Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Aug. 2024 - 5 StR 424/23

erstmalig veröffentlicht: 17.09.2024, letzte Fassung: 17.09.2024

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Amtliche Leitsätze

StPO § 435

Zum Antrag auf Übergang in das objektive Verfahren nach § 76a Abs. 1 und 3 StGB nach einer Teileinstellung gemäß § 154 
Abs. 2 StPO.

Bundesgerichtshof

Beschluss vom 13. August 2024

Az.: 5 StR 424/23

 

 

Tenor

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. August 2024 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 sowie entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO beschlossen:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. April 2023,

a) soweit es den Angeklagten K. betrifft,

- im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte schuldig ist des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in drei Fällen, des Handeltreibens mit Cannabis in zehn Fällen sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis,

- im Strafausspruch mit Ausnahme der für die Taten 4 und 11 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen aufgehoben,

- im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben, soweit diese einen Betrag von 974.395 Euro übersteigt,

b) soweit es den Angeklagten S. betrifft,

- im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte schuldig ist des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in drei Fällen, des Handeltreibens mit Cannabis in elf Fällen sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen,

- im Strafausspruch mit Ausnahme der für die Taten 4 und 11 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen aufgehoben,

c) soweit es den Angeklagten Ko. betrifft,

- im Schuldspruch unter Entfallen des Teilfreispruchs dahin geändert, dass der Angeklagte schuldig ist der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis,

- im Strafausspruch aufgehoben,

- im Ausspruch über die Einziehung dahin geändert, dass der Wert von Taterträgen in Höhe von 25.580 Euro eingezogen wird; die weitergehende Einziehung entfällt.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 10. März 2022 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Wegen einer weiteren Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat es gegen ihn außerdem eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt. Den Angeklagten S. hat es wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten Ko. hat das Landgericht unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, jeweils in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Gegen alle Angeklagte wurde zudem die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet, nämlich gegen den Angeklagten K. in Höhe von 1.183.995 Euro (dort in Höhe eines Teilbetrags von 32.515 Euro und herrührend aus Tat 17 der Urteilsgründe im Wege der erweiterten Einziehung gemäß § 73a StGB), gegen den Angeklagten S. in Höhe von 1.148.880 Euro sowie gegen den Angeklagten Ko. in Höhe von 28.480 Euro. Dabei haften die drei Angeklagten in Höhe eines Teilbetrags von 28.180 Euro gesamtschuldnerisch. In Höhe eines weiteren Teilbetrags von 1.120.700 Euro haften allein die Angeklagten K. und S. als Gesamtschuldner.

Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die mit der Sachrüge die aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolge erzielen; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO (vgl. Antragsschriften des Generalbundesanwalts).

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelten die Angeklagten K. und S. ab dem 31. März 2020 unter Verwendung eines gemeinsam genutzten EncroChat-Mobiltelefons in zehn Fällen mit Marihuana, welches 12 Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) enthielt, wobei insgesamt 185 Kilogramm umgesetzt wurden (Taten 1 bis 3, 5 bis 10 und 12 der Urteilsgründe). Für den Angeklagten K. wurde dabei hinsichtlich Tat 10 gemäß § 154 Abs. 2 StPO von der Verfolgung abgesehen. In weiteren Fällen handelten sie mit 1 kg Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 78 Prozent Kokainhydrochlorid (KHC, Tat 4 der Urteilsgründe), mit 1 kg Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 13 Prozent Amphetamin-Base (Tat 11) sowie mit 3,5 kg Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 17 Prozent THC (Tat 15).

Nachdem die Polizei den Angeklagten K. am 15. Mai 2020 im Besitz von Betäubungsmitteln angetroffen und vorübergehend in Gewahrsam genommen hatte, gewannen dieser und der Angeklagte S. den Angeklagten Ko. , um gegen Entlohnung Auslieferungen von Marihuana an Kunden zu übernehmen. Dieser Abrede folgend handelten die Angeklagten K. und S. mit Unterstützung des Angeklagten Ko. im Zeitraum zwischen dem 22. Mai und dem 11. Juni 2020 in weiteren drei Fällen (Taten 13, 14 und 16 der Urteilsgründe) mit insgesamt rund 40,5 Kilogramm Marihuana (Wirkstoffgehalt 12 Prozent THC), wobei der Angeklagte Ko. nur für eine Beteiligung an den Taten 13 und 16 verurteilt wurde. Die gegen den Angeklagten K. verhängte weitere Freiheitsstrafe erging für Tat 17 der Urteilsgründe, bei der der Angeklagte am 14. November 2022 in seinem Haus Haschisch, Marihuana und Amphetamin zum gewinnbringenden Weiterverkauf bereithielt.

2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung der Schuld- und zur weitgehenden Aufhebung der Strafaussprüche. Beim Angeklagten K. ist zudem eine teilweise Aufhebung und beim Angeklagten Ko. eine Änderung des Einziehungsausspruchs veranlasst.

a) Die Schuldsprüche können keinen Bestand haben, soweit die Angeklagten in den Fällen 1 bis 3, 5 bis 10 sowie 12 bis 17 der Urteilsgründe (allein) nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden sind. Abgesehen von einer beim Angeklagten Ko. zusätzlich zu korrigierenden konkurrenzrechtlichen Einordnung (dazu nachfolgend unter cc) folgt dies aus dem am 1. April 2024 in Kraft getretenen Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG, BGBl. I 2024 Nr. 109), welches der Senat nach § 2 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen hat. Nach der Neuregelung unterfällt der Umgang mit Cannabis dem hier milderen Konsumcannabisgesetz (BGH, Beschluss vom 24. April 2024 – 5 StR 136/24).

aa) Das gemeinsame Handeln der Angeklagten K. und S. bei den Taten 1 bis 3, 5 bis 9, bei Tat 10 (hinsichtlich des Angeklagten S. ) sowie bei den Taten 12 und 15 der Urteilsgründe ist nunmehr als Handeltreiben mit Cannabis (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) zu würdigen. Dass sich die Taten auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen, stellt lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), der im Schuldspruch keinen Ausdruck findet (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216). Hinsichtlich der Taten 13, 14 und 16 sind beide Angeklagte jeweils strafbar wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG). Dass diese Taten erneut Cannabis in nicht geringer Menge zum Gegenstand hatten, bedarf auch hier keiner Kennzeichnung in der Urteilsformel, da der Qualifikationstatbestand des Bandenhandels mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG stets voraussetzt, dass die Tat eine nicht geringe Menge betrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2024 – 5 StR 4/24).

Das neue Recht erweist sich hier gegenüber der vom Landgericht angewandten Norm als das mildere im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB. Das gilt auch insoweit, als die Strafkammer bei den Bandentaten – hinsichtlich des Angeklagten K. nur bei Tat 16 der Urteilsgründe – minder schwere Fälle nach § 30a Abs. 3 BtMG bejaht und dabei für die Strafrahmenuntergrenze eine Sperrwirkung des Tatbestands nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG angenommen hat. Zwar sieht § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG für bandenmäßiges Handeltreiben mit Cannabis eine Strafe nicht unter zwei Jahren Freiheitsstrafe und damit grundsätzlich einen höheren Strafrahmen vor. Angesichts der vom Landgericht übersehenen Sperrwirkung des § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, der Ablehnung eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG sowie des Umfangs der gehandelten Wirkstoffmenge, welcher hier auch der Annahme eines minder schweren Falls nach § 30 Abs. 2 BtMG entgegensteht, erweist sich § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG konkret als milderes Recht (vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. Juli 2024 – 5 StR 272/24).

bb) Soweit der Angeklagte K. in seinem Haus Haschisch, Marihuana und Amphetamin zum gewinnbringenden Weiterverkauf bereithielt (Tat 17 der Urteilsgründe), ist dies als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) zu bewerten.

cc) Das Handeln des Angeklagten Ko. bei den Taten 13 und 16 stellt sich jeweils als Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG, § 27 StGB) in Tateinheit mit Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG) dar. Aus den gleichen Gründen wie schon beim Angeklagten K. erweist sich das neue Recht auch hier als das mildere im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB.

Entgegen der Annahme des Landgerichts sind allerdings die vom Angeklagten im Rahmen der Tat 13 der Urteilsgründe vorgenommenen fünf Veräußerungen von Teilmengen der durch die beiden anderen Angeklagten am 22. Mai 2022 angekauften 30 kg Marihuana nicht als eigenständige materielle Beihilfetaten anzusehen. Zwar ist die Frage der Konkurrenz für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Dies gilt wegen der Akzessorietät der Beihilfe aber dann nicht, wenn mehrere an sich selbständige Beihilfehandlungen eine Haupttat fördern. In einem solchen Fall werden die Beihilfehandlungen zu einer Handlungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst. Die durch die Entgegennahme der Teilmengen an sich selbständig verwirklichten Tatbestände des Besitzes von mehr als 60 Gramm Cannabis werden durch die einheitliche Beihilfehandlung zur Tateinheit verbunden (vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. April 2023 – 5 StR 61/23 Rn. 6).

Aufgrund dieser konkurrenzrechtlichen Situation lässt der Senat zudem in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Teilfreispruch des Angeklagten entfallen. Denn dieser bezieht sich auf die vom Landgericht für nicht erwiesen erachtete Veräußerung eines weiteren Teils der im Rahmen der Tat 13 erworbenen Handelsmenge und damit lediglich auf einen Teilakt einer einheitlichen Tat. Für einen Freispruch war daher insoweit kein Raum; das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2021 – 2 StR 51/21). Mit der Aufhebung des Teilfreispruchs wird die ihn betreffende Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil gegenstandslos (BGH, Beschluss vom 29. August 2023 – 5 StR 297/23).

dd) Der Senat stellt die Schuldsprüche für die Cannabis betreffenden Taten entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO um. Die Regelung des § 265 Abs. 1 StPO steht den Änderungen nicht entgegen, weil sich die Angeklagten jeweils nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Für die Taten 4 und 11 der Urteilsgründe (Angeklagte K. und S. ), die jeweils allein Kokain oder Amphetamin zum Gegenstand haben, bleiben die Schuldsprüche bestehen.

b) Die Einzelstrafen können in den von der Schuldspruchkorrektur betroffenen Fällen nicht bestehen bleiben, weil die einschlägigen Strafnormen des Konsumcannabisgesetzes jeweils mildere Strafrahmen vorsehen als die von der Strafkammer angewandten Strafrahmen des Betäubungsmittelgesetzes. Beim Angeklagten Ko. ist zudem für Tat 13 der Urteilsgründe nunmehr lediglich eine Einzelstrafe zuzumessen. Die Aufhebung zieht jeweils den Wegfall der Gesamtstrafenaussprüche nach sich. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).

c) Die gegenüber dem Angeklagten K. ergangene Einziehung des Wertes von Taterträgen kann mit Blick auf das beim Angeklagten S. sichergestellte Bargeld sowie hinsichtlich der Erträge aus Tat 10 der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben.

aa) Zunächst hat das Landgericht versäumt, die 2.600 Euro Bargeld, die bei dem Angeklagten S. sichergestellt wurden, auch zugunsten des mit diesem in deutlich höherem Umfang gesamtschuldnerisch haftenden Angeklagten K. vom Wert der einzuziehenden Taterträge in Abzug zu bringen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2022 – 2 StR 51/22 Rn. 5).

bb) Soweit im Einziehungsbetrag zudem in Höhe von 207.000 Euro Erträge aus Tat 10 der Urteilsgründe enthalten sind, hinsichtlich derer das Verfahren im Rahmen der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden ist, hält die im objektiven Verfahren gemäß § 76a Abs. 1 und 3 StGB vorgenommene Einziehung rechtlicher Überprüfung nicht stand.

(1) Nachdem der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung im Anschluss an den Einstellungsbeschluss des Landgerichts beantragt hat, bezüglich der eingestellten Tat eine Einziehung im selbständigen Verfahren in Höhe von insgesamt 207.000 Euro vorzunehmen, liegt allerdings entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ein wirksamer Antrag gemäß § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO vor. Ein solcher kann auch mündlich gestellt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. November 2018 – 4 StR 297/18, NStZ 2019, 271; vom 23. Mai 2023 – GSSt 1/23 Rn. 59, BGHSt 67, 295; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 67. Aufl., § 435 Rn. 10).

Dabei ist den aus § 435 Abs. 2 StPO samt dem dortigen Verweis auf § 200 StPO folgenden Anforderungen in der hier gegebenen prozessualen Situation Genüge getan worden. Denn die Einstellung wurde gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hauptverfahren vorgenommen; die fragliche Tat war in der Anklage enthalten und das Landgericht hat auch insoweit das Hauptverfahren eröffnet. Deshalb bedurfte es – anders als sonst (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Januar 2021 – 5 StR 454/20; vom 29. April 2020 – 3 StR 122/20) – im Antrag keiner weitergehenden Angaben zur Bezeichnung der einzuziehenden Gegenstände sowie zu den Tatsachen, welche die Zulässigkeit der selbständigen Einziehung begründen. Denn der notwendige Inhalt ergibt sich bereits aus der Anklageschrift (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler aaO). Soweit sich der Antrag als besondere Form der Erhebung einer Strafklage begreifen lässt (LR/Gaede, StPO, 27. Aufl., § 435 Rn. 5), sind folglich sowohl deren Umgrenzungs- wie Informationsfunktion erfüllt.

Das Antragserfordernis sichert in dieser Verfahrenssituation letztlich allein die Ausübung des der Staatsanwaltschaft nach § 435 Abs. 1 StPO eingeräumten Ermessens (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Mai 2023 – GSSt 1/23 Rn. 33, BGHSt 67, 295).

Das Landgericht hat in der Hauptverhandlung nach dem Antrag der Staatsanwaltschaft zudem seinerseits darauf hingewiesen, dass eine Einziehung im selbständigen Verfahren in Betracht kommt. Dieser Hinweis war erforderlich.

Denn die Verfahrenseinstellung begründet regelmäßig einen Vertrauenstatbestand, weswegen eine faire Verfahrensgestaltung sowie die Gewährleistung rechtlichen Gehörs es gebieten, einen Hinweis zu erteilen, wenn das Tatgericht den Verfahrensstoff doch zum Nachteil des Angeklagten zu berücksichtigen gedenkt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2016 – 5 StR 270/16, wistra 2016, 502). Diese für eine strafschärfende Berücksichtigung ausgeschiedener Taten (vgl. nur BGH, Urteil vom 30. April 2009 – 1 StR 342/08, BGHSt 53, 311; Beschluss vom 13. September 2017 – 4 StR 88/17, NStZ 2019, 40) wie auch für deren Verwertung bei der Beweiswürdigung zu Lasten des Angeklagten (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2016 – 5 StR 270/16, wistra 2016, 502) anerkannte Anforderung ist auf den Fall einer Einziehung im objektiven Verfahren nach einer Verfahrensbeschränkung gemäß § 154 Abs. 2 StPO zu übertragen. Der notwendigerweise vorangehende Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 435 Abs. 1 StPO macht einen solchen Hinweis nicht obsolet, da er dessen Funktion nicht gerecht zu werden vermag. Denn durch den Antrag erfährt der Beschuldigte allein vom entsprechenden Willen der Anklagebehörde, nicht jedoch davon, dass das Gericht erwägt, diesem Antrag zu entsprechen.

(2) Die Einziehung kann insoweit jedoch deshalb keinen Bestand haben, weil anhand der Feststellungen nicht ausschließbar ist, dass ihr ein Strafklageverbrauch entgegensteht.

Ausweislich der Urteilsgründe wurde das Verfahren gegen den Angeklagten K. hinsichtlich dieser Tat gerade deshalb gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, weil insoweit ein Strafklageverbrauch durch das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 10. März 2022 in Betracht kam. Denn Gegenstand des dortigen Verfahrens sei auch eine beim Angeklagten am 15. Mai 2020 polizeilich sichergestellte Menge an Betäubungsmitteln gewesen. Nähere Feststellungen hierzu hat die Strafkammer jedoch nicht getroffen; solche folgen auch nicht aus der bloßen Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten, wonach das fragliche Cannabis aus dem der Tat 10 der Urteilsgründe zugrunde liegenden Einkauf gestammt habe. Ob der Einziehung der aus dieser Tat stammenden Erträge ein Strafklageverbrauch entgegenstehen könnte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Mai 2023 – GSSt 1/23 Rn. 63, BGHSt 67, 295; LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 76a Rn. 11 ff.; MüKo-StGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 76a Rn. 5), vermag der Senat somit nicht zu beurteilen.

(3) Die Einziehungsentscheidung war daher aufzuheben, soweit sie über die für die Taten 1 bis 9 und 11 bis 17 vom Landgericht errechnete Summe (976.995 Euro) abzüglich des genannten Bargeldbetrags von 2.600 Euro hinausreicht. Die Frage einer weitergehenden Einziehung bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung, hinsichtlich der aus Tat 10 der Urteilsgründe stammenden Erträge im anhängigen objektiven Verfahren (vgl. zur Rückverweisung insoweit auch BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 – 3 StR 204/12). Dort sind – so nicht nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO verfahren wird – die nötigen Feststellungen nachzuholen, um hinsichtlich dieser Tat einen etwaigen Strafklageverbrauch beurteilen zu können. Dabei kann das neue Tatgericht die derzeitige Verbindung mit dem gegen den Angeklagten gerichteten subjektiven Verfahren beibehalten; ihm steht insoweit aber auch die Möglichkeit der Abtrennung offen.

Da das Landgericht mit der Summe von 976.995 Euro zugunsten des Angeklagten einen rechnerisch um 800 Euro zu niedrigen Betrag angesetzt hat (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts), wird im Rahmen des subjektiven Verfahrens zu prüfen sein, inwieweit der zuungunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft eingezogene Betrag von 2.600 Euro zu verrechnen ist. Hierzu bedarf es ergänzender Feststellungen. Denn eine Verrechnung mit Erlösen, die dem Angeklagten über die Einziehungsanordnung des Landgerichts hinaus zugeflossen sind, scheidet wegen des tatbezogenen Verschlechterungsverbots nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO aus, soweit sie aus anderen Taten stammen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2023 – 2 StR 324/23). Aus den Urteilsgründen, in denen die für jede Tat angesetzten Teilbeträge nicht ausgewiesen sind, ergibt sich jedoch nicht, bei welchem der Fälle sich das Landgericht zugunsten des Angeklagten verrechnet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2023 – 5 StR 321/22).

d) Die gegenüber dem Angeklagten Ko. angeordnete Einziehung eines Betrags von 28.480 Euro bedarf in zweifacher Hinsicht der Korrektur. Entsprechend den Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts ist zunächst auch zu seinen Gunsten wie schon beim Angeklagten K. der bei dem Angeklagten S. sichergestellte Bargeldbetrag von 2.600 Euro in Abzug zu bringen, da nicht ausschließbar ist, dass dieses Geld aus Taten stammt, für deren eingezogene Erträge auch der Angeklagte Ko. gesamtschuldnerisch mithaftet. Zudem erweist sich der Einziehungsausspruch als rechtsfehlerhaft, soweit er auch die von den Angeklagten K. und S. als Lohn erhaltenen 300 Euro einbezieht. Denn jedenfalls für Tat 16 der Urteilsgründe ist festgestellt, dass der Angeklagte Ko. den dortigen Betrag von 50 Euro von dem durch die Veräußerung des Marihuana erhaltenen Kaufpreis einbehielt. Insoweit liegt eine doppelte Abschöpfung vor, da für das vereinnahmte Entgelt ohnehin in voller Höhe die Einziehung des Wertes des Tatertrags angeordnet wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2022 – 3 StR 193/22; Urteil vom 17. Juli 2019 – 5 StR 130/19). Für die Entlohnung im Rahmen der Tat 13 liegt ein gleiches Vorgehen nahe.

Der Senat schließt aus, dass noch Feststellungen getroffen werden können, aufgrund derer eine über den Betrag von 25.580 Euro hinausgehende Einziehung des Wertes von Taterträgen möglich sein könnte. Er lässt daher die Anordnung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO entfallen, soweit sie diese Summe übersteigt.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Aug. 2024 - 5 StR 424/23

bei uns veröffentlicht am 17.09.2024

StPO § 435 Zum Antrag auf Übergang in das objektive Verfahren nach § 76a Abs. 1 und 3 StGB nach einer Teileinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO.

Referenzen

Bundesgerichtshof

Beschluss vom 13. August 2024

Az.: 5 StR 424/23

 

 

Tenor

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. August 2024 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 sowie entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO beschlossen:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. April 2023,

a) soweit es den Angeklagten K. betrifft,

- im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte schuldig ist des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in drei Fällen, des Handeltreibens mit Cannabis in zehn Fällen sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis,

- im Strafausspruch mit Ausnahme der für die Taten 4 und 11 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen aufgehoben,

- im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben, soweit diese einen Betrag von 974.395 Euro übersteigt,

b) soweit es den Angeklagten S. betrifft,

- im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte schuldig ist des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in drei Fällen, des Handeltreibens mit Cannabis in elf Fällen sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen,

- im Strafausspruch mit Ausnahme der für die Taten 4 und 11 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen aufgehoben,

c) soweit es den Angeklagten Ko. betrifft,

- im Schuldspruch unter Entfallen des Teilfreispruchs dahin geändert, dass der Angeklagte schuldig ist der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis,

- im Strafausspruch aufgehoben,

- im Ausspruch über die Einziehung dahin geändert, dass der Wert von Taterträgen in Höhe von 25.580 Euro eingezogen wird; die weitergehende Einziehung entfällt.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 10. März 2022 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Wegen einer weiteren Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat es gegen ihn außerdem eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt. Den Angeklagten S. hat es wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten Ko. hat das Landgericht unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, jeweils in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Gegen alle Angeklagte wurde zudem die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet, nämlich gegen den Angeklagten K. in Höhe von 1.183.995 Euro (dort in Höhe eines Teilbetrags von 32.515 Euro und herrührend aus Tat 17 der Urteilsgründe im Wege der erweiterten Einziehung gemäß § 73a StGB), gegen den Angeklagten S. in Höhe von 1.148.880 Euro sowie gegen den Angeklagten Ko. in Höhe von 28.480 Euro. Dabei haften die drei Angeklagten in Höhe eines Teilbetrags von 28.180 Euro gesamtschuldnerisch. In Höhe eines weiteren Teilbetrags von 1.120.700 Euro haften allein die Angeklagten K. und S. als Gesamtschuldner.

Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die mit der Sachrüge die aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolge erzielen; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO (vgl. Antragsschriften des Generalbundesanwalts).

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelten die Angeklagten K. und S. ab dem 31. März 2020 unter Verwendung eines gemeinsam genutzten EncroChat-Mobiltelefons in zehn Fällen mit Marihuana, welches 12 Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) enthielt, wobei insgesamt 185 Kilogramm umgesetzt wurden (Taten 1 bis 3, 5 bis 10 und 12 der Urteilsgründe). Für den Angeklagten K. wurde dabei hinsichtlich Tat 10 gemäß § 154 Abs. 2 StPO von der Verfolgung abgesehen. In weiteren Fällen handelten sie mit 1 kg Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 78 Prozent Kokainhydrochlorid (KHC, Tat 4 der Urteilsgründe), mit 1 kg Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 13 Prozent Amphetamin-Base (Tat 11) sowie mit 3,5 kg Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 17 Prozent THC (Tat 15).

Nachdem die Polizei den Angeklagten K. am 15. Mai 2020 im Besitz von Betäubungsmitteln angetroffen und vorübergehend in Gewahrsam genommen hatte, gewannen dieser und der Angeklagte S. den Angeklagten Ko. , um gegen Entlohnung Auslieferungen von Marihuana an Kunden zu übernehmen. Dieser Abrede folgend handelten die Angeklagten K. und S. mit Unterstützung des Angeklagten Ko. im Zeitraum zwischen dem 22. Mai und dem 11. Juni 2020 in weiteren drei Fällen (Taten 13, 14 und 16 der Urteilsgründe) mit insgesamt rund 40,5 Kilogramm Marihuana (Wirkstoffgehalt 12 Prozent THC), wobei der Angeklagte Ko. nur für eine Beteiligung an den Taten 13 und 16 verurteilt wurde. Die gegen den Angeklagten K. verhängte weitere Freiheitsstrafe erging für Tat 17 der Urteilsgründe, bei der der Angeklagte am 14. November 2022 in seinem Haus Haschisch, Marihuana und Amphetamin zum gewinnbringenden Weiterverkauf bereithielt.

2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung der Schuld- und zur weitgehenden Aufhebung der Strafaussprüche. Beim Angeklagten K. ist zudem eine teilweise Aufhebung und beim Angeklagten Ko. eine Änderung des Einziehungsausspruchs veranlasst.

a) Die Schuldsprüche können keinen Bestand haben, soweit die Angeklagten in den Fällen 1 bis 3, 5 bis 10 sowie 12 bis 17 der Urteilsgründe (allein) nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden sind. Abgesehen von einer beim Angeklagten Ko. zusätzlich zu korrigierenden konkurrenzrechtlichen Einordnung (dazu nachfolgend unter cc) folgt dies aus dem am 1. April 2024 in Kraft getretenen Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG, BGBl. I 2024 Nr. 109), welches der Senat nach § 2 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen hat. Nach der Neuregelung unterfällt der Umgang mit Cannabis dem hier milderen Konsumcannabisgesetz (BGH, Beschluss vom 24. April 2024 – 5 StR 136/24).

aa) Das gemeinsame Handeln der Angeklagten K. und S. bei den Taten 1 bis 3, 5 bis 9, bei Tat 10 (hinsichtlich des Angeklagten S. ) sowie bei den Taten 12 und 15 der Urteilsgründe ist nunmehr als Handeltreiben mit Cannabis (§ 2 Abs. 1 Nr. 4, § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) zu würdigen. Dass sich die Taten auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen, stellt lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), der im Schuldspruch keinen Ausdruck findet (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2024 – 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216). Hinsichtlich der Taten 13, 14 und 16 sind beide Angeklagte jeweils strafbar wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG). Dass diese Taten erneut Cannabis in nicht geringer Menge zum Gegenstand hatten, bedarf auch hier keiner Kennzeichnung in der Urteilsformel, da der Qualifikationstatbestand des Bandenhandels mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG stets voraussetzt, dass die Tat eine nicht geringe Menge betrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2024 – 5 StR 4/24).

Das neue Recht erweist sich hier gegenüber der vom Landgericht angewandten Norm als das mildere im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB. Das gilt auch insoweit, als die Strafkammer bei den Bandentaten – hinsichtlich des Angeklagten K. nur bei Tat 16 der Urteilsgründe – minder schwere Fälle nach § 30a Abs. 3 BtMG bejaht und dabei für die Strafrahmenuntergrenze eine Sperrwirkung des Tatbestands nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG angenommen hat. Zwar sieht § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG für bandenmäßiges Handeltreiben mit Cannabis eine Strafe nicht unter zwei Jahren Freiheitsstrafe und damit grundsätzlich einen höheren Strafrahmen vor. Angesichts der vom Landgericht übersehenen Sperrwirkung des § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, der Ablehnung eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG sowie des Umfangs der gehandelten Wirkstoffmenge, welcher hier auch der Annahme eines minder schweren Falls nach § 30 Abs. 2 BtMG entgegensteht, erweist sich § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG konkret als milderes Recht (vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. Juli 2024 – 5 StR 272/24).

bb) Soweit der Angeklagte K. in seinem Haus Haschisch, Marihuana und Amphetamin zum gewinnbringenden Weiterverkauf bereithielt (Tat 17 der Urteilsgründe), ist dies als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) zu bewerten.

cc) Das Handeln des Angeklagten Ko. bei den Taten 13 und 16 stellt sich jeweils als Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG, § 27 StGB) in Tateinheit mit Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG) dar. Aus den gleichen Gründen wie schon beim Angeklagten K. erweist sich das neue Recht auch hier als das mildere im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB.

Entgegen der Annahme des Landgerichts sind allerdings die vom Angeklagten im Rahmen der Tat 13 der Urteilsgründe vorgenommenen fünf Veräußerungen von Teilmengen der durch die beiden anderen Angeklagten am 22. Mai 2022 angekauften 30 kg Marihuana nicht als eigenständige materielle Beihilfetaten anzusehen. Zwar ist die Frage der Konkurrenz für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Dies gilt wegen der Akzessorietät der Beihilfe aber dann nicht, wenn mehrere an sich selbständige Beihilfehandlungen eine Haupttat fördern. In einem solchen Fall werden die Beihilfehandlungen zu einer Handlungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst. Die durch die Entgegennahme der Teilmengen an sich selbständig verwirklichten Tatbestände des Besitzes von mehr als 60 Gramm Cannabis werden durch die einheitliche Beihilfehandlung zur Tateinheit verbunden (vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. April 2023 – 5 StR 61/23 Rn. 6).

Aufgrund dieser konkurrenzrechtlichen Situation lässt der Senat zudem in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Teilfreispruch des Angeklagten entfallen. Denn dieser bezieht sich auf die vom Landgericht für nicht erwiesen erachtete Veräußerung eines weiteren Teils der im Rahmen der Tat 13 erworbenen Handelsmenge und damit lediglich auf einen Teilakt einer einheitlichen Tat. Für einen Freispruch war daher insoweit kein Raum; das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2021 – 2 StR 51/21). Mit der Aufhebung des Teilfreispruchs wird die ihn betreffende Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil gegenstandslos (BGH, Beschluss vom 29. August 2023 – 5 StR 297/23).

dd) Der Senat stellt die Schuldsprüche für die Cannabis betreffenden Taten entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO um. Die Regelung des § 265 Abs. 1 StPO steht den Änderungen nicht entgegen, weil sich die Angeklagten jeweils nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Für die Taten 4 und 11 der Urteilsgründe (Angeklagte K. und S. ), die jeweils allein Kokain oder Amphetamin zum Gegenstand haben, bleiben die Schuldsprüche bestehen.

b) Die Einzelstrafen können in den von der Schuldspruchkorrektur betroffenen Fällen nicht bestehen bleiben, weil die einschlägigen Strafnormen des Konsumcannabisgesetzes jeweils mildere Strafrahmen vorsehen als die von der Strafkammer angewandten Strafrahmen des Betäubungsmittelgesetzes. Beim Angeklagten Ko. ist zudem für Tat 13 der Urteilsgründe nunmehr lediglich eine Einzelstrafe zuzumessen. Die Aufhebung zieht jeweils den Wegfall der Gesamtstrafenaussprüche nach sich. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).

c) Die gegenüber dem Angeklagten K. ergangene Einziehung des Wertes von Taterträgen kann mit Blick auf das beim Angeklagten S. sichergestellte Bargeld sowie hinsichtlich der Erträge aus Tat 10 der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben.

aa) Zunächst hat das Landgericht versäumt, die 2.600 Euro Bargeld, die bei dem Angeklagten S. sichergestellt wurden, auch zugunsten des mit diesem in deutlich höherem Umfang gesamtschuldnerisch haftenden Angeklagten K. vom Wert der einzuziehenden Taterträge in Abzug zu bringen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2022 – 2 StR 51/22 Rn. 5).

bb) Soweit im Einziehungsbetrag zudem in Höhe von 207.000 Euro Erträge aus Tat 10 der Urteilsgründe enthalten sind, hinsichtlich derer das Verfahren im Rahmen der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden ist, hält die im objektiven Verfahren gemäß § 76a Abs. 1 und 3 StGB vorgenommene Einziehung rechtlicher Überprüfung nicht stand.

(1) Nachdem der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung im Anschluss an den Einstellungsbeschluss des Landgerichts beantragt hat, bezüglich der eingestellten Tat eine Einziehung im selbständigen Verfahren in Höhe von insgesamt 207.000 Euro vorzunehmen, liegt allerdings entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ein wirksamer Antrag gemäß § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO vor. Ein solcher kann auch mündlich gestellt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. November 2018 – 4 StR 297/18, NStZ 2019, 271; vom 23. Mai 2023 – GSSt 1/23 Rn. 59, BGHSt 67, 295; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 67. Aufl., § 435 Rn. 10).

Dabei ist den aus § 435 Abs. 2 StPO samt dem dortigen Verweis auf § 200 StPO folgenden Anforderungen in der hier gegebenen prozessualen Situation Genüge getan worden. Denn die Einstellung wurde gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hauptverfahren vorgenommen; die fragliche Tat war in der Anklage enthalten und das Landgericht hat auch insoweit das Hauptverfahren eröffnet. Deshalb bedurfte es – anders als sonst (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Januar 2021 – 5 StR 454/20; vom 29. April 2020 – 3 StR 122/20) – im Antrag keiner weitergehenden Angaben zur Bezeichnung der einzuziehenden Gegenstände sowie zu den Tatsachen, welche die Zulässigkeit der selbständigen Einziehung begründen. Denn der notwendige Inhalt ergibt sich bereits aus der Anklageschrift (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler aaO). Soweit sich der Antrag als besondere Form der Erhebung einer Strafklage begreifen lässt (LR/Gaede, StPO, 27. Aufl., § 435 Rn. 5), sind folglich sowohl deren Umgrenzungs- wie Informationsfunktion erfüllt.

Das Antragserfordernis sichert in dieser Verfahrenssituation letztlich allein die Ausübung des der Staatsanwaltschaft nach § 435 Abs. 1 StPO eingeräumten Ermessens (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Mai 2023 – GSSt 1/23 Rn. 33, BGHSt 67, 295).

Das Landgericht hat in der Hauptverhandlung nach dem Antrag der Staatsanwaltschaft zudem seinerseits darauf hingewiesen, dass eine Einziehung im selbständigen Verfahren in Betracht kommt. Dieser Hinweis war erforderlich.

Denn die Verfahrenseinstellung begründet regelmäßig einen Vertrauenstatbestand, weswegen eine faire Verfahrensgestaltung sowie die Gewährleistung rechtlichen Gehörs es gebieten, einen Hinweis zu erteilen, wenn das Tatgericht den Verfahrensstoff doch zum Nachteil des Angeklagten zu berücksichtigen gedenkt (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2016 – 5 StR 270/16, wistra 2016, 502). Diese für eine strafschärfende Berücksichtigung ausgeschiedener Taten (vgl. nur BGH, Urteil vom 30. April 2009 – 1 StR 342/08, BGHSt 53, 311; Beschluss vom 13. September 2017 – 4 StR 88/17, NStZ 2019, 40) wie auch für deren Verwertung bei der Beweiswürdigung zu Lasten des Angeklagten (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2016 – 5 StR 270/16, wistra 2016, 502) anerkannte Anforderung ist auf den Fall einer Einziehung im objektiven Verfahren nach einer Verfahrensbeschränkung gemäß § 154 Abs. 2 StPO zu übertragen. Der notwendigerweise vorangehende Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 435 Abs. 1 StPO macht einen solchen Hinweis nicht obsolet, da er dessen Funktion nicht gerecht zu werden vermag. Denn durch den Antrag erfährt der Beschuldigte allein vom entsprechenden Willen der Anklagebehörde, nicht jedoch davon, dass das Gericht erwägt, diesem Antrag zu entsprechen.

(2) Die Einziehung kann insoweit jedoch deshalb keinen Bestand haben, weil anhand der Feststellungen nicht ausschließbar ist, dass ihr ein Strafklageverbrauch entgegensteht.

Ausweislich der Urteilsgründe wurde das Verfahren gegen den Angeklagten K. hinsichtlich dieser Tat gerade deshalb gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, weil insoweit ein Strafklageverbrauch durch das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 10. März 2022 in Betracht kam. Denn Gegenstand des dortigen Verfahrens sei auch eine beim Angeklagten am 15. Mai 2020 polizeilich sichergestellte Menge an Betäubungsmitteln gewesen. Nähere Feststellungen hierzu hat die Strafkammer jedoch nicht getroffen; solche folgen auch nicht aus der bloßen Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten, wonach das fragliche Cannabis aus dem der Tat 10 der Urteilsgründe zugrunde liegenden Einkauf gestammt habe. Ob der Einziehung der aus dieser Tat stammenden Erträge ein Strafklageverbrauch entgegenstehen könnte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Mai 2023 – GSSt 1/23 Rn. 63, BGHSt 67, 295; LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 76a Rn. 11 ff.; MüKo-StGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 76a Rn. 5), vermag der Senat somit nicht zu beurteilen.

(3) Die Einziehungsentscheidung war daher aufzuheben, soweit sie über die für die Taten 1 bis 9 und 11 bis 17 vom Landgericht errechnete Summe (976.995 Euro) abzüglich des genannten Bargeldbetrags von 2.600 Euro hinausreicht. Die Frage einer weitergehenden Einziehung bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung, hinsichtlich der aus Tat 10 der Urteilsgründe stammenden Erträge im anhängigen objektiven Verfahren (vgl. zur Rückverweisung insoweit auch BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 – 3 StR 204/12). Dort sind – so nicht nach § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO verfahren wird – die nötigen Feststellungen nachzuholen, um hinsichtlich dieser Tat einen etwaigen Strafklageverbrauch beurteilen zu können. Dabei kann das neue Tatgericht die derzeitige Verbindung mit dem gegen den Angeklagten gerichteten subjektiven Verfahren beibehalten; ihm steht insoweit aber auch die Möglichkeit der Abtrennung offen.

Da das Landgericht mit der Summe von 976.995 Euro zugunsten des Angeklagten einen rechnerisch um 800 Euro zu niedrigen Betrag angesetzt hat (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts), wird im Rahmen des subjektiven Verfahrens zu prüfen sein, inwieweit der zuungunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft eingezogene Betrag von 2.600 Euro zu verrechnen ist. Hierzu bedarf es ergänzender Feststellungen. Denn eine Verrechnung mit Erlösen, die dem Angeklagten über die Einziehungsanordnung des Landgerichts hinaus zugeflossen sind, scheidet wegen des tatbezogenen Verschlechterungsverbots nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO aus, soweit sie aus anderen Taten stammen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2023 – 2 StR 324/23). Aus den Urteilsgründen, in denen die für jede Tat angesetzten Teilbeträge nicht ausgewiesen sind, ergibt sich jedoch nicht, bei welchem der Fälle sich das Landgericht zugunsten des Angeklagten verrechnet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2023 – 5 StR 321/22).

d) Die gegenüber dem Angeklagten Ko. angeordnete Einziehung eines Betrags von 28.480 Euro bedarf in zweifacher Hinsicht der Korrektur. Entsprechend den Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts ist zunächst auch zu seinen Gunsten wie schon beim Angeklagten K. der bei dem Angeklagten S. sichergestellte Bargeldbetrag von 2.600 Euro in Abzug zu bringen, da nicht ausschließbar ist, dass dieses Geld aus Taten stammt, für deren eingezogene Erträge auch der Angeklagte Ko. gesamtschuldnerisch mithaftet. Zudem erweist sich der Einziehungsausspruch als rechtsfehlerhaft, soweit er auch die von den Angeklagten K. und S. als Lohn erhaltenen 300 Euro einbezieht. Denn jedenfalls für Tat 16 der Urteilsgründe ist festgestellt, dass der Angeklagte Ko. den dortigen Betrag von 50 Euro von dem durch die Veräußerung des Marihuana erhaltenen Kaufpreis einbehielt. Insoweit liegt eine doppelte Abschöpfung vor, da für das vereinnahmte Entgelt ohnehin in voller Höhe die Einziehung des Wertes des Tatertrags angeordnet wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2022 – 3 StR 193/22; Urteil vom 17. Juli 2019 – 5 StR 130/19). Für die Entlohnung im Rahmen der Tat 13 liegt ein gleiches Vorgehen nahe.

Der Senat schließt aus, dass noch Feststellungen getroffen werden können, aufgrund derer eine über den Betrag von 25.580 Euro hinausgehende Einziehung des Wertes von Taterträgen möglich sein könnte. Er lässt daher die Anordnung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO entfallen, soweit sie diese Summe übersteigt.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 354 zu verfahren, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung.

(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.

(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 354 zu verfahren, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Kann wegen der Straftat keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden, so ordnet das Gericht die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung selbständig an, wenn die Voraussetzungen, unter denen die Maßnahme vorgeschrieben ist, im Übrigen vorliegen. Ist sie zugelassen, so kann das Gericht die Einziehung unter den Voraussetzungen des Satzes 1 selbständig anordnen. Die Einziehung wird nicht angeordnet, wenn Antrag, Ermächtigung oder Strafverlangen fehlen oder bereits rechtskräftig über sie entschieden worden ist.

(2) Unter den Voraussetzungen der §§ 73, 73b und 73c ist die selbständige Anordnung der Einziehung des Tatertrages und die selbständige Einziehung des Wertes des Tatertrages auch dann zulässig, wenn die Verfolgung der Straftat verjährt ist. Unter den Voraussetzungen der §§ 74b und 74d gilt das Gleiche für die selbständige Anordnung der Sicherungseinziehung, der Einziehung von Verkörperungen eines Inhalts und der Unbrauchbarmachung.

(3) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn das Gericht von Strafe absieht oder wenn das Verfahren nach einer Vorschrift eingestellt wird, die dies nach dem Ermessen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts oder im Einvernehmen beider zulässt.

(4) Ein wegen des Verdachts einer in Satz 3 genannten Straftat sichergestellter Gegenstand sowie daraus gezogene Nutzungen sollen auch dann selbständig eingezogen werden, wenn der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt und der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der ihr zugrundeliegenden Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann. Wird die Einziehung eines Gegenstandes angeordnet, so geht das Eigentum an der Sache oder das Recht mit der Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat über; § 75 Absatz 3 gilt entsprechend. Straftaten im Sinne des Satzes 1 sind

1.
aus diesem Gesetz:
a)
Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a und Terrorismusfinanzierung nach § 89c Absatz 1 bis 4,
b)
Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 Absatz 1 und Bildung terroristischer Vereinigungen nach § 129a Absatz 1, 2, 4, 5, jeweils auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1,
c)
Zuhälterei nach § 181a Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 3,
d)
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte in den Fällen des § 184b Absatz 2,
e)
gewerbs- und bandenmäßige Begehung des Menschenhandels, der Zwangsprostitution und der Zwangsarbeit nach den §§ 232 bis 232b sowie bandenmäßige Ausbeutung der Arbeitskraft und Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung nach den §§ 233 und 233a,
f)
Geldwäsche nach § 261 Absatz 1 und 2,
2.
aus der Abgabenordnung:
a)
Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Nummer 5 genannten Voraussetzungen,
b)
gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373,
c)
Steuerhehlerei im Fall des § 374 Absatz 2,
3.
aus dem Asylgesetz:
a)
Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Absatz 3,
b)
gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,
4.
aus dem Aufenthaltsgesetz:
a)
Einschleusen von Ausländern nach § 96 Absatz 2,
b)
Einschleusen mit Todesfolge sowie gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
5.
aus dem Außenwirtschaftsgesetz:vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18,
6.
aus dem Betäubungsmittelgesetz:
a)
Straftaten nach einer in § 29 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,
b)
Straftaten nach den §§ 29a, 30 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,
7.
aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:
a)
Straftaten nach § 19 Absatz 1 bis 3 und § 20 Absatz 1 und 2 sowie § 20a Absatz 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21,
b)
Straftaten nach § 22a Absatz 1 bis 3,
8.
aus dem Waffengesetz:
a)
Straftaten nach § 51 Absatz 1 bis 3,
b)
Straftaten nach § 52 Absatz 1 Nummer 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Absatz 5 und 6.

(1) Die Staatsanwaltschaft und der Privatkläger können den Antrag stellen, die Einziehung selbständig anzuordnen, wenn dies gesetzlich zulässig und die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist. Die Staatsanwaltschaft kann insbesondere von dem Antrag absehen, wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat oder das Verfahren einen unangemessenen Aufwand erfordern würde.

(2) In dem Antrag ist der Gegenstand oder der Geldbetrag, der dessen Wert entspricht, zu bezeichnen. Ferner ist anzugeben, welche Tatsachen die Zulässigkeit der selbständigen Einziehung begründen. Im Übrigen gilt § 200 entsprechend.

(3) Für das weitere Verfahren gelten die §§ 201 bis 204, 207, 210 und 211 entsprechend, soweit dies ausführbar ist. Im Übrigen finden die §§ 424 bis 430 und 433 entsprechende Anwendung.

(4) Für Ermittlungen, die ausschließlich der Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens dienen, gelten sinngemäß die Vorschriften über das Strafverfahren. Ermittlungsmaßnahmen, die nur gegen einen Beschuldigten zulässig sind, und verdeckte Maßnahmen im Sinne des § 101 Absatz 1 sind nicht zulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 297/18
vom
8. November 2018
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2018:081118B4STR297.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. November 2018 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 14. Dezember 2017 wird als unbegründet verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 23. September 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 68.750 Euro, ferner gegen ihn und den nicht revidierenden Mitangeklagten die „Einziehung von Taterträgen“ in Höhe von 550 Euro und die Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel und weiterer Gegenstände angeordnet. Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


2
1. Nach den der Verurteilung zugrunde liegenden Feststellungen schlossen sich der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte spätestens im April 2016 mit zwei weiteren Personen zusammen, um gemeinsam und arbeitsteilig Kokain zu erwerben und es in D. und L. gewinnbringend zu verkaufen. Dazu erwarb die Gruppierung, in der der Angeklagte eine Führungsrolle bei der Betäubungsmittelbeschaffung einnahm, in der Zeit vom 27. Mai bis zum 21. Juli 2016 in mindestens elf Fällen jeweils 100 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 90 % Kokainhydrochlorid zum Einkaufspreis zwischen 33 Euro und 34 Euro je Gramm Kokain und veräußerte es sodann in unterschiedlich großen Verpackungseinheiten für 20 Euro (0,27 Gramm Kokain), 25 Euro (0,4 Gramm Kokain) und 50 Euro (0,75 bis 0,8 Gramm Kokain) mit Gewinn weiter.
3
2. Hinsichtlich der folgenden Anklagevorwürfe hat das Landgericht das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt:
4
a) Am 13. Januar 2017 erwarteten der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte in einer Pizzeria in D. eine Lieferung von 500 Gramm Kokain. Die Lieferung blieb aber aus. Bei der in diesem Zusammenhang erfolgten Durchsuchung der Pizzeria stellte die Polizei jedoch Bargeld in Höhe von 550 Euro sicher, das „aus dem von ihnen betriebenen Kokain- handel“ stammte. Des Weiteren wurden 93,61 Gramm Kokain, 47,53 Gramm Marihuana, Streckmittel, Feinwaagen, Scheren, ein Sieb, Foliendreher, Verpackungsmaterial , Schlüssel, Unterlagen mit Notizen und weitere Gegenstände aufgefunden und sichergestellt.
5
b) Am 17. Februar 2017 hielten sich der Angeklagte und der Mitangeklagte in einer Wohnung in L. auf und koordinierten den Verkauf von Betäubungsmitteln. Bei einer an diesem Tag durchgeführten Durchsuchung wurden in einem von ihnen als Lagerort genutzten Wohnmobil eine Plastiktüte mit 62,73 Gramm Kokain für den Straßenverkauf, eine Feinwaage und weitere Gegenstände aufgefunden und sichergestellt.

II.


6
1. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 68.750 Euro keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Auch die weiteren Einziehungsentscheidungen können bestehen bleiben. Insoweit gilt das Folgende:
7
2. Die Einziehung der anlässlich der Durchsuchung vom 13. Januar 2017 sichergestellten 550 Euro hält jedenfalls im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
8
a) Zwar kann die Anordnung – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht auf § 73 Abs. 1 StGB gestützt werden, weil die Tat, durch die oder für die etwas erlangt worden ist, nach der Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO nicht Gegenstand der Verurteilung ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2016 – 1 StR 632/15, BGHR StGB § 73d Anwendungsbereich 4; Beschluss vom 28. März 1979 – 2 StR 700/78, BGHSt 28, 369, 370; weitere Nachweise bei Joecks in MünchKomm.z.StGB, 3. Aufl., § 73 Rn. 24). Die Urteilsgründe ergeben aber, dass insoweit die Voraussetzungen des § 73a Abs. 1 StGB vorliegen. Denn das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei davon überzeugt , dass dieses Geld aus dem Betäubungsmittelhandel des Angeklagten und des Mitangeklagten stammte, ohne dass die Zuordnung zu einer oder mehreren konkret nachweisbaren Taten möglich gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2016 – 1 StR 632/15, BGHR StGB § 73d Anwendungsbereich 4; Beschluss vom 8. August 2013 – 3 StR 226/13, NStZ 2014, 82 mwN).
9
b) Der Umstand, dass sich der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe mit einer formlosen Einziehung des Geldbetrages einverstanden erklärt und damit wirksam auf dessen Rückgabe verzichtet hat, zwingt für sich genommen nicht zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung, auch wenn dieser damit nur noch deklaratorische Bedeutung zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2018 – 5 StR 320/18, Rn. 2; Urteil vom 10. April 2018 – 5 StR 611/17, NStZ 2018, 333 mwN).
10
3. Soweit das Landgericht die Einziehung der anlässlich der Durchsuchung vom 13. Januar 2017 und 17. Februar 2017 sichergestellten Betäubungsmittel und Gegenstände auf § 74 Abs. 1 StGB und § 33 Satz 1 BtMG in Verbindung mit § 74 Abs. 2 StGB gestützt hat, begegnet dies durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
a) Infolge der teilweisen Einstellung des Verfahrens durch die Strafkammer nach § 154 Abs. 2 StPO waren die Taten, deren Objekte (§ 33 Satz 1 BtMG i.V.m. § 74 Abs. 2 StGB) die sichergestellten Betäubungsmittel waren und für die die aufgefundenen Gegenstände als Tatmittel (§ 74 Abs. 1 StGB) verwendet wurden, nicht Gegenstand der Verurteilung. Eine Einziehung kam danach nur noch im selbständigen Verfahren nach § 76a Abs. 1, Abs. 3 StGB in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2003 – 3 StR 421/02, NStZ 2003, 422). Dazu hätte aber die Staatsanwaltschaft ihren auf eine selbständige Einziehung gerichteten Willen durch einen entsprechenden Antrag nach § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO kundtun müssen (vgl. Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 435 Rn. 19; KK-StPO/Schmidt, 7. Aufl., § 440 Rn. 15; BeckOK-StPO/Temming, 30. Edition, § 435 Rn. 11; vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 21. Juni 1990 – 1 StR 477/89, BGHSt 37, 55, 69; Urteil vom 23. Juli 1969 – 3 StR 326/68, BGHSt 23, 64, 66 ff.; BT-Drucks. 18/9525, S. 91). Dies ist nicht geschehen. Die Staatsanwaltschaft hat weder eine Antragsschrift im Sinne von § 435 Abs. 1 und Abs. 2 StPO eingereicht noch hat sie in der Hauptverhandlung einen mündlichen Antrag auf einen Wechsel in das selbständige Einziehungsverfahren gestellt, der den Anforderungen des § 435 Abs. 2 StPO genügt. Soweit sie in ihrem Schlussvortrag eine Einziehung der sichergestellten Gegenstände und Betäubungsmittel beantragt hat, lässt sich dem weder der Willensentschluss zur Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens noch entnehmen, dass sie sich des ihr insoweit zustehenden Ermessens (§ 435 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO) bewusst war und dieses ausgeübt hat.
12
b) Die rechtsfehlerhafte Einziehungsentscheidung nötigt indes im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht zu deren Aufhebung, da der Angeklagte im Ergebnis nicht beschwert ist. In der Hauptverhandlung hat er vielmehr auch insoweit den Verzicht auf sämtliche bei diesen Durchsuchungen sichergestellten Asservate erklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 – 5 StR 488/18, Rn. 3), weshalb die Einziehungsanordnung letztlich ins Leere geht.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

(1) Die Staatsanwaltschaft und der Privatkläger können den Antrag stellen, die Einziehung selbständig anzuordnen, wenn dies gesetzlich zulässig und die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist. Die Staatsanwaltschaft kann insbesondere von dem Antrag absehen, wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat oder das Verfahren einen unangemessenen Aufwand erfordern würde.

(2) In dem Antrag ist der Gegenstand oder der Geldbetrag, der dessen Wert entspricht, zu bezeichnen. Ferner ist anzugeben, welche Tatsachen die Zulässigkeit der selbständigen Einziehung begründen. Im Übrigen gilt § 200 entsprechend.

(3) Für das weitere Verfahren gelten die §§ 201 bis 204, 207, 210 und 211 entsprechend, soweit dies ausführbar ist. Im Übrigen finden die §§ 424 bis 430 und 433 entsprechende Anwendung.

(4) Für Ermittlungen, die ausschließlich der Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens dienen, gelten sinngemäß die Vorschriften über das Strafverfahren. Ermittlungsmaßnahmen, die nur gegen einen Beschuldigten zulässig sind, und verdeckte Maßnahmen im Sinne des § 101 Absatz 1 sind nicht zulässig.

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Die Staatsanwaltschaft und der Privatkläger können den Antrag stellen, die Einziehung selbständig anzuordnen, wenn dies gesetzlich zulässig und die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist. Die Staatsanwaltschaft kann insbesondere von dem Antrag absehen, wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat oder das Verfahren einen unangemessenen Aufwand erfordern würde.

(2) In dem Antrag ist der Gegenstand oder der Geldbetrag, der dessen Wert entspricht, zu bezeichnen. Ferner ist anzugeben, welche Tatsachen die Zulässigkeit der selbständigen Einziehung begründen. Im Übrigen gilt § 200 entsprechend.

(3) Für das weitere Verfahren gelten die §§ 201 bis 204, 207, 210 und 211 entsprechend, soweit dies ausführbar ist. Im Übrigen finden die §§ 424 bis 430 und 433 entsprechende Anwendung.

(4) Für Ermittlungen, die ausschließlich der Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens dienen, gelten sinngemäß die Vorschriften über das Strafverfahren. Ermittlungsmaßnahmen, die nur gegen einen Beschuldigten zulässig sind, und verdeckte Maßnahmen im Sinne des § 101 Absatz 1 sind nicht zulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 270/16
vom
7. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:070716B5STR270.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juli 2016 beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten K. und W. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Oktober 2015, soweit es diese Angeklagten betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
Auf die Revision des Angeklagten Ö. wird das vorgenannte Urteil hinsichtlich dieses Angeklagten nach § 349 Abs. 4 StPO im Verfallsausspruch aufgehoben, soweit der erweiterte Wert- ersatzverfall in einer den Betrag von 13.790 € übersteigenden Höhe angeordnet ist. Es wird klargestellt, dass gegen den Angeklagten Ö. der erweiterte Verfall von Wertersatz in Höhe von 13.790 € als Gesamtschuldner mit den Angeklagten W. und K. angeordnet ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten Ö. wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie den erweiterten Wertersatzverfall in Höhe von insgesamt 253.490 € angeordnet. Mit den hier- gegen gerichteten Revisionen rügen die Angeklagten allgemein die Verletzung sachlichen Rechts, die Angeklagten K. und W. beanstanden darüber hinaus das Verfahren. Während die Revisionen der zuletzt genannten Angeklagten umfassend durchdringen, führt die Revision des Angeklagten Ö. zu einer Teilaufhebung der Verfallsentscheidung.
2
1. Die auf die Sachrügen veranlasste umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat allerdings zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Namentlich ist gegen die sorgfältige Beweiswürdigung in Bezug auf sämtliche Angeklagten rechtlich nichts zu erinnern.
3
2. Jedoch kann den im Wesentlichen gleichlautenden Verfahrensrügen der Angeklagten K. und W. , mit denen eine Verletzung des § 265 StPO in Verbindung mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) beanstandet wird, der Erfolg nicht versagt bleiben.
4
a) Ihnen liegt folgendes Geschehen zugrunde:
5
Mit der durch das Landgericht unverändert zugelassenen Anklage waren den Angeklagten zwei Taten des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgeworfen worden, weil ihnen durch den Nichtrevidenten S. nach demselben Muster am 8. und 14. Januar 2015 jeweils rund 20 kg Cannabis zum Zweck gewinnbringenden Verkaufs geliefert worden seien. Zu den Vorgängen ist durch das Landgericht umfänglich Beweis erhoben worden. Im Verlauf der Hauptverhandlung verlautbarte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Zweifel, ob der Tatnachweis für den 8. Januar 2015 geführt werden könne. Am zehnten von insgesamt elf Verhandlungstagen hat der Vorsitzende einen rechtlichen Hinweis erteilt, dass Tat 1 (vom 8. Januar 2015) und Tat 2 (vom 14. Januar 2015) entgegen Anklage und Eröffnungsbeschluss eine Handlungseinheit bilden könnten, weil in der „Bun- kerwohnung“ der Angeklagten eine Drogenmenge gefunden worden sei, die mit rund 35 kg weit über die am 14. Januar 2015 gelieferten rund 20 kg hinausgehe. Ferner ist ein Vermerk des Vorsitzenden verlesen worden, nach dem nicht ausgeschlossen werden könne, dass die überschießende Drogenmenge bereits am 8. Januar 2015 geliefert worden sei oder auch durch Unbekannte; eine vorläufige Verfahrenseinstellung „nach §§ 154, 154a StPO“ werde angeregt. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft folgend hat das Landgericht danach beschlossen , das Verfahren in Bezug auf Tat 1 vorläufig einzustellen bzw. den Verfahrensstoff insoweit zu beschränken.
6
Am darauf folgenden (letzten) Verhandlungstag verlasen die Verteidiger schriftliche Einlassungen der Angeklagten, die sich ausdrücklich nur zu den Vorgängen am 14. Januar 2015 verhielten. Danach hat der Vorsitzende rechtliche Hinweise gegeben, dass hinsichtlich des Angeklagten W. „auch 2 Taten in Betracht kommen können in Form des Handeltreibens (Haschisch 2 Kilogramm) sowie Beihilfe zum Handeltreiben in Tateinheit mit Besitz“ und dass hinsichtlich des Angeklagten K. auch Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Betracht komme. Ein förmlicher Hinweis, dass Tat 1 bei der Beweiswürdigung und der Strafzumessung verwertet werden könne, ist nicht erteilt worden. Im Urteil hat das Landgericht die Drogenlieferung vom 8. Januar 2015 ordnungsgemäß festgestellt und diese Tat im Rahmen der Beweiswürdigung namentlich für die Annahme bandenmäßigen Handelns der Angeklagten sowie bei der Strafzumessung herangezogen.
7
b) Bei dieser Sachlage kann das Urteil bezüglich dieser Beschwerdeführer keinen Bestand haben.
8
aa) Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass durch vorläufige gerichtliche Verfahrenseinstellung ausgeschiedene Taten selbst im Fall prozessordnungsgemäßer Feststellung auch bei der Beweiswürdigung nur dann zu Lasten des Angeklagten verwertet werden dürfen, wenn dieser zuvor auf die Möglichkeit einer solchen Verwertung hingewiesen worden ist (vgl. BGH, Urteile vom 16. März 1983 – 2 StR 826/82, BGHSt 31, 302, 303; vom 3. April 1996 – 2 StR 590/95, BGHR StPO § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 2; vom 20. März 2001 – 1 StR 543/00, BGHR StPO § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 4). Die Verfahrenseinstellung begründet nämlich regelmäßig einen Vertrauenstatbestand , weswegen eine faire Verfahrensgestaltung sowie die Gewährleistung rechtlichen Gehörs es gebieten, einen Hinweis zu erteilen, wenn das Tatgericht den Verfahrensstoff doch zum Nachteil des Angeklagten zu berücksichtigen gedenkt (vgl. BGH, aaO). An einem solchen Hinweis fehlt es hier.
9
bb) Allerdings weist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hin, dass der vorgenannte Grundsatz dann nicht gilt, wenn nach Lage des Falls durch die vorläufige Teileinstellung des Verfahrens ein Vertrauenstatbestand von vornherein nicht entstanden sein kann (vgl. BGH, Urteile vom 3. April 1996 – 2 StR 590/95, aaO; vom 20. März 2001 – 1 StR 543/00, aaO). Für einen sol- chen Ausnahmefall könnte hier sprechen, dass die zu beiden Taten parallel laufende, im Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung bereits im Wesentlichen abgeschlossenen Beweisaufnahme ausweislich der Urteilsurkunde gewichtige Anhaltspunkte für einen bandenmäßigen Drogenhandel großen Umfangs und eine Übergabe von Drogen an die Angeklagten im zweistelligen Kilogrammbereich (auch) am 8. Januar 2015 ergeben hatte. Ferner erfolgte die Teileinstel- lung ausweislich des am 10. Verhandlungstag erteilten rechtlichen Hinweises maßgebend deshalb, weil die Strafkammer Bedenken hatte, ob die Taten nicht entgegen Anklage und Eröffnungsbeschluss eine Bewertungseinheit bildeten.
10
Andererseits wurden sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch im verlesenen Vermerk des Vorsitzenden Beweiszweifel angesprochen. Hinzu kommen die am letzten Verhandlungstag gegebenen Hinweise an die beiden Angeklagten , die den Vorwurf bandenmäßigen Handelns nicht enthielten, sowie der Umstand, dass sich die Angeklagten nur zur Tat vom 14. Januar 2015 einließen. Dies deutet darauf hin, dass diese – nach dem dargestellten Verlauf nicht unberechtigt und für die Strafkammer erkennbar – darauf vertrauten, das Landgericht werde die Vorgänge zu Tat 1 bei der Urteilsfindung unberücksichtigt lassen. Unter solchen Vorzeichen hätte die Strafkammer einen Hinweis erteilen müssen. Anhaltspunkte dafür, dass die beabsichtigte Verwertung der Beweisergebnisse mit der Folge des Nichtentstehens eines Vertrauenstatbestandes in anderer Form zum Ausdruck gebracht worden ist, lassen sich der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft nicht entnehmen. Der Vorsitzende hat sich nicht dienstlich geäußert.
11
cc) Im Blick darauf, dass der Vorwurf bandenmäßigen Handeltreibens tragend auch auf die Vorgänge vom 8. Januar 2015 gestützt ist, kann ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO) nicht ausgeschlossen werden. Die Sache bedarf deshalb bezüglich der Angeklagten K. und W. insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
12
3. Gegen den Verfallsausspruch hinsichtlich des Angeklagten Ö. bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.
13
a) Der Senat versteht den Verfallsausspruch des angefochtenen Urteils dahin, dass er sich – gesamtschuldnerisch (vgl. Weber, BtMG, 4. Aufl., § 33 Rn. 72 mwN) – in Höhe der bei dem Nichtrevidenten S. sichergestellten 239.700 € (nur) gegen die Angeklagten K. , Ö. und W. richtet. Das ist im Grundsatz frei von Rechtsfehlern, weil der Nichtrevident S. die Gelder, mit deren Einziehung er sich einverstanden erklärt hatte, im Wege eines anderen Vorgangs erlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 72; Weber, aaO, § 33 Rn. 76). Jedoch hätte das Landgericht wegen der Weitergabe Drogengelder an den Nichtrevidenten zwingend die Härtevorschrift des § 73c StGB erwägen müssen (vgl. BGH, aaO).
14
b) In Höhe der bei dem Angeklagten K. sichergestellten 13.790 € wird der Verfallsausspruch mit der vorgenannten Maßgabe durch den Rechtsfehler nicht berührt und kann bestehen bleiben. Jedoch war klarzustellen, dass insoweit eine gesamtschuldnerische Haftung angeordnet ist (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 16. Juli 2013 – 4 StR 144/13 Rn. 5 ff. mwN).
15
4. Die Prüfung des § 73c StGB wird das neu verhandelnde Tatgericht gegebenenfalls auch für die Angeklagten K. und W. nachzuholen haben.
Sander Dölp König
RiBGH Dr. Berger Bellay ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 342/08
vom
30. April 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
____________________________________
1. In Fällen fingierter Ketten- oder Karussellgeschäfte, die auf Hinterziehung von
Steuern angelegt sind, ist bei der Strafzumessung der aus dem Gesamtsystem
erwachsene deliktische Schaden als verschuldete Auswirkung der Tat zu
Grunde zu legen, soweit den einzelnen Beteiligten die Struktur und die Funktionsweise
des Gesamtsystems bekannt sind (im Anschluss an BGHSt 47,
343).
2. Werden durch ein komplexes und aufwändiges Täuschungssystem, das die
systematische Verschleierung von Sachverhalten über einen längeren Zeitraum
bezweckt, in beträchtlichem Umfang Steuern verkürzt, kann sich die
Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung als
notwendig erweisen.
BGH, Urt. vom 30. April 2009 - 1 StR 342/08 - LG Gießen
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
30. April 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 23. November 2007 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in zwei Fällen wegen Untreue verurteilt wurde; das Verfahren wird insoweit eingestellt;
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil in den Fällen, in denen der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, im Ausspruch über die jeweilige Einzelstrafe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zehn Fällen sowie wegen Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, führt lediglich zur Aufhebung des Urteils und Einstellung des Verfahrens, soweit der Angeklagte wegen Untreue in zwei Fällen verurteilt wurde. Der Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafen führt zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, gegen den Rechtsfolgenausspruch; das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte seit 1985 Geschäftsführer der J. (nachfolgend J. GmbH). Deren Geschäftsgegenstand war der An- und Verkauf von Nutzfahrzeugen, insbesondere von Betonmischern.
4
1. Die Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in zehn Fällen beruht auf folgenden Feststellungen:
5
In einer Vielzahl von Fällen verlangten die Halter der Gebrauchtfahrzeuge , die die J. GmbH ankaufen wollte, dass nicht der vollständige Kaufpreis in der Rechnung ausgewiesen wurde. Sie wollten auf diese Weise die Zahlung der auf den nicht in die Rechnung aufgenommenen Teil des Kaufpreises entfallenden Steuer vermeiden. Um diesem Ansinnen der Halter der Fahrzeuge zu entsprechen, wurde unter Anleitung des Angeklagten J. und unter Mitwirkung früherer Mitangeklagter ein System von Scheinfirmen sowie Scheingeschäften entwickelt und in der Folge auch umgesetzt. Dieses ermöglichte einerseits den Haltern, geringere Kaufpreise als die tatsächlich gezahlten zu fakturieren. Auf der anderen Seite konnte die J. GmbH durch das nachstehend näher dargelegte System Rechnungen erlangen, die ihr ermöglichten, Vorsteuer aus Beträgen geltend zu machen, die noch über dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis lagen.
6
Im Einzelnen ging der Angeklagte gemeinsam mit den Mitangeklagten wie folgt vor:
7
Der ursprüngliche Halter des jeweiligen Gebrauchtfahrzeugs, der dieses verkaufen wollte, erstellte für Firmen, die zum Schein als unmittelbarer Käufer des Gebrauchtfahrzeugs auftraten (Erstankäufer), eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis über einen Teil des tatsächlichen Kaufpreises. Der verbleibende Rest des Kaufpreises wurde bar gezahlt, ohne dass dieser Teilbetrag versteuert wurde.
8
Der Erstankäufer stellte einem Zwischenhändler eine Scheinrechnung mit Umsatzsteuerausweis aus, wobei der dort angeführte Nettobetrag über dem Kaufpreis lag, der tatsächlich - als Rechnungsbetrag zuzüglich Schwarzgeldbetrag - an den letzten Halter des Fahrzeuges gezahlt worden war. Der Zwischenhändler erstellte seinerseits für die J. GmbH eine Rechnung, in der er einen nochmals höheren Nettopreis sowie die darauf anfallende Umsatzsteuer auswies. Die J. GmbH veräußerte die Fahrzeuge sodann, nachdem sie teilweise durch das Unternehmen instand gesetzt worden waren, im Inland oder - weit überwiegend - in das Ausland. Die Lieferungen ins Ausland waren umsatzsteuerfrei.
9
Einzelne Geschäfte wichen insoweit von dem dargestellten Grundmuster ab, als der ursprüngliche Halter des Fahrzeuges eine Rechnung an ein in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ansässiges Scheinunternehmen ausstellte, in der entsprechend § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG keine Umsatzsteuer ausgewiesen wurde. Parallel dazu wurde eine Lieferkette in Deutschland fingiert, nach der das identische Fahrzeug von einer Scheinfirma an einen Zwischenhändler und von diesem an die J. GmbH verkauft wurde. In anderen Fällen trat ein ansonsten als Zwischenhändler fungierendes Unternehmen unmittelbar als Käufer gegenüber dem ursprünglichen Halter der Fahrzeuge auf. In weiteren Fällen wurden die Teile des Kaufpreises, die von dem ursprünglichen Halter nicht versteuert wurden, durch Scheinrechnungen über den - tatsächlich nicht erfolgten - Verkauf von Ersatzteilen verschleiert.
10
Allen Geschäften war gemeinsam, dass tatsächlich der ursprüngliche Halter des jeweiligen Gebrauchtfahrzeugs mit Geldern bezahlt wurde, die die J. GmbH dem Zwischenhändler zur Verfügung gestellt hatte, der diese an die Verkäufer weiterleitete. Die Fahrzeuge wurden jeweils direkt an die J. GmbH geliefert. Die Entscheidung über den Ankauf eines Fahrzeuges und den zu zahlenden Preis traf in allen Fällen jeweils der Angeklagte J. , der für die J. GmbH handelte.
11
Die J. GmbH versteuerte die aus ihren Lieferungen resultierenden Umsätze im Inland. Umsätze aus Auslandslieferungen und innergemeinschaftlichen Lieferungen wurden als solche deklariert. Die sich aus den Rechnungen der Zwischenhändler ergebende Vorsteuer wurde nach § 15 UStG abgezogen. Auch die als Zwischenhändler auftretenden Unternehmen erklärten die Umsätze, die in ihren Rechnungen an die J. GmbH ausgewiesen wurden, und führten die ausgewiesene Umsatzsteuer ab. Von der daraus resultierenden Zahllast wurde die Vorsteuer abgezogen, die sich aus den Rechnungen ergab, die den Zwischenhändlern von den als Erstankäufer auftretenden Scheinfirmen ausgestellt worden waren. Demgegenüber erklärten die Erstankäufer die in den Rechnungen an die Zwischenhändler ausgewiesenen Umsätze nicht und führten die dort ausgewiesene Umsatzsteuer, die sich auf knapp 570.000,-- Euro belief, auch nicht ab.
12
Der Angeklagte J. machte in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 1997 bis 2001 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate März, April, Juni, Juli und Oktober 2002 für die J. GmbH die Vorsteuer aus den Rechnungen der Zwischenhändler geltend. Diese belief sich auf etwas mehr als 665.000,-- Euro.
13
Nach Auffassung des Landgerichts wurde insoweit durch die Abgabe falscher Umsatzsteuererklärungen Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von 433.900,-- Euro hinterzogen, die bei der Strafzumessung zu Grunde zu legen sei. Bei diesem Betrag handelt es sich um die jeweilige Umsatzsteuer, die auf den Anteil des Kaufpreises entfiel, der unversteuert an den ursprünglichen Halter des jeweiligen Fahrzeugs gezahlt wurde. Diesen berechnete die Strafkammer , indem sie den Nettobetrag der Ausgangsrechnung des ursprünglichen Halters an die Erstankäufer von dem Nettobetrag der Rechnung, die dieser den Zwischenhändlern ausstellte, subtrahierte. Demgegenüber sah die Strafkammer die Umsatzsteuer, die in den Rechnungen der Erstankäufer an die Zwischenhändler und in den Rechnungen der Zwischenhändler an die J. GmbH ausgewiesen wurde, nicht als strafzumessungsrelevanten Hinterziehungsschaden an. Bei einer Verurteilung wegen Vergehen nach § 370 AO sei im Rahmen der Strafzumessung „nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur auf die Verkürzung solcher Steuersummen abzustellen, die bei ordnungsgemäßem Verhalten von vornherein an den Fiskus abzuführen gewesen wären“.
14
2. Daneben verurteilte das Landgericht den Angeklagten wegen Untreue in zwei Fällen zum Nachteil der J. GmbH. Nach den diesbezüglichen Feststellungen entnahm der Angeklagte in den Jahren 2000 und 2001 unter Verletzung der ihn treffenden Pflichten als Geschäftsführer aus dem Vermögen der Gesellschaft ohne rechtfertigenden Grund insgesamt knapp 175.000,-- Euro , um das Geld für eigene Zwecke zu verwenden. Diese Entnahmen verschleierte er durch Scheinrechungen, die er in die Buchhaltung der J. GmbH einstellte. Die in den Scheinrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer machte der Angeklagte in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2000 bzw. 2001 als Vorsteuer geltend. Alleinige Gesellschafterin zur Tatzeit war die Ehefrau des Angeklagten.

II.

15
Die Revision des Angeklagten führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Teilaufhebung und -einstellung und zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
16
1. Soweit der Angeklagte wegen Untreue zum Nachteil der J. GmbH verurteilt wurde, ist die Verurteilung aufzuheben und das Verfahren gemäß § 260 Abs. 3 StPO einzustellen. Es besteht ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis, da der nach § 266 Abs. 2 StGB i.V.m. § 247 StGB für die Strafverfolgung erforderliche Strafantrag der Verletzten fehlt.
17
a) Nach den Feststellungen war allein die Ehefrau des Angeklagten Gesellschafterin der J. GmbH. Als Verletzte der Untreuetaten zum Nachteil der J. GmbH ist daher allein die Ehefrau des Angeklagten anzusehen (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 86). Dass sie den erforderlichen Strafantrag ge- stellt hat, ist weder festgestellt, noch anderweitig ersichtlich. Auch für eine Ausnahme von dem Strafantragserfordernis, die dann in Betracht kommt, wenn durch die Untreuehandlung eine konkrete Existenzgefährdung der Gesellschaft verursacht worden ist (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 79, 80), ergeben sich keine Anhaltspunkte.
18
b) Der Senat schließt aus, dass noch ein wirksamer Strafantrag gestellt werden könnte. Dies gilt um so mehr, als die Antragsfrist nach § 77b Abs. 1 StGB, deren Lauf mit Kenntniserlangung der Antragsberechtigten von Tat und Täter beginnt (§ 77b Abs. 2 StGB), mit hoher Wahrscheinlichkeit verstrichen ist. Diesbezügliche, sich angesichts der konkreten Situation aufdrängende Zweifel würden zu Gunsten des Angeklagten wirken (vgl. BGHSt 22, 90, 93).
19
c) Der Wegfall der Verurteilung wegen Untreue führt vorliegend nicht zur Aufhebung der diesbezüglichen Feststellungen (vgl. Schoreit in KK StPO 6. Aufl. § 260 Rdn. 46), da die zu den Untreuetaten getroffenen Feststellungen auch für die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung hinsichtlich der Abgabe unrichtiger Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2000 und 2001 von Bedeutung sind.
20
2. Wegen des Wegfalls der wegen Untreue verhängten Einzelstrafen kann der Gesamtstrafenausspruch keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
21
3. Im Übrigen bleiben die Verfahrensrügen und die Sachrüge aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen, die auch durch die Gegenerklärung des Angeklagten nicht entkräftet werden, ohne Erfolg.
22
Ergänzend dazu bemerkt der Senat lediglich Folgendes:
23
a) Soweit der Angeklagte rügt, dass die Berufsrichter und die Schöffen vom Wortlaut der im Selbstleseverfahren eingeführten Urkunden keine Kenntnis erlangt haben, deckt er keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Das Urteil könnte auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler auch nicht beruhen. Denn der Angeklagte hat die einzelnen Lieferungen, deren Daten durch die verlesenen Urkunden eingeführt wurden, nicht bestritten (UA S. 110). Ist aber der Inhalt eines ansonsten zuverlässigen Schriftstücks in der Hauptverhandlung nicht bestritten worden, kann das Urteil im Allgemeinen nicht darauf beruhen, dass das Schriftstück nicht verlesen wurde (vgl. Senat StV 2007 - 569, 570 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend etwas anderes gelten könnte, sind nicht gegeben.
24
b) Auch im Hinblick auf die Rüge, ein Beweisantrag, der am 19. Juni 2007 gestellt wurde, sei rechtsfehlerhaft abgelehnt worden, kann jedenfalls ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem behaupteten Rechtsfehler beruhen könnte.
25
Zutreffend weist die Revision zwar darauf hin, dass die Strafkammer in dem Ablehnungsbeschluss lediglich die zur Begründung des Beweisantrags angeführte Schlussfolgerung des Antragstellers als bereits erwiesen erachtete, nicht aber die eigentliche Beweisbehauptung. In der Sache erweisen sich aber die unter Beweis gestellten Tatsachen aus Sicht des Landgerichts als in tatsächlicher Hinsicht bedeutungslos. Denn im Hinblick auf das Beweisziel kam den Beweistatsachen keine Bedeutung zu. Die Strafkammer erachtete die Tatsachen , auf die nach Feststellung der unter Beweis gestellten (Indiz-)Tatsachen geschlossen werden sollte, bereits anderweitig als erwiesen an. Dies war angesichts der Begründung des Beschlusses für den Angeklagten und seine Verteidiger auch erkennbar. Ein Beruhen des Urteils auf der fehlerhaften Ablehnung kann deshalb ausgeschlossen werden.
26
c) Der Sachrüge ist der Erfolg auch unabhängig davon zu versagen, ob es sich bei den Zwischenhändlern um Unternehmer handelte und ob diese tatsächlich eine Lieferung an die J. GmbH i.S.v. § 3 UStG erbrachten. Denn nach den Feststellungen wusste der Angeklagte J. um seine Einbindung in eine auf Hinterziehung von Umsatzsteuer ausgerichtete Lieferkette. Nach der Rechtsprechung des Senats zu missbräuchlichen Umsatzgeschäften bei innergemeinschaftlichen Lieferungen im Sinne von § 6a UStG sind aber auf Grund des im Gemeinschaftsrecht verankerten Verbots missbräuchlicher Praktiken für alle Beteiligten eines oder mehrerer Umsatzgeschäfte, die auf die Hinterziehung von Steuern gerichtet sind, die Steuervorteile, die für die einzelnen Geschäfte grundsätzlich vorgesehen sind, zu versagen (BGH DStR 2009, 577 ff.). Dies gilt auch für rein inländische Umsatzgeschäfte (vgl. auch EuGH, Urt. vom 6. Juli 2006 - Rechtssache C-439/05 - Kittel Rdn. 56 f.).

III.

27
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
28
1. Sie beantragt zwar, „das Urteil im angefochtenen Umfang aufzuheben“. Aus dem Inhalt der Revisionsbegründung lässt sich indes entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin allein gegen den Gesamtstrafenausspruch, die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung und die Einzelstrafen, die für die zehn Fälle der Steuerhinterziehung verhängt wurden, wendet.
29
2. Die Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam. Eine isolierte Überprüfung der Strafzumessung ist möglich, ohne dass die den Schuldspruch tragenden Feststellungen hiervon berührt würden (vgl. BGH NJW 1996, 2663, 2664 m.w.N.). Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen bilden eine ausreichende Grundlage für die Nachprüfung der Strafzumessung (BGHSt 33, 59); sowohl das steuerrechtlich erhebliche Verhalten des Angeklagten als auch die Höhe der verkürzten Steuern hat das Landgericht dargelegt.
30
3. Einer Aufhebung und Einstellung des Verfahrens, soweit der Angeklagte in zwei Fällen wegen Untreue verurteilt wurde, auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft bedarf es nicht, da - unabhängig davon, dass dieses Rechtsmittel auch zu Gunsten des Angeklagten wirkt (§ 301 StPO) - das Urteil insoweit bereits auf die Revision des Angeklagten aufzuheben und das Verfahren einzustellen war (vgl. auch Senat, Urt. vom 11. März 2003 - 1 StR 507/02 m.w.N.).
31
4. Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin, dass das Landgericht der Strafzumessung einen zu geringen Schuldumfang zu Grunde gelegt hat.
32
a) Bei der Zumessung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung hat das in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB genannte Kriterium der „verschuldeten Auswirkungen der Tat“ im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung besonderes Gewicht. „Auswirkungen der Tat“ sind insbesondere die Folgen für das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut. Das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens jeder einzelnen Steuerart. Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BGH NJW 2009, 528, 531 m.w.N.).
33
Vorliegend wurde zur Ermöglichung der Hinterziehung der Steuern, die der ursprüngliche Halter der Gebrauchtfahrzeuge hätte entrichten müssen, eine Kette von Scheingeschäften gebildet, durch die weitere Steuern hinterzogen wurden. Die Sachverhaltsvarianten, die das Landgericht festgestellt hat, sind betrügerischen Karussellgeschäften vergleichbar, die auf die Erschleichung von ungerechtfertigten Steuervorteilen gerichtet sind. Hier wie dort gilt aber hinsichtlich der verschuldeten Auswirkungen der Tat folgendes:
34
Aufgrund der Ausgestaltung des Gesamtsystems besteht in Fällen solcher fingierter Ketten- oder Karussellgeschäfte typischerweise die Situation, dass für einzelne Glieder der Kette die umsatzsteuerlichen Auswirkungen neutral erscheinen können. Werden nämlich von einzelnen Kettengliedern sämtliche Umsatzsteuern bezahlt und stehen den von diesem Kettenglied gezogenen Vorsteuern vom Scheinrechnungsaussteller gezahlte Umsatzsteuern gegenüber , dann scheint die umsatzsteuerliche Bilanz an sich ausgeglichen. Nach den Feststellungen bestand eine ebensolche Situation bei der J. GmbH. Diese machte zwar zu Unrecht die in den Rechnungen der Zwischenhändler ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Die Zwischenhändler führten aber die Umsatzsteuer, die in den Rechnungen ausgewiesen waren, die der J. GmbH ausgestellt wurden, an das jeweils zuständige Finanzamt ab.
35
Dieser Umstand berührt aber den Schuldspruch nicht. Denn ein Vorsteuerabzug scheidet aus, da den Rechnungen der Zwischenhändler keine tatsächlich durchgeführten Lieferungen zu Grunde lagen. Nur wenn solche tatsächlich gegeben gewesen wären, wäre der Rechnungsadressat zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen (BGH NJW 2002, 1963, 1965).
36
Der Umstand, dass die umsatzsteuerliche Bilanz der J. GmbH auf Grund der Entrichtung der Umsatzsteuer durch die Zwischenhändler als neutral erscheint, hätte aber Auswirkungen auf die Bestimmung des Schuldumfangs.
37
b) Eine solche auf das einzelne Scheinrechnungsverhältnis beschränkte Betrachtung würde dem Gesamtunrechtsgehalt des Hinterziehungssystems aber nicht gerecht. Dieser wird nämlich nicht durch das einzelne Rechnungsverhältnis geprägt, sondern durch das System als Ganzes. Es ist anerkannt, dass jedenfalls, soweit - wie hier - den einzelnen Beteiligten die Struktur und die Funktionsweise des Gesamtsystems bekannt sind, dies auch bei der Feststellung der für die Strafzumessung bestimmenden verschuldeten Auswirkungen der Tat Gewicht erlangen kann. Maßgeblich ist deshalb der vom Vorsatz umfasste , aus dem Gesamtsystem erwachsene deliktische Schaden, der in dem Überschuss von gezogener Vorsteuer im Vergleich zu gezahlter Umsatzsteuer besteht (BGH NJW 2002, 3036, 3039).
38
Es ist daher rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht allein die Umsatzsteuer , die durch die ursprünglichen Halter hinterzogen wurde, der Strafzumessung zu Grunde gelegt hat. Denn hierdurch wird der aus dem Gesamthinterziehungssystem erwachsene Schaden nicht vollständig erfasst.

39
aa) Die Feststellungen der Strafkammer sind bereits deshalb bedenklich, weil sie nicht zweifelsfrei feststellen konnte, welche Höhe der nicht versteuerte Kaufpreis hatte, der an die ursprünglichen Halter gezahlt wurde (UA S. 110, 112, 116). Die Strafkammer stellt allein fest, dass der Nettobetrag, der in den Rechnungen der Erstankäufer aufgeführt wurde, über dem Kaufpreis lag, der tatsächlich an den letzten Halter des Fahrzeuges gezahlt worden war (UA S. 16, 110). Im Ergebnis beschwert dies den Angeklagten aber nicht, da aufgrund der Feststellungen zu seinen Lasten anderweitig hinterzogene Steuern in den Blick zu nehmen sind, die der Höhe nach zweifelsfrei feststehen und den Betrag, den die Strafkammer der Strafzumessung zu Grunde gelegt hat, übersteigen.
40
bb) Denn jedenfalls die von den als formelle Erstankäufer eingesetzten Scheinfirmen in den Rechnungen an die Zwischenhändler ausgewiesene Umsatzsteuer , die sich nach den Feststellungen auf circa 570.000,-- Euro belief, wurde hinterzogen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
41
(1) Die als Erstankäufer eingesetzten Scheinfirmen gaben keine Umsatzsteuervoranmeldungen oder -jahreserklärungen ab und führten die in den Scheinrechnungen an die Zwischenhändler ausgewiesene Umsatzsteuer entgegen § 14 Abs. 3 UStG aF (bzw. § 14c Abs. 2 UStG nF) auch nicht ab. Daher haben die Erstankäufer den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verwirklicht. Bei der Ausstellung einer Scheinrechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer ist eine Gefährdung des Steueraufkommens jedenfalls dann gegeben , wenn diese Rechnung zum Vorsteuerabzug benutzt werden kann und der Rechnungsaussteller die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt hat (BGH NStZ 2001, 380, 381).

42
(2) Die von den Scheinfirmen ausgestellten Rechnungen wurden zudem von den Zwischenhändlern dafür genutzt, unberechtigt Vorsteuern geltend zu machen. Die Steuergefährdung, der der Gesetzgeber mit Schaffung des § 14 Abs. 3 UStG aF (§ 14c UStG nF) entgegenwirken wollte (vgl. BGH NJW 2002, 3036, 3037), ist in einen Schaden umgeschlagen. Die Umsatzsteuer, die die Zwischenhändler aus den Rechnungen abzuführen hatten, die der J. GmbH ausgestellt worden waren, wurde hierbei verkürzt. Bezieht man auch die an anderer Stelle hinterzogene Umsatzsteuer in die gebotene Gesamtbetrachtung mit ein, erweist sich die umsatzsteuerrechtliche Bilanz der J. GmbH nicht mehr als neutral.
43
(3) Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung des Landgerichts, dass nach § 14 Abs. 3 UStG aF (resp. § 14c Abs. 2 UStG nF) geschuldete Steuern für die Strafzumessung irrelevant seien, da sie bei steuerehrlichem Verhalten nicht an den Fiskus abzuführen gewesen wären, rechtlich nicht zutreffend. Diese Sichtweise vernachlässigt, dass durch die Rechnungen, in denen Umsatzsteuer ausgewiesen wird, dem Rechnungsempfänger eine weitere Möglichkeit der Steuerhinterziehung eröffnet wird. Wenn sich die mit der Scheinrechnung verbundene Gefahr dann aber - wie hier - realisiert, hat diese verschuldete Auswirkung der Tat für die Strafzumessung Bedeutung. Es ist zu berücksichtigen , dass die Verkürzung, die aus den unrichtigen Erklärungen des Zwischenhändlers resultiert, den schon durch das Unterlassen der Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. -jahreserklärung durch den Erstankäufer verursachten Steuerschaden fortsetzt und allenfalls vergrößert. Damit ist das Steueraufkommen zwar nicht in der Summe der beiden Hinterziehungen, aber im Umfang des jeweils höheren Hinterziehungsbetrages gefährdet (BGH NStZ 2003, 268).
44
c) Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil auch zu Gunsten des Angeklagten. Angesichts der Tatsache, dass sowohl der Schaden der einzelnen Hinterziehungstaten als auch der Gesamtschaden weitaus höher ist, als von der Strafkammer angenommen, kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Zugrundelegung des zutreffenden Schadensumfangs sowohl auf höhere Einzel- als auch eine höhere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
45
Da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, können die vom Landgericht getroffenen Feststellungen aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter darf aber ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
46
5. Da bereits der aufgezeigte Rechtsfehler zur Aufhebung des Strafausspruchs führt, bedarf es keines Eingehens auf die weiteren Beanstandungen, die die Beschwerdeführerin gegen den Rechtsfolgenausspruch erhebt. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
47
a) Nach § 153a Abs. 2 oder § 154 Abs. 2 StPO eingestellte Taten bzw. Tatteile, von deren Ahndung nach § 154a StPO abgesehen wurde, dürfen lediglich dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn sie prozessordnungsgemäß festgestellt wurden und der Angeklagte darauf hingewiesen wurde (vgl. die Nachweise bei Fischer StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 46 f.).
48
b) Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben zu prüfen, ob die Taten einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung darstellen. Dies bestimmt sich vorliegend, soweit in diesem Zusammenhang auf die Höhe der hinterzogenen Steuern abgestellt wird, nach § 370 Abs. 3 AO aF. Insoweit müssten Steuern in „großem Ausmaß“ aus „groben Eigennutz“ hinterzogen worden sein.

49
c) Soweit die Höhe der Umsatzsteuer, die seitens der ursprünglichen Halter hinterzogen wurde, beziffert werden kann, ist dieser Hinterziehungsbetrag ebenfalls zu Ungunsten des Angeklagten als verschuldete Auswirkung der Tat mit in die Strafzumessung einzuziehen. Denn gerade auch, um dem ursprünglichen Halter diese eigenständige Hinterziehung zu ermöglichen, wurde das Gesamtsystem unter Mitwirkung des Angeklagten installiert. Der Umstand, dass insoweit für sich genommen eine eigenständige Beihilfe zur Steuerhinterziehung der ursprünglichen Halter gegeben ist, die als solche nicht angeklagt wurde, steht dem nicht entgegen (vgl. BGH NStZ 2003, 268). Wie dargelegt kann insoweit allerdings zur Ermittlung des Schwarzgeldanteils, auf dessen Grundlage die hinterzogene Umsatzsteuer zu berechnen wäre, nicht die Differenz zwischen dem Nettobetrag der Rechnungen, die die Erstankäufer den Zwischenhändlern ausstellten und dem Nettobetrag der Rechnungen der Halter an die Erstankäufer herangezogen werden. Soweit der Schwarzgeldanteil am Kaufpreis nicht anderweitig festgestellt werden kann, wäre insoweit der Schwarzgeldanteil für die einzelnen Geschäfte zu schätzen.
50
d) Für den Fall, dass die neu zu bemessende Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigen sollte, wäre auch § 56 Abs. 3 StGB in den Blick zu nehmen.
51
Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass bei Steuerhinterziehungen beträchtlichen Umfangs auch von Gewicht ist, die Rechtstreue der Bevölkerung, auch auf dem Gebiet des Steuerrechts zu erhalten. Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe kann sich daher zur Verteidigung der Rechtsordnung als notwendig erweisen, wenn die Tat Ausdruck einer verbreiteten Einstellung ist, die eine durch einen erheblichen Unrechtsgehalt ge- kennzeichnete Norm nicht ernst nimmt und von vornherein auf die Strafaussetzung vertraut (BGH NStZ 1985, 459; GA 1979, 59; Urt. vom 28. September 1983 - 3 StR 280/83). Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung ist insbesondere dann geboten, wenn eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalls für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte (vgl. BGHSt 24, 40, 46; BGHR StGB § 56 Abs. 3 - Verteidigung 15; BGH wistra 2000, 96, 97).
52
Besondere Umstände, die die Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe gebieten könnten, liegen nach den bisherigen Feststellungen hier vor. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass durch Umsatzsteuerhinterziehungen große Steuerausfälle verursacht werden (vgl. die Nachweise bei Muhler wistra 2009, 1). Zudem hat sich der Angeklagte an einem komplexen und aufwändigen Täuschungssystem beteiligt, das die systematische Verschleierung von Sachverhalten über einen längeren Zeitraum bezweckte (vgl. BGH NJW 2009, 533). Eine solche Vorgehensweise weist Merkmale einer organisierten Kriminalität (vgl. § 110a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StPO) auf. Andererseits liegen die Taten bereits einige Zeit zurück. Erforderlich ist eine dem Einzelfall gerecht werdende Abwägung, bei der Tat und Täter umfassend zu würdigen sind (BGHSt 24, 40, 46; BGHR StGB § 56 Abs. 3 - Verteidigung 5, 6 und 16; NStZ-RR 1998, 7, 8).
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 88/17
vom
13. September 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Beihilfe zum Betrug u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:130917B4STR88.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 13. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 20. April 2016 werden verworfen. Jedoch wird der Tenor des vorbezeichneten Urteils dahin berichtigt, dass die Angeklagten der Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke und strafbaren Kennzeichenverletzung schuldig sind. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten „Verwendung“ urheberrechtlich geschützter Werke und strafbaren Kennzeichenverletzung schuldig gesprochen. Die Angeklagte C. hat es zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und den Angeklagten M. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts vertrieben die Angeklagten in der Zeit vom 6. November 2012 bis zum 8. April 2014 unter Führung des früheren Mitangeklagten Ca. in arbeitsteiligem Zusammenwirken gefälschte Software-Komponenten als Originalprodukte der Firma Microsoft (sog. Original Equipment Manufacturer-Software [OEM-Software]) für WindowsAnwendungen über einen geschäftsmäßig betriebenen Online-Handel unter verschiedenen Firmennamen. Ca. erhielt die gefälschte Software zum einen auf DVDs aus der Ukraine, zum anderen bezog er nur die Produktschlüssel (sog. Produkt-Keys) für entsprechende Software-Bestandteile aus China, wo sie zuvor aus einem Werk des Unternehmens Microsoft auf nicht näher festgestellte Weise entwendet worden waren. Indem er diese unter Mitwirkung der Angeklagten über seinen Online-Handel bewarb und vertrieb, machte er sich die urheberrechtliche Rechtslage zunutze, wonach OEM-Software nicht nur mit einem zugehörigen Hardware-System an die jeweiligen PC-Hersteller, sondern im Wege der sog. Zweitverwertung als gebrauchte Originalsoftware auch unabhängig von Hardware-Komponenten – zu deutlich geringeren Preisen – direkt an PC-Nutzer veräußert werden kann. Die optische Gestaltung der von Ca. mit Hilfe der beiden Angeklagten beworbenen Produkte vermittelte daher entsprechend dem zuvor gefassten Tatentschluss den für die Kaufentscheidung maßgeblichen Eindruck, es handele sich um Originalsoftware mit gängigen Produktbezeichnungen und Kennzeichen der Firma Microsoft. Tatsächlich handelte es sich jedoch um Fälschungen bzw. Plagiate, mit deren Einziehung auf Betreiben der Firma Microsoft die Erwerber, die jeweils einen Kaufpreis von mindestens 19,90 € im Voraus zahlten, jederzeit rechnen mussten. Teilweise erfolgte nach Leistung der Vorkasse auch gar keine Lieferung, was ebenfalls vom Tatplan umfasst war. Beide Angeklagten nahmen als Vertraute des frühe- ren Mitangeklagten Ca. bei der Tatausführung Leitungsfunktionen wahr. Die Angeklagte C. organisierte, ausgestattet mit einer Generalvollmacht, die kaufmännischen Abläufe, der Angeklagte M. war u.a. Ansprechpartner für alle technischen Angelegenheiten.
3
2. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass im Tatzeitraum in insgesamt 132.512 Fällen gefälschte Software – DVDs und Produkt-Keys – an unterschiedliche Kunden veräußert wurde. Es hat die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf 26 Kunden bzw. Verkaufsfälle beschränkt, die ausgeschiedenen Verkaufsfälle, bei denen es jeweils von einem Mindestschaden von 19,90 € ausgegangen ist, aber jeweils straferschwerend berücksichtigt.

II.


4
1. Die Verfahrensrügen versagen.
5
Insoweit bemerkt der Senat in Ergänzung zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen Antragsschriften vom 13. März 2017:
6
a) Die von beiden Angeklagten gegen die Berufsrichter der Strafkammer gerichtete erhobene Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 3 StPO durch Zurückweisung des Befangenheitsantrags im Zusammenhang mit der unterbliebenen Information der Verfahrensbeteiligten darüber, dass der frühere Mitangeklagte und Haupttäter Ca. von seiner ursprünglichen, geständigenEinlassung abgerückt war, ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Der Darlegung von Einzelheiten zum Zustandekommen der Verständigung mit dem früheren Mitangeklagten Ca. in der Revisionsrechtfertigung bedurfte es insoweit nicht. Unter Berücksichtigung der Zielrichtung der Rüge ist für die revisionsgerichtliche Prüfung allein der Umstand von Belang, dass sich Ca. durch Schreiben seines Verteidigers an die Strafkammer von seiner zunächst geständigen Einlassung noch während des Laufs der Hauptverhandlung gegen die Angeklagten distanziert hatte.
7
Die Rüge hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Mit Blick auf die dienstlichen Stellungnahmen der Mitglieder der Strafkammer, wonach über eine Einführung des Verteidigerschreibens des früheren Mitangeklagten Ca. in die Hauptverhandlung beraten, eine solche also ernsthaft in Betracht gezogen wurde , bestand aus Sicht eines vernünftigen Angeklagten kein Anlass, an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richter zu zweifeln. Anhaltspunkte dafür, dass den Angeklagten das betreffende Schreiben willkürlich verschwiegen wurde , tragen die Beschwerdeführer selbst nicht vor.
8
b) Die auf die Verletzung der §§ 261, 250 und § 249 Abs. 2 StPO gestützte Rüge des Angeklagten M. , wonach diesem eine Liste mit den für das Selbstleseverfahren bestimmten Urkunden nicht ausgehändigt worden sei, genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
9
Auf etwaige Fehler bei der Durchführung des Selbstleseverfahrens kann – wieauch auf solche bei dessen Anordnung – eine Verfahrensrüge nur dann gestützt werden, wenn zuvor ein Gerichtsbeschluss herbeigeführt wurde. Geht es, wie hier, um die vom Vorsitzenden zu bestimmende Art der Durchführung des Verfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO, ist eine solche Entscheidung des erkennenden Gerichts gemäß § 238 Abs. 2 StPO herbeizuführen (BGH, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 – 1 StR 422/10, StV 2011, 458; vom 9. November 2017 – 1 StR 554/16). Dazu, dass aus diesem Grund ein Widerspruch erfolgte bzw. ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt wurde, fehlt der erforderliche Revisionsvortrag. Dass keine Gelegenheit zur Kenntnisnahme der betreffenden Urkunden bestand, ergibt der Revisionsvortrag im Übrigen nicht.
10
2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der von der Angeklagten C. näher ausgeführten und vom Angeklagten M. allgemein erhobenen Rüge der Verletzung sachlichen Rechts hat jedenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
11
a) Der Schuldspruch ist im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
12
aa) Das Landgericht hat insbesondere die Anforderungen an die beweisrechtliche Grundlage der Feststellung eines täuschungsbedingten Irrtums der Haupttat des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB), zu der die Angeklagten Beihilfe geleistet haben, nicht verkannt.
13
(1) In den Urteilsgründen ist grundsätzlich festzustellen und darzulegen, welche irrigen Vorstellungen die Person hatte, die die für eine Betrugsstrafbarkeit maßgebliche Verfügung trifft. Zwar ist es danach, insbesondere in komplex gelagerten Fällen, regelmäßig erforderlich, die irrende Person zu ermitteln und in der Hauptverhandlung über ihr tatrelevantes Vorstellungsbild zu vernehmen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 – 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1199 f.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt dies jedoch vor allem im Bereich gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte, die von selbstverständlichen Erwartungen geprägt sind, nicht ausnahmslos. Liegen dem Tatvorwurf – wie im vorliegenden Fall – zahlreiche Einzelfälle zu Grunde, kann die Vernehmung weniger Zeugen ausreichen; wenn deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums (in den sie betreffenden Fällen) belegen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden (vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133 mwN).
14
(2) Gemessen daran beruht die auf die Vernehmung von drei Zeugen gestützte Überzeugung des Landgerichts von einem täuschungsbedingten Irrtum sämtlicher Kunden, die Computersoftware von dem gesondert verfolgten Haupttäter Ca. erwarben, auf einer noch tragfähigen Beweisgrundlage. Dem Gesamtzusammenhang der in den Urteilsgründen wiedergegebenen Aussage des Zeugen V. , den die Strafkammer – „exemplarisch für andere“ – als Kunden vernommen hat, ist zu entnehmen, dass dieser – irrtümlich – davon ausging, Originalsoftware zu erwerben. Dabei hat es das Landgericht indes nicht belassen. Ergänzend wird die Aussage eines weiteren Kunden, des Zeugen K. , herangezogen, der die Software nach dem Kauf auf Echtheit überprüfen ließ, da er (nachträglich) befürchtete, er habe eine Fälschung erworben. Dass durch die Beschaffenheit der Software die Eigenschaft eines Originalprodukts vorgetäuscht werden sollte, konnte die Strafkammer ferner auf die Angaben des Zollbeamten H. stützen, der einen zielgerichteten Testkauf über den von den Angeklagten zusammen mit dem gesondert verfolgten Ca. betriebenen Online-Handel tätigte. Die vernommenen Zeugen gehörten zwar sämtlich nicht zu den 26 Kunden, auf die der Gegenstand der Urteilsfindung beschränkt worden ist; aus Rechtsgründen mindert dies aber nicht deren Bedeutung für die Beweiswürdigung insgesamt. Auch unter Berücksichtigung der Vielzahl der Verkaufsfälle hat das Landgericht dem aus § 261 StPO folgenden Erfordernis, sich eine objektive Grundlage für seine Überzeugungsbildung zu verschaffen und diese im Urteil darzulegen, noch hinreichend genügt.
15
bb) Auch hinsichtlich der vom Landgericht angenommenen (tateinheitlichen ) Beihilfe zur unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke (§ 106 Abs. 1 UrhG) hält der Schuldspruch im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
16
(1) Der Schuldspruch wegen unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke im Sinne des § 106 Abs. 1 UrhG wird jedenfalls in der Tatmodalität des Verbreitens schon allein von den Feststellungen zu den an die Kunden veräußerten gefälschten DVDs getragen.
17
(2) Da der Schuldspruch wegen unerlaubter Verwertung danach schon mit Blick auf die veräußerten DVDs keinen durchgreifenden Bedenken begegnet , kann der Senat offen lassen, ob der Tatbestand der unerlaubten Verwertung im Sinne des § 106 Abs. 1 UrhG in den Tatvarianten des Verbreitens bzw. des Vervielfältigens durch den Haupttäter Ca. auch in den Fällenerfüllt ist, in denen den – getäuschten – Kunden lediglich ein Produktschlüssel übersandt wurde, der es diesen ermöglichte, die betreffende Software aus dem Internet herunterzuladen, ohne dass ein anschließender Download festgestellt worden ist. Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift der Kunde bei einer derartigen Fallgestaltung regelmäßig erst durch den Download in das Vervielfältigungsrecht des Rechteinhabers ein (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. März 2015 – I ZR 4/14, NJW 2015, 3576, 3578). Ob schon die – hier festgestellte – bloße Gestattung der Vervielfältigung durch Überlassen des Produktschlüssels für sich genommen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 106 Abs. 1 UrhG erfüllt, ist danach zweifelhaft.
18
cc) Gegen die Annahme des Landgerichts, auch die Voraussetzungen einer strafbaren Kennzeichenverletzung im Sinne von § 143 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG seien erfüllt, ist aus Rechtsgründen ebenfalls nichts zu erinnern. Dass die Strafkammer insoweit lediglich auf den „Vertrieb von Fäl- schungen“ und damit auf die veräußerten DVDs abstellt, nicht aber auf das In- verkehrbringen der Produktschlüssel als markenrechtlichen Verstoß im Sinne der §§ 14 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 und Nr. 3, Abs. 5 und 6, 19 Abs. 1 und 3 MarkenG (vgl. dazu OLG München, GRUR-RR 2017, 136, 137), beschwert die Angeklagten nicht.
19
b) Die sachlich-rechtliche Nachprüfung der Strafaussprüche ergibt ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten.
20
aa) Da das Landgericht sämtliche Veräußerungsfälle rechtsfehlerfrei unter dem Gesichtspunkt des Betruges und der strafbaren Kennzeichenverletzung gewürdigt hat und die weit überwiegende Zahl dieser Fälle (Veräußerung der DVDs) die rechtliche Bewertung der Haupttat als unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke tragen, kann der Senat ausschließen, dass die Strafkammer unter Berücksichtigung des hinsichtlich der Fälle des Verkaufs von Produktschlüsseln möglicherweise geringeren Schuldumfangs gegen die Angeklagten als Gehilfen des gesondert verfolgten Haupttäters Ca. niedrigere Strafen verhängt hätte.
21
bb) Dass das Landgericht bei der Zumessung der Strafen maßgeblich auf einen „hohen Gesamtschaden“ abgestellt hat, begegnet auch unter Berück- sichtigung der vorgenommenen Verfahrensbeschränkung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar kann im Fall eines hohen Gesamtschadens, der sich aus einer sehr großen Zahl von Kleinschäden zusammensetzt, die Möglichkeit einer Beschränkung des Verfahrensstoffs nach §§ 154, 154a StPO mit Blick auf die rechtsfehlerfreie Erfassung des Schuldumfangs beschränkt sein, wenn keine Taten mit höheren Einzelschäden vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 1 StR 263/12, NJW 2013, 1545, 1546). Eine nähere Bestimmung der Grenzen, die dem Tatrichter bei einer derartigen „quantitativen Verfahrensreduktion“ gesetzt sind, braucht der Senat aus Anlass des vorliegenden Falles indes nicht vorzunehmen. Die Erwägung zum Nachteil der Angeklagten, es sei ein hoher Gesamtschaden entstanden, wird jedenfalls in einer Gesamtschau des Schadensumfangs in den ausgeurteilten und den gemäß § 154a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Fällen von den Feststellungen getragen. Schon bei den Fällen, die Gegenstand der Verurteilung sind, hat die Strafkammer zwei für sich genommen hohe Einzel-Schadensbeträge in Höhe von jeweils über 4.000 € festgestellt; auch der Gesamtschaden in Höhe von über 10.000 € ist nicht unerheblich. Die Strafzumessungserwägungen belegen in ihrem Gesamtzusammenhang, dass dem Landgericht das Gewicht und der jeweilige Schuldumfang des ausgeschiedenen und des ausgeurteilten Verfahrensstoffs nicht aus dem Blick geraten ist; ein Wertungsfehler ist daher auch insoweit nicht zu besorgen.
22
cc) Auch die strafschärfende Berücksichtigung der gemäß § 154a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Verkaufsfälle hält rechtlicher Nachprüfung stand.
23
(1) Die Berücksichtigung von nach §§ 154, 154a StPO eingestellten bzw. ausgeschiedenen Taten ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zulässig, wenn diese prozessordnungsgemäß so bestimmt festgestellt sind, dass sie ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt nach bewertet werden können und eine Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten ausgeschlossen werden kann (BGH, Beschlüsse vom 20. August 2014 – 3 StR 315/14, StV 2015, 552; vom 18. März 2015 – 2 StR 54/15, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 33; vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. November 2013 – 4 StR 448/13, NJW 2014, 645 f.). Diesen Anforderungen genügt das ange- fochtene Urteil.
24
(2) Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei die hinreichende Überzeugung auch von den nach § 154a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Verkaufsfällen verschafft und diese in den Urteilsgründen hinreichend dargelegt. Der ausgeschiedene Verfahrensstoff war ausweislich der Urteilsgründe Gegenstand der Hauptverhandlung, die Verteidigungsmöglichkeiten der Angeklagten mithin gewahrt. Die Zahl der betreffenden Einzelfälle ist dabei ebenso festgestellt wie der Tatzeitraum, die jeweils genutzten Online-Firmen sowie die Zahl der getäuschten Kunden.
25
Entsprechendes gilt für die Feststellung der Schadenshöhe. In Fällen einer Tatserie ist es, insbesondere bei Vermögensdelikten, zur Bestimmung des Schuldumfangs zulässig, unter Beachtung des Zweifelssatzes eine Schätzung vorzunehmen (BGH, Urteile vom 6. Dezember 1994 – 5 StR 305/94, BGHSt 40, 374, 377; vom 11. August 2010 – 1 StR 199/10). Durch die Annahme des Landgerichts, jedem Erwerber sei hier ein Mindestschaden von 19,90 € entstanden , werden die Angeklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beschwert. Auch das Verteidigungsinteresse der Angeklagten wurde gewahrt. Die gemäß § 154a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Fälle waren Gegenstand der Beweisaufnahme; auf die strafschärfende Berücksichtigung dieses Teils des Verfahrensstoffs wurden die Angeklagten von der Strafkammer hingewiesen.
26
dd) Die Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO wirkt sich auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft auf die verhängten Strafen aus, weil das Landgericht in den gemäß § 154a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Verkaufsfällen jeweils von einem Mindestschaden von 19,90 € ausgegangen ist, es insoweit aber an den gemäß § 248a StGB erforderlichen Verfahrensvoraussetzungen fehlen würde. Zum einen handelt es sich bei dem vom Landgericht herangezogenen Betrag von 19,90 € für jeden einzelnen Verkaufsfall um eine Mindestannahme ; aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich, dass die Geringfügigkeitsgrenze in einer erheblichen Zahl der Fälle überschritten wurde. Zum anderen können Taten, deren Verfolgung ein Verfahrenshindernis entgegensteht, straferschwerend berücksichtigt werden, wenn auch mit geringerem Gewicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Februar 2001 – 4 StR 421/00, NJW 2001, 1874, 1876; Beschluss vom 23. August 2016 – 2 StR 124/16, JurionRS 2016, 26140).

III.


27
Die Berichtigung der Urteilsformel war geboten, weil dem Landgericht ein offensichtliches Fassungsversehen unterlaufen ist.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 270/16
vom
7. Juli 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:070716B5STR270.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juli 2016 beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten K. und W. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Oktober 2015, soweit es diese Angeklagten betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.
Auf die Revision des Angeklagten Ö. wird das vorgenannte Urteil hinsichtlich dieses Angeklagten nach § 349 Abs. 4 StPO im Verfallsausspruch aufgehoben, soweit der erweiterte Wert- ersatzverfall in einer den Betrag von 13.790 € übersteigenden Höhe angeordnet ist. Es wird klargestellt, dass gegen den Angeklagten Ö. der erweiterte Verfall von Wertersatz in Höhe von 13.790 € als Gesamtschuldner mit den Angeklagten W. und K. angeordnet ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten Ö. wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie den erweiterten Wertersatzverfall in Höhe von insgesamt 253.490 € angeordnet. Mit den hier- gegen gerichteten Revisionen rügen die Angeklagten allgemein die Verletzung sachlichen Rechts, die Angeklagten K. und W. beanstanden darüber hinaus das Verfahren. Während die Revisionen der zuletzt genannten Angeklagten umfassend durchdringen, führt die Revision des Angeklagten Ö. zu einer Teilaufhebung der Verfallsentscheidung.
2
1. Die auf die Sachrügen veranlasste umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat allerdings zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Namentlich ist gegen die sorgfältige Beweiswürdigung in Bezug auf sämtliche Angeklagten rechtlich nichts zu erinnern.
3
2. Jedoch kann den im Wesentlichen gleichlautenden Verfahrensrügen der Angeklagten K. und W. , mit denen eine Verletzung des § 265 StPO in Verbindung mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) beanstandet wird, der Erfolg nicht versagt bleiben.
4
a) Ihnen liegt folgendes Geschehen zugrunde:
5
Mit der durch das Landgericht unverändert zugelassenen Anklage waren den Angeklagten zwei Taten des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgeworfen worden, weil ihnen durch den Nichtrevidenten S. nach demselben Muster am 8. und 14. Januar 2015 jeweils rund 20 kg Cannabis zum Zweck gewinnbringenden Verkaufs geliefert worden seien. Zu den Vorgängen ist durch das Landgericht umfänglich Beweis erhoben worden. Im Verlauf der Hauptverhandlung verlautbarte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Zweifel, ob der Tatnachweis für den 8. Januar 2015 geführt werden könne. Am zehnten von insgesamt elf Verhandlungstagen hat der Vorsitzende einen rechtlichen Hinweis erteilt, dass Tat 1 (vom 8. Januar 2015) und Tat 2 (vom 14. Januar 2015) entgegen Anklage und Eröffnungsbeschluss eine Handlungseinheit bilden könnten, weil in der „Bun- kerwohnung“ der Angeklagten eine Drogenmenge gefunden worden sei, die mit rund 35 kg weit über die am 14. Januar 2015 gelieferten rund 20 kg hinausgehe. Ferner ist ein Vermerk des Vorsitzenden verlesen worden, nach dem nicht ausgeschlossen werden könne, dass die überschießende Drogenmenge bereits am 8. Januar 2015 geliefert worden sei oder auch durch Unbekannte; eine vorläufige Verfahrenseinstellung „nach §§ 154, 154a StPO“ werde angeregt. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft folgend hat das Landgericht danach beschlossen , das Verfahren in Bezug auf Tat 1 vorläufig einzustellen bzw. den Verfahrensstoff insoweit zu beschränken.
6
Am darauf folgenden (letzten) Verhandlungstag verlasen die Verteidiger schriftliche Einlassungen der Angeklagten, die sich ausdrücklich nur zu den Vorgängen am 14. Januar 2015 verhielten. Danach hat der Vorsitzende rechtliche Hinweise gegeben, dass hinsichtlich des Angeklagten W. „auch 2 Taten in Betracht kommen können in Form des Handeltreibens (Haschisch 2 Kilogramm) sowie Beihilfe zum Handeltreiben in Tateinheit mit Besitz“ und dass hinsichtlich des Angeklagten K. auch Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Betracht komme. Ein förmlicher Hinweis, dass Tat 1 bei der Beweiswürdigung und der Strafzumessung verwertet werden könne, ist nicht erteilt worden. Im Urteil hat das Landgericht die Drogenlieferung vom 8. Januar 2015 ordnungsgemäß festgestellt und diese Tat im Rahmen der Beweiswürdigung namentlich für die Annahme bandenmäßigen Handelns der Angeklagten sowie bei der Strafzumessung herangezogen.
7
b) Bei dieser Sachlage kann das Urteil bezüglich dieser Beschwerdeführer keinen Bestand haben.
8
aa) Es ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass durch vorläufige gerichtliche Verfahrenseinstellung ausgeschiedene Taten selbst im Fall prozessordnungsgemäßer Feststellung auch bei der Beweiswürdigung nur dann zu Lasten des Angeklagten verwertet werden dürfen, wenn dieser zuvor auf die Möglichkeit einer solchen Verwertung hingewiesen worden ist (vgl. BGH, Urteile vom 16. März 1983 – 2 StR 826/82, BGHSt 31, 302, 303; vom 3. April 1996 – 2 StR 590/95, BGHR StPO § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 2; vom 20. März 2001 – 1 StR 543/00, BGHR StPO § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 4). Die Verfahrenseinstellung begründet nämlich regelmäßig einen Vertrauenstatbestand , weswegen eine faire Verfahrensgestaltung sowie die Gewährleistung rechtlichen Gehörs es gebieten, einen Hinweis zu erteilen, wenn das Tatgericht den Verfahrensstoff doch zum Nachteil des Angeklagten zu berücksichtigen gedenkt (vgl. BGH, aaO). An einem solchen Hinweis fehlt es hier.
9
bb) Allerdings weist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hin, dass der vorgenannte Grundsatz dann nicht gilt, wenn nach Lage des Falls durch die vorläufige Teileinstellung des Verfahrens ein Vertrauenstatbestand von vornherein nicht entstanden sein kann (vgl. BGH, Urteile vom 3. April 1996 – 2 StR 590/95, aaO; vom 20. März 2001 – 1 StR 543/00, aaO). Für einen sol- chen Ausnahmefall könnte hier sprechen, dass die zu beiden Taten parallel laufende, im Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung bereits im Wesentlichen abgeschlossenen Beweisaufnahme ausweislich der Urteilsurkunde gewichtige Anhaltspunkte für einen bandenmäßigen Drogenhandel großen Umfangs und eine Übergabe von Drogen an die Angeklagten im zweistelligen Kilogrammbereich (auch) am 8. Januar 2015 ergeben hatte. Ferner erfolgte die Teileinstel- lung ausweislich des am 10. Verhandlungstag erteilten rechtlichen Hinweises maßgebend deshalb, weil die Strafkammer Bedenken hatte, ob die Taten nicht entgegen Anklage und Eröffnungsbeschluss eine Bewertungseinheit bildeten.
10
Andererseits wurden sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch im verlesenen Vermerk des Vorsitzenden Beweiszweifel angesprochen. Hinzu kommen die am letzten Verhandlungstag gegebenen Hinweise an die beiden Angeklagten , die den Vorwurf bandenmäßigen Handelns nicht enthielten, sowie der Umstand, dass sich die Angeklagten nur zur Tat vom 14. Januar 2015 einließen. Dies deutet darauf hin, dass diese – nach dem dargestellten Verlauf nicht unberechtigt und für die Strafkammer erkennbar – darauf vertrauten, das Landgericht werde die Vorgänge zu Tat 1 bei der Urteilsfindung unberücksichtigt lassen. Unter solchen Vorzeichen hätte die Strafkammer einen Hinweis erteilen müssen. Anhaltspunkte dafür, dass die beabsichtigte Verwertung der Beweisergebnisse mit der Folge des Nichtentstehens eines Vertrauenstatbestandes in anderer Form zum Ausdruck gebracht worden ist, lassen sich der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft nicht entnehmen. Der Vorsitzende hat sich nicht dienstlich geäußert.
11
cc) Im Blick darauf, dass der Vorwurf bandenmäßigen Handeltreibens tragend auch auf die Vorgänge vom 8. Januar 2015 gestützt ist, kann ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO) nicht ausgeschlossen werden. Die Sache bedarf deshalb bezüglich der Angeklagten K. und W. insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
12
3. Gegen den Verfallsausspruch hinsichtlich des Angeklagten Ö. bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.
13
a) Der Senat versteht den Verfallsausspruch des angefochtenen Urteils dahin, dass er sich – gesamtschuldnerisch (vgl. Weber, BtMG, 4. Aufl., § 33 Rn. 72 mwN) – in Höhe der bei dem Nichtrevidenten S. sichergestellten 239.700 € (nur) gegen die Angeklagten K. , Ö. und W. richtet. Das ist im Grundsatz frei von Rechtsfehlern, weil der Nichtrevident S. die Gelder, mit deren Einziehung er sich einverstanden erklärt hatte, im Wege eines anderen Vorgangs erlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 72; Weber, aaO, § 33 Rn. 76). Jedoch hätte das Landgericht wegen der Weitergabe Drogengelder an den Nichtrevidenten zwingend die Härtevorschrift des § 73c StGB erwägen müssen (vgl. BGH, aaO).
14
b) In Höhe der bei dem Angeklagten K. sichergestellten 13.790 € wird der Verfallsausspruch mit der vorgenannten Maßgabe durch den Rechtsfehler nicht berührt und kann bestehen bleiben. Jedoch war klarzustellen, dass insoweit eine gesamtschuldnerische Haftung angeordnet ist (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 16. Juli 2013 – 4 StR 144/13 Rn. 5 ff. mwN).
15
4. Die Prüfung des § 73c StGB wird das neu verhandelnde Tatgericht gegebenenfalls auch für die Angeklagten K. und W. nachzuholen haben.
Sander Dölp König
RiBGH Dr. Berger Bellay ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. Sander

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Die Staatsanwaltschaft und der Privatkläger können den Antrag stellen, die Einziehung selbständig anzuordnen, wenn dies gesetzlich zulässig und die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist. Die Staatsanwaltschaft kann insbesondere von dem Antrag absehen, wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat oder das Verfahren einen unangemessenen Aufwand erfordern würde.

(2) In dem Antrag ist der Gegenstand oder der Geldbetrag, der dessen Wert entspricht, zu bezeichnen. Ferner ist anzugeben, welche Tatsachen die Zulässigkeit der selbständigen Einziehung begründen. Im Übrigen gilt § 200 entsprechend.

(3) Für das weitere Verfahren gelten die §§ 201 bis 204, 207, 210 und 211 entsprechend, soweit dies ausführbar ist. Im Übrigen finden die §§ 424 bis 430 und 433 entsprechende Anwendung.

(4) Für Ermittlungen, die ausschließlich der Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens dienen, gelten sinngemäß die Vorschriften über das Strafverfahren. Ermittlungsmaßnahmen, die nur gegen einen Beschuldigten zulässig sind, und verdeckte Maßnahmen im Sinne des § 101 Absatz 1 sind nicht zulässig.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 204/12
vom
17. Juli 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 17. Juli
2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 4. Januar 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die unter den Ziffern 1. bis 9. der Entscheidungsformel aufgeführten Gegenstände eingezogen worden sind. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Außerdem hat es zehn Gegenstände eingezogen. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten führt zur weitgehenden Aufhebung der Einziehungsentscheidung. Im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts begab sich der Angeklagte mit dem Zug nach Düsseldorf und führte dabei sechs Vorderladerwaffen mit sich, von denen er zwei schussbereit mit Bleikugeln und Zündhütchen versehen hatte. Außerdem hatte er ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von 8,5 cm bei sich. Im Rahmen einer routinemäßigen Personenkontrolle wurde er von zwei Polizeibeamten angesprochen. Aus Angst, dass ihm die Waffen - Nachbauten von vor dem 1. Januar 1871 entwickelten Modellen, deren Erwerb und Besitz erlaubnisfrei ist - weggenommen werden könnten, gab er mit einem Vorderlader einen Schuss ab und rannte davon. Sodann versuchte er, sich eines Kindes als Schutzschild zu bemächtigen, bedrohte es mit einer der Waffen und forderte die ihn verfolgenden Beamten der Polizei auf, ihre Waffen fallen zu lassen. Nachdem sich das Kind aus der Gewalt des Angeklagten befreien konnte, ergriff der Angeklagte eine Studentin, hielt ihr ebenfalls eine der Waffen an den Kopf und gab alsbald einen Schuss ab, der im knöchernen Schädel steckenblieb und dem Opfer operativ entfernt werden konnte. Die Fähigkeit des Angeklagten zur Kontrolle seiner Impulse war bei dieser Tat aufgrund einer chronifizierten Schizophrenie mit Sicherheit erheblich eingeschränkt, nicht ausschließbar war sie vollständig aufgehoben.
3
2. Das Landgericht hat gemäß § 74 StGB sechs einschüssige Pistolen (Ziffern 1 - 6), ein Klappmesser (Ziffer 7), zwei Geschosse (Ziffern 8 und 9) sowie ein "Projektil" (Ziffer 10) eingezogen. Bis auf die Einziehung des "Projektils" hält die Entscheidung rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
4
Die Einziehung eines Gegenstandes setzt nach § 74 Abs. 1 StGB voraus, dass dieser zur Begehung einer vorsätzlichen Tat gebraucht worden oder bestimmt gewesen ist. Dies ist allein bei dem "Projektil" (Ziffer 10) festgestellt , welches der Angeklagte auf die Studentin abfeuerte und das später bei der Operation aus deren Kopf entfernt werden konnte.
5
Zwei der sechs Pistolen verwendete der Angeklagte zwar bei dem versuchten Totschlag sowie bei der unmittelbar zuvor begangenen versuchten Geiselnahme und bei dem Schuss in der Bahnhofshalle; es ist indes nicht ersichtlich , welche der jeweils mit einer Nummerierung versehenen sechs Pistolen der Angeklagte für diese Taten gebrauchte. Die vier weiteren Pistolen, das Klappmesser und die beiden Geschosse setzte der Angeklagte dabei nicht ein. Den Urteilsgründen ist auch nicht zu entnehmen, dass sie vom Angeklagten zur Begehung der Tat bestimmt gewesen waren. Aus welchem Grund dieser die Gegenstände mit sich führte, als er von den Polizeibeamten angesprochen wurde, ist nicht festgestellt. Es handelt sich auch nicht um Gegenstände, die die Tat zumindest mittelbar förderten.
6
Zwar legen die Urteilsgründe nahe, dass der Angeklagte die Pistolen ohne Erlaubnis führte, da diese als einläufige Einzelladerwaffen mit Zündhütchenzündung (Perkussionswaffen), deren Modell vor dem 1. Januar 1871 entwickelt worden ist, zwar erlaubnisfrei erworben und besessen (vgl. Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 Nr. 1.7 der Anlage 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG - Waffenliste), nicht aber geführt werden dürfen (vgl. Abschnitt 2 Unterabschnitt 3 der Waffenliste), was nach § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a) WaffG strafbar ist und gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 WaffG grundsätzlich die Einziehung der Pistolen als Beziehungsgegenstände rechtfertigen würde. Indes hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Abschlussverfügung die Waffendelikte nach § 154a StPO von der Verfolgung ausgenommen.
7
3. Über die Einziehung muss daher erneut entschieden werden. Da eine Wiedereinbeziehung des Waffendelikts nach Rechtskraft des Freispruchs sowie der Unterbringungsentscheidung nicht mehr in Betracht kommt (LR/Beulke, StPO, 26. Aufl., § 154a Rn. 32), wird das Verfahren - sofern der Angeklagte nicht auf die Rückgabe der Gegenstände verzichtet und soweit es nicht nur um die Feststellung geht, welche der Pistolen zur Begehung der abgeurteilten Tat benutzt worden sind - als objektives Verfahren nach § 440 StPO fortzusetzen sein (vgl. LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., § 440 Rn. 69). Die selbständige Anordnung der Einziehung wäre nach § 76a Abs. 3 StGB zulässig. Becker Pfister Schäfer Mayer Gericke

(1) Das Gericht kann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft von der Einziehung absehen, wenn

1.
das Erlangte nur einen geringen Wert hat,
2.
die Einziehung nach den §§ 74 und 74c des Strafgesetzbuchs neben der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht ins Gewicht fällt oder
3.
das Verfahren, soweit es die Einziehung betrifft, einen unangemessenen Aufwand erfordern oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde.

(2) Das Gericht kann die Wiedereinbeziehung in jeder Lage des Verfahrens anordnen. Einem darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft hat es zu entsprechen. § 265 gilt entsprechend.

(3) Im vorbereitenden Verfahren kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen beschränken. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 130/19
vom
17. Juli 2019
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:170719U5STR130.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher, Köhler
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsrätin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 19. November 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den Strafaussprüchen für die Taten des schweren Bandendiebstahls gemäß II.1 bis 14 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafausspruch und
b) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in 14 Fällen, davon in 13 Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es 5.000 Euro als „Wertersatz“ eingezogen. Die gegen die Einzie- hungsentscheidung gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, führt jedoch zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) auch zu der aus dem Tenor ersichtlichen Aufhebung des Strafausspruchs.
2
1. Das Landgericht hat festgestellt:
3
Der Angeklagte war zu den Tatzeiten Mitglied einer international organsierten polnischen Bande, die in Deutschland hochwertige Kraftwagen entwendete und nach Polen verbrachte. Gemäß der Bandenabrede reisten jeweils mindestens zwei Bandenmitglieder in der Nacht nach Deutschland ein und suchten in nicht weit von der Autobahn entfernten „guten“ Wohngegenden nach wertvollen Kraftfahrzeugen, die frei auf nicht umzäunten Hausgrundstücken standen und über das „Keyless-Go-System“ verfügten. Ein Bandenmitglied scannte mit einem Funkstreckenverlängerer die Hauswand, um das Signal ei- nes im Haus befindlichen Autoschlüssels aufzunehmen und zu „verlängern“. Währenddessen stand ein anderes Bandenmitglied an der Tür des ins Auge gefassten Kraftwagens, um das Signal mit einem technischen Gerät „aufzufan- gen“, damit die Tür zu öffnen und den Motor zu starten. Ein als Fahrer fungie- rendes Bandenmitglied steuerte das Auto mit Hilfe eines voreingestellten mobilen Navigationsgeräts vom Tatort zur Verwertung in Polen.
4
In 13 der verfahrensgegenständlichen 14 Taten des schweren Bandendiebstahls war dem nicht über eine Fahrerlaubnis verfügenden Angeklagten zumindest die Funktion des Fahrers zugewiesen. Im Zeitraum vom 15. Juni bis 20. November 2017 verbrachte er elf Kraftwagen im Wert zwischen 21.632 Euro und 150.000 Euro nach Polen, von denen jedoch einer aus ungeklärten Gründen vor der Übergabe verbrannte. In den weiteren Fällen erlitt er mit einem BMW X5 (Zeitwert etwa 75.000 Euro) kurz vor der polnischen Grenze einen Unfall, bei dem das Auto liegenblieb, bzw. ließ er einen gestohlenen Mer- cedes AMG (Wert 80.000 Euro) auf seiner Flucht vor der Polizei in Thüringen zurück.
5
In den zehn Fällen erfolgreicher Übergabe in Polen erhielt der Angeklagte als Entlohnung einen „Anteil an der Beute“ von jeweils 500 Euro, mithin insgesamt 5.000 Euro.
6
2. Das Landgericht hat die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe des „Gesamtlohns“ des Angeklagten von 5.000 € angeordnet. Nur inso- weit habe der Angeklagte „etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB erlangt. Hingegen scheide eine Einziehung des Wertes der entwendeten Kraftwagen aus. Zwar habe er Mitverfügungsgewalt über die Fahrzeuge gehabt. Jedoch habe sich diese auf die vorgegebenen Strecken bis zum Übergabeort beschränkt. Dieser kurzzeitige und vorübergehende Zustand genüge nicht, um einen „Vermögenszufluss“ beim Angeklagten annehmen zu können.
7
3. Die Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
a) Gemäß ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermögenswert im Rechtssinne aus der Tat erlangt, wenn er dem Beteiligten in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (vgl. BGH, Urteile vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 246; vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 45 f.; vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17 und 624/17, jeweils mwN). Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Das ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf diesen nehmen können (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 – 5 StR 645/17, NStZ-RR 2018, 278, 279 mwN). Eine spätere Aufgabe der Mitverfügungsgewalt ist unerheblich (vgl. BGH Urteil vom 2. Juli 2015 – 3 StR 157/15, NStZ-RR 2015, 310, 311).
9
b) Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte die Kraftwagen im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB durch die jeweiligen Taten erlangt. Er hatte während der Überführungsfahrten die faktische Herrschaft über und damit ungehinderten Zugriff auf die Fahrzeuge. Angesichts der alleine vom Angeklagten durchgeführten Transporte, der Fahrstrecken von oftmals mehreren hundert Kilometern und der daraus resultierenden langen Fahrzeiten waren ihm diese Autos auch nicht nur kurzfristig und „transitorisch“ überlassen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2018 – 2 StR 311/18, NStZ 2019, 20, 21).
10
c) Da die für die Einziehungsentscheidung relevanten Fahrzeugwerte bislang nicht durch eine Beweiswürdigung belegt sind (vgl. unten 4.a), hebt der Senat die entsprechenden Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO).
11
d) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass bei Einziehung der jeweiligen Fahrzeugwerte die an den Angeklagten ausgekehrten Entlohnungen aus der Tatbeute nicht zusätzlich eingezogen werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2018 − 2 StR 311/18, aaO).
12
4. Die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene Beschränkung des Rechtsmittels auf die Einziehungsentscheidung ist unwirksam. Denn zwischen dieser und dem nicht rechtsfehlerfrei getroffenen Strafausspruch besteht ein untrennbarer Zusammenhang.
13

a) Das Landgericht hat die Bemessung der für die Taten des schweren Bandendiebstahls verhängten Strafen wesentlich am Wert der entwendeten Kraftwagen ausgerichtet (UA S. 22). Den Urteilsgründen lässt sich jedoch nicht entnehmen, auf welche Weise es den insoweit maßgebenden Zeitwert ermittelt hat und ob – wofür etwa die vielfach in Cent-Angaben aufgeführten Werte sprechen könnten – etwa die jeweiligen Kaufpreise übernommen wurden. Auch zum Alter und zum Zustand der Autos verhält sich das Urteil nicht. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht zu hohe Kraftfahrzeugwerte zugrunde gelegt und in der Folge zu hohe Strafen verhängt hat.
14
b) Es würde den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Feststellungen verletzen, wenn womöglich für die Strafbemessung andere Kraftfahrzeugwerte angesetzt würden als für die Einziehung. Die für die genannten Taten verhängten Strafen sowie die Gesamtstrafe waren deshalb mit den zugehörigen Feststellungen zugunsten des Angeklagten auch (vgl. den Senatsbeschluss vom heutigen Tage in dieser Sache) auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufzuheben (§ 301 StPO).
Mutzbauer König Berger
Mosbacher Köhler

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.