Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Sept. 2011 - I ZB 97/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 2.030,80 €.
Gründe:
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- I. Die Antragstellerin, ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, hat gegen die Antragsgegner vor dem Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung wegen einer Urheberrechtsverletzung erwirkt. Im Kostenfestsetzungsverfahren streiten die Parteien noch um die Frage, ob die Antragstellerin neben den Kosten ihrer inländischen Prozessbevollmächtigten auch diejenigen der von ihr zusätzlich beauftragten schweizerischen Rechtsanwälte erstattet verlangen kann.
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- Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde begehren die Antragsgegner die Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts.
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- II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
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- 1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die Kosten des ausländischen Verkehrsanwalts einer ausländischen Partei stets bis zur Höhe einer 1,0-Gebühr nach Nr. 3400 RVG VV erstattungsfähig sind.
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- 2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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- a) Der Bundesgerichtshof hat sich bisher noch nicht abschließend zu der Frage geäußert, welche Maßstäbe für die Erstattungsfähigkeit der Kosten des ausländischen Verkehrsanwalts einer ausländischen Partei gelten. Er konnte sich bislang auf die Aussage beschränken, dass die Kosten des ausländischen Verkehrsanwalts jedenfalls dann notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO sind, wenn die Hinzuziehung des ausländischen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung geboten war (Beschluss vom 8. März 2005 - VIII ZB 55/04, NJW 2005, 1373). In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Nach einer Ansicht soll es bei einer ausländischen Partei ohne inländische Vertriebsorganisation im Wege einer generalisierenden Betrachtungsweise regelmäßig als notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO anzuerkennen sein, dass sie sich in jederInstanz vor einem deutschen Gericht der Unterstützung eines Verkehrsanwalts bedient, wobei sie die Wahl zwischen einem Anwalt im Ausland oder einem deutschen Anwalt hat (OLG Stuttgart, GRUR-RR 2005, 69, 70 = NJW-RR 2004, 1581; KG, GRUR-RR 2008, 373, 374; Keller in Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., VV T 3 A 4 Rn. 61; differenzierend jetzt KG, MDR 2009, 1312, 1313). Nach anderer Ansicht kann die Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten nicht allein damit begründet werden, dass es sich um eine ausländische Partei handelt; vielmehr sollen insoweit dieselben Kriterien wie für eine inländische Partei gelten (OLG München, NJW-RR 1998, 1692, 1693; OLG Düsseldorf, InstGE 11, 177; Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl., 3400 VV Rn. 59; Müller-Rabe in Gerold/ Schmidt, RVG, 19. Aufl., VV 3400 Rn. 93; Musielak/Wolst, ZPO, 8. Aufl., § 91 Rn. 28; ähnlich OLG Nürnberg, JurBüro 1998, 597).
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- b) Der letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen.
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- Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Ebenso wie es danach für eine nicht am Gerichtsort ansässige inländische Partei notwendig sein kann, einen auswärtigen Rechtsanwalt in Deutschland als Verkehrsanwalt zu beauftragen, kann für die ausländische Partei eine entsprechende Notwendigkeit hinsichtlich der Einschaltung eines ausländischen Rechtsanwalts ihres Vertrauens bestehen.
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- Auch bei ausländischen Parteien bedarf es dabei aber einer Notwendigkeitsprüfung im Einzelfall, schon um die zur Kostentragung verpflichtete Partei nicht unangemessen zu belasten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine aus- ländische Partei typischerweise etwa wegen sprachlicher Barrieren, kultureller Unterschiede oder mangelnder Vertrautheit mit dem deutschen Rechtssystem eher auf einen Verkehrsanwalt an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz angewiesen sein wird als eine inländische Partei.
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- Auch die ausländische Partei bedarf aber nicht stets eines Verkehrsanwalts. So ist der ausländische Verkehrsanwalt jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der deutsche Verfahrensbevollmächtigte bereits über alle nötigen Informationen verfügt. Das kann etwa der Fall sein, wenn nach einer Abmahnung durch den inländischen Bevollmächtigten eine Unterlassungserklärung gegenüber der ausländischen Partei abgegeben wurde und im anschließenden Rechtsstreit nur noch über die durch die Abmahnung entstandenen Kosten gestritten wird (vgl. KG, MDR 2009, 1312, 1313).
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- Außerdem ist die Mitwirkung eines ausländischen Verkehrsanwalts nicht erforderlich, wenn es für die ausländische Partei möglich, zumutbar und kostengünstiger ist, den inländischen Prozessbevollmächtigten unmittelbar zu informieren (vgl. Müller-Rabe aaO; Hartmann aaO). Das kommt vor allem in Betracht , wenn die ausländische Partei aufgrund langjähriger Geschäftstätigkeit in Deutschland, etwa mit einer eigenen Vertriebsorganisation, und Kenntnissen der deutschen Sprache zweifelsfrei in der Lage ist, direkt mit ihrem deutschen Prozessbevollmächtigten zu verkehren und für den Rechtsstreit Kenntnisse des Heimatrechts der ausländischen Partei unerheblich sind. Die Kosten des Verkehrsanwalts sind also nicht automatisch immer schon dann erstattungsfähig, wenn eine Information des inländischen Prozessbevollmächtigten über den Sachverhalt erforderlich ist, wohl aber insbesondere dann, wenn dadurch höhere anderweitige Informationskosten erspart werden (vgl. Schons in Göttlich/ Mümmler, RVG, 3. Aufl., "Verkehrsanwalt" Rn. 5.3).
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- c) Auch unter dem Gesichtspunkt, dass inländischen Parteien die Reisekosten des an ihrem Wohnort oder Geschäftssitz ansässigen auswärtigen Rechtsanwalts ersetzt werden, ergibt sich nicht, dass ausländischen Parteien regelmäßig die Kosten eines Verkehrsanwalts in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftssitzes zu erstatten sind (aA OLG München, MDR 2011, 634, 635). Der Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit der Terminsreisekosten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten liegt der Gedanke zugrunde, dass ein persönliches Informations- und Beratungsgespräch zwischen Partei und Anwalt mindestens zu Beginn eines Mandats in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle erforderlich und sinnvoll ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898, 890 f.). Dabei geht es aber um das persönliche Gespräch mit dem tatsächlichen Prozessbevollmächtigten vor dem inländischen Gericht. Diese Funktion kann ein Informations- und Beratungsgespräch der ausländischen Partei mit dem ausländischen Verkehrsanwalt an ihrem Wohnoder Geschäftssitz von vornherein nicht erfüllen. Eine Gleichstellung von ausländischen und inländischen Parteien hinsichtlich der Möglichkeit zur Beauftragung auswärtiger Prozessbevollmächtigter kann aus der Natur der Sache heraus nur insoweit erreicht werden, als es der ausländischen Partei freisteht, einen inländischen Anwalt ihres Vertrauens, der seine Kanzlei nicht am Gerichtsort haben muss, mit der Prozessvertretung zu beauftragen (vgl. OLG Düsseldorf , InstGE 11, 177). Ist ein Informations- und Beratungsgespräch zwischen Partei und Anwalt geboten, so richtet sich die Erstattungsfähigkeit eines unter diesem Aspekt eingeschalteten ausländischen Verkehrsanwalts danach, ob die ausländische Partei den inländischen Prozessbevollmächtigten ohne Weiteres direkt informieren und instruieren konnte oder ob es dafür zweckmäßig war, sich des ausländischen Verkehrsanwalts zu bedienen.
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- III. Das Beschwerdegericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zur Notwendigkeit der Beauftragung des ausländischen Verkehrsanwalts getroffen. Es wird dies nunmehr unter Berücksichtigung des Vortrags der Parteien nachzuholen haben. Sollte es auf dieser Grundlage die Erstattungsfähigkeit der Verkehrsanwaltskosten bejahen, so sind sie nach den für inländische Verkehrsanwälte geltenden Grundsätzen zu bestimmen (BGH, NJW 2005, 1373).
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 28.07.2006 - 16 O 680/05 -
KG Berlin, Entscheidung vom 27.10.2009 - 1 W 398/06 -
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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.