Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2014 - 7 B 13.860

published on 23/01/2014 00:00
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 23. Jan. 2014 - 7 B 13.860
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Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 19. Juni 2012 wird die Klage abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von zu viel gezahlten Vergütungen für seine Tätigkeit als Prüfer im Rahmen des mündlich-praktischen Teils des zweiten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung in den Jahren 2007 bis 2010. Der Beklagte fordert vom Kläger 356 Euro zurück. Es wurden in 487 gleich- oder ähnlich gelagerten Fällen, in denen wegen eines Berechnungsfehlers den Prüfern eine doppelt so hohe Vergütung gewährt wurde wie ihnen zugestanden ist, die Festsetzungen der jeweiligen Prüfervergütungen zurückgenommen und Rückforderungsbescheide über eine Summe von insgesamt ca. 360.000 Euro erlassen. Ein erster Rücknahme- und Rückforderungsbescheid wurde nach rechtskräftigen Urteilen, in denen das Verwaltungsgericht Rücknahme- und Rückforderungsbescheide in Parallelverfahren aufgehoben hatte, vom Beklagten zurückgenommen. Nach - schon vor der Rücknahme des ersten Rückforderungsbescheids erfolgter - Anhörung des Klägers hat der Beklagte mit Bescheid vom 14. Dezember 2011 die Festsetzung der Prüfervergütungen für die Jahre 2007 bis 2010 erneut zurückgenommen und die zu viel ausbezahlten Prüfervergütungen zurückgefordert.

Die Klage hiergegen war erfolgreich. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die Aufhebung der mit der Überweisung der Prüfervergütungen konkludent erlassenen Festsetzungsbescheide und ihre Rückforderung verstoße gegen die in Art. 48 BayVwVfG festgelegten Grundsätze des Vertrauensschutzes. Der Kläger habe nach der Änderung der die ärztliche Prüfung betreffenden Vorschriften der Approbationsordnung für Ärzte weder Kenntnis von den Vergütungssätzen gehabt noch habe ihm eine diesbezügliche Überprüfungspflicht oblegen. Sein Vertrauen in den Bestand der Festsetzung der Prüfervergütungen sei schutzwürdig i. S. d. Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG, weil er die zu viel ausbezahlten Beträge verbraucht habe. Davon könne angesichts der Geringfügigkeit der Überzahlungen ausgegangen werden. Das öffentliche Interesse erfordere keine andere Entscheidung. Die Ursache der Fehlerhaftigkeit der Überzahlung liege ausschließlich im Verantwortungsbereich des Beklagten. Allein der Umstand, dass eine Vielzahl von Prüfern betroffen sei, rechtfertige keine Ausnahme. Die Rücknahmeentscheidung sei ermessensfehlerhaft, weil darin keinen Niederschlag gefunden habe, dass der Kläger angesichts des Verfahrensablaufs und der Gestaltung der Formulare keine Kenntnis von den Vergütungssätzen gehabt und seinerseits korrekt abgerechnet habe. Schließlich habe der Beklagte die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG nicht eingehalten. Nach Aufhebung des ersten Rücknahme- und Rückforderungsbescheids habe die Frist nicht erneut zu laufen begonnen.

Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zugelassenen Berufung.

Die Regelvermutung für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG zugunsten des Klägers greife nicht. Von einer Entreicherung könne nur bei Luxusausgaben ausgegangen werden. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liege beim Empfänger der Leistungen. Dass er die überzahlten Beträge ausgegeben hat und sie sich nicht mehr in seinem Vermögen niederschlagen, habe der Kläger weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen. Ein Anscheinsbeweis entsprechend dem Grundgedanken von Nr. 15.2.7.1 der Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht sei nicht zulässig, weil es sich nicht um versorgungsrelevante Leistungen handle. Die Rückforderung überzahlter Prüfervergütungen entspreche der ständigen Verwaltungspraxis der Regierung von Oberbayern.

Das Vertrauen des Klägers in den Bestand der Vergütungsfestsetzungen sei unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse nicht schutzwürdig. Alle Prüfer seien mittels eines Merkblatts über die Höhe der Prüfervergütungssätze informiert worden, die nach der Änderung der Approbationsordnung im Ergebnis gleich geblieben sei. Ein Vergleich mit den alten Abrechnungen hätte dem Kläger ohne weiteres offenbaren können, dass er jetzt für die gleiche Prüferleistung das Doppelte erhalten habe. Aufgrund des prüfungsrechtlichen Vertrauensverhältnisses hätte er eine erhöhte Sorgfaltspflicht gehabt, die in tendenzieller Anlehnung an die beamtenrechtliche Nachprüfungspflicht bei überzahlter Besoldung über die „Jedermannspflichten“ hinausgehe. Angesichts des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und angesichts dessen, dass der Beklagte gemäß dem Rechtsstaatsprinzip zu rechtmäßigem Handeln verpflichtet sei, gehe die gebotene Abwägung zugunsten des öffentlichen Interesses aus. Angesichts der geringen Höhe stelle das für den Kläger keine besondere Härte dar und habe keine existentiellen Auswirkungen. Andererseits bestehe bei einem Gesamtbetrag von 360.000 Euro in Zeiten knapper Staatskassen ein erhebliches öffentliches Interesse an der Rückforderung ohne rechtliche Verpflichtung ausbezahlter Vergütungen.

Die Frist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG sei nicht abgelaufen. Werde ein Rücknahmebescheid im Zusammenhang eines Widerspruchs- oder Klageverfahrens aufgehoben, so beginne erst mit der Unanfechtbarkeit dieser Aufhebungsentscheidung der Lauf dieser Frist für den Erlass eines erneuten Rücknahmebescheids. Das gelte auch, wenn der erste Rücknahmebescheid, gegen den Klage erhoben gewesen sei, nicht vom Verwaltungsgericht, sondern wegen einer gerichtlichen Musterentscheidung von der Behörde aufgehoben worden sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. Juni 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf seine Erwiderung zum Antrag auf Zulassung der Berufung. Er ist insbesondere der Auffassung, dass das Verwaltungsgericht die Regelvermutung des Art. 48 Abs. 2 Satz 2 1. Alternative BayVwVfG zu Recht angenommen hat. Die Überzahlung sei verbraucht worden. Davon sei auszugehen, wenn der zu Unrecht gezahlte Betrag für eine verhältnismäßig geringfügige Verbesserung der Lebensführung ausgegeben werde. Die Abwägungsentscheidung, bei der nicht von der Regelvermutung ausgegangen werde, sei fehlerhaft, weil nicht berücksichtigt worden sei, dass allein die Behörde die fehlerhafte Überzahlung zu verantworten habe. Im Übrigen gelte der Grundsatz, dass eine Rücknahme für die Vergangenheit regelmäßig nicht möglich sei. Die Entscheidungsfrist nach Art. 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG sei nicht gewahrt. Der erste Rückforderungsbescheid sei nur aus formalen Gründen aufgehoben worden. Es seien keine Tatsachen (nachträglich) bekannt geworden, die nicht schon bei Erlass des ersten Rückforderungsbescheids bekannt gewesen wären.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftverkehr dieses Berufungsverfahrens sowie die beigezogenen Akten des Verwaltungsgerichts und der Regierung von Oberbayern Bezug genommen.

Gründe

A. Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 14. Dezember 2011, mit dem die Festsetzungen der Vergütung für die Prüfungstätigkeit des Klägers in den Jahren 2007 bis 2010 insoweit aufgehoben wurden, als er auch für den zweiten Prüfungstag je Prüfungstermin eine Vergütung erhalten hatte, und die zu viel ausbezahlte Prüfervergütung in Höhe von 356 Euro zurückgefordert worden ist, ist rechtmäßig. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. Juni 2012 war deshalb abzuändern und die Klage abzuweisen.

1. Mit der Rücknahme und Rückforderung hat der Beklagte nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Er hat, soweit ersichtlich, alle Fälle, in denen eine zu hohe Prüfervergütung wegen des gleichen Berechnungsfehlers gewährt worden ist, aufgegriffen, die fehlerhaften Festsetzungen aufgehoben und die überzahlten Beträge zurückgefordert. Wenige Einzelfälle, in denen nach einer gütlichen Einigung vor Gericht der Weg zu einer erneuten Rücknahme und Rückforderung versperrt war, begründen keine abweichende Verwaltungsübung.

2. Nach Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine Geldleistung gewährt, nicht zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte auf den Bestand dieses Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig ist. Der Begünstigte kann sich allerdings u. a. dann nicht auf Vertrauen berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG). Indes ist das Vertrauen in aller Regel schutzwürdig, wenn der Empfänger das Geleistete verbraucht hat oder Vermögensdispositionen getroffen hat, die er nicht oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Ist die Berufung auf das Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsakts nicht nach Art. 48 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG ausgeschlossen, wird die Schutzwürdigkeit des Vertrauens aber auch nicht gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG vermutet, ist abzuwägen, ob das Vertrauen am Bestand in Ansehung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme des Verwaltungsakts schutzwürdig ist (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Erweist sich das Vertrauen gegenüber dem öffentlichen Interesse nicht als schutzwürdig, hat die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen über die Rücknahme zu entscheiden (Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG). Wird der Verwaltungsakt zurückgenommen, sind gewährte Leistungen nach den Vorschriften des Art. 49a Abs. 1 und 2 BayVwVfG vom Empfänger zu erstatten.

Gemessen daran hat die Regierung von Oberbayern die Festsetzungen der Prüfervergütung für die Jahre 2007 bis 2010 ohne Rechtsfehler zurückgenommen und den überzahlten Betrag zurückgefordert.

Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass die Prüfervergütung zu hoch festgesetzt worden ist. Auch die Höhe des überzahlten Betrags ist unstrittig. Die jeweilige Festsetzung der Prüfervergütung war deshalb rechtswidrig, soweit sie für jeden Tag der jeweils zweitägigen Prüfungen statt für den jeweiligen Prüfungstermin nur einmal gewährt worden ist. Auf das angefochtene Urteil wird insofern Bezug genommen.

Die jeweils eine einmalige Geldleistung gewährenden Festsetzungen der Prüfervergütung durften zurückgenommen werden. Das Vertrauen des Klägers in den Bestand der Festsetzungen ist unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme der Festsetzungen, soweit sie rechtswidrig sind, nicht schutzwürdig (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG).

a) Eine Berufung des Klägers auf den Vertrauensschutz ist zwar nicht gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG ausgeschlossen. Er hat weder positiv gewusst, dass aufgrund seiner wahrheitsgemäßen Abrechnung eine zu hohe Vergütung festgesetzt worden ist, noch hätte er das erkennen müssen. An seiner gegenteiligen Auffassung hält der Beklagte nicht mehr fest. Zwar habe der Kläger aufgrund seiner Bestellung zum Prüfer eine größere Sorgfaltspflicht als „Jedermann“, jedoch führe diese nicht dazu, dass er die Rechtswidrigkeit der Festsetzung infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt habe. Die erhöhte Sorgfaltspflicht sei vielmehr im Rahmen der Abwägung nach Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG zu berücksichtigen.

b) Das Vertrauen des Klägers ist aber auch nicht gemäß der Regelvermutung des Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG schutzwürdig. Er hat nicht substantiiert dargelegt, geschweige denn nachgewiesen, dass er die Vergütung, soweit sie zu hoch festgesetzt und ausbezahlt worden ist, im Sinn des Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG verbraucht hat.

Es ist richtig, dass in der Rechtsprechung aufgrund des Anscheinsbeweises davon ausgegangen wird, dass bei der Überzahlung versorgungsrelevanter Leistungen in geringem Umfang überzahlte Beträge im Rahmen der normalen Lebensführung verbraucht werden (z. B. BVerwG, U. v. 26.4.2012 - 2 C 4/11 - juris Rn. 8). Darauf beruht auch Nr. 15.2.7.1 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten (BayVwVBes), wonach ein Wegfall der Bereicherung, der die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge ausschließt, unterstellt wird, wenn im jeweiligen Monat zu viel gezahlte Bezüge 10% des insgesamt zustehenden Betrags, höchstens 150 Euro, nicht überschreiten. Für den Verbrauch der Überzahlung für die eigene Lebenshaltung spricht der Beweis des ersten Anscheins, wenn es sich um eine versorgungsrelevante Leistung, d. h. laufende Einkünfte handelt, die dem Bestreiten des Lebensunterhalts dienen, und bei niedrigen oder allenfalls mittleren Einkommen die Überzahlung so gering ist, dass sie sinnvoller Weise nicht gespart wird oder sonst der Vermögensbildung dient (Schwab in Münchner Kommentar, BGB, 6. Aufl. 2013, § 818 Rn. 179 ff.). Dies trifft hier jedoch nicht zu. Ohne nähere Ermittlungen kann aufgrund der beruflichen Stellung des Klägers davon ausgegangen werden, dass sein Einkommen nicht im geringen oder mittleren Bereich liegt. Bei Besserverdienenden spricht die Lebenserfahrung nicht dafür, dass alles, was eingeht auch ausgegeben wird (Schwab a. a. O. Rn. 179).

Ferner geht es hier nicht um die Überzahlung laufender Bezüge. Es handelt sich vielmehr um ein Entgelt für eine Tätigkeit, die nicht zur Einkommenserzielung ausgeübt wird, sondern eher ehrenamtlichen Charakter hat. Im Vordergrund steht nicht die Erzielung des Entgelts, sondern die mit der Bestellung zum Prüfer verbundene Anerkennung der beruflichen und wissenschaftlichen Leistung. Das Entgelt dient nicht der Erhöhung der Lebensführung. Die Lebenserfahrung spricht eher dafür, dass das Entgelt für diese Tätigkeit keinen Einfluss auf die Lebensführung hat und die laufenden Ausgaben hierfür ohne Rücksicht darauf getätigt werden.

c) Nachdem weder dargelegt ist noch sonst Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der überzahlte Betrag verbraucht worden ist, ist gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG zu prüfen, ob das Vertrauen des Klägers in den Bestand der Festsetzungen des Prüferentgelts unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an deren Rücknahme schutzwürdig ist. Allein die fehlende Bösgläubigkeit genügt unabhängig von den Sorgfaltspflichten des Klägers im Hinblick auf die Überprüfung, ob das Entgelt zutreffend festgesetzt worden ist, nicht, um das Vertrauen in den Bestand der gewährten Vergütung als schutzwürdig ansehen zu können (BayVGH, B. v. 22.5.2009 - 19 ZB 09.944 - juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010m, § 48 Rn. 95). Bei der Abwägung des Interesses des Klägers am Bestand der Festsetzungen und dem öffentlichen Interesse an deren Rücknahme setzen sich die fiskalischen Interessen durch (Kopp/Ramsauer a. a. O. Rn. 99). Aufgrund des Fehlers in der Sachbearbeitung bei der Berechnung und Auszahlung der Prüfervergütungen wurde wegen der großen Zahl der Abrechnungsvorgänge der hohe Betrag von 360.000 Euro ohne Rechtsgrund an die Prüfer ausbezahlt, womit der entsprechende Haushaltsansatz erheblich überschritten worden ist. Dem steht beim Kläger ein relativ geringer Betrag, nämlich 356 Euro, entgegen, dessen Rückzahlung für ihn ohne existenzielle Auswirkungen bleibt. Auf die Sorgfaltspflichten des Klägers im Hinblick auf die Überprüfung, ob das Entgelt zutreffend festgesetzt worden ist, kommt es dabei nicht an. Das öffentliche Interesse überwiegt gerade auch bei dessen Gutgläubigkeit. Ungeachtet der Verantwortlichkeit für die Überzahlung hat der Kläger eine Leistung bekommen, auf die er keinen Anspruch hatte und die er nach dem Rechtsgedanken des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich wieder herausgeben muss. Angesichts der Bedeutung, die die Summe der vielen zu Unrecht ausbezahlten Beträge für den Staatshaushalt hat, kann sich das Interesse des einzelnen Empfängers am Bestand der fehlerhaften Vergütungsfestsetzung nur dann durchsetzen, wenn dafür ganz besondere Gründe vorliegen, die hier nicht ersichtlich sind.

d) Liegen somit die rechtlichen Voraussetzungen der (teilweisen) Rücknahme der Festsetzungen der Prüfervergütung vor, durfte die Regierung von Oberbayern nach pflichtgemäßem Ermessen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und die Festsetzungen der Prüfervergütung mit Wirkung für die Vergangenheit - nur eine solche kommt hier in Betracht - zurücknehmen, soweit die Vergütungen zu hoch festgesetzt worden sind. Die Rücknahme steht auch in zeitlicher Hinsicht im Ermessen der Behörde (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 48 Rn. 128). Das gilt für sämtliche Rücknahmetatbestände (Kopp/Ramsauer a. a. O. Rn. 75). Sonst wäre die Rücknahme von Verwaltungsakten, die eine einmalige Geldleistung gewähren, nur sehr eingeschränkt möglich, was mit den öffentlichen Interessen nur schwer vereinbar wäre.

Fehler bei der Ausübung des Ermessens durch die Regierung von Oberbayern, die auch insoweit den hohen Gesamtbetrag der zu viel ausgezahlten Prüfervergütungen der vergleichsweise geringen und sich nicht existenziell auswirkenden Rückzahlungsverpflichtung der Betroffenen gegenüberstellt, sind nicht zu erkennen. Auch wenn unter Nr. III 3 der Gründe des Bescheids vom 14. Dezember 2011 nur unzureichend zum Ausdruck kommt, dass die Rechtswidrigkeit der Festsetzungen auf einer fehlerhaften Sachbearbeitung innerhalb der Behörde beruht und überdies die Überzahlung den Prüfern wegen des höheren zeitlichen Aufwands gegenüber den Prüfungen vor der Änderung der Approbationsordnung plausibel erscheinen durfte, zeigen die Gründe in ihrer Gesamtheit und insbesondere in Nr. II 2, dass die erforderlichen Erwägungen durchgeführt worden sind. Die Regierung war sich bewusst, dass die Rechtswidrigkeit der Festsetzung der Vergütung auf einen Fehler im Behördenbereich zurückzuführen ist. Die Rede ist insoweit von einer „irrtümlichen“ und „versehentlichen“ Vergütung für jeden der zwei Prüfungstage statt einer einmaligen Vergütung für die gesamte Prüfung. Die Behörde sei gehalten, „fehlgeleitete Haushaltsmittel“ - das nimmt ebenfalls auf eine fehlerhafte Sachbehandlung Bezug - ihrer eigentlichen Zweckbestimmung wieder zuzuführen. Eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensfehlgebrauch sind insoweit nicht erkennbar.

e) Die Regierung von Oberbayern war ferner nicht durch den Ablauf der Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG an der Rücknahme der Festsetzungen der Prüfervergütung, soweit diese zu einer Überzahlung geführt haben, gehindert. Die Jahresfrist begann frühestens mit der Aufhebung von ersten Rückforderungsbescheiden durch das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. März 2011 in nahezu völlig gleichgelagerten Verfahren zu laufen, die denselben Berechnungsfehler zum Gegenstand hatten. Bei der Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG handelt es sich um eine Entscheidungsfrist, nicht um eine Bearbeitungsfrist. Nach der seit der Entscheidung des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 1984 (BVerwGE 70, 356) ständigen Rechtsprechung beginnt die Frist erst bei vollständiger Kenntnis der für die Rücknahme maßgebenden Sach- und Rechtslage zu laufen. Dabei ist nicht zu unterscheiden, ob der zurückzunehmende Verwaltungsakt wegen eines „Tatsachenirrtums“ oder eines „Rechtsirrtums“ rechtswidrig ist. Es kommt auf den konkreten Rechtsanwendungsfehler an. Das bedeutet, dass in einem Fall, in dem ein erster Rücknahmebescheid auf eine Klage des Betroffenen hin aufgehoben worden ist, die Frist nicht vor dem Ergehen der Aufhebungsentscheidung zu laufen beginnt. Erst dann kennt die Behörde die Sach- und Rechtslage vollständig und hat nach der Durchführung gegebenenfalls notwendiger weiterer Ermittlungen ein Jahr Zeit, zu entscheiden, ob der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (BVerwG, U. v. 28.6.2012 - 2 C 13/11 - BVerwGE 143, 230; BayVGH, U. v. 15.3.2001 - 7 B 00.107 - VGH n. F. 54, 88). Gleiches gilt für die hier zu entscheidende Fallgestaltung, in der ein erster Rücknahmebescheid nicht vom Gericht, sondern von der Behörde selbst aufgehoben worden ist, weil in gleichgelagerten Fällen gleichzeitig oder im nahen zeitlichen Zusammenhang ergangene Rücknahmebescheide vom Verwaltungsgericht aufgehoben worden sind. Erst seit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom 1. März 2011 war die Regierung von Oberbayern in der Lage, die Sach- und Rechtslage im Licht dieser Entscheidung neu zu prüfen und beanstandete Fehler zu korrigieren, wie die Nachholung der fehlenden Anhörung und die erneute Überprüfung der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Ausführungen des Gerichts zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens.

f) Der ebenfalls angefochtene Rückforderungsbescheid ergibt sich gemäß Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG aus der (teilweisen) Rücknahme der Festsetzungen der Prüfervergütung. Nach Art. 49a Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG gelten für die Rückforderung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Soweit danach eine Erstattung der Überzahlung ausgeschlossen ist, als der Empfänger nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB), wird auf die Ausführungen zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Klägers in den Bestand der Festsetzungen des Prüferentgelts, insbesondere ob er den Verbrauch dieser Leistungen nachweisen konnte (A 2 b), Bezug genommen.

B. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 709 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Annotations

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.

(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.

(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.

(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.