Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2018 - XII ZB 243/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. November 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Gründe:
I.
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- Für die 1960 geborene Betroffene wurde erstmals im Jahr 2013 eine Betreuung eingerichtet. Das Amtsgericht hat die Betreuung nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und persönlicher Anhörung der Betroffenen verlängert. Es hat die Beteiligte zu 1 zur Berufsbetreuerin mit dem Aufgabenkreis "Anhalten, Entgegennahme und Öffnen der Post, Gesundheitssorge, Vermögenssorge , Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern, Vertretung vor Gerichten" bestellt. Ferner wurde ein Einwilligungsvorbehalt für die Vermögenssorge angeordnet. Mit ihrer Beschwerde hat die Betroffene gel- tend gemacht, keine Betreuung zu benötigen; zumindest wünsche sie, dass ihre Mutter (Beteiligte zu 3) zur Betreuerin bestellt werde. Das Landgericht hat die Betroffene in Gegenwart ihres Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt M. am 24. April 2018 erneut angehört. Im Rahmen dieser Anhörung bekamen die Betroffene , die Berufsbetreuerin und die Mutter der Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung. Am Ende der Anhörung wurde das Folgende protokolliert: "Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage bestand Einvernehmen darüber, dass die Betreuung im Bereich Vermögenssorge und der Einwilligungsvorbehalt aufgehoben werden sollen und dass es im Übrigen bis zum Ablauf der Überprüfungsfrist zunächst bei der Betreuung verbleiben soll. Rechtsanwalt M. erklärte: Die Beschwerde wird auf den vorgenannten Umfang beschränkt."
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- Das Landgericht hat den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts neu gefasst und ausgesprochen, dass die Beteiligte zu 1 als Berufsbetreuerin nur noch für den Aufgabenkreis "Gesundheitssorge, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern, Vertretung vor Gerichten" sowie für "Anhalten, Entgegennahme und Öffnen der Post im Rahmen der Aufgabenkreise" bestellt wird. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen, die eine Bestellung ihrer Mutter zur Betreuerin erstrebt.
II.
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- Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt wegen der Entscheidung zur Betreuerauswahl zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
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- 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
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- a) Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 1 FamFG auch ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft. Dass sich die Rechtsmittel der Betroffenen nicht mehr gegen die Verlängerung der Betreuung, sondern nur noch gegen die Entscheidung über die Auswahl der Person richtet, ist angesichts des Einheitscharakters der Entscheidung über die Einrichtung bzw. Verlängerung der Betreuung und der Bestellung eines Betreuers unschädlich (Senatsbeschluss vom 25. März 2015 - XII ZB 621/14 - FamRZ 2015, 1178 Rn. 10 mwN).
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- b) Die Betroffene ist auch beschwerdeberechtigt. Die Beschwerdeberechtigung setzt eine formelle oder eine eigenständige materielle Beschwer durch die Beschwerdeentscheidung voraus. Hat der Rechtsbeschwerdeführer - wie hier - auch die Erstbeschwerde erhoben, so ist er durch die Beschwerdeentscheidung formell beschwert, wenn und soweit sein Rechtsmittel in der Beschwerdeinstanz ohne Erfolg geblieben ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. Oktober 2015 - XII ZB 695/14 - FamRZ 2016, 120 Rn. 12 mwN und vom 5. November 2014 - XII ZB 117/14 - FamRZ 2015, 249 Rn. 4).
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- So liegt der Fall hier. Die vom Beschwerdegericht in der neu gefassten Betreuungsanordnung ausgesprochene und insoweit die amtsgerichtliche Entscheidung bestätigende Bestellung der Beteiligten zu 1 zur Berufsbetreuerin ist in der Sache als konkludente (Teil-) Zurückweisung der Erstbeschwerde in Bezug auf die Betreuerauswahl anzusehen. Die von dem Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen im Rahmen der mündlichen Anhörung im Beschwerdeverfahren erklärte Rechtsmittelbeschränkung kann nicht zweifelsfrei dahingehend ausgelegt werden, dass sich die Betroffene nach der Teilrücknahme ihrer Beschwerde nur noch gegen die Einrichtung einer Betreuung für die Vermögenssorge sowie die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts wenden und dem- gegenüber die Bestellung der Beteiligten zu 1 zur Berufsbetreuerin für die verbleibenden Aufgabenbereiche hinnehmen wollte.
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- aa) Insoweit geht es um die Auslegung einer Verfahrenserklärung, die das Rechtsbeschwerdegericht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohne Einschränkungen nachprüfen und in freier Würdigung selbst auslegen darf (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2017 - XII ZB 56/16 - FamRZ 2017, 900 Rn. 27 mwN). Die Zurücknahme eines Rechtsmittels muss zwar nicht ausdrücklich, aber doch eindeutig erklärt werden. Inhaltlich muss der Rechtsmittelführer klar und unzweideutig zum Ausdruck bringen, dass er das Verfahren nicht mehr fortsetzen und ohne Entscheidung des Rechtsmittelgerichts beenden will (vgl. Senatsbeschluss vom 23. September 1987 - IVb ZB 59/86 - FamRZ 1988, 277, 278; BGH Beschlüsse vom 15. März 2006 - IV ZB 38/05 - NJW-RR 2006, 862 Rn. 15 und vom 22. Januar 2002 - VI ZB 51/01 - NJW 2002, 1352, 1353; MünchKommFamFG/A. Fischer 3. Aufl. § 67 Rn. 36). Bei Zweifeln ist der Erklärung die Bedeutung beizumessen, welche die geringeren verfahrensrechtlichen Folgen nach sich zieht (Wieczorek/ Schütze/Gerken ZPO 3. Aufl. § 516 Rn. 13; MünchKommZPO/Rimmelspacher 5. Aufl. § 516 Rn. 8; vgl. bereits RG JW 1935, 2281, 2282).
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- bb) Gemessen daran ist die in der mündlichen Anhörung am 24. April 2018 protokollierte Erklärung des Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen zur Beschränkung des Rechtsmittels nicht eindeutig.
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- Das ausweislich des gerichtlichen Protokolls im Anhörungstermin erzielte Einvernehmen darüber, dass es im Übrigen - d.h. bezüglich der Gesundheitssorge und der damit zusammenhängenden Aufgabenbereiche - bis zum Ablauf der Überprüfungsfrist "zunächst bei der Betreuung verbleiben" solle, lässt angesichts des Umstands, dass ein Betreuter sein Rechtsmittel wirksam auf die Betreuerauswahl beschränken könnte, begrifflich zwei Auslegungsmög- lichkeiten zu. Entweder umfasste die Verständigung sowohl die Betreuungsanordnung (das "Ob" der Betreuung) als auch die Betreuerauswahl (das "Wie" der Betreuung) oder die Erzielung des Einvernehmens beschränkte sich lediglich auf die Betreuungsanordnung. Insoweit bestehen im vorliegenden Fall auch deshalb Zweifel, weil die Betroffene in der Anhörung weiterhin den ausdrücklichen Wunsch geäußert hat, von ihrer Mutter betreut zu werden und sich die Mutter der Betroffenen im Rahmen der Anhörung zur Frage ihrer Eignung als Betreuerin äußern konnte. Bleibt die Reichweite des in der mündlichen Anhörung erzielten Einvernehmens im Unklaren, fehlt auch der Erklärung des Verfahrensbevollmächtigten , die eingelegte Beschwerde "auf den vorgenannten Umfang" zu beschränken, notwendigerweise die erforderliche Eindeutigkeit. Im Zweifel ist daher (lediglich) von einer Beschränkung des Rechtsmittels auf die Betreuerauswahl auszugehen, weil dies die verfahrensrechtlich weniger weitreichende Auslegungsmöglichkeit darstellt.
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- 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Da das Beschwerdegericht erkennbar davon ausgegangen ist, dass eine gerichtliche Entscheidung zur Betreuerauswahl im angeordneten Aufgabenkreis nicht mehr erforderlich ist, hat es sich folgerichtig nicht mehr mit der Frage befasst, ob der von der Betroffenen geäußerte Betreuervorschlag verbindlich ist (§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB), oder ob die Bestellung der Mutter der Betroffenen - wie das Amtsgericht meint - dem Wohl der Betroffenen zuwiderläuft.
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- 3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechts- fragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen. Dose Schilling Nedden-Boeger Botur Guhling
AG Unna, Entscheidung vom 06.02.2018 - 7 XVII 369/17 -
LG Dortmund, Entscheidung vom 27.04.2018 - 9 T 149/18 -
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(1) Die Beschwerde ist unzulässig, wenn der Beschwerdeführer hierauf nach Bekanntgabe des Beschlusses durch Erklärung gegenüber dem Gericht verzichtet hat.
(2) Die Anschlussbeschwerde ist unzulässig, wenn der Anschlussbeschwerdeführer hierauf nach Einlegung des Hauptrechtsmittels durch Erklärung gegenüber dem Gericht verzichtet hat.
(3) Der gegenüber einem anderen Beteiligten erklärte Verzicht hat die Unzulässigkeit der Beschwerde nur dann zur Folge, wenn dieser sich darauf beruft.
(4) Der Beschwerdeführer kann die Beschwerde bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung durch Erklärung gegenüber dem Gericht zurücknehmen.
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.