Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Feb. 2016 - VI ZB 33/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Februar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Stöhr und Offenloch und die Richterinnen Dr. Oehler und Dr. Roloff
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz, Schmerzensgeld und Feststellung aus einem Verkehrsunfall.
- 2
- Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Urteil des Landgerichts ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 27. März 2015 und dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 30. März 2015 zugestellt worden. Beide Parteien haben gegen das Urteil Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2015 hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat bis zum 30. Juni 2015 zu verlängern. Die Vorsitzende des Berufungssenats hat daraufhin ein Schreiben an die Prozessbevollmächtigten mit folgendem Inhalt veranlasst: "(…) wird auf Antrag von Rechtsanwalt B. die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 30.06.2015 verlängert (…)"
- 3
- Nach Eingang der Berufungsbegründung der Beklagten setzte die Vorsitzende dem Kläger eine Frist zur Erwiderung auf die Berufungsbegründung bis zum 22. Juli 2015. Ferner wies sie ihn darauf hin, dass seine Berufung nicht fristgerecht begründet worden sei. Mit am 25. Juni 2015 bei dem Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger seine Berufung begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
- 4
- Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Antrag auf Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Gegen die Verwerfung seiner Berufung wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II.
- 5
- Die Rechtsbeschwerde ist von Gesetzes wegen statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO).
- 6
- Die Rechtsbeschwerde wendet sich nicht gegen die zutreffende Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger die Frist zur Begründung der (Haupt-)Berufung versäumt hat. Zu Recht rügt sie aber, dass der angefochtene Beschluss nicht bestehen bleiben könne, weil die unzulässige Berufung in eine zulässige Anschlussberufung im Sinne des § 524 ZPO umgedeutet werden kann und muss (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 2008 - III ZB 41/08, VersR 2010, 89 Rn. 10 ff.; vom 13. Oktober 2011 - VII ZB 27/11, ZfBR 2012, 140; vom 16. Oktober 2014 - VII ZB 15/14, NJW-RR 2015, 700 Rn. 15; jeweils mwN).
- 7
- 1. Auch im Verfahrensrecht kann der Gedanke des § 140 BGB (Umdeutung ) herangezogen werden. Für die Umdeutung genügt es, wenn diese von dem mutmaßlichen Parteiwillen gedeckt wird. In aller Regel wird eine Partei eine unzulässige Hauptberufung als zulässige Anschlussberufung retten wollen (BGH, Urteil vom 6. Mai 1987 - IVb ZR 51/86, BGHZ 100, 383, 387 f.; Beschluss vom 30. Oktober 2008 - III ZB 41/08, aaO Rn. 11). Dies hat der Kläger in der Rechtsbeschwerdebegründung auch ausdrücklich klargestellt.
- 8
- Soweit die Beklagten dagegen einwenden, der Wille des Klägers, seine unzulässige (Haupt-)Berufung als Anschlussberufung aufrechtzuerhalten, sei im Berufungsverfahren nicht ausreichend zum Ausdruck gekommen, ist das nicht erforderlich. Die Auslegung darf in Fällen der vorliegenden Art nur nicht ergeben , dass die Partei ausschließlich ein selbständiges Rechtsmittel einlegen und keinesfalls - etwa als ein Weniger oder hilfsweise - auch die Abhängigkeit von dem Rechtsmittel des Gegners gewollt hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai1987 - IVb ZR 51/86, aaO, 388). Das wird von den Beklagten nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
- 9
- Es trifft vor diesem Hintergrund entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht zu, dass der betroffenen Partei gestattet wäre, im Rechtsbeschwerdeverfahren noch Erklärungen abzugeben, die die Zulässigkeit des Rechtsmittels beeinflussen. Die in der Rechtsbeschwerdebegründung erfolgte Klarstellung, dass der Kläger seine unzulässige Hauptberufung als zulässige Anschlussberufung ansehen will, stellt nach dem Ausgeführten keine Voraussetzung für die Umdeutung dar.
- 10
- 2. Die formellen Voraussetzungen des § 524 ZPO sind im vorliegenden Fall - wovon auch die Beschwerdeerwiderung ausgeht - gewahrt, insbesondere bestehen gegen die Rechtzeitigkeit der Anschließung keine Bedenken. Auch wenn in den mit der klägerischen Berufungsbegründung angekündigten Anträgen eine Klageerweiterung liegen sollte, was hier keiner Klärung bedarf, wäre eine solche im Rahmen einer Anschließung zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1951 - GSZ 2/51, BGHZ 4, 229, 234; Senatsurteil vom 10. Mai 2011 - VI ZR 152/10, VersR 2011, 882 Rn. 10; BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, GRUR 2012, 180 Rn. 22).
- 11
- 3. Der Streitwert war in Abänderung des Beschlusses des Senats vom 20. Oktober 2015 auf 119.642,45 € festzusetzen, weil der Kläger mit der (Anschluss -)Berufung in der Hauptsache lediglich noch die geltend gemachten Ansprüche auf Ersatz für den Verdienstausfall weiterverfolgt. Galke Stöhr Offenloch Oehler Roloff
LG Bonn, Entscheidung vom 25.03.2015 - 13 O 48/12 -
OLG Köln, Entscheidung vom 06.08.2015 - 3 U 62/15 -
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(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.
(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.
(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.
(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.
(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.
(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.
(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.
Entspricht ein nichtiges Rechtsgeschäft den Erfordernissen eines anderen Rechtsgeschäfts, so gilt das letztere, wenn anzunehmen ist, dass dessen Geltung bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt sein würde.
(1) Der Berufungsbeklagte kann sich der Berufung anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift bei dem Berufungsgericht.
(2) Die Anschließung ist auch statthaft, wenn der Berufungsbeklagte auf die Berufung verzichtet hat oder die Berufungsfrist verstrichen ist. Sie ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung. Diese Frist gilt nicht, wenn die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323) zum Gegenstand hat.
(3) Die Anschlussberufung muss in der Anschlussschrift begründet werden. Die Vorschriften des § 519 Abs. 2, 4 und des § 520 Abs. 3 sowie des § 521 gelten entsprechend.
(4) Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird.