Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2015 - XII ZB 188/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die Rechtsbeschwerde, mit welcher der Betreuer die Festsetzung einer Vergütung auf Grundlage eines Stundensatzes von 44 € statt der vom Beschwerdegericht zuerkannten 33,50 € erstrebt, ist nicht begründet. Die angegrif- fene Entscheidung hält rechtlicher Überprüfung stand.
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- 1. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG kann der Betreuer die erhöhte Vergütung von 44 € pro Stunde nur beanspruchen, wenn er über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, und wenn er diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare Ausbildung erworben hat.
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- Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgeblichen Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt und Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (Senatsbeschluss vom 17. September 2014 - XII ZB 684/13 - FamRZ 2015, 253 Rn. 3 mwN).
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- 2. Die von dem Betreuer berufsgleitend am Studieninstitut für kommunale Verwaltung Hellweg-Sauerland und an der Verwaltungs-Akademie für West- falen erworbenen Fortbildungsabschlüsse „Verwaltungsfachwirt“ (1981) und „Verwaltungsdiplom betriebswirtschaftlicher Fachrichtung“ (1996) sind einem Hochschulabschluss rechtlich nicht gleichgestellt. Eine rechtliche Gleichstellung lässt sich insbesondere nicht schon aus der Einordnung von Abschlüssen in die Niveaustufen des Deutschen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen (DQR) herleiten (vgl. auch BayVGH Beschluss vom 15. Januar 2013 - 7 CE 12.2407 - juris Rn. 23 f. und Urteil vom 13. Juli 2015 - 7 BV 14.1507 - juris Rn. 22 f.; VG Münster Urteil vom 12. Mai 2014 - 4 K 3369/12 - juris Rn.
19).
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- 3. Soweit das Beschwerdegericht in tatrichterlicher Verantwortung die Vergleichbarkeit der von dem Betreuer absolvierten Fortbildungen mit einer Hochschul- oder Fachhochschulausbildung - insbesondere dem dreijährigen Studium an einer Fachhochschule für öffentliche Verwaltung mit dem Abschluss eines Diplom-Verwaltungswirts (FH) oder eines „Bachelor of Laws“ bzw. eines „Bachelor of Arts- Allgemeine Verwaltung“ - verneint hat, hält dies den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
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- a) Einer Hochschulausbildung vergleichbar ist eine Ausbildung, die ihr in ihrer Wertigkeit entspricht und einen formalen Abschluss aufweist. Gleichwertig ist sie, wenn sie staatlich anerkannt ist und der durch sie vermittelte Wissensstand nach Art und Umfang dem eines Hochschul- oder Fachhochschulstudiums entspricht. Als Kriterien hierfür können insbesondere der mit der Ausbildung verbundene Zeitaufwand, Umfang und Inhalt des Lehrstoffes und die Zulassungsvoraussetzungen herangezogen werden. Bei der Prüfung der Vergleichbarkeit hat der Tatrichter strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Januar 2012 - XII ZB 409/10 - FamRZ 2012, 629 Rn. 11 f. und vom 4. April 2012 - XII ZB 447/11 - NJW-RR 2012, 774 Rn. 16).
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- b) § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG knüpft als Quelle für den Erwerb von vergütungserhöhenden besonderen Kenntnissen ausschließlich an den typisierten Ausbildungsgang an. Mit dem nach der Art der Ausbildung gestaffelten Stundensatz wollte der Gesetzgeber den Gerichten eine leicht zu handhabende Regelung zur Verfügung stellen und auf diese Weise eine einheitliche Vergütungspraxis sichern. Wortlaut und Zweck der Vorschrift stehen deshalb auch einer Gesamtbetrachtung dahin entgegen, dass mehrere Ausbildungen und Fortbildungsmaßnahmen insgesamt einer Hochschulausbildung vergleichbar sind. Der Senat hat vor diesem Hintergrund mehrfach entschieden, dass eine an die berufliche Ausbildung anschließende berufliche Fortbildung nicht schon deshalb mit einer (Fach-)Hochschulausbildung vergleichbar ist, weil die durch den Fortbildungsabschluss nachgewiesenen Kenntnisse und Fähigkeiten im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes nach den konkreten Einzelfallumständen die Eingruppierung eines Angestellten in eine dem gehobenen Dienst entsprechende Vergütungsgruppe rechtfertigen können (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. Oktober 2013 - XII ZB 23/13 - FamRZ 2014, 117 Rn. 16 und vom 4. April 2012 - XII ZB 447/11 - NJW-RR 2012, 774 Rn. 20 f.).
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- Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des von der Rechtsbeschwerde besonders herausgehobenen Umstands fest, dass die Abschlüsse des geprüften Fachwirts, des Fachschulabsolventen und des Bachelors im DQR auf der gleichen (sechsten) Niveaustufe verortet worden sind.
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- Der am 1. Mai 2013 eingeführte DQR ist die nationale Umsetzung des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR), mit dem nationale Qualifikationen europaweit besser verständlich gemacht werden sollen. Die im deutschen Bildungssystem erworbenen Qualifikationen ordnet der DQR in acht Niveaus ein, die ihrerseits den acht Niveaus des EQR zugeordnet werden können.
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- Eine Einordnung in die sechste Niveaustufe, dem der geprüfte Fachwirt, der Fachschulabsolvent und der Bachelor/Fachhochschulabsolvent - aber auch der geprüfte Meister - zugeordnet sind, setzt auf der Ebene der Fachkompetenz (Wissen) ein „breitesund integriertes Wissen einschließlich der wissenschaftlichen Grundlagen, der praktischen Anwendung eines wissenschaftlichen Faches sowie eines kritischen Verständnisses der wichtigsten Theorien und Methoden (entsprechend der Stufe 1 [Bachelor-Ebene] des Qualifikationsrahmens für Deutsche Hochschulabschlüsse)“ oder aber „ein breites und integriertesberufliches Wissen einschließlich der aktuellen fachlichen Entwicklungen“ voraus. Die für die Einstufung eines nationalen Abschlusses in eine bestimmte Niveaustufe tragenden Erwägungen sind demgegenüber im DQR nicht im Einzelnen offengelegt, weil sich der DQR insoweit auf den Hinweis beschränkt, dass die Zuordnung nach „dem Konsensprinzip im Arbeitskreis DQR“ erfolgt (vgl. auch VG Münster Urteil vom 12. Mai 2014 - 4 K 3369/12 - juris Rn. 22).
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- Schon daraus erschließt sich, dass sich aus der Einordnung eines Abschlusses in die sechste Niveaustufe des DQR - unabhängig von der rechtlichen Unverbindlichkeit des DQR - keine besonderen Erkenntnisse für die im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG zu beurteilende Frage gewinnen lassen, ob in der zum Abschluss führenden Ausbildung eine der Hochschul- oder Fachhochschulausbildung nach Art und Umfang entsprechende Wissensvermittlung stattgefunden hat.
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- c) Gemessen daran vermag die Rechtsbeschwerde keine durchgreifenden Rechtsfehler bei der Ermessensentscheidung des Beschwerdegerichts aufzuzeigen.
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- aa) Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht die fehlende Vergleichbarkeit der Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt mit einer Hochschulausbildung schon darauf gestützt, dass der von ihm festgestellte Zeitaufwand von 1.050 Stunden für die Fortbildung im „Angestelltenlehrgang II“ deutlich hinter dem Zeitaufwand für ein Fachhochschulstudium mit einer Regelstudienzeit von sechs Semestern zurückbleibt.
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- bb) Soweit es die Ausbildung des Betreuers an der VerwaltungsAkademie für Westfalen betrifft, verweist das Beschwerdegericht auf die Ausführungen des Senats in seiner Entscheidung vom 30. Oktober 2013, wonach ein an der Sächsischen Verwaltungsakademie erworbener Abschluss „Be- triebswirt (VWA)“ nicht mit einem Hochschulabschluss vergleichbar ist(Senats- beschluss vom 30. Oktober 2013 - XII ZB 23/13 - FamRZ 2014, 117 Rn. 15 f.). Soweit das Beschwerdegericht hiernach in tatsächlicher Hinsicht erkennbar davon ausgeht, dass auch der mit der Ausbildung an der Verwaltungs-Akademie für Westfalen verbundene Zeitaufwand deutlich unter dem für ein Hochschuloder Fachhochschulstudium erforderlichen Zeitaufwand zurückbleibt und dieser Abschluss im beamtenrechtlichen Laufbahnrecht nicht mit einem Fachhochschulabschluss als gleichwertig angesehen wird, erinnert die Rechtsbeschwerde dagegen nichts.
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- cc) Richtig und im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats hat es das Beschwerdegericht auch abgelehnt, aus der Gesamtschau beider berufli- cher Weiterbildungen des Betreuers eine Vergleichbarkeit mit einer Hochschulausbildung herzuleiten.
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- 4. Unbehelflich ist letztlich auch der Einwand der Rechtsbeschwerde, dass im Einzelfall der Vertrauensgrundsatz einer mit öffentlich-rechtlichen Rückforderungsansprüchen einhergehenden gerichtlichen Festsetzung der Betreuervergütung nach Treu und Glauben entgegenstehen kann, wenn das Vertrauen des Betreuers auf die Beständigkeit einer ihm in der Vergangenheit rechtswidrig gewährten Vergütung schutzwürdig ist. Unabhängig davon, ob dem Vorbringen des Betreuers hinreichend deutlich entnommen werden kann, dass er sich wegen des mit der Festsetzung verbundenen öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf Rückzahlung der überzahlten Betreuervergütung (175,35 €) auf den Vertrauensgrundsatz berufen wollte, dürfte dieser unter den obwaltenden Umständen ersichtlich nicht zum Tragen kommen. Denn die Überzahlungen beruhen darauf, dass dem Betreuer (noch) am 5. Dezember 2013 und am 5. Februar 2014 im Verwaltungswege Leistungen gewährt wurden, denen noch der erhöhte Stundensatz von 44 € zugrunde gelegen hat. Schon seinerzeit konnte der Betreuer im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt bereits veröffentlichte Senatsrechtsprechung kein uneingeschränktes Vertrauen mehr dahin in Anspruch nehmen, dass seine Ausbildung an einer Verwaltungsakademie in einem Festsetzungsverfahren - weiterhin - als einer Hochschulausbildung vergleichbar anerkannt werden würde.
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- 5. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Vorinstanzen:
AG Werl, Entscheidung vom 29.01.2015 - 2 XVII B 562 -
LG Arnsberg, Entscheidung vom 14.04.2015 - I-5 T 69/15 -
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(1) Die dem Betreuer nach § 1 Absatz 2 zu bewilligende Vergütung bestimmt sich nach monatlichen Fallpauschalen, die in den Vergütungstabellen A bis C der Anlage festgelegt sind.
(2) Die Vergütung des Betreuers richtet sich nach Vergütungstabelle A, sofern der Betreuer über keine besonderen Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind.
(3) Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so richtet sich die Vergütung
- 1.
nach Vergütungstabelle B, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind; - 2.
nach Vergütungstabelle C, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.
(4) § 3 Absatz 2 gilt entsprechend. § 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 findet keine Anwendung.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.