Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2018 - XII ZB 57/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. November 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene wendet sich gegen die Einrichtung seiner Betreuung.
- 2
- Nachdem das Amtsgericht zunächst die Schwester des Betroffenen zur vorläufigen Betreuerin bestellt und einen vorläufigen Einwilligungsvorbehalt angeordnet hatte, hat es nach Einholung unter anderem eines Sachverständigengutachtens zur Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen und dessen Anhörung den Beteiligten zu 2 zum berufsmäßigen Betreuer des Betroffenen für den Aufgabenkreis "Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen und sonstigen Institutionen, Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögens- sorge, Wohnungsangelegenheiten, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post" bestellt. Darüber hinaus hat das Amtsgericht einen Einwilligungsvorbehalt für die Vermögenssorge angeordnet. Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen ohne erneute Anhörung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
- 4
- 1. Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass das Landgericht nicht von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen hätte absehen dürfen.
- 5
- a) Nach § 278 Abs. 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor der Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen besteht nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich auch im Beschwerdeverfahren. Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht auch in einem Betreuungsverfahren die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Dies setzt jedoch unter anderem voraus, dass die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung von zwingenden Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist (Senatsbeschluss vom 21. Juni 2017 - XII ZB 45/17 - FamRZ 2017, 1610 Rn. 9 mwN; vgl. auch Senatsbeschluss vom 7. Februar 2018 - XII ZB 334/17 - FamRZ 2018, 707 Rn. 15 zur Unterbringung
).
- 6
- Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Entscheidungsgrundlage erfordert nach § 37 Abs. 2 FamFG, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Das setzt voraus, dass der Betroffene vor der Entscheidung nicht nur im Besitz des schriftlichen Sachverständigengutachtens ist, sondern auch ausreichend Zeit hatte, von dessen Inhalt Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern (Senatsbeschluss vom 6. April 2016 - XII ZB 397/15 - FamRZ 2016, 1148 Rn. 11 mwN). Wenn dem Betroffenen das Sachverständigengutachten nicht rechtzeitig vor dem Anhörungstermin überlassen worden ist, leidet die Anhörung an einem wesentlichen Verfahrensmangel (Senatsbeschluss vom 15. August 2018 - XII ZB 10/18 - FamRZ 2018, 1770 Rn. 14).
- 7
- b) Gemessen hieran durfte das Landgericht nicht von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG absehen. Seine Anhörung durch das Amtsgericht ist mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, weil dem Betroffenen das eingeholte Sachverständigengutachten zur Betreuungsbedürftigkeit nicht rechtzeitig vor dem Anhörungstermin überlassen worden ist.
- 8
- Ausweislich des Anhörungsprotokolls des Amtsgerichts wurde dem Betroffenen erst bei der Anhörung vom 24. November 2017 das Sachverständigengutachten ausgehändigt. Was das Amtsgericht "nach Rücksprache" mit dem Sachverständigen dazu bewogen hat zu vermerken, das Gutachten dem Betroffenen (nur) zu übersenden, "wenn er dies beantragt", ist nicht ersichtlich. Im Übrigen hatte der Betroffene bereits am 14. August 2017 erfolglos um Übersendung des Sachverständigengutachtens gebeten. Weil er das Gutachten erst im Anhörungstermin ausgehändigt erhalten hat, hatte er keine ausreichende Möglichkeit mehr, etwaige Einwendungen hiergegen zu erheben. Demgemäß wurde das Gutachten, soweit aus dem Protokoll ersichtlich, in der Anhörung auch nicht erörtert.
- 9
- Zwar hat das Landgericht im vorangegangenen Beschwerdeverfahren, das die einstweilige Betreuerbestellung zum Gegenstand hatte, die vorläufige Betreuerin am 22. September 2017 gebeten, das Gutachten mit dem Betroffenen zu besprechen. Selbst wenn die Betreuerin mit dem Betroffenen über das Gutachten gesprochen hätte, genügte dies allein indessen nicht, um dem Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör gerecht zu werden (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Februar 2018 - XII ZB 334/17 - FamRZ 2018, 707 Rn. 13) und damit die Voraussetzungen für eine verfahrensordnungsgemäße Anhörung durch das Amtsgericht zu schaffen. Überdies hat die vorläufige Betreuerin in ihrer anschließenden Stellungnahme darauf hingewiesen, dass der Betroffene inzwischen jeden Kontakt mit ihr ablehne.
- 10
- 2. Die Zurückverweisung gibt dem Landgericht zugleich Gelegenheit, das Sachverständigengutachten einer inhaltlichen Überprüfung anhand der vom Senat aufgestellten Maßstäbe zu unterziehen (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Februar 2017 - XII ZB 510/16 - FamRZ 2017, 648 Rn. 15). Ferner wird es sich die Frage vorzulegen haben, ob die Bestellung des Betreuers für alle vom Amtsgericht innerhalb des Aufgabenkreises angeordneten Aufgabenbereiche erforderlich ist (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018 - XII ZB 399/17 - FamRZ 2018, 1601 Rn. 19 mwN). Während sich die Begründung der angefochtenen Entscheidung zur Vermögenssorge und zu Wohnungsangelegenheiten verhält, fehlt es im landgerichtlichen wie im amtsgerichtlichen Beschluss an einer Begründung zur Erforderlichkeit der übrigen Aufgabenbereiche.
- 11
- Außerdem wird das Landgericht zu überprüfen haben, ob die Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nach § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB vorliegen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 11. Juli 2018 - XII ZB 399/17 - FamRZ 2018, 1601 Rn. 22 mwN). Zu Recht wendet die Rechtsbeschwerde ein, dass sich das Landgericht nicht mit den Ausführungen des Betroffenen hierzu in seiner Beschwerdebegründung auseinandergesetzt hat. Dose Schilling Nedden-Boeger Botur Guhling
AG Bad Homburg v.d.Höhe, Entscheidung vom 24.11.2017 - 42 XVII 179/17 Z -
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 15.01.2018 - 2-29 T 3/18 -
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(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.
(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.
(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:
- 1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder - 3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.
(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.
(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:
- 1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder - 3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.