann die Abgrenzung zwischen Hilfsmitteln iS des § 33 Abs 1 SGB V und Sehhilfen iS des § 33 Abs 2 SGB V nach der mit Wirkung zum 1.1.2004 vorgenommenen Änderung des § 33 SGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) nicht mehr - wie früher - offen bleiben (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 151; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 18 S 90; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16 S 73 zu der bis 31.12.2003 geltenden Rechtslage). Denn Sehhilfen iS des § 33 Abs 2 SGB V sind Hilfsmittel, für die heute besondere - einschränkende - Anspruchsvoraussetzungen gelten. Unter den Begriff der Sehhilfe sind nur solche sächlichen Mittel zu subsumieren, die das Restsehvermögen verstärken (zB Brillen, Kontaktlinsen, Lupen, Lupenbrillen), während Hilfsmittel, die das behinderungsbedingt eingeschränkte Sehen durch das Ansprechen anderer Körperfunktionen ausgleichen (Hören, taktiler Sinn), als Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 SGB V anzusehen sind. Bereits der Wortsinn "Seh-Hilfe" lässt erkennen, dass es sich um Mittel zur Unterstützung des Sehvermögens handelt. Diesem Begriffsverständnis entspricht auch die in anderen Regelungszusammenhängen vorgenommene Differenzierung. So werden in § 17 Abs 2 der Verordnung über die Versorgung mit Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (Orthopädieverordnung) in der Fassung durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Orthopädieverordnung vom 26.6.2001 (BGBl I 1352) unter der Bezeichnung "Sehhilfen" nur Hilfsmittel aufgeführt, die das Restsehvermögen verstärken (Fernrohrbrillen, Lupen, Bildschirm-Lesegeräte). Dagegen werden Geräte, die Text in Sprache umsetzen, in § 17a Orthopädieverordnung als Kommunikationshilfen bezeichnet. Auch Ziffer 4 der Anlage 5 Bundesbeihilfeverordnung vom 13.2.2009 (BGBl I 326) listet unter dem Begriff der Sehhilfen lediglich Hilfen zur Verbesserung der (Rest-)Sehschärfe, aber keine sonstigen Hilfsmittel auf, die andere Körperfunktionen unterstützen und nur mittelbar Defizite des behinderungsbedingt eingeschränkten Sehens ausgleichen können.

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3. Der Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V besteht weder allein aufgrund der vertragsärztlichen Verordnung(§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V)des Barcodelesegerätes Typ "EinkaufsFuchs" vom 20.2.2007 noch - wie die Vorinstanzen zu Recht angenommen haben - aufgrund der Auflistung dieses Gerätes im HMV (§ 139 SGB V). Den Krankenkassen steht vielmehr ein eigenes Entscheidungsrecht zu, ob ein Hilfsmittel nach Maßgabe des § 33 SGB V zur medizinischen Rehabilitation, also zur Sicherung des Erfolges der Krankenhausbehandlung, zur Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung oder zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung, im Einzelfall erforderlich ist; dabei können die Krankenkassen zur Klärung medizinisch-therapeutischer Fragen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung nach § 275 Abs 3 SGB V einschalten(vgl BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - Scalamobil). Das vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf der Grundlage von § 139 SGB V erstellte HMV legt die Leistungspflicht der GKV gegenüber den Versicherten ebenfalls nicht verbindlich und abschließend fest. Es schließt weder Hilfsmittel von der Versorgung der Versicherten aus, die den gesetzlichen Anforderungen des § 33 SGB V genügen(BSG SozR 4-2500 § 127 Nr 2 RdNr 10), noch besteht ein Anspruch der Versicherten auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die zwar im HMV verzeichnet, für die aber nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 33 SGB V erfüllt sind. Daher sind die für das unter der Positionsnummer 07.99.04.2001 gelistete Barcodelesegerät "EinkaufsFuchs" im HMV formulierte Beschränkung (Einkaufshilfe im Rahmen der selbständigen Lebensführung unter Berücksichtigung elementarer Grundbedürfnisse) und der Leistungsausschluss bei Nutzung des Hilfsmittels ausschließlich zur Organisation der Wohnung für den klägerischen Anspruch ohne Bedeutung.

11

4. Ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Barcodelesegerätes als Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich im vorliegenden Einzelfall erfüllt sind, kann anhand der bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilt werden. Allerdings ist ein Barcodelesegerät grundsätzlich geeignet, die Auswirkungen einer Sehbehinderung bei einem nicht seit Geburt erblindeten bzw sehbehinderten Menschen auszugleichen. Der Behinderungsausgleich nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V hat dabei zwei Zielrichtungen:

12

a) Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem sog unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (vgl BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - RdNr 17 mwN - Scalamobil). Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 RdNr 4 - C-leg-Prothese). Die gesonderte Prüfung, ob mit der vorgesehenen Verwendung ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt in Fällen der Erstausstattung mit Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 24 RdNr 18).

13

b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung auszugleichen. Im Rahmen dieses sog mittelbaren Behinderungsausgleichs geht es nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V, § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme (zum mittelbaren Behinderungsausgleich: BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - RdNr 18 mwN - Scalamobil). Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist daher von der GKV nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (stRspr zuletzt: BSG Urteile vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - Therapiedreirad, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen und B 3 KR 13/09 R) - sog Basisausgleich. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - RdNr 18 ff mwN - Scalamobil).

14

c) Nach Maßgabe dieser Grundsätze geht es im vorliegenden Fall um ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich, weil das Barcodelesegerät nicht das behinderungsbedingt stark eingeschränkte Sehvermögen wiederherstellen kann, sondern die ausgefallene bzw eingeschränkte Körperfunktion durch Nutzung des nicht beeinträchtigten Hörvermögens kompensiert, indem die auf Gegenständen befindlichen und in Strichcodes verschlüsselten Informationen über eine Sprachausgabe für den sehbehinderten Menschen hörbar gemacht werden. Der Ersatz eines ausgefallenen bzw beeinträchtigten Sinnes durch die Nutzung eines intakten anderen Sinnes stellt sich als mittelbarer Behinderungsausgleich dar (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 14 - Lichtsignalanlage).

15

d) Betroffen sind im vorliegenden Fall das allgemeine Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens und die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Das allgemeine Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens umfasst die körperlichen und geistigen Fähigkeiten, die notwendig sind, um ohne fremde Hilfe im häuslichen Umfeld verbleiben zu können. Der dazu erforderliche körperliche Freiraum beinhaltet die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen, die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind und in die Wohnung zurückzukehren. Zu dem für das selbständige Wohnen erforderlichen geistigen Freiraum zählt ua die Fähigkeit, die für eine selbständige Lebens- und Haushaltsführung notwendigen Informationen erhalten bzw aufnehmen zu können. Das Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens kann jedoch nur verwirklicht werden, wenn bestimmte Grundvoraussetzungen im Sinne von elementaren Rahmenbedingungen erfüllt sind. Diese Grundvoraussetzungen sind üblicherweise dem hauswirtschaftlichen Bereich zuzuordnen. So setzt das selbständige Wohnen ua voraus, dass Nahrungsmittel und Gegenstände des täglichen Bedarfs selbständig besorgt und im häuslichen Umfeld sachgerecht verwendet werden können und dass die Wohnung durch regelmäßiges und ausreichendes Reinigen in einem gesundheitsdienlichen Zustand gehalten werden kann. Die möglichst weitgehende Erfüllung dieser Rahmenbedingungen stellt sich als Annex zu dem allgemeinen Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens dar und findet Ausdruck in dem in § 14 Abs 4 Nr 4 SGB XI enthaltenen Rechtsgedanken. In § 14 Abs 4 SGB XI werden die für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit maßgebenden gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens unterteilt nach den Bereichen Körperpflege(Nr 1), Ernährung (Nr 2), Mobilität (Nr 3) und hauswirtschaftliche Versorgung (Nr 4) aufgezählt. Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung werden das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Beheizen genannt. Ungeachtet der unterschiedlichen Zielsetzung der GKV (Bewältigung von Krankheit und ihren Folgen) und der gesetzlichen Pflegeversicherung (partielle Abdeckung des Risikos der Pflegebedürftigkeit) werden mit den in § 14 Abs 1 und 4 SGB XI genannten gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens Bereiche bezeichnet, die für die physische Existenz des Menschen unerlässlich sind und die der Erfüllung seiner Grundbedürfnisse, einschließlich der auf die Person bezogenen hauswirtschaftlichen Versorgung, dienen(BSGE 72, 261, 263 = SozR 3-2500 § 53 Nr 2 S 9). Die in § 14 Abs 4 Nr 4 SGB XI aufgezählten hauswirtschaftlichen Verrichtungen gewährleisten die elementare Lebensführung zu Hause(ähnlich: Udsching in ders, SGB XI, 3. Aufl 2010, § 14 RdNr 28)und sind daher als für das Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens unerlässliche Grundvoraussetzungen zu werten. Die uneingeschränkte Wahrnehmung dieser Verrichtungen ist auch nach dem ICF-Modell der WHO Teil der funktionalen Gesundheit des Menschen (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit - ICF, herausgegeben vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information , Stand Oktober 2005, Kapitel 6 - Häusliches Leben - S 112 ff).

16

Wegen der auf die medizinische Rehabilitation beschränkten Zuständigkeit der GKV erstreckt sich deren Leistungspflicht allerdings zum einen nur auf die für ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens unabdingbaren hauswirtschaftlichen Verrichtungen. Zum anderen begründen behinderungsbedingte Einschränkungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Verrichtungen für sich genommen noch keine Leistungspflicht der GKV im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs. Ebenso wie die Pflegebedürftigkeit nicht allein durch einen Hilfebedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung begründet wird, sondern einen zusätzlichen Hilfebedarf im Bereich der Grundversorgung (§ 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI) verlangt (so schon der Entwurf des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 24.6.1993, BT-Drucks 12/5262 S 97; Udsching, aaO, § 14 RdNr 41), setzt die Leistungspflicht der GKV nach § 33 Abs 1 SGB V voraus, dass die durch das begehrte Hilfsmittel ermöglichte hauswirtschaftliche Verrichtung notwendig ist, um ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens sicherzustellen.

17

e) Die für das selbständige Wohnen elementaren hauswirtschaftlichen Verrichtungen setzen eine uneingeschränkte visuelle Wahrnehmung voraus. Das gilt sowohl für die Wahrnehmung, dass bestimmte Verrichtungen notwendig sind (zB Verschmutzungsgrad der Wohnung), als auch für die bei Ausübung der jeweiligen Verrichtung notwendigen Arbeitsschritte (zB Auswahl der Reinigungsmittel, Auswahl der Zutaten beim Kochen). Diese Wahrnehmungsmöglichkeit ist bei einem sehbehinderten Menschen aufgehoben bzw beeinträchtigt. Durch ein Barcodelesegerät können diese Einschränkungen grundsätzlich ausgeglichen bzw gemildert werden, indem die für elementare hauswirtschaftliche Verrichtungen erforderlichen Informationen über einzelne Produkte und Gegenstände mittels einer Sprachausgabe für den sehbehinderten Menschen zugänglich gemacht werden (sog ersetzender Ausgleich). Auf diese Weise können zB die für das Sauberhalten der Wohnung und Kleidung notwendigen Reinigungsmittel zutreffend ausgewählt sowie sachgerecht und vor allem gefahrenfrei verwendet werden. Die genaue Kenntnis des Produktinhalts ist gerade bei der Verwendung von Reinigungsmitteln von Bedeutung, deren unsachgemäße Verwendung zu Gesundheitsschäden führen kann (zB bei ätzenden Flüssigkeiten). Auch die hauswirtschaftliche Verrichtung des Kochens als Vorstufe zum anerkannten Grundbedürfnis der Nahrungsaufnahme wird durch ein Barcodelesegerät nicht nur unwesentlich erleichtert, sondern teilweise erst ermöglicht. Denn Voraussetzung für die selbständige Nahrungszubereitung ist eine zutreffende Auswahl und Abmessung der Speisen und Zutaten.

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f) Darüber hinaus ist ein Barcodelesegerät grundsätzlich auch geeignet, die infolge einer Sehbehinderung bestehenden Einschränkungen bei der Erschließung des für das selbständige Wohnen erforderlichen körperlichen und geistigen Freiraums auszugleichen. Soweit nach der Rechtsprechung des Senats der körperliche Freiraum im Sinne eines Basisausgleichs auch die Fähigkeit umfasst, die eigene Wohnung zu verlassen, um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (so erstmals BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27 RdNr 15 - Elektrorollstuhl und BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - RdNr 18 - Scalamobil), bezogen sich diese Entscheidungen jeweils auf Fallkonstellationen, in denen die körperliche Bewegungsfreiheit aufgrund einer Behinderung eingeschränkt war. In diesen Fällen war und ist es Aufgabe der GKV im Rahmen des geschuldeten Basisausgleichs, die Mobilität des behinderten Menschen von der Wohnung zu den Orten im Nahbereich sicherzustellen, an denen Alltagsgeschäfte erledigt werden können. Ist dagegen nicht die Bewegungsfähigkeit als solche, sondern - wie im vorliegenden Fall - die Sinneswahrnehmung infolge einer Behinderung aufgehoben bzw beeinträchtigt, ist in der Regel nicht die Fortbewegung zu einem Ort, an dem Alltagsgeschäfte erledigt werden können, sondern die Betätigung der Alltagsgeschäfte selbst eingeschränkt. In diesen Fallkonstellationen erfordert der in die Zuständigkeit der GKV fallende Basisausgleich, dass der behinderte Mensch nicht nur befähigt wird, die Orte, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind, im Sinne der Fortbewegung zu erreichen, sondern dass ihm auch die Tätigung des Alltagsgeschäfts selbst ermöglicht wird. Der Basisausgleich umfasst in diesem Bereich auch die Möglichkeit zur Wahrnehmung der für eine selbständige Lebens- und Haushaltsführung notwendigen Informationen. Hierzu zählen Informationen über Gegenstände des täglichen Bedarfs, Grundnahrungsmittel, Produkte zur elementaren Körperpflege und zur Reinigung von Wohnung und Kleidung. Die Wahrnehmung dieser Informationen ist bei der Beschaffung und Verwendung der genannten Gegenstände sicherzustellen. Zur Beschaffung zählt der Einkauf - damit ist jedoch weder eine Anerkennung des Einkaufens als allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens noch die Ermöglichung von Einkäufen jeder Art durch Hilfsmittel der GKV verbunden. Zu gewährleisten ist von der GKV vielmehr nur die Möglichkeit des Einkaufs als Alltagsgeschäft, dh die Beschaffung von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs (Definition des Alltagsgeschäfts: BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1 S 5), soweit die Befähigung hierzu aufgrund einer Behinderung aufgehoben bzw eingeschränkt ist und durch das Hilfsmittel ausgeglichen werden kann.

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Die mit dem Barcodelesegerät abrufbaren Informationen (zB Name bzw Produktbezeichnung, Hersteller und Mengenangabe) sind entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht unerheblich, denn sie ermöglichen einem sehbehinderten Menschen einen weitgehend selbständigen Einkauf von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs und damit eine überwiegend selbständige Haushaltsführung. Damit ggf nicht entschlüsselbare Informationen über den Preis und die Mindesthaltbarkeit von Lebensmitteln können im Geschäft leicht erfragt werden. Zudem ist davon auszugehen, dass Lebensmittel in aller Regel nicht außerhalb der Mindesthaltbarkeitsdauer angeboten werden. Im Hinblick auf die persönliche Haushaltsgestaltung und Vorratshaltung können überdies zusätzliche wesentliche Produktinformationen - wie etwa das Einkaufsdatum - zu Hause durch Verwendung der mitgelieferten Strichcodeetiketten verfügbar gemacht werden.

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Außerdem ist die Verwendung des Barcodelesegerätes als Einkaufshilfe nur eine von vielen Einsatzmöglichkeiten des Gerätes. Neben der schnellen und verwechslungsfreien Identifikation käuflich erworbener Produkte und Gegenstände des täglichen Bedarfs im persönlichen Umfeld dient es allgemein der Orientierung in der Wohnung sowie der selbständigen Organisation und Führung des Haushaltes. Die vielfältige Einsetzbarkeit des Barcodelesegerätes wird insbesondere durch die individuelle Verwendung der mitgelieferten Strichcode-Etiketten ermöglicht. Auf diese Weise kann nahezu jeder Gegenstand im persönlichen Umfeld eines sehbehinderten Menschen gekennzeichnet und die individuell vergebene Information jederzeit abgerufen werden.

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5. Die generelle Eignung eines Barcodelesegerätes zur Verwirklichung des als Grundbedürfnis anerkannten selbständigen Wohnens und zur Schaffung des dazu erforderlichen körperlichen und geistigen Freiraums wird weder durch die mögliche Hilfe Dritter noch durch die dem sehbehinderten Menschen möglichen sekundären Sinneswahrnehmungen in Frage gestellt.

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a) Dem Verweis des behinderten Menschen auf die Hilfe Dritter steht bereits die Zielsetzung der Hilfsmittelversorgung entgegen. Wesentliches Ziel der Hilfsmittelversorgung ist es, den behinderten Menschen von der Hilfe anderer weitgehend bzw deutlich unabhängiger zu machen (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 27 RdNr 18). Daher kann der für die Leistungspflicht der GKV ausschlaggebende funktionelle Gebrauchsvorteil eines Hilfsmittels auch darin liegen, dass sich der behinderte Mensch durch das Hilfsmittel ein bis dahin nur mit fremder Hilfe wahrnehmbares allgemeines Grundbedürfnis (teilweise) erschließen kann und somit befähigt wird, ein selbständigeres Leben zu führen. In diese Richtung zielen nunmehr ebenfalls Art 19 (Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft) und Art 20 (Persönliche Mobilität) des "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen". Dieses Übereinkommen und sein Fakultativprotokoll sind für Deutschland nach Maßgabe des Vertragsgesetzes vom 21.12.2008 (BGBl II 2008 S 1419) seit 26.3.2009 verbindlich.

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b) Die Fähigkeit sehbehinderter Menschen unter Nutzung der unbeeinträchtigten sekundären Sinne (Riech-, Tast- und Hörsinn), Ordnungssysteme und Kennzeichnungsmöglichkeiten zu entwickeln, gleicht die Sehbehinderung nur unzureichend aus. Zum einen werden hierdurch Verwechslungen bei der Identifizierung von Gegenständen nicht ausgeschlossen, weil das menschliche Erinnerungsvermögen weder grenzenlos noch unfehlbar ist. Zum anderen sind Entwicklung und Einhaltung solcher Ordnungssysteme häufig mit einem erheblichen zeitlichen und intellektuellen Aufwand verbunden. Das Wiederauffinden von Gegenständen ist nur gewährleistet, wenn sich der behinderte Mensch einer strengen Ordnung bei der Ablage und Verwahrung der Gegenstände unterwirft (so schon BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 18 S 92 - Farberkennungsgerät). Die mit der Entwicklung und Einhaltung entsprechender Ordnungssysteme verbundene Mehrbelastung kann im Einzelfall sogar die Grenze des Zumutbaren überschreiten. Das gilt insbesondere dann, wenn sich gelegentlich andere, mit den Ordnungssystemen nicht vertraute Personen besuchsweise in der Wohnung des sehbehinderten Menschen aufhalten oder wenn mit den sekundären Sinnen die Produktbeschaffenheit nicht eindeutig identifizierbar ist (zB Konservendosen, Tetrapacks). Die Öffnung der Verpackung, um den Inhalt über den Riechsinn wahrzunehmen, würde nicht dem Vorgehen im Rahmen einer normalen Haushaltsführung entsprechen.

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c) Letztlich ist die menschliche Fähigkeit, die nicht von einer Behinderung betroffenen Sinne zu sensibilisieren und besonders zu trainieren, zumindest in den Fällen begrenzt, in denen der Betroffene - wie hier - nicht seit Geburt erblindet bzw sehbehindert ist. Je älter der Betroffene bei Eintritt der Erblindung bzw einer der Erblindung vergleichbaren Sehbeeinträchtigung ist, desto schwieriger ist es für ihn, die in der Nutzung anderer Sinne liegenden Kompensationsmöglichkeiten auszuschöpfen, weil Anpassungs- und Merk- sowie kognitive Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter nachlassen (vgl "Mobil im Alltag", Broschüre des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes, Mai 2010, S 14).

25

6. Das zum mittelbaren Behinderungsausgleich grundsätzlich geeignete Barcodelesegerät ist auch nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens von der Sachleistungspflicht der GKV ausgenommen. Die Einordnung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens hängt davon ab, ob ein Gegenstand bereits seiner Konzeption nach den Zwecken des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V dienen soll oder - falls dies nicht so ist - den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen jedenfalls besonders entgegenkommt und von körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird(vgl BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 5/10 R - RdNr 25 - Therapiedreirad; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 16 mwN). Die für sehbehinderte Menschen angebotenen Barcodelesegeräte sind nach ihrer Funktion und Bauart speziell auf die Bedürfnisse dieser Gruppe von behinderten Menschen zugeschnitten. Anders als bei handelsüblichen Barcodelesegeräten wird die in einem Strichcode verschlüsselte Produktinformation über eine Sprachausgabe für die Betroffenen hörbar gemacht. Zudem kommen handelsübliche Barcodelesegeräte nicht in privaten Haushalten, sondern ausschließlich im gewerblichen Sektor zum Einsatz und können bereits aus diesem Grund nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens angesehen werden (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 19 S 103 f). Letztlich ist auch die Aufnahme des Gerätes in das HMV ein gewichtiges Indiz dafür, dass es sich nicht um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handelt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 17 ff).

26

7. Ob ein Barcodelesegerät im vorliegenden Einzelfall erforderlich ist, um die Folgen der Sehbehinderung auszugleichen, kann allerdings anhand der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG noch nicht abschließend beurteilt werden.

27

a) Zum einen fehlen Feststellungen zur persönlichen Lebensführung und den Lebensverhältnissen der Klägerin. In diesem Zusammenhang ist zu ermitteln, ob die Klägerin mit anderen Personen in einem Haushalt zusammenlebt und wie sie ihren Alltag, die Haushaltsführung sowie die damit zusammenhängenden hauswirtschaftlichen Verrichtungen bisher organisiert und wahrgenommen hat. Dabei wird in medizinischer Hinsicht aufzuklären sein, wie sich das Alter der Klägerin bei Eintritt der Sehbehinderung auf deren Fähigkeit auswirkt, das eingeschränkte Sehvermögen durch die Nutzung anderer Sinne zu kompensieren. Allerdings wird das LSG in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen haben, dass die vorhandene Hilfsmittelausstattung der Klägerin die behinderungsbedingten Einschränkungen in Bezug auf das Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens nur unzureichend ausgleicht. Das der Klägerin gewährte Vorlesegerät mit Braillezeile ermöglicht ihr lediglich, die in Büchern und Zeitungen enthaltenen Informationen zu hören bzw über die Braillezeile zu ertasten. Auf Gegenständen befindliche Aufschriften können auf diese Art nicht wiedergegeben und erst Recht keine eigene Kennzeichnung vorgenommen werden.

28

Zum anderen bedarf es der Feststellung, welche Anforderungen an die Bedienung eines Barcodelesegerätes gestellt werden und ob die Klägerin diesen gerecht wird. Hierbei wird das LSG - ausgehend von seinen bereits getroffenen Feststellungen - zugrunde legen können, dass die Klägerin aufgrund ihres 2 %-igen Restsehvermögens in der Lage ist, Kontraste sowie Hell und Dunkel wahrzunehmen, so dass die durch das Barcodelesegerät nicht gewährleistete Orientierung im Ladengeschäft über die vorhandene Sinneswahrnehmung sichergestellt ist.

29

b) Auch die Wirtschaftlichkeit der Hilfsmittelgewährung (§ 33 Abs 1 Satz 1 iVm § 12 Abs 1 SGB V) lässt sich anhand der bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen. Die Sachleistungspflicht nach § 33 Abs 1 SGB V beschränkt sich auf die kostengünstigste Hilfsmittelversorgung; es besteht also kein Anspruch auf Optimalversorgung, sondern nur auf ausreichende, wirtschaftliche und zweckmäßige Hilfsmittel - § 12 Abs 1 SGB V(vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 19 RdNr 21). Soweit ein kostengünstigeres Hilfsmittel zum Ausgleich der Behinderung funktionell ebenso geeignet ist, besteht daher kein Anspruch auf die Versorgung mit einem teureren Hilfsmittel (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 26 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 19 RdNr 21). Sowohl der Umfang der konkreten Nutzung des Barcodelesegerätes durch die Klägerin unter Berücksichtigung seiner Einsatzmöglichkeiten als auch die im Rahmen der Wirtschaftlichkeit vorzunehmende Kosten-Nutzen-Analyse bedingen deshalb noch weitere Ermittlungen. Trotz der Bedeutung der durch ein Barcodelesegerät vermittelten Information für sehbehinderte Menschen bedarf es in Anbetracht des hohen Anschaffungspreises einer relativ häufigen Nutzung des Gerätes pro Tag, um dessen Wirtschaftlichkeit bejahen zu können. Ferner wird das LSG aufzuklären haben, ob andere funktional ebenso einsetzbare, aber kostengünstigere Hilfsmittel angeboten werden. In diesem Zusammenhang wird zu prüfen sein, ob das der Klägerin gewährte Vorlesegerät mit einem auch zur mobilen Nutzung geeigneten Barcodemodul gekoppelt werden kann und welche Kosten für diese Zusatzversorgung ggf anfallen würden. Bei der Prüfung einer Alternativversorgung wird das LSG neben der Produktpalette der Firma S. GmbH auch die Angebote anderer Anbieter zu berücksichtigen haben. Entsprechende Versorgungsalternativen sind festzustellen sowie hinsichtlich ihrer Nutzungsmöglichkeiten und der Anschaffungs- und Betriebskosten zu vergleichen.

30

Im Rahmen der abschließenden Beurteilung des klägerischen Anspruchs wird das LSG im Übrigen wohl davon ausgehen können, dass die Klägerin mit der Spezifizierung ihres Antrages auf die Gewährung des Barcodelesegerätes "EinkaufsFuchs" der Firma S. GmbH nicht die Gewährung von Barcodelesegeräten anderer Hersteller ausschließen wollte. Die Beschränkung war offensichtlich der Beauftragung der Firma S. GmbH mit der Durchführung des Antragsverfahrens geschuldet, enthält aber zumindest hilfsweise den Antrag auf Gewährung eines vergleichbaren Gerätes anderer Hersteller.

31

8. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Die Träger der Rentenversicherung erbringen Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen, um

1.
den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorzubeugen, entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und
2.
dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern.
Die Leistungen zur Prävention haben Vorrang vor den Leistungen zur Teilhabe. Die Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind.

(2) Die Leistungen nach Absatz 1 sind zu erbringen, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

(1) Träger der Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können sein:

1.
die gesetzlichen Krankenkassen für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3,
2.
die Bundesagentur für Arbeit für Leistungen nach § 5 Nummer 2 und 3,
3.
die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 3 und 5; für Versicherte nach § 2 Absatz 1 Nummer 8 des Siebten Buches die für diese zuständigen Unfallversicherungsträger für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 5,
4.
die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 3, der Träger der Alterssicherung der Landwirte für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3,
5.
die Träger der Kriegsopferversorgung und die Träger der Kriegsopferfürsorge im Rahmen des Rechts der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 5,
6.
die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für Leistungen nach § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5 sowie
7.
die Träger der Eingliederungshilfe für Leistungen nach § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5.

(2) Die Rehabilitationsträger nehmen ihre Aufgaben selbständig und eigenverantwortlich wahr.

(3) Die Bundesagentur für Arbeit ist auch Rehabilitationsträger für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Behinderungen im Sinne des Zweiten Buches, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist. Die Zuständigkeit der Jobcenter nach § 6d des Zweiten Buches für die Leistungen zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nach § 16 Absatz 1 des Zweiten Buches bleibt unberührt. Die Bundesagentur für Arbeit stellt den Rehabilitationsbedarf fest. Sie beteiligt das zuständige Jobcenter nach § 19 Absatz 1 Satz 2 und berät das Jobcenter zu den von ihm zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 16 Absatz 1 Satz 3 des Zweiten Buches. Das Jobcenter entscheidet über diese Leistungen innerhalb der in Kapitel 4 genannten Fristen.

Zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden erbracht:

1.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
2.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
3.
unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen,
4.
Leistungen zur Teilhabe an Bildung und
5.
Leistungen zur sozialen Teilhabe.

(1) Versicherte haben nach den folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen

1.
bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§§ 24c bis 24i),
2.
zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung sowie zur Empfängnisverhütung, bei Sterilisation und bei Schwangerschaftsabbruch (§§ 20 bis 24b),
3.
zur Erfassung von gesundheitlichen Risiken und Früherkennung von Krankheiten (§§ 25 und 26),
4.
zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52),
5.
des Persönlichen Budgets nach § 29 des Neunten Buches.

(2) Versicherte haben auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Leistungen der aktivierenden Pflege nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit werden von den Pflegekassen erbracht. Die Leistungen nach Satz 1 werden unter Beachtung des Neunten Buches erbracht, soweit in diesem Buch nichts anderes bestimmt ist.

(3) Bei stationärer Behandlung umfassen die Leistungen auch die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson des Versicherten oder bei stationärer Behandlung in einem Krankenhaus nach § 108 oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung nach § 107 Absatz 2 die Mitaufnahme einer Pflegekraft, soweit Versicherte ihre Pflege nach § 63b Absatz 6 Satz 1 des Zwölften Buches durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstellen. Ist bei stationärer Behandlung die Anwesenheit einer Begleitperson aus medizinischen Gründen notwendig, eine Mitaufnahme in die stationäre Einrichtung jedoch nicht möglich, kann die Unterbringung der Begleitperson auch außerhalb des Krankenhauses oder der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung erfolgen. Die Krankenkasse bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art und Dauer der Leistungen für eine Unterbringung nach Satz 2 nach pflichtgemäßem Ermessen; die Kosten dieser Leistungen dürfen nicht höher sein als die für eine Mitaufnahme der Begleitperson in die stationäre Einrichtung nach Satz 1 anfallenden Kosten.

(4) Versicherte haben Anspruch auf ein Versorgungsmanagement insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche; dies umfasst auch die fachärztliche Anschlussversorgung. Die betroffenen Leistungserbringer sorgen für eine sachgerechte Anschlussversorgung des Versicherten und übermitteln sich gegenseitig die erforderlichen Informationen. Sie sind zur Erfüllung dieser Aufgabe von den Krankenkassen zu unterstützen. In das Versorgungsmanagement sind die Pflegeeinrichtungen einzubeziehen; dabei ist eine enge Zusammenarbeit mit Pflegeberatern und Pflegeberaterinnen nach § 7a des Elften Buches zu gewährleisten. Das Versorgungsmanagement und eine dazu erforderliche Übermittlung von Daten darf nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Soweit in Verträgen nach § 140a nicht bereits entsprechende Regelungen vereinbart sind, ist das Nähere im Rahmen von Verträgen mit sonstigen Leistungserbringern der gesetzlichen Krankenversicherung und mit Leistungserbringern nach dem Elften Buch sowie mit den Pflegekassen zu regeln.

(5) Auf Leistungen besteht kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Dies gilt auch in Fällen des § 12a des Siebten Buches.

(6) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung zusätzliche vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht ausgeschlossene Leistungen in der fachlich gebotenen Qualität im Bereich der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (§§ 23, 40), der Leistungen von Hebammen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 24d), der künstlichen Befruchtung (§ 27a), der zahnärztlichen Behandlung ohne die Versorgung mit Zahnersatz (§ 28 Absatz 2), bei der Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln (§ 34 Absatz 1 Satz 1), mit Heilmitteln (§ 32), mit Hilfsmitteln (§ 33) und mit digitalen Gesundheitsanwendungen (§ 33a), im Bereich der häuslichen Krankenpflege (§ 37) und der Haushaltshilfe (§ 38) sowie Leistungen von nicht zugelassenen Leistungserbringern vorsehen. Die Satzung muss insbesondere die Art, die Dauer und den Umfang der Leistung bestimmen; sie hat hinreichende Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung zu regeln. Die zusätzlichen Leistungen sind von den Krankenkassen in ihrer Rechnungslegung gesondert auszuweisen.

(1) Träger der Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können sein:

1.
die gesetzlichen Krankenkassen für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3,
2.
die Bundesagentur für Arbeit für Leistungen nach § 5 Nummer 2 und 3,
3.
die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 3 und 5; für Versicherte nach § 2 Absatz 1 Nummer 8 des Siebten Buches die für diese zuständigen Unfallversicherungsträger für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 5,
4.
die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 3, der Träger der Alterssicherung der Landwirte für Leistungen nach § 5 Nummer 1 und 3,
5.
die Träger der Kriegsopferversorgung und die Träger der Kriegsopferfürsorge im Rahmen des Rechts der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden für Leistungen nach § 5 Nummer 1 bis 5,
6.
die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für Leistungen nach § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5 sowie
7.
die Träger der Eingliederungshilfe für Leistungen nach § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5.

(2) Die Rehabilitationsträger nehmen ihre Aufgaben selbständig und eigenverantwortlich wahr.

(3) Die Bundesagentur für Arbeit ist auch Rehabilitationsträger für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Behinderungen im Sinne des Zweiten Buches, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist. Die Zuständigkeit der Jobcenter nach § 6d des Zweiten Buches für die Leistungen zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nach § 16 Absatz 1 des Zweiten Buches bleibt unberührt. Die Bundesagentur für Arbeit stellt den Rehabilitationsbedarf fest. Sie beteiligt das zuständige Jobcenter nach § 19 Absatz 1 Satz 2 und berät das Jobcenter zu den von ihm zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 16 Absatz 1 Satz 3 des Zweiten Buches. Das Jobcenter entscheidet über diese Leistungen innerhalb der in Kapitel 4 genannten Fristen.

Zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden erbracht:

1.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
2.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
3.
unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen,
4.
Leistungen zur Teilhabe an Bildung und
5.
Leistungen zur sozialen Teilhabe.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

(1) Für die Erhebungen besteht Auskunftspflicht. Die Angaben nach § 145 Absatz 1 Nummer 2 und die Angaben zum Gemeindeteil nach § 144 Absatz 1 Nummer 1 sind freiwillig.

(2) Auskunftspflichtig sind die Träger der Eingliederungshilfe.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.