Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juni 2015 - 3 StR 179/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Schuldspruch in den Fällen II. 1 (Fälle 1, 2, 28 bis 34, 177 bis 179 der Anklage), II. 2 (Fälle 3 bis 27, 35 bis 171, 176 der Anklage) und II. 3 der Urteilsgründe (Fall 175 der Anklage ),
b) im gesamten Strafausspruch sowie
c) im Ausspruch über die Einziehung von "Marihuana aus Plastikdose".
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 29 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 34 weiteren Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt, den Verfall von Wertersatz in Höhe von 830 € angeordnet sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf mehrere Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Der Schuldspruch in den Fällen II. 1 bis II. 3 der Urteilsgründe hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Dies führt zur Aufhebung auch des gesamten Strafausspruchs. Zudem bedarf die Einziehungsentscheidung der teilweisen Korrektur. Der Generalbundesanwalt hat insoweit in seiner Antragsschrift ausgeführt: "§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO verlangt eine in sich geschlossene Darstellung der vom erkennenden Gericht zur Urteilsgrundlage gemachten Feststellungen. Die Urteilsgründe müssen klar, geschlossen, erschöpfend und aus sich heraus verständlich sein. Von den Sonderfällen des § 267 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 StPO abgesehen sind daher Verweisungen oder Bezugnahmen auf Schriftstücke oder anderer Erkenntnisquel- len außerhalb des […] Urteils unzulässig, sofern dadurch die gebotene eigene Sachdarstellung ersetzt werden soll. Dies gilt auch für Bezugnahmen auf die Anklageschrift und die Sitzungsniederschrift (jeweils Kuckein in KK-StPO, 7. Aufl., § 267 Rn. 3 mwN). Diesen Anforderungen wird das Urteil in Bezug auf die Fälle II. 1 und 2 nicht gerecht. Aus den einführenden Bemerkungen zum festgestellten Handel des Angeklagten mit Marihuana und der Führung von Aufzeichnungen darüber (UA S. 5 f.) sowie den diese Aufzeichnungen aufgreifenden Anmerkungen zu den Angaben des Zeugen M. und den Ergebnissen einzelner Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen (UA S. 19 bis 25) ergibt sich nicht in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise, wie im Einzelnen und ob insoweit frei von Rechtsfehlern das Landgericht zur Annahme von 59 selbständigen Taten gelangt ist. Hierzu hätte es vielmehr einer Übernahme der Aufzeichnungen in Form von Abschriften oder Ablichtungen in die Urteilsgründe oder zumindest einer in sich geschlossenen und durchgehend nachvollziehbaren Darstellung der für den Schuldspruch maßgeblichen Eintragungen bedurft. Hinweise auf die Fundstellen der Aufzeichnungen außerhalb der Urteilsgründe vermögen nach dem oben Gesagten diese Darstellungslücken nicht zu füllen. In Bezug auf Fall II. 3 erschließt sich nicht, warum das Landgericht hier - im Gegensatz zu seiner sonstigen rechtlich zutreffenden Einordnung der Verkaufsfälle in Bewertungseinheiten - ausnahmsweise von einer selbständigen Tat ausgegangen ist, obwohl nahe liegt, dass der Verkauf von 25 Gramm Marihuana an den Zeugen M. am 1. Oktober 2013 aus einer der in den Fällen II. 1 und 2 behandelten Vorratsmengen erfolgt ist. (…) Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II. 1 bis 3 hat die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs zur Folge, denn das Landgericht hat auch in den Fällen II. 4 a) und b) sowie II. 5 die Vielzahl der Taten und die Länge des Tatzeitraums, damit aber auch die Verurteilung in den Fällen II. 1 bis 3, strafschärfend gewichtet. Im Übrigen erscheint die umfassende Aufhebung des Strafausspruchs geboten, um dem neuen Tatrichter eine insgesamt stimmige Strafzumessung zu ermöglichen. (…) die Einziehungsanordnung (ist) insoweit rechtsfehlerhaft, als sie 'Marihuana aus Plastikdose (Bl. 122, Nr. 1)' betrifft. Der Ausspruch über die Anordnung einer Einziehung hat die einzuziehenden Gegenstände so genau zu kennzeichnen, dass bei allen Beteiligten und der Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht; im Falle von Betäubungsmitteln gehört dazu die Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts, die sich aus dem Urteilstenor ergeben muss; die Bezugnahme auf ein Asservatenverzeichnis oder andere Aktenfundstellen genügt dagegen nicht (vgl. nur BGH, Beschluss vom 5. November 2014 - 2 StR 418/14 mwN)."
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- Dem schließt sich der Senat an und bemerkt ergänzend: Gegenüber einer wörtlichen Übernahme der Aufzeichnungen in Form von Abschriften oder Ablichtungen in die Urteilsgründe erscheint eine eigene, nachvollziehbare Sachdarstellung des Tatgerichts, aus der sich die Merkmale des gesetzlichen Tatbestands ergeben, vorzugswürdig. Die Abfassung der Urteilsgründe gibt dem Senat im Übrigen - erneut - Anlass zu folgenden Bemerkungen:
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- Die Beweiswürdigung soll keine umfassende Dokumentation der Beweisaufnahme enthalten, sondern lediglich belegen, warum bestimmte bedeutsame Umstände so festgestellt worden sind. Es ist deshalb regelmäßig untunlich , den Inhalt der überwachten Telekommunikation wörtlich (hier UA S. 11 bis 18, 20 bis 24, 26 bis 39 und 41 bis 45) oder auch nur in einer ausführlichen Inhaltsangabe wiederzugeben (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 31. März 2015 - 3 StR 630/14, juris Rn. 10 mwN; s. auch Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rn. 350 mwN).
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- 2. Der weitergehenden Revision des Angeklagten bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen der Erfolg versagt.
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.