Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2018 - 1 ZB 18.765

bei uns veröffentlicht am20.12.2018

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 16. Januar 2013 untersagte die Beklagte der Klägerin, die als Schankwirtschaft genehmigte Gaststätte „M* … Cocktailbar und Lounge“ in der Form einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte zu betreiben und legte in zwangsgeldbewehrten Auflagen zu der erteilten gaststättenrechtlichen Genehmigung und den Baugenehmigungen fest, dass pro Monat maximal zwei vorher angezeigte bzw. genehmigte Vergnügungsveranstaltungen zulässig seien und ansonsten das Musikangebot allenfalls den Charakter von Hintergrundmusik annehmen dürfe. Nach einer am 3. Oktober 2015 in der Zeit von 1.00 - 1.30 Uhr durchgeführten Kontrolle stellte die Beklagte das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 1000,- € fällig und drohte mit Bescheid vom 7. Oktober 2015 ein erhöhtes Zwangsgeld an. Die erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. In dem Urteil wird ausgeführt, dass der Betrieb der Klägerin zum Zeitpunkt der Kontrolle aufgrund eines Gesamteindrucks tatsächlich in der Form einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte erfolgt sei. Eine präzise Lärmmessung sei für die Feststellung, dass das Musikangebot über Hintergrundmusik hinausgegangen sei, weder erforderlich noch allein entscheidend, da hierdurch nicht belegt werde, welchen Anteil die Musik bzw. die Gespräche an diesem Lärm hätten. Die absoluten Lärmwerte seien für die Annahme, dass ein Betrieb in Form einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte vorliege, nur ein Kriterium unter mehreren. Im Übrigen sei trotz der fehlenden Eichung des Messgeräts anzunehmen, dass eine Lautstärke geherrscht habe, die für Vergnügungsstätten dieser Art typisch sei.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) oder liegen nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.

Soweit die Klägerin geltend macht, dass die vom Gericht für seine Gesamtschau aufgeführten Umstände, die im Zulassungsantrag im Einzelnen wiedergegeben werden, schon grundsätzlich nicht die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin ihren Betrieb zum Zeitpunkt der Gaststättenkontrolle tatsächlich in Form einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte geführt habe, genügt diese bloße Behauptung bereits nicht dem Darlegungserfordernis. Das Gebot der Darlegung erfordert ein Mindestmaß an Substantiierung des klägerischen Vortrags, die Klägerin muss ihre Rechtsauffassung erläutern (vgl. BVerfG, B.v. 8.3.2001 - 1 BvR 1653/99 - NVwZ 2001, 552; B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 - NVwZ 2000, 1163; BVerwG, B.v. 9.3.1993 - 3 B 105.92 - NJW 1993, 2825). Lediglich der Einwand der Klägerin, dass es für die Lautstärke der Musik nicht maßgeblich auf den subjektiven Eindruck eines Kontrolleurs, sondern auf eine zuverlässige Lärmmessung ankommen müsse, genügt ansatzweise dem Darlegungserfordernis. Das Gericht hat aber zu Recht festgestellt, dass eine präzise Lärmmessung für die Feststellung, dass die Musikdarbietung über bloße Hintergrundmusik hinausgegangen ist, nicht erforderlich ist.

Für die Feststellung, dass ein angedrohtes Zwangsgeld fällig geworden ist, ist erforderlich, dass die Anordnungen in dem Bescheid vom 16. Januar 2013 vollstreckbar sind (Art. 19 Abs. 1 VwZVG) und die Klägerin die ihr auferlegen Pflichten nicht erfüllt hat (Art. 19 Abs. 2, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG). Die Rechtmäßigkeit der zwangsgeldbewehrten Auflagen kann mit der Feststellungsklage gegen das fällig gestellte Zwangsgeld nicht angegriffen werden. Diese wurde im Übrigen mit dem rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. März 2015 (M 11 K 13.295, vgl. den Beschluss des Senats vom 4.10.2017 - 1 ZB 15.1673) bestätigt. Die Beklagte hat in den Auflagen keine bestimmten Lärmrichtwerte festgesetzt. Das Musikangebot in der Gaststätte darf während der Betriebszeit, außerhalb der angezeigten bzw. genehmigten Vergnügungsveranstaltungen, allenfalls den Charakter von Hintergrundmusik annehmen und hat sich in der Lautstärke den anderen Geräuschen in der Gaststätte, welche durch Unterhaltungen und andere Nebengeräusche entstehen, unterzuordnen (Auflage 2.2). Auf einen Verstoß gegen diese Auflage hat die Behörde die Fälligkeitsmitteilung des Zwangsgeldes gestützt. Für die Feststellung des Kontrolleurs, dass die Lautstärke der Musik sämtliche übrigen Nebengeräusche (z.B. Unterhaltungen) übertönte, bedurfte es daher keiner exakten Lärmmessung. Eine absolute Lärmmessung kann für diese Feststellung wie andere Umstände (Einsatz eines Diskjockeys, der ansonsten in einem bekannten Nachtclub in München auflegt) nur ein bestätigendes Element sein. Die Beurteilung von Lärm ist nicht schon deswegen fehlerhaft, weil sie nicht auf Lärmmessungen beruht, sondern sich auf behördliche Feststellungen und Bewertungen stützt (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2015 - 22 CE 15.612 - juris Rn. 28; B.v. 24.5.2012 - 22 ZB 12.46 - NVwZ-RR 2012, 756; B.v. 29.2.2016 - 10 ZB 15.2168 - juris Rn. 7).

Die Klägerin macht weiter als „Verfahrensmangel“ geltend, dass das Gericht gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verstoßen habe, als es einerseits eine präzise Lärmmessung nicht für erforderlich gehalten habe und andererseits Lautstärken von 89 dB(A) bzw. 83 dB(A) für eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte als kennzeichnend ansehe und hieraus Folgerungen zum Nachteil der Klägerin ableite. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzuordnen, ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO stellt nur ausnahmsweise einen Verfahrensfehler dar (vgl. BVerwG, B.v. 30.12.2016 - 9 BN 3.16 - NVwZ-RR 2017, 1037 m.w.N.). Es ist aber unschädlich, dass das vorgebrachte Argument nicht dem zutreffenden Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugeordnet ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546). Die Feststellungen des Gerichts sind nicht, wie die Klägerin vorträgt, ungereimt oder widersprüchlich. Das Verwaltungsgericht hat die vorgenommene Messung der Lautstärke mit einem nichtgeeichten Messgerät nur ergänzend („im Übrigen“) gewürdigt und ausgeführt, dass selbst bei Berücksichtigung von Ungenauigkeiten Lärmwerte festgestellt worden seien, die für eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte kennzeichnend seien.

Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes mit 2000,- € verhältnismäßig ist. Das Zwangsgeld soll den Pflichtigen effektiv zur Befolgung einer Anordnung anhalten, es soll eine „Beugewirkung“ auf den Pflichtigen ausgeübt werden (vgl. BayVGH, B.v. 19.7.2017 - 10 ZB 16.133 - juris Rn. 12). Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG gibt hierzu als eine Ermessenserwägung vor, dass diese Wirkung vor allem erzielt wird, wenn durch das Zwangsgeld ein wirtschaftlicher Vorteil abgeschöpft wird, der im Fall der Nichterfüllung der Auflagen sonst beim Pflichtigen verbliebe. Damit muss die Behörde bei der Bemessung des Zwangsgeldes jedoch nicht einen Nachweis des wirtschaftlichen Vorteils führen (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2008 - 15 CS 08.455 - juris Rn. 19).

Soweit die Klägerin vorträgt, dass die Rechtssache tatsächlich und rechtlich schwierig sei, da zu klären sei, ob der Betrieb bei der Gaststättenkontrolle tatsächlich als kerngebietstypische Vergnügungsstätte betrieben worden sei und welche Anforderungen an das Vorliegen einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte zu stellen seien, wird weder aufgezeigt, warum diese Fragen tatsächlich und rechtlich schwierig zu beantworten sind noch liegt die angenommene Schwierigkeit vor (vgl. auch den Beschluss des Senats vom 4.10.2017 - 1 ZB 15.1673). Im Übrigen kommt es entscheidungserheblich darauf an, ob die Klägerin gegen eine erlassene Auflage verstoßen hat, in der die Zulässigkeit von Musikdarbietungen näher festgelegt wird.

Den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat die Klägerin bereits nicht ausreichend dargelegt (vgl. zur Darlegungslast BVerwG, B.v. 9.3.1993 - 3 B 105.92 - NJW 1993, 2825). Im Übrigen ist die als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage, unter welchen Voraussetzungen vom tatsächlichen Betrieb einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte auszugehen ist, nicht entscheidungserheblich, da die Beklagte die von der Klägerin zu beachtenden Pflichten in den Auflagen näher festgelegt hat. Hierauf hat auch das Verwaltungsgericht in erster Linie abgestellt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2018 - 1 ZB 18.765

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Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic
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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt. Gründe

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Verwaltungsgericht München Urteil, 19. März 2015 - M 11 K 13.295

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Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 20. Dez. 2010 - 1 BvR 2011/10

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Tenor 1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgese

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Tenor

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

2. ...

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, mit dem sein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil zurückgewiesen wurde. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte er eine Reduzierung der von ihm für das Jahr 2001 geforderten Abgaben für ein ärztliches Versorgungswerk angestrebt.

2

1. § 20 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Berliner Ärzteversorgung in der Fassung vom 1. April 2000 verpflichtet jedes Mitglied zur Leistung von Versorgungsabgaben, sofern Einkünfte aus ärztlicher Berufsausübung erzielt werden. Als allgemeine Versorgungsabgabe ist eine "Normalabgabe" zu zahlen, die gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung dem höchsten Pflichtbeitrag zur Angestelltenversicherung im gleichen Jahr entspricht. Als Mindestabgabe ist der 0,2-fache Betrag der Normalabgabe zu zahlen. In ständiger Verwaltungspraxis mussten im streitgegenständlichen Zeitraum Mitglieder, deren Einkommen 2.000 DM pro Monat unterschritt, nur einen reduzierten Versorgungsbeitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes der Rentenversicherung der Angestellten erbringen (im Folgenden: Härtefallregelung).

3

Im Jahr 2001 belief sich der höchste Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung der Angestellten auf 1.661,70 DM (849,61 €).

4

2. Der Beschwerdeführer ist Arzt und war aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Ärztekammer, der Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte) auch Mitglied der von ihr eingerichteten Ärzteversorgung.

5

Auf Grundlage eines Honorarvertrags war der Beschwerdeführer ab Juli 2000 als Bereitschaftsarzt für eine Privatklinik tätig. Da er zunächst weniger als 2.000 DM pro Monat verdiente, beantragte er bei der Beklagten eine Beitragsreduzierung auf Basis der Härtefallregelung, die diese mit Bescheid von Februar 2001 ab Januar 2000 gewährte. Für den Zeitraum ab Januar 2001 setzte die Beklagte gegenüber dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der Härtefallregelung einen monatlichen Beitrag von 81,20 DM fest. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Bereitschaftsarzt endete mit Ablauf des Monats Oktober 2001. Das letzte Honorar wurde im November 2001 ausgezahlt. Für den Rest des Jahres 2001 erzielte der Beschwerdeführer keine Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit mehr.

6

a) Nachdem der Beschwerdeführer den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vorgelegt hatte, aus dem sich Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 20.291 DM (10.374,62 €) ergaben, setzte die Beklagte im Mai 2003 für das Jahr 2001 bezüglich der Monate Januar bis Oktober 2001, ausgehend vom 0,2-fachen der Normalabgabe, einen monatlichen Beitrag von jeweils 169,92 € fest. Unter Berücksichtigung bereits gezahlter Beiträge und vorhandener Guthaben forderte sie vom Beschwerdeführer zugleich eine Nachzahlung in Höhe von 1.206,79 €. Der gegen die Höhe der Abgabe gerichtete Widerspruch des Beschwerdeführers blieb erfolglos.

7

b) Mit seiner daraufhin erhobenen Klage verlangte der Beschwerdeführer eine Reduzierung des Nachzahlungsbetrags auf 485,52 €, weil er der Härtefallregelung unterfalle. Sein monatliches Einkommen unterschreite die Grenze von 2.000 DM, weil das erst im November 2001 ausgezahlte Honorar nicht mehr als Einkommen berücksichtigt werden dürfe.

8

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Beklagte habe die Versorgungsabgaben für 2001 in der zutreffenden Höhe festgesetzt. Die Härtefallregelung könnte nicht zugunsten des Beschwerdeführers angewendet werden, weil sein monatliches Einkommen mehr als 2.000 DM pro Monat betragen habe. Abzustellen sei auf das Einkommen, das sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebe. Weder habe der Beschwerdeführer belegen können, dass in den im Steuerbescheid ausgewiesenen Einkünften auch Einkommen aus dem Jahr 2000 enthalten sei, noch komme es für das von Januar bis Oktober 2001 erarbeitete Einkommen auf den Zeitpunkt des Zuflusses an. Da nur für die Dauer der ärztlichen Tätigkeit Abgaben zu leisten seien, habe die Beklagte den 2001 verdienten Betrag auch richtigerweise lediglich auf 10 statt auf 12 Monate verteilt.

9

c) Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beantragte der Beschwerdeführer die Zulassung der Berufung. Er berief sich hierbei ausdrücklich auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Verwaltungsgericht sei nicht befugt gewesen, das ihm erst im November zugeflossene Einkommen zu berücksichtigten, weil es auf den Zufluss des Entgelts während der Dauer der Beschäftigung ankomme. Weiter sei zu erwähnen, dass die Beklagte ihre Forderung auch bei Anwendung des Entstehungsprinzips nicht begründen könne; denn in diesem Fall müssten von seinen einkommensteuerrechtlich für das Jahr 2001 ermittelten Einkünften aus selbständiger Arbeit seine während der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschafteten Honorare in Höhe von 985,50 DM abgezogen werden, wodurch nur noch Jahreseinkünfte von 19.305 DM verblieben. Dies führe ebenfalls zur Anwendung der Härtefallregelung. Der Beschwerdeführer bezog sich dabei auf bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Unterlagen. Seinem Schriftsatz war darüber hinaus als Anlage ein von Januar 2010 datierendes Schreiben der Rechtsnachfolgerin der Klinik, für die er tätig gewesen war, beigefügt, aus dem sich ergab, dass der Beschwerdeführer im Monat Dezember 2000 am 2., 9., 25., 28. und 31. Dezember Dienste absolviert hatte.

10

d) Das Oberverwaltungsgericht wies den Zulassungsantrag zurück. Die Berufung sei nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zuzulassen, weil ein Divergenzfall nicht gegeben sei. Auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils in Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden nicht. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts sei sowohl mit Wortlaut als auch mit Sinn und Zweck der Satzung vereinbar. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, die sein Einkommen im Jahr 2001 beträfen, seien in Bezug auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht entscheidungserheblich. Nichts anderes ergebe sich, wenn man zu seinen Gunsten unterstelle, dass er insoweit ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung habe geltend machen wollen; denn in diesem Fall sei durch die bloße Vorlage eines Honorarvertrags nicht nachgewiesen, dass im Januar 2001 Honorare für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit gezahlt worden seien.

11

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.

12

a) Die Nichtzulassung der Berufung verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG, hilfsweise gegen Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG als allgemeines Prozessgrundrecht auf ein faires Gerichtsverfahren. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sei erfüllt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Falsch sei schon, dass das Gericht auf das Entstehungsprinzip abgestellt habe, denn maßgebend sei das Zuflussprinzip. Das ihm erst im November 2001 zugegangene Honorar dürfe daher nicht mitberücksichtigt werden. Selbst bei Anwendung des Entstehungsprinzips müsse aber zu seinen Gunsten die Härtefallregelung eingreifen; auch dann liege sein durchschnittliches Monatseinkommen während des maßgeblichen Zeitraums unter der Grenze von 2.000 DM. Es müsse nämlich das Honorar, das in der zweiten Dezemberhälfte des Jahres 2000 von ihm erwirtschaftet worden sei, aus dem Einkommen, das sich aus dem Steuerbescheid 2001 ergebe, herausgerechnet werden.

13

b) Auch die Ablehnung der weiteren Zulassungsgründe verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Im Übrigen verletze die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Art. 3 Abs. 1 GG als Gleichbehandlungsgebot und Willkürverbot.

14

4. Der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin und der Ärztekammer Berlin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

II.

15

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist zudem offensichtlich begründet.

16

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2010 verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG.

17

a) Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; stRspr). Die Vorschrift erfordert zwar keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 49, 329 <343>; 83, 24 <31>; 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; 96, 27 <39>; stRspr); eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 65, 76 <90>; 96, 27 <39>; stRspr). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Sehen die prozessrechtlichen Vorschriften - wie §§ 124, 124a VwGO - die Möglichkeit vor, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, so verbietet Art. 19 Abs. 4 GG eine Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Vor diesem Hintergrund dürfen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthaltene Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils immer schon dann erfüllt, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris, Rn. 15).

18

b) Diese Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht verkannt und den Zugang des Beschwerdeführers zur Berufungsinstanz dadurch in unzumutbarer Weise verkürzt.

19

aa) Verfassungsrechtlich nicht haltbar ist schon der rechtliche Ausgangspunkt des Oberverwaltungsgerichts, eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO komme nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer nicht "nachgewiesen" habe, dass im Januar 2001 gezahltes Honorar auch Einkommen für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit enthalte. Des Nachweises einer solchen Behauptung durch den Antragsteller bedarf es im Berufungszulassungsverfahren gerade nicht. Schlüssige Gegenargumente liegen vielmehr bereits dann vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist. Ob tatsächliche Umstände, die ein Antragsteller schlüssig behauptet, auch wirklich gegeben sind, muss bei Unklarheiten nach Zulassung der Berufung während des sich anschließenden Berufungsverfahrens im Rahmen der Amtsermittlung geklärt werden. Es ist nicht zulässig, diese Prüfung ins Zulassungsverfahren vorzuverlagern und damit die eigentlich erforderliche Beweisaufnahme zu umgehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 2009 - 1 BvR 812/09 -, juris, Rn. 22).

20

bb) Der fehlerhafte rechtliche Ansatz des Oberverwaltungsgerichts führt auch zu einem verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Ergebnis. Das Gericht hätte die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zulassen müssen, weil der Beschwerdeführer im Berufungszulassungsverfahren eine das verwaltungsgerichtliche Urteil tragende Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat.

21

(1) Das Verwaltungsgericht geht, unter Zugrundelegung der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten, davon aus, dass ein Kammermitglied Anspruch auf einen (reduzierten) Beitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes zur Rentenversicherung der Angestellten hat, sofern es einen Monatsverdienst von weniger als 2.000 DM erzielt. Für den Beschwerdeführer verneint das Gericht dann einen solchen, die 2.000 DM-Grenze unterschreitenden Verdienst pro Monat, weil die von ihm im Jahr 2001 erzielten Einnahmen von 20.291 DM auf 10 Monate, nämlich den Zeitraum von Januar bis einschließlich Oktober 2001, zu verteilen seien. Denn die Einnahmen könnten nur auf die Monate verteilt werden, in denen sie erarbeitet worden seien; auf den Zeitpunkt des Zuflusses komme es nicht an. Für die Höhe der Einnahmen stützt sich das Verwaltungsgericht auf die aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebende Einkommenshöhe, unterstellt also, dass die sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergebenden Einnahmen vom Beschwerdeführer in dem Zeitraum von Januar bis Oktober 2001 erarbeitet worden sind und stützt seine Entscheidung auf diese Annahme.

22

(2) Demgegenüber hat der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung eingewandt, in den Einnahmen, die in dem Einkommensteuerbescheid 2001 ausgewiesen seien, seien auch Verdienste aus dem Jahr 2000 enthalten, und zwar Honorare in Höhe von 985,50 DM, die er durch seine ärztliche Tätigkeit in der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschaftet habe. Zum Beleg seiner Behauptung hat er das Schreiben von Januar 2010, wonach er im Dezember 2000 an fünf Tagen Dienste wahrgenommen hat, vorgelegt. Darüber hinaus hat er vorgetragen, aufgrund des klinikinternen Abrechnungsmodus sei das Honorar während seiner Tätigkeit immer jeweils von Monatsmitte zu Monatsmitte berechnet und anschließend ausgezahlt worden. Da hiernach für die Monate Januar bis Oktober 2001 nur noch ein Einkommen von 19.305 DM verbleibe - also weniger als 2.000 DM monatlich - sei die Härtefallklausel schon aus diesem Grunde auf ihn anzuwenden.

23

(3) Damit hat der Beschwerdeführer die Prämisse des Verwaltungsgerichts, in dem aus dem Steuerbescheid ergebenden Einkommen seien keine Einnahmen aus dem Jahre 2000 enthalten, mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Denn auf Grundlage der Behauptungen des Beschwerdeführers, die er zudem mit dem Schreiben von Januar 2010 belegt hat, erscheint es nicht lediglich als möglich, sondern sogar als nahe liegend, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts im Steuerbescheid des Jahres 2001 als Einkommen auch Honorar berücksichtigt war, das der Beschwerdeführer im Dezember 2000 erarbeitet hatte. Dafür spricht nicht nur das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sein Honorar in einem Abrechnungsmodus von Monatsmitte bis Monatsmitte berechnet und ausbezahlt wurde. Auch aus verwaltungspraktischen Gründen erscheint es wenig wahrscheinlich, dass insbesondere für eine ab dem 25. Dezember 2000, also während der Weihnachtsfeiertage und danach, geleistete Arbeit die Vergütung noch im selben Monat überwiesen werden konnte. Anhaltspunkte für eine Zahlung des Honorars im Voraus oder für Abschlagszahlungen gibt es nicht.

24

(4) Die Tatsachenfeststellungen, die der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen in Frage stellt, sind auch rechtlich erheblich. Denn das Verwaltungsgericht hätte, wären die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffend, seiner Klage jedenfalls teilweise stattgeben müssen. In diesem Fall hätte sich nämlich für 2001 ein in diesem Jahr "erarbeitetes" Honorar von lediglich 19.305,50 DM ergeben, weil 985,50 DM als Honorar für Dienste im Dezember 2000 von dem im Steuerbescheid 2001 ausgewiesenen Einkommen von 20.291 DM abzuziehen gewesen wären. Für die zehnmonatige ärztliche Tätigkeit des Beschwerdeführers im Jahr 2001 hätte sein monatlicher Verdienst folglich nur noch 1.930,55 DM betragen und damit die 2.000 DM-Grenze unterschritten. Nach der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsauffassung - die vom Oberverwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss auch nicht in Zweifel gezogen wird - wäre bei diesem geringen Einkommen die Härtefallregelung anzuwenden gewesen. Da sich die monatlichen Abgaben dementsprechend nur nach dem hälftigen Beitragssatz der Rentenversicherung für Angestellte, also der Hälfte von damals 19,1 %, errechnen würden, hätten sich diese nicht wie von der Beklagten festgesetzt auf - umgerechnet - 169,92 € belaufen, sondern lediglich auf 94,27 €. Auch die geltend gemachte Nachforderung würde sich entsprechend verringern.

25

cc) Dem Beschwerdeführer kann auch nicht entgegengehalten werden, er habe den Zulassungsgrund im Berufungszulassungsverfahren nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere ist es unschädlich, dass er in dem Zulassungsschriftsatz die von ihm vorgebrachten Argumente keinem beziehungsweise jedenfalls nicht dem zutreffenden Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugeordnet hat. Denn für eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung eines oder mehrerer Berufungszulassungsgründe ist es nicht notwendig, dass der Antragsteller ausdrücklich einen der in § 124 Abs. 2 VwGO normierten Zulassungsgründe oder die dort angeführten tatbestandlichen Voraussetzungen benennt. Ebenso ist es kein Hindernis, wenn der Antragsteller sein Vorbringen unter dem falschen Berufungszulassungsgrund erörtert oder verschiedene Gesichtspunkte, die bei unterschiedlichen Zulassungsgründen im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO relevant sein können, miteinander vermengt. Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet das den Zulassungsantrag prüfende Gericht nämlich dazu, den Vortrag des jeweiligen Antragstellers angemessen zu würdigen und durch sachgerechte Auslegung selbstständig zu ermitteln, welche Zulassungsgründe der Sache nach geltend gemacht werden und welche Einwände welchen Zulassungsgründen zuzuordnen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 2309/09 -, juris, Rn. 13; vgl. insoweit auch BVerfGK 5, 369 <375 f.>). Erst dann, wenn aus einer nicht auf einzelne Zulassungsgründe zugeschnittenen Begründung auch durch Auslegung nicht eindeutig ermittelt werden kann, auf welchen Zulassungsgrund der Antrag gestützt wird, stellt die Verwerfung des Antrags als unzulässig keine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zur Berufungsinstanz dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010, a.a.O., Rn. 13). Dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers ohne Schwierigkeiten dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuordnen lässt, folgt hier schon daraus, dass es vom Oberverwaltungsgericht unter diesem Gesichtspunkt geprüft wurde. Eine solche Zuordnung lag im Übrigen auch auf der Hand, weil die Ausführungen des Beschwerdeführers nur zu diesem Zulassungsgrund passen.

26

c) Die weiteren Argumente, die der Beschwerdeführer gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils vorgebracht hat, sind allerdings nicht geeignet, einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG zu begründen. Dass das Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf diese Einwände das Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verneint hat, lässt keine Grundrechtsverletzung erkennen. Der Beschwerdeführer hat schon nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Zufluss des Einkommens erst nach dem Ablauf des Zeitraums der Tätigkeit sei unschädlich - maßgeblich sei vielmehr der Zeitpunkt des Erarbeitens -, fehlerhaft sein sollte. Der Ansatz des Gerichts, allein an den Tätigkeitszeitraum anzuknüpfen und den Zuflusszeitpunkt als unerheblich anzusehen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

27

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) sei nicht gegeben, gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen könnte. Die Gründe, mit denen das Gericht das Vorliegen des Zulassungsgrundes ablehnt, sind gut nachvollziehbar. Dass sie den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht genügen könnten, ist nicht zu erkennen.

28

Eine Berufung auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) scheitert schließlich unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität schon daran, dass sich der Beschwerdeführer auf diesen Grund im Berufungszulassungsverfahren weder ausdrücklich noch der Sache nach berufen hat.

29

2. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Ob der Beschluss auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, kann daher offenbleiben.

30

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

Aktenzeichen: M 11 K 13.295

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 19. März 2015

Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte:

Nutzungsuntersagung; kerngebietstypische Vergnügungsstätte

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

... Gastronomie GmbH vertreten durch die Geschäftsführer ...

- Klägerin -

bevollmächtigt: Rechtsanwalt ...

gegen

... - Beklagte -

wegen Nutzungsuntersagung ... Wiese 2

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 11. Kammer,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den ehrenamtlichen Richter ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. März 2015 am 19. März 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihr untersagt wird, die von ihr auf dem Anwesen ... Wiese 2 in ... betriebene Gaststätte „... Cocktailbar und Lounge“ als kerngebietstypische Vergnügungsstätte zu betreiben. Das Grundstück liegt im Umgriff des Bebauungsplans „... Wiese“, der für die fragliche Fläche die Nutzungsart „Mischgebiet“ festsetzt. Außerdem liegt es im Umgriff des Bebauungsplans „... Nutzungsbeschränkung Altstadt und Zufahrtsbereich“, nach dessen textlichen Festsetzungen bestimmte Nutzungen von der Zulässigkeit ausgenommen sind.

Mit Bescheid vom ... Oktober 2006 erteilte die Beklagte dem Eigentümer des Anwesens eine Baugenehmigung zur Erweiterung des Kellergeschosses sowie zur Nutzungsänderung des ersten und zweiten Untergeschosses in der Gaststätte „...“ zur Erweiterung der Gaststätte. Die Betriebsbeschreibung „für die Gaststättenerweiterung des ... in die bestehenden Kellergewölberäume“ sah u. a. unter Nummer 4 vor, dass „Musikveranstaltungen (z. B. Konzert, Kabarett, Kleinkunst) in unregelmäßigen Abständen geplant“ seien. Die Betriebsbeschreibung ist mit einem Prüfungsvermerk der Beklagten vom ... Oktober 2006 versehen, wobei allerdings die Nummer 4 handschriftlich durchgestrichen und daneben der Vermerk „nicht zulässig i. S. VStättV“ angebracht wurde (Bl. 17 d. A.). Der Genehmigungsbescheid vom ... Oktober 2006 selbst enthält unmittelbar nach dem Tenor den - deutlich hervorgehobenen - Hinweis, dass sich die Genehmigung ausschließlich auf den Betrieb einer Gaststätte beziehe und der Betrieb einer Vergnügungsstätte unzulässig sei.

Am 29. März 2007 vermietete der Eigentümer die Kellerräume zur gastronomischen Nutzung an die geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin. Am ... April 2007 wurde der Klägerin für das Lokal, die „... Cocktailbar und Lounge“, eine Gaststättenerlaubnis - Betriebsart: Schankwirtschaft - erteilt.

Mit Schreiben vom 18. September 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es gebe Lärmbeschwerden von Anwohnern. Außerdem habe man dem Wochenprogramm entnommen, dass jeden Mittwoch ein ...-Tanzkurs mit anschließender „...-Party“, jeden ersten Mittwoch im Monat eine „...-Vibes mit DJ“, jeden Donnerstag eine „...-Party mit DJ“, jeden Freitag ein „Clubabend mit DJ“ und jeden Samstag eine Party mit DJ stattfinde. Die Klägerin werde darauf hingewiesen, dass nur eine gaststätten- und baurechtliche Genehmigung für eine „Schank- und Speisewirtschaft“ vorliege, in der maximal vier „sog. öffentliche Vergnügungsveranstaltungen“ pro Monat durchgeführt werden dürften. Bei der Vielzahl der öffentlichen Vergnügungsveranstaltungen der Klägerin handele es sich um eine Vergnügungsstätte, welche dort baurechtlich nicht zulässig sei (Bl. 66 d. A.).

Nach erneuten Lärmbeschwerden von Anwohnern in November 2009 kontrollierte das Ordnungsamt der Beklagten am 9. Dezember 2009 das Lokal. In einem Vermerk vom 10. Dezember 2009 wurde u. a. festgehalten, dass sich im „Nebenraum“ eine Tanzfläche, eine Diskjockey-Kabine mit einer leistungsstarken Musikanlage und an der Decke mehrere farbige Strahler als Teil einer „Lichtorgel“ befänden. Der Raum mache den Gesamteindruck einer Diskothek (Bl. 110). In einem weiteren Vermerk vom 10. Dezember 2009 hielt das Ordnungsamt fest, dass ein „Kompromiss“ denkbar wäre, der „auf Widerruf sehr großzügig jeweils für z. B. 3 Tage in der Woche“ Tanz- bzw. Diskoveranstaltungen nach vorheriger LStVG-Anzeige erlaube, wobei um 24.00 Uhr (Mittwoch/Donnerstag) bzw. 02.00 Uhr (Freitag/Samstag) die Musik enden solle, das Lokal aber danach noch ohne Musik bis 05.00 Uhr offen gehalten werden dürfe (Bl. 114).

Mit Schreiben vom 28. Februar 2010 stellte der Eigentümer des Anwesens ... Wiese 2 bei der Beklagten einen Antrag auf Änderung des Bebauungsplans „... Wiese“. Anstelle des bisher festgesetzten Mischgebiets solle wegen der Gastronomieräumlichkeiten im zweiten Kellergeschoss seines Anwesens ein Sondergebiet festgesetzt werden. Beigefügt war ein von der Klägerin in Auftrag gegebenes Schallschutzgutachten vom 22. Februar 2010.

Am ... Januar 2011 erteilte die Beklagte dem Eigentümer des Anwesens ... Wiese 2 eine die Gaststätte betreffende Tekturgenehmigung, die allerdings die zulässige Nutzungsart des Lokals „... Cocktailbar und Lounge“ nicht veränderte. Der Genehmigungsbescheid enthielt in unmittelbarem Anschluss an den Tenor in Fettdruck folgenden Hinweis: „Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Betrieb einer Vergnügungsstätte (Diskothek) nicht zulässig ist!“.

Im April 2011 beantragte ein in ... ansässiger Unternehmer bei der Beklagten, gegen die Klägerin bauaufsichtlich einzuschreiten, Er machte geltend, mit einem von ihm beabsichtigten Vorhaben, in ... eine Vergnügungsstätte betreiben zu dürfen, bei der Beklagten auf eine ablehnende Haltung gestoßen zu sein (Bl. 308 d. A.). Die Beklagte, der Eigentümer des Anwesens „... Wiese 2“ und die Klägerin versuchten, eine Übergangslösung bis zu einer Bebauungsplanänderung zu finden (Bl. 340 d. A.). Der zuständige Ausschuss des Stadtrats der Beklagten beschloss am ... Juni 2011, den derzeitigen Betrieb nur noch bis Ende 2011 zu dulden; bis dahin müsse vom Eigentümer des Anwesens das Bebauungsplanverfahren auf den Weg gebracht sein (Bl. 346 d. A.). Das gelang jedoch nicht. Der vorgenannte Konkurrent der Klägerin wandte sich in der Folge an die Regierung ... (im Folgenden: Regierung). In einer Besprechung, die dort am 13. Februar 2012 stattfand, schlug die Beklagte vor, der Klägerin zwei bis drei Tanzveranstaltungen pro Woche zu erlauben, die Regierung hielt jedoch maximal zwei Vergnügungs- bzw. Tanzveranstaltungen pro Monat für zulässig (Bl. 577 d. A.). In einer weiteren Besprechung am 25. Mai 2012 vertrat die Regierung die Ansicht, dass eine weitere Duldung nicht mehr vertretbar sei (Bl. 618 d. A.).

Mit Schreiben vom 13. Juli 2012 wies die Beklagte die Geschäftsführer der Klägerin darauf hin, dass sie ihre Gaststätte mittlerweile fortgesetzt als Vergnügungsstätte betreiben würden. Sie müssten den Betrieb der Gaststätte auf den bau- und gaststättenrechtlich konzessionierten Umfang nach der Betriebsart Schankwirtschaft ohne besondere Betriebseigentümlichkeit „zurückfahren“. Man empfahl die Einhaltung eines Stufenplans, der u. a. in der letzten Stufe, die bis zum 26. August 2012 erreicht sein sollte, im Wesentlichen vorsah, dass nur noch zwei Tanzveranstaltungen pro Monat stattfinden. Gelegenheit zur Äußerung wurde gegeben (Bl. 635 d. A.).

Auf Bitte des Bevollmächtigten der Klägerin verlängerte die Beklagte die Äußerungsfrist mehrfach weiter, zuletzt mit Schreiben vom 17. Oktober 2012 bis zum 6. November 2012 (Bl. 683 d. A.).

Mit Schreiben vom 6. November 2012 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin der Beklagten mit, er werde das nun noch in Feinheiten auszuarbeitende Konzept zur Fortführung des Unternehmens bis Ende der nächsten Woche übermitteln (Bl. 685). Das geschah jedoch in der Folge nicht.

Mit Bescheid vom ... Januar 2013 untersagte die Beklagte der Klägerin, die Gaststätte „... Cocktailbar und Lounge“ ab dem 15. März 2013 in Form einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte und somit in einer anderen Betriebsart zu betreiben, als in der gaststättenrechtlichen Erlaubnis vom 18. April 2007 und den Baugenehmigungen vom ... Oktober 2006 und ... Januar 2011 festgelegt sei (Nummer 1 des Bescheids). In Nummer 2 wurde verfügt, dass zur Einhaltung der in den vorgenannten Bescheiden festgelegten Betriebsart ab dem 15. März 2013 insbesondere folgende „Auflagen“ zu erfüllen seien:

Pro Monat seien in der Gaststätte maximal an zwei Tagen bei der Beklagten angezeigte bzw. von ihr genehmigte Vergnügungsveranstaltungen zulässig. Unter Vergnügungsveranstaltungen seien insbesondere solche Veranstaltungen zu verstehen, bei denen die Lautstärke der musikalischen Darbietung über die einer Hintergrundmusik hinausgehe und der Musik damit eine betriebsprägende Rolle zukomme. Das sei regelmäßig beim Einsatz eines Diskjockeys der Fall, ferner bei Veranstaltungen, bei denen das Tanzen geduldet oder sogar gefördert werde (Nummer 2.1).

Während der Betriebszeit, außerhalb der angezeigten bzw. genehmigten Vergnügungsveranstaltungen, dürfe das Musikangebot allenfalls den Charakter von Hintergrundmusik annehmen und habe sich in der Lautstärke den anderen Geräuschen in der Gaststätte, welche durch Unterhaltung und andere Nebengeräusche entstünden, unterzuordnen (Nummer 2.2).

Hinsichtlich der Nummern 1 bis 2.2 wurde die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet (Nummer 3). Ein Zwangsgeld in Höhe von 1000 Euro je Verstoß wurde für den Fall, dass die Verpflichtungen aus den Nummern 1 bis 2.2 nicht bis spätestens 15. März 2013 erfüllt würden, angedroht (Nummer 4).

Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen an:

Die Gaststätte der Klägerin verfüge über zwei Gasträume mit zusammen ca. 163 m². Der größere Gastraum sei mit einer leistungsstarken Musikanlage, einem DJ-Bereich und einer Lichtorgel ausgestaltet. In der Regel würden von Mittwoch bis Samstag Tanz- bzw. Vergnügungsveranstaltungen mit wechselnden Diskjockeys angeboten. Sonderveranstaltungen kämen hinzu. Die Konzeption der Gaststätte sei auf ein größeres, allgemeines Publikum ausgerichtet, welches vom Einzugsbereich nicht nur die nähere Umgebung, sondern zumindest das gesamte Stadtgebiet und die Nachbargemeinden umfasse. Die Autokennzeichen der Gäste sowie die Werbung im Internet ließen sogar auf einen Einzugsbereich bis außerhalb des Landkreises schließen.

Für eine Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO reiche grundsätzlich die bloße formelle Rechtswidrigkeit. Da die baurechtlichen Genehmigungen vom ... Oktober 2006 und ... Januar 2011 lediglich die Erweiterung einer Gaststätte ohne besondere Betriebseigentümlichkeit zuließen und beide Genehmigungen auch ausdrücklich darauf hinweisen würden, dass der Betrieb einer Vergnügungsstätte nicht zulässig sei, sei der derzeitige Betrieb als Vergnügungsstätte baurechtlich nicht genehmigt und formell rechtswidrig. Diese formell rechtswidrige Nutzung dürfe grundsätzlich nur dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig sei. Das Grundstück liege im Geltungsbereich zweier Bebauungspläne. Der Bebauungsplan „... Wiese“ sei ursprünglich im Jahr 1983 bekannt gemacht worden, die letzte Änderung stamme aus dem Jahr 1990, die jedoch die Grundzüge der Planung nicht tangiert habe. Es komme somit möglicherweise die BauNVO aus dem Jahr 1977 oder deren Fassung aus dem Jahr 1990 in Betracht. Nach der Rechtsprechung des BVerwG könnten Diskotheken oder diskothekenähnliche Betriebe, die der oben beschriebenen Ausgestaltung der Gaststätte der Klägerin entsprächen, nicht nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO 1977 als sonstige Gewerbebetriebe zugelassen werden. Mit der BauNVO 1990 hätten die Vergnügungsstätten eine eigenständige Regelung erhalten. Im Mischgebiet seien Vergnügungsstätten in Baugebietsteilen mit überwiegend gewerblicher Nutzung allgemein zulässig, in den übrigen Baugebietsteilen ausnahmsweise. In beiden Fällen dürfe es sich aber nicht um kerngebietstypische Vergnügungsstätten handeln. Die gastronomische Einrichtung der Klägerin sei aber als kerngebietstypische Vergnügungsstätte anzusehen.

Die als Vergnügungsstätte einzustufende Gaststätte der Klägerin stehe auch im Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans „... Nutzungsbeschränkung Altstadt und Zufahrtsbereich“. Die Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung komme nicht in Betracht.

Die Anlage stehe auch gaststättenrechtlich in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Der derzeitige Betrieb stelle einen Verstoß gegen § 3 Abs. 1 GastG dar, der zum Widerruf der Erlaubnis nach § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GastG führen könne.

Sowohl Art. 76 Satz 2 BayBO als auch § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GastG räumten der Behörde Ermessen ein. Die privaten Interessen der Klägerin und des Verpächters, eine möglichst hohe Rendite zu erzielen, sei kein Grund, die formell rechtswidrige und mit großer Wahrscheinlichkeit auch materiell rechtswidrige Nutzung weiter zu gestatten. Die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahmen sei schon dadurch gewährleistet, dass nicht von der einschneidenderen Maßnahme des Widerrufs der gaststättenrechtlichen Erlaubnis gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GastG Gebrauch gemacht worden sei, sondern durch die teilweise Nutzungsuntersagung gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO die Möglichkeit erhalten bleibe, eine Schankwirtschaft ohne Betriebseigentümlichkeiten weiter zu betreiben. Ferner sei eine ausreichende Frist für die Umstellung des Betriebs festgesetzt worden. Die höchstens zulässige Anzahl von 2 Vergnügungsveranstaltungen pro Monat sei auch eher großzügig bemessen.

Die Klägerin erhob am 23. Januar 2013 Klage, zu deren Begründung der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 16. April 2013 im Wesentlichen vorbrachte:

Die Klägerin betreibe zum Zeitpunkt des Erlasses der hoheitlichen Verfügung in zulässiger Weise eine bau- und gaststättenrechtlich genehmigte Schank- und Speisewirtschaft, allerdings in moderner, zeitgemäßer und vor Ort überaus beliebter Form. Der in der Besucherzahl ohnehin auf 200 Gäste, sich meterweise unter der Erde befindliche Betrieb der Klägerin, öffne Mittwoch bis Freitag um 18.00 Uhr, am Samstag um 19.00 Uhr. Die im Wesentlichen aus der näheren Umgebung stammenden Gäste seien nicht mehr jugendlich. Sie seien normal gekleidet und jedweden Alters über dem festgelegten Eintrittsalter von 23 Jahren. Sie blieben in der Regel den ganzen Abend ohne Eintrittsgeld bezahlen zu müssen im Lokal und gingen ausschließlich zum Rauchen nach oben. Die Türen seien grundsätzlich geschlossen, so dass insbesondere von unten kein Lärm nach oben dringe. Die mit dem Auto kommenden Gäste würden auf einem privaten Parkplatz neben dem Eingangsbereich oder hinter der alten Gaststätte bzw. im Übrigen im öffentlichen Parkraum parken. Der Bevollmächtigte der Klägerin habe bei seinem Ortstermin fast ausschließlich Autos mit ... Kennzeichen gesehen. Es gebe keine die Umgebung beeinträchtigenden schädlichen Umwelteinwirkungen. Im Lokal würden mannigfaltige Getränke jedweder Art zu normalen Preisen angeboten. Des Weiteren würden Pizzen, Baguettes und Nachos serviert. Am Mittwoch und Freitag gebe es auch Sushi und am Donnerstag ein bayerisches Buffet. Die räumliche Gestaltung entspreche einer Schank- und Speisewirtschaft ohne Betriebseigentümlichkeit. Das ergebe sich insbesondere aus der Zahl der Sitzplätze im Verhältnis zur Betriebsfläche, aus der Einrichtung, der Dekoration und der Beleuchtung. Es gebe nur einen dezenten Laser und eine Lichtorgel, die nur ausnahmsweise betrieben werde. Bei der deutlich unter Diskothekenniveau gespielten Musik handele es sich jedenfalls nach zeitgemäßem Verständnis um „Hintergrundmusik“. Die Musik erreiche zu keiner Zeit eine Lautstärke, bei der die Gäste nicht mehr miteinander kommunizieren könnten. Der DJ sei ausschließlich am Samstag anwesend, beschränke sich auf das „Auflegen“ und mache insbesondere keine Ansagen. Beim Ortstermin des Bevollmächtigten der Klägerin sei nicht getanzt worden. Das sei bei den räumlichen Verhältnissen auch gar nicht möglich. Besondere Veranstaltungen fänden nur an Silvester und im Fasching statt.

Für die getroffenen Anordnungen fehle es an einer Rechtsgrundlage. Ein Recht zum Einschreiten sei jedenfalls durch mehrjähriges Dulden verwirkt. Die Beklagte habe sich offenkundig nicht innerhalb der Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens gehalten, wie die vorhandenen unsachlichen Erwägungen zur wirtschaftlichen Seite des Betriebs, zur behaupteten Beeinträchtigung der Nachbarschaft und zur angeblichen Konkurrenzsituation belegen würden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom ... Januar 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrem Bescheid fest und verweist insbesondere darauf, dass sich ausweislich der Internetseite der Klägerin, die in Auszügen vorgelegt wurde, an der Betriebsgestaltung prinzipiell nichts geändert habe. Nach wie vor fänden sowohl unter der Woche als auch am Wochenende Veranstaltungen statt, die für eine Schank- und Speisewirtschaft ohne Betriebseigentümlichkeiten nicht üblich seien. Hierfür sprächen auch der vom Bevollmächtigten der Klägerin selbst angeführte Laser und die Lichtorgel. Die Behauptung, dass nur an Silvester und Fasching besondere Veranstaltungen stattfinden würden, sei allein durch das auf der Internetseite veröffentlichte Monatsprogramm widerlegt. Nach herrschender Rechtsprechung könnten öffentlich-rechtliche Befugnisse zum Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände nicht verwirkt werden. Auch einen Bestandsschutz könne die Klägerin nicht geltend machen.

Die Kammer hat am 19. März 2015 Beweis über die örtlichen Verhältnisse durch Einnahme eines Augenscheins erhoben und anschließend die mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen der beim Augenschein getroffenen Feststellungen und des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt daher die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Inhalt des streitgegenständlichen Bescheids ist ausschließlich eine baurechtliche Nutzungsuntersagung einschließlich der damit verbundenen Nebenentscheidungen. Eine die Klägerin belastende gaststättenrechtliche Entscheidung wurde im Bescheid dagegen nicht getroffen. Das äußerliche Erscheinungsbild des Bescheides und verschiedene darin enthaltene Ausführungen weisen zwar zunächst in diese Richtung. So wurde der Bescheid nicht vom Bauordnungsamt der Beklagten erlassen, sondern vom für den Vollzug des Gaststättenrechts zuständigen Amt für öffentliche Sicherheit und Ordnung. Auch ist im Betreff des Bescheids neben dem ebenfalls genannten Vollzug der BayBO an erster Stelle vom „Vollzug des Gaststättengesetzes“ die Rede. Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung wird auch und sogar an erster Stelle die „sachliche, gaststättenrechtliche Zuständigkeit“ bejaht. Unter einem eigenen Gliederungspunkt wird schließlich sogar ausführlich dargelegt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnis vorlägen. (Erst) aus den anschließenden Ermessenserwägungen (Seite 8 unten des Bescheids) ergibt sich aber eindeutig, „dass nicht von der einschneidenderen Maßnahme des Widerrufs der gaststättenrechtlichen Erlaubnis nach § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GastG Gebrauch gemacht wurde“, sondern nur eine „teilweise Nutzungsuntersagung gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO“ ausgesprochen wurde.

2. Die auf Art. 76 Satz 2 gestützte bauordnungsrechtliche Nutzungsuntersagung ist rechtmäßig.

a) Die getroffene Entscheidung ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist die sachliche Zuständigkeit gegeben. Sachlich zuständig für Entscheidungen nach Art. 76 Satz 2 BayBO ist die untere Bauaufsichtsbehörde (Art. 53 Abs. 1 Satz 2 BayBO), d. h. grundsätzlich die Kreisverwaltungsbehörde (Art. 53 Abs. 1 Satz 1 BayBO), im vorliegenden Fall aufgrund der Sonderregelung in Art. 9 Abs. 2 GO i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrKrV die Beklagte als Große Kreisstadt. Dass behördenintern die Entscheidung nicht vom Bauordnungsamt der Beklagten getroffen worden ist, ist insoweit unerheblich. Die Verteilung der Aufgaben innerhalb der Beklagten auf verschiedene Abteilungen, Referate etc. ist behördeninterner Natur und vermag nichts daran zu ändern, dass die Entscheidung von der nach außen sachlich zuständigen Behörde, der Beklagten als unterer Bauaufsichtsbehörde, getroffen worden ist.

b) Die Nutzungsuntersagung ist auch materiell rechtmäßig.

aa) Die Klägerin betrieb zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses die Gaststätte „... Cocktailbar und Lounge“ im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne des Art. 76 Satz 2 BayBO.

Bei der Gaststätte der Klägerin handelte es sich damals bauplanungsrechtlich nach der tatsächlichen Art der Nutzung nicht mehr um eine „Schank- und Speisewirtschaft“ im Sinne der von der BauNVO verwendeten Terminologie. Es lag vielmehr eine „Vergnügungsstätte“ vor (aaa), die zudem als „kerngebietstypisch“ im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zu qualifizieren war (bbb).

aaa) Als Ausgangspunkt für die Auslegung des bauplanungsrechtlichen Begriffs der „Schank- und Speisewirtschaft“, der in der BauNVO nicht näher definiert ist, können die bundesrechtlichen Legaldefinitionen in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GastG dienen (Stock, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, § 4 Rn. 57). Danach wird eine Schankwirtschaft betrieben, wenn im stehenden Gewerbe Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden; eine Speisewirtschaft liegt vor, wenn zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden. In beiden Fällen muss der Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich sein. Die in der BauNVO ebenfalls nicht näher definierte „Vergnügungsstätte“ ist dagegen durch kommerzielle Freizeitgestaltung und Amüsierbetrieb gekennzeichnet (Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, § 6 Rn. 42). Unter Würdigung der maßgeblichen Gesamtumstände, insbesondere auch des beim Augenschein erlangten Eindrucks der Räumlichkeiten der Gaststätte, ist im vorliegenden Fall die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass bauplanungsrechtlich eine Vergnügungsstätte vorlag und nicht mehr eine Schank- und Speisewirtschaft.

Zwar verliert eine Gaststätte den Charakter einer Schank- und Speisewirtschaft nicht ohne weiteres dadurch, dass Gäste dort über den Verzehr von Speisen und Getränken hinaus auch die Möglichkeit haben, sich „amüsieren“ zu können. Gerade für Schankwirtschaften ist nicht untypisch, dass sie neben dem Verzehr von Getränken auch ein gewisses Maß an „Zerstreuung“ und „geselligem Beisammensein“ bieten und auch bieten dürfen, ohne sogleich zur Vergnügungsstätte im Sinne des Bauplanungsrechts zu werden. Der konkrete Betrieb der Gaststätte der Klägerin war jedoch zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses in einer Weise ausgestaltet, bei der das „Amüsement“ gegenüber dem Verzehr von Speisen und Getränken derart prägend im Vordergrund stand, dass der Betrieb als Vergnügungsstätte zu qualifizieren ist.

Insbesondere ging die zur Unterhaltung der Gäste eingesetzte Musik nach Funktion und Lautstärke nicht nur gelegentlich, sondern den gesamten Gaststättenbetrieb entscheidend prägend deutlich über eine zurückhaltende Hintergrund- oder dezente Barmusik hinaus. Die Kammer schließt das aus folgenden Umständen: Es sind eine leistungsstarke Musikanlage, eine Lichtorgel und ein Laser vorhanden. Aus Bl. 553, 554, 739, 740 der Behördenakten ist ersichtlich, dass die Klägerin vor Bescheidserlass auf ihrer Website explizit mit unterschiedlichen Musikstilen an verschiedenen Wochentagen geworben (...: „beste Rhythmen Lateinamerikas“; ...: „die besten Hits der 70er - 90er und Charts“; ...: „die besten Dance-, Electro- und House-Tunes“) und hierbei auch die besondere Rolle des Diskjockeys herausgestellt hat (...: „Ab 21.00 heizt euch DJ ... … ein“; ...: „Unsere wechselnden Top-DJs verwöhnen euch …“). Eine solche Werbung ergäbe keinen Sinn, wenn im Lokal lediglich der Einsatz von Hintergrundmusik beabsichtigt und praktiziert worden wäre. Dass die Klägerin, wie von ihr vorgetragen, noch vor Bescheidserlass ihr Betriebskonzept geändert habe, hält die Kammer nicht für glaubwürdig. Aus den Behördenakten geht hervor, dass diese Internetseiten mit vergleichbarem Inhalt auch deutlich nach Bescheidserlass noch abrufbar waren, so am ... März 2013, am ... Juli 2013, am ... März 2014, am ... Mai 2014 und am ... September 2014 (vgl. Bl. 788, 789, 853, 899, 924, 954).

Es kommt hinzu, dass in der Gaststätte in manchen Monaten im Wochenrhythmus unter ein besonderes Motto gestellte Sonderveranstaltungen stattfanden, bei denen namentlich genannte Diskjockeys und deren Musikangebot besonders herausgestellt wurden (vgl. Bl. 630 d. A.: „Code White“ am ... Juli 2012, „Spaß am Glas“ am ... Juli 2012, „Nacht der Nächte“ am ... Juli 2012, „Miami Pop“ am ... Juli 2012) oder schon allein das Motto den Vergnügungscharakter der Veranstaltung zum Ausdruck bringt (vgl. Bl. 748 d. A.: „Saturday Night Fever“ am ... Dezember 2012, „Ibiza Calling“ am ... Dezember 2012, „Austrian Showtime“ am ... Dezember 2012, „Ibiza World Club Tour“ am ... Dezember 2012“).

Bestimmte, auf die Internetseite eingestellte Fotos, die eine ausgelassene Tanz- und Partystimmung vermitteln (Bl. 718 d. A.) und den Diskjockey und seine animierende Funktion herausstellen (Bl. 724 d. A.), zeigen, dass es der Klägerin darauf ankam, herauszustellen, dass die Gäste bei weitem nicht nur ein bestimmtes Angebot an Speisen und Getränken erwartet, sondern in erster Linie eine durch Musik und Partystimmung geprägte Atmosphäre.

Weitere Umstände runden das Bild ab. So wurde als Dresscode auf der Internetseite für Freitag- und Samstagabend jeweils vorgegeben, dass die Kleidung nicht nur „chic“ sondern zudem „sexy“ sein sollte (vgl. die vgl. Bl. 553, 739, 788, 853, 899, 924, 954), was für Schank- und Speisewirtschaften ebenso unüblich ist wie eine Einlasskontrolle, bei der gezählt wird, wie viele männliche und wie viele weibliche Gäste bereits anwesend sind (vgl. z. B. Fotos Bl. 877, 878). Auch diese Umstände zeigen, dass im Lokal eine auf „Amüsement“ angelegte Freizeitgestaltung gegenüber dem Verzehr von Speisen und Getränken deutlich im Vordergrund stand.

Insgesamt lag hier somit eine Vergnügungsstätte vor.

bbb) Bei der Vergnügungsstätte der Klägerin handelte es sich um eine solche, die im Sinne des § 4 a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO „wegen ihrer Zweckbestimmung oder ihres Umfangs nur in Kerngebieten allgemein zulässig“ ist. Nach der Rechtsprechung des BVerwG - die letztlich zur heutigen Regelung in § 4 a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO geführt hat - sind solche „kerngebietstypischen“ Vergnügungsstätten dadurch gekennzeichnet, dass sie einen „größeren Einzugsbereich“ haben und „für ein größeres und allgemeines Publikum erreichbar sein sollen“ (BVerwG, Urt. v. 25.11.1983 - 4 C 64/79 - juris Rn. 11; Urt. v. 21.02.1986 - 4 C 31/83 - juris R. 10). Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen, folgt ohne weiteres aus dem erkennbar auf einen großen Einzugsbereich angelegten Internetauftritt der Klägerin (vgl. die oben angegebenen Aktenseiten) und der Größe des Lokals, das jedenfalls 200 Gäste fassen kann (vgl. z. B. die am 25. August 2013 vorgenommen Zählung, Bl. 878 d. A. sowie die Fotos vom Lokal, z. B. Bl. 239, 245, 879) und auch fassen darf (Tekturgenehmigung vom ...01.2011, Brandschutzauflage Nr. 9, Bl. 301 d. A.).

ccc) Der Betrieb der kerngebietstypischen Vergnügungsstätte ist formell rechtswidrig, weil mit den Baugenehmigungen vom ... Oktober 2006 und ... Januar 2011 nur der Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft genehmigt worden ist und der Betrieb einer Vergnügungsstätte - sei sie kerngebietstypisch oder auch nicht - eine Nutzungsänderung darstellt, die nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig ist. Verfahrensfrei ist nach Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO eine Nutzungsänderung nur dann, wenn für die neue Nutzung keine anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen nach Art. 60 Satz 1 und Art. 62 BayBO in Betracht kommen. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, weil für Vergnügungsstätten andere bauplanungsrechtliche Regelungen gelten als für Schank- und Speisewirtschaften.

bb) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung liegen damit grundsätzlich vor. Ob die untersagte Nutzung materiell genehmigungsfähig wäre, ist - sofern die Genehmigungsfähigkeit offensichtlich ist - nur für die Frage bedeutsam, ob das Ermessen ordnungsgemäß betätigt wurde (siehe unten ee). Die ausgesprochene Nutzungsuntersagung hält sich auch insoweit im Rahmen des Art. 76 Satz 2 BayBO, als sie der Klägerin nur untersagt, die Gaststätte in Form einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte zu betreiben. Nicht untersagt wurde damit der Klägerin, die Gaststätte wieder in der Form zu betreiben, die baurechtlich genehmigt worden ist. Dass der Bescheid der Klägerin formal nicht verbietet, die Gaststätte ggf. als nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätte weiter zu betreiben, ist unerheblich. Zwar wäre auch eine solche Nutzung, weil sie der Klägerin bisher nicht genehmigt ist, zumindest formell rechtswidrig. Die Klägerin ist aber jedenfalls nicht dadurch beschwert, dass der Bescheid der Klägerin nicht auch weitergehend eine solche Nutzung untersagt hat.

cc) Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die von der Beklagten in Nummer 2 des Bescheids vorgenommene Konkretisierung.

Die in Nummer 2.1 Satz 1 des Bescheidstenors enthaltene Beschränkung, dass die Klägerin monatlich nur an zwei Tagen Vergnügungsveranstaltungen durchführen darf, wäre nur dann rechtswidrig, wenn auch bei einer größeren Anzahl durchgeführter Vergnügungsveranstaltungen die Gaststätte weiterhin noch nicht als Vergnügungsstätte zu qualifizieren wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Selbst der der Klägerin zugestandene durchschnittlich etwa 14tägige Rhythmus führt dazu, dass die Gaststätte als Betrieb erscheint, in der Vergnügungsveranstaltungen mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattfinden, so dass die Vergnügungsveranstaltungen den Betrieb schon in gewisser Weise prägen. Nach Ansicht der Kammer ist daher die von der Beklagten der Klägerin zugestandene Anzahl an Vergnügungsveranstaltungen jedenfalls nicht zulasten der Klägerin als zu gering festgesetzt.

Nicht zu beanstanden ist auch die Konkretisierung des Begriffs der Vergnügungsveranstaltung in Nummer 2.1 Sätze 2 bis 4 des Bescheidstenors. Die von der Beklagten gewählten Kriterien beschreiben zutreffend, wann vom Vorliegen einer Vergnügungsveranstaltung auszugehen ist. Dass die Umschreibung des Begriffs der Vergnügungsveranstaltung nicht abschließend ist („insbesondere“), führt nicht zur Unbestimmtheit der Regelung. Die Umschreibung in Nummer 2.1 Sätze 2 bis 4 und Nummer 2.2 des Bescheidstenors erfasst jedenfalls die für die Klägerin relevanten Umstände derart, dass für sie hinreichend deutlich wird, wie sie ihr Betriebskonzept umstellen muss.

Entgegen der vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht ist eine Unbestimmtheit von Nummer 2 auch nicht deshalb anzunehmen, weil sie Begriffe verwendet, die Unschärfen aufweisen (z. B. „Hintergrundmusik“, „regelmäßig bei Einsatz eines Diskjockeys“, „Duldung oder Förderung des Tanzens“). Das ist jedoch grundsätzlich - und so auch hier - hinzunehmen, weil ohne die Verwendung solcher Begriffe angesichts der Unterschiedlichkeit der möglichen Lebenssachverhalte nicht alle Einzelfälle angemessen erfasst werden könnten.

dd) Die Befugnis zum Einschreiten ist auch entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten der Klägerin nicht verwirkt worden. Bauaufsichtliche Befugnisse unterliegen nicht der Verwirkung (vgl. Simon/Busse/Decker, BayBO, Art. 76 Rn. 216). Ist eine Behörde lange Zeit untätig geblieben, kann dies für die Frage bedeutsam sein, ob das Ermessen ordnungsgemäß betätigt wurde (siehe sogleich).

ee) Die Beklagte hat das ihr durch Art. 76 Satz 2 BayBO eingeräumte Ermessen ordnungsgemäß betätigt.

aaa) Insoweit ist zunächst zu bedenken, dass bei einer Nutzungsuntersagung das Ermessen in dem Sinne intendiert ist, dass das Gebrauchmachen von der Befugnis des Art. 76 Satz 2 BayBO grundsätzlich keiner besonderen Begründung bedarf und eine ermessensgerechte Entscheidung darstellt. Davon ausgehend, sind im vorliegenden Fall keine Ermessensfehler ersichtlich.

bbb) Insbesondere ist die Nutzung nicht offensichtlich materiell genehmigungsfähig. Die Nutzung ist vielmehr nicht genehmigungsfähig.

Der Betrieb der Klägerin liegt in einem durch den Bebauungsplan „... Wiese“ festgesetzten Mischgebiet, in dem kerngebietstypische Vergnügungsstätten nach der Art der baulichen Nutzung unzulässig sind. Auf die Frage, ob insoweit die BauNVO 1977 oder eine spätere Fassung der BauNVO anzuwenden ist, kommt es nicht an. Zwar wurde die jetzige Regelung in § 6 Abs. 2 Nr. 8, Abs. 3 BauNVO, wonach nur nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten in den überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägten Teilen eines Mischgebiets allgemein zulässig sind und außerhalb der überwiegend gewerblich genutzten Teile eines Mischgebiets ausnahmsweise zugelassen werden können, erst mit der BauNVO 1990 eingeführt. Die frühere Regelung in § 6 BauNVO 1997, die - im Unterschied zu § 7 BauNVO 1977 - Vergnügungsstätten nicht als eigenständige Nutzungsart erfasste, ist jedoch so auszulegen, dass im Mischgebiet eine Vergnügungsstätte nur dann als „sonstiger Gewerbebetrieb“ im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO zulässig ist, „wenn sie nicht dem Typus der Vergnügungsstätte, wie er für Einrichtungen im Kerngebiet kennzeichnend ist, entspricht und keine wesentlichen Störungen für die Wohnruhe vor allem am Abend und in der Nacht mit sich bringt“ (BVerwG, U. v. 25.11.1983 - 4 C 64/79 - juris Rn. 12).

Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB kommt nicht in Betracht, weil die Zulassung die Grundzüge der Planung berührt. Daran ändert auch das vom Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schreiben der in einem benachbarten Gebäude ansässigen ... vom 18. Mai 2010 nichts. Auf die Frage, ob und welche Lärmbelästigungen für die Nachbarschaft im vorliegenden konkreten Fall vom Betrieb der Klägerin ausgehen, kommt es nicht an, da im Hinblick auf die Frage, ob eine bestimmte Art der Nutzung mischgebietsverträglich ist, eine typisierende Betrachtung geboten ist. Die von der Klägerin betriebene kerngebietstypische Vergnügungsstätte ist daher bauplanungsrechtlich unzulässig.

Ob insoweit auch der weitere Bebauungsplan der Beklagten „... Nutzungsbeschränkung Altstadt und Zufahrtsbereich“ entgegen stünde, kann wegen der bereits aufgrund des Bebauungsplans „... Wiese“ feststehenden bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit offen bleiben. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass nach der Begründung des Bebauungsplans „... Nutzungsbeschränkung Altstadt und Zufahrtsbereich“ zweifelhaft erscheint, ob der Plangeber alle Arten von Vergnügungsstätten überhaupt hat ausschließen wollen. In der Begründung zum Bebauungsplan ist insoweit ausgeführt, dass es zwingend erforderlich sei, „Spielhallen und Unternehmungen, die ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten mit oder ohne Gewinnmöglichkeit dienen, sowie Verkaufs- Vorführ- oder Gesellschaftsräume, deren ausschließlicher oder überwiegender Geschäftszweck auf den Verkauf von Artikeln, auf Darstellungen oder auf Handlungen mit sexuellem Charakter ausgerichtet sind [richtig: ist], von der generellen Zulässigkeit … auszuschließen“. Diese Formulierung deutet darauf hin, dass der Plangeber neben Spielhallen und ähnlichen Betrieben im Grunde nur Betriebe des „Rotlichtmilieus“ fernhalten wollte, zu denen die Vergnügungsstätte der Klägerin nicht gehört.

ccc) Ermessensfehlerhaft ist das Gebrauchmachen von der Eingriffsbefugnis auch nicht deshalb, weil die wesentlichen Umstände der Beklagten bereits seit mehreren Jahren bekannt waren, ohne dass sie eingeschritten ist. Aus den Akten ergibt sich jedenfalls nicht, dass die Beklagte der Klägerin zu verstehen gegeben hat, dass sie die Vergnügungsstätte dauerhaft duldet. Die Beklagte hat der Klägerin im Gegenteil bereits mit Schreiben vom 18. September 2008 mitgeteilt, dass es sich um eine Vergnügungsstätte handele, „die dort baurechtlich nicht zulässig“ sei (Bl. 66 d. A.). Eine dauerhafte Duldung erfolgte auch später nicht.

ddd) Sonstige Ermessensfehler sind nicht erkennbar. Die Ausführungen auf Seite 8 unten des Bescheids zur wirtschaftlichen Situation der Klägerin, zur Konkurrenzsituation und zu den möglichen Beeinträchtigungen der Nachbarschaft sind entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten der Klägerin nicht unsachlich.

3. Gegen die erlassene Zwangsgeldandrohung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Insbesondere ist der Ansicht des Klägerbevollmächtigten, das angedrohte Zwangsgeld von 1000 Euro je Verstoß sei unangemessen hoch, nicht zu folgen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Erteilung einer „endgültigen“ Gaststättenerlaubnis, hilfsweise einer vorläufigen Gaststättenerlaubnis für den Betrieb einer Schankwirtschaft als Bar.

Die am 15. Oktober 2014 beantragte Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GastG lehnte das Landratsamt M. mit Bescheid vom 19. Februar 2015 ebenso ab wie die weitere Erteilung der - an Stelle der beantragten „endgültigen“ Gaststättenerlaubnis zunächst erteilten - vorläufigen Erlaubnis nach § 11 GastG. Zur Begründung führte das Landratsamt an, der Antragsteller habe gegen die Lärmschutzauflagen der ihm zunächst bis 29. Januar 2015, sodann bis 3. Februar 2015 und schließlich bis 3. Mai 2015 erteilten vorläufigen gaststättenrechtlichen Erlaubnisse mehrfach verstoßen und die Schankwirtschaft unter faktischer und unerlaubter Änderung der Betriebsart als Vergnügungsstätte betrieben.

Über die auf Erteilung der gaststättenrechtlichen Erlaubnis erhobene Versagungsgegenklage des Antragstellers ist noch nicht entschieden.

Seinen streitgegenständlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 13. März 2015 abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch stehe dem Antragsteller nicht zu, denn er habe die Betriebsart sowohl gegenüber dem Betrieb des vorherigen Betriebsinhabers als auch gegenüber dem Antrag auf Erteilung der gaststättenrechtlichen Erlaubnis geändert. Bei der von ihm geführten Betriebsart stehe die Musikdarbietung nicht im Hintergrund wie bei einer Schankwirtschaft, sondern sei eine Hauptleistung wie bei einer Vergnügungsstätte. Zudem fehle die für eine solche Nutzungsänderung erforderliche baurechtliche Genehmigung. Ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis komme zudem ohne die in den vorläufigen gaststättenrechtlichen Erlaubnissen enthaltenen und von ihm mit Anfechtungsklagen bekämpften Lärmschutzauflagen zum Schutz Dritter nicht in Betracht. Ein Anordnungsgrund liege nicht vor, weil Existenzgefahren nicht glaubhaft gemacht worden seien und das Vertrauen des Antragstellers in die Fortführung des Betriebs wegen der Betriebsartänderung nicht schutzwürdig sei.

Der Antragsteller hat hiergegen Beschwerde eingelegt und macht im Wesentlichen geltend, ihm stehe ein Anordnungsanspruch mindestens auf Erteilung einer vorläufigen Erlaubnis für den Betrieb einer „Bar“ zu, wie er sie beantragt habe. Schon die dem vorherigen Betreiber erteilte gaststättenrechtliche Erlaubnis habe den tatsächlichen Barbetrieb umfasst. Seinem Antrag sei auch zu entnehmen, dass sein Betrieb regelmäßige Musikdarbietungen umfasse. Einen Antrag auf baurechtliche Nutzungsänderung habe er gestellt. Gegen die Auflagen in den vorläufigen gaststättenrechtlichen Erlaubnissen habe er nicht verstoßen, weil diese rechtswidrig seien und zudem die Verstöße nicht belegt seien. Insbesondere mit einer Beschränkung der Musiklautstärke durch eine technische Begrenzung (Limiter) sei er nicht einverstanden, weil er die nach der TA Lärm für die Tages- und Nachtzeit maßgeblichen Immissionsrichtwerte ausnutzen dürfe. Ein Anordnungsgrund liege darin, dass ihm die Gaststättenerlaubnis als Grundlage des Betriebs fehle; auf eine Existenzgefahr komme es daher nicht mehr an.

Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung des Antrags.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Beschwerdebegründung des Antragstellers, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung rechtfertigen nicht, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zur Erteilung einer „endgültigen“ gaststättenrechtlichen Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GastG oder hilfsweise zur Erteilung einer vorläufigen gaststättenrechtlichen Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 GastG für den Betrieb einer „Bar“ zu verpflichten.

Der Antragsteller begehrt im Haupt- und im Hilfsantrag eine die jeweilige Hauptsache (zeitweilig) in vollem Umfang vorwegnehmende vorläufige Regelung, die nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nur ergehen kann, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht und wenn die ohne einstweilige Anordnung zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären (vgl. BayVGH, B. v. 16.9.2011 - 22 CE 11.2174 - Rn. 3). Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren weder einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg seiner - bisher nur hinsichtlich einer „endgültigen“ gaststättenrechtlichen Erlaubnis anhängig gemachten - Hauptsache glaubhaft gemacht noch ihm drohende unzumutbare Nachteile. Es fehlen demnach sowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

1. Ein Anordnungsgrund fehlt auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens im Hinblick auf den Haupt- und den Hilfsantrag, weil dem Antragsteller derzeit die Ausnutzung der begehrten gaststättenrechtlichen Erlaubnis ohne die erforderliche bauaufsichtliche Genehmigung zur Nutzungsänderung der Betriebsräume in die von ihm gewünschte Betriebsart (Bar/Vergnügungsstätte statt Schankwirtschaft) nicht möglich wäre, ihm außerdem die vorherige Durchführung der gaststättenrechtlichen Erlaubnisverfahren zumutbar wäre und ihm der Ausweg der Fortführung der bisher erlaubten Betriebsart nicht versperrt ist.

a) Wie der Antragsteller selbst geltend macht, hat er einen Antrag auf bauaufsichtliche Genehmigung der Nutzungsänderung erst lange nach seiner gaststättenrechtlichen Antragstellung vom 15. Oktober 2014 gestellt (Beschwerdebegründung vom 10.4.2015, S. 3 mit Kopie des baurechtlichen Antrags vom 3.4.2015), diese aber noch nicht erhalten, so dass er eine gaststättenrechtliche Erlaubnis oder vorläufige Erlaubnis für die streitgegenständliche Betriebsart einer „Bar“ (als Schankwirtschaft mit regelmäßiger Musikdarbietung) gar nicht ausnutzen könnte.

Fehlt für die Nutzung einer Gaststätte aber die erforderliche bauaufsichtliche Genehmigung zur Nutzungserweiterung und muss das bauaufsichtliche Verfahren erst durchgeführt werden, besteht bis zu ihrer Erteilung kein Grund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bezogen auf die gaststättenrechtlichen Erlaubnis (vgl. BayVGH, B. v. 20.9.2004 - 22 CE 04.2203 - BA S. 5 m. w. N.), so dass ihre vorläufige Erteilung im Weg der einstweiligen Anordnung keineswegs dringlich ist. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, eine bauaufsichtliche Genehmigung einer Nutzungsänderung hier nicht zu benötigen.

b) Auch mit Blick auf die ohne einstweilige Anordnung zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

Zum einen handelt ein Gastwirt, der vor Erteilung der gaststättenrechtlichen Erlaubnis bereits finanzielle oder andere Verpflichtungen für den künftigen Betrieb eingegangen ist, in vollem Umfang auf eigenes Risiko, dessen Realisierung kein hinreichender Grund zum Erlass einer einstweiligen Anordnung ist (vgl. BayVGH, B. v. 1.3.2002 - 22 CE 02.369 - BA S. 6 m. w. N.). Hierzu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die bisher bauaufsichtlich erlaubte Nutzung der Betriebsräume lediglich als Schank- und Speisewirtschaft keine Bindungswirkung hinsichtlich eines weitergehenden Betriebs hat (Beschluss S. 13 a. E.), also auch insoweit kein schutzwürdiges Vertrauen besteht. Zum Anderen hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren ausdrücklich keine Existenzgefahren dargelegt (Beschwerdebegründung vom 10.4.2015, S. 10, 17); ihm unzumutbare Nachteile sind auch sonst nicht ersichtlich.

c) Abgesehen davon dürfen hier nicht die vom Antragsteller nicht näher dargelegten wirtschaftlichen Nachteile für sich allein betrachtet werden. Angesichts der Ausgestaltung des § 2 Abs. 1 Satz 1 GastG als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist es Erlaubnisbewerbern, der gesetzlichen Wertung folgend, grundsätzlich zuzumuten, vor Betriebsaufnahme die Durchführung eines Erlaubnisverfahrens bei der Verwaltungsbehörde abzuwarten, solange dieses nicht unverhältnismäßig lange dauert. Der Weg der einstweiligen Anordnung ist daher bei verhältnismäßiger, dem Prüfungsaufwand entsprechender Verfahrensdauer zur Erreichung einer Gaststättenerlaubnis nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GastG nicht geeignet (vgl. BayVGH, B. v. 16.9.2011 - 22 CE 11.2174 - Rn. 7 m. w. N.). Angesichts des Beginns des gaststättenrechtlichen Erlaubnisverfahrens am 15. Oktober 2014 und der Versagung sowohl der Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GastG als auch einer weiteren vorläufigen Erlaubnis nach § 11 GastG - letztere wurde danach noch bis 3. Mai 2015 erteilt - kann von einer unverhältnismäßig langen Dauer nicht die Rede sein. Der Antragsteller hatte angesichts seiner offensichtlichen gaststättenrechtlichen Betriebsartänderung - zunächst ohne Antrag auf bauaufsichtliche Nutzungsänderung - auch keinen Grund zu der Annahme, sein Betrieb bedürfe keiner gaststättenrechtlichen Erlaubnis über den seinem Betriebsvorgänger erlaubten Betriebsumfang hinaus.

d) Abschließend weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass der Antragsteller für sein Gaststättengewerbe unter Verzicht auf regelmäßige und über Hintergrundmusik hinausgehende Musikdarbietungen die erforderliche Erlaubnis für eine herkömmliche Schankwirtschaft beantragen und diese nach deren Erhalt betreiben könnte, bis über etwaige Anträge auf gaststättenrechtliche Betriebsartänderung und bauaufsichtliche Nutzungsänderung abschließend entschieden wäre. Auf diese Weise könnte er etwaige wirtschaftliche Nachteile jedenfalls bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens verringern. Ob die gegen seine Zuverlässigkeit erhobenen Bedenken eine Versagung der Erlaubnis für eine herkömmliche Schankwirtschaft tragen, muss dem entsprechenden gaststättenrechtlichen Erlaubnisverfahren vorbehalten bleiben.

2. Ebenso wenig ist auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung des Antragstellers im Hinblick auf Haupt- und Hilfsantrag ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, weil nach Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs derzeit kein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg seiner Hauptsache ersichtlich ist.

a) Soweit der Antragsteller die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer „endgültigen“ gaststättenrechtlichen Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GastG für die von ihm begehrte Betriebsart begehrt, hat er in seiner Beschwerdebegründung nicht dargelegt, dass ihm ein solcher Anspruch in der Hauptsache voraussichtlich zusteht.

aa) Soweit der Antragsteller geltend macht, er habe eine weiterreichende Erlaubnis für eine „Bar“ beantragt, aber nicht erhalten, wie sie der vorherige Betriebsinhaber in den Betriebsräumen erlaubt geführt und wie er sie selbst gewollt und aufgrund der vorläufigen gaststättenrechtlichen Erlaubnisse auch betrieben habe (Beschwerdebegründung vom 10.4.2015, S.3 f.), besagt dies für sich genommen gar nichts und lässt einen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg seiner Hauptsache nicht hervortreten. Weder die vom Antragsteller gestellten Anträge noch die Tatsache der befristeten Erteilung vorläufiger gaststättenrechtlicher Erlaubnisse geben für das Vorhandensein der materiellen Anspruchsvoraussetzungen etwas her.

bb) Wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, muss sich eine gewöhnliche Schankwirtschaft im Wesentlichen und als Hauptleistung auf den Ausschank von Getränken beschränken, so dass Musikdarbietungen nach Art und Maß nicht über eine nicht betriebsprägende, unauffällige und nicht nach außen dringende Hintergrundmusik hinausgehen dürfen (Beschluss S. 11 f. m. w. N. auf BayVGH, U. v. 21.1.1980 - 22 B 1112/79 - GewArch 1980, 303/304; BayVGH, B. v. 6.10.1981 - 22 CS 81 A.1936 - GewArch 1982, 238). Von dieser Betriebsart unterscheide sich das zur Erlaubnis gestellte Vorhaben des Antragstellers, weil die Musikdarbietungen betriebsprägend seien, insbesondere nach dem Internet-Auftritt während der gesamten Öffnungszeiten an Freitagen und Samstagen musikalische „Events“ beworben würden, bei Kontrollen die Musiklautstärke über eine Hintergrundmusik hinausgegangen sei, am 31. Januar 2015 sogar eine bescheidswidrig nicht zuvor angezeigte Live-Musikveranstaltung stattgefunden habe und die Musikdarbietungen daher über den Rahmen der Nr. 2.7 der vorläufigen Erlaubnis hinausgingen (Beschluss S. 12 ff.). Mit seiner Beschwerdebegründung hat der Antragsteller dieser Einschätzung nicht die Grundlage entzogen.

Insbesondere hat der Antragsteller nicht dargelegt, dass für seinen zur Erlaubnis gestellten Betrieb die Musikdarbietungen entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht betriebsartprägend seien.

Eine Gaststätte, die durch eine erhebliche Geräuschentwicklung, eine leistungsfähige Musikanlage und eine Musikpräsentation durch einen Diskjockey mit künstlerischem Anspruch geprägt ist, ist regelmäßig als Vergnügungsstätte anzusehen, denn maßgeblich für die Unterscheidung einer solchen Betriebsart von einer normalen Schankwirtschaft sind die erheblich gesteigerte Geräuschentwicklung und die späten - wie hier (Betriebszeit 22.00 bis 05.00 Uhr, Beschluss S. 12 f.) über 22.00 Uhr hinausgehenden - Betriebszeiten (vgl. BayVGH, U. v. 21.1.1980 - 22 B 1112/79 - GewArch 1980, 303).

Dass der Antragsteller nur eine „Bar“ und keine Diskothek zu betreiben beabsichtigt, ändert wegen der Erfüllung dieser seinen Betrieb von einer normalen Schankwirtschaft deutlich unterscheidenden Merkmale nichts an der tatsächlichen Konfliktlage zwischen Gaststätte und Umgebung, der gerade durch die Betriebsartfestsetzung unter nachbarschützenden Nebenbestimmungen Rechnung getragen werden soll.

Das weitere Vorbringen des Antragstellers, nicht gegen die Auflage einer bloßen Hintergrundmusik verstoßen zu haben, insbesondere habe die behördliche Kontrolle keine gesprächsverhindernde Musiklautstärke festgestellt (Beschwerdebegründung S. 5 ff.), verhilft seiner Beschwerde nicht zum Erfolg. Es geht hier allein darum, ob die Betriebsart, für welche der Antragsteller eine Erlaubnis begehrt, erlaubnisfähig ist und ggf. unter welchen Auflagen.

Zudem hat der Antragsteller ausgeführt, seine Gaststätte wie sein Betriebsvorgänger führen zu wollen (Beschwerdebegründung S. 3 f.). Auch dies führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Dessen Betriebsführung war nach den aktenkundigen gutachterlichen Feststellungen als erlaubnisabweichend zu beanstanden. Auf Grundlage des durch den vorherigen Betreiber der Gaststätte beauftragten Gutachtens und der darin erfolgten Bewertung des Lautstärkebegrenzers der Musikanlage hat der vom Antragsteller beauftragte Schallgutachter ausgeführt, ohne Musik ergebe sich in einer solchen Gaststätte ein Innenraumpegel von 78 dB(A). Bei einem Musikpegel von 82 dB(A) nach Absorption durch die Gäste habe eine solche Bar „gewiss nicht die Eigenschaft einer Speisewirtschaft“, der Musikschallpegel sei dann zwar nicht doppelt so laut wie jener der Gäste, aber die Musik sei „deutlich dominierend und ihr Pegel im rechtlichen Sinne wesentlich höher (d. h. ≥ 3 dB(A) als der restliche Geräuschpegel.“ Der Betrieb könne als „Barbetrieb mit lauter Musikbegleitung beurteilt werden, bei der die Kommunikation eingeschränkt ist bzw. nur durch gehobenes Sprechen ausgeglichen werden kann“ (vgl. LS:AS vom 6.2.2015, VG-Akte, S. 10). Dies stützt die Annahme eines betriebsartprägenden, weil nicht nur hintergründigen Charakters der Musikdarbietungen durch das Verwaltungsgericht (Beschluss S. 12 f.) zusätzlich.

cc) Soweit der Antragsteller eine Erlaubnis ohne eine Auflage zur Lautstärkenbegrenzung der Musikanlage erstrebt (Beschwerdebegründung S. 7), weil eine solche rechtswidrig sei, da einem Gastwirt überlassen bleiben müsse, wie er die - auf den Immissions- und nicht auf den Emissionsort zu beziehenden - Immissionsrichtwerte einhalte und ausnutze, verkennt er, dass die bisherigen behördlichen Nebenbestimmungen zum Immissionsschutz in Nrn. 2.5 bis 2.11 der vorläufigen Erlaubnisse vom 15. Oktober 2014 und vom 28. Januar 2015 zur Wahrung bloßer Hintergrundmusik und damit zur Einhaltung der Betriebsart dienen, wie das Verwaltungsgericht ausführt (Beschluss S. 16). Nebenbestimmungen zur Einhaltung der Betriebsart aber beziehen sich auf den Kern des gaststättenrechtlichen Betriebs (§ 3 Abs. 1 Satz 1 GastG) und müssen für die gesamte Betriebszeit gelten, so dass eine darauf gestützte etwaige Lautstärkebegrenzung insoweit keine Differenzierung z. B. nach Tag- und Nachtzeit erfordert. Das Vorbringen des Antragstellers erschüttert diese selbstständig tragende Begründung nicht.

Anders als der Antragsteller meint, kann aus dem Fehlen nachbarlicher Beschwerden und polizeilicher Aufzeichnungen (Beschwerdebegründung S. 7) nicht auf eine Umgebungsverträglichkeit seines zur Erlaubnis gestellten Betriebs geschlossen werden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG). Dass insbesondere als Musikkneipe betriebene Gaststätten erfahrungsgemäß jugendliche und junge erwachsene Gäste anziehen, weil sie u. a. - wie hier der Betrieb des Antragstellers - auf jugendlichen Geschmack zugeschnittene Musikveranstaltungen bieten sowie dadurch einen typischerweise höheren Lärmpegel als herkömmliche Schank- und Speisewirtschaften mit deren Schwerpunkt auf dem Speise- und Getränkeverzehr verursachen (vgl. BayVGH, B. v. 24.5.2012 - 22 ZB 12.46 - NVwZ-RR 2012, 756/757 m. w. N.), hat der Antragsteller nicht in Abrede gestellt. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof zwar bei fehlenden Lärmmessungen und damit technischem Nachweis der Überschreitung von Immissionsrichtwerten behördliche und polizeiliche Feststellungen aufgrund von Nachbarbeschwerden als verwaltungsgerichtliche Erkenntnisgrundlage ausreichen lassen (vgl. BayVGH, B. v. 24.5.2012 - 22 ZB 12.46 - NVwZ-RR 2012, 756/757 f.). Daraus kann aber keineswegs der Umkehrschluss des Antragstellers gezogen werden, ohne Nachbarbeschwerden und behördliche und polizeiliche Feststellungen könnten erfahrungsgemäß Richtwertüberschreitungen nicht zu erwarten sein. Zudem liegen behördliche bzw. polizeiliche Feststellungen zu gesprächsübertönender Musiklautstärke vor (Mitteilungen zum 1.11.2014, zum 14.11.2014, zum 17.11.2014, Behördenakte BG1 Bl. 9, 23, 24). Diese können zwar als vom Antragsteller bestritten, aber nicht als von ihm widerlegt gelten, was für eine Glaubhaftmachung von Anspruchsvoraussetzungen nicht ausreicht.

b) Auch hinsichtlich des Hilfsantrags auf vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer vorläufigen gaststättenrechtlichen Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 GastG für die von ihm begehrte Betriebsart hat der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung nicht dargelegt, dass ihm ein solcher Anspruch zusteht.

Das Verwaltungsgericht ist von Folgendem ausgegangen: Eine vorläufige Erlaubnis § 11 Abs. 1 GastG dient dazu, den Betreiberwechsel einer Gaststätte möglichst reibungslos zu gestalten und den Betrieb aufrechtzuerhalten; sie ist daher in ihrem rechtlichen Bestand und in ihrem inhaltlichen Umfang von der zuvor dem Vorgänger als Betriebsinhaber erteilten Erlaubnis abhängig (vgl. Metzner, GastG, 5. Aufl. 1995, § 11 Rn. 1, 2; Michel/Kienzle/Pauly, GastG, 14. Aufl. 2003, § 11 Rn. 1; Schönleiter, GastG, 2012, § 11 Rn. 1), da sonst keine Weiterführung eines früheren Betriebs vorliegt. Da der frühere Betriebsinhaber jedoch keine Erlaubnis zum Betrieb einer Vergnügungsstätte, sondern nur einer Schankwirtschaft inne gehabt hatte, kann der Antragsteller für sich keine weiter reichende vorläufige Erlaubnis beanspruchen, sondern ist für seine abweichende betriebliche Konzeption (Schankwirtschaft mit regelmäßiger Musikdarbietung) auf eine gaststättenrechtliche Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 GastG angewiesen.

Der Antragsteller hat dagegen nichts Durchgreifendes vorgetragen. So hat er insbesondere nicht dargelegt, dass er lediglich eine seinem Betriebsvorgänger bereits erlaubte Betriebsart im Wege der vorläufigen gaststättenrechtlichen Erlaubnis nach § 11 GastG fortführt.

Dass er seine Gaststätte wie sein Betriebsvorgänger als „Bar“ im Sinne einer Schankwirtschaft mit regelmäßiger Musikdarbietung verstanden, bezeichnet und so beantragt habe (Beschwerdebegründung S. 3 f.), zeigt nicht auf, dass die Erlaubnis des Betriebsvorgängers mit der bloßen Bezeichnung als „Bar“ regelmäßige, über eine Nebenleistung zur Schankwirtschaft hinausgehende Musikdarbietungen umfasst hätte. Im Gegenteil enthalten die dem Betriebsvorgänger erteilten gaststättenrechtlichen Erlaubnisse für die „Schankwirtschaft“ ausdrücklich die Begrenzung der Musiklautstärke für die „im Antrag angegebene Betriebsart“ auf „Hintergrundmusik mit Spitzenpegeln LAFmax bis 65 dB bzw. einem äquivalenten Dauerschallpegel LAeq von 58 dB(A)“ (Nr. 3.8 des Bescheids vom 20.9.2012, Behördenakte Bl. 35/37, i. d. F. vom 19.3.2013, ebenda Bl. 54 f.). In seiner Betriebsbeschreibung hatte der vorherige Betreiber ausdrücklich ausgeführt, es handele sich um eine „Schankgaststätte mit Barbetrieb, es stehen die Gespräche und die Einnahme von Getränken im Vordergrund, … Musik läuft über eine Anlage mit Limiter (siehe TÜV Süd Gutachter) …“ (Behördenakte Bl. 112). Die von ihm auf behördlichen Druck vorgelegte schalltechnische Begutachtung hatte zwar tatsächlich bei einem auf einen gemittelten Schalldruckpegel LAfeq von 85,3 dB(A) eingestellten Lautstärkebegrenzer der Musikanlage nach Abzug einer Absorption um etwa 3 dB(A) bei 100 Gästen (TÜV Süd, Gutachterliche Stellungnahme vom 29.5.2013, Behördenakte Bl. 114/121 f.) zu einem Musikschallpegel von ca. 82 dB(A) gegenüber einem Grundgeräuschpegel des Barbetriebs von 76,4 dB(A) geführt (TÜV Süd, ebenda), so dass die Musikdarbietung nicht im Hintergrund blieb. Die tatsächliche Nichtbeachtung der sich aus einer Erlaubnis ergebenden Grenzen führt aber nicht dazu, dass sich diese Grenzen verschieben.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG; wie Vorinstanz.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung der Nummern 1. und 5. des Bescheides des Beklagten vom 31. Juli 2014 weiter. Der Beklagte hat den Kläger darin verpflichtet, das überlaute Abspielen von Musik, Filmen, Hörspielen und anderer gleichwertiger Medien zu unterlassen und die Kosten für diese Anordnung zu tragen.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124 Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 1.). Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist schon nicht hinreichend dargelegt (2.).

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 1814 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall. Zur Begründung der Klageabweisung bezüglich Nummer 1. des Bescheides vom 31. Juli 2014 hat das Verwaltungsgericht unter Verweis auf den Gerichtsbescheid vom 23. April 2015 ausgeführt, dass die Anordnung hinreichend bestimmt sei, weil deren Einhaltung vom Kläger selbst auf einfache Weise kontrolliert werden könne. Eine Schallpegelmessung müsse nicht durchgeführt werden. Gegen den Kläger sei bereits ein Bußgeldbescheid nach § 117 OWiG ergangen. Nicht nur die Nachbarn, sondern auch andere Personen hätten am 15. April 2014, am 2. Mai 2014 und am 3. Juli 2014 die vom Kläger verursachten Geräusche wahrgenommen.

Zur Begründung des Zulassungsantrages bringt der Kläger vor, dass der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten in entscheidenden Punkten viel zu ungenau bzw. unbestimmt sei. Die Formulierung „unzumutbare Lautstärke“ deute auf ein subjektives Empfinden, nicht jedoch eine konkrete, gemessene Lautstärke hin. Der Bescheid müsse einen konkreten Messwert als Obergrenze beinhalten, um ausreichend bestimmt zu sein. Insbesondere sei es dem Kläger nicht zumutbar, zur Grundstücksgrenze zu gehen, um die Lautstärke seines Tonmediums zu kontrollieren. Der Bescheid lasse zudem keinerlei Ausnahmen zu, unabhängig davon, ob das Abspielen von Musik während der Woche oder am Wochenende, privat oder anlässlich einer Feierlichkeit stattfinde. Er enthalte auch keinerlei konkrete Ausführungen dazu, inwieweit das Verhalten des Klägers in der Vergangenheit zu beanstanden gewesen sei. Der Beklagte stütze sich überwiegend auf die Aussagen der Nachbarn, zu denen ein schlechtes Verhältnis bestehe. Es hätte in jedem Fall eines konkreten Nachweises bedurft, dass der Kläger bestimmte Lautstärkegrenzen überschritten habe und zwar bestimmt nach Ort, Zeit und Lautstärke. Es könne dem Kläger nicht angelastet werden, dass es ihm aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen sei, sich gegen den ergangenen Bußgeldbescheid zur Wehr zu setzen.

Mit diesem Vorbringen zieht der Kläger die Entscheidung des Erstgerichts jedoch nicht ernsthaft in Zweifel.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Rechtsgrundlage für die angegriffene Anordnung in Nummer 1. des Bescheides vom 31. Juli 2014 Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i. V. m. § 117 OWiG ist. Der Kläger hat ordnungswidrig gehandelt, weil er ohne berechtigten Anlass und in nach den Umständen vermeidbarem Ausmaß durch das Abspielen von lauter Musik seine Nachbarschaft erheblich belästigt hat. Dies steht fest aufgrund des Bußgeldbescheides des Landratsamtes T. vom 7. Juli 2014, wonach der Kläger am 15. April 2014 zwischen 18.30 Uhr und 20.30 Uhr sowie am 2. Mai 2014 zwischen 9.00 Uhr und 20.15 Uhr überlaut Musik abgespielt hat. Der Bußgeldbescheid beruht im Übrigen nicht nur auf den Angaben der betroffenen Nachbarn. Vielmehr haben auch Angehörige der Polizeiinspektion T., die von den Nachbarn zu Hilfe gerufen wurden, bestätigt, dass der Lärm, der vom Grundstück des Klägers ausging, objektiv dazu geeignet war, selbst vor Beginn der Nachtzeit als massiv ruhestörend empfunden zu werden. Diese beiden Vorfälle sind auch in den Gründen des Bescheides vom 31. Juli 2014 angeführt, so dass die Einlassung des Klägers, der Bescheid enthalte keine konkreten Ausführungen dazu, inwieweit ein konkretes Verhalten von ihm in der Vergangenheit zu beanstanden gewesen wäre, nicht zutreffend ist. Es besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger auch in Zukunft laute Musik abspielt, seine Nachbarschaft erheblich beeinträchtigt. Schließlich hat er in der Vergangenheit trotz zahlreicher Anzeigen seiner Nachbarn und Belehrungen durch die Polizei sein Verhalten nicht geändert.

Ebenso hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass eine erhebliche Lärmbelästigung und der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 OWiG nicht nur dann vorliegen, wenn durch eine Messung festgestellt worden ist, dass ein bestimmter Immissionsrichtwert überschritten ist. § 117 OWiG umfasst insbesondere den Schutz vor Alltagslärm z. B. durch Grölen oder überlaute Musik. Ob eine erhebliche Belästigung der Nachbarschaft durch Lärmeinwirkungen im Sinn des § 117 OWiG vorliegt, ist nach objektiven Maßstäben zu bestimmen, wobei es auf eine besondere Sensibilität oder Unempfindlichkeit der betroffenen Personen nicht ankommt. Eine Belästigung kann unabhängig von der Tageszeit eintreten. Während der üblichen Entspannungs- und Ruhezeiten und in Erholungsgebieten sind geringere Anforderungen an die Erheblichkeit als zu den anderen Zeiten zu stellen (Weiner in Beck´scher Online-Kommentar, OWiG, Stand 15.10.2015, § 117 Rn. 5). Es ist gerichtlich geklärt, dass eine objektiv unzumutbare Ruhestörung durch Musik auch ohne Schallpegelmessung festgestellt werden kann (KG Berlin, B.v. 30.3.2000 - 2 SS 53/00 - 5 WS (B) 177/00 u. a. - juris RdNr. 4 m. w. N.). Zwar ist den in Regelwerken wie der TA-Lärm enthaltenen Immissionsrichtwerten im Regelfall in Bezug auf die Erheblichkeit gesundheitsschädlicher Umwelteinwirkungen eine indizielle Bedeutung beizumessen. Der Tatbestand des § 117 Abs. 1 OWiG wird aber nicht nur dann verwirklicht, wenn der Lärm gesundheitsschädigend ist, sondern es reicht eine lärmbedingte erhebliche Belästigung aus. Die Erheblichkeit und Zumutbarkeit von Geräuschimmissionen unterhalb der Schwelle der Gesundheitsgefahr lässt sich daher nicht nach der Höhe eines messbaren Geräuschpegels bestimmen (vgl. für Hundegebell BayVGH, U.v. 1.12.1998 - 21 B 88.01683 - juris Rn. 24 m. w. N.; NdsOVG, B.v. 5.7.2013 - 11 ME 148/13 - juris Rn. 12).

Rechtliche Bedenken gegen die angefochtene Anordnung ergeben sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Ein Verwaltungsakt ist hinreichend bestimmt, wenn der Inhalt der getroffenen Regelung für den Adressaten - zumindest aufgrund einer Auslegung unter Berücksichtigung der weiteren Umstände und nach Treu und Glauben - so vollständig, klar und unzweideutig ist, dass er sein Verhalten danach ausrichten kann (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 5. Aufl. 2014, § 37 Rn. 5 ff.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Aus dem Bescheidstenor ergibt sich, dass der Kläger Musik, Filme, Hörspiele und andere gleichwertige Medien nur in Zimmerlautstärke abspielen darf. Mit dem Begriff „Zimmerlautstärke“ ist zwar nicht denknotwendig ein bestimmter Emissionspegel verbunden, weil die baulichen Gegebenheiten von Gebäuden unterschiedlich ausfallen. Zimmerlautstärke bedeutet daher, dass ein Geräusch oder Lärm außerhalb einer Wohnung, besonders in Räumen ober-, unterhalb oder neben der störenden Schallquelle, kaum noch wahrnehmbar sein soll. Die Geräusche sollen auf das Zimmer begrenzt bleiben, in dem die Lärmquelle liegt. Der Beklagte hat insoweit im Tenor der Anordnung sogar noch erläuternd hinzugefügt, dass der Begriff der Zimmerlautstärke vorliegend so zu verstehen ist, dass der Lärm außerhalb des Grundstücks des Klägers nicht mehr wahrnehmbar ist.

Einer zeitlichen Begrenzung der Anordnung in Nummer 1. des Bescheides vom 31. Juli 2014 bedurfte es nicht. Eine Belästigung kann unabhängig von der Tageszeit eintreten. Überschreitet der Lärm die Grenze zur Belästigung, so ist er den Nachbarn und der Allgemeinheit auch während der Tagzeit oder an Wochenenden nicht zuzumuten. Allerdings ist die Lärmerregung während der üblichen (und notwendigen) Entspannungszeiten und in Erholungsgebieten besonders lästig, so dass hier schon eine geringere Lärmerregung, die während des Alltagslärms verschluckt wird und deshalb nicht erheblich ist, als eine erhebliche Belästigung gewertet werden kann (Gürtler in Göhler, OWiG, 16. Aufl. 2012, § 117 Rn. 12).

Der Beklagte hat auch sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Er hat in den Bescheidsgründen erläutert, dass mehrmals von unterschiedlichen Personen ein erheblicher Lärm durch Musik aus dem Haus des Klägers auf der Straße festzustellen war. Der Kläger ist bereits mehrfach von der Polizei belehrt worden. Er zeigte sich jedoch

jedes Mal uneinsichtig und bestand darauf, dass er die Musik erst ab 22.00 Uhr leiser drehen müsse. Zu Recht hat der Beklagte auch darauf abgestellt, dass die Anordnung, Musik nur in einer bestimmten Lautstärke abzuspielen, das mildeste in Betracht kommende Mittel zur Vermeidung weiterer Ordnungswidrigkeiten nach § 117 Abs. 1 OWiG darstellt. Eine Sicherstellung der Musikabspielgeräte, die der Beklagte wohl mit der ursprünglichen Nr. 3 des Bescheides vom 31. Juli 2014 beabsichtigte, wäre ein ebenso geeignetes Mittel, das aber mit einer schwerwiegenden Belastung für den Kläger verbunden wäre.

2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist schon nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt. Hierzu müsste der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die vorformulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Vorliegend fehlt es bereits an der Formulierung einer klärungsbedürftigen Frage. Sollte der Kläger mit der Formulierung, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, inwieweit eine Behörde in ein nachbarschaftliches Verhältnis ihrer Bürger eingreifen könne, das Verhältnis von § 1004 BGB i. V. m. § 906 BGB zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften gemeint sein, ist diese Frage nicht klärungsbedürftig. Es ist gerichtlich geklärt, dass auch in Nachbarschaftsstreitigkeiten die Ordnungsbehörde eine sicherheitsrechtliche Anordnung erlassen kann, wenn die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG vorliegen. Den allgemeinen Sicherheitsbehörden kommt auch dann eine Befugnis zum Einschreiten zu, wenn es um den Schutz privater Rechte geht (BayVGH, B.v. 10.8.2009 - 11 CE 09.1795 - juris Rn. 11 m. w. N.)

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 sowie § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Juni 2010 - 12 N 33.10 - wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

2. ...

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, mit dem sein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein verwaltungsgerichtliches Urteil zurückgewiesen wurde. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte er eine Reduzierung der von ihm für das Jahr 2001 geforderten Abgaben für ein ärztliches Versorgungswerk angestrebt.

2

1. § 20 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Berliner Ärzteversorgung in der Fassung vom 1. April 2000 verpflichtet jedes Mitglied zur Leistung von Versorgungsabgaben, sofern Einkünfte aus ärztlicher Berufsausübung erzielt werden. Als allgemeine Versorgungsabgabe ist eine "Normalabgabe" zu zahlen, die gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung dem höchsten Pflichtbeitrag zur Angestelltenversicherung im gleichen Jahr entspricht. Als Mindestabgabe ist der 0,2-fache Betrag der Normalabgabe zu zahlen. In ständiger Verwaltungspraxis mussten im streitgegenständlichen Zeitraum Mitglieder, deren Einkommen 2.000 DM pro Monat unterschritt, nur einen reduzierten Versorgungsbeitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes der Rentenversicherung der Angestellten erbringen (im Folgenden: Härtefallregelung).

3

Im Jahr 2001 belief sich der höchste Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung der Angestellten auf 1.661,70 DM (849,61 €).

4

2. Der Beschwerdeführer ist Arzt und war aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Ärztekammer, der Beklagten des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte) auch Mitglied der von ihr eingerichteten Ärzteversorgung.

5

Auf Grundlage eines Honorarvertrags war der Beschwerdeführer ab Juli 2000 als Bereitschaftsarzt für eine Privatklinik tätig. Da er zunächst weniger als 2.000 DM pro Monat verdiente, beantragte er bei der Beklagten eine Beitragsreduzierung auf Basis der Härtefallregelung, die diese mit Bescheid von Februar 2001 ab Januar 2000 gewährte. Für den Zeitraum ab Januar 2001 setzte die Beklagte gegenüber dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der Härtefallregelung einen monatlichen Beitrag von 81,20 DM fest. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Bereitschaftsarzt endete mit Ablauf des Monats Oktober 2001. Das letzte Honorar wurde im November 2001 ausgezahlt. Für den Rest des Jahres 2001 erzielte der Beschwerdeführer keine Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit mehr.

6

a) Nachdem der Beschwerdeführer den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vorgelegt hatte, aus dem sich Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 20.291 DM (10.374,62 €) ergaben, setzte die Beklagte im Mai 2003 für das Jahr 2001 bezüglich der Monate Januar bis Oktober 2001, ausgehend vom 0,2-fachen der Normalabgabe, einen monatlichen Beitrag von jeweils 169,92 € fest. Unter Berücksichtigung bereits gezahlter Beiträge und vorhandener Guthaben forderte sie vom Beschwerdeführer zugleich eine Nachzahlung in Höhe von 1.206,79 €. Der gegen die Höhe der Abgabe gerichtete Widerspruch des Beschwerdeführers blieb erfolglos.

7

b) Mit seiner daraufhin erhobenen Klage verlangte der Beschwerdeführer eine Reduzierung des Nachzahlungsbetrags auf 485,52 €, weil er der Härtefallregelung unterfalle. Sein monatliches Einkommen unterschreite die Grenze von 2.000 DM, weil das erst im November 2001 ausgezahlte Honorar nicht mehr als Einkommen berücksichtigt werden dürfe.

8

Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Beklagte habe die Versorgungsabgaben für 2001 in der zutreffenden Höhe festgesetzt. Die Härtefallregelung könnte nicht zugunsten des Beschwerdeführers angewendet werden, weil sein monatliches Einkommen mehr als 2.000 DM pro Monat betragen habe. Abzustellen sei auf das Einkommen, das sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebe. Weder habe der Beschwerdeführer belegen können, dass in den im Steuerbescheid ausgewiesenen Einkünften auch Einkommen aus dem Jahr 2000 enthalten sei, noch komme es für das von Januar bis Oktober 2001 erarbeitete Einkommen auf den Zeitpunkt des Zuflusses an. Da nur für die Dauer der ärztlichen Tätigkeit Abgaben zu leisten seien, habe die Beklagte den 2001 verdienten Betrag auch richtigerweise lediglich auf 10 statt auf 12 Monate verteilt.

9

c) Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beantragte der Beschwerdeführer die Zulassung der Berufung. Er berief sich hierbei ausdrücklich auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Das Verwaltungsgericht sei nicht befugt gewesen, das ihm erst im November zugeflossene Einkommen zu berücksichtigten, weil es auf den Zufluss des Entgelts während der Dauer der Beschäftigung ankomme. Weiter sei zu erwähnen, dass die Beklagte ihre Forderung auch bei Anwendung des Entstehungsprinzips nicht begründen könne; denn in diesem Fall müssten von seinen einkommensteuerrechtlich für das Jahr 2001 ermittelten Einkünften aus selbständiger Arbeit seine während der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschafteten Honorare in Höhe von 985,50 DM abgezogen werden, wodurch nur noch Jahreseinkünfte von 19.305 DM verblieben. Dies führe ebenfalls zur Anwendung der Härtefallregelung. Der Beschwerdeführer bezog sich dabei auf bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Unterlagen. Seinem Schriftsatz war darüber hinaus als Anlage ein von Januar 2010 datierendes Schreiben der Rechtsnachfolgerin der Klinik, für die er tätig gewesen war, beigefügt, aus dem sich ergab, dass der Beschwerdeführer im Monat Dezember 2000 am 2., 9., 25., 28. und 31. Dezember Dienste absolviert hatte.

10

d) Das Oberverwaltungsgericht wies den Zulassungsantrag zurück. Die Berufung sei nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zuzulassen, weil ein Divergenzfall nicht gegeben sei. Auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils in Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden nicht. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts sei sowohl mit Wortlaut als auch mit Sinn und Zweck der Satzung vereinbar. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, die sein Einkommen im Jahr 2001 beträfen, seien in Bezug auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht entscheidungserheblich. Nichts anderes ergebe sich, wenn man zu seinen Gunsten unterstelle, dass er insoweit ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung habe geltend machen wollen; denn in diesem Fall sei durch die bloße Vorlage eines Honorarvertrags nicht nachgewiesen, dass im Januar 2001 Honorare für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit gezahlt worden seien.

11

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.

12

a) Die Nichtzulassung der Berufung verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG, hilfsweise gegen Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG als allgemeines Prozessgrundrecht auf ein faires Gerichtsverfahren. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sei erfüllt, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Falsch sei schon, dass das Gericht auf das Entstehungsprinzip abgestellt habe, denn maßgebend sei das Zuflussprinzip. Das ihm erst im November 2001 zugegangene Honorar dürfe daher nicht mitberücksichtigt werden. Selbst bei Anwendung des Entstehungsprinzips müsse aber zu seinen Gunsten die Härtefallregelung eingreifen; auch dann liege sein durchschnittliches Monatseinkommen während des maßgeblichen Zeitraums unter der Grenze von 2.000 DM. Es müsse nämlich das Honorar, das in der zweiten Dezemberhälfte des Jahres 2000 von ihm erwirtschaftet worden sei, aus dem Einkommen, das sich aus dem Steuerbescheid 2001 ergebe, herausgerechnet werden.

13

b) Auch die Ablehnung der weiteren Zulassungsgründe verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Im Übrigen verletze die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Art. 3 Abs. 1 GG als Gleichbehandlungsgebot und Willkürverbot.

14

4. Der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin und der Ärztekammer Berlin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

II.

15

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist zudem offensichtlich begründet.

16

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2010 verletzt das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG.

17

a) Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; stRspr). Die Vorschrift erfordert zwar keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 49, 329 <343>; 83, 24 <31>; 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; 96, 27 <39>; stRspr); eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 65, 76 <90>; 96, 27 <39>; stRspr). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leerlaufen" lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Sehen die prozessrechtlichen Vorschriften - wie §§ 124, 124a VwGO - die Möglichkeit vor, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, so verbietet Art. 19 Abs. 4 GG eine Auslegung und Anwendung dieser Rechtsnormen, die die Beschreitung des eröffneten Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231 f.>). Vor diesem Hintergrund dürfen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthaltene Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils immer schon dann erfüllt, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris, Rn. 15).

18

b) Diese Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht verkannt und den Zugang des Beschwerdeführers zur Berufungsinstanz dadurch in unzumutbarer Weise verkürzt.

19

aa) Verfassungsrechtlich nicht haltbar ist schon der rechtliche Ausgangspunkt des Oberverwaltungsgerichts, eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO komme nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer nicht "nachgewiesen" habe, dass im Januar 2001 gezahltes Honorar auch Einkommen für eine im Dezember 2000 ausgeübte ärztliche Tätigkeit enthalte. Des Nachweises einer solchen Behauptung durch den Antragsteller bedarf es im Berufungszulassungsverfahren gerade nicht. Schlüssige Gegenargumente liegen vielmehr bereits dann vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist. Ob tatsächliche Umstände, die ein Antragsteller schlüssig behauptet, auch wirklich gegeben sind, muss bei Unklarheiten nach Zulassung der Berufung während des sich anschließenden Berufungsverfahrens im Rahmen der Amtsermittlung geklärt werden. Es ist nicht zulässig, diese Prüfung ins Zulassungsverfahren vorzuverlagern und damit die eigentlich erforderliche Beweisaufnahme zu umgehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 2009 - 1 BvR 812/09 -, juris, Rn. 22).

20

bb) Der fehlerhafte rechtliche Ansatz des Oberverwaltungsgerichts führt auch zu einem verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Ergebnis. Das Gericht hätte die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zulassen müssen, weil der Beschwerdeführer im Berufungszulassungsverfahren eine das verwaltungsgerichtliche Urteil tragende Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat.

21

(1) Das Verwaltungsgericht geht, unter Zugrundelegung der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten, davon aus, dass ein Kammermitglied Anspruch auf einen (reduzierten) Beitrag in Höhe des hälftigen Beitragssatzes zur Rentenversicherung der Angestellten hat, sofern es einen Monatsverdienst von weniger als 2.000 DM erzielt. Für den Beschwerdeführer verneint das Gericht dann einen solchen, die 2.000 DM-Grenze unterschreitenden Verdienst pro Monat, weil die von ihm im Jahr 2001 erzielten Einnahmen von 20.291 DM auf 10 Monate, nämlich den Zeitraum von Januar bis einschließlich Oktober 2001, zu verteilen seien. Denn die Einnahmen könnten nur auf die Monate verteilt werden, in denen sie erarbeitet worden seien; auf den Zeitpunkt des Zuflusses komme es nicht an. Für die Höhe der Einnahmen stützt sich das Verwaltungsgericht auf die aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 ergebende Einkommenshöhe, unterstellt also, dass die sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergebenden Einnahmen vom Beschwerdeführer in dem Zeitraum von Januar bis Oktober 2001 erarbeitet worden sind und stützt seine Entscheidung auf diese Annahme.

22

(2) Demgegenüber hat der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung eingewandt, in den Einnahmen, die in dem Einkommensteuerbescheid 2001 ausgewiesen seien, seien auch Verdienste aus dem Jahr 2000 enthalten, und zwar Honorare in Höhe von 985,50 DM, die er durch seine ärztliche Tätigkeit in der zweiten Dezemberhälfte 2000 erwirtschaftet habe. Zum Beleg seiner Behauptung hat er das Schreiben von Januar 2010, wonach er im Dezember 2000 an fünf Tagen Dienste wahrgenommen hat, vorgelegt. Darüber hinaus hat er vorgetragen, aufgrund des klinikinternen Abrechnungsmodus sei das Honorar während seiner Tätigkeit immer jeweils von Monatsmitte zu Monatsmitte berechnet und anschließend ausgezahlt worden. Da hiernach für die Monate Januar bis Oktober 2001 nur noch ein Einkommen von 19.305 DM verbleibe - also weniger als 2.000 DM monatlich - sei die Härtefallklausel schon aus diesem Grunde auf ihn anzuwenden.

23

(3) Damit hat der Beschwerdeführer die Prämisse des Verwaltungsgerichts, in dem aus dem Steuerbescheid ergebenden Einkommen seien keine Einnahmen aus dem Jahre 2000 enthalten, mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt. Denn auf Grundlage der Behauptungen des Beschwerdeführers, die er zudem mit dem Schreiben von Januar 2010 belegt hat, erscheint es nicht lediglich als möglich, sondern sogar als nahe liegend, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts im Steuerbescheid des Jahres 2001 als Einkommen auch Honorar berücksichtigt war, das der Beschwerdeführer im Dezember 2000 erarbeitet hatte. Dafür spricht nicht nur das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sein Honorar in einem Abrechnungsmodus von Monatsmitte bis Monatsmitte berechnet und ausbezahlt wurde. Auch aus verwaltungspraktischen Gründen erscheint es wenig wahrscheinlich, dass insbesondere für eine ab dem 25. Dezember 2000, also während der Weihnachtsfeiertage und danach, geleistete Arbeit die Vergütung noch im selben Monat überwiesen werden konnte. Anhaltspunkte für eine Zahlung des Honorars im Voraus oder für Abschlagszahlungen gibt es nicht.

24

(4) Die Tatsachenfeststellungen, die der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen in Frage stellt, sind auch rechtlich erheblich. Denn das Verwaltungsgericht hätte, wären die Behauptungen des Beschwerdeführers zutreffend, seiner Klage jedenfalls teilweise stattgeben müssen. In diesem Fall hätte sich nämlich für 2001 ein in diesem Jahr "erarbeitetes" Honorar von lediglich 19.305,50 DM ergeben, weil 985,50 DM als Honorar für Dienste im Dezember 2000 von dem im Steuerbescheid 2001 ausgewiesenen Einkommen von 20.291 DM abzuziehen gewesen wären. Für die zehnmonatige ärztliche Tätigkeit des Beschwerdeführers im Jahr 2001 hätte sein monatlicher Verdienst folglich nur noch 1.930,55 DM betragen und damit die 2.000 DM-Grenze unterschritten. Nach der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsauffassung - die vom Oberverwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss auch nicht in Zweifel gezogen wird - wäre bei diesem geringen Einkommen die Härtefallregelung anzuwenden gewesen. Da sich die monatlichen Abgaben dementsprechend nur nach dem hälftigen Beitragssatz der Rentenversicherung für Angestellte, also der Hälfte von damals 19,1 %, errechnen würden, hätten sich diese nicht wie von der Beklagten festgesetzt auf - umgerechnet - 169,92 € belaufen, sondern lediglich auf 94,27 €. Auch die geltend gemachte Nachforderung würde sich entsprechend verringern.

25

cc) Dem Beschwerdeführer kann auch nicht entgegengehalten werden, er habe den Zulassungsgrund im Berufungszulassungsverfahren nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere ist es unschädlich, dass er in dem Zulassungsschriftsatz die von ihm vorgebrachten Argumente keinem beziehungsweise jedenfalls nicht dem zutreffenden Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugeordnet hat. Denn für eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung eines oder mehrerer Berufungszulassungsgründe ist es nicht notwendig, dass der Antragsteller ausdrücklich einen der in § 124 Abs. 2 VwGO normierten Zulassungsgründe oder die dort angeführten tatbestandlichen Voraussetzungen benennt. Ebenso ist es kein Hindernis, wenn der Antragsteller sein Vorbringen unter dem falschen Berufungszulassungsgrund erörtert oder verschiedene Gesichtspunkte, die bei unterschiedlichen Zulassungsgründen im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO relevant sein können, miteinander vermengt. Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet das den Zulassungsantrag prüfende Gericht nämlich dazu, den Vortrag des jeweiligen Antragstellers angemessen zu würdigen und durch sachgerechte Auslegung selbstständig zu ermitteln, welche Zulassungsgründe der Sache nach geltend gemacht werden und welche Einwände welchen Zulassungsgründen zuzuordnen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 2309/09 -, juris, Rn. 13; vgl. insoweit auch BVerfGK 5, 369 <375 f.>). Erst dann, wenn aus einer nicht auf einzelne Zulassungsgründe zugeschnittenen Begründung auch durch Auslegung nicht eindeutig ermittelt werden kann, auf welchen Zulassungsgrund der Antrag gestützt wird, stellt die Verwerfung des Antrags als unzulässig keine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zur Berufungsinstanz dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010, a.a.O., Rn. 13). Dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers ohne Schwierigkeiten dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuordnen lässt, folgt hier schon daraus, dass es vom Oberverwaltungsgericht unter diesem Gesichtspunkt geprüft wurde. Eine solche Zuordnung lag im Übrigen auch auf der Hand, weil die Ausführungen des Beschwerdeführers nur zu diesem Zulassungsgrund passen.

26

c) Die weiteren Argumente, die der Beschwerdeführer gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils vorgebracht hat, sind allerdings nicht geeignet, einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG zu begründen. Dass das Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf diese Einwände das Vorliegen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verneint hat, lässt keine Grundrechtsverletzung erkennen. Der Beschwerdeführer hat schon nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Zufluss des Einkommens erst nach dem Ablauf des Zeitraums der Tätigkeit sei unschädlich - maßgeblich sei vielmehr der Zeitpunkt des Erarbeitens -, fehlerhaft sein sollte. Der Ansatz des Gerichts, allein an den Tätigkeitszeitraum anzuknüpfen und den Zuflusszeitpunkt als unerheblich anzusehen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

27

Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) sei nicht gegeben, gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen könnte. Die Gründe, mit denen das Gericht das Vorliegen des Zulassungsgrundes ablehnt, sind gut nachvollziehbar. Dass sie den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht genügen könnten, ist nicht zu erkennen.

28

Eine Berufung auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) scheitert schließlich unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität schon daran, dass sich der Beschwerdeführer auf diesen Grund im Berufungszulassungsverfahren weder ausdrücklich noch der Sache nach berufen hat.

29

2. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Ob der Beschluss auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG beziehungsweise Art. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verstößt, kann daher offenbleiben.

30

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage bezüglich der Fälligstellung von Zwangsgeld und einer erneuten Zwangsgeldandrohung weiter.

Mit bestandskräftigem Bescheid der Beklagten vom 2. April 2014 war dem Kläger auferlegt worden, seinen Hund „Nino“ nur noch angeleint auszuführen, wobei die Leine schon vor Verlassen der Wohnung anzulegen sei und erst nach Rückkehr wieder abgelegt werden dürfe; Freiauslauf dürfe dem Hund gewährt werden auf allseits übersichtlichen, weiträumigen Freiflächen ohne Sichtbehinderung durch Bepflanzung und Bebauung, soweit nicht andere Bestimmungen entgegenstünden und keine Kinder in Sichtweite seien. Für den Fall eines Verstoßes wurde ein Zwangsgeld von 500,- Euro angedroht. Mit Schreiben vom 4. Mai 2015 stellte die Beklagte fest, dass das Zwangsgeld nach einem Vorfall vom 7. April 2015 fällig geworden sei, und drohte mit Bescheid vom gleichen Tag ein Zwangsgeld von nunmehr 1.000,- Euro für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Anleinpflicht an. Das Verwaltungsgericht hat mit dem Urteil vom 19. November 2015 die auf Feststellung, dass das mit Schreiben vom 4. Mai 2015 fällig gestellte Zwangsgeld nicht zur Zahlung fällig sei, und auf Aufhebung des Bescheids vom 4. Mai 2015 gerichtete Klage abgewiesen.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11).

1. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Hinblick auf die begehrte Feststellung, das fällig gestellte Zwangsgeld von 500,- Euro sei nicht fällig geworden, im Wesentlichen ausgeführt: Der Bescheid vom 2. April 2014 sei ein wirksamer und vollstreckbarer Grundverwaltungsakte im Sinn des Art. 19 Abs. 1 VwZVG; hinsichtlich der vom Kläger beanstandeten Höhe des Zwangsgeldes liege jedenfalls keine Nichtigkeit vor. Es stehe zur Überzeugung des Gerichts auch fest, dass der Kläger am 7. April 2015 gegen die Leinenanordnung aus Ziff. 1 des Bescheids vom 2. April 2014 verstoßen habe.

a) Der Kläger bringt hierzu vor, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass das Zwangsgeld wegen wirtschaftlicher Unangemessenheit zu hoch sei, weil keine konkrete Gefahr für andere Personen, insbesondere Kinder, und Hunde bestanden habe. Insoweit reiche die Rechtswidrigkeit der Festsetzung des Zwangsgeldes von 500,- Euro aus, besonders schwerwiegende und offenkundige Fehler im Sinn von Art. 44 Abs. 1 i.V.m. Art. 43 Abs. 3 BayVwVfG seien nicht erforderlich.

Der Kläger lässt hier außer Acht, dass der Bescheid der Beklagten vom 2. April 2014, in dessen Ziff. 4 das Zwangsgeld in der Höhe von 500,- Euro angedroht worden ist, bestandskräftig geworden und somit auch die Höhe des Zwangsgeldes unanfechtbar ist. Ein Fall des Art. 21 VwZVG ist weder geltend gemacht noch erkennbar. Im Übrigen trifft es nicht zu, dass keine Gefahr für andere Personen bestanden habe; vielmehr war gerade die Tatsache, dass durch den Hund des Klägers ein Kleinkind verletzt worden war, Anlass für die Anordnungen in dem Bescheid vom 2. April 2014.

b) Weiter trägt der Kläger vor, die Festsetzung des Zwangsgeldes sei materiell rechtswidrig. Nach dem Bescheid vom 2. April 2014 dürfe er auf allseits übersichtlichen, weiträumigen Freiflächen ohne Sichtbehinderung durch Bepflanzung und Bebauung seinem Hund freien Auslauf ohne Leine gewähren. Um eine solche Freifläche handele es sich aber bei der „streitgegenständlichen Wiese“ an der H.-Straße. Einen Beweisantrag auf Ortseinsicht habe das Verwaltungsgericht nicht beschieden.

Auch damit werden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert in Frage gestellt. Noch in der Begründung des Zulassungsantrags wird zugestanden, es sei richtig, „dass der Kläger selbst eingeräumt hat, seinen Hund auf dem Weg zum Müllhäuschen und an der Ecke F.-Straße/H.-Straße unangeleint laufen“ gelassen zu haben. Damit ist unbestritten, dass der Hund bei dem Vorfall an dieser Straßenkreuzung, den die Beklagte zum Anlass für die Fälligstellung des Zwangsgelds genommen hat, allein und unangeleint gewesen ist, unabhängig davon, ob er dort wirklich einen anderen Hund angegriffen hat. Unerheblich ist damit, ob der Hund sich (vorher) auch noch auf einer „allseits übersichtlichen, weiträumigen Freifläche ohne Sichtbehinderung durch Bepflanzung und Bebauung“ im Sinn der Ziff. 2 des Bescheids vom 2. April 2014 befunden hat. Damit kann offen bleiben, ob es sich bei der Grünfläche, die sich an das Nebengebäude („Müllhäuschen“) neben dem Anwesen H.-Straße 40 (mit der Wohnung des Klägers) anschließt, um eine Freifläche in diesem Sinn handelt. Nach dem zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gemachten Luftbild ist die gegenteilige Ansicht des Verwaltungsgerichts aber durchaus nachvollziehbar. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass sich zwischen der fraglichen Grünfläche und der Kreuzung F.-Straße/H.-Straße noch ein weiteres Bauquartier befindet und die Entfernung etwa 50 m beträgt. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung wurde auch kein Beweisantrag auf Durchführung einer Augenscheinseinnahme gestellt.

2. Die Abweisung der Anfechtungsklage gegen die erneute Zwangsgeldandrohung vom 4. Mai 2015 hat das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Höhe von 1.000,- Euro im Wesentlichen damit begründet, dass dies den Vorschriften des Art. 36 Abs. 5 und des Art. 31 Abs. 2 VwZVG entspreche.

Die Höhe des Zwangsgeldes sei nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes festzusetzen. Dabei sei das wirtschaftliche Interesse zu berücksichtigen. Ebenso von Bedeutung seien die Umstände des Einzelfalls wie Verschuldensgründe, Ausmaß des Ungehorsams, Dauer und Intensität der Pflichtverletzung und öffentliches Interesse an der Durchsetzung der Anordnung.

Gegen die Höhe des Zwangsgeldes von 1.000,- Euro bestünden keine rechtlichen Bedenken. Sie halte sich am unteren Rand des gesetzlichen Rahmens gemäß Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Die der Bemessung zugrundeliegenden Erwägungen der Beklagten seien nicht zu beanstanden. Diese stütze die Entscheidung im Wesentlichen auf das öffentliche Interesse an einer wirksamen Gefahrenabwehr und die notwendige Beugewirkung. Eine Verdopplung des ersten Zwangsgeldes erscheine vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das erste Zwangsgeld den Kläger nicht zur Einhaltung der Anordnung habe anhalten können, zwar nicht zwingend, aber durchaus vertretbar, um die Öffentlichkeit vor Gefahren, die von dem unangeleinten Hund ausgingen, wirksam zu schützen. Darüber hinaus entspreche die Festsetzung eines Zwangsgeldes von 1.000,- Euro für den Fall einer erneuten Zuwiderhandlung der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten, die dem Gericht aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannt sei. Es sei nichts Stichhaltiges dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, was im vorliegenden Einzelfall ein Abweichen von der bewährten Praxis gebieten würde.

Mit seinem Einwand, dass die Festsetzung des Zwangsgeldes mit 1.000,- Euro unverhältnismäßig hoch sei, kann der Kläger diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht in Frage stellen. Es hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Höhe des Zwangsgeldes auch darauf ausgerichtet sein muss, den Verpflichteten effektiv zur Befolgung der jeweiligen Anordnung anzuhalten; es muss also eine „Beugewirkung“ haben, um das öffentliche Interesse an der Durchsetzung einer sicherheitsrechtlichen Anordnung zu gewährleisten (vgl. Kugele/Kugele/Thum, Verwaltungsrecht in Bayern, Stand: April 2017, Art. 31 VwZVG Rn. 3; Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand: März 2017, Art. 31 VwZVG Anm. VI). Der Kläger hat bereits im Rahmen seiner Anhörung am 14. April 2015 unumwunden eingeräumt, dass er seinen Hund beim Verlassen des Hauses nicht angeleint und ihn außerdem aus den Augen gelassen hatte, während er im Müllhäuschen war. Das angedrohte Zwangsgeld von 500,- Euro hat ihn offensichtlich nicht an diesem Verhalten gehindert.

Wenn der Kläger erneut darauf hinweist, dass es sich bei der „streitgegenständlichen Wiese“ um eine übersichtliche Freifläche handle, ist nicht erkennbar, warum das Zwangsgeld von 1.000,- Euro deswegen unverhältnismäßig hoch sein sollte; der Hund des Klägers ist eben nicht auf dieser Wiese nahe der H.-Straße 40 unangeleint angetroffen worden, sondern an der beträchtlich entfernten Kreuzung F.-Straße/H.-Straße.

Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte unterhält.

Die Klägerin betreibt seit 2007 in den gemieteten Kellerräumen des Anwesens W … eine Cocktailbar und Lounge, im Erdgeschoss befindet sich eine Gaststätte mit anschließendem Biergarten. Für das Grundstück gilt der Bebauungsplan „W …“ (bekanntgemacht am 14.2.1983, zuletzt geändert am 20.9.2008), der die Nutzungsart Mischgebiet festsetzt. Die Erweiterung des Kellergeschosses und die gastronomische Umnutzung des ehemaligen Bierkellers wurden dem Eigentümer des Anwesens mit Bescheid vom 24. Oktober 2006 genehmigt; eine Tekturgenehmigung wurde mit Bescheid vom 19. Januar 2011 erteilt. In den Baugenehmigungen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Betrieb einer Vergnügungsstätte unzulässig ist. Die Klägerin erhielt am 19. April 2007 die beantragte gaststättenrechtliche Erlaubnis für eine Schankwirtschaft. Mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 16. Januar 2013 untersagte die Beklagte der Klägerin, gestützt auf Art. 76 Satz 2 BayBO, die Gaststätte „M … Cocktailbar und Lounge“ in der Form einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte zu betreiben und legte Auflagen zu den Genehmigungsbescheiden fest. In dem klageabweisenden Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. März 2015 wird ausgeführt, dass der konkrete Betrieb der Gaststätte der Klägerin zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses in einer Weise ausgestaltet gewesen sei, bei der das „Amüsement“ gegenüber dem Verzehr von Speisen und Getränken derart prägend im Vordergrund gestanden habe, dass der Betrieb als Vergnügungsstätte zu qualifizieren sei. Die zur Unterhaltung der Gäste eingesetzte Musik gehe nach Funktion und Lautstärke deutlich über eine zurückhaltende Hintergrund- oder dezente Barmusik hinaus und es fänden teilweise im Wochenrhytmus unter ein besonderes Motto gestellte Sonderveranstaltungen statt, bei denen namentlich genannte Diskjockeys und deren Musikangebot besonders herausgestellt würden. Auf der Internetseite eingestellte Fotos zeigten eine ausgelassene Tanz- und Partystimmung. Auch der vorgegebene Dresscode („chic“ und sexy“) sowie die Einlasskontrolle, bei der die männlichen und weiblichen Gäste gesondert gezählt würden, sprächen für eine auf „Amüsement“ angelegte Freizeitgestaltung. Es handele sich aufgrund der Größe der Lokals und des auf einen großen Einzugsbereich angelegten Internetauftritts um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, liegen nicht vor oder wurden bereits nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).

An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel im Sinn dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.

Die kerngebietstypische Vergnügungsstätte ist hier planungsrechtlich von der im Mischgebiet zulässigen Schank- und Speisewirtschaft abzugrenzen. Es kann dabei dahingestellt bleiben, auf welche Fassung der Baunutzungsverordnung abzustellen ist. Zwar konnten nach den älteren Fassungen der Baunutzungsverordnung Vergnügungsstätten grundsätzlich auch als „sonstige Gewerbebetriebe“ zulässig sein, aber nur, wenn es sich nicht um kerngebietstypische Vergnügungsstätten handelte (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.1983 – 4 C 64.79 – BVerwGE 68, 207; U.v. 24.2.2000 – 4 C 23.98 – NVwZ 2000, 1054). Die Begriffe „Schank- und Speisewirtschaft“ und „Vergnügungsstätte“ werden in der Baunutzungsverordnung (auch in der vor 1990 geltenden Fassung) nicht definiert. Ausgangspunkt der Begriffsbestimmung für die Schank- und Speisewirtschaft ist die Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 1 GastG (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 1. Februar 2017, § 4 BauNVO Rn. 57). Der Grundtyp der Schank- und Speisewirtschaft – also die Gaststätte ohne Betriebseigentümlichkeit – wird geprägt vom Ausschank von Getränken und vom Verzehr zubereiteter Speisen. Ob Musik und Tanz der Gaststätte ein besonderes Gepräge geben, hängt davon ab, in welchem Maße Musik und Tanz den Gaststättenbetrieb beherrschen (vgl. BVerwG, B.v. 22.7.1988 – 1 B 89.88 – NVwZ-RR 1989, 14). Die Vergnügungsstätte ist als bauplanungsrechtlicher Nutzungsbegriff durch kommerzielle Freizeitgestaltung und Amüsierbetrieb gekennzeichnet (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 1. Februar 2017, § 6 BauNVO Rn. 42). Nicht entscheidend ist die konkrete Bezeichnung der Einrichtung oder deren eindeutige Zuordnung zu einer der unstreitig als Vergnügungsstätten zu wertenden Betriebe wie z.B. Diskotheken, Nachtclubs oder Nachtbars, sondern ob die Einrichtung bei wertender Gesamtbetrachtung von ihrem Gesamterscheinungsbild und ihrer Angebotspalette her den Charakter einer Vergnügungsstätte hat (vgl. HessVGH, B.v. 22.2.2012 – 3 A 1112/ 11.Z – juris Rn. 10). Es ist daher nicht maßgeblich, ob sich die Klägerin mit dem Begriff „Lounge“ von einer Diskothek abgrenzen will, in der das Tanzen im Vordergrund steht. Die obergerichtliche Rechtsprechung geht zutreffend davon aus, dass es für den Störungsgrad einer Vergnügungsstätte und damit deren Gebietsverträglichkeit in erster Linie auf die Musik und weniger das Tanzen sowie die Größe des Lokals, die für die Anzahl der Gäste und die dadurch bedingten sonstigen Begleiterscheinungen (z.B. Störungen durch das Kommen und Gehen von Besuchern in den Nachtstunden) entscheidend ist, ankommt (vgl. OVG Berlin, B.v. 10.11.2004 – 2 S. 50.04 – NVwZ-RR 2005, 160; OVG SH, B.v. 5.10.2009 – 1 MB 16/09 – juris Rn. 34, 36; HessVGH, B.v. 22.2.2012, a.a.O.). Eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte liegt vor, wenn sie als zentraler Dienstleistungsbetrieb einen größeren Einzugsbereich besitzt und für ein größeres und allgemeines Publikum erreichbar ist oder jedenfalls erreichbar sein soll (vgl. BVerwG, U.v. 21.2.1986 – 4 C 31.83 – NVwZ 1986, 643; B.v. 19.11.1990 – 4 B 162.90 – juris Rn. 8).

Nach diesen Maßgaben ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass es sich vorliegend um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte handelt. Das Gericht hat im Einzelnen begründet, dass eine auf „Amüsement“ angelegte Freizeitgestaltung gegenüber dem Verzehr von Speisen und Getränken deutlich im Vordergrund gestanden habe (vgl. UA S. 14 und 15). Soweit die Klägerin einzelne Begründungselemente lediglich in Frage stellt, fehlt bereits ein substantiierter und konkreter Vortrag, warum die tatsächliche oder rechtliche Würdigung des Sachverhalts unzutreffend ist (vgl. BVerwG, B.v. 16.2.2012 – 9 B 71.11 – NVwZ 2012, 1490). Die behauptete Änderung des Betriebskonzepts vor Erlass der Nutzungsuntersagung wurde weder im Verwaltungsverfahren dargestellt noch wird sie im Zulassungsverfahren dargelegt. Eine Änderung des Betriebskonzeptes ist ersichtlich auch nicht erfolgt. So hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erst mit Schriftsatz vom 6. November 2012 angekündigt, ein noch in Feinheiten auszuarbeitendes Konzept zur Fortführung des Unternehmens kurzfristig zu übermitteln, was jedoch nicht geschah. Das Gericht hat unter Hinweis auf die entsprechenden Seiten in der Behördenakte zu Recht festgestellt, dass selbst noch nach Erlass der sofort vollziehbaren Nutzungsuntersagung die Clubnächte auf der Internetseite der Klägerin hauptsächlich mit einem Musikprogramm verschiedener Stilrichtungen beworben wurden. Liegt der Nutzungsschwerpunkt bei täglich wechselnden, in den Nachtstunden beginnenden Musikprogrammen, handelt es sich um eine Vergnügungsstätte (vgl. HessVGH, B.v. 22.2.2012 – 3 A 1112/11.Z – juris Rn. 10). Für die Frage, ob es sich um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte handelt, ist in erster Linie die Größe des Betriebs maßgeblich. Außerdem können der mit jeder Vergnügungsstätte typischerweise verbundene Zu- und Abgangsverkehr und die damit ausgelösten Geräusch- und sonstigen Immissionen als weitere Merkmale geeignet sein, eine Vergnügungsstätte als „kerngebietstypisch“ zu qualifizieren (vgl. BVerwG, B.v. 19.11.1990 – 4 B 162/90 – juris Rn. 8). Das Gericht hat daher zu Recht im Hinblick auf die Größe des Lokals mit der von der Beklagten zugestandenen Besucheranzahl von 200 Personen einen großen Einzugsbereich bejaht (vgl. BVerwG, U.v. 21.2.1986 – 4 C 31.83 – NVwZ 1986, 643; OVG SH, B.v. 5.10.2009 – 1 MB 16/09 – juris Rn. 36). Es konnte dabei auch den Internetauftritt der Klägerin berücksichtigen, mit dem sich der Betrieb der Klägerin als besondere Lokalität darstellt und für ein größeres, auch überörtliches Publikum wirbt (vgl. u.a. die Hinweise für die Anfahrt zu dem Lokal von der Autobahn bzw. der Bundesstraße aus sowie die Presseberichte auf Bl. 603, 604 der Behördenakten „wer in der Landsberger Szene was auf sich hält, der muss einfach ins „M …“).

Soweit die Klägerin geltend macht, dass die in den Auflagen verwendeten Begriffe Unschärfen aufwiesen, wird bereits nicht dargelegt, welche Begriffe im Einzelnen angegriffen werden und inwieweit danach eine Abgrenzung nicht möglich ist. Im Übrigen wird der Begriff der Vergnügungsveranstaltung vom Gesetzgeber als ausreichend bestimmt angesehen (vgl. die bußgeldbewehrte Vorschrift des Art. 19 LStVG). Auch die Einwendungen gegen die Ermessensausübung der Beklagten begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Für die Frage, ob ein Betrieb nach der Art der Nutzung das Wohnen wesentlich stört, ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten, es kommt nicht auf die konkreten Immissionen im Einzelfall an (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.1983 – 4 C 64.79 – BVerwGE 68, 207; U.v. 24.2.2000 – 4 C 23.98 – NVwZ 2000, 1054). Aus den Behördenakten und der Gerichtsakte ergeben sich im Übrigen mehrere Beschwerden aus der umliegenden Wohnbebauung, nur die AOK sieht verständlicherweise mit ihrer Büronutzung (Schreiben vom 18. Mai 2010) keine Kollision mit dem Betrieb der Klägerin in den Abend- und Nachtstunden. Soweit die Klägerin geltend macht, dass die Beklagte die Nutzung fast fünfeinhalb Jahre geduldet habe, hat die Beklagte die Nutzung nur kurzfristig geduldet, um dem Eigentümer des Anwesens die Möglichkeit zu eröffnen, eine planungsrechtliche Grundlage zu schaffen. In dem Beschluss des Bau-, Planungs- und Umweltausschusses vom 1. Juni 2011 wurde festgehalten, dass, falls der Investor nicht in der Lage sei, die Rahmenbedingungen bis Ende 2011 zu schaffen, die Zurückführung des Betriebs zur genehmigten Nutzung als Schank- und Speisewirtschaft durch geeignete Sanktionsmaßnahmen zu erfolgen habe. Verzögerungen in den insgesamt ca. vier Jahren seit Bekanntwerden der unzulässigen Nutzung sind vor allem dadurch entstanden, dass der Eigentümer und die Klägerin immer wieder das Gespräch mit Behördenvertretern gesucht haben und im Anhörungsverfahren mehrfach um Fristverlängerung gebeten wurde. Unsachliche Erwägungen bei der Ermessensausübung kann der Senat nicht erkennen.

Soweit sich die Klägerin gegen die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes bei einem Auflagenverstoß wendet, fehlen konkrete Angaben zum wirtschaftlichen Interesse der Klägerin, das von der Beklagten geschätzt werden konnte (Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG).

Es liegt auch nicht der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Ob es sich bei dem Betrieb der Klägerin um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte handelt, kann tatsächlich und rechtlich ohne besondere Schwierigkeiten anhand der genannten Rechtsprechung beurteilt werden. Den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung hat die Klägerin bereits nicht ausreichend dargelegt (vgl. zu den Anforderungen Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124a Rn. 72 m.w.N.).

Die geltend gemachten Verfahrensmängel § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegen ebenfalls nicht vor. Soweit die Klägerin vorträgt, dass das Gericht einen wesentlichen Teil ihres Vortrags nicht berücksichtigt habe, wird bereits nicht dargelegt, um welchen Vortrag es sich handelt. Das Verwaltungsgericht hat auch nicht seine Aufklärungs- und Hinweispflicht verletzt (§ 86 VwGO). Soweit auf die Beweisanregungen in der Klagebegründung Bezug genommen wird, verletzt ein Gericht seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Versäumnisse eines anwaltschaftlich vertretenen Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren und insbesondere Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter zumutbarerweise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2012 – 4 B 20.12 – juris Rn. 6 m.w.N.). Beweisanträge wurden in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin missversteht die Verpflichtung, u.a. darauf hinzuwirken, dass ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt und alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden, wenn er der Vorschrift entnimmt, dass ein Beteiligter Anspruch darauf hat, vom Gericht zu seinem Prozessziel geleitet zu werden. Durch § 86 Abs. 3 VwGO soll verhindert werden, dass die Durchsetzung von Rechten an der Unerfahrenheit, Unbeholfenheit oder mangelnden Rechtskenntnis eines Beteiligten scheitert. Hinweise sind vor allem dann geboten, wenn ein Beteiligter erkennbar von falschen Tatsachen ausgeht und es deshalb unterlässt, das vorzutragen, was für seine Rechtsverfolgung notwendig wäre. Die Pflicht, die § 86 Abs. 3 VwGO begründet, darf indes nicht mit Rechtsberatung verwechselt werden. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Beteiligter anwaltlich vertreten wird. Das Gericht darf grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Rechtsanwalt mit der Sach- und Rechtslage hinreichend vertraut ist (vgl. BVerwG, B.v. 6.7.2001 – 4 B 50.01 – juris Rn. 11 m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert. Soweit geltend macht wird, dass danach eine weitere Schriftsatzfrist abgelehnt wurde, lässt sich dem Zulassungsantrag bereits nicht entnehmen, was innerhalb der erbetenen Schriftsatzfrist vorgetragen worden und inwieweit dies für die Entscheidung erheblich gewesen wäre. Auch ist der Klägerin das Akteneinsichtsrecht nicht vorenthalten worden. Das Schreiben der Beklagten vom 23. September 2014, mit dem sie dem Gericht eine weitere Aktenheftung übersandt hat, wurde übermittelt. Es gehört zu den prozessualen Pflichten des Bevollmächtigten zur Wahrung des rechtlichen Gehörs an ein früheres Akteneinsichtsgesuch zu erinnern (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.1989 – 9 B 268.89 – BayVBl 1990, 317).

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.