Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2013 - XII ZB 671/12

published on 07/08/2013 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Aug. 2013 - XII ZB 671/12
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Amtsgericht Saarbrücken, XVII D 1368/11, 14/03/2012
Landgericht Saarbrücken, 5 T 306/12, 30/10/2012

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 671/12
vom
7. August 2013
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Vorsorgebevollmächtigter ist auch dann ungeeignet, die Angelegenheiten des
Betroffenen zu besorgen, wenn er - auch unverschuldet - objektiv nicht in der Lage
ist, die Vorsorgevollmacht zum Wohle des Betroffenen auszuüben (im Anschluss an
Senatsbeschluss vom 7. März 2012 - XII ZB 583/11 - FamRZ 2012, 868).
BGH, Beschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 671/12 - LG Saarbrücken
AG Saarbrücken
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. August 2013 durch
den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 30. Oktober 2012 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

I.

1
Die Beteiligte zu 1 wendet sich gegen die Anordnung der Betreuung für ihre Mutter.
2
Die Betroffene leidet an Demenz. Im Jahr 1997 erteilte sie ihrer Tochter, der Beteiligten zu 1, eine notarielle Vorsorgevollmacht. Die Beteiligte zu 1 organisierte daraufhin die Versorgung ihrer Mutter. Im Juli 2011 zog die Beteiligte zu 2, eine weitere Tochter der Betroffenen, in den Haushalt der Betroffenen ein. Seither kommt es wegen der Versorgung der Betroffenen zu erheblichen Streitigkeiten zwischen den Schwestern.
3
Das Amtsgericht hat die Betreuung für die Betroffene für die Aufgabenkreise Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge angeordnet und ihr eine Berufsbetreuerin bestellt. Das Landgericht hat die Be- schwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen, wogegen sie sich mit ihrer Rechtsbeschwerde wendet.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
5
1. Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ohne Zulassung statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Vor allem ist die Beteiligte zu 1 nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beschwerdebefugt.
6
2. Die Beschwerde hat indes in der Sache keinen Erfolg. Die Instanzgerichte sind zu Recht von der Erforderlichkeit der Betreuung ausgegangen, deren weitere Voraussetzungen von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen werden.
7
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht der Umstand, dass die Betroffene der Beteiligten zu 1 eine notarielle Vorsorgevollmacht erteilt hat, der Anordnung der Betreuung nicht entgegen; auf die Frage, ob die Vollmacht möglicherweise bereits wirksam widerrufen wurde, kommt es danach nicht an.
8
a) Allerdings hat die Rechtsbeschwerde zu Recht darauf hingewiesen, dass die Betreuung gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht erforderlich ist, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Aufgrund dieser Vorschrift ist die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung grundsätzlich nachrangig zu einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 - XII ZB 629/11 - FamRZ 2012, 969 Rn. 10). Eine Vorsorgevollmacht steht der Bestellung eines Betreuers jedoch dann nicht entgegen, wenn der Bevoll- mächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründen (Senatsbeschluss vom 7. März 2012 - XII ZB 583/11 - FamRZ 2012, 868 Rn. 12).
9
Auch wenn die Redlichkeit des Vorsorgebevollmächtigten außer Zweifel steht, erfordert der Vorrang des Bevollmächtigten gegenüber der Anordnung einer Betreuung seine objektive Eignung, zum Wohl des Betroffenen zu handeln (vgl. etwa MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1896 Rn. 61). Fehlt es hieran , weil der Bevollmächtigte - etwa wie hier wegen eines eigenmächtigen und störenden Verhaltens eines Dritten - nicht in der Lage ist, zum Wohle des Betroffenen zu handeln, bleibt die Anordnung einer Betreuung erforderlich.
10
b) Gemessen hieran ist es nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht von einer fehlenden Eignung der Beteiligten zu 1 ausgegangen ist.
11
Dabei hat das Landgericht zutreffend auf die gegenwärtige Situation abgestellt , wonach die Beteiligte zu 1 keine ernst zu nehmenden Anstrengungen mehr unternommen hat, die Versorgung der Betroffenen sicherzustellen, nachdem die Beteiligte zu 2 bei der Betroffenen eingezogen war, die ursprünglich von der Beteiligten zu 1 organisierten Pflegeleistungen durch den Pflegedienst bzw. durch Nachbarn und Bekannte weitgehend verdrängt sowie durch eigene - eigenmächtig veranlasste - Pflegeleistungen ersetzt hat. Wegen der damit einhergehenden erheblichen Streitigkeiten zwischen den Beteiligten sah sich die Beteiligte zu 1 ersichtlich gehindert, ihre Vorsorgevollmacht zum Wohle der Betroffenen weiterhin auszuüben. Auf den Umstand, dass die Beteiligte zu 1 nach den getroffenen Feststellungen die Versorgung der Betroffenen in der Vergangenheit trotz der relativ weiten Entfernung von ihrem Wohnsitz (Oberbayern) zu dem Wohnsitz der Betroffenen (Saarland) zufriedenstellend organisiert hat, kommt es dagegen nicht an.
12
c) Zwar verkennt der Senat die Bedenken der Rechtsbeschwerde nicht, wonach ein redlicher Bevollmächtigter durch das eigenmächtige Verhalten eines Dritten aus der Vorsorgevollmacht gedrängt werden kann. Dieses Ergebnis ist indessen nicht zwingend. Vielmehr sind auch Fallkonstellationen vorstellbar, in denen der Vorsorgebevollmächtigte etwa aufgrund seiner Persönlichkeit bzw. der ihm erteilten Vollmachten durchaus in der Lage ist, ein die Ausübung der Vorsorgevollmacht störendes eigenmächtiges Verhalten eines anderen zu unterbinden. Maßgebend muss im Ergebnis immer das Wohl des Betroffenen bleiben. Dabei ist schließlich auch zu beachten, dass nicht etwa - wie die Rechtsbeschwerde anklingen lässt - der sich eigenmächtig verhaltende Dritte im Ergebnis von seinem störenden Verhalten profitiert. Denn die Konsequenz ist nicht, dass er zum Betreuer bestellt wird. Vielmehr ist ein unbeteiligter Dritter als Betreuer zu bestellen, der im Zweifel besser dazu in der Lage ist, das störende Verhalten zu unterbinden.
13
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.
Dose Weber-Monecke Schilling Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Saarbrücken, Entscheidung vom 14.03.2012 - 10 XVII D 1368/11 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 30.10.2012 - 5 T 306/12 -
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(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über1.die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,2.Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahmezu. (2) Das Re
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(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

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Tenor 1. Auf die Beschwerde des Beteiligten Ziffer 4 wird der Beschluss des Amtsgerichts Betreuungsgericht - Ettlingen vom 2. Juli 2013 - XVII 284/10 - aufgehoben.2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt. Gründe  I.1 F
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Annotations

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über

1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahme
zu.

(2) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen

1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie den Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie
2.
einer Person seines Vertrauens
zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.

(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.

(4) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Führen mehrere Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte ihr Amt gemeinschaftlich, kann jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.