Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2019 - XII ZB 382/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. November 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Schilling , Dr. Günter und Dr. Botur
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag, der sich auch auf einen Tiefgaragenstellplatz erstreckt, auf dem die Klägerin zwei Mülltonnen abgestellt hatte. Die Klägerin wurde durch die Hausverwaltung der Beklagten aufgefordert , die Mülltonnen zu entfernen.
- 2
- Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sie im Verhältnis zur Beklagten berechtigt ist, eine Mülltonne und die Tonne für die gelben Säcke auf ihrem Stellplatz abzustellen. Das Amtsgericht hat die Feststellungsklage abgewiesen und den Streitwert für das Verfahren auf bis zu 500 € festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landgericht nach vorangegangenem Hinweis auf das Nichterreichen der Berufungssumme verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
II.
- 3
- Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
- 4
- Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die Rechtssache entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde keine Entscheidung des Senats zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) und der Klägerin durch den Beschluss des Berufungsgerichts der Zugang zur Rechtsmittelinstanz auch nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise erschwert wird. Der Beschluss verletzt sie deshalb nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip).
- 5
- 1. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf seinen Hinweisbeschluss vom 21. Januar 2019 zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Berufung sei unzulässig, weil der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands in Höhe von mehr als 600 € nicht erreicht sei. Das Interesse der Klägerin an der Feststellung, dass sie zur Aufstellung der Mülltonnen berechtigt sei, sei gemäß § 3 ZPO nach dem Jahresbetrag zu bemessen , der von ihr durchschnittlich für die Anmietung eines anderen Stellplatzes aufgewendet werden müsste. Nach dem Mietspiegel der Stadt P. betrage die durchschnittliche monatliche Miete für einen nicht abschließbaren Stellplatz in einer Tiefgarage oder einem Parkhaus 48,80 €. Damit werde der für die Statthaftigkeit der Berufung erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands nicht erreicht, zumal aufgrund der Feststellungsklage noch ein Abschlag von 20 % auf den Wert der Jahresmiete vorzunehmen sei. Selbst wenn man der Auffassung der Klägerin folge und der Berechnung des Werts des Beschwer- degegenstands § 9 ZPO zugrunde lege, werde die erforderliche Beschwer von über 600 € nicht erreicht. Bei einer üblichen Größe eines Tiefgaragenstellplatzes von 15 Quadratmetern könne die für das Abstellen der Mülltonnen benötigte Fläche drei Quadratmeter nicht überschreiten. Deshalb sei das Feststellungsbegehren der Klägerin lediglich mit einem Fünftel der monatlichen Miete von 48,80 € für einen Stellplatz zu bewerten, d.h. mit 9,76 €. Der Wert der Beschwer betrage demnach auch bei Anwendung des § 9 ZPO lediglich 409,92 € (42 x 9,76 €).
- 6
- 2. Diese Ausführungen halten sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstands nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erreicht wird.
- 7
- a) Die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO richtet sich grundsätzlich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an dem Erfolg seines Rechtsmittels (vgl. BGHZ 128, 85, 88 = NJW 1995, 664). Die Beschwer der in der ersten Instanz unterlegenen Partei am Erfolg ihres Rechtsmittels hängt dabei maßgebend von ihrem wirtschaftlichen Interesse ab (vgl. BGH Urteil vom 19. November 2014 - VIII ZR 79/14 - NJW 2015, 873 Rn. 16 mwN). Bei einem Kläger, dessen Klage in erster Instanz abgewiesen worden ist und der sein Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt, ist sein wirtschaftliches Interesse am Erfolg seines Rechtsmittels regelmäßig identisch mit dem Wert seiner Klage.
- 8
- b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bestimmt sich im vorliegenden Fall der Wert des Beschwerdegegenstands nicht nach §§ 8, 9 ZPO. Diese Vorschriften sind nach der Rechtsprechung des Senats dann für die Berechnung des Rechtsmittelstreitwerts heranzuziehen, wenn das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig und der Beendigungszeitpunkt ungewiss ist oder sich die streitige Zeit nicht ermitteln lässt. Für die Bemessung der Beschwer ist in diesen Fällen der dreieinhalbfache Wert des einjährigen Entgelts anzusetzen (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 - XII ZR 6/17 - WuM 2017, 724 mwN). Streiten die Parteien - wie im vorliegenden Fall - jedoch nur über die Berechtigung des Mieters, die Mietsache in einer bestimmten Art und Weise nutzen zu dürfen, und ist hierbei der Bestand des Mietverhältnisses zwischen den Parteien unstreitig, ist für die Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstands allein § 3 ZPO maßgeblich.
- 9
- c) Das vom Berufungsgericht bei der Bemessung des Werts der Beschwer gemäß § 3 ZPO ausgeübte tatrichterliche Ermessen kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Juli 2018 - XII ZB 82/18 - FamRZ 2018, 1529 Rn. 8 mwN). Derartige Ermessensfehler vermag die Rechtsbeschwerde nicht aufzuzeigen.
- 10
- Dass das Berufungsgericht im Rahmen des ihm durch § 3 ZPO eingeräumten Ermessens die Beschwer der Klägerin nach dem Jahresbetrag bemessen hat, der von ihr durchschnittlich für die Anmietung eines anderen Stellplatzes aufgewendet werden müsste, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch die Rechtsbeschwerde erhebt hiergegen keine Einwände. Schon deshalb liegt der Wert der Beschwer jedenfalls nicht höher als (48,80 € x 12 =) 585,60 €, wobei im Rahmen des Feststellungsantrags noch ein weiterer Abschlag zu berücksichtigen ist.
- 11
- Soweit die Rechtsbeschwerde meint, dem Berufungsgericht sei ein Ermessensfehler zur Last zu legen, weil es bei der Berechnung des Werts der Beschwer nur die Größe der Stellfläche berücksichtigt habe, die für die Mülltonnen erforderlich sei und hierfür kein realer Vermietungsmarkt existiere, verhilft ihr das nicht zum Erfolg. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu §§ 8, 9 ZPO sind ersichtlich nur eine Hilfserwägung im Hinblick auf die im Beschwerdeverfahren von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung, der Wert des Beschwerdegegenstands bestimme sich vorliegend nach den §§ 8, 9 ZPO. Maßgeblich hat sich das Berufungsgericht jedoch in dem in Bezug genommenen Hinweisbeschluss vom 21. Januar 2019 auf § 3 ZPO gestützt und insoweit die für die Ermittlung des Beschwerdewerts maßgeblichen Erwägungen angestellt.
Vorinstanzen:
AG Pforzheim, Entscheidung vom 29.03.2018 - 13 C 40/17 -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 17.06.2019 - 9 S 100/18 -
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Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.
Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.
Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.
Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.
Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.