Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Mai 2016 - IX ZA 32/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring
am 12. Mai 2016
beschlossen:
Gründe:
- 1
- 1. Der Senat legt die als Beschwerde bezeichnete Eingabe der Antragstellerin als Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Senats vom 21. Januar 2016 aus, durch welchen der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 19. Oktober 2015, abgeändert durch den Beschluss vom 10. Dezember 2015, abgelehnt worden ist. Eine sofortige Beschwerde findet nur gegen erstinstanzliche Entscheidungen des Amts- oder Landgerichts statt (§ 567 Abs. 1 ZPO). Hierzu gehört die von der Antragstellerin "angefochtene" Entscheidung des Senats nicht.
- 2
- 2. Die statthafte Gegenvorstellung ist unbegründet.
- 3
- a) Maßgebend für die Bewertung der Beschwer der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2014 - II ZR 156/13, NZI 2014, 357 Rn. 9). Deswegen ist es unerheblich, dass der Streitwert des Berufungsverfahrens bei Einlegung und Begründung der Berufung 110.000 € betragen hat, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners erst danach eröffnet worden ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin im Tenor ohne die ausdrückliche Einschränkung zurückgewiesen hat, die Berufungszurückweisung erfolge mit der Maßgabe, dass die Tabellenfeststellungsklage derzeit unzulässig sei. Denn diese Einschränkung ergibt sich aus den Urteilsgründen. Ein Urteilstenor kann unter Heranziehung der Entscheidungsgründe ausgelegt werden (BGH, Urteil vom 27. November 2014 - I ZR 124/11, GRUR 2015, 672 Rn. 37; vom 6. Oktober 2015 - KZR 87/13, WRP 2016, 229 Rn. 34; vom 15. Dezember 2015 - X ZR 30/14, GRUR 2016, 257 Rn. 104).
- 4
- b) Mit der Aufnahme des Rechtsstreits allein gegen den Insolvenzverwalter und der Umstellung der Zahlungsklage auf eine Klage auf Feststellung, dass ihre von dem beklagten Insolvenzverwalter bestrittene Forderung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zur Tabelle anerkannt werde (§ 264 Nr. 3 ZPO; vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2012 - III ZR 204/12, BGHZ 195, 233 Rn. 22), will die Klägerin ihre Teilnahme an dem Verteilungsverfahren nach §§ 187 ff InsO zur Realisierung einer Quote durchsetzen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 1964 - Ib ZR 155/62, NJW 1964, 1229 f). Das ergibt sich aus § 182 InsO, wonach der Streitwert der Tabellenfeststellungsklage sich allein aus der zu erwartenden Quote bestimmt.
- 5
- Der Streitwert der Tabellenfeststellungsklage wird nicht dadurch erhöht, dass die Forderung, deren Feststellung ein Gläubiger begehrt, durch Absonderungsrechte und sonstige Sicherheiten gesichert ist oder der Gläubiger nach Beendigung des Insolvenzverfahrens aus der Tabellenfeststellung gegen den Schuldner vollstrecken kann (§ 201 Abs. 2 InsO). Dies ergibt sich aus dem Zweck der Regelung. Dieser zielt darauf ab, bei der Bewertung der Forderungen der Insolvenzgläubiger, die auf Feststellung der Teilnahme am Insolvenzverfahren klagen, einen möglichst einheitlichen Maßstab sicherzustellen. Es soll im wohlverstandenen Interesse aller Insolvenzgläubiger eine Aufzehrung der Masse durch Prozesskosten verhindert und den Gläubigern bei geringer Insolvenzquote eine zuverlässige Beurteilung des Prozesskostenrisikos ermöglicht werden (BGH, Urteil vom 19. Februar 1964 - Ib ZR 155/62, NJW 1964, 1229 f; Beschluss vom 12. November 1992 - VII ZB 13/92, ZIP 1993, 50, 51). Dies gilt selbst dann, wenn ein Gläubiger eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung geltend macht und er sie nach Insolvenzaufhebung und nach Restschuldbefreiung gemäß § 302 Nr. 1 InsO als ausgenommene Forderung gegen den Schuldner durchsetzen könnte (vgl. OLG Celle, ZIP 2005, 1571, 1572). Vorliegend kommt hinzu, dass der Schuldner der angemeldeten Forderung widersprochen hat (§ 184 InsO). Um gegen ihn nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens vollstrecken zu können, müsste die Klägerin gegen ihn erst einen Vollstreckungstitel erwirken (§ 201 Abs. 2 Satz 2 InsO).
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 02.07.2013 - 31 O 48/12 -
KG Berlin, Entscheidung vom 19.10.2015 - 20 U 203/13 -
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(1) Die sofortige Beschwerde findet statt gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.
(2) Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.
(3) Der Beschwerdegegner kann sich der Beschwerde anschließen, selbst wenn er auf die Beschwerde verzichtet hat oder die Beschwerdefrist verstrichen ist. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Beschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
- 1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden; - 2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird; - 3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.
Der Wert des Streitgegenstands einer Klage auf Feststellung einer Forderung, deren Bestand vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden ist, bestimmt sich nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist.
(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen.
(2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.
(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung bleiben unberührt.
Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht berührt:
- 1.
Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist; der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Absatz 2 anzumelden; - 2.
Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners; - 3.
Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden.
(1) Hat der Schuldner im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren (§ 177) eine Forderung bestritten, so kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so kann der Gläubiger diesen Rechtsstreit gegen den Schuldner aufnehmen.
(2) Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Schuldner binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren mit dem Bestreiten der Forderung beginnt, den Widerspruch zu verfolgen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist gilt ein Widerspruch als nicht erhoben. Das Insolvenzgericht erteilt dem Schuldner und dem Gläubiger, dessen Forderung bestritten worden ist, einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle und weist den Schuldner auf die Folgen einer Fristversäumung hin. Der Schuldner hat dem Gericht die Verfolgung des Anspruchs nachzuweisen.
(1) Die Insolvenzgläubiger können nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen.
(2) Die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, können aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Einer nicht bestrittenen Forderung steht eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle kann erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt werden.
(3) Die Vorschriften über die Restschuldbefreiung bleiben unberührt.