| |
|
Der Senat konnte zur Sache verhandeln und entscheiden, obwohl der Klägerin die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 19.12.2005 erst am 07.12.2005 zugestellt und damit die Ladungsfrist von zwei Wochen (§ 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht eingehalten wurde, denn die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung auf die Einhaltung der Ladungsfrist verzichtet.
|
|
|
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene, im Hinblick auf § 124a Abs. 3 Satz 3 VwGO fristgerecht begründete und auch sonst zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der – zulässigen – Klage zu Recht stattgegeben, weil die Klägerin einen Anspruch auf die begehrte und ihr vom Verwaltungsgericht zugebilligte Neubescheidung ihres Antrags auf Ausbildungsförderung hat.
|
|
|
Zwischen den Beteiligten steht nur die Frage im Streit, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 29 Abs. 3 BAföG vorliegen und der Beklagte auf dieser rechtlichen Grundlage zu einer Ermessensentscheidung zu verpflichten ist. Diese Frage ist mit dem Verwaltungsgericht zu bejahen. Zwar handelt es sich bei den Eigentumsanteilen der Klägerin an den Immobilien in L um verwertbares Vermögen im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG. Die Klägerin ist aber nicht zu dessen Verwertung verpflichtet, weil dies für sie eine unbillige Härte im Sinne von § 29 Abs. 3 BAföG darstellen würde.
|
|
|
Nach § 11 Abs. 2 BAföG ist auf den Bedarf des Auszubildenden unter anderem sein Vermögen – nach Maßgabe der §§ 26 ff. BAföG – anzurechnen. Dazu gehören nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG auch unbewegliche Sachen, hier also das Immobilieneigentum der Klägerin. Dieses besteht aus Miteigentumsanteilen an den Grundstücken B. x und B. xx in L. Dabei handelt es sich um eine Eigentumswohnung mit zugehöriger Garage und ein Gartenhäuschen. Der Senat hat keinen Anlass, an den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zum Bestand und zur Zusammensetzung ihres Vermögens gemachten Angaben zu zweifeln, da sie mit den vorliegenden Grundbuchauszügen übereinstimmen und von der Vertreterin des Beklagten auch nicht bestritten worden sind. Diese Angaben sind plausibel und stimmen inhaltlich mit dem Vorbringen der Klägerin im Verwaltungsverfahren und dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht überein. Die vom Beklagten zuletzt übermittelten Versicherungsunterlagen bezüglich des Gebäudes B str. x beziehen sich offensichtlich auf das gesamte Gebäude mit allen Wohnungen. Der Senat geht ferner davon aus, dass sich auf den Grundstücken neben dem Mehrfamilienwohnhaus und der Garage nur noch das Gartenhäuschen befindet. In den Versicherungsunterlagen ist insoweit zwar von einem "Wohn-, Büro-, Dienstgebäude" die Rede. Dass sich ein (zusätzliches) derartiges Gebäude auf dem Grundstück B str. xx befindet, hält der Senat indessen für ausgeschlossen, zumal die vom Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholte Auskunft des Bürgermeisteramts L vom 23.10.2003 die Angaben der Klägerin bestätigt.
|
|
|
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass im Hinblick auf dieses Immobilieneigentum kein objektives rechtliches Verwertungshindernis im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG besteht. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass die fraglichen Immobilien im Eigentum einer Erbengemeinschaft stehen und jedenfalls nach dem Vorbringen der Klägerin mit einem Nießbrauch belastet sind; diese Umstände erschweren allenfalls die Verwertung, machen sie aber nicht rechtlich unmöglich (BVerwG, Urteil vom 11.10.1984 – 5 C 44.81 –, NVwZ 1985, 585 <586 f.>; Senatsurteil vom 19.09.2005 – 7 S 2970/04 –; Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Aufl. 2005, § 27 Rn. 6).
|
|
|
Im Ergebnis zu Recht ist das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht zur Verwertung ihrer Miteigentumsanteile verpflichtet ist, weil dies zu einer unbilligen Härte im Sinne von § 29 Abs. 3 BAföG führen würde. Insoweit bedarf es allerdings nicht des vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Rückgriffs auf die sozialhilferechtlichen Bestimmungen der §§ 88 und 89 BSHG; vielmehr folgt die Nichtberücksichtigung von Vermögen in Fällen wie dem vorliegenden allein aus der Zielsetzung des § 29 Abs. 3 BAföG, wirtschaftlich nicht verwertbares Vermögen von der Anrechnung freizustellen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 13.06.1991 – 5 C 33.87 –, BVerwGE 88, 303 <306 ff.>; Senatsurteil vom 19.09.2005 aaO.).
|
|
|
Der Senat hat zur Frage der Anrechnungsfreistellung von wirtschaftlich nicht verwertbarem Vermögen in seinem – ebenfalls gegen den Beklagten ergangenen und ihm daher bekannten – Urteil vom 19.09.2005 Folgendes ausgeführt:
|
|
|
"Nach der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwGE 88, 303 <307>) soll § 29 Abs. 3 BAföG dazu dienen, Härten abzufedern, die sich aus den der Vermögensanrechnung zu Grunde liegenden Pauschalierungen und Typisierungen ergeben können. Und wörtlich weiter:
|
|
|
‚Zu diesen Typisierungen gehört - worauf der Senat in seinem Urteil vom 11. Oktober 1984 bereits hingewiesen hat (vgl. aaO S. 14); ebenso BVerwGE 87, 284) - auch diejenige, daß der Gesetzgeber für den Regelfall davon ausgeht, daß das nach den §§ 26 bis 29 Abs. 1 BAföG anrechenbare Vermögen für den Ausbildungsbedarf auch wirklich einsetzbar ist. Trifft dies ausnahmsweise nicht zu, so könnte der Ausbildungsbedarf aus dem gleichwohl angerechneten Vermögen nicht gedeckt werden. Die Vermögensanrechnung wäre dann eine unbillige Härte, weil sie den Auszubildenden auf Vermögen verweist, das einem Verwertungszugriff gar nicht zugänglich ist. § 29 Abs. 3 BAföG dient, so gesehen, unter anderem auch der Abwehr von Gefahren für die Durchführung der Ausbildung, die daraus entstehen, daß der Auszubildende trotz vorhandener, die Freibeträge übersteigender Vermögenswerte seinen Ausbildungsbedarf aus dem angerechneten Vermögen nicht decken kann. Bei dieser Schutzrichtung der Norm ist es nicht gerechtfertigt, wirtschaftlichen Verwertungshindernissen grundsätzlich die tatbestandliche Relevanz für den Begriff der unbilligen Härte abzusprechen.’
|
|
|
Nach dieser Entscheidung des BVerwG kann eine Härte im Sinne von § 29 Abs. 3 BAföG deshalb insbesondere auch dadurch begründet werden, dass einem Vermögenseinsatz wirtschaftliche Verwertungshindernisse entgegen stehen (BVerwGE 88, 303<306 ff.>). Von daher kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob das Hausgrundstück im sozialhilferechtlichen Sinne als angemessen anzusehen ist oder nicht, sondern allein darauf, ob im konkreten Einzelfall tatsächlich eine Verwertungschance besteht. Denn nur wenn das vorhandene einsatzpflichtige Vermögen tatsächlich verwertet werden kann, steht es zur Bedarfsdeckung zur Verfügung."
|
|
|
Auf dieser rechtlichen Grundlage ist auch im vorliegenden Fall eine realistische Chance zur Vermögensverwertung durch die Klägerin zu verneinen. Eine solche wirtschaftlich unmögliche Vermögensverwertung von der Klägerin zu verlangen, erschiene als Verstoß gegen die Regeln der wirtschaftlichen Vernunft und würde eine unbillige Härte im Sinne des § 29 Abs. 3 BAföG darstellen.
|
|
|
So scheidet zunächst eine Beleihung der Miteigentumsanteile aus. Dies ergibt sich aus der vom Verwaltungsgericht am 15.11.2004 eingeholten Bankauskunft der Volksbank xxx-xx x.x., aus der Ablehnung einer Kreditgewährung an die Klägerin durch Schreiben dieser Bank vom 18.07.2003 sowie aus zahlreichen entsprechenden Bankauskünften in vergleichbaren Fällen, die im Einzelnen im Senatsurteil vom 19.09.2005 genannt sind. Eine Beleihung kommt deswegen nicht in Betracht, weil die Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung lediglich Bezieherin einer Halbwaisenrente in Höhe von 56,58 Euro monatlich war und es ihr daher an der Kreditwürdigkeit fehlte. Der Senat hat zur Frage der Kreditwürdigkeit im Urteil vom 19.09.2005 Folgendes ausgeführt:
|
|
|
"Unter der Kreditwürdigkeit eines Kreditnehmers werden allgemein dessen Fähigkeit und Bereitschaft, die vereinbarten Zinsen und Tilgungen zu erbringen, verstanden. Die Beurteilung der persönlichen Kreditwürdigkeit orientiert sich hierbei an der persönlichen Zuverlässigkeit des Schuldners, die Beurteilung der materiellen Kreditwürdigkeit an dessen wirtschaftlichen Verhältnissen. Grundvoraussetzung für die Begebung eines Hypothekarkredits ist durchweg die Fähigkeit des Schuldners, die vereinbarten Zins- und Tilgungszahlungen zu erbringen. Die Bestellung eines Grundpfandrechts - in welcher Form auch immer - dient dabei zunächst nur der Sicherung der Darlehensforderung, nicht deren Erfüllung. Eine Verwertung der Sicherheit kommt regelmäßig erst in Betracht, wenn der begebene Kredit notleidend geworden ist, weil der Schuldner die vertraglich vereinbarten Zahlungen nicht erbracht hat. Ein Auszubildender, der über kein oder nur ein geringes Einkommen verfügt, ist in aller Regel nicht in der Lage, solche Zins- und/oder Tilgungszahlungen zu leisten. Hierbei ist es gleichgültig, ob das Darlehen als Annuitätendarlehen, Festdarlehen oder Abzahlungsdarlehen begeben wird. Denn regelmäßige Zinszahlungen muss der Schuldner bei einem Hypothekarkredit in jedem Fall erbringen."
|
|
|
Solche regelmäßigen Zinszahlungen kann die Klägerin während ihrer Ausbildung nicht leisten, da es ihr an entsprechenden Einnahmen fehlt, aus denen diese Zahlungen erbracht werden könnten. Selbst wenn also die Schwester der Klägerin als Miterbin der Bestellung eines Grundpfandrechts als Sicherheit für eine entsprechende Darlehensgewährung zustimmen würden, schlösse die fehlende Möglichkeit zur Erbringung laufender Zinszahlungen die Darlehensgewährung an die Klägerin aus. Abgesehen davon wäre eine solche Bestellung eines Grundpfandrechts wirtschaftlich unsinnig, da sie mangels Zinszahlung allenfalls zur Zwangsversteigerung führen würde.
|
|
|
Eine realistische Verwertungschance ist aber auch nicht in einer Veräußerung der Anteile der Klägerin an den Grundstücken zu sehen. Denn für einen derartigen Anteil besteht bei einer realistischen und lebensnahen Betrachtungsweise kein Markt und kein Bedarf. Die Klägerin kann nach § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB lediglich über ihren Anteil am Nachlass oder – nach Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft – über ihren Miteigentumsanteil an den Grundstücken verfügen. Die Annahme, ein Dritter könne am Erwerb eines solchen Anteils ein Interesse haben, erscheint indessen schon deswegen fern liegend, weil der Erwerber keine Verfügungsgewalt über das Grundstück als Ganzes erlangen würde. Hinzu kommt, dass das Mehrfamilienhaus nach der Auskunft des Bürgermeisteramts L vom 23.10.2003 wohl der Sanierung bedarf, was die Veräußerungschancen weiter schmälert. Ebenso kann nicht angenommen werden, dass ein potenzieller Erwerber Interesse an dem in unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit dem Mehrfamilienhaus stehenden Gartenhäuschen – unabhängig davon, auf welchem der beiden Grundstücke sich dieses befindet – haben könnte, über das seitens der Klägerin ebenfalls nicht im Ganzen verfügt werden könnte.
|
|
|
Zu berücksichtigen ist außerdem der Umstand, dass der Vater der Klägerin nach dem Ehe- und Erbvertrag vom 30.03.1982 Anspruch auf den "lebtäglichen unentgeltlichen Nießbrauch an dem hälftigen Erbanteil der Ehefrau" hat. Auch dies steht einer Verwertung der Grundstücke entgegen. Dabei kommt es nicht auf die Frage an, ob ein derartiges Nießbrauchsrecht der Eintragung ins Grundbuch bedarf, um wirksam zu sein. Denn allein der Umstand, dass die Klägerin und ihr Vater vom Bestehen eines solchen Rechts ausgehen, stellt eine zusätzliche faktische Belastung der Grundstücke dar und mindert die Verwertungsaussichten weiter, weil ein potenzieller Erwerber damit rechnen müsste, an einer Eigennutzung der Wohnung auf unabsehbare Zeit gehindert zu sein und möglicherweise einen Rechtsstreit wegen des Bestehens dieses Nießbrauchs mit ungewissem Ausgang führen zu müssen.
|
|
|
Damit scheidet – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – auch eine Vermögensverwertung in Form der Veräußerung des Anteils der Klägerin an dem Grundstück B str. xx aus, bei dem noch hinzukommt, dass es nach der Auskunft des Bürgermeisteramts L vom 23.10.2003 unbebaubar ist. Auch im Hinblick auf diesen Anteil kann aus den dargelegten Gründen kein Erwerbsinteresse eines Dritten angenommen werden, da nicht ersichtlich ist, in welcher Form ein Erwerber diesen Anteil nutzen könnte.
|
|
|
Schließlich kann nicht festgestellt werden, dass eine sonstige Form der Verwertung des Immobilieneigentums der Klägerin in Betracht käme.
|
|
|
Bei dieser Sachlage bedarf es keiner weiteren Feststellungen zum Wert der fraglichen Immobilien, auch wenn die Klägerin hierzu keine Angaben machen konnte und an der vom Beklagten vorgenommenen Wertermittlung auf der Grundlage der Versicherungsunterlagen Zweifel im Hinblick darauf bestehen könnten, dass der so festgestellte Wert sich nicht am Zeitwert, sondern an den Wiederaufbaukosten und damit am Neuwert orientiert (so Ramsauer/Stallbaum/Sternal, aaO., § 28 Rn. 6). Ebenso muss der Senat nicht der Frage nachgehen, ob die Eigentumswohnung von der Klägerin selbst genutzt wird, was deswegen fraglich erscheint, weil die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben hat, sie fahre seit Beginn ihres Studiums "vielleicht alle zwei Monate" nach L. Denn all dies wäre nur dann von Bedeutung, wenn es hier darauf ankäme, ob ein selbst genutztes kleines Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Wohnung in ihrer Funktion als Familienheimstatt von der Anrechnung auszunehmen ist, weil dann auch Größe und Wert der Immobilie zu berücksichtigen sind (dazu BVerwG, Urteil vom 12.06.1986 – 5 C 65.84 –, BVerwGE 74, 267 <270>). Im vorliegenden Fall geht es indessen nicht darum, einen Auszubildenden davor zu schützen, durch die Verwertung eines selbst bewohnten Grundstücks oder einer selbst bewohnten Wohnung eine wesentliche Beeinträchtigung seiner Lebensgrundlage hinnehmen zu müssen, und ihm die Wohnstattfunktion seines Grundstücks oder seiner Wohnung zu erhalten. Vielmehr findet die Bejahung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 29 Abs. 3 BAföG in Fällen wie dem vorliegenden allein darin ihre Begründung, dass es dem Auszubildenden ermöglicht werden soll, den unbilligen Konsequenzen einer wirtschaftlich nicht durchführbaren Vermögensverwertung auszuweichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.1984 aaO., 586, und vom 13.06.1991 aaO., 312). Die Feststellung einer solchen wirtschaftlichen Unmöglichkeit hängt indessen nicht von der Größe und dem Wert einer Immobilie und auch nicht von ihrer Funktion als Wohnstatt des Auszubildenden ab.
|
|
|
|
|
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
|
|