Bundesgerichtshof Urteil, 27. März 2018 - X ZR 59/16

ECLI: ECLI:DE:BGH:2018:270318UXZR59.16.0
published on 27/03/2018 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 27. März 2018 - X ZR 59/16
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Bundespatentgericht, 2 Ni 52/13, 04/02/2016

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 59/16 Verkündet am:
27. März 2018
Füllsack
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Kinderbett
EPÜ Art. 56; PatG § 4
Die generelle Eignung eines zum allgemeinen Fachwissen zählenden Lösungsmittels
kann nur dann als Veranlassung zu ihrer Heranziehung genügen
, wenn für den Fachmann ohne weiteres erkennbar ist, dass eine technische
Ausgangslage besteht, in der sich der Einsatz des betreffenden Lösungsmittels
als objektiv zweckmäßig darstellt (im Anschluss an BGH, Urteil
vom 30. April 2009 - Xa ZR 56/05, GRUR 2009, 743 - Airbag-Auslösesteuerung
, und Urteil vom 11. März 2014 - X ZR 139/10, GRUR 2014, 647
- Farbversorgungssystem).
BGH, Urteil vom 27. März 2018 - X ZR 59/16 - Bundespatentgericht
ECLI:DE:BGH:2018:270318UXZR59.16.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx

für Recht erkannt:
Auf die Berufung wird das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 4. Februar 2016 abgeändert, soweit das Patentgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik
1
Deutschland erteilten europäischen Patents 1 550 387 (Streitpatents), das am 19. April 2004 unter Inanspruchnahme einer chinesischen Priorität vom 2. Januar 2004 angemeldet wurde und ein Kinderbett betrifft. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache:
2
"1. A baby crib comprising: a bed frame structure (1) including a plurality of upright tubes (11), each of which has a tube wall (110) defining a receiving hole (111) and having a slit (112) that extends along the length of said tube wall (110) and that is in spatial communication with said receiving hole (111); a fabric member (2) mounted on said bed frame structure (1) to define a surrounding wall around said bed frame structure (1); and a plurality of positioning posts (22) mounted on said fabric member (2) and inserted respectively into said receiving holes (111) in said upright tubes (11), said fabric member (2) being clamped between each of said upright tubes (11) and a corresponding one of said positioning posts (22) and extending outward through said slit (112) in each of said upright tubes (11)." Die übrigen Ansprüche sind unmittelbar oder mittelbar auf diesen Pa3 tentanspruch rückbezogen. Die Klägerin hat das Streitpatent mit der Begründung angegriffen, sein
4
Gegenstand sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent wieerteilt und hilfsweise in beschränkten Fassungen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent in der Fassung des Hilfsantrags IV für rechtsbeständig erachtet und im Übrigen für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streit5 patent in der Fassung ihres erstinstanzlichen Hauptantrags und mit fünf neuen Hilfsanträgen verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


6
I. Das Streitpatent betrifft ein leicht aufzubauendes Kinderbett mit einem Rahmen und einer Stoffbespannung.
7
1. Nach den Ausführungen der Streitpatentschrift wird die Stoffbespannung im Stand der Technik am Rahmen befestigt, an dessen Ecken jeweils auf- rechtstehende Rohre angeordnet sind. Damit sich die Lage des Stoffes nicht gegenüber dem Rahmen verschiebt, werden auf den Stoff Schellen aufgesetzt, die mit den Rohren verschraubt werden und so den Stoff am Rahmen festhalten. Die Streitpatentschrift beanstandet die Montage als zeitaufwendig. Der Stoff könne zudem an der Befestigungsstelle einreißen. Schließlich beeinträchtige die sichtbare Schraubverbindung das Erscheinungsbild des Kinderbetts.
8
2. Die Aufgabe des Streitpatents besteht mithin wie in der Streitpatentschrift angegeben darin, ein Kinderbett zu entwickeln, das leicht und schnell aufzubauen ist und eine zuverlässige und optisch ansprechende Befestigung der Stoffbespannung am Bettrahmen ermöglicht (Beschreibung Abs. 5).
9
3. Als Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 ein Kinderbett vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen: (1) Das Kinderbett umfasst eine Bettrahmenstruktur (bed frame structure), die eine Mehrzahl aufrechtstehender Rohre (plurality of upright tubes) mit jeweils einer Rohrwand aufweist, die (1.1) einen Aufnahmehohlraum (receiving hole) vorgibt und (1.2) einen Schlitz aufweist, der sich über die Länge der Rohrwand erstreckt und in räumlicher Verbindung mit dem Aufnahmehohlraum steht. (2) Ein Stoffteil (fabric member) (2.1) ist auf der Rahmenstruktur montiert und (2.2) gibt eine um die Rahmenstruktur umlaufende Wand vor. (3) Eine Mehrzahl von Positionierstäben (plurality of positioning posts) ist (3.1) auf dem Stoffteil montiert und (3.2) jeweils in den Aufnahmehohlraum eines Rohrs eingesetzt.
(4) Das Stoffteil (4.1) wird (dabei) jeweils zwischen dem Rohr und dem Positionierstab klemmend gehalten (being clamped between) und (4.2) erstreckt sich durch den Schlitz rohrauswärts (ex- tending outward through said slit).
Figur 3 zeigt ein Ausführungsbeispiel, wo10 bei mit dem Bezugszeichen 1 die Rahmenstruktur , mit 2 das Stoffteil, mit 11 die aufrechtstehenden Rohre und mit 22 die Positionierstäbe bezeichnet sind.
11
4. Das Patentgericht hat zum Verständnis dieses Anspruchs ausgeführt: Sein Gegenstand sei ein Kinderbett. Der abschnittsweise Aufbau des Patentanspruchs mit den Angaben, wie die einzelnen Bauteile montiert würden, möge zwar dazu verleiten, diese Bauteile entsprechend einer logischen Montagereihenfolge zu betrachten. Bei einem zusammengebauten Kinderbett sei es aber unbeachtlich, wann die einzelnen Teile montiert worden seien. Eine Bettrahmenstruktur sei die die äußere Form eines Bettes vorgebende Struktur. Wie im Streitpatent in Bezug auf den Stand der Technik ausgeführt, sei diese so gewählt , dass durch die Rahmenstruktur und ein Einfassungsteil ein Aufnahmeraum für das Kind festgelegt werde. Die aufrechtstehenden Rohre seien ein Teil der Rahmenstruktur; diese sei jedoch hierauf nicht beschränkt. Dass die Rohre eine Funktion hinsichtlich der Stabilität der Rahmenstruktur erfüllten, sei im Streitpatent nicht beschrieben.
12
5. Diese Auslegung des Patentanspruchs hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren nur teilweise stand.
13
a) Nach Merkmal 1 gibt die Bettrahmenstruktur die äußere Form des Bettes vor und bildet zusammen mit dem eine Umwandung bildenden Stoffbauteil (Merkmal 2) einen Aufnahmeraum für das Kind (Beschreibung Abs. 5, 6, 9). Nach der Beschreibung ist die Bettrahmenstruktur (bed frame structure) rechteckig ausgebildet und weist vier Rohre (upright tubes) auf, die in den Ecken angeordnet sind (Beschreibung Abs. 9, Figur 5).
14
b) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts sind lediglich solche Elemente als zum Rahmen gehörend anzusehen, die eine tragende und den Unterbau des Bettes ausbildende Funktion besitzen.
15
Der englischsprachige Begriff structure stimmt in deutscher Übersetzung mit der Bedeutung des Wortes "Struktur" nicht vollständig überein. Nach dem allgemeinen englischen Sprachgebrauch kann darunter auch ein Baukörper oder ein Tragwerk verstanden werden.
16
Dem Zusammenhang der Beschreibung ist zu entnehmen, dass bed frame structure das "Tragwerk", die tragende Struktur des Kinderbetts, be- zeichnet. Die (normalerweise vier) Positionierstäbe sind auf dem - vom Streitpatent von der Rahmenstruktur unterschiedenen - Stoffteil "montiert" (mounted on said fabric member, Merkmal 3.1). Sie erlauben es, wie ihr Name sagt, dieses Stoffteil zu positionieren. Es ist demgemäß mit den darauf angebrachten Positionierstäben wiederum auf der Rahmenstruktur montiert (mounted on said bed frame, Merkmal 2.1), indem die Positionierstäbe jeweils in den Aufnahmehohlraum eines der Rohre der Rahmenstruktur eingesetzt sind (Merkmal 3.2). Daraus ergibt sich die klemmende Halterung des Stoffteils an der Rahmenstruktur (Merkmal 4.1). Auf diese Weise steht ein leicht montierbares Kinderbett ohne sichtbare Montagehilfsmittel zur Verfügung, denn zur Montage ist lediglich er- forderlich, dass das Stoffteil (mit den Positionierstäben) in die Rohre der Rahmenstruktur (des "Tragwerks") eingesetzt wird.
17
II. Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht neu und hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Die australische Gebrauchs18 musterschrift 715 883 (NK9), der die nebenstehenden Figuren 1 und 2 entnommen sind, beschreibe ein Kinderbett mit einer Bettrahmenstruktur. Aus der Beschreibung ergebe sich, dass die Bettrahmenstruktur durch einen oberen Rahmen 10, einen unteren Rahmen 12 und durch in den Ecken des Bettes angeordnete senkrechte Rohre ("corner posts" 20 und "retai- ning members" 22) gebildet werde (Merkmal 1a). Das Kinderbett weise somit eine Bettrahmenstruktur auf, die eine Mehrzahl von senkrechten Rohren enthalte. Die als Halteelemente (retai- ning members) beschriebenen Elemente seien zylindrisch ausgebildete und senkrecht angeordnete Rohre mit Schlitz und Aufnahmehohlraum. Ein Stoffteil 14 werde auf die Eckpfosten (corner posts 20) montiert und bilde eine die Rahmenstruktur umgebende Wand. Das Stoffbauteil sei nach den Ausführungsbeispielen so angeordnet, dass es jeweils zwischen Eckpfosten 20 und Halteelement 22 geklemmt sei und sich durch den Schlitz im Halteelement erstrecke. Dem Einwand der Beklagten, die Druckschrift zeige lediglich die Eckpfos19 ten als Teil der Bettrahmenstruktur und die Halteelemente lediglich als Spannelemente , könne nicht gefolgt werden. Nach Patentanspruch 1 müsse die Bett- rahmenstruktur lediglich eine Mehrzahl senkrechter Rohre enthalten. Der Anspruch lasse offen, ob die Bettrahmenstruktur daneben noch weitere Bauteile enthalte. Indem die NK9 ein Halteelement auf einen Eckposten montiere, um das dazwischen befindliche Stoffbauteil zu verspannen, weise das darin offenbarte Kinderbett eine Bettrahmenstruktur auf, die aus diesen Halteelementen und Eckpfosten gebildet werde.
20
III. Die Begründung des Patentgerichts hält den Angriffen der Berufung nicht stand. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist neu; entgegen der Auffassung des Patentgerichts wird er nicht durch die NK9 offenbart.
21
Die australische Gebrauchsmusterschrift 715 883 (NK9) beschäftigt sich mit einem Halteelement für ein Kinderbett, welches über eine Bettrahmenstruktur und eine Stoffseitenwand verfügt. Sie bezeichnet es als schon länger bekannt , dass der am unteren Ende der Bettpfosten befestigte Stoff Falten bilden könne, wenn er (von außen) über die Eckpfosten geführt werde. Außerdem könne der Stoff mit der Zeit leicht gedehnt werden und verliere dann dort seine Spannung, wo er über die Eckpfosten verlaufe. Zur Lösung dieser Probleme schlägt die NK9 vor, auf den in den Ecken befindlichen Bettpfosten (corner posts 20) ein Halteelement (retaining member 22) anzubringen, das das Halten der Stoffseitenwand des Kinderbetts unterstützt und zur Reduzierung bzw. Abdeckung von Falten in der Stoffseitenwand an den Eckpfosten beiträgt (NK9, S. 1 Z. 11-15). Dieses Haltelement ist auf dem Bettpfosten aufrecht angeordnet und zylindrisch. Es verfügt über eine Rohrwand und gibt einen Aufnahmehohlraum vor. Die Rohrwand des Halteelements weist ihrerseits einen Schlitz entlang ihrer Länge auf, der jeweils in räumlicher Verbindung mit dem Aufnahmehohlraum steht (NK9, S. 1 Z. 24 - S. 2 Z. 4, S. 3 Z. 9-12).
22
Danach sind die zur Befestigung des Stoffbauteils beschriebenen Halteelemente der NK9 keine tragenden Bauteile der Bettrahmenstruktur. Nach den Ausführungen in der Beschreibung werden die Halteelemente erst ange- bracht, wenn die tragenden Elemente bereits vorhanden und zu einem Rahmen zusammengefügt sind (NK9, S. 2 Z. 4-7, S. 3 Z. 26-28). Folglich fehlt es an einer Vorwegnahme der Merkmalsgruppe 1, denn die zum Tragwerk gehörenden Eckpfosten haben keinen Schlitz, und die aufgeklemmten geschlitzten Halteelemente gehören nicht zur tragenden Rahmenstruktur. Anders als nach Patentanspruch 1 offenbart die NK9 auch keine Positionierstäbe im Sinne der Merkmalsgruppe 3, die auf dem Stoffteil montiert und in die Aufnahmeöffnung eines Rohrs eingefügt werden. Ebenso wenig ist damit die Merkmalsgruppe 4, die eine innere Verklemmung der Stoffseitenwand zwischen Eckpfosteninnenwand und Positionierstäben lehrt ("Schlüsselschlitzmethode"), verwirklicht.
23
IV. Das Urteil des Patentgerichts erweist sich auch nicht als aus anderen Gründen im Ergebnis zutreffend. Der Gegenstand des Streitpatents wird nicht durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nahegelegt.
24
1. Soweit die Klägerin geltend macht, der Fachmann habe aufgrund seines Fachwissens Anlass gehabt, bei dem Kinderbett nach der Entgegenhaltung NK9 Eckpfosten des Bettes und Haltelement in ihren Funktionen umzukehren , kann dem nicht beigetreten werden.
25
a) Um den Gegenstand einer Erfindung als nahegelegt anzusehen, ist zum einen erforderlich, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Zum anderen muss der Fachmann Grund gehabt haben, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 Rn. 20 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung ; Urteil vom 8. Dezember 2009 - X ZR 65/05, GRUR 2010, 407 Rn. 17 - einteilige Öse; st. Rspr.).
26
b) Aus der NK9 ergab sich keine Anregung für den Fachmann, den Eckpfosten des Kinderbettes umzugestalten und mit einer Befestigung der Stoffbespannung mittels der "Schlüsselschlitzmethode" in Verbindung zu bringen. Nach dem Gebrauchsmuster wird die Verklemmung der Stoffseitenwand erreicht, indem ein Haltelement (retaining member) von außen über einen Eckpfosten (corner post) des Bettes mit dem diesen in Form einer Manschette umgebenden Stoffteil geklemmt wird (Rn. 21 f.). Vorzugsweise wird das Halteelement - insoweit wie in dem in der NK9 geschilderten Stand der Technik - mit dem Stoffteil mit einem in ein Loch des Eckpfostens eingreifenden Befestigungsmittel zusätzlich gesichert. Entgegen der Auffassung der Klägerin gab dies dem Fachmann keine Veranlassung, die Funktionen von Eckpfosten und Halteelement sozusagen umzukehren, um dem Bettpfosten die weitere Funktion beizumessen, den Stoff innenliegend verklemmen zu können. Denn dazu hätte der Fachmann das sowohl der NK9 als auch dem von dieser weiterentwickelten Stand der Technik zugrunde liegende Konzept verlassen müssen, die Stoffbespannung von außen oder mittels einer aus dem Stoff gebildeten Manschette um die als notwendige Rahmenbestandteile vorgegeben hingenommenen Eckpfosten des Bettes zu führen, um die Stoffbespannung sodann in möglichst einfacher und zuverlässiger sowie optisch ansprechender Weise an diesem Eckpfosten zu befestigen.
27
c) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass - wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat - die Innenverklemmung oder "Schlüsselschlitzmethode" dem Fachmann als solche bekannt war.
28
Der Umstand, dass die Kenntnis eines technischen Sachverhalts zum allgemeinen Fachwissen gehört, belegt noch nicht, dass es für den Fachmann nahegelegen hat, sich bei der Lösung eines bestimmten Problems dieser Kenntnis zu bedienen (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 56/05, GRUR 2009, 743 Rn. 37 - Airbag-Auslösesteuerung). Die grundsätzliche Möglichkeit der Verwendung der "Schlüsselschlitzmethode" zur Befestigung insbesondere einer Stoffbahn besagt entgegen der Auffassung der Klägerin gerade nicht, dass für den Fachmann Anlass bestand, dem Bettpfosten eine weitere Funktion beizumessen, um diese Technik zur Befestigung des Stoffteils einzusetzen.
29
Über die fehlende Anregung hilft auch nicht der in der Rechtsprechung anerkannte Grundsatz hinweg, dass Veranlassung zur Heranziehung einer technischen Lösung, die als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Fachmanns gehört, bereits dann bestehen kann, wenn es für die Anwendung dieser Lösung zwar kein konkretes Vorbild gibt, die Nutzung ihrer Funktionalität in dem betreffenden Zusammenhang sich aber als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände festzustellen sind, die eine Anwendung als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 11. März 2014 - X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 - Farbversorgungssystem; Urteil vom 26. September 2017 - X ZR 109/15, Mitt. 2018, 21 Rn. 113 - Spinfrequenz). Zwar mögen die in erster Instanz vorgelegten Schriften belegen, dass die Positionierung und Befestigung einer Stoffbahn durch Einführen in ein als Trag- und Halteschiene ausgebildetes Rohr im Sinne dieser Rechtsprechung als ein vielfältig anwendbares Mittel zum allgemeinen Fachwissen gehörte. Die generelle Eignung eines zum allgemeinen Fachwissen zählenden Lösungsmittels kann aber nur dann als Veranlassung zu ihrer Heranziehung genügen, wenn für den Fachmann ohne weiteres erkennbar ist, dass eine technische Ausgangslage besteht, in der sich der Einsatz des betreffenden Lösungsmittels als objektiv zweckmäßig darstellt. Als hinreichender Anlass zu ihrer Anwendung könnte das Wissen des Fachmanns um die "Schlüsselschlitzmethode" daher nur dann genügen , wenn ihm die grundsätzliche Möglichkeit vor Augen stand, die Bettpfosten selbst als Halte- und Befestigungsmittel für die - hierzu auf Positionierstäbe aufzuziehende - Stoffbespannung auszugestalten. Denn nur dann hätte er auf die "Schlüsselschlitzmethode" als ein ihm zur Verfügung stehendes generelles Mittel zur Ausgestaltung eines solchen Trag- und Haltemittels zurückgreifen können. An dieser Voraussetzung fehlt es indessen nach den Vorbildern, die sich für den Fachmann aus der NK9 und dem dort referierten Stand der Technik auf dem Gebiet der stoffbespannten Kinderbetten ergaben.
30
2. Danach ergab sich eine Anregung für eine Umgestaltung der Eckpfosten des Bettes - entgegen den Ausführungen der Klägerin - auch nicht aus der US-Patentschrift 5 911 478 (NK33-5), die in Gestalt von Tragtuchschienen (sling rails) Trag- und Halteschienen für die aus einer Stoffbahn bestehende Rücken- und Sitzfläche eines Stuhls oder Sessels verwendet. Die Tragtuchschienen treten zu den Rahmenelementen des Stuhls hinzu und haben nur die Funktion, die Stoffbahn zu tragen, zu führen und zu halten. Sie bieten daher zur Entwicklung des Gegenstands des Streitpatents ebenfalls keinen Anlass.
31
3. Die im Übrigen von der Klägerin angeführten Entgegenhaltungen kommen der Erfindung nicht näher als der vorstehend beurteilte Stand der Technik. Sie legen die Lehre des Patentanspruchs 1 daher gleichfalls nicht nahe.
32
4. Nachdem die weiteren Patentansprüche auf den Anspruch 1 rückbezogen sind, ist auch ihr Gegenstand patentfähig.
33
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 91 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Bacher Hoffmann Kober-Dehm Marx
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 04.02.2016 - 2 Ni 52/13 (EP) -
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Annotations

Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.