BGH: Coronabedingte Schließungen können eine Anpassung der Miethöhe begründen

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. Jan. 2022 - XII ZR 8/21

Author’s summary by Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Mieter von Gewerberäumen unter Umständen einen Anspruch auf Anpassung der Miethöhe haben können. Die coronabedingten Schließungen (Lockdown) führen zu einer Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB. Allerdings ist eine pauschale Mietminderung nicht zulässig. Vielmehr müssen alle Umstände des Einzelfalles zur Bemessung der Höhe der Mietanpassung berücksichtigt werden.

Der BGH hat mit Urteil vom 12.01.2022 (Az.: XII ZR 8/21) klar gestellt, dass die staatliche Schließanordnung (Lockdown) eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB und damit eine Anpassung des Mietzinses begründen kann. Eine Anpassung der Miete kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn dem Mieter das Festhalten am ursprünglichen Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin

Die Corona-Pandemie hat viele Menschen vor enorme Herausforderungen gestellt. Insbesondere die staatliche Schließanordnung von Restaurants, Hotels, Einzelhandelsgeschäften, Fitnessstudios und Clubs letzten Jahres hatte zu Folge, dass die Betreibenden dieser Einrichtungen enorme Umsatzeinbußen hinnehmen mussten. Es entfachte eine Auseinandersetzung darüber, wer eigentlich für den Mietzins aufkommen muss, wenn diverse Geschäfte aufgrund pandemiebedingter staatlicher Verfügungen schließen müssen. Ist der Mieter weiterhin verpflichtet den vollen Mietzins zu zahlen? Begründet die staatliche Schließanordnung einen Mangel am Mietobjekt gem. § 536 Abs. 1 BGB? Oder hat der Mieter womöglich einen Anspruch auf Mietanpassung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB? Mit diesen Fragen haben sich mehrere Gerichte vergangenen Jahres beschäftigt.

Rechtsunsicherheit durch Uneinigkeit der in der Instanzrechtsprechung

Zumindest in Hinblick auf die letzte Frage, schien seit dem Einschub des Art. 240 § 7 des Einführungsgesetzes zum BGB im Dezember 2020, Klarheit darüber zu bestehen, dass die Corona-Pandemie eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellen kann. Dennoch lehnten mehrere Gerichte einen entsprechenden Anspruch des Mieters ab (vgl. OLG München, 17.02.2021 – 32 U 6358/20; OLG Karlsruhe, 24.02.2021 – 7 U 109/20). Insgesamt herrschte Uneinigkeit zwischen den Gerichten - auch hinsichtlich des Vorliegens eines Mangels, der eine Mietminderung begründen würde. Es wurde allerhöchste Zeit, dass der Bundesgerichtshof sich äußert.

Der Instanzenzug

Der Fall der sich vor dem Bundesgerichtshof abspielte, betraf eine Chemnitzer-Filiale der Textilkette „KiK“. Der Textil-Discounter musste im April 2020 aufgrund staatlicher Schließanordnungen der Sächsischen Landesregierung seine Filiale schließen und verweigerte die Zahlung des Mietzinses. Der Vermieter dieser sächsischen Filiale, eine Grundstücksverwaltung, wehre sich dagegen vor Gericht. Zunächst verurteilte das Landgericht Chemnitz „KiK“ zur Zahlung der vollen Miete in Höhe von 8000 Euro (4 O 639/20). Der Textil-Discounter ging in Berufung. Das OLG Dresden hob daraufhin mit Urteil vom 24.02.2021 (5 U 1782/20) die Entscheidung auf. Nach Ansicht der Richter liege eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages gem. § 313 BGB vor, die eine Anpassung des Vertrages, mithin eine Minderung des Mietzinses begründe. KiK müsse somit lediglich die Hälfte des vereinbarten Mietzinses entrichten. Gegen dieses Urteil richtete sich die Revision des Vermieters. Dieser verlangte vor dem BGH weiterhin die Zahlung des vollen Miete.

BGH hebt Urteil des OLG Dresden auf

Am 12.01.2022 hat sich schließlich der zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil des OLG Dresden aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Kein Mangel, da Mietobjekt auch während Lockdown weiterhin nutzbar

Die Richter äußerten sich nicht nur in Hinblick auf das Vorliegen einer Störung der Geschäftsgrundlage, sondern auch hinsichtlich des Vorliegens eines etwaigen Mangels. Letzteres verneinte der BGH, da das Mietobjekt auch während der staatlich angeordneten Schließung, weiterhin voll nutzbar und frei zugänglich war. Von der Schließanordnung sei lediglich die Beabsichtigte Verwendung betroffen und nicht die konkrete Beschaffenheit, der Zustand oder die Lage des Mietobjektes. Das Verwendungsrisiko, insbesondere das Risiko mit dem Mietobjekt Gewinne zu erzielen, liege jedoch grundsätzlich beim Mieter, so die Richter.

Coronabedingten Schließanordnungen können einen Wegfall der Geschäftsgrudlage begründen

Weiterhin stellten sie jedoch fest, dass im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der Corona-Pandemie beruht, ein Anspruch des Mieters auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB grundsätzlich in Betracht kommt. Zumindest stehe Art. 240 § 2 EGBGB der Anwendung des § 313 Abs. 1 BGB nicht entgegen, weil er keine Aussage zur Höhe der geschuldeten Miete treffe, sondern lediglich das Kündigungsrecht des Vermieters beschränke.

Zur Geschäftsgrundlage gehöre die Erwartung der Vertragsparteien, dass sich die grundlegenden Rahmenbedingungen eines Vertrages nicht ändern werden. Die Allgemeinverfügungen des Sächsischen Staatsministerium für Sozialen und Gesellschaftlichen Zusammenhalt haben diese Erwartung schwerwiegend gestört und damit einen Wegfall der Geschäftsgrundlage begründet.

„Durch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen weitreichenden Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens hat sich die Geschäftsgrundlage für den zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag schwerwiegend geändert."

Zahlung des vereinbarten Mietzinses muss für Mieter unzumutbar sein

BGH: Einzelfallentscheidung erforderlich

Allerdings begründe der Wegfall der Geschäftsgrundlage für sich allein noch keine Vertragsanpassung. Weiterhin erforderlich ist, dass der betroffenen Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, vor allem unter Berücksichtigung der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, nicht zugemutet werden kann, am ursprünglichen Vertrag festzuhalten. Das OLG Dresden hat eine entsprechende Abwägung unterlassen. Die Entscheidung ist deshalb nicht frei von Rechtsfehlern und müsse vor dem OLG erneut verhandelt werden. Neben den Nachteilen die der Gewerbetreibende erlitten (Umsatzrückgänge bezogen auf das konkrete Objekt) hat müsse auch die Dauer der der Geschäftsschließung sowie die einzelnen Maßnahmen, die ergriffen wurden um Verluste zu mindern, in die Interessenabwägung miteinfließen.

Staatliche Unterstützungsleistungen müssen berücksichtigt werden

Bei der Interessenabwägung sind grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der durch die Pandemie verursachten Nachteile erlangt hat, namentlich staatliche Unterstützungsgelder. Das ist notwendig, um eine Überkompensierung des Schadens zu verhindern. Zu berücksichtigen sind weiterhin auch etwaige Leistungen aus der Betriebsversicherung, nicht jedoch Unterstützungsmaßnahmen des Staates, die auf Basis eines Darlehens ausgezahlt wurden. Der BGH betont, dass eine pauschale Kürzung der Miete um die Hälfte - wie das OLG Dresden entschieden hatte - nicht zulässig ist.

Da der BGH den Rechtsstreit an das OLG Dresden zurückgewiesen hat, muss dieses nun alle Umstände des Einzelfalles erneut prüfen und über die Höhe der Mietanpassung entscheiden.

Fazit

Es ist sehr erfreulich, dass sich der BGH endlich geäußert hat. Die Vielfalt an unterschiedlicher Rechtsprechung zum Thema "Minderung der Miete während des Lockdowns" sorgte für Unsicherheit. Jetzt steht zumindest fest, dass eine Anpassung des Mietvertrages für die Dauer der pandemiebedingten Schließanordnungen einen Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB darstellen kann. Es stellt sich unweigerlich die Frage, ob eine nachträgliche Rückforderung eines Teils des bereits gezahlten Mietzinses möglich ist. Grundsätzlich ist dies nur in bestimmten Ausnahmefällen möglich. Insbesondere dann, wenn der Mieter bereits zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Miete, sein Anpassungsverlngen gegenüber dem Vermieter zum Ausdruck gebracht hat. Für die Zukunft ist ratsam, in Verträgen die über  Mietobjekte geschlossen werden, Klauseln aufzunehmen, die im Falle von staatlichen Schließanordnungen, die Höhe der Anpassung des Mietvertrages regeln.

Haben Sie noch Fragen zum Thema "Anpassung der Höhe des Mietvertrages während der Zeitdauer der staatlichen Schließanordnungen"? Dann nehmen Sie Kontakt zu Streifler&Kollegen auf und lassen Sie sich fachkundig beraten.

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Bundesgerichtshof

Urteil vom 12.01.2022

Az.: XII ZR 8/21

 

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerin und der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 24. Februar 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung von Gewerberaummiete für den Monat April 2020.

Die Parteien schlossen im September 2013 einen Mietvertrag über Gebäude und Parkplätze in S. Die Vermietung erfolgte "ausschließlich zu gewerblichen Zwecken zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs". Seit dem 1. Januar 2019 beträgt die monatliche Bruttomiete 7.854,00 €. Zusätzlich trägt die Beklagte als Mieterin im Vertrag näher beschriebene Nebenkosten. § 5 Nr. 3 des Mietvertrags enthält folgende Regelung: "Wenn die Gas-, Strom- und Wasserversorgung oder Entwässerung durch einen nicht von dem Vermieter zu vertretenden Umstand unterbrochen wurde oder wenn Überschwemmungen oder sonstige Katastrophen eintreten, steht dem Mieter ein Recht auf Mietminderung oder Schadensersatz nicht zu."

Aufgrund der sich verbreitenden Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19-Pandemie) erließ das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt am 18. März 2020 auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 IfSG die "Allgemeinverfügung Vollzug des Infektionsschutzgesetzes Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie Verbot von Veranstaltungen", nach deren Ziffer 1 in Sachsen grundsätzlich alle Geschäfte geschlossen wurden, soweit sie nicht unter die in der Allgemeinverfügung ausdrücklich benannten - hier nicht relevanten - Ausnahmen fielen. Diese Allgemeinverfügung trat am 19. März 2020 um 0:00 Uhr in Kraft und wurde ab dem 22. März 2020, 0:00 Uhr von der "Allgemeinverfügung Vollzug des Infektionsschutzgesetzes Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie Verbot von Veranstaltungen" des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 20. März 2020 ersetzt, nach deren Ziffer 2, übereinstimmend mit der Allgemeinverfügung vom 18. März 2020, Geschäfte grundsätzlich geschlossen wurden, soweit nicht die in der Allgemeinverfügung vom 20. März 2020 formulierten Ausnahmen eingriffen. Aufgrund der genannten Allgemeinverfügungen war das Textileinzelhandelsgeschäft der Beklagten im Mietobjekt vom 19. März 2020 bis einschließlich 19. April 2020 geschlossen.

Nach entsprechender Ankündigung mit Schreiben vom 24. März 2020 zahlte die Beklagte die Miete für den Monat April 2020 nicht und rechnete gegen die Mietzahlungspflicht für die Zeit vom 20. bis 30. April 2020 mit der aus ihrer Sicht überzahlten Miete für die Zeit vom 19. bis 31. März 2020 auf. Die folgenden Mietzahlungen erbrachte die Beklagte vollständig.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung der Miete für den Monat April 2020 in Höhe von 7.854,00 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte - unter Abweisung der Klage im Übrigen - zur Zahlung von 3.720,09 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt. Hiergegen wenden sich die Klägerin, die ihr Klagebegehren vollständig weiterverfolgt, und die Beklagte, die nach wie vor Klageabweisung begehrt, mit ihren vom Oberlandesgericht zugelassenen Revisionen.

Gründe

Die Revisionen der Klägerin und der Beklagten sind begründet. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

Das Oberlandesgericht hat seine in ZMR 2021, 476 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:

Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, der Anspruch auf Zahlung der Miete als Gegenleistung zur Verpflichtung der Klägerin als Vermieterin zur Überlassung des Gebrauchs der Mieträume sei gemäß § 326 Abs. 1 BGB entfallen. Soweit es um die Gebrauchsuntauglichkeit des Mietobjekts gehe, würden die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts, zu denen auch diejenigen über die Unmöglichkeit gehörten, von den mietrechtlichen Gewährleistungsregelungen nach §§ 536 ff. BGB verdrängt, wenn das Mietobjekt - wie hier - bereits vom Vermieter an den Mieter überlassen worden sei.

Die Regelung in Art. 240 § 2 EGBGB entfalte keine Sperrwirkung, die eine Anwendung der mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften bei behördlichen Betriebsuntersagungen in Folge der COVID-19-Pandemie ausschließe.

Ein zur Minderung der Miete führender Mietmangel sei durch die staatlich angeordnete Schließung nicht begründet worden. Ohne die staatliche, nicht objektbezogene und von der Klägerin nicht zu beeinflussende Anordnung sei das Mietobjekt uneingeschränkt nutzbar und die Mieträume seien - im Rahmen der Beschränkungen der Corona-Schutzverordnung - frei zugänglich gewesen. Lediglich die von der Beklagten beabsichtigte Verwendung sei - vom Mietobjekt unabhängig - untersagt gewesen. Auch wenn Störungen, die außerhalb der Mietsache liegen, grundsätzlich einen Mangel begründen könnten und für den hier vereinbarten Betrieb eines Textileinzelhandelsgeschäfts die Möglichkeit des Zugangs des Publikums eine Voraussetzung sei, werde dem Vermieter damit nicht das Risiko der objekt- und lageunabhängigen Nutzbarkeit der Mieträume übertragen.

Infolge des Auftretens der COVID-19-Pandemie und der staatlichen Schließungsanordnung aus den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20. März 2020 sei jedoch eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrags i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB eingetreten, die eine Anpassung des Vertrags dahin auslöse, dass die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte reduziert werde.

Zur Geschäftsgrundlage der Parteien als Vermieterin und Mieterin von Geschäftsräumen für die Nutzung als Textileinzelhandelsgeschäft habe die Vorstellung gehört, dass es nicht zu einer Pandemie mit weitgehender Stilllegung des öffentlichen Lebens infolge pandemiebedingter Nutzungsuntersagungen und -beeinträchtigungen kommen würde. Das Auftreten der Pandemie mit den entsprechenden weitreichenden staatlichen Eingriffen in das wirtschaftliche und soziale Leben bedeute eine schwerwiegende Änderung der für die Vertragslaufzeit vorgestellten Umstände. Damit sei das tatsächliche Element der Störung der Geschäftsgrundlage verwirklicht. Es liege eine Systemkrise und damit ein Fall der Störung der großen Geschäftsgrundlage vor, weil durch sie das allgemeine soziale und wirtschaftliche Gefüge nachhaltig erschüttert worden sei. Ohne dass es hierauf entscheidend ankommen würde, spreche für diese Annahme auch der Inhalt des mit Wirkung vom 31. Dezember 2020 neu geschaffenen Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB.

Im Rahmen der Störung der großen Geschäftsgrundlage sei das hypothetische Element regelmäßig erfüllt, weil die Parteien den Vertrag dann nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten. Zudem sei zu beachten, dass es sich bei der Änderung der zur Geschäftsgrundlage gehörenden Umstände um sehr wesentliche Rahmenbedingungen für den Betrieb des Textileinzelhandelsgeschäfts der Beklagten gehandelt habe. Daher hätten im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses verständige und wirtschaftlich denkende Vertragspartner dieses beide gleichermaßen betreffende und nicht zu beeinflussende Risiko nicht einseitig zu Lasten eines Vertragspartners verteilt.

Das normative Element des § 313 Abs. 1 BGB sei ebenfalls erfüllt. Es gehe hier nicht um ein "normales" Risiko der Gebrauchstauglichkeit bzw. der Verwendung des Mietobjekts durch den Mieter, sondern um weitgehende staatliche Eingriffe in das soziale und wirtschaftliche Leben aufgrund einer Pandemie, die als Systemkrise eine Störung der großen Geschäftsgrundlage sei. Das mit der Störung der großen Geschäftsgrundlage verbundene Risiko könne regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden. Von der vertraglichen Risikozuweisung werde deshalb dieses von den Vertragsparteien nicht vorhergesehene und die Geschäftsgrundlage des Vertrags betreffende Geschehen nicht erfasst. Das Festhalten am unveränderten Mietvertrag sei der Beklagten nicht zumutbar, weshalb der Mietvertrag nach § 313 Abs. 1 BGB entsprechend anzupassen sei.

Vorliegend sei eine Absenkung der Kaltmiete um 50 % gerechtfertigt, weil keine der Vertragsparteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen habe. Es sei demzufolge angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen. Offenbleiben könne, ob die Zahlung staatlicher Hilfen an einen der Vertragspartner des Mietvertrags zu einer weiteren Anpassung der Höhe der Miete führen würde, weil nicht habe festgestellt werden können, dass die Klägerin oder die Beklagte solche staatlichen Hilfen erhalten habe. Der Klägerin sei auch keine Teilnutzung des Mietobjekts im Sinne eines "Außer-Haus-Verkaufs" bzw. eines entsprechenden Liefer- und Abholservice möglich, wie dies etwa bei Gaststätten erlaubt gewesen sei.

Dies führe dazu, dass die Beklagte für den Monat April 2020 anstelle der vertraglich vereinbarten Miete von 7.854,00 € nur 5.366,90 € zahlen müsse, während sie für den Monat März 2020 6.207,19 € zu zahlen gehabt hätte, also mit ihrer vollständigen Mietzahlung die Miete in Höhe von 1.646,81 € überzahlt habe. In dieser Höhe habe die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung gegen die Forderung der Klägerin auf Zahlung der Miete für April 2020 erklärt, so dass sich im Ergebnis der Anspruch der Klägerin von 5.366,90 € auf 3.720,09 € reduziere.

II.

Diese Ausführungen halten in einem wesentlichen Punkt der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Anwendbarkeit der mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften und der Regelungen des allgemeinen schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts, insbesondere des § 313 Abs. 1 BGB, nicht durch Art. 240 § 2 EGBGB, mit dem die Kündigungsmöglichkeit des Vermieters wegen eines coronabedingten Zahlungsverzugs des Mieters ausgesetzt wurde, ausgeschlossen ist.

a) Zwar wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber habe mit Einführung dieser Vorschrift durch Art. 5 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 569) eine Sonderregelung getroffen, mit der die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Rechte und Pflichten von Mietvertragsparteien abschließend geregelt werden sollten (vgl. Jung BB 2021, 329, 331 f.; Klimesch/Walther ZMR 2020, 556, 557; LG München II Urteil vom 6. Oktober 2020 - 13 O 2044/20 - BeckRS 2020, 34263). Die überwiegende Auffassung lehnt mit dem Berufungsgericht eine entsprechende Sperrwirkung des Art. 240 § 2 EGBGB hingegen ab (ebenso OLG München NJW 2021, 948, 950; KG GE 2021, 570, 572; OLG Frankfurt NZM 2021, 395, 396 f.; LG Mönchengladbach Urteil vom 2. November 2020 - 12 O 154/20 - BeckRS 2020, 30731 Rn. 39; LG München I Urteil vom 25. Januar 2021 - 31 O 7743/20 - BeckRS 2021, 453 Rn. 53 ff.; MünchKommBGB/Häublein 8. Aufl. EGBGB Art. 240 § 2 Rn. 6; BeckOGK/Martens [Stand: 1. Oktober 2021] BGB § 313 Rn. 239; BeckOGK/Geib [Stand: 1. Oktober 2021] EGBGB Art. 240 § 2 Rn. 18 und 20; BeckOK BGB/Wiederhold [Stand: 1. August 2021] EGBGB Art. 240 § 2 Rn. 10; Brinkmann/Thüsing NZM 2021, 5, 9 f.; Herlitz NJ 2021, 56, 58; Zehelein NZM 2020, 390, 401; Streyl NZM 2020, 817, 823; Warmuth COVuR 2020, 16, 17; Klose NZM 2021, 832 f.).

b) Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus der Gesetzesbegründung schließen, dass der Gesetzgeber mit Einführung des Art. 240 § 2 EGBGB die Folgen, die sich aus den umfangreichen hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie insbesondere für gewerbliche Mietverhältnisse ergeben können, abschließend regeln wollte.

aa) Nach seinem eindeutigen Wortlaut enthält Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nur eine Beschränkung des Kündigungsrechts des Vermieters, sofern die Nichtleistung der vom Mieter geschuldeten Mietzahlung allein auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Die Vorschrift geht daher davon aus, dass - anders als bei den in Art. 240 § 1 EGBGB genannten Dauerschuldverhältnissen - die Verpflichtung des Mieters zur Mietzahlung grundsätzlich weiter bestehen bleibt. Regelungen zur Höhe der Miete oder zu sonstigen Auswirkungen der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung auf die Verpflichtung des Mieters zur Mietzahlung enthält die Vorschrift jedoch nicht. Auch aus der zeitlichen Beschränkung des Kündigungsausschlusses bis zum 30. Juni 2022 in Art. 240 § 2 Abs. 4 EGBGB kann nicht darauf geschlossen werden, dass der Gesetzgeber für die Zahlungspflicht des Mieters eine abschließende Regelung treffen wollte. Die Vorschrift zeigt zwar ebenfalls, dass das Gesetz grundsätzlich von einer fortbestehenden Zahlungspflicht des Mieters ausgeht. Ob der Mieter in dem maßgeblichen Zeitraum jedoch die volle vereinbarte Miete schuldet, folgt daraus nicht.

bb) Auch der Gesetzeszweck lässt nicht darauf schließen, dass Art. 240 § 2 EGBGB eine abschließende Sonderregelung darstellt, die der Anwendbarkeit der mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften und der Regelungen des allgemeinen schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts entgegensteht.

Zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 569) sah der Gesetzgeber die Gefahr, dass es aufgrund der umfangreichen behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus im März 2020 zu erheblichen Einkommensverlusten bei einer Vielzahl von Menschen kommt, wodurch diese bis zur Aufhebung der Maßnahmen nicht oder nur eingeschränkt in der Lage sein könnten, ihre laufenden Verbindlichkeiten zu begleichen. Dieses Problem sollte dadurch gelöst werden, dass für den Bereich des Zivilrechts ein Moratorium für die Erfüllung bestimmter vertraglicher Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen eingeführt werden sollte, das betroffenen Verbrauchern und Kleinstunternehmern, die wegen der COVID-19-Pandemie ihre vertraglich geschuldeten Leistungen nicht erbringen können, im Zeitraum bis zum 30. Juni 2020 einen Zahlungsaufschub gewährt (BT-Drucks. 19/18110 S. 1). Entgegen diesem in Art. 240 § 1 EGBGB niedergelegten Grundsatz hat der Gesetzgeber im Bereich des Mietrechts hingegen von einem Leistungsverweigerungsrecht des Mieters abgesehen und nur das Recht des Vermieters zur Kündigung von Mietverhältnissen wegen Zahlungsverzugs eingeschränkt, sofern Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete sollte jedoch im Grundsatz bestehen bleiben (BT-Drucks. 19/18119 S. 35).

Zweck der gesetzlichen Regelung war es, Mieter und Pächter vor dem Verlust ihres Lebensmittelpunkts und ihrer Existenzgrundlage zu schützen, wenn diese unverschuldet durch die Pandemie in Zahlungsverzug geraten sollten. Hätte der Gesetzgeber mit der Einführung von Art. 240 § 2 EGBGB tatsächlich eine abschließende Regelung im Hinblick auf die Auswirkungen der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung treffen wollen, würde sich die Vorschrift jedoch zum Nachteil des gewerblichen Mieters auswirken. Denn dieser wäre auch dann, wenn er die von ihm angemieteten Gewerberäume aufgrund einer hoheitlichen Betriebsschließungsanordnung nicht entsprechend seinem Geschäftszweck nutzen kann, stets zur Zahlung der vollständigen Miete verpflichtet. Das Risiko, während der Pandemie die Mietsache nicht oder nur eingeschränkt nutzen zu können, wäre damit vollständig auf den Mieter verlagert. Art. 240 § 2 EGBGB, der erkennbar dem Mieterschutz dienen sollte, würde dadurch zu einer Vorschrift, die letztlich dem Schutz des Vermieters dient, dem unabhängig von den Auswirkungen der Pandemiebekämpfungsmaßnahmen auf die Nutzbarkeit des Mietobjekts der Anspruch auf vollständige Miete erhalten bliebe (ähnlich auch BeckOK BGB/Wiederhold [Stand: 1. August 2021] EGBGB Art. 240 § 2 Rn. 10; BeckOGK/Martens [Stand: 1. Oktober 2021] BGB § 313 Rn. 240). Dafür, dass der Gesetzgeber eine solche weitreichende Regelung dahin, dass der Mieter während der COVID-19-Pandemie das Verwendungsrisiko allein zu tragen hat, treffen wollte, bestehen keine Anhaltspunkte. Dagegen spricht auch die Kürze der Zeit, in der dieses Gesetzgebungsvorhaben umgesetzt worden ist (vgl. OLG Frankfurt NZM 2021, 395, 397; MünchKommBGB/Häublein 8. Aufl. Art. 240 § 2 EGBGB Rn. 6; Zehelein NJW 2020, 1169, 1172). Mithin hat der Gesetzgeber nur das von ihm als dringlich identifizierte Problem, dass Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen aufgrund der zu erwartenden negativen wirtschaftlichen Auswirkungen ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen und deshalb die angemieteten Räumlichkeiten verlieren könnten, schnell einer vorübergehenden Lösung zuführen und die Stellung der Mieter im Hinblick auf die Kündbarkeit des Mietverhältnisses verbessern wollen.

cc) Schließlich lassen sich auch der Gesetzesbegründung keine ausreichenden Hinweise dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber die Auswirkung der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie auf Mietverhältnisse abschließend regeln wollte. Zwar ist an mehreren Stellen der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass der Mieter grundsätzlich zur Leistung der Miete verpflichtet bleibt (vgl. BT-Drucks. 19/18110 S. 4, 35 f.). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass ihm damit jede Möglichkeit genommen werden sollte, Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf sein Mietverhältnis und insbesondere auf die Höhe der geschuldeten Miete nach allgemeinen Grundsätzen geltend machen zu können (vgl. Streyl NZM 2020, 817, 823; BeckOGK/Martens [Stand: 1. Oktober 2021] BGB § 313 Rn. 240.2). Zum einen enthält die Gesetzesbegründung den Hinweis, dass die Mieter "nach allgemeinen Grundsätzen zur Leistung verpflichtet" bleiben (BT-Drucks. 19/18110 S. 35). Dies deutet bereits darauf hin, dass die allgemeinen Regelungen des mietrechtlichen Gewährleistungsrechts und des allgemeinen Schuldrechts weiterhin Anwendung finden sollen (a.A. Jung BB 2021, 329, 331). Zum anderen lassen sich diese Formulierungen auch mit der unterschiedlichen Behandlung von Miet- und Pachtverhältnissen gegenüber anderen Dauerschuldverhältnissen im Gesetz erklären. Denn mit dem Hinweis, dass die Verpflichtung des Mieters zur Mietzahlung bestehen bleibt, wird in der Gesetzesbegründung deutlich gemacht, dass dem Mieter, abweichend von der Grundregel des Art. 240 § 1 EGBGB für andere Dauerschuldverhältnisse, kein zeitlich begrenztes Leistungsverweigerungsrecht eingeräumt, sondern nur die Kündigungsmöglichkeit des Vermieters wegen Zahlungsverzugs eingeschränkt wird (BT-Drucks. 19/18110 S. 35 f.). Zur Höhe der geschuldeten Miete verhält sich die Gesetzesbegründung jedoch ebenso wenig wie zu der Frage, welche sonstigen rechtlichen Auswirkungen die pandemiebedingten Beschränkungen des Wirtschaftslebens insbesondere auf gewerbliche Mietverhältnisse haben sollen. Letztlich wird in der Gesetzesbegründung als Gesetzeszweck allein die Bestandssicherung des Mietverhältnisses genannt.

2. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Miete in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht nach § 536 Abs. 1 BGB gemindert war, weil die auf den Allgemeinverfügungen des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 18. und 20. März 2020 beruhende Betriebsschließung nicht zu einem Mangel des Mietgegenstands i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB geführt hat.

a) Ob eine staatlich angeordnete Geschäftsschließung wegen der COVID-19-Pandemie einen Mangel der Mietsache darstellt, ist umstritten. Teilweise wird dies mit der Begründung bejaht, die Schließungsanordnung knüpfe unmittelbar an das Mietobjekt und dessen Lage im Epidemiegebiet an und beziehe sich daher nicht auf die persönlichen oder betrieblichen Umstände des Mieters (vgl. OLG Nürnberg MDR 2021, 56; LG Kaiserlautern Urteil vom 13. April 2021 - 4 O 284/20 - juris; Jauernig/Teichmann BGB 18. Aufl. § 536 Rn. 12a; BeckOGK/Geib [Stand: 1. Oktober 2021] EGBGB Art. 240 § 2 Rn. 16; Selk NZM 2021, 369, 374 ff.; Sentek/Ludley NZM 2020, 406, 410; Krepold WM 2020, 726, 729 ff.; Säcker/Schubert BB 2020, 2563).

Die überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung und im Schrifttum lehnt hingegen das Vorliegen eines Mangels i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB ab (vgl. OLG München NJW 2021, 948, 949; OLG Karlsruhe NJW 2021, 945 f.; KG GE 2021, 570, 571; OLG Schleswig NZM 2021, 605, 607; OLG Frankfurt NZM 2021, 395, 397 f.; Butenberg/Drasdo/Först/Hannemann/Heilmann NZM 2020, 493, 497; Häublein/Müller NZM 2020, 481, 484 f.; Leo/Götz NZM 2020, 402, 403; Zehelein NZM 2020, 390, 392 ff.; Sittner NJW 2020, 1169, 1171; Sachsinger ZMR 2020, 1002 ff.; Gerlach/Manzke ZMR 2020, 551, 554; Klimesch/Walther ZMR 2020, 353, 354; Both in Zehelein Miete in Zeiten von Corona § 3 Rn. 18 ff.; Klose NZM 2021, 832, 833 f.). Zur Begründung wird überwiegend darauf abgestellt, dass eine pandemiebedingte Betriebsuntersagung ein Gebrauchshindernis darstelle, das nicht auf Beschaffenheit, Zustand oder Lage der Mietsache beruhe, sondern allein das Verwendungsrisiko des Mieters betreffe.

b) Die letztgenannte Meinung trifft im Ergebnis zu. Die behördliche Untersagung der Öffnung der Filiale der Beklagten stellt keinen Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB dar.

aa) Unter einem Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache von dem vertraglich geschuldeten zu verstehen, wobei sowohl tatsächliche Umstände als auch rechtliche Verhältnisse in Bezug auf die Mietsache als Mangel in Betracht kommen können. Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und Gebrauchsbeschränkungen, die dem vertragsgemäßen Gebrauch eines Mietobjekts entgegenstehen, begründen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings nur dann einen Sachmangel im Sinne der §§ 536 ff. BGB, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben (Senatsurteil vom 2. November 2016 - XII ZR 153/15 - NJW 2017, 1104 Rn. 15 mwN).

Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen erst während eines laufenden Mietverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Mietobjekts, kann auch dies einen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Mieters. Denn der Vermieter von Gewerberäumen ist gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB lediglich verpflichtet, den Mietgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache trägt bei der Gewerberaummiete dagegen grundsätzlich der Mieter. Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters aufgrund eines nachträglich eintretenden Umstandes nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters. Das gilt auch in Fällen, in denen es durch nachträgliche gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Mieters kommt (Senatsurteil vom 13. Juli 2011 - XII ZR 189/09 - NJW 2011, 3151 Rn. 8 f. mwN).

bb) Auf dieser rechtlichen Grundlage führt die auf den Allgemeinverfügungen des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 18. und 20. März 2020 beruhende Schließung des Einzelhandelsgeschäfts der Beklagten nicht zu einem Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil die mit der Schließungsanordnung zusammenhängende Gebrauchsbeschränkung nicht auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache beruht, sondern an den Geschäftsbetrieb der Beklagten als Mieterin anknüpft.

(1) Durch Ziffer 1 der Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 18. März 2020 wurde mit Wirkung zum 19. März 2020 im gesamten Freistaat Sachsen die Schließung aller Geschäfte und Einrichtungen angeordnet, die nicht der Grundversorgung der Bevölkerung dienen. Damit sollte die dynamische Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus eingedämmt werden, um die besonders vulnerablen Personengruppen vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Virus zu schützen und eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. Da eine besonders hohe Ansteckungsgefahr dort gesehen wurde, wo es zu einem Zusammentreffen einer Vielzahl von Menschen kommt, sollte durch die Schließung aller Geschäfte und Einrichtungen, die nicht der täglichen Daseinsvorsorge dienen, eine deutliche Reduzierung menschlicher Kontakte erreicht werden (vgl. Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 18. März 2020, S. 4).

Die mit der Schließungsanordnung verbundene Gebrauchsbeschränkung der Beklagten beruhte damit nicht auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts. Die behördlich angeordnete Geschäftsschließung knüpft allein an die Nutzungsart und den sich daraus ergebenden Publikumsverkehr an, der die Gefahr einer verstärkten Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus begünstigt und der aus Gründen des Infektionsschutzes untersagt werden sollte. Durch die Allgemeinverfügung wird jedoch weder der Beklagten die Nutzung der angemieteten Geschäftsräume im Übrigen noch der Klägerin tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten. Das Mietobjekt stand daher trotz der Schließungsanordnung weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung.

(2) Eine Mangelhaftigkeit der Mietsache lässt sich auch nicht damit begründen, dass durch die behördliche Schließungsanordnung faktisch der Zugang zu den Mieträumen für potentielle Kunden der Beklagten verhindert oder beschränkt war. Zwar ist der ungehinderte Zugang zu den Mieträumen gerade bei der Vermietung von Gewerberäumen Voraussetzung für eine vertragsgemäße Nutzung des Mietobjekts, wenn das dort betriebene Gewerbe auf Kundenverkehr angewiesen ist. Eine Zugangsbehinderung kann daher einen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellen (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid Mietrecht 15. Aufl. § 536 BGB Rn. 210 mwN). Um eine Ausuferung des Mangelbegriffs zu verhindern, ist aber Voraussetzung hierfür, dass die Zugangsbeschränkung unmittelbar mit der Lage oder der Beschaffenheit des Mietobjekts in Verbindung steht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn durch Baumaßnahmen der öffentlichen Hand im Umfeld des Mietobjekts der Zugang zu den Mieträumen erschwert ist (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid Mietrecht 15. Aufl. § 536 BGB Rn. 210 mwN). Im vorliegenden Fall beruht die Zugangsbeeinträchtigung jedoch nicht auf der konkreten baulichen Gegebenheit der Mietsache, sondern auf einer hoheitlichen Maßnahme, die flächendeckend für alle im gesamten Bereich des Freistaats Sachsen liegenden Geschäfte ein Öffnungsverbot anordnete, die nicht zu den in den Allgemeinverfügungen genannten Ausnahmen zählen. Auf die konkreten Umfeldbedingungen kam es dabei nicht an. Deshalb ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch die Belegenheit des Mietobjekts im Pandemiegebiet für die Einordnung als Mangel ohne Bedeutung (vgl. OLG München NJW 2021, 948, 949).

(3) Das Vorliegen eines Mangels i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich auch nicht daraus, dass die Mietvertragsparteien im vorliegenden Fall als Mietzweck die "Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs" vereinbart haben. Der Umfang der mit der Vereinbarung eines Mietzwecks übernommenen Leistungspflicht des Vermieters ist grundsätzlich durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont aus Sicht eines Mieters gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Ohne besondere Umstände, die hier nicht vorgetragen wurden, gehören nur rechtliche Umstände, die die körperliche Beschaffenheit, den Zustand oder die Lage der Mietsache betreffen oder Einfluss auf sie haben, zu der vom Vermieter geschuldeten Leistung (vgl. Streyl NZM 2020, 817, 819). Für öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen, Verbote oder Gebrauchshindernisse, die sich aus betriebsbezogenen Umständen ergeben oder in der Person des Mieters ihre Ursache haben, hat der Vermieter hingegen ohne eine anderslautende Vereinbarung nicht einzustehen (vgl. Günter NZM 2016, 569, 570). Ein redlicher Mieter darf daher das Leistungsversprechen seines Vermieters im Zweifel nicht dahin verstehen, dieser wolle ihm die vereinbarte Nutzung unter allen erdenklichen Umständen gewährleisten (Häublein/Müller NZM 2020, 481, 484). Deshalb konnte im vorliegenden Fall die Beklagte nicht davon ausgehen, dass die Klägerin mit der Vereinbarung des konkreten Mietzwecks eine unbedingte Einstandspflicht auch für den Fall einer hoheitlich angeordneten Öffnungsuntersagung im Falle einer Pandemie übernehmen wollte (vgl. OLG München NJW 2021, 948, 949).

(4) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich ein Mangel der Mietsache im Falle der pandemiebedingten Schließung von gewerblich genutzten Mieträumen auch nicht aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts.

Zwar hat das Reichsgericht (RGZ 87, 277, 280; 89, 203, 205) in Fällen, in denen die Durchführung von Tanzveranstaltungen wegen des Ersten Weltkriegs polizeilich untersagt worden war, für eine gepachtete Gastwirtschaft, in der vorwiegend Tanzveranstaltungen durchgeführt wurden, das Vorliegen eines Mangels bejaht. Nach Auffassung des Reichsgerichts hat das polizeiliche Tanzverbot den Pachtgegenstand selbst betroffen. Denn dieser sei der Eigenschaft einer Tanzwirtschaft beraubt worden und deshalb mit einem die Tauglichkeit zu der vertragsgemäßen Nutzung mindernden Fehler i.S.v. § 537 BGB a. F. behaftet.

Diese Rechtsprechung kann auf den vorliegenden Fall indes nicht übertragen werden, weil ihr noch ein anderes Verständnis des mietrechtlichen Mangelbegriffs zugrunde lag (vgl. OLG Frankfurt NZM 2021, 395, 397 f.). Zwischenzeitlich hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zum Vorliegen eines Mangels i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Gebrauchsbeschränkungen fortentwickelt und hierbei gerade im Bereich der Vermietung von Gewerberäumen verstärkt die grundsätzliche Risikoverteilung zwischen Vermieter und Mieter in den Blick genommen (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 2011 - XII ZR 189/09 - NJW 2011, 3151 Rn. 9 mwN). Hinzu kommt, dass das Reichsgericht die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage, über die ein interessengerechter Ausgleich zwischen den Mietvertragsparteien bei Einschränkung der Nutzbarkeit der Mietsache infolge von höherer Gewalt wie Kriegsereignissen oder einer weltweiten Pandemie erreicht werden kann, erst zu einem späteren Zeitpunkt entwickelt hat (vgl. RGZ 100, 129, 132 f.; MünchKommBGB/Finkenauer 8. Aufl. § 313 Rn. 23 mwN; Streyl NZM 2020, 817, 819).

3. Die Beklagte ist auch nicht deshalb von ihrer Verpflichtung zur Mietzahlung befreit, weil der Klägerin ihre vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand ganz oder teilweise unmöglich gewesen wäre (§§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB). Dabei kann dahinstehen, ob diese Regelungen auch dann nach der Überlassung der Mietsache an den Mieter nicht mehr anwendbar und von den speziellen Regelungen des mietrechtlichen Gewährleistungsrechts (§§ 536 ff. BGB) verdrängt werden, wenn die Mietsache - wie hier - keinen Mangel aufweist (vgl. dazu MünchKommBGB/Häublein 8. Aufl. Vor § 536 Rn. 7; BeckOGK/Bieber [Stand: 1. April 2021] § 536 BGB Rn. 9; Staudinger/V. Emmerich BGB [2021] Vorb. zu §§ 536 ff. Rn. 5). Wie bereits ausgeführt, war es der Klägerin während des streitgegenständlichen Zeitraums trotz der behördlichen Schließungsanordnung nicht unmöglich, der Beklagten den Gebrauch der Mietsache entsprechend dem vereinbarten Mietzweck zu gewähren. Die Klägerin hat daher auch während der Zeit der Betriebsschließung die von ihr gemäß § 535 Abs. 1 BGB geschuldete Leistung erbracht. Eine Einstandspflicht für den Fall einer hoheitlich angeordneten Öffnungsuntersagung im Falle einer Pandemie hatte sie nicht übernommen.

4. Im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, kommt allerdings ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht. Dies hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt; seine Erwägungen zu einer möglichen Vertragsanpassung sind jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Gemäß § 313 Abs. 1 BGB kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Dabei kann eine Anpassung nur insoweit verlangt werden, als dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

aa) Durch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen weitreichenden Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens hat sich die Geschäftsgrundlage für den zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag schwerwiegend geändert.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die Geschäftsgrundlage eines Vertrags durch die bei Vertragsabschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände gebildet, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (vgl. BGH Urteil vom 1. Dezember 2012 - VIII ZR 307/10 - NJW 2012, 1718 Rn. 26 mwN).

Unstreitig hatte keine der Parteien bei Abschluss des Mietvertrags im Jahr 2013 die Vorstellung, während der vereinbarten Mietzeit werde es zu einer Pandemie und damit verbundenen erheblichen hoheitlichen Eingriffen in den Geschäftsbetrieb der Beklagten kommen, durch die die beabsichtigte Nutzung der Mieträume eingeschränkt wird. Aufgrund der vielfältigen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wie Geschäftsschließungen, Kontakt- und Zugangsbeschränkungen und der damit verbundenen massiven Auswirkungen auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 ist im vorliegenden Fall die sogenannte große Geschäftsgrundlage betroffen. Darunter versteht man die Erwartung der vertragschließenden Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-)Katastrophe ändern und die Sozialexistenz nicht erschüttert werde (MünchKommBGB/Finkenauer 8. Aufl. § 313 Rn. 17; Palandt/Grüneberg BGB 80. Aufl. § 313 Rn. 5; OLG München NJW 2021, 948, 949 f.; KG GE 2021, 570, 572; OLG Frankfurt NZM 2021, 395; Häublein/Müller NZM 2020, 482, 486 f.; Zehelein NZM 2020, 390, 398; Streyl NZM 2020, 817, 821; Warmuth COVuR 2020, 16, 18). Diese Erwartung der Parteien wurde dadurch schwerwiegend gestört, dass die Beklagte aufgrund der zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlassenen Allgemeinverfügungen des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 18. März 2020 und 20. März 2020 ihr Geschäftslokal in der Zeit vom 19. März 2020 bis einschließlich 19. April 2020 schließen musste.

(2) Dafür, dass bei einer zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie behördlich angeordneten Betriebsschließung die tatsächliche Voraussetzung des § 313 Abs. 1 Satz 1 BGB einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage erfüllt ist, spricht auch die durch Art. 10 des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Patentrecht vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3328) eingefügte Vorschrift des Art. 240 § 7 EGBGB. Danach wird vermutet, dass sich ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat, wenn vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind (vgl. Klose NZM 2021, 832, 835).

Zwar wird im Schrifttum vereinzelt die Auffassung vertreten, die Vorschrift, die zum 31. Dezember 2020 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 14 Abs. 2 des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Patentrecht vom 22. Dezember 2020), entfalte eine echte Rückwirkung und könne deshalb auf Sachverhalte, die zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens abgeschlossen waren, nicht angewendet werden (Klimesch IMR 2021, 47 f.).

In der Gesetzesbegründung ist jedoch ausgeführt, dass die Vorschrift auch auf zurückliegende Sachverhalte anwendbar sein soll (BT-Drucks. 19/25322 S. 24). Auch in Rechtsprechung und Literatur wird die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift auf Sachverhalte anwendbar ist, die zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens abgeschlossen waren, über die aber noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist (OLG Karlsruhe NJW 2021, 945; BeckOGK/Siegmund [Stand. 1. Oktober 2021] EGBGB Art. 240 § 7 Rn. 15; Blatt/Stobbe IMR 2021, 45). Diese Streitfrage kann jedoch dahinstehen. Art. 240 § 7 EGBGB hat nur einen eng begrenzten Regelungsgehalt. Die Vorschrift beschränkt sich auf die Vermutung, dass bei Mietverträgen über gewerblich genutzte Räumlichkeiten Gebrauchsbeschränkungen infolge von staatlich angeordneten Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie zu einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage führen. Der Regelungsgehalt der Vorschrift bezieht sich damit nur auf das reale Element des § 313 Abs. 1 BGB (BT-Drucks. 19/25322 S. 20), das in den Fällen einer Störung der großen Geschäftsgrundlage ohnehin unproblematisch erfüllt ist. Zu den weiteren Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage verhält sich die Vorschrift nicht (BT-Drucks. 19/25322 S. 20 f.). Insbesondere sagt sie auch nichts darüber aus, ob und gegebenenfalls in welcher Form eine Vertragsanpassung erfolgen soll (BeckOGK/Martens [Stand. 1. Oktober 2021] BGB § 313 Rn. 247; BT-Drucks. 19/25322 S. 21).

bb) Für eine Berücksichtigung der Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ist allerdings grundsätzlich insoweit kein Raum, als es um Erwartungen und um Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen. Eine solche vertragliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme schließt für die Vertragspartei regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf eine Störung der Geschäftsgrundlage zu berufen (Senatsurteil BGHZ 223, 290 = NJW 2020, 331 Rn. 37 mwN).

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte im vorliegenden Fall nicht vertraglich das alleinige Verwendungsrisiko für den Fall einer pandemiebedingten Schließung ihres Einzelhandelsgeschäfts übernommen.

Zwar können die Mietvertragsparteien durch eine entsprechende vertragliche Abrede die Risikoverteilung ändern. Ob das der Fall ist, ist durch Auslegung der getroffenen Vertragsvereinbarungen zu ermitteln. Soweit die Klägerin meint, vorliegend sei in § 5 Nr. 3 des Mietvertrags eine entsprechende Vereinbarung getroffen worden, kann dem jedoch nicht gefolgt werden. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut bezieht sich diese Regelung nur auf Mängel- und Schadensersatzansprüche des Mieters. Da Vertragsbestimmungen, mit denen die Mietvertragsparteien die Risikoverteilung abändern wollen, grundsätzlich eng auszulegen sind, kann aus dieser Regelung nicht geschlossen werden, dass die Beklagte über den umfangreichen Verzicht auf mietrechtliche Gewährleistungsansprüche in den von der Vertragsbestimmung erfassten Ereignissen hinaus auch im Fall einer weltweiten Pandemie das alleinige Risiko dafür übernehmen wollte, die Mietsache nicht vertragsgemäß verwenden zu können.

cc) Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann auch davon ausgegangen werden, dass die Parteien den Mietvertrag mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätten, wenn sie bei Vertragsschluss im Jahr 2013 die Möglichkeit einer Pandemie und die damit verbundene Gefahr einer hoheitlich angeordneten Betriebsschließung vorausgesehen und bedacht hätten. Es ist anzunehmen, dass redliche Mietvertragsparteien für diesen Fall das damit verbundene wirtschaftliche Risiko nicht einseitig zu Lasten des Mieters geregelt, sondern in dem Vertrag für diesen Fall eine Möglichkeit zur Mietanpassung vorgesehen hätten.

dd) Allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB berechtigt jedoch noch nicht zu einer Vertragsanpassung. Vielmehr verlangt die Vorschrift als weitere Voraussetzung, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Durch diese Formulierung kommt zum Ausdruck, dass nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse eine Vertragsanpassung oder eine Kündigung (§ 313 Abs. 3 BGB) rechtfertigt. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt (Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2014 - XII ZB 181/13 - FamRZ 2015, 393 Rn. 19 mwN; BGH Urteil vom 1. Februar 2012 - VIII ZR 307/10 - NJW 2012, 1718 Rn. 30 mwN). Deshalb kommt eine Vertragsanpassung zugunsten des Mieters jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn ihm ein unverändertes Festhalten an der vertraglich vereinbarten Miethöhe unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung zumutbar ist (vgl. BGH Urteil vom 11. Dezember 2019 - VIII ZR 234/18 - NJW-RR 2020, 523 Rn. 20 ff.).

(1) Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trägt grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Dazu gehört bei der gewerblichen Miete vor allem die Chance, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können (Senatsurteil vom 21. September 2005 - XII ZR 66/03 - NJW 2006, 899, 901). Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters aufgrund eines nachträglich eintretenden Umstandes nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters. Das gilt auch in Fällen, in denen es durch nachträgliche gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Mieters kommt (Senatsurteil vom 13. Juli 2011 - XII ZR 189/09 - NJW 2011, 3151 Rn. 9).

Beruht die enttäuschte Gewinnerwartung des Mieters jedoch auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wie einer Betriebsschließung für einen gewissen Zeitraum, geht dies über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinaus (vgl. OLG München NJW 2021, 948, 951 f.; KG GE 2021, 570, 572; Häublein/Müller NZM 2020, 482, 487; Streyl NZM 2020, 817, 822; Warmuth COVuR 2020, 16; 20; Römermann NJW 2021, 265, 268). Die wirtschaftlichen Nachteile, die ein gewerblicher Mieter aufgrund einer pandemiebedingten Betriebsschließung erlitten hat, beruhen nicht auf unternehmerischen Entscheidungen oder der enttäuschten Vorstellung, in den Mieträumen ein Geschäft betreiben zu können, mit dem Gewinne erwirtschaftet werden. Sie sind vielmehr Folge der umfangreichen staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, für die keine der beiden Mietvertragsparteien verantwortlich gemacht werden kann. Die Art der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wurde zudem von dem Ziel bestimmt, menschliche Kontakte aus Gründen des Infektionsschutzes weitgehend zu reduzieren. Die Maßnahmen waren nach epidemiologischen Gesichtspunkten ausgewählt, knüpften dabei aber grundsätzlich weder an spezifische Eigenschaften des vom Mieter geführten Gewerbebetriebs noch an solche des Mietobjekts an (BeckOGK/Martens [Stand: 1. Oktober 2021] BGB § 313 Rn. 246). Durch die COVID-19-Pandemie hat sich damit letztlich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, das von der mietvertraglichen Risikoverteilung ohne eine entsprechende vertragliche Regelung nicht erfasst wird. Diese Systemkrise mit ihren weitreichenden Folgen hat vielmehr zu einer Störung der großen Geschäftsgrundlage geführt. Das damit verbundene Risiko kann regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden (KG GE 2021, 570, 572; Häublein/Müller NZM 2020, 482, 487; Römermann NJW 2021, 265, 268). Schließlich ging auch der Gesetzgeber bei der Schaffung des Art. 240 § 7 EGBGB davon aus, dass ohne entsprechende vertragliche Regelungen Belastungen infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie regelmäßig weder der Sphäre des Vermieters noch des Mieters zuzuordnen sind (BT-Drucks. 19/25322 S. 21).

Danach hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die pandemiebedingte Schließung von Geschäften nicht allein das Verwendungsrisiko der Beklagten betrifft und ihr daher auch nicht einseitig aufgebürdet werden kann.

(2) Auch wenn die mit einer pandemiebedingten Betriebsschließung verbundene Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache nicht allein dem Verwendungsrisiko des Mieters zugeordnet werden kann, bedeutet dies aber nicht, dass der Mieter stets eine Anpassung der Miete für den Zeitraum der Schließung verlangen kann. Ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf auch in diesem Fall einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (§ 313 Abs. 1 BGB). Eine pauschale Betrachtungsweise wird den Anforderungen an dieses normative Tatbestandsmerkmal der Vorschrift nicht gerecht. Deshalb kommt eine Vertragsanpassung dahingehend, dass ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände die Miete für den Zeitraum der Geschäftsschließung grundsätzlich um die Hälfte herabgesetzt wird, weil das Risiko einer pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkung der Mietsache keine der beiden Mietvertragsparteien allein trifft, nicht in Betracht (vgl. auch OLG München NJW 2021, 948, 952; OLG Hamm Urteil vom 24. September 2021 - 30 U 114/21 - juris Rn. 79; OLG Karlsruhe NJW 2021, 945, 947; Klose NZM 2021, 832, 839; a.A. KG GE 2021, 570, 572; OLG Köln NJW-RR 2021, 1218, 1221; Zehelein NZM 2020, 390, 399 f.; Römermann NJW 2021, 265, 269; Säcker/Schubert BB 2020, 2563, 2570; Klimesch/Walther ZMR 2020, 556, 557 f.).

Bei der vorzunehmenden Abwägung ist zunächst von Bedeutung, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind. Diese werden bei einem gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung bestehen, wobei jedoch nur auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz abzustellen ist (Streyl NZM 2020, 817, 825). Zu berücksichtigen kann auch sein, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern.

Da eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage aber nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste führen darf, sind bei der Prüfung der Unzumutbarkeit grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich dieser pandemiebedingten Nachteile erlangt hat (OLG München NJW 2021, 948, 952; OLG Karlsruhe NJW 2021, 945, 946 f.; KG GE 2021, 570, 572; Häublein/Müller NZM 2020, 482, 489; Zehelein NZM 2020, 390, 401; Saxinger ZMR 2020, 1002, 1007 f.; Tölle/Ehrentreich IMR 2021, 178, 179; Klimesch IMR 2021, 47; Güther ZMR 2021, 296 f.). Auch Leistungen einer einstandspflichtigen Betriebsversicherung des Mieters können zu berücksichtigen sein (OLG Frankfurt NZM 2021, 395, 402; Häublein/Müller NZM 2020, 482, 488 f.; vgl. auch den Verhandlungstermin des BGH am 26. Januar 2022 in dem Verfahren IV ZR 144/21). Staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die nur auf Basis eines Darlehens gewährt wurden, bleiben hingegen bei der gebotenen Abwägung außer Betracht, weil der Mieter durch sie keine endgültige Kompensation der erlittenen Umsatzeinbußen erreicht (Häublein/Müller NZM 2020, 482, 489). Eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters ist dagegen nicht erforderlich (KG GE 2021, 570, 572; OLG Frankfurt NZM 2021, 395, 402; Streyl NZM 2020, 817, 824; Römermann NJW 2021, 265, 268).

Schließlich sind bei der gebotenen Abwägung auch die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen (vgl. OLG München NJW 2021, 948, 952).

(3) Dabei obliegt es grundsätzlich der Vertragspartei, die sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage beruft, nachzuweisen, dass ihr ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist (MünchKommBGB/Finkenauer 8. Aufl. § 313 Rn. 135 mwN). Im Falle einer pandemiebedingten Geschäftsschließung muss daher der Mieter darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche Nachteile ihm aus der Betriebsschließung entstanden sind, die ihm eine vollständige Mietzahlung für diesen Zeitraum unzumutbar machen (Saxinger ZMR 2020, 1002, 1007 f.; Tölle/Ehrentreich IMR 2021, 178, 180), und welche zumutbaren Anstrengungen er unternommen hat, um drohende Verluste auszugleichen. Behauptet der Mieter, keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten zu haben, muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er sich um mögliche Hilfeleistungen vergeblich bemüht hat. Gelingt ihm dies nicht, muss er sich so behandeln lassen, als hätte er die staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten (Häublein/Müller NZM 2020, 481, 489). Wendet hingegen der Vermieter ein, dass die vom Mieter behaupteten Verluste nicht auf der COVID-19-Pandemie beruhen, trifft ihn hierfür die Darlegungs- und Beweislast (BeckOGK/Martens [Stand: 1. Oktober 2021] BGB § 313 Rn. 251).

Auf dieser Grundlage hat das Gericht in tatrichterlicher Verantwortung und unter Berücksichtigung von § 287 ZPO für den konkreten Einzelfall die Voraussetzungen des § 313 BGB festzustellen und gegebenenfalls eine Vertragsanpassung vorzunehmen.

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall sei der Mietvertrag dahingehend anzupassen, dass die Beklagte für die Zeit der Geschäftsschließung nur die hälftige Miete schuldet, nicht frei von Rechtsfehlern.

Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die Frage, ob dem Mieter ein Festhalten an dem Vertrag zumutbar ist, auch im Fall einer pandemiebedingten Geschäftsschließung eine konkret auf den Einzelfall bezogene Abwägung aller relevanten Umstände erfordert, die nicht durch eine pauschale Aufteilung der Miete ersetzt werden kann. Deshalb lässt sich die vom Berufungsgericht vorgenommene Absenkung der Kaltmiete um 50 % nicht mit der gegebenen Begründung rechtfertigen, die mit der pandemiebedingten Geschäftsschließung verbundenen Belastungen seien gleichmäßig auf beide Mietvertragsparteien zu verteilen, weil keine der Parteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt habe. Das Berufungsgericht hätte vielmehr tragfähige Feststellungen dazu treffen müssen, welche konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen die Geschäftsschließung in dem streitgegenständlichen Zeitraum für die Beklagte hatte und ob diese Nachteile ein Ausmaß erreicht haben, das eine Anpassung des Mietvertrags erforderlich macht. Deshalb durfte das Berufungsgericht es auch nicht dahinstehen lassen, ob die Beklagte für die Zeit der Geschäftsschließung entsprechende staatliche Hilfen erhalten hat oder hätte erhalten können. Die Beklagte hat zwar in den Instanzen vorgetragen, ihr seien keine staatlichen Unterstützungsleistungen zugeflossen. Die Klägerin hat diese Behauptung jedoch - auch noch im Berufungsverfahren - bestritten. Hinzu kommt, dass die Beklagte nur die Miete für April 2020 ausgesetzt und die weiteren Mieten im Jahr 2020 vollständig bezahlt hat. Auch dies hätte für das Berufungsgericht Anlass sein müssen, sich die Frage vorzulegen, ob der durch die Geschäftsschließung entstandene Umsatzrückgang tatsächlich so erheblich war, dass der Beklagten die vollständige Zahlung der Miete für den streitgegenständlichen Zeitraum unzumutbar war.

III.

Die angefochtene Entscheidung ist daher gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache ist nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Dose

Klinkhammer

Günter

Botur

Krüger

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

Sachverhalt

I.

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von Mietzins für Gewerberäume im April 2020 in Anspruch.

Die Beklagte betreibt in von den Klägern gemieteten Geschäftsräumen in der N.-Straße in W. eine Filiale eines Marktes. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf die Darstellung im landgerichtlichen Urteil (LGU 2/3) verwiesen.

Die streitgegenständliche Filiale war vom 18.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 wegen § 4 Abs. 1 Nr. 12 der Coronaverordnung vom 17.03.2020 geschlossen. Die Beklagte kündigte am 24.03.2020 an, die Miete für April 2020 nicht zu bezahlen. Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Kläger wurde sie am 01.04.2020 aufgefordert, die Miete fristgerecht zu überweisen. Die Aufforderung blieb erfolglos, die Kläger haben Klage auf Zahlung der Miete für den Monat April 2020 sowie auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten erhoben. Die Beklagte hat mit der Klageerwiderung hilfsweise die Aufrechnung mit einem Teil der Miete vom März 2020 erklärt, nachdem die streitgegenständliche Filiale ab dem 20.04.2020 wieder eröffnet werden konnte.

Die Kläger sind der Auffassung, die behördlich angeordnete Schließung der Filiale lasse ihren Anspruch auf Zahlung des Mietzinses für den Gewerberaum nicht entfallen. Es handele sich hierbei nicht um einen Mangel der Mietsache. Da eine Mindestmiete vereinbart worden sei, werde diese unabhängig davon geschuldet, ob in dem Ladengeschäft Umsätze generiert würden oder nicht. Dieses Risiko trage die Beklagte im Verhältnis zu den Klägern allein. Die Gebrauchsüberlassung der Mieträume an die Beklagte sei nicht unmöglich. Für eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB fehle es an einer von der Beklagten darzulegenden Existenzgefährdung.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des weiteren Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Beklagte zur Zahlung von 5.081,98 € zuzüglich Zinsen sowie Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 697,82 € zuzüglich Zinsen verurteilt. Es hat das Vorliegen eines Sachmangels verneint. Die behördliche Anordnung hebe die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nicht auf und mindere diese auch nicht. Hoheitliche Maßnahmen, die zu einer Gebrauchsbeschränkung führten, begründeten nur dann einen Mangel, wenn sie unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der konkreten Mietsache im Zusammenhang stünden. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts sei wegen des heute in Rechtsprechung und herrschender Lehre vorausgesetzten Objektbezugs der Nutzungsbeeinträchtigung nicht übertragbar. Weiter ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Leistung der Kläger nicht nach § 275 BGB unmöglich geworden sei, da die Kläger die ihnen als Vermieter obliegende Hauptleistungspflicht erfüllen könnten. Das Verwendungsrisiko trage allein die Beklagte. Ob § 313 Abs. 1 BGB vorliegend anwendbar ist und die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, hat das Landgericht offengelassen, nachdem es eine Unzumutbarkeit für die Beklagte, sich am Vertrag festzuhalten zu lassen, nicht hat feststellen können. Eine Existenzgefährdung oder unzumutbare wirtschaftliche Beeinträchtigung habe die Beklagte nicht dargelegt. Sie habe unberücksichtigt gelassen, dass sie über das staatliche Kurzarbeitergeld Mitarbeiterkosten erspart habe und die Möglichkeit, den Onlinehandel auszuweiten oder dies zumindest zu versuchen, um Umsatzeinbußen auszugleichen, außer Betracht gelassen. Weiter hat das Landgericht unter Berücksichtigung von § 10 des Mietvertrags, der bei erheblicher Veränderung der Charakteristik der Verkehrssituation, der Einzelhandelssituation oder der Straßenführung in Bezug auf die Erreichbarkeit des Mietobjekts lediglich ein Kündigungsrecht der Beklagten mit einer Frist von sechs Monaten zum Monatsende vorgesehen habe, eine Unzumutbarkeit verneint.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Unter Bezugnahme auf ein Urteil des Landgerichts München I vom 22.09.2020 (Az. 3 O 4495/20) geht die Beklagte von einem Mangel der Mietsache aus, der zu einer Minderung der Miete um bis zu 100 % führe. Die Räumlichkeiten seien zur Nutzung als Verkaufsräume, nicht als Lagerräume gemietet worden. Die Benutzbarkeit des Mietobjekts zum vereinbarten Zweck des Verkaufs fehle, weshalb ein zur Minderung berechtigender Mangel vorliege. Der Anteil der Lagerflächen betrage lediglich 5,87 % der Mietflächen. Im Übrigen sei den Klägern durch die Schließungsanordnung in der Coronaverordnung die ihnen obliegende Leistung unmöglich geworden. Zumindest sei wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage der Vertrag nach § 313 BGB anzupassen. Mit der behördlichen Schließungsanordnung sei die Geschäftsgrundlage entfallen, ohne dass das sich verwirklichende Risiko einer Partei zugeordnet werden könne, weshalb eine hälftige Teilung der Miete während der Schließungszeit angemessen sei. Insoweit sei hinsichtlich der Schließungszeit im März eine Aufrechnung mit der vollständig unbezahlten Aprilmiete erfolgt. Die Ausführungen des Landgerichts zur Unzumutbarkeit hält die Beklagte für überflüssig. Das Kriterium der Existenzbedrohung des Gewerberaummieters sei nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Wenn das Landgericht dieses jedoch für wichtig gehalten hätte, hätte das Landgericht den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Ein Ausweichen auf den Onlinehandel sei vor dem Hintergrund der Preisstruktur der Beklagten nicht erfolgversprechend gewesen, eine Änderung des Nutzungszwecks scheide schon wegen der erforderlichen behördlichen Genehmigungen, die in kurzer Zeit nicht zu beschaffen seien, aus. Auf den Bezug staatlicher Hilfen in Form von Kurzarbeitergeld komme es nicht an, da hierdurch zwar Kosten gesenkt, jedoch nicht die Kosten der Beklagten gedeckt werden könnten. Einer Vorlage der Gesamtkostenkalkulation der Beklagten bedürfe es insoweit nicht. Im Übrigen habe das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass auch die wirtschaftliche Situation der Klägerseite in die Abwägung der Zumutbarkeit hätte einfließen müssen, diese habe das Landgericht nicht aufgeklärt. Nach Auffassung der Beklagten wären die Mieten für die Zeiten der Schließung jedenfalls hälftig zu teilen gewesen, weshalb die Klage dann in Höhe von 2.756,83 € abzuweisen gewesen wäre.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Heidelberg, Az. 5 O 66/20, vom 30.07.2020, zugestellt am 06.08.2020, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil als richtig. Weiter machen sie geltend, dass den Klägern, die in demselben Gebäude, in dem die Beklagte Ankermieterin sei, Praxisräumlichkeiten betrieben, eine Herabsetzung der Miete wirtschaftlich nicht zuzumuten sei, nachdem sie zwar nicht von Schließungen betroffen gewesen seien, jedoch erhöhten Aufwand in die Praxisräumlichkeiten im Zusammenhang mit der Coronapandemie hätten. Auch seien ihre Umsätze zurückgegangen, im Gegensatz zu der Beklagten profitierten sie nicht von staatlichen Hilfen wie Kurzarbeitergeld.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 10.02.2021 (II 48) verwiesen.

Aus den Gründen

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie erweist sich jedoch als unbegründet.

Die Voraussetzungen einer Mietminderung liegen nicht vor (1.). Die Leistung der Kläger als Vermieter ist diesen auch nicht unmöglich geworden (2.). Eine Anpassung des Vertrags nach § 313 BGB findet vorliegend ebenfalls nicht statt (3.).

1. Zutreffend hat das Landgericht die Voraussetzungen einer Mietminderung nach § 536 Abs.1 BGB verneint.

Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht. Ein derartiger Mangel ist dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (so genannte Umweltfehler), wie etwa Emissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt (BGH, Urteil vom 19.12.2012, VIII ZR 152/12, bei juris Rn. 8). Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen während eines laufenden Mietverhältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßigen Gebrauchs eines gewerblichen Mietobjekts, kann dies nachträglich einen Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 S. 1 BGB begründen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht. Andere gesetzgeberische Maßnahmen, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchtigen, fallen dagegen in den Risikobereich des Mieters. Denn der Vermieter von Gewerberäumen ist gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich verpflichtet, den Mietgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache trägt bei der Gewerberaummiete dagegen grundsätzlich der Mieter. Dazu gehört vor allem das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters aufgrund eines nachträglich eintretenden Umstands nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters. Das gilt auch in Fällen, in denen es durch nachträgliche gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Mieters kommt (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2011, XII ZR 189/09, bei juris Rn. 9 zu einem Pachtverhältnis). Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt im Gegensatz zu der von der Beklagten und dem Landgericht München I im Urteil vom 22.09.2020 (3 O 4495/20) herangezogenen Rechtsprechung des Reichsgerichts für die Annahme eines Mangels einen Objektbezug der Nutzungsbeeinträchtigung voraus. Einen solchen hält auch der Senat als Voraussetzung der Annahme eines Mangels des Mietobjekts für erforderlich.

Durch die behördliche Nutzungseinschränkung ist das streitgegenständliche Mietobjekt daher nicht als mangelhaft im Sinne des § 536 BGB anzusehen. Es fehlt am Objektbezug der behördlichen Schließungsanordnung, die eine Vielzahl an Gewerben, die nicht der Deckung mit Gütern des täglichen Bedarfs dienten, betrafen.

2. Zutreffend hat das Landgericht auch einen Fall der Unmöglichkeit der Leistung der Kläger, mit der Folge, dass die Gegenleistungspflicht der Beklagten entfallen würde, verneint.

Wie oben ausgeführt, ist der Vermieter von Gewerberäumen lediglich verpflichtet, den Mietgegenstand während der Vertragslaufzeit in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das Verwendungsrisiko trägt grundsätzlich der Mieter (BGH, Urteil vom 13.07.2011, XII ZR 189/09, bei juris Rn. 9). Vorliegend erfolgte die Vermietung zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts mit sämtlichen Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs. Als solche war die Mietsache im vorliegenden Fall auch während der angeordneten Schließung brauchbar. Dass es wegen der angeordneten Schließung tatsächlich nicht zu einem entsprechenden Gebrauch kam, fällt in das Verwendungsrisiko der Beklagten.

3. Zutreffend hat das Landgericht auch gesehen, dass vorliegend eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kommt.

Nach Art. 240 § 7 EGBGB sind hier sowohl das allgemeine Schuldrecht als auch die Gewährleistungsrechte aus dem Mietvertragsrecht anwendbar und werden durch die gesetzliche Vermutung, dass eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt, ergänzt. Der Gesetzgeber geht dabei davon aus, dass vorrangig Gewährleistungsrechte und die Frage der Unmöglichkeit der Vertragserfüllung zu prüfen sind (BT-Drucks. 19/25322 S. 14/ 15). Beide führen im vorliegenden Fall nicht zu einer Reduzierung der Mietschuld der Beklagten für April 2020 (dazu oben 1. und 2.). Erst danach kann auf die Frage des Vorliegens einer Störung der Geschäftsgrundlage eingegangen werden. Dass eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt, wird nun „grundsätzlich“ vermutet, wobei Unsicherheiten beseitigt und die außergerichtliche Verhandlungsposition des Gewerberaummieters gestärkt werden sollte (BT-Drucks. 19/25322 S. 14/ 15). Art. 240 § 7 EGBGB schafft eine tatsächliche Vermutung, dass sich ein Umstand im Sinn des § 313 Abs. 1 BGB, der Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach dem Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Die Vermutung ist widerleglich und gilt nur für dieses reale Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB (BT-Drucks. 19/25322 S. 20). Das normative Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB, dass dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, wird von der Vermutungsregelung nicht erfasst (BT-Drucks. 19/25322 S. 21).

Dabei stellt der Gesetzgeber darauf ab, dass im Rahmen der Zumutbarkeit zu prüfen sein wird, wie erheblich die Umsätze zurückgegangen sind und auch, ob der Mieter öffentliche oder sonstige Zuschüsse erhalten hat, mit denen er die Umsatzausfälle infolge staatlicher Beschränkung jedenfalls teilweise kompensieren kann, und ob er Aufwendungen erspart hat (z.B. wegen Kurzarbeitergeld oder weggefallenem Wareneinkauf). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls § 313 BGB gewährt keine Überkompensation (BT-Drucks. 19/25322 S. 21).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend nicht festzustellen, dass es der Beklagten unter Abwägung aller Umstände nicht zuzumuten wäre, an der vertraglich vereinbarten Mietzahlungspflicht festgehalten zu werden. Darauf, ob die gesetzliche Regelung, was die Kläger in Abrede stellen, auch auf Sachverhalte in der Vergangenheit, nämlich die Miete für April 2020 anwendbar ist, kommt es daher hier nicht an.

a. Nach § 313 Abs. 1 BGB kann die Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Wie oben ausgeführt (1.), trägt im Verhältnis zum Vermieter der Mieter grundsätzlich das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Eine Anpassung des Vertrags kann die Beklagte nur dann verlangen, wenn ihr das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. § 313 BGB greift nach der Rechtsprechung erst dann ein, wenn dies zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnis unabweislich erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 22.12.2004, VIII ZR 41/04, bei juris Rn. 17). Die Unzumutbarkeit ist aus dem Vergleich von Schuldneraufwand und Leistungserfolg zu bestimmen. Dabei sind nicht nur die Interessen des Schuldners, sondern auch die des Gläubigers mit dem Ziel, die beiderseitigen – widerstreitenden – Interessen auszugleichen, zu berücksichtigen. Dem Schuldner sind Aufwendungen, welche die dem Schuldverhältnis immanente Opfergrenze überschreiten, nicht mehr zumutbar. Diese Opfergrenze wird insbesondere überschritten, wenn die Inanspruchnahme des Schuldners zur Vernichtung seiner Existenz führen würde; unter Umständen genügt auch bereits eine schwere Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Fortkommens (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15.04.1959, V ZR 3/58, bei juris Rn. 44). Eine Angleichung ist geboten, wenn das Festhalten am Vertrag zu einem untragbaren, mit Recht und Gesetz schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde (BGH, Urteil vom 20.12.2004, VIII ZR 41/04, bei juris Rn. 25).

Dass ein solches schlechthin nicht mehr hinnehmbares Ergebnis anzunehmen wäre, insbesondere die Beklagte in ihrer Existenz gefährdet wäre, wenn sie die Miete für April 2020 bezahlen müsste, ist ihrem Vortrag nicht zu entnehmen. Sie hat zwar einen Umsatzverlust bezogen auf den Gesamtkonzern dargelegt. Wie die streitgegenständliche Filiale wirtschaftlich dasteht, ist dem Vortrag der Beklagten aber nicht zu entnehmen. Es ist im Zusammenhang mit der Existenzgefährdung durchaus zu sehen, dass es sich bei der Beklagten um einen großen Konzern handelt, der wirtschaftlich leistungsfähiger sein kann als die Filialen für sich betrachtet. Für die Frage der Störung des Äquivalenzverhältnisses bezogen auf den streitgegenständlichen Mietvertrag dürfen jedoch auch Leistung und Gegenleistung bezogen auf diese Filiale und damit der konkrete Einzelfall nicht aus dem Blickfeld geraten, da auch die Interessen der (unterschiedlichen) Vermieter Berücksichtigung finden müssen.

Hier hat die Beklagte eine Aufstellung der Nettoumsätze aller Filialen in Deutschland von Januar 2018 bis April 2020 einschließlich vorgelegt. Unterstellt man, dass diese auch die Umsatzentwicklung in der streitgegenständlichen Filiale wiederspiegeln, ist ein Umsatzeinbruch in den Monaten März und April 2020 zu sehen. Dass dieser allerdings allein auf den Schließungen und nicht auch auf bereits seit Anfang März zu beobachtender Zurückhaltung der Käufer, also einer unstreitig in das Risiko der Beklagten fallenden Änderung des Konsumverhaltens, beruht, ist diesen Zahlen nicht zu entnehmen. Obwohl das Landgericht bereits in der mündlichen Verhandlung (I 75) darauf hingewiesen hatte, dass eine Existenzgefährdung nicht dargelegt sei, und auch das Urteil auf die fehlende Darlegung einer zur Unzumutbarkeit führenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung gestützt hatte (LGU 14/ 15), hat sich die Beklagte damit weder in erster Instanz noch in der Berufungsbegründung dezidiert auseinandergesetzt.

Zutreffend hat das Landgericht gesehen, dass nicht isoliert die Umsatzeinbußen in den von der Schließung betroffenen Monaten betrachtet werden können, und dass auch staatliche Hilfen, wie das Kurzarbeitergeld, in die Abwägung einzubeziehen sind. Auch wenn diese die Kosten nicht insgesamt ausgeglichen haben, ist für die Frage der wirtschaftlich unzumutbaren Beeinträchtigung zu berücksichtigen, ob von anderer Seite eine Partei wirtschaftliche Unterstützung erhalten hat. Ebenso kann nicht unberücksichtigt bleiben, ob mit nicht verkauften, aber noch verkäuflichen Warenvorräten, Vermögenswerte noch vorhanden sind. Diese binden zwar Liquidität der Beklagten, können aber im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtung nicht außer Betracht bleiben.

Vorliegend ist dem Vortrag der Beklagten auch in der Berufung weder bezogen auf die streitgegenständliche Filiale noch bezogen auf den Gesamtkonzern zu entnehmen, in welchem Umfang als Folge der Schließung im Frühjahr 2020 die Umsätze und Gewinne und damit im Ergebnis auch das Vermögen der Beklagten so beeinträchtigt wurden, dass ihr ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden könnte. Weder legt die Beklagte offen, wieviel staatliche Leistungen, insbesondere Kurzarbeitergeld, sie erhalten hat, und welche Aufwendungen sie durch die Kurzarbeit erspart hat, noch welche Warenwerte an verkäuflichen Waren, die die Anschaffungskosten im weiteren Verlauf senken, weiter vorhanden sind. Die Bezugnahme auf die erneuten im Dezember 2020 behördlich verordneten und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch andauernden Schließungen vermag den Vortrag zu den Beeinträchtigungen im Frühjahr nicht zu ersetzen. Die Einbußen, die die Beklagte durch die erneute Schließung ab Mitte Dezember 2020 erleidet, können auch nicht in die Abwägung der Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag für die Monatsmiete im April 2020 einbezogen werden. Insoweit handelt es sich um einen neuen Sachverhalt. Gegenstand dieses Rechtsstreits ist allein die Miete für April 2020 und nicht die Frage, ob und in welcher Form eine Vertragsanpassung für Zeiträume ab Mai 2020 verlangt werden könnte.

b. Soweit sich die Beklagte auf Stimmen in der Literatur beruft, die unter Berücksichtigung des Umstandes, dass keine der Parteien die Pandemie und die damit verbundenen Geschäftsschließungen und weiteren Folgen habe vorhersehen können, eine hälftige Teilung des Risikos und damit eine hälftige Teilung der Miete annehmen, weshalb es einer Darlegung der Umsatzausfälle nicht bedürfe, überzeugt dies nicht. Zu prüfen ist die Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit in jedem Einzelfall. Dieser entzieht sich, wie die unterschiedlichen Stimmen in der Literatur zeigen (vgl. bspw. Häublein/Müller, Wer trägt das Pandemierisiko in der Geschäftsraummiete, NZM 2020, 481, 488 ff), einer pauschalierten Darstellung. Es kann in dem Zusammenhang auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte im Gegensatz zu den Klägern von staatlichen Transferleistungen wie dem Kurzarbeitergeld profitiert. Zudem zeigt sich unter Berücksichtigung des Umstands, dass im April nach der Schließung nur 10 Öffnungstage zur Verfügung standen, dass hier die Vormonate deutlich übersteigende Tagesumsätze erzielt wurden, so dass ein gewisser Nachholeffekt in diesem Bereich nicht auszuschließen ist. Eine pauschalierte Herabsetzung um die Hälfte lässt außer Betracht, dass möglicherweise, Vortrag der Beklagten hierzu fehlt, ein Teil der Umsätze nach Beendigung des Lockdown auch nach April 2020 nachgeholt werden konnte, da anders als in der Gastronomie oder der Veranstaltungsbranche zunächst nicht verkaufte Ware, soweit es sich nicht um Osterartikel gehandelt hat, grundsätzlich zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden kann.

c. Somit fehlt es bereits an einer Darlegung der Unzumutbarkeit der Zahlung der Miete für den Monat April 2020, weshalb die Berufung der Beklagten keinen Erfolg haben kann.

Auf die Frage, inwieweit die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger durch die behördlich angeordneten Schließungen betroffen sind und ob diesen eine Vertragsanpassung zuzumuten wäre, kommt es derzeit nicht an, da bereits nicht festgestellt werden konnte, dass die Beklagte in so unzumutbarer Weise betroffen sein könnte, dass eine Vertragsanpassung im Sinne einer Herabsetzung der Miete geboten wäre.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit wurde gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO angeordnet.

Vor dem Hintergrund der in Literatur und Rechtsprechung streitigen Fragen zum Vorliegen eines Mangels des Mietobjekts durch die angeordneten Schließungen, der Unmöglichkeit der Leistung der Vermieter, die zu einer Minderung der Miete bzw. zu einem Wegfall der Mietzahlungspflicht der Beklagten führen würden, ohne dass es auf die in ihrer Erforderlichkeit ebenfalls umstrittene Darstellung der Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertragsverhältnis ankäme, hat der Senat zur Fortbildung des Rechts die Revision zugelassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Oberlandesgericht Dresden


Urteil vom 24.02.2021


Az.: 5 U 1782/20


In dem Rechtsstreit


X. Grundstücksverwaltung GmbH & Co. KG, ...
vertreten durch die Komplementärin X. Grundstücksverwaltung Beteiligungs GmbH
diese vertreten durch den Geschäftsführer ...
- Klägerin und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwaltskanzlei ...


gegen


Y. GmbH, ...
vertreten durch die Geschäftsführer ...
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
... Rechtsanwälte PartG mbB, ...


wegen Mietzinsforderung


hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht PD Dr. Dr. K.,
Richterin am Oberlandesgericht K. und
Richter am Oberlandesgericht K.
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2021
für Recht erkannt:

Tenor:


I. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 26.08.2020 (4 O 639/20) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.720,09 € zuzüglich Zinsen daraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.04.2020 und 272,00 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.06.2020 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckten Betrages leistet.

II. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:


Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung der Miete des Monats April 2020 für die auf dem Grundstück ... Straße ... in xxx befindlichen Gebäude und Parkplätze mit einer Nutzfläche von ca. 1.150 m² in Anspruch, die die Beklagte zum Betrieb eines Textileinzelhandels angemietet hat.

Die Parteien schlossen am 13./26.09.2013 einen Mietvertrag über die auf dem Grundstück ... Straße ... in xxx befindlichen Gebäude und Parkplätze. Das Mietverhältnis begann am 01.01.2014 und wurde für die Dauer von 10 Jahren fest abgeschlossen, mit einer Verlängerungsklausel und einer zweimaligen Option der Beklagten als Mieterin zur Verlängerung des Mietverhältnisses jeweils um drei Jahre. Die Vermietung erfolgte "ausschließlich zu gewerblichen Zwecken zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs." Seit dem 01.01.2019 beträgt die monatliche Bruttomiete 7.854,00 € und ist spätestens bis zum 5. des Monats auf das im Vertrag angegebene Bankkonto der Klägerin zu bezahlen. Neben der Miete trägt die Beklagte als Mieterin im Vertrag näher umschriebene Nebenkosten. Eine Nebenkostenvorauszahlung wurde nicht vereinbart. In § 1 Nr. 2 des Mietvertrages wurde geregelt: "Der Vermieter übernimmt keine Gewähr dafür, dass etwaige erforderliche behördliche Genehmigungen für die Nutzung der Mieträume durch den Mieter erteilt werden, soweit die Genehmigungen nicht aus Gründen versagt werden, die ausschließlich auf der Beschaffenheit oder Lage des Mietobjektes beruhen. Der Mieter trägt die Kosten der Erfüllung behördlicher Auflagen, die sich aus seiner Person oder der Nutzungsart der Mieträume ergeben, ausgenommen sind die brandschutztechnischen Bestimmungen sowie die Arbeitsrichtlinien."

Aufgrund des sich verbreitenden SARS-CoV-2-Virus (Corona-Pandemie) erließ das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt am 18.03.2020 auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 IfSG die "Allgemeinverfügung Vollzug des Infektionsschutzgesetzes Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie Verbot von Veranstaltungen" (Az. 15-5422/5), nach deren Ziffer 1 in Sachsen grundsätzlich alle Geschäfte geschlossen wurden, soweit sie nicht unter die in der Allgemeinverfügung ausdrücklich benannten Ausnahmen fielen, was für den Textileinzelhandel der Beklagten nicht zutraf. Die Allgemeinverfügung vom 18.03.2020 trat gemäß ihrer Ziffer 9 am 19.03.2020 um 0:00 Uhr in Kraft und wurde ab dem 22.03.2020, 0:00 Uhr von der "Allgemeinverfügung Vollzug des Infektionsschutzgesetzes Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie Verbot von Veranstaltungen" des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 20.03.2020 (Az. 15-5422/5) ersetzt, nach deren Ziffer 2, übereinstimmend mit der Allgemeinverfügung vom 18.03.2020, Geschäfte grundsätzlich geschlossen wurden, soweit nicht die in der Allgemeinverfügung vom 20.03.2020 formulierten Ausnahmen eingriffen, zu denen das Textileinzelhandelsgeschäft der Beklagten nicht zählte. Aufgrund der genannten Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 war das Textileinzelhandelsgeschäft der Beklagten im Mietobjekt vom 19.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 geschlossen.

Nach entsprechender Ankündigung mit Schreiben vom 24.03.2020 bezahlte die Beklagte die Miete für den Monat April 2020 nicht. Die Klägerin mahnte mit dem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16.04.2020 bei der Beklagten die Zahlung der Miete für April 2020 erfolglos an. Die folgenden Mietzahlungen, insbesondere für den Monat Mai 2020, erbrachte die Beklagte vollständig.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei auch für den Zeitraum der durch die Allgemeinverfügungen des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 18. bzw. 20.03.2020 verursachten Schließung des Textileinzelhandelsgeschäfts im Mietobjekt zur vollständigen Zahlung der vertraglich vereinbarten Miete verpflichtet. Mit der staatlichen Schließungsanordnung habe sich ein typisches unternehmerisches Risiko verwirklicht. Das Verwendungsrisiko trage die Beklagte als Mieterin, was sich auch aus der Regelung in § 1 Nr. 2 des Mietvertrages ergebe. Die Allgemeinverfügungen zielten auf den Betrieb der Beklagten ab, während die von der Klägerin zu gewährleistende Nutzbarkeit der vermieteten Räume für den vertraglich vereinbarten Zweck dessen ungeachtet fortbestehe. Es bestehe deshalb auch kein Rückzahlungsanspruch wegen überzahlter Miete für den Monat März 2020, mit welchem die Beklagte die Aufrechnung gegen den Anspruch auf Zahlung der Miete für den Monat April 2020 erklären könne.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe einen erheblichen Rückgang des Nettoumsatzes für die Monate März und April 2020 erlitten, welcher nicht durch verstärkten Onlinehandel kompensiert worden sei. Staatliche Finanzhilfen habe sie nicht erhalten. Sie habe ihre sämtlichen 3.000 Filialen geschlossen und einen Großteil ihrer Belegschaft in Kurzarbeit "0" geschickt.

Sie hat die Auffassung vertreten, infolge der staatlichen Schließungsanordnung liege ein Mangel des Mietobjektes i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB vor, der zur Minderung der Miete um 100 % führe. Hilfsweise sei von einer Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung i.S.v. § 326 Abs. 1 BGB auszugehen, die die Mietzahlungsverpflichtung der Beklagten entfallen lasse. Höchsthilfsweise wäre jedenfalls der Mietvertrag auf Grundlage der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB wegen der durch die staatliche Schließungsanordnung eingetretenen schwerwiegenden Äquivalenzstörungen anzupassen, womit jedenfalls eine hälftige Teilung der Mietlast angemessen sei.

Für den Fall, dass der Senat von einer Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Miete für den Monat April 2020 ausgeht, rechnet die Beklagte hilfsweise mit ihrem Rückzahlungsanspruch in Bezug auf die von ihr rechtsgrundlos gezahlte Miete für den Zeitraum vom 19. bis zum 31.03.2020 auf.

Wegen des Sachvortrages im Übrigen und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem Urteil vom 26.08.2020 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 7.854,00 € nebst Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten für den Gegenstandswert von 7.854,00 € nebst Zinsen zu bezahlen.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung der von ihr begehrten Miete für den Monat April 2020 aus dem Mietvertrag vom September 2013 gemäß § 535 Abs. 2 BGB. Die staatliche Schließungsanordnung aus den Allgemeinverfügungen vom 18. und 20.03.2020 führe nicht zu einem Mangel des Mietobjektes nach § 536 Abs. 1 BGB und nicht zur Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassungspflicht der Klägerin als Vermieterin. Eine Lagerhaltung sei der Beklagten während der Zeit der Schließungsanordnung möglich gewesen. Zudem hätte ein von der Schließungsanordnung ausgenommenes Geschäft in den Mieträumen betrieben werden können. Es könne offen bleiben, ob die wegen der Corona-Pandemie erfolgte staatliche Schließungsanordnung grundsätzlich zur Anwendbarkeit der Regelung in § 313 Abs. 1 BGB zur Anpassung des Mietvertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage führen könne. Im konkret zu beurteilenden Fall sei eine Anpassung des Mietvertrages jedenfalls nicht angezeigt, weil der Beklagten das Festhalten an dem unveränderten Mietvertrag nicht unzumutbar sei.

Gegen das ihr am 28.08.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.09.2020 Berufung eingelegt und diese - nach entsprechender Fristverlängerung - am 27.11.2020 begründet.

Sie vertritt die Auffassung, das Landgericht habe in der Sache unzutreffend die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Mangels des Mietobjektes, hilfsweise der Unmöglichkeit der Gebrauchsgewährung durch die Klägerin und höchsthilfsweise der Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB mit der Folge einer hälftigen Mietzahlung verneint. Insoweit wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie behauptet, entgegen der Auffassung des Landgerichtes habe die Beklagte kaum einen Bedarf für die Nutzung der Räume des Mietobjektes als Lagerfläche anstelle der im Vertrag vereinbarten Verkaufsfläche, weil die Belieferung ihres Geschäfts im Mietobjekt über ein an einem anderen Ort befindliches Zentrallager "just in time" erfolge. Zudem sei eine kurzfristige Änderung des Nutzungszweckes des im Mietobjekt betriebenen Geschäfts auf eine nach den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 zugelassene Betätigung nicht möglich gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Chemnitz, Az. 4 O 639/20, vom 26.08.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrages.

II.

Die Berufung ist teilweise begründet.

Entgegen der Auffassung der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz im angefochtenen Urteil vom 26.08.2020 sieht der Senat es als erforderlich an, über eine Anpassung des Mietvertrages nach § 313 Abs. 1 BGB eine Reduzierung der Kaltmiete auf die Hälfte für denjenigen Zeitraum vorzunehmen, in dem aufgrund der Allgemeinverfügungen vom 18. und 20.03.2020 die Schließung des Textileinzelhandelsgeschäfts der Beklagten in den angemieteten Räumen angeordnet war. Für den streitgegenständlichen Zeitraum außerhalb der Schließungsanordnung ist dagegen keine Reduzierung der Miete vorzunehmen.

Im Ausgangspunkt hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Bruttokaltmiete von 7.854,00 € aus dem Mietvertrag vom 13./26.09.2013 gemäß § 535 Abs. 2 BGB. Diesem Anspruch kann die Beklagte nicht entgegenhalten, infolge der staatlichen Schließungsanordnung sei die Gebrauchsüberlassung durch die Klägerin als Vermieterin unmöglich geworden, mit der Folge, dass auch die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Gegenleistung, der Miete, gemäß §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB entfallen sei (dazu 1.). Umgekehrt steht der Reduzierung der Miete wegen der staatlichen Schließungsanordnung nicht die Sperrwirkung der Regelung in Art. 240 § 2 EGBGB entgegen (dazu 2.), die eine Reduzierung der Miete nicht vorsieht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist durch die staatliche Schließungsanordnung kein zur Mietminderung führender Mangel des Mietobjektes nach § 536 Abs. 1 BGB begründet worden. Die Auslegung des Mietvertrages gemäß §§ 133, 157 BGB, insbesondere anhand der gesetzlichen Risikoverteilung, führt nicht zur Annahme eines zur Minderung führenden Mietmangels (dazu 3.). Es liegt jedoch eine Störung der Geschäftsgrundlage des Mietvertrages vom 13./26.09.2013 im Sinne einer Störung der großen Geschäftsgrundlage vor, die gemäß § 313 Abs. 1 BGB zu einer dahingehenden Vertragsanpassung führt, dass die Beklagte für den Zeitraum der staatlichen Schließungsanordnung (nur) die Hälfte der vereinbarten Kaltmiete zu zahlen hat (dazu 4.).

Der Klägerin war anstelle des vom Landgericht zuerkannten Betrages von 7.854,00 € für den Monat April 2020 unter Berücksichtigung der Aufrechnung der Beklagten mit dem Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Miete für März 2020 ein Betrag in Höhe von 3.720,09 € zuzusprechen (dazu 4.b). Eine einseitige Auferlegung des nicht vorhersehbaren und von keiner Vertragspartei zu vertretenden Risikos einer durch die Corona-Pandemie verursachten staatlichen Schließungsanordnung auf den Mieter oder den Vermieter scheidet aus. Dafür spricht auch die Einführung von Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB durch den Gesetzgeber. Auch wenn diese Vorschrift erst ab dem 31.12.2020 gilt (und damit während des derzeitigen, in Sachsen seit dem 14.12.2020 bestehenden Lockdowns eingeführt wurde), bringt sie einen bereits zuvor, nämlich schon während des ersten Lockdowns im März/April 2020, gültigen Rechtsgedanken zum Ausdruck. So lässt sich den Gesetzesmaterialien entnehmen, dass es sich um eine Klarstellung der Rechtslage handeln soll (vgl. BT-Drs. 19/25322 S. 14 f. zum Streitstand, vgl. Brinkmann/Thüsing NZM 2021, 5 und Römermann NJW 2021, 265; Herlitz NJ 2021, 56).

1. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, der Anspruch auf Zahlung der Miete als Gegenleistung zur Verpflichtung der Klägerin als Vermieterin zur Überlassung des Gebrauches der Mieträume sei gemäß § 326 Abs. 1 BGB entfallen, weil der Klägerin infolge der staatlichen Schließungsanordnung die Überlassung der Mieträume in der Form unmöglich geworden sei, dass sie der Beklagten erlaube, ohne weiteres den vertragsgemäßen Gebrauch der Sache auszuüben. Mit diesem Einwand macht die Beklagte eine Unmöglichkeit der Vertragserfüllung geltend, die auf der Mangelhaftigkeit bzw. Gebrauchsuntauglichkeit des Mietobjektes beruhen soll. Soweit es aber um die Gebrauchsuntauglichkeit des Mietobjektes geht, werden die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechtes, zu dem diejenigen über die Unmöglichkeit gehören, von den mietrechtlichen Gewährleistungsregelungen nach §§ 536 ff. BGB verdrängt, wenn das Mietobjekt bereits vom Vermieter an den Mieter überlassen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 18.06.1997, XII ZR 192/95, NJW 1997, 2813; Urteil vom 04.05.2005, XII ZR 254/01, NJW 2005, 2152, 2154; Hübner/Griesbach/Fuerst in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 4. Aufl., Kap. 14 Rn. 233; Blank/Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., § 535 Rn. 748). Der Beklagten war das Mietobjekt bereits überlassen worden, bevor es zur staatlichen Schließungsanordnung in den Allgemeinverfügungen vom 18. und 20.03.2020 kam.

2. Der Regelung in Art. 240 § 2 EGBGB kann keine dahingehende Sperrwirkung entnommen werden, dass sie Auswirkungen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie auf das Bestehen oder den Umfang der Verpflichtung zur Zahlung der Miete für Räume ausschließen würde, in denen Geschäfte betrieben werden, die von den staatlichen Maßnahmen betroffen sind. Die Annahme einer Sperrwirkung würde voraussetzen, dass mit der Vorschrift des Art. 240 § 2 EGBGB eine (abschließende) Regelung dieser Frage getroffen wurde, was aber nicht zutrifft (ebenso LG Mönchengladbach, Urteil vom 02.11.2020, 12 O 154/20, BeckRS 2020, 30731 Rn. 39; LG München I, Urteil vom 25.01.2021, 31 O 7743/20, BeckRS 2021, 453 Rn. 53 ff.; Zehelein, NZM 2020, 390, 401; Streyl NZM 2020, 817, 823; Brinkmann/Thüsing NZM 2021, 5, 9 f.; Warmuth COVuR 2020, 16, 17; Herlitz, NJ 2021, 56, 58; a.A. LG München II, Urteil vom 06.10.2020, 13 O 2044/20, BeckRS 2020, 34263 Rn. 22; Jung JZ 2020, 715, 723). Unmittelbar geregelt wurde nur eine Beschränkung des Kündigungsrechts wegen Zahlungsverzuges des Mieters. Regelungen zum Bestehen und zur Höhe der Miete enthält die Vorschrift nicht. Eine klarstellende Erklärung, dass damit keine Aussage über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Höhe der Miete in bestehenden Mietverträgen getroffen wird, wurde vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auf seiner Homepage veröffentlicht (Text bei Streyl, a.a.O., S. 823). Letztlich spricht auch die seit dem 31.12.2020 geltende Vorschrift des Art. 240 § 7 EGBGB gegen eine Sperrwirkung von Art. 240 § 2 EGBGB.

3. Ein zur Minderung des Mietzinses führender Mietmangel wurde durch die staatlich angeordnete Schließung nicht begründet. Ein Mangel des Mietobjektes i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache (Ist-Beschaffenheit) von dem vertraglich Vereinbarten (Soll-Beschaffenheit). Zu dem vertraglich vereinbarten Zustand der Mietsache gehören über deren physische Beschaffenheit hinaus auch die tatsächlichen Zustände und rechtlichen Verhältnisse, die mit der Mietsache zusammenhängen und ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen. Dazu gehören auch Störungen, die außerhalb der Mietsache liegen. Um eine Ausuferung des Fehlerbegriffs zu vermeiden, führen außerhalb der Mietsache selbst liegenden Umstände allerdings nur dann zu einem Mangel der Mietsache, wenn sie deren Gebrauchstauglichkeit unmittelbar beeinträchtigen. Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob eine unmittelbare Beeinträchtigung der Mietsache vorliegt, ist danach in erster Linie der von den Parteien vereinbarte vertragsgemäße Gebrauch, welcher maßgeblich durch den vereinbarten Nutzungszweck bestimmt wird. Aus dem zur Erfüllung des vertragsgemäßen Gebrauchs erforderlichen Zustand der Mietsache ergibt sich deren geschuldeter Zustand (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2009, VIII ZR 300/08, NZM 2009, 855 Rn. 11; Urteil vom 10.10.2012, XII ZR 117/10, NJW 2013, 44 Rn. 30 f.).

Danach sind es allein die Vertragsparteien, die durch die Festlegung des dem Mieter jeweils geschuldeten vertragsgemäßen Gebrauches bestimmen, welchen Soll-Zustand die vermietete Sache aufweisen muss. Eine ausdrückliche Regelung der Parteien, welche Soll-Beschaffenheit das Mietobjekt in Bezug auf staatliche Schließungsanordnungen aufweisen muss, enthält der Mietvertrag vom 13./26.09.2013 nicht. Sie ist insbesondere nicht in § 1 Nr. 2 des Mietvertrages vom 13./26.09.2013 enthalten. Dort geht es um behördliche Genehmigungen für die Nutzung der Mieträume, zu denen eine aufgrund von § 28 Abs. 1 IfSG ergehende Schließungsanordnung nicht gehört, und um die nicht streitgegenständliche Frage, inwieweit der Mieter die Kosten behördlicher Auflagen trägt. Ist aber keine ausdrückliche Regelung zum "Soll-Zustand" getroffen worden, muss anhand der allgemeinen Auslegungsregeln (§§ 133, 157, 242 BGB) geprüft werden, was der Vermieter schuldet bzw. welchen Standard der Mieter aufgrund des Vertrages vom Vermieter verlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2013, XII ZR 80/12, NJW 2014, 685 Rn. 20; Urteil vom 25.11.2020, XII ZR 40/19, BeckRS 2020, 37268 Rn. 12).

Von besonderer Bedeutung im Rahmen dieser Auslegung ist die gesetzlich vorgesehene Risikoverteilung zwischen den Mietvertragsparteien, weil sich an ihr der Grundsatz von Treu und Glauben konkretisiert, der ein maßgebliches Auslegungselement darstellt (vgl. Günter in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 536 BGB Rn. 79). Der Vermieter trägt danach das Risiko der Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB), während der Mieter das Verwendungs-/Ertragsrisiko der Mietsache trägt (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.2010, XII ZR 108/08, NZM 2010, 364 Rn. 17), was in § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommt. Gemeint ist damit das unternehmerische Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne zu erzielen (vgl. Günter, a.a.O., Rn. 81). Im Ergebnis bedeutet dies, der Vermieter hat dafür Sorge zu tragen, dass einerseits die Mietsache alle physischen Eigenschaften aufweist, andererseits alle äußeren Umstände gegeben sind, die zum Zeitpunkt der Überlassung der Mietsache sowie während der gesamten Vertragslaufzeit für die uneingeschränkte Tauglichkeit der Mietsache für den festgelegten Nutzungszweck erforderlich sind (vgl. Günter, a.a.O., Rn. 84). Der Senat folgt nicht der von der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz (ebenso etwa LG Zweibrücken, Urteil vom 11.09.2020, HK O 17/20, BeckRS 2020, 24356 Rn. 36 ff.; LG Frankfurt/M., Urteil vom 02.10.2020, 2-15 O 23/20, BeckRS 2020, 26613 Rn. 20; LG Stuttgart, Urteil vom 19.11.2020, 11 O 215/20, BeckRS 2020, 32275 Rn. 16; Sittner NJW 2020, 1169, 1170 f.; a.A. LG München I, Urteil vom 22.09.2020, 3 O 4495/20, BeckRS 2020, 28189; Hellmich COVuR 2020, 189, 190 f.; Sentek/Ludley NZM 2020, 406, 408: Einzelfallfrage) vertretenen Auffassung, die staatliche Schließungsanordnung falle in den vom Mieter zu tragenden Bereich des Verwendungs-/Ertragsrisikos. Das unternehmerische Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne zu erzielen, setzt nämlich voraus, dass der Mieter im Mietobjekt entsprechend dem vertraglich vereinbarten Mietzweck unternehmerisch tätig werden kann und greift deswegen dann nicht ein, wenn ihm - wie hier - genau diese Möglichkeit von vornherein verschlossen ist.

Die landesweit geltende Schließungsanordnung ist aber auch nicht der Risikosphäre des Vermieters zuzuordnen. Die staatliche Schließungsanordnung aus den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 verfügt die Schließung des Textileinzelhandelsgeschäfts der Beklagten, die dem in § 1 Nr. 1 des Mietvertrages vom 13./26.09.2013 vereinbarten Mietzweck entsprach. Es fehlt danach nicht an der grundsätzlichen Verwendbarkeit des Mietobjektes für den vereinbarten Mietzweck und geht nicht um die dem Verwendungsrisiko zuzuordnende Frage, ob der Mieter mit einem grundsätzlich zur Ausübung des Mietzweckes geeigneten Mietobjekt in der Lage ist, unternehmerischen Gewinn zu erzielen (in demselben Sinne: Weller/Thomale, BB 2020, 962, 964, die dem Verwendungsrisiko des Mieters das Verwendbarkeitsrisiko des Vermieters entgegensetzen und dieses hier betroffen sehen, weil die Verwendbarkeit der Mietsache für den Mietzweck nicht gegeben ist; ähnlich auch Hellmich, a.a.O.; Sentek/Ludley, a.a.O.). Ohne die staatliche nicht objektbezogene, von der Klägerin nicht zu beeinflussende Anordnung wäre das Mietobjekt uneingeschränkt nutzbar gewesen. Dagegen spricht auch nicht, dass von verschiedenen Oberlandesgerichten, zu denen auch der Senat zählt, in der Vergangenheit erhebliche, über das übliche Maß hinausgehende Behinderungen des Zugangs zu Gaststätten und Ladengeschäften für die Kunden dem Risiko der Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes zugeordnet und demzufolge als Mangel des Mietobjektes angesehen wurden (vgl. Senatsurteil vom 18.12.1998, 5 U 1774/98, NZM 1999, 317, 318; KG, Urteil vom 12.11.2007, 8 U 194/06, NZM 2008, 526, 527; Senatsurteil vom 14.10.2008, 5 U 1030/08, juris Rn. 33; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 11.02.2015, 2 U 174/14, NJW 2015, 2434 [BGH 27.11.2014 - I ZR 124/11] Rn. 24 f.; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 05.07.2017, 2 U 152/16, BeckRS 2017, 121594 Rn. 27 f.). Die Mieträume waren - im Rahmen der Beschränkungen der Corona-Schutzverordnung - frei zugänglich. Lediglich die von der Beklagten gewollte Verwendung war - vom Mietobjekt unabhängig - untersagt. Auch wenn Störungen, die außerhalb der Mietsache liegen, einen Mangel begründen können und für den Betrieb eines Textileinzelhandelsgeschäfts die Möglichkeit des Zugangs des Publikums eine Voraussetzung ist, wird dem Vermieter damit nicht das Risiko der objekt- und lageunabhängigen Nutzbarkeit der Mieträume übertragen. Ist der Zugang des Publikums zu den angemieteten Räumen eröffnet, fällt es in das Verwendungsrisiko des Mieters, wenn das Publikum dennoch nicht zum Kaufen der Ware in die Räume strömt, sei es, weil es das Sortiment unattraktiv findet, ein das Publikum anziehendes Geschäft nebenan geschlossen hat (vgl. zu einem solchen Fall: Senatsbeschluss vom 08.02.2017, 5 U 1669/16, BeckRS 2017, 106456) oder weil das Publikum die Räume aus Angst vor der Infektion mit dem Covid 19 Virus nicht betritt. Ein Mangel liegt dann nicht vor. Das vom Mieter zu tragende Verwendungsrisiko ist auch betroffen, wenn die Mietsache vom Mieter für den vereinbarten Mietzweck verwendet werden kann, dieser aber in Art und Umfang der Nutzung durch staatliche Maßnahmen beschränkt wird (etwa die Anordnung, ein Hygienekonzept zu erstellen, oder nur eine begrenzte Zahl von Kunden (und nur mit Mund-Nase-Bedeckung) entsprechend der Fläche in das Geschäft hineinzulassen. In diesen Fällen liegt kein Mangel des Mietobjekts vor. Diese Fälle sind auch nicht mit den hier maßgeblichen pandemiebedingten Einschränkungen vergleichbar.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Senat die Auffassung im angefochtenen Urteil nicht teilt, der Annahme eines Mangels des Mietobjekts i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB infolge der staatlichen Schließungsanordnung stehe der Umstand entgegen, dass es sich um ein betriebsbezogenes öffentliches Gebrauchshindernis handele. Öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder -hindernisse stellen einen Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB dar, wenn sie die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufheben oder mindern, was allerdings nur dann gilt, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit und der Lage der Mietsache beruhen (Ortsbezogenheit) und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters (Betriebsbezogenheit) ihre Ursache haben. Außerdem muss der Mieter durch die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse in seinem vertragsgemäßen Gebrauch auch tatsächlich eingeschränkt werden, wovon regelmäßig nur dann auszugehen ist, wenn die zuständige Behörde die Nutzung des Mietobjektes durch ein rechtswirksames und unanfechtbares Verbot bereits untersagt hat (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2013, XII ZR 77/12, NZM 2014, 165; Urteil vom 02.11.2016, XII ZR 153/15, NJW 2017, 1104; Senatsbeschluss vom 01.06.2017, 5 U 477/17, ZMR 2017, 880; Günter NZM 2016, 569).

Entgegen der Auffassung des Landgerichtes ist die staatliche Schließungsanordnung aus den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 nach diesen Kriterien ein Mangel des Mietobjektes i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB, weil sie unmittelbar mit der konkreten Lage des Mietobjektes in einem Bereich in Zusammenhang steht, in dem die pandemiebedingten Schutzmaßnahmen aufgrund von § 28 Abs. 1 IfSG aus staatlicher Sicht erforderlich waren. Die staatliche Schließungsanordnung in den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 differenziert zwischen verschiedenen Geschäftsarten, indem sie von der generellen Anordnung zur Schließung von Geschäften konkrete Ausnahmen formuliert. Dennoch erfolgt der Eingriff nicht betriebsbezogen, sondern ortsbezogen, weil im Rahmen des Pandemiegeschehens Orte vielfältiger menschlicher Begegnung weitgehend beseitigt werden sollen, um dadurch zu ermöglichen, dass eine Übertragung des Covid-19 Virus, welche den Kontakt eines infizierten zu einem nicht infizierten Menschen erfordert, nicht stattfindet. Es geht deshalb nicht um einen Eingriff in die betriebliche Tätigkeit eines Textileinzelhandelsgeschäfts im Unterschied zu etwa dem Betrieb eines Einzelhandels für Lebensmittel, der weiterhin öffnen darf. Vielmehr sollte landesweit der Betrieb grundsätzlich aller Geschäfte ruhen, um auf diesem Wege menschliche Kontakte - sowohl im Geschäft als auch auf dem Weg zum Geschäft und von diesem weg auf der Straße und im öffentlichen Personenverkehr - zu reduzieren. Der Einzelhandel für Lebensmittel wird nur deshalb gemeinsam mit anderen ausdrücklich aufgezählten Geschäften von der Schließung verschont, weil er zur Aufrechterhaltung der Versorgung der Bevölkerung mit den lebenswichtigen Gütern des täglichen Bedarfs erforderlich ist. Die Zielrichtung der Eingriffsmaßnahmen nach § 28 IfSG ist deshalb landesweit ortsbezogen und richtet sich nach der konkreten Betroffenheit des Ortes oder der Region durch das Infektionsgeschehen und der daraus resultierenden Dringlichkeit der Reduzierung von Kontakten der Menschen (vgl. dazu OVG Münster, Beschluss vom 06.07.2020, 13 B 940/20.NE, BeckRS 2020, 14802; Kießling in Kießling, IfSG, 1. Aufl., § 28 Rn. 65). Um einen betriebsbezogenen Eingriff geht es nicht.

Aus der über den zumindest mittelbaren Einfluss der Klägerin hinausgehenden generell und landesweit geltenden Zugangsbeschränkung kann kein Umstand abgeleitet werden, der in den von der Klägerin zu verantwortenden Bereich fällt.

4. Infolge des Auftretens der Corona-Pandemie und der staatlichen Schließungsanordnung aus den Allgemeinverfügungen vom 18. bzw. 20.03.2020 ist jedoch eine Störung der Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB des Mietvertrages vom 13./26.09.2013 eingetreten (dazu a), die eine Anpassung des Vertrages dahin auslöst, dass die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte reduziert wird (dazu b).

a) Der Tatbestand der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB setzt ein tatsächliches Element (dazu aa), ein hypothetisches Element (dazu bb) und ein normatives Element (dazu cc) voraus (vgl. Finkenauer in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 313 Rn. 56).

aa) Die Geschäftsgrundlage wird gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, beim Vertragsschluss aber zutage getretenen, dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen des eigenen Vertragsteils oder durch die gemeinsamen Vorstellungen beider Teile vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille auf diesen Vorstellungen aufbaut (vgl. BGH, Urteil vom 25.09.1997, II ZR 269/96, NJW 1997, 3371, 3372; Urteil vom 24.03.2010, VIII ZR 160/09, NJW 2010, 1663 Rn. 17). Zur Geschäftsgrundlage der Parteien als Vermieterin und Mieterin von Geschäftsräumen zur Nutzung als Textileinzelhandelsgeschäft gehörte danach die Vorstellung, dass es nicht zu einer Pandemie mit weitgehender Stilllegung des öffentlichen Lebens infolge pandemiebedingter Nutzungsuntersagungen und -beeinträchtigungen kommen würde, so dass das Auftreten der Pandemie mit den entsprechenden weitreichenden staatlichen Eingriffen in das wirtschaftliche und soziale Leben eine schwerwiegende Änderung der für die Vertragslaufzeit vorgestellten Umstände bedeutet und damit das tatsächliche Element der Störung der Geschäftsgrundlage verwirklicht. Es liegt eine Systemkrise und damit ein Fall der Störung der großen Geschäftsgrundlage vor, weil durch sie das allgemeine soziale und wirtschaftliche Gefüge nachhaltig erschüttert wird (idS Jung, a.a.O., S. 716, 717; Weller/Lieberknecht/Habrich NJW 2020, 1017, 1021; Häublein/Müller NZM 2020, 481, 486 f.; Wolf/Eckert/Denz/Gerking/Holze/Künnen/Kurth JA 2020, 401, 402). So wird es auch vom Landgericht im angefochtenen Urteil gesehen (ebenso LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020, 5 O 66/20, BeckRS 2020, 19165 Rn. 39 ff.; Streyl, a.a.O., Seite 821; Zehelein, a.a.O., Seite 398). Ohne dass es hierauf entscheidend ankommen würde, spricht für diese Annahme auch der Inhalt des mit Wirkung vom 31.12.2020 neu geschaffenen Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB (vgl. Brinkmann/Thüsing, a.a.O., Seite 8).

bb) Das hypothetische Element ist erfüllt, wenn die vertragschließenden Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten wenn sie die Veränderung der Umstände, welche zur Geschäftsgrundlage gehören, vorhergesehen hätten. Erforderlich ist danach, dass zumindest eine Vertragspartei den Vertrag nicht bzw. nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen hätte, wenn sie das Fehlen oder den Wegfall der Vertragsgrundlage vorhergesehen hätte (vgl. Finkenauer, a.a.O., Rn. 58). Im Rahmen der Störung der großen Geschäftsgrundlage ist das hypothetische Element regelmäßig erfüllt (vgl. Jung, a.a.O., S. 719). Zudem ist zu beachten, dass es sich bei der Änderung der zur Geschäftsgrundlage gehörenden Umstände um sehr wesentliche Rahmenbedingungen für den Betrieb ihres Textileinzelhandelsgeschäftes handelt. Auf konkrete, nicht in die Vertragsverhandlungen eingeflossene Erwägungen, die nach dem Vortrag der Klägerin, sie hätte, wenn die jetzt eingetretene Situation bei Mietvertragsabschluss auch nur annähernd vorhersehbar gewesen wäre, kein Einverständnis der Klägerin mit einer Mietpreisanpassungsklausel in der von der Beklagten geltend gemachten Form, also im Sinne einer Reduzierung auf die Hälfte der Miete, erklärt, kommt es daher nicht an. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und auf verständige, wirtschaftlich denkende Vertragspartner. Diese hätten sich bei dem beide Vertragspartner gleichermaßen betreffenden und gerade nicht zu beeinflussenden Risiko nicht einseitig zu Gunsten eines Vertragspartners entschieden. Das hypothetische Element des § 313 Abs. 1 BGB ist damit erfüllt.

cc) Das normative Element des § 313 Abs. 1 BGB ist erfüllt, wenn die wesentliche Veränderung der zur Geschäftsgrundlage gehörenden Umstände nicht in den Risikobereich einer der Parteien fällt (dazu aaa) und ein Festhalten am Vertrag einer der Parteien nicht zuzumuten ist (dazu bbb).

aaa) Wenn angenommen wird, dass eine der Parteien mit dem Abschluss des Mietvertrags ein Risiko übernommen hat, unter das das Auftreten der Corona-Pandemie und die daraufhin ergangene staatliche Schließungsanordnung fällt, stünde dies einer Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB regelmäßig entgegen, weil für die Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage grundsätzlich kein Raum ist, soweit es um Erwartungen und Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.2010, XII ZR 108/08, NZM 2010, 364 Rn. 15; Finkenauer, a.a.O., Rn. 61). Dies könnte auf den ersten Blick dafür sprechen, die Entscheidung sei bereits im Rahmen der bei der Auslegung des Mietvertrages notwendigen Abgrenzung zwischen dem beim Vermieter liegenden Risiko der Gebrauchstauglichkeit des Mietobjektes einerseits und dem beim Mieter liegenden Verwendungsrisiko andererseits gefallen (vgl. dazu oben II.3.). Diese Annahme greift aber zu kurz, weil die bei der vertraglichen Risikoabgrenzung allein betrachtete staatliche Schließungsanordnung nicht gleichbedeutend mit der in ein Pandemiegeschehen mit weitreichenden Kontakteinschränkungen eingebetteten Änderung der zur Geschäftsgrundlage gehörenden Umstände ist. Es geht hier also nicht um ein "normales" Risiko der Gebrauchstauglichkeit bzw. der Verwendung des Mietobjektes, sondern um weitgehende staatliche Eingriffe in das soziale und wirtschaftliche Leben aufgrund einer Pandemie, die als Systemkrise eine Störung der großen Geschäftsgrundlage ist. Das mit der Störung der großen Geschäftsgrundlage verbundene Risiko kann regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden (idS Weller/Lieberknecht/Habrich, a.a.O., S. 1021; Jung, a.a,O., S. 720; Häublein/Müller, a.a.O., S. 487 f.: Römermann NJW 2021, 265 Rn. 22; Warmuth, a.a.O., S. 19 f.; LG Mönchengladbach, Urteil vom 02.11.2020, a.a.O., Rn. 41). Der staatliche Eingriff zur Kontaktbeschränkung hat dabei auch unmittelbar auf das vorliegend zu beurteilende Mietverhältnis eingewirkt, indem das von der Beklagten entsprechend dem Mietzweck betriebene Textileinzelhandelsgeschäft als möglicher Ort potentiell vielfältiger Kontakte, die zur Übertragung des Covid 19 Virus führen können, geschlossen wurde. Von der vertraglichen Risikozuweisung wird deshalb dieses von den Vertragsparteien nicht vorhergesehene und die Geschäftsgrundlage des Vertrages betreffende Geschehen nicht erfasst (in demselben Sinne etwa Streyl, a.a.O., Seite 822 f.; Zehelein, a.a.O., Seite 398). Auch in diesem Punkt stützt die Neuregelung in Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB die Annahme, dass die pandemiebedingten staatlichen Schließungsmaßnahmen zumindest regelmäßig von der ohne Bezug zur Corona-Pandemie im Mietvertrag vereinbarten Risikozuweisung nicht erfasst werden (i.d.S. auch Römermann NJW 2021, 265, 267 f.). Im Ergebnis steht die vertragliche Risikozuweisung in der hier zu beurteilenden Situation einer Anpassung des Vertrages nach § 313 Abs. 1 BGB selbst dann nicht entgegen, wenn dieses nach der Vertragsauslegung einer der Parteien zuzuordnen wäre.

bbb) Entgegen der Auffassung im angefochtenen Urteil ist das Festhalten am unveränderten Mietvertrag derjenigen Partei, die durch die Änderung der die Geschäftsgrundlage bildenden Umstände belastet ist, hier die Beklagte, nicht zumutbar.

Der Senat teilt die Auffassung der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz nicht, dass von einer Unzumutbarkeit des Festhaltens am bestehenden Vertrag erst dann auszugehen sei, wenn die von der Änderung der Umstände, welche zur Geschäftsgrundlage gehören, belastete Partei dadurch in eine existenzgefährdende Lage gerät. Das beachtet nicht hinreichend, dass es hier um eine Äquivalenzstörung in einem gegenseitigen Vertrag geht, der zudem ein Dauerschuldverhältnis ist. Die notwendige Unzumutbarkeit bezieht sich damit auf die Äquivalenzstörung, also auf das Verhältnis von Überlassung des Mietobjektes einerseits und dafür Zahlen des Nutzungsentgelts (Miete) andererseits (i.d.S. auch Römermann, a.a.O., S. 268; Streyl, a.a.O., S. 824; Brinkmann/Thüsing, a.a.O., S. 10; Finkenauer, a.a.O., Rn. 77). Von besonderer Bedeutung ist dabei der Charakter des Mietvertrages als Dauerschuldverhältnis, bei dem die Miete für die Nutzungsüberlassung in Zeitabschnitten geschuldet ist, wobei der Zeitabschnitt bei den meisten Mietverhältnissen einen Monat beträgt. Dementsprechend erfolgt die Lösung des Äquivalenzproblems zwischen Miete und Gebrauchsüberlassung im Fall des Eingreifens des Gewährleistungsrechts der Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB auch im Sinne einer Reduzierung (Minderung) der Miete (nur) für den betroffenen Zeitabschnitt der Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit. Führt ein vorhandener Mangel in einem bestimmten Zeitraum nicht zur Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit, ist die Miete in diesem Zeitraum und damit in den betroffenen Zeitabschnitten nicht gemindert (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2010, XII ZR 132/09, NJW 2011, 514 Rn. 13 - sommerliche Aufheizung der Mieträume). Ebenso ist es bei der Bestimmung der Wesentlichkeit eines Mietrückstandes - und damit einer Äquivalenzstörung - für die Annahme eines wichtigen Grundes zur Kündigung des Mietvertrages nach § 543 BGB. Auch dabei wird in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a und b BGB nach Zahlungsterminen bestimmt, wann ein Rückstand so erheblich ist, dass aus ihm ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Mietvertrages folgt. In § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3b BGB ist sogar - wohl infolge eines redaktionellen Versehens - der konkrete Zeitabschnitt des Monats genannt, was aber dahin zu verstehen ist, dass der im Mietvertrag vereinbarte Zeitabschnitt gemeint ist (vgl. Alberts in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 543 BGB Rn. 57 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 17.09.2008, XII ZR 61/07, NZM 2009, 30 Rn. 15). Auch im Rahmen der Konturierung des unbestimmten Rechtsbegriffs des nicht unerheblichen Teils der Miete in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a BGB orientiert sich die Rechtsprechung an dem an einem Fälligkeitstermin zu zahlenden Betrag, in der Regel also an der Miete für einen Monat. So ist in § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB für Mietverträge über Wohnraum geregelt, dass ein nicht unerheblicher Rückstand dann vorliegt, wenn der rückständige Teil die Miete für einen Monat (mindestens um ein Cent) übersteigt. Auch im Bereich der Mietverträge über Gewerberäume wird dieser Betrag grundsätzlich bei der Bestimmung des nicht unerheblichen Teils der Miete angewendet (vgl. BGH, Urteil vom 23.07.2008, XII ZR 134/06, NJW 2008, 3210 Rn. 30). Allerdings kann bei diesen Verträgen auch ein Rückstand von weniger als dem an einem Fälligkeitstermin zu zahlenden Betrag, also in der Regel der Miete für einen Monat, ausreichen, wenn besondere Einzelfallumstände hinzutreten, die den Schluss auf die Erheblichkeit dieses Rückstandes zulassen (vgl. BGH, Urteil vom 13.05.2015, XII ZR 65/14, NJW 2015, 2419 Rn. 54 ff.). Daraus folgt, dass die Unzumutbarkeit der Festhaltung am bestehenden Vertrag beim Verhältnis von Leistung und Gegenleistung anzusetzen hat, im vorliegend zu beurteilenden Mietvertrag vom 13./26.09.2013 mit monatlicher Zahlungspflicht gemäß dessen § 3 Nr. 1 also beim einzelnen Zahlungsmonat. Im Ausgangspunkt ist danach die Erheblichkeit deswegen zu bejahen, weil - je nach Standpunkt bezüglich der vertraglichen Risikoverteilung - entweder der Mieter nach dem Mietvertrag die volle Miete zahlen müsste, ohne das Mietobjekt dem Mietzweck entsprechend nutzen zu können oder der Vermieter keine bzw. eine geringfügige Miete für ein Mietobjekt erhielte, für dessen - temporäre - Unbenutzbarkeit für den vertraglich vereinbarten Mietzweck er nicht nur keine Ursache gesetzt hat, sondern die er auch nicht vorhersehen konnte. Im konkret zu beurteilenden Fall könnte man deshalb die Erheblichkeit danach allenfalls dann verneinen, wenn lediglich ein Zahlungstermin betroffen wäre und innerhalb dieses Zahlungstermins jedenfalls weit überwiegend die vertragliche Äquivalenz bestand. Denkbar wäre danach, die Unzumutbarkeit der Festhaltung am Mietvertrag dann zu verneinen, wenn die Äquivalenzstörung lediglich ein bis zwei Wochen des Mietmonats beträfe. Die Notwendigkeit der im Verhältnis zu anderen Vertragstypen relativ niedrige Schwelle der Unzumutbarkeit liegt darin begründet, dass es sich bei dem Mietvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt. So ist bei einem klassischen Austauschvertrag wie dem Kaufvertrag die vollständige Leistung und Gegenleistung im Rahmen der Äquivalenzstörung gegenüberzustellen. Allerdings bezieht sich dann auch die Rechtsfolge der Vertragsanpassung auf den gesamten Vertrag, also das vollständige Äquivalenzverhältnis. Im Mietvertrag reicht dagegen eine wesentliche Äquivalenzstörung im regelmäßig monatlichen Zeitabschnitt, sie führt allerdings dann auch nur zu einer Vertragsanpassung für diesen Zeitabschnitt, so dass nicht das Risiko besteht, dass mit niedriger Eingriffsschwelle wesentliche Vertragsgrundlagen ohne entsprechenden Anlass durch richterlichen Eingriff nach § 313 Abs. 1 BGB geändert werden. Der Zeitraum, in dem die staatliche Schließungsanordnung andauerte, von insgesamt mehr als einem Monat, überschreitet damit die Schwelle der Erheblichkeit. Auf die Frage, inwieweit die wirtschaftliche Existenz der belasteten Vertragspartei durch die Störung der Geschäftsgrundlage betroffen wird, kommt es wegen dieser Dauer nicht an.

b) Da eine einvernehmliche Vertragsanpassung im Verhandlungswege der Parteien nach § 313 Abs. 1 BGB noch im Berufungsverfahren nicht zustande kam, ist der Senat verpflichtet, die entsprechende Vertragsanpassung vorzunehmen. Der Anpassungsanspruch aus § 313 Abs. 1 BGB kann gerichtlich geltend gemacht werden (vgl. BGH, Urteil vom 30.09.2011, V ZR 17/11, NJW 2012, 373 Rn. 34; Zehelein, a.a.O., S. 400). Die Beklagte hat zudem mit ihrem vorprozessualen Schreiben vom 07.05.2020 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin einen außergerichtlichen Vergleich auf der Basis einer hälftigen Reduzierung der Miete für April 2020 angeboten, was als Anpassungsverlangen nach § 313 Abs. 1 BGB gewertet werden kann.

Damit ist eine Absenkung der Kaltmiete um 50 % gerechtfertigt, weil keine der Vertragsparteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen hat. Es ist demzufolge angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen (i.d.S. auch LG Mönchengladbach, a.a.O., Rn. 55; LG Aurich, Urteil vom 09.10.2020, 1 O 430/20; LG Kempten, Urteil vom 07.12.2020, 23 O 753/20, BeckRS 2020, 37736 Rn. 37; AG Oberhausen, Urteil vom 06.10.2020, 37 C 863/20, BeckRS 2020, 35507 Rn. 46; Zehelein, a.a.O., Seite 398 ff.; Streyl, a.a.O., S. 824; Ekkenga/Schirrmacher NZM 2020, 410, 414; i. E. auch Häublein/Müller, a.a.O., S. 491 f.). Dies entspricht der Lösung der Rechtsprechung bei Vertragszweckstörungen in der Vergangenheit (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.1989, VII ZR 60/89, NJW 1990, 572, 573 - Aufteilung der Hotel-Stornokosten bei Reisekündigung wegen höherer Gewalt; ähnlich OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.05.1992, 15 U 297/91, NJW 1992, 3176, 3177 f. - Wegfall der beiderseitigen Leistungspflichten aus einem Vertrag über den Auftritt von Musikern auf einer Faschingsveranstaltung, welche wegen des Golfkriegs ausfiel). Es kann offen bleiben, ob die Zahlung staatlicher Hilfen an einen der Vertragspartner des Mietvertrages zu einer weiteren Anpassung der Höhe der Miete führen würde, weil nicht festgestellt werden kann, dass die Klägerin oder die Beklagte solche staatlichen Hilfen erhalten haben. Es kann auch dahinstehen, ob und ggf. inwieweit Zahlungen auf Betriebskosten anzupassen wären, weil solche nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind. Der Klägerin war eine keine Teilnutzung des Mietobjekts im Sinne eines "Außer-Haus-Verkaufs" bzw. eines entsprechenden Liefer- und Abholservice möglich wie dies etwa bei Gaststätten erlaubt war (vgl. Ziffer 3 der Allgemeinverfügung vom 18.03.2020 und Ziffer 4 der Allgemeinverfügung vom 20.03.2020).

Eine Reduzierung der Kaltmiete auf die Hälfte für den Zeitraum der staatlichen Schließungsanordnung führt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin für den Monat April anstelle des vertraglich vereinbarten Betrages von 7.854,00 € nur 5.366,90 € zu zahlen hätte, während sie für den Monat März 2020 6.207,19 € zu zahlen gehabt hätte, also mit ihrer vollständigen Mietzahlung die Miete in Höhe von 1.646,81 € überzahlt hat. In dieser Höhe hat die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung gegen die Forderung der Klägerin auf Zahlung der Miete für April 2020 erklärt, so dass sich im Ergebnis gemäß §§ 387, 389 BGB der Anspruch der Klägerin von 5.366,90 € auf 3.720,09 € reduziert.

Im Hinblick auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war lediglich ein Streitwert in Höhe des nunmehr ausgeurteilten Betragen anzusetzen.

Der Zinsausspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO; diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Zi. 10, 711 ZPO. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Zi. 1 ZPO wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen.
 
 
 

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.