Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2018 - V ZB 180/17

published on 22/11/2018 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2018 - V ZB 180/17
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Amtsgericht Frankfurt am Main, 934 XIV 1167/17 B, 18/08/2017
Landgericht Frankfurt am Main, 29 T 210/17, 24/08/2017

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 180/17
vom
22. November 2018
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage
zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame
Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal
aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. 2008 Nr. L 348/98) einer nationalen
Regelung entgegen, nach der die Abschiebungshaft in einer gewöhnlichen
Haftanstalt vollzogen werden kann, wenn von dem Ausländer
eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende
Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, wobei der Abschiebungsgefangene
auch in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen
ist?
BGH, Beschluss vom 22. November 2018 - V ZB 180/17 - LG Frankfurt am Main
AG Frankfurt am Main
ECLI:DE:BGH:2018:221118BVZB180.17.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, den Richter Dr. Kazele, die Richterin Haberkamp und den Richter Dr. Hamdorf

beschlossen:
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Steht Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. 2008 Nr. L 348/98) einer nationalen Regelung entgegen, nach der die Abschiebungshaft in einer gewöhnlichen Haftanstalt vollzogen werden kann, wenn von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, wobei der Abschiebungsgefangene auch in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen ist?

Gründe:


I.


1
Der Betroffene ist tunesischer Staatsangehöriger. Mit Verfügung vom 1. August 2017 ordnete das zuständige Ministerium des Bundeslandes Hessen seine Abschiebung nach Tunesien an, gestützt auf § 58a Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Nach dieser Vorschrift kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen.
2
Begründet wurde die Entscheidung damit, dass von dem Betroffenen eine besondere Gefahr im Sinne von § 58a Abs. 1 AufenthG ausgehe. Dies ergebe sich aus einer Gesamtschau der Persönlichkeit des Betroffenen, seines Verhaltens , seiner nach außen erkennbaren inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgehe, sowie weiterer Umstände. Dabei seien insbesondere zu berücksichtigen seine radikalislamistische Gesinnung, seine Einstufung als Schleuser und Rekrutierer für den „Islamischen Staat“ (IS) durch die Verfassungsschutzbehörden, seine Tätigkeit für den IS in Syrien, das bei ihm sichergestellte Bildmaterial mit an Grausamkeit und Menschenverachtung schwer zu überbietenden Tötungsszenen, der auf seinem Mobiltelefon und dem Laptop einer Kontaktperson gesicherte Kommunikationsund Nutzungsinhalt sowie seine in Chatverläufen erklärte Bereitschaft, gegen die seinen Wertvorstellungen widersprechende Lebensweise in Deutschland vorzugehen.
3
Gegen diese Verfügung erhob der Betroffene beim Bundesverwaltungsgericht Klage und stellte einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Diesen Antrag lehnte das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 19. September 2017 (BVerwG 1 VR 8.17, ECLI:DE:BVerwG:2017:190917B1VR8. 17.0) mit der Maßgabe ab, dass zusätzlich zu einer bereits vorliegenden Verbalnote des tunesischen Außenministeriums eine tunesische Regierungsstelle zusichert , dass im Falle der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe die Möglichkeit einer Überprüfung der Strafe mit der Aussicht auf Umwandlung in eine zeitige Freiheitsstrafe oder auf Herabsetzung der Haftdauer gewährt wird. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Gericht unter anderem aus, angesichts der von den Sicherheitsbehörden gesammelten, umfangreichen Erkenntnisse sei es hinreichend wahrscheinlich im Sinne der nach § 58a AufenthG erforderlichen, auf Tatsachen gestützten Risikoprognose, dass der Betroffene einen Terroranschlag in Deutschland begeht.
4
Ein im Januar 2017 gegen den Betroffenen wegen des Verdachts der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung erlassener Haftbefehl wurde durch den Bundesgerichtshof aufgehoben (BGH, Beschluss des 3. Strafsenats vom 17. August 2017 - AK 34/17, ECLI:DE:BGH:2017:170817 BAK34.17.1); der Betroffene wurde anschließend aus der Untersuchungshaft entlassen.
5
Auf Antrag der zuständigen Ausländerbehörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 18. August 2017 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung von dessen Abschiebung nach Tunesien bis zum 23. Oktober 2017 angeordnet. In ihrem Haftantrag hat die Behörde mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Abschiebungshaft auf der Grundlage von § 62a Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 AufenthG nicht in einer speziellen Abschiebungshafteinrichtung, sondern in der allgemeinen Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main I zu vollziehen. Die gegen die Haftanordnung gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht (Beschwerdegericht) mit Beschluss vom 24. August 2017 zurückgewiesen. Mit der nach Ablauf der ange- ordneten Haftdauer begründeten Rechtsbeschwerde, über die der vorlegende Senat zu entscheiden hat, möchte der Betroffene die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung erreichen. Die Abschiebungshaft wurde im weiteren Verlauf mehrfach verlängert; ge6 gen diese Verlängerungen wurden ebenfalls Rechtsmittel eingelegt, die beim Bundesgerichtshof anhängig sind. Am 9. Mai 2018 wurde der Betroffene nach Tunesien abgeschoben. Das vorliegende Verfahren betrifft allein den Haftzeitraum bis zum 23. Oktober 2017.

II.


7
Das Beschwerdegericht hält den Vollzug der Abschiebungshaft in der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main I für rechtmäßig. Das ergebe sich aus § 62a Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 AufenthG; diese Vorschrift verstoße nicht gegen Art. 16 Abs.1 der Richtlinie 2008/115/EG.

III.

8
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach § 62 FamFG statthaft und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässig. Ihre Begründetheit hängt entscheidend von der Beantwortung der im Tenor formulierten Vorlagefrage durch den Gerichtshof der Europäischen Union ab.
9
1. Die Haftanordnung des Amtsgerichts und ihre Aufrechterhaltung durch das Beschwerdegericht wären rechtswidrig und die Rechtsbeschwerde folglich begründet, wenn Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG so auszulegen sein sollte, dass der Vollzug der Abschiebungshaft in einer gewöhnlichen Haftanstalt auch dann untersagt ist, wenn von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht.
10
a) Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/EG erfolgt die Inhaftierung von Betroffenen zur Sicherung der Ab- oder Zurückschiebung grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen. Nur wenn in einem Mitgliedstaat solche speziellen Hafteinrichtungen nicht vorhanden sind, kann die Unterbringung nach Satz 2 in gewöhnlichen Haftanstalten erfolgen, wobei die Drittstaatsangehörigen gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen unterzubringen sind. Diese Ausnahmeregelung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eng auszulegen. Sie kann deshalb bei einem föderal gegliederten Mitgliedstaat wie der Bundesrepublik Deutschland nur angewendet werden, wenn in keinem Bundesland eine spezielle Hafteinrichtung für Abschiebungshäftlinge vorhanden ist (EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014, Rs. C-417/13 u.a., Bero, ECLI:EU:C:2014:2095). Der Vollzug in einer gewöhnlichen Haftanstalt gemeinsam mit gewöhnlichen Strafgefangenen wird auch nicht dadurch zulässig, dass der Drittstaatenangehörige in diese Unterbringung einwilligt (EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014, Rs. C-474/13, Pham, ECLI:EU:C:2014:2096).
11
b) Das nationale deutsche Recht erlaubt es in § 62a AufenthG, bei Ausländern , von denen eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeuten- de Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht (sogenannte „Gefährder“), die Ab- schiebungshaft ausnahmsweise nicht in einer speziellen Hafteinrichtung für Ab- schiebehäftlinge, sondern in einer gewöhnlichen („sonstigen“) Haftanstalt zu voll- ziehen, wobei auch in diesem Fall die Unterbringung getrennt von Strafgefangenen zu erfolgen hat. § 62a Abs. 1 Aufenthaltsgesetz lautet auszugsweise: „Die Abschiebungshaft wird grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen. Sind spezielle Hafteinrichtungen im Bundesgebiet nicht vorhanden oder geht von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, kann sie in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden; die Abschiebungsgefangenen sind in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen“.
12
Die Regelung in § 62a Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 AufenthG wurde mit dem am 28. Juli 2017 verkündeten und nach seinem Art. 9 am Folgetag in Kraft getretenen Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780) in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen. Sie findet vorliegend Anwendung, weil die Haft am 18. August 2017 und somit nach Inkrafttreten des Gesetzes angeordnet wurde.
13
c) Ob Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG es dem nationalen Gesetzgeber gestattet, für sogenannte „Gefährder“ (siehe Rn. 11) Sonderregelungen vorzusehen , die den Vollzug der Abschiebungshaft in einer gewöhnlichen Haftanstalt erlauben, ist umstritten.
14
aa) Der deutsche Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass die von ihm neu geschaffene Regelung mit der Richtlinie vereinbar ist. Die in dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 18/11546) noch nicht enthaltene Regelung geht auf einen Vorschlag des Innenausschusses des Deutschen Bundestages zurück, der wie folgt begründet wurde (BT-Drucks. 18/12415 S. 15): „Die Unterbringung von Abschiebungsgefangenen, die eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit darstellen, bedarf unter Umständen besonderer Sicherheitsvorkehrungen. Die Unterbringungseinrichtungen für Abschiebungsgefangene sind nicht so ausgestaltet, dass besonderen Sicherheitsbedürfnissen Rech- nung getragen wird („Wohnen minus Freiheit“). Ergibt sich, dass einzelne Abschiebungsgefangene eine entsprechende Gefahr nicht zuletzt für die anderen Abschiebungshäftlinge darstellen, kann eine Unterbringung in gewöhnlichen Abschiebungshafteinrichtungen ein besonderes, wenn nicht unzumutbares Risiko bedeuten. In solchen Fällen muss es gestattet werden, diese Abschiebungsgefangenen auch in dafür geeigneten anderen Einrichtungen unterzubringen“.
15
Der federführende Innenausschuss des Bundesrats hat ebenfalls eine entsprechende Ergänzung des Gesetzes vorgeschlagen und zur Begründung ausgeführt (BR-Drucks. 179/1/17 S. 15): „Gefangene in Abschiebungshafteinrichtungen genießen nach den Vorga- ben der EU-Rückführungsrichtlinie deutlich mehr Freiheiten als Untersuchungs - oder Strafgefangene. Sie haben umfangreiche Kommunikationsmöglichkeiten , inklusive fremdsprachliche Auslandsgespräche und sind damit im Einzelfall schwer zu kontrollieren. Zudem können sich Abschiebungsgefangene in der Einrichtung in größerem Umfang frei bewegen, darüber hinaus stehen ihnen mehr Sozialeinrichtungen zur Verfügung und eine maximale Absicherung der Einrichtung gegen Übergriffe von außen ist aufgrund der Verwendung bisher nicht notwendig. Diese Vollzugserleichterungen sind bei Sicherheitsgefährdern nicht angebracht. Personen, von denen eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, bedürfen einer intensiveren Überwachung. Ansonsten drohen Schäden für andere Gefangene sowie für das Aufsichtspersonal. Bei diesen Personen ist ein Vollzug der Abschiebungshaft in den vorhandenen Hochsicherheitsbereichen der geeigneten Haftanstalten erforderlich. In der vom Strafvollzugsausschuss eingesetzten Arbeitsgruppe "Umgang mit terroristischen Attentäterinnen und Attentätern", wobei für potentielle Terroristen nichts anderes gelten kann, haben sich die beteiligten 15 Länder einstimmig für eine dezentrale Unterbringung ausgesprochen , die nur bei Nutzung der vorhandenen Haftanstalten sichergestellt werden kann. Der Wortlaut des Artikels 16 Absatz 1 Satz 1 der Rückführungsrichtlinie sieht lediglich im Grundsatz eine Unterbringung in speziellen Abschiebungshaftanstalten vor. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nicht ausgeschlossen. […]“.
16
bb) In der Literatur wird teilweise davon ausgegangen, dass § 62a Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 AufenthG mit der Richtlinie 2008/115/EG nicht vereinbar sei, weil deren Art. 16 eine Ausnahme wegen eines gesteigerten Sicherheitsbedürfnisses nicht vorsehe (vgl. Hörich/Tewocht, NVwZ 2017, 1153, 1155; Schulenberg, ZAR 2017, 401, 402). Auch der Rechtsausschuss des Bundesrats hatte im Gesetzgebungsverfahren zunächst Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Regelung mit der Richtlinie vorgebracht. Da Abschiebungsgefangene auch bei einem Vollzug in einer gewöhnlichen Haftanstalt von Strafgefangenen zu trennen seien, müssten sie zwangsläufig gemeinsam mit Untersuchungshaftgefangenen untergebracht werden. Dem Sinn der Richtlinie dürfte es aber entsprechen , Untersuchungshaftgefangene den Strafgefangenen gleichzustellen, so dass ausreisepflichtige Personen nicht in Justizvollzugsanstalten untergebracht werden könnten (BR-Drucks. 390/1/17 S. 2). Dem ist das Plenum des Bundesrats nicht gefolgt. cc) Nach anderer Ansicht ist die Regelung zulässig, weil nach Art. 72 AEUV
17
die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für den Schutz der inneren Sicherheit unberührt blieben und die Rückführungsrichtlinie insoweit nicht als abschließende Regelung anzusehen sei. Deshalb bleibe auch im Zusammenhang mit der Abschiebungshaft die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für wirksame Maßnahmen der Gefahrenabwehr bestehen (BeckOK AuslR/Kluth, 19. Ed. 1.8.2018, AufenthG § 62a Rn. 11a). Durch den offenen Charakter der Abschiebungshaft innerhalb der Einrichtungen seien wirksame Maßnahmen der Gefahrenabwehr in diesen kaum möglich bzw. würden den Charakter der Einrichtung grundlegend verändern und damit dem vorrangigen Leitbild der Rückführungsrichtlinie widersprechen (BeckOK AuslR/Kluth, 19. Ed. 1.8.2018, AufenthG § 62a Rn. 11a; im Ergebnis ebenso Bergmann/Dienelt/Winkelmann, 12. Aufl., AufenthG § 62a Rn. 13).
d) Sollte Art. 16 der Richtlinie 2008/115/EG dem Vollzug der Abschie18 bungshaft in einer gewöhnlichen Haftanstalt bei Gefährdern entgegenstehen, hätte die Haft vorliegend nicht angeordnet werden dürfen, weil ein entsprechender Vollzug angekündigt, für die Haftgerichte also absehbar war. Im Hinblick auf das Gebot einer möglichst wirksamen Anwendung des Rechts der Europäischen Union muss der Haftrichter die Anordnung von Sicherungshaft nämlich ablehnen, wenn absehbar ist, dass der Betroffene rechtswidrig untergebracht werden wird (Senat, Beschluss vom 11. Juli 2013 - V ZB 40/11, juris Rn. 20 [insoweit in NVwZ 2014, 166 nicht abgedruckt]; Beschluss vom 25. Juli 2014 - V ZB 137/14, FGPrax 2014, 230 Rn. 5). 2. Sollte Art. 16 der Richtlinie 2008/115/EG hingegen so auszulegen sein,
19
dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der die Abschiebungshaft in einer gewöhnlichen Haftanstalt - getrennt von Strafgefangenen - vollzogen werden kann, wenn von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, wäre die Haft vorliegend rechtmäßig und die Rechtsbeschwerde unbegründet.
20
a) Die von dem Betroffenen gegen die Prognose des Amtsgerichts und des Beschwerdegerichts hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung erhobene Rüge erachtet der Senat als nicht durchgreifend. Insoweit wird im Rahmen des Vorlageverfahrens von einer Begründung abgesehen.
21
b) Dass der Betroffene innerhalb der Justizvollzugsanstalt nicht hinreichend von Strafgefangenen getrennt worden wäre (was unabhängig von der Vorlagefrage einen Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG darstellen würde, vgl. Senat, Vorlagebeschluss vom 11. Juli 2013 - V ZB 40/11, juris Rn. 23, insoweit nicht abgedruckt in NVwZ 2014, 166 Rn. 23), macht er nicht geltend.
22
Die vorstehend genannten Vorschriften des deutschen Rechts sind in der Anlage im Wortlaut beigefügt. Stresemann Schmidt-Räntsch Kazele Haberkamp Hamdorf
Vorinstanzen:
AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 18.08.2017 - 934 XIV 1167/17 B -
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.08.2017 - 2-29 T 210/17 -
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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführ

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten: 1. die
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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat. (2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlic

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published on 17/08/2017 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS AK 34/17 vom 17. August 2017 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung ECLI:DE:BGH:2017:170817BAK34.17.1 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach A
published on 25/07/2014 00:00

Tenor Die Vollziehung der mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 8. Mai 2014 gegen den Betroffenen angeordneten und durch Beschluss der 39. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 27. Juni 2014 aufr
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Annotations

(1) Die Abschiebungshaft wird grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen. Sind spezielle Hafteinrichtungen im Bundesgebiet nicht vorhanden oder geht von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, kann sie in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden; die Abschiebungsgefangenen sind in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen. Werden mehrere Angehörige einer Familie inhaftiert, so sind diese getrennt von den übrigen Abschiebungsgefangenen unterzubringen. Ihnen ist ein angemessenes Maß an Privatsphäre zu gewährleisten.

(2) Den Abschiebungsgefangenen wird gestattet, mit Rechtsvertretern, Familienangehörigen, den zuständigen Konsularbehörden und einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen Kontakt aufzunehmen.

(3) Bei minderjährigen Abschiebungsgefangenen sind unter Beachtung der Maßgaben in Artikel 17 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98) alterstypische Belange zu berücksichtigen. Der Situation schutzbedürftiger Personen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

(4) Mitarbeitern von einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen soll auf Antrag gestattet werden, Abschiebungsgefangene zu besuchen.

(5) Abschiebungsgefangene sind über ihre Rechte und Pflichten und über die in der Einrichtung geltenden Regeln zu informieren.

(1) Die oberste Landesbehörde kann gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Die Abschiebungsanordnung ist sofort vollziehbar; einer Abschiebungsandrohung bedarf es nicht.

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann die Übernahme der Zuständigkeit erklären, wenn ein besonderes Interesse des Bundes besteht. Die oberste Landesbehörde ist hierüber zu unterrichten. Abschiebungsanordnungen des Bundes werden von der Bundespolizei vollzogen.

(3) Eine Abschiebungsanordnung darf nicht vollzogen werden, wenn die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 gegeben sind. § 59 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Prüfung obliegt der über die Abschiebungsanordnung entscheidenden Behörde, die nicht an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren gebunden ist.

(4) Dem Ausländer ist nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung unverzüglich Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsbeistand seiner Wahl Verbindung aufzunehmen, es sei denn, er hat sich zuvor anwaltlichen Beistands versichert; er ist hierauf, auf die Rechtsfolgen der Abschiebungsanordnung und die gegebenen Rechtsbehelfe hinzuweisen. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von sieben Tagen nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung zu stellen. Die Abschiebung darf bis zum Ablauf der Frist nach Satz 2 und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht vollzogen werden.

(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in

1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie
3.
Freiheitsentziehungssachen.
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 gilt dies nur, wenn sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss richtet, der die Unterbringungsmaßnahme oder die Freiheitsentziehung anordnet. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 ist die Rechtsbeschwerde abweichend von Satz 2 auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn sie sich gegen den eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnenden oder zurückweisenden Beschluss in den in § 417 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 genannten Verfahren richtet.

(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.

(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und
2.
die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge);
2.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die Rechtsbeschwerde- und die Begründungsschrift sind den anderen Beteiligten bekannt zu geben.

(1) Die Abschiebungshaft wird grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen vollzogen. Sind spezielle Hafteinrichtungen im Bundesgebiet nicht vorhanden oder geht von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, kann sie in sonstigen Haftanstalten vollzogen werden; die Abschiebungsgefangenen sind in diesem Fall getrennt von Strafgefangenen unterzubringen. Werden mehrere Angehörige einer Familie inhaftiert, so sind diese getrennt von den übrigen Abschiebungsgefangenen unterzubringen. Ihnen ist ein angemessenes Maß an Privatsphäre zu gewährleisten.

(2) Den Abschiebungsgefangenen wird gestattet, mit Rechtsvertretern, Familienangehörigen, den zuständigen Konsularbehörden und einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen Kontakt aufzunehmen.

(3) Bei minderjährigen Abschiebungsgefangenen sind unter Beachtung der Maßgaben in Artikel 17 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98) alterstypische Belange zu berücksichtigen. Der Situation schutzbedürftiger Personen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

(4) Mitarbeitern von einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen soll auf Antrag gestattet werden, Abschiebungsgefangene zu besuchen.

(5) Abschiebungsgefangene sind über ihre Rechte und Pflichten und über die in der Einrichtung geltenden Regeln zu informieren.