Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2015 - XII ZB 526/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Betroffene erteilte ihrer Tochter, der Beteiligten zu 2, im Jahr 2010 eine notariell beurkundete Generalvollmacht, die u. a. die Entscheidungsbefugnis in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten umfasst.
- 2
- Auf eine entsprechende Anregung der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht den Beteiligten zu 3 zum Kontrollbetreuer für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellt. Zugleich hat es die Beteiligte zu 2 zur Betreuerin für den Aufgabenkreis Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der für die Betroffene bestimmten Postsendungen bestellt.
- 3
- Mit Schreiben vom 29. August 2014 hat die Betroffene "Widerspruch gegen den Beschluss, dass Frau B. H. für mich als Betreuerin fungieren soll" erhoben. Mit anwaltlichem Schreiben vom 28. August 2014 hat auch ihr Ehemann , der Beteiligte zu 1, Beschwerde eingelegt, mit der er sich ebenfalls gegen die Bestellung der Beteiligten zu 2 zur Betreuerin wendet. Das Landgericht, das angenommen hat, dass sich die Rechtsmittel der Betroffenen und des Beteiligten zu 1 nicht gegen die Anordnung der Kontrollbetreuung richten, hat die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben, soweit dort die Betreuung für den Aufgabenkreis Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der für die Betroffene bestimmten Postsendungen angeordnet wurde. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1, mit der er seine in der Beschwerdeinstanz gestellten Anträge weiterverfolgt.
II.
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- Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Dem Beteiligten zu 1 fehlt für die Rechtsbeschwerde das Rechtsschutzinteresse , weil er und die Betroffene bereits mit der angegriffenen Entscheidung ihr jeweils mit den (Erst-)Beschwerden verfolgtes Rechtsschutzziel, nämlich die Aufhebung der Bestellung der Beteiligten zu 2 zur Betreuerin, erreicht haben.
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- 1. Das für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn der Rechtsmittelführer kein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Entscheidung hat (Senatsbeschluss vom 28. April 2011 - XII ZB 170/11 - FamRZ 2011, 959 Rn. 16). Das ist hier der Fall.
- 6
- Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass die Betroffene und der Beteiligte zu 1 die erstinstanzliche Entscheidung nur insoweit angegriffen haben, als dort die Beteiligte zu 2 zur Betreuerin für den Aufgabenkreis Entgegennahme , Öffnen und Anhalten der für die Betroffene bestimmten Postsendungen bestellt worden ist. Die Betroffene hat in einem persönlich verfassten Schreiben ausdrücklich "gegen den Beschluss, dass Frau B. H. für mich als Betreuerin fungieren soll" Widerspruch erhoben und die Beteiligte zu 2 als Betreuerin abgelehnt. Der Beteiligte zu 1 hat sich in der von seinem Verfahrensbevollmächtigten verfassten Beschwerde ausdrücklich nur gegen die Bestellung der Beteiligten zu 2 zur Betreuerin gewandt und dies mit Bedenken gegen deren Redlichkeit und Geeignetheit, insbesondere im Hinblick auf die Verwaltung des Vermögens der Betroffenen begründet. In beiden Beschwerdeschreiben finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Betroffene oder der Beteiligte zu 1 auch gegen die Anordnung der Kontrollbetreuung wenden wollten. Daher ist die vom Beschwerdegericht vorgenommene Auslegung, wonach beide Beschwerden ausschließlich mit dem Ziel eingelegt worden sind, die Bestellung der Beteiligten zu 2 zur Betreuerin für den ihr übertragenen Aufgabenkreis zu beseitigen, nicht zu beanstanden.
- 7
- 2. Die Beschwerden konnten auch auf die Entscheidung über die Bestellung der Beteiligten zu 2 zur Betreuerin beschränkt werden.
- 8
- Die Beschränkung eines Rechtsmittels ist in Antragsverfahren und in Verfahren , die von Amts wegen betrieben werden, zulässig, wenn der Verfahrensgegenstand teilbar ist oder in der angefochtenen Entscheidung über mehrere selbständige Verfahrensgegenstände entschieden wurde (Keidel/Sternal FamFG 18. Aufl. § 64 Rn. 37).
- 9
- Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Die Anordnung einer Kontrollbetreuung für Vermögensangelegenheiten nach § 1896 Abs. 3 BGB und die zusätzliche Bestellung eines Betreuers für einen Aufgabenkreis, der von einer erteilten Generalvollmacht vermeintlich nicht erfasst wird, sind trennbare Teile der Entscheidung. Die Entscheidung über die Erforderlichkeit der Betreuung für den Aufgabenkreis Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der für die Betroffene bestimmten Postsendungen kann rechtlich und tatsächlich selbständig geprüft und beurteilt werden.
- 10
- 3. Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Beschwerden gegen die amtsgerichtliche Entscheidung hatte das Beschwerdegericht nur über die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Betreuung für den Aufgabenkreis Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der für die Betroffene bestimmten Postsendungen zu befinden.
- 11
- Zwar tritt das Beschwerdegericht in vollem Umfang an die Stelle des Erstgerichts (§ 68 Abs. 3 FamFG) und entscheidet unter Berücksichtigung des Sachund Streitstandes zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung über die Sache neu. Die Entscheidungskompetenz des Beschwerdegerichts ist jedoch durch den Beschwerdegegenstand begrenzt; das Beschwerdegericht darf nur insoweit über eine Angelegenheit entscheiden, als sie in der Beschwerdeinstanz angefallen ist (Senatsbeschlüsse vom 3. Dezember 2014 - XII ZB 355/14 - FamRZ 2015, 486 Rn. 24 und vom 11. Dezember 2013 - XII ZB 280/11 - FamRZ 2014, 378 Rn. 9 mwN).
- 12
- Somit ist die amtsgerichtliche Entscheidung, soweit sie die Bestellung eines Kontrollbetreuers zum Inhalt hat, in formelle Rechtskraft erwachsen. Ob die Kontrollbetreuung zu Recht angeordnet worden ist, war damit nicht Prüfungsgegenstand im Beschwerdeverfahren. Der Beteiligte zu 1 kann daher auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr gegen die Kontrollbetreuung vorgehen. Soweit er mit der Rechtsbeschwerde das Ziel verfolgt, die Beteiligte zu 2 als Betreuerin zu entlassen, hat er dieses Ziel bereits mit der Erstbeschwerde erreicht, weil das Beschwerdegericht die amtsgerichtliche Entscheidung insoweit aufgehoben hat. Daher besteht für den Beteiligten zu 1 kein schutzwürdiges Interesse mehr an einer Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht.
Vorinstanzen:
AG Arnstadt, Entscheidung vom 29.07.2014 - 4 XVII 114/14 -
LG Erfurt, Entscheidung vom 23.09.2014 - 3 T 357/14 -
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(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.
(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.
(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:
- 1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder - 3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.