Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Dez. 2015 - 3 StR 439/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 8. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
a) in den Fällen II. 2. a), c) und g) (Fälle 1, 3 und 6) der Urteilsgründe sowie
b) im Strafausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in fünf Fällen und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sie sich mit ihrer auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- Das Urteil hat keinen Bestand, soweit die Angeklagte in den Fällen II. 2.
a) und c) (Fälle 1 und 3) der Urteilsgründe wegen - gemeinschaftlich begangener - besonders schwerer räuberischer Erpressung sowie im Fall II. 2. g) (Fall
6) der Urteilsgründe wegen - jeweils gemeinschaftlich begangener - versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2, § 25 Abs. 2 StGB) verurteilt worden ist.
- 3
- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts überfiel der Mitangeklagte L. in allen Fällen alleine Tankstellen, die zuvor beide Angeklagte gemeinsam danach ausgesucht hatten, dass sich nur eine einzige weibliche Angestellte im Kassenraum befand. Zur Begehung dieser Straftaten hatten sich die beiden Angeklagten aus Geldnot entschlossen; im Tatzeitraum bestritten sie ihren gemeinsamen Lebensbedarf aus der Tatbeute. Der Mitangeklagte L. hatte vor dem ersten Überfall - mit Wissen und Billigung der Angeklagten - einen Gas-/Schreckschussrevolver und Munition erworben, mit der er - wie von beiden Angeklagten von Anfang an geplant - das Tankstellenpersonal bedrohte. Er hatte gleichzeitig ein Pfefferspray gekauft, das nach dem Plan der Angeklagten - falls notwendig - als Gewaltmittel eingesetzt werden sollte. In den Fällen II. 2. b) bis e) (Fälle 2 bis 5) der Urteilsgründe benutzten die Angeklagten für die Fahrten zu den Tatorten und von diesen weg Fahrzeuge, die die Angeklagte auf ihren Namen angemietet hatte. In den Fällen II. 2. b), d) und e) (Fälle 2, 4 und 5) der Urteilsgründe war die Angeklagte bei diesen Fahrten jeweils die Fahrzeugführerin. In den übrigen Fällen (II. 2. a), c) und g) (Fälle 1, 3 und 6) der Urteilsgründe fuhr die Angeklagte hingegen jeweils als Beifahrerin des Mit- angeklagten L. zu den Tatorten mit und wartete in einiger Entfernung von den Tankstellen auf dem Beifahrersitz auf dessen Rückkehr.
- 4
- 2. Die Feststellungen zu den Fällen II. 2. a), c) und g) (Fälle 1, 3 und 6) der Urteilsgründe tragen die vom Landgericht hinsichtlich der Erpressungstaten angenommene Mittäterschaft der Angeklagten (§ 25 Abs. 2 StGB) nicht.
- 5
- a) Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, ist Mittäter im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst und auch keine Anwesenheit am Tatort; ausreichen kann vielmehr auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich die objektiv aus einem wesentlichen Tatbeitrag bestehende Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft oder Beihilfe anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschluss vom 2. Juli 2008 - 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25, 26).
- 6
- b) Nach diesen Maßstäben begegnet die rechtliche Einordnung der Beteiligung der Angeklagten als Mittäterschaft in den vorbezeichneten drei Fällen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Anders als in den übrigen Fällen, bei denen die Angeklagte den Mitangeklagten L. zum Tatort gebracht, während des Überfalls absprachegemäß auf dem Fahrersitz fluchtbereit auf ihn gewartet und ihn danach mit dem Fahrzeug vom Tatort weggefahren hatte (Fälle 2, 4 und 5), wirkte die Angeklagte in den Fällen 1, 3 und 6 der Urteilsgründe lediglich beim Ausspähen der Tankstellen mit, begleitete den Mitangeklagten L. bei den Fahrten zu den Tatorten und nach den Überfällen von diesen weg als Beifahrerin und wartete während der Taten auf die Rückkehr des in dieser Zeit die Überfälle alleine durchführenden Mitangeklagten.
- 7
- Die Tätigkeit der Angeklagten im Rahmen der Überfälle in den Fällen II. 2. a), c) und g) (Fälle 1, 3 und 6) der Urteilsgründe stellt sich nach dem äußeren Erscheinungsbild inBezug zu den Tatbeiträgen des Mitangeklagten L. als Beteiligungshandlung an dessen Erpressungstaten dar, die für sich weder auf eine Tatherrschaft noch auf einen Willen hierzu schließen lassen. Die Taten beging der Mitangeklagte L. alleine; ihre Ausführung und ihr Erfolg waren nach den Feststellungen in den vorbezeichneten Fällen in jeder Hinsicht dem Einfluss und dem Willen der Angeklagten entzogen. Der vom Landgericht festgestellte gemeinsame Tatentschluss und das auch aus dem Bestreiten des gemeinsamen Lebensbedarfes folgende Interesse der Angeklagten am Gelingen der Überfälle vermag eine andere Beurteilung und die rechtliche Einordnung dieser Tatbeiträge durch das Landgericht nicht zu rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn dem Tatrichter bei der vorzunehmenden Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen sein sollte, der nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung zugänglich ist (vgl. BGH, Urteile vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254 und vom 10. Dezember 2013 - 5 StR 387/13, juris Rn. 10). Ein solcher Beurteilungsspielraum , den das Landgericht im vorliegenden Urteil, das zur Mittäterschaft der Angeklagten keine nähere rechtliche Subsumption oder wertende Betrachtung enthält, ersichtlich nicht ausgefüllt hat, wäre hier jedenfalls überschritten. Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte sei in den Fällen 1, 3 und 6 der Urteilsgründe als Mittäterin der vollendeten bzw. der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung anzusehen, hält der rechtlichen Überprüfung danach nicht stand.
- 8
- c) Entsprechendes gilt, soweit das Landgericht die Angeklagte im Fall II. 2. g) (Fall 6) der Urteilsgründe - tateinheitlich zur versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung - wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, § 25 Abs. 2 StGB verurteilt hat. Bei diesem Überfall setzte der Mitangeklagte L. gegen die durch die Bedrohung mit dem Revolver nicht (genügend) beeindruckte Zeugin R. das mitgeführte Pfefferspray ein, verletzte die Tankstellenkassiererin dadurch im Gesicht, im Bereich des Dekolletés sowie an den Unterarmen und fügte ihr erhebliche Schmerzen zu. Während des gesamten Überfalles wartete die Angeklagte (erneut) im Fahrzeug auf dem Beifahrersitz verweilend auf die Rückkehr des Mitangeklagten, der das von den Angeklagten genutzte Fahrzeug vor und nach dem Überfall steuerte.
- 9
- Ob ein Abwesender Mittäter einer gefährlichen Körperverletzung eines anderen ist, richtet sich nach den allgemeinen Regeln der Mittäterschaft, der Anstiftung oder Beihilfe (s. oben 1. b); insoweit gilt daher dasselbe wie auch für den Tatbestand der gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar2015 - 3 StR 233/14, juris Rn. 68, insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 60, 166 mwN).
- 10
- 3. Die teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils im vorbezeichneten Umfang führt zum Wegfall der verhängten Jugendstrafe.
- 11
- Die Sache muss zum Schuldspruch in den aufgehobenen Einzelfällen sowie zum Strafausspruch neu verhandelt und entschieden werden.
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.