Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juli 2012 - 3 StR 204/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Außerdem hat es zehn Gegenstände eingezogen. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten führt zur weitgehenden Aufhebung der Einziehungsentscheidung. Im Übrigen ist sie unbegründet.
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- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts begab sich der Angeklagte mit dem Zug nach Düsseldorf und führte dabei sechs Vorderladerwaffen mit sich, von denen er zwei schussbereit mit Bleikugeln und Zündhütchen versehen hatte. Außerdem hatte er ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von 8,5 cm bei sich. Im Rahmen einer routinemäßigen Personenkontrolle wurde er von zwei Polizeibeamten angesprochen. Aus Angst, dass ihm die Waffen - Nachbauten von vor dem 1. Januar 1871 entwickelten Modellen, deren Erwerb und Besitz erlaubnisfrei ist - weggenommen werden könnten, gab er mit einem Vorderlader einen Schuss ab und rannte davon. Sodann versuchte er, sich eines Kindes als Schutzschild zu bemächtigen, bedrohte es mit einer der Waffen und forderte die ihn verfolgenden Beamten der Polizei auf, ihre Waffen fallen zu lassen. Nachdem sich das Kind aus der Gewalt des Angeklagten befreien konnte, ergriff der Angeklagte eine Studentin, hielt ihr ebenfalls eine der Waffen an den Kopf und gab alsbald einen Schuss ab, der im knöchernen Schädel steckenblieb und dem Opfer operativ entfernt werden konnte. Die Fähigkeit des Angeklagten zur Kontrolle seiner Impulse war bei dieser Tat aufgrund einer chronifizierten Schizophrenie mit Sicherheit erheblich eingeschränkt, nicht ausschließbar war sie vollständig aufgehoben.
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- 2. Das Landgericht hat gemäß § 74 StGB sechs einschüssige Pistolen (Ziffern 1 - 6), ein Klappmesser (Ziffer 7), zwei Geschosse (Ziffern 8 und 9) sowie ein "Projektil" (Ziffer 10) eingezogen. Bis auf die Einziehung des "Projektils" hält die Entscheidung rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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- Die Einziehung eines Gegenstandes setzt nach § 74 Abs. 1 StGB voraus, dass dieser zur Begehung einer vorsätzlichen Tat gebraucht worden oder bestimmt gewesen ist. Dies ist allein bei dem "Projektil" (Ziffer 10) festgestellt , welches der Angeklagte auf die Studentin abfeuerte und das später bei der Operation aus deren Kopf entfernt werden konnte.
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- Zwei der sechs Pistolen verwendete der Angeklagte zwar bei dem versuchten Totschlag sowie bei der unmittelbar zuvor begangenen versuchten Geiselnahme und bei dem Schuss in der Bahnhofshalle; es ist indes nicht ersichtlich , welche der jeweils mit einer Nummerierung versehenen sechs Pistolen der Angeklagte für diese Taten gebrauchte. Die vier weiteren Pistolen, das Klappmesser und die beiden Geschosse setzte der Angeklagte dabei nicht ein. Den Urteilsgründen ist auch nicht zu entnehmen, dass sie vom Angeklagten zur Begehung der Tat bestimmt gewesen waren. Aus welchem Grund dieser die Gegenstände mit sich führte, als er von den Polizeibeamten angesprochen wurde, ist nicht festgestellt. Es handelt sich auch nicht um Gegenstände, die die Tat zumindest mittelbar förderten.
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- Zwar legen die Urteilsgründe nahe, dass der Angeklagte die Pistolen ohne Erlaubnis führte, da diese als einläufige Einzelladerwaffen mit Zündhütchenzündung (Perkussionswaffen), deren Modell vor dem 1. Januar 1871 entwickelt worden ist, zwar erlaubnisfrei erworben und besessen (vgl. Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 Nr. 1.7 der Anlage 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG - Waffenliste), nicht aber geführt werden dürfen (vgl. Abschnitt 2 Unterabschnitt 3 der Waffenliste), was nach § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a) WaffG strafbar ist und gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 WaffG grundsätzlich die Einziehung der Pistolen als Beziehungsgegenstände rechtfertigen würde. Indes hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Abschlussverfügung die Waffendelikte nach § 154a StPO von der Verfolgung ausgenommen.
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- 3. Über die Einziehung muss daher erneut entschieden werden. Da eine Wiedereinbeziehung des Waffendelikts nach Rechtskraft des Freispruchs sowie der Unterbringungsentscheidung nicht mehr in Betracht kommt (LR/Beulke, StPO, 26. Aufl., § 154a Rn. 32), wird das Verfahren - sofern der Angeklagte nicht auf die Rückgabe der Gegenstände verzichtet und soweit es nicht nur um die Feststellung geht, welche der Pistolen zur Begehung der abgeurteilten Tat benutzt worden sind - als objektives Verfahren nach § 440 StPO fortzusetzen sein (vgl. LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., § 440 Rn. 69). Die selbständige Anordnung der Einziehung wäre nach § 76a Abs. 3 StGB zulässig. Becker Pfister Schäfer Mayer Gericke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.
(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.
(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.
(1) Der Umgang mit Waffen oder Munition ist nur Personen gestattet, die das 18. Lebensjahr vollendet haben.
(2) Der Umgang mit Waffen oder Munition, die in der Anlage 2 (Waffenliste) Abschnitt 2 zu diesem Gesetz genannt sind, bedarf der Erlaubnis.
(3) Der Umgang mit Waffen oder Munition, die in der Anlage 2 Abschnitt 1 zu diesem Gesetz genannt sind, ist verboten.
(4) Waffen oder Munition, mit denen der Umgang ganz oder teilweise von der Erlaubnispflicht oder von einem Verbot ausgenommen ist, sind in der Anlage 2 Abschnitt 1 und 2 genannt. Ferner sind in der Anlage 2 Abschnitt 3 die Waffen und Munition genannt, auf die dieses Gesetz ganz oder teilweise nicht anzuwenden ist.
(5) Bestehen Zweifel darüber, ob ein Gegenstand von diesem Gesetz erfasst wird oder wie er nach Maßgabe der Begriffsbestimmungen in Anlage 1 Abschnitt 1 und 3 und der Anlage 2 einzustufen ist, so entscheidet auf Antrag die zuständige Behörde. Antragsberechtigt sind
Die nach Landesrecht zuständigen Behörden sind vor der Entscheidung zu hören. Die Entscheidung ist für den Geltungsbereich dieses Gesetzes allgemein verbindlich. Sie ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen.(1) Ist eine Straftat nach den §§ 51, 52 Abs. 1, 2 oder 3 Nr. 1, 2 oder 3 oder Abs. 5 begangen worden, so werden Gegenstände,
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auf die sich diese Straftat bezieht oder - 2.
die durch sie hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind,
(2) Ist eine sonstige Straftat nach § 52 oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 53 begangen worden, so können in Absatz 1 bezeichnete Gegenstände eingezogen werden.
(3) § 74a des Strafgesetzbuches und § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind anzuwenden.
(4) Als Maßnahme im Sinne des § 74f Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches kommt auch die Anweisung in Betracht, binnen einer angemessenen Frist eine Entscheidung der zuständigen Behörde über die Erteilung einer Erlaubnis nach § 10 vorzulegen oder die Gegenstände einem Berechtigten zu überlassen.
(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,
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für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder - 2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.
(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.
(1) Kann wegen der Straftat keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden, so ordnet das Gericht die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung selbständig an, wenn die Voraussetzungen, unter denen die Maßnahme vorgeschrieben ist, im Übrigen vorliegen. Ist sie zugelassen, so kann das Gericht die Einziehung unter den Voraussetzungen des Satzes 1 selbständig anordnen. Die Einziehung wird nicht angeordnet, wenn Antrag, Ermächtigung oder Strafverlangen fehlen oder bereits rechtskräftig über sie entschieden worden ist.
(2) Unter den Voraussetzungen der §§ 73, 73b und 73c ist die selbständige Anordnung der Einziehung des Tatertrages und die selbständige Einziehung des Wertes des Tatertrages auch dann zulässig, wenn die Verfolgung der Straftat verjährt ist. Unter den Voraussetzungen der §§ 74b und 74d gilt das Gleiche für die selbständige Anordnung der Sicherungseinziehung, der Einziehung von Verkörperungen eines Inhalts und der Unbrauchbarmachung.
(3) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn das Gericht von Strafe absieht oder wenn das Verfahren nach einer Vorschrift eingestellt wird, die dies nach dem Ermessen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts oder im Einvernehmen beider zulässt.
(4) Ein wegen des Verdachts einer in Satz 3 genannten Straftat sichergestellter Gegenstand sowie daraus gezogene Nutzungen sollen auch dann selbständig eingezogen werden, wenn der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt und der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der ihr zugrundeliegenden Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann. Wird die Einziehung eines Gegenstandes angeordnet, so geht das Eigentum an der Sache oder das Recht mit der Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat über; § 75 Absatz 3 gilt entsprechend. Straftaten im Sinne des Satzes 1 sind
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aus diesem Gesetz: - a)
Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a und Terrorismusfinanzierung nach § 89c Absatz 1 bis 4, - b)
Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 Absatz 1 und Bildung terroristischer Vereinigungen nach § 129a Absatz 1, 2, 4, 5, jeweils auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, - c)
Zuhälterei nach § 181a Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 3, - d)
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte in den Fällen des § 184b Absatz 2, - e)
gewerbs- und bandenmäßige Begehung des Menschenhandels, der Zwangsprostitution und der Zwangsarbeit nach den §§ 232 bis 232b sowie bandenmäßige Ausbeutung der Arbeitskraft und Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung nach den §§ 233 und 233a, - f)
Geldwäsche nach § 261 Absatz 1 und 2,
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aus der Abgabenordnung: - a)
Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Nummer 5 genannten Voraussetzungen, - b)
gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373, - c)
Steuerhehlerei im Fall des § 374 Absatz 2,
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aus dem Asylgesetz: - a)
Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Absatz 3, - b)
gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,
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aus dem Aufenthaltsgesetz: - a)
Einschleusen von Ausländern nach § 96 Absatz 2, - b)
Einschleusen mit Todesfolge sowie gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
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aus dem Außenwirtschaftsgesetz: vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18, - 6.
aus dem Betäubungsmittelgesetz: - a)
Straftaten nach einer in § 29 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen, - b)
Straftaten nach den §§ 29a, 30 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,
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aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen: - a)
Straftaten nach § 19 Absatz 1 bis 3 und § 20 Absatz 1 und 2 sowie § 20a Absatz 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, - b)
Straftaten nach § 22a Absatz 1 bis 3,
- 8.
aus dem Waffengesetz: - a)
Straftaten nach § 51 Absatz 1 bis 3, - b)
Straftaten nach § 52 Absatz 1 Nummer 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Absatz 5 und 6.