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Die nach Zulassung durch den Senatsbeschluss vom 28.07.2003 - 5 S 318/03 - statthafte und nach § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO fristgerecht begründete Berufung hat teilweise Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte den Hauptantrag der Klägerin abweisen müssen. Mit dem deshalb in der Berufungsinstanz erstmals angefallenen Hilfsantrag ist die Klage jedoch begründet.
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I. Der auf Feststellung gerichtete Hauptantrag der Klägerin, dass der vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Verfahren V 222/77 abgeschlossene Vergleich vom 26.05.1977 in §§ 1 und 2 sie nicht verpflichtet, hat keinen Erfolg.
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1. Der Hauptantrag, dessen Verfolgung im Verwaltungsrechtsweg für den Senat nach § 17a Abs. 5 VwGO bindend feststeht, ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Diese bereits vom Verwaltungsgericht vorgenommene prozessuale Einordnung greift der Beklagte mit der Berufung auch nicht an.
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2. Dem Feststellungsbegehren kann jedoch in der Sache nicht entsprochen werden. Die in § 1 des Vergleichs vom 26.05.1977 von Einzelkaufmann H. (damals Beigeladener) übernommene Verpflichtung, zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr nicht mit Lastkraftwagen auf dem Grundstück Nr. 1737 zu fahren und während dieser Zeit keine Lastkraftwagenmotoren laufen zu lassen, bindet auch die Klägerin. Denn dieser Unterlassungsverpflichtung kommt - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - dingliche Wirkung zu; es handelt sich nicht um eine (höchst-)persönliche Verpflichtung, die Einzelkaufmann H. als Beteiligter des Vergleichsvertrags eingegangen und die nach dessen Ableben erloschen ist. Das ergibt sich aus Folgendem:
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Den Vergleichsvertrag vom 26.05.1977 haben die Beteiligten - unter Mitwirkung des Landes Baden-Württemberg (damals Beklagter) - in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren geschlossen, in dem sich der Beklagte (damals Kläger) gegen die dem Einzelkaufmann H. (damals Beigeladener) erteilte Baugenehmigung des Landratsamts Waldshut vom 23.01.1975 zur Errichtung einer Lkw-Abstellhalle auf dem Grundstück Flst.Nr. 1737 der Gemarkung Stühlingen-Weizen zur Wehr gesetzt hatte. Die (angefochtene) Baugenehmigung selbst ist ein vorhabenbezogener/sachbezogener Verwaltungsakt. Das ergibt sich unmittelbar aus § 58 Abs. 1 LBO, wonach die Baugenehmigung zu erteilen ist, wenn dem Bauvorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlichrechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Baugenehmigungsverfahren und Baugenehmigung stellen also (regelmäßig) auf das Vorhaben und nicht auf die Person des Eigentümers des Baugrundstücks ab (vgl. BVerwGE, Urt. v. 22.01.1971 - IV C 62.66 - NJW 1971, 1624 = DÖV 1971, 640). Die Baugenehmigung regelt, dass und in welcher Weise ein Grundstück baulich genutzt werden darf. Ausgehend von diesem vorhabenbezogenen Charakter der Baugenehmigung bestimmt § 58 Abs. 2 LBO (im Sinne eines allgemeinen Rechtsgedankens), dass die Baugenehmigung auch für und gegen den Rechtsnachfolger des Bauherrn gilt, also gegenüber demjenigen, der nach dem ursprünglichen Bauherrn die Bauherrenfunktion übernimmt. Die Regelung des § 58 Abs. 2 LBO bedeutet, dass der Rechtsnachfolger (insbesondere) auch Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung gegen sich gelten lassen muss, soweit sie grundstücks- bzw. vorhabenbezogen sind. Das ist etwa bei einer Auflage der Fall, welche die mit der Baugenehmigung zugelassene Nutzung des Grundstücks (zeitlich) beschränkt oder sonst modifiziert, weil nur die so gestattete Nutzung genehmigungsfähig ist (Genehmigungsinhaltsbestimmung). Wäre die umstrittene Verpflichtung aus § 1 des Vergleichs vom 26.05.1977 dem Einzelkaufmann H. als damaligem Bauherrn im Wege einer Nebenbestimmung zur Baugenehmigung vom 23.01.1975 auferlegt worden, so hätte die Verpflichtung vorhabenbezogenen Charakter wie die Baugenehmigung selbst und wie auch die beigefügte Auflage zur „Einhaltung der Nachtruhe von 22.00 bis 6.00 Uhr“.
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Der Umstand, dass das in Rede stehende absolute Nachtfahrverbot in einem (Vergleichs-)Vertrag vereinbart worden ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zur Unrecht beruft sich das Verwaltungsgericht für seine gegenteilige Auffassung auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 24.05.1994 - 1 M 1066/94 - (NJW 1994, 3309), wonach die Verpflichtung aus einem gerichtlichen Vergleich, ein Gebäude zu beseitigen, nicht auf den Pächter übergehe, selbst wenn der Pachtvertrag erst nach dem Vergleich abgeschlossen werde; die im Wege des Vergleichs übernommene Beseitigungsverpflichtung habe mangels einer dinglichen Wirkung nicht zur Folge, dass das Grundstück und damit das Gebäude gleichsam von vornherein mit der Pflicht zur Beseitigung belastet gewesen wäre und nur mit dieser Belastung hätte verpachtet werden können; ein gerichtlicher Vergleich wirke lediglich zwischen den an dieser Vereinbarung Beteiligten; die (landesrechtliche) Vorschrift, wonach bauaufsichtliche Anordnungen auch gegenüber Rechtsnachfolgern gälten, regele allein die Bindungswirkung bauaufsichtlicher Verfügungen; sie sei wegen der Grundstücksgebundenheit solcher Anordnungen auch nicht entsprechend auf gerichtliche Vergleiche anwendbar. Dagegen ist einzuwenden, dass der Pächter eines Grundstücks nicht „Rechtsnachfolger“ in eine vom Grundstückseigentümer übernommene Beseitigungsverpflichtung ist, er vielmehr (nur) ein eigenständiges privatrechtliches Nutzungsrecht Besitzrecht hat, das er allerdings einer zwangsweisen Durchsetzung der vom Grundstückseigentümer übernommenen Verpflichtung entgegenhalten kann und das deshalb mittels einer Duldungsverpflichtung ihm gegenüber zu überwinden ist.
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Maßgebend ist, dass die Unterlassungsverpflichtung aus § 1 des Vergleichs vom 26.05.1977 in untrennbarem Zusammenhang mit der angefochtenen Baugenehmigung vom 23.01.1975 und der damit zugelassenen Nutzung des Grundstücks Flst.Nr. 1737 im Rahmen des dort betriebenen Speditionsunternehmens steht. Bestandteil dieser Baugenehmigung ist auch die beigefügte Auflage zur „Einhaltung der Nachtruhe zwischen 22.00 und 6.00 Uhr“, die mit der umstrittenen vertraglichen Verpflichtung zu Gunsten des Beklagten (damals Kläger) gewährleistet bzw. gesichert werden sollte. Als so zu verstehende annexe Verpflichtung zur angefochtenen Baugenehmigung vom 23.01.1975, die Einzelkaufmann H. als Bauherr vertraglich eingegangen ist, teilt sie den vorhabenbezogenen Charakter der Baugenehmigung selbst. Wegen der vom Bauherrn übernommenen Unterlassungsverpflichtung hat auch der Beklagte den mit der Baugenehmigung zugelassenen Speditionsbetrieb unter dem für ihn bedeutsamen Aspekt der Lärmverträglichkeit zur Nachtzeit als akzeptabel anerkannt und insoweit eine Nachbarrechtswidrigkeit der so modifizierten Baugenehmigung mit der (vereinbarten) Erklärung der Zurücknahme der Berufung nicht weiter geltend gemacht. Vor diesem Hintergrund kann der umstrittenen Unterlassungsverpflichtung aus § 1 des Vergleichsvertrags vom 26.05.1977 kein nur (höchst-)persönlicher Charakter dahingehend beigemessen werde, dass sie ausschließlich Einzelkaufmann H. „in personam“ treffen und damit von dessen Existenz oder auch nur von dessen persönlicher Mitwirkung (in welcher Funktion auch immer) in der später gebildeten Kommanditgesellschaft abhängig sein sollte.
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Wegen des danach dinglichen Charakters konnte die umstrittene vertragliche Unterlassungsverpflichtung - wie auch die zugrunde liegende Baugenehmigung vom 23.01.1975 bzw. die damit zugelassene Nutzungsberechtigung - auf die Klägerin übergehen, wenn diese Rechtsnachfolgerin von Einzelkaufmann H. (geworden) ist. Das ist der Fall. In der Regel ergibt sich die Rechtsnachfolge in die Bauherrenschaft aus der Rechtsnachfolge in die dingliche Verfügungsbefugnis über das (Bau-)Grundstück. Ursprünglich stand das Betriebsgrundstück Flst.Nr. 1737 im Eigentum von Einzelkaufmann H. Ausweislich des Handelsregisterauszugs vom 02.04.2001 ist durch den Eintritt von Frau S. (Tochter) in das Handelsgeschäft von Einzelkaufmann H. am 15.02.1993 die H. Kommanditgesellschaft gegründet worden, in die Einzelkaufmann H. das Betriebsgrundstück Flst.Nr. 1737 eingebracht hat. Dementsprechend ist ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Grundbuchauszugs die „Firma Spedition H. KG“ seit 05.05.1993 - nach Auflassung am 27.01.1993 - als Eigentümerin des Grundstücks Flst.Nr. 1737 im Grundbuch eingetragen. Mangels gegenteiligen Vorbringens der Klägerin oder sonst gegenteiliger Anhaltspunkte ist auch vom Regelfall auszugehen, dass mit dem nach §§ 161 Abs. 2, 124 HGB zulässigen Erwerb des Betriebsgrundstücks Flst.Nr. 1737 durch die neu gegründete H. Kommanditgesellschaft auch die Rechte und Pflichten aus der vorhabenbezogenen Baugenehmigung vom 23.01.1975 und damit auch die umstrittene, hieran anknüpfende Unterlassungsverpflichtung aus § 1 des Vergleichsvertrags vom 26.05.1977 übergegangen sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.11.1980 - 3 S 2205/80 - VBlBW 1981, 187). Durch den Eintritt der H. Beteiligungs-GmbH im Oktober 1993 als (neue) persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) in die H. Kommanditgesellschaft, wodurch die Klägerin entstanden ist, ist keine neue/andere Kommanditgesellschaft geschaffen worden, auf die das Eigentum an dem Betriebsgrundstück Flst.Nr. 1737 (wiederum) hätte übertragen werden müssen, um die Klägerin als Rechtsnachfolgerin in die dingliche Verfügungsbefugnis über das Grundstück ansehen zu können. Durch den Beitritt der Beteiligungs-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin in die H. Kommanditgesellschaft hat keine Umwandlung stattgefunden (vgl. Grunewald in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Bd. 2, RdNr. 60 zu § 161). Es ist kein neuer, von der alten Kommanditgesellschaft zu unterscheidender Rechtsträger entstanden. Dass sie Rechtsnachfolgerin von Einzelkaufmann H. in das Betriebsgrundstück Flst.Nr. 1737 geworden ist, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr in Abrede gestellt.
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Danach kann dahinstehen, ob sich eine Bindung der Klägerin an die umstrittene Unterlassungsverpflichtung aus § 1 des Vergleichs vom 26.05.1977 auch aus handelsrechtlichen Grundsätzen ergibt. Es spricht allerdings vieles dafür, dass die Klägerin als neu gebildete Kommanditgesellschaft, die (zunächst) durch den Eintritt von Frau S. als Kommanditistin in das Handelsgeschäft von Einzelkaufmann H. entstanden ist, nach § 28 Abs. 1 HGB für alle im Betrieb des Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers haftet. Dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift, die im Verständnis als Vertragsüberleitungsnorm einen gesetzlichen Schuldbeitritt der neu gebildeten Gesellschaft begründet (vgl. Lieb in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Bd. 2, RdNrn. 27 und 29 zu § 28 sowie Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 31. Aufl., RdNr. 5 zu § 28), erfüllt sind, bestreitet die Klägerin nicht. Aber auch der von ihr (allein) beanspruchte Haftungsausschluss gemäß § 28 Abs. 2 HGB dürfte nicht zum Zuge kommen. Nach dieser Vorschrift ist eine abweichende Vereinbarung einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder von einem Gesellschafter dem Dritten mitgeteilt worden ist. Im Handelsregister(-auszug) findet sich im Zusammenhang mit dem Eintritt von Frau S. als Kommanditistin in das Geschäft des Einzelkaufmanns H. der Eintrag: „Die Kommanditistin G. S. haftet nicht für die vor ihrem Eintritt in den Betrieb des Handelsgeschäfts entstandenen Verbindlichkeiten.“ Dieser Haftungsausschluss der Kommanditistin S. dürfte - entgegen der Meinung der Klägerin - nicht als Haftungsausschluss der (neu gegründeten) Kommanditgesellschaft selbst i. S. des § 28 Abs. 2 HGB ausgelegt bzw. dahin umgedeutet werden können. Zum einen wird es durchaus für zulässig erachtet, anstelle der Haftung der Gesellschaft sozusagen als minus nur die Haftung der Gesellschafter oder einzelner Gesellschafter auszuschließen (vgl. Lieb, a.a.O., RdNr. 37 zu § 28 sowie Baumbach/Hopt, a.a.O., RdNr. 6 zu § 28), unabhängig von der Sinnhaftigkeit eines solchen Haftungsausschlusses bei einem Kommanditisten. Zum anderen - und dies dürfte entscheidend sein - ist die von der Klägerin vorgenommene Interpretation des Haftungsausschlusses der Kommanditistin S. (Gesellschafterin) als Haftungsausschluss der Kommanditgesellschaft selbst mit der Regelung des § 15 HGB über die Publizität des Handelsregisters wohl schwerlich in Einklang zu bringen.
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II. Der Hilfsantrag ist zulässig und begründet.
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Da die Klage mit dem Hauptantrag erfolglos bleibt, ist in der Berufungsinstanz erstmals über den Hilfsantrag zu entscheiden.
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1. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren ihren Hilfsantrag auf Zustimmung des Beklagten zu einer Anpassung von § 1 des Vergleichs vom 26.05.1977 über den bisher angestrebten Inhalt hinaus auf die Verpflichtung zur Errichtung eines Zufahrtskontrollsystems erweitert hat, ist eine insoweit anzunehmende Klageänderung (Klageerweiterung) jedenfalls deshalb zulässig, weil der Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf sie, ohne zu widersprechen, eingelassen hat (§ 91 Abs. 2 VwGO).
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Der auf Zustimmung des Beklagten zur Abänderung von § 1 des Vergleichs vom 26.05.1977 gerichtete Hilfsantrag ist als Abänderungsklage nach § 173 VwGO i.V.m. § 323 ZPO zulässig.
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Bei dem abzuändernden Vergleich vom 26.05.1977 handelt es sich um einen gerichtlichen Vergleich i. S. von § 106 VwGO und damit um einen Vollstreckungstitel i. S. des § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO. Ein gerichtlicher Vergleich wird nach § 106 VwGO geschlossen, um den Rechtsstreit - vollständig oder zum Teil - zu erledigen. Der gerichtliche Vergleich hat eine Doppelnatur; er ist sowohl Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechts richtet, als auch öffentlich-rechtlicher Vertrag, für den die Rechtsregeln des materiellen Rechts gelten; das bedeutet nicht, dass er in eine Prozesshandlung und in ein Rechtsgeschäft aufzuspalten wäre, die getrennt nebeneinander stünden; vielmehr bildet der Prozessvergleich eine Einheit, die sich darin äußert, dass zwischen dem prozessualen und dem materiellen Teil ein Abhängigkeitsverhältnis besteht; als Prozesshandlung führt er zur Prozessbeendigung, als materieller Vertrag zur Streitbeendigung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.10.1993 - 4 B 175.93 - m.w.N., NJW 1994, 2306 = DVBl. 1994, 211). So liegt es hier. Die Beteiligten wollten mit dem - unter Mitwirkung des Landes Baden-Württemberg (damals Beklagter) - vor dem Senat geschlossenen Vergleich vom 26.05.1977 das anhängige Baunachbarstreitverfahren, das der Beklagte gegen die dem Rechtsvorgänger der Klägerin erteilte Baugenehmigung des Landratsamts Waldshut vom 23.01.1975 zur Errichtung einer Lkw-Abstellhalle auf dem Grundstück Flst.Nr. 1737 der Gemarkung Stühlingen-Weizen eingeleitet hatte, beenden. Der Vergleich wurde vor dem Senat „zur Niederschrift des Gerichts“ geschlossen. Er wurde vorgelesen und genehmigt. Damit waren die (Form-)Erfordernisse des § 105 VwGO i.V.m. §§ 160 Abs. 3 Nr. 1, 162 Abs. 1 ZPO erfüllt. Die prozessuale Natur (als Prozesshandlung) kann dem Vergleich nicht deshalb abgesprochen werden, weil der Beklagte sich in § 3 zur Rücknahme der Berufung (gegen das seine Nachbarklage abweisende verwaltungsgerichtliche Urteil vom 14.10.1976) verpflichtete, was er im unmittelbaren Anschluss an die Protokollierung des Vergleichs im Verhandlungstermin - unter Zustimmung der übrigen Beteiligten - auch erklärt (und was zum deklaratorischen Einstellungsbeschluss des Senats vom 27.06.1977 geführt) hat. Selbst wenn im Hinblick hierauf anzunehmen wäre, dass die eigentliche prozessbeendigende Erklärung die Rücknahme der Berufung durch den Beklagten (damals Kläger) war, der die übrigen Beteiligten - wie erforderlich - zugestimmt haben, bleibt doch festzuhalten, dass die von den Beteiligten beabsichtigte Beendigung des Rechtsstreits im Verhandlungstermin vom 26.05.1977 vor dem Senat „der Sache nach“ (schon) durch den Vergleich herbeigeführt worden ist, während sich die unmittelbar anschließende, zu Protokoll erklärte Rücknahme der Berufung lediglich als Annex darstellt, mit dem der Beklagte die soeben in § 3 des Vergleichs eingegangene entsprechende Verpflichtung erfüllt hat. Jedenfalls in einer prozessualen Situation wie der vorliegenden erschiene es gekünstelt, den vor Gericht zur Beendigung des anhängigen (Baunachbar-)Rechtsstreits zur Niederschrift geschlossenen Vergleich vom 26.05.1977 nicht als gerichtlichen Vergleich, sondern als außergerichtlichen Vergleich (mit lediglich materiell-rechtlichem Gehalt) zu qualifizieren.
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Die mit dem Hilfsantrag angestrebte Anpassung von § 1 des (Vergleichs-)Vertrags vom 26.05.1977 nach § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG - diese Regelung gilt wegen dessen Doppelnatur auch für einen Prozessvergleich (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 28.02.1997 - 9 S 1610/96 - NVwZ-RR 1998, 465 = VBlBW 1997, 301) - bewirkt nicht, dass die wirksam zustande gekommene Vereinbarung mit rückwirkender Kraft (ex tunc) beseitigt würde. Vielmehr wird mit ihr nur für die Zukunft eine andere (angepasste) vertragliche Regelung angestrebt. Der Streit hierüber ist daher nicht durch Fortsetzung des alten, durch den Prozessvergleich abgeschlossenen Verfahrens, sondern in einem neuen Klageverfahren auszutragen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.10.1993 - 4 B 175.93 - a.a.O., VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 28.02.1997 - 9 S 1610/96 - a.a.O. sowie Bay. VGH, Urt. v. 20.07.1977 - 2 XV 75 - BayVBl. 1978, 53).
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Statthaft ist nach § 173 VwGO i.V.m. § 323 Abs. 1 ZPO eine Abänderungsklage, die nach § 323 Abs. 4 ZPO auch bei gerichtlichen Vergleichen in Betracht kommt. Zwar erfasst § 323 Abs. 1 ZPO ausdrücklich nur künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen (gemeint ist i. S. von § 258 ZPO). Wegen des dieser Regelung innewohnenden allgemeinen Rechtsgedankens bestehen jedoch keine Bedenken, eine wesentliche Änderung der zugrunde liegenden Verhältnisse auch in sonstigen Fällen - wie vorliegend i. S. von § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG - durch eine dem § 323 Abs. 1 ZPO nachgebildete (Abänderung-)Klage geltend zu machen (so auch Bay. VGH, Urt. v. 20.07.1977 - 2 XV 75 - a.a.O.). Wegen der unterschiedlichen Zielrichtung ist damit eine Qualifizierung des Hilfsantrags als Vollstreckungsgegenklage nach § 173 VwGO i.V.m. § 767 ZPO ausgeschlossen (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 14. Aufl., RdNrn. 15 und 16 zu § 323).
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Die Anpassung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags an wesentlich geänderte (zugrunde gelegte) Verhältnisse nach § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG erfolgt nicht automatisch. Vielmehr erwächst dem - vermeintlich benachteiligten - Vertragspartner ein eigenständiger Anpassungsanspruch, der durch (Leis-tungs-)Klage geltend zu machen ist, gerichtet auf Abgabe einer Willenserklärung, nämlich auf Zustimmung zu der verlangten Vertragsanpassung. Durch deren Erklärung bzw. durch ein diese Erklärung ersetzendes rechtskräftiges Urteil (§ 173 VwGO i.V.m. § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO) - zusammen mit dem Änderungsverlangen - kommt die (begehrte) Vertragsanpassung zustande (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.01.1995 - 3 C 21.93 - m.w.N., BVerwGE 97, 331).
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Als Korrelat eines Anpassungsanspruchs nach § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG ist die Erfüllung der Neuverhandlungspflicht vorauszusetzen, so dass ein erfolgloser Einigungsversuch über die angestrebte Vertragsanpassung als Sachurteilsvoraussetzung der auf Zustimmung gerichteten Klage zu fordern ist (vgl. Lorenz, Der Wegfall der Geschäftsgrundlage beim verwaltungsrechtlichen Vertrag, DVBl. 1997, 865). Erst durch ein Scheitern von Anpassungsverhandlungen (als Ausfluss der Vertragsautonomie) geht die Gestaltungsmacht auf das Gericht über. Auch diese Sachurteilsvoraussetzung ist hier gegeben, da der Beklagte mit Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 30.01.2000 das Anpassungsverlangen der Klägerin im Schreiben vom 17.01.2000 abgelehnt hat. Dass darin (weitergehend) die Gestattung von drei Fahrzeugbewegungen pro Nachtstunde gefordert worden war, ist angesichts der grundsätzlich ablehnenden Haltung des Beklagten unschädlich. Im Übrigen hat der Beklagte durch seinen Klagabweisungsantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dokumentiert, dass er auch nicht bereit ist, einem auf zwei Fahrzeugbewegungen pro Nachtstunde reduzierten Fahrverkehr auf dem Betriebsgrundstück Flst.Nr. 1737 - zudem unter der zusätzlich von der Klägerin übernommenen Verpflichtung zur Errichtung eines Zufahrtskontrollsystems - zuzustimmen.
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Da - wie im Rahmen des Hauptantrags festgestellt - die Klägerin als Rechtsnachfolgerin von Einzelkaufmann H., der die streitgegenständliche Verpflichtung in § 1 des Vertrags vom 26.05.1977 übernommen hat, hieran gebunden ist, ist sie auch berechtigt, die Abänderung des Prozessvergleichs gerichtlich geltend zu machen.
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2. Der auf Anpassung der Regelung in § 1 des Vergleichs vom 26.05.1977 gerichtete Hilfsantrag ist begründet.
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Als Anspruchsgrundlage für das Anpassungsbegehren der Klägerin kommt § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG in Betracht. Diese Regelung ist - wie allgemein die Vorschriften der §§ 54 ff. LVwVfG - wegen seiner Doppelnatur als Prozesshandlung und zugleich öffentlich-rechtlicher Vertrag auch auf den Prozessvergleich anwendbar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.11.1987 - 1 B 12.87 -, NJW 1988, 662 und VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 28.02.1997 - 9 S 1610/96 - a.a.O.). Dass der streitgegenständliche (Vergleichs-)Vertrag vor dem Inkrafttreten des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes vom 21.06.1977 (GBl. S. 227) geschlossen worden ist, steht nicht entgegen (§ 1 VwVfG und BVerwG, Urt. v. 26.01.1995 - 3 C 21.93 - BVerwGE 97, 331 = NVwZ 1996, 171).
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Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG kann, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert haben, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen (oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen). Gesetzliche Voraussetzung für eine Lockerung bzw. Aufhebung der Vertragsbindung nach dieser Vorschrift ist objektiv eine nachträgliche, wesentliche Änderung der für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgeblichen Umstände und subjektiv die (freilich ihrerseits nach einem objektiven Maßstab zu beurteilende) Unzumutbarkeit für die benachteiligte Partei, den Vertrag unverändert fortzusetzen. Beide Anforderungen, die auf Grund der gesetzlichen Verknüpfung in einem engen (inneren) Zusammenhang stehen, sind vorliegend erfüllt.
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Die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgeblichen Verhältnisse haben sich geändert. Für den Vertragsinhalt maßgebend sind rechtliche und tatsächliche Verhältnisse, die weder Vertragsinhalt noch bloßer Beweggrund, sondern die von den Vertragsparteien ausdrücklich oder stillschweigend zur gemeinsamem und wesentlichen Grundlage des Vertrags gemacht worden sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1966 - 7 C 35.65 - BVerwGE 25, 299 sowie Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl., RdNr. 10 zu § 60). Die Vertragspartner müssen die betreffenden Umstände als gemeinsame Grundlage des Vertrags angenommen und vorausgesetzt haben.
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Der Vergleich vom 26.05.1977 wurde in einem Nachbarstreitverfahren geschlossen, in dem sich der Beklagte gegen die dem Rechtsvorgänger der Klägerin erteilte Baugenehmigung vom 23.01.1975 zur Wehr setzte. Diese betraf die Errichtung einer Lkw-Halle in einem Abstand von ca. 15 m zur westlichen Grenze des Betriebsgrundstücks Flst.Nr. 1737, an das sich westlich - jenseits des Gemeindewegs - das Grundstück Flst.Nr. 1735/1 des Beklagten mit einem Wohnhaus in einem weiteren Abstand von ca. 20 m anschließt. Zum damaligen Zeitpunkt war das Grundstück Flst.Nr. 1737 unbebaut, so dass der Beklagte dem Lkw-Verkehr im Rahmen des Speditionsbetriebs, vor allem der Zufahrt über den Gemeindeweg zu den beiden Falltoren in der westlichen Außenwand der Lkw-Abstellhalle (Einfahrt), akustisch - und auch optisch - ungeschützt ausgesetzt war. Grundlage für die in § 1 des Vergleichs vom 26.05.1977 aus Gründen den nächtlichen Lärmschutzes übernommene Verpflichtung des Rechtsvorgängers der Klägerin, zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr nicht mit Lastkraftwagen auf dem Betriebsgrundstück Flst.Nr. 1737 zu fahren und während dieser Zeit keine Lastkraftwagenmotoren laufen zu lassen, waren daher die mit der Baugenehmigung vom 23.01.1975 zugelassenen und entstandenen tatsächlichen baulichen Verhältnisse auf dem Betriebsgrundstück Flst.Nr. 1737, die durch das Fehlen jeglicher abschirmender Anlagen bzw. Faktoren gegenüber dem Wohngrundstück des Beklagten gekennzeichnet waren.
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Sinn und Zweck des in § 1 des Vergleichs vom 26.05.1977 vereinbarten (absoluten) Lkw-Fahrverbots in der Nachtzeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr erschließen sich (nur) aus dessen Zusammenhang mit der im damaligen Rechtsstreit angefochtenen Baugenehmigung vom 23.01.1975. Diese enthielt unter Hinweis auf das vom Rechtsvorgänger der Klägerin vorgelegte TÜV-Gutachten vom 09.09.1974 u. a. die Auflage zur „Einhaltung der Nachtruhe von 22.00 bis 6.00 Uhr“. Sowohl das TÜV-Gutachten vom 09.09.1974 wie auch das die Nachbarklage abweisende verwaltungsgerichtliche Urteil vom 14.10.1976 haben für das Wohngrundstück des Beklagten zwar einerseits mit Blick auf die TA Lärm 1968 den Schutzstatus eines allgemeinen Wohngebiets als Ausgangspunkt angenommen, andererseits aber auch im Rahmen einer „Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der sonstigen Geräuscheinwirkungen auf das Grundstück“ den durch die unmittelbar nördlich vorbei führende B 315 verursachten stärkeren Lärm schutzmindernd eingestellt. Mit Blick auf den allein in Rede stehenden Nachtzeitraum kann die der Baugenehmigung vom 23.01.1975 beigefügte Auflage zur „Einhaltung der Nachtruhe von 22.00 bis 6.00 Uhr“ nur dahin verstanden werden, dass damit an den in der TA Lärm 1968 unter Nr. 2.321d enthaltenen Immissionsrichtwert von 40 dB(A) für ein allgemeines Wohngebiet angeknüpft werden sollte. Wegen dieses Regelungsgehalts der Auflage hat das Verwaltungsgericht im klagabweisenden Urteil vom 14.10.1976 auch für den umstrittenen Nachtzeitraum keine Rechtsverletzung des Beklagten erkennen können. Die von diesem befürchtete Missachtung der so verstandenen „Nachtruhe“ hat das Verwaltungsgericht in den Bereich der - nicht streitgegenständlichen - Überwachung der baurechtlichen Auflage verwiesen. Um deren Einhaltung zu gewährleisten bzw. zu sichern, hat der Rechtsvorgänger der Klägerin in § 1 des Vergleichs vom 26.05.1977 die Verpflichtung übernommen, während des genannten Nachtzeitraums auf dem Grundstück Flst.Nr. 1737 jeglichen Lkw-Fahrverkehr zu unterlassen. Dass dies zur Gewährleistung bzw. Sicherung einer - richtwert-unabhängigen - „totalen Nachtruhe“ für den Beklagten geschehen sollte, kann bei verständiger Würdigung nicht angenommen werden. Es sollte (lediglich) der dem Beklagten zugebilligte Lärmschutz gewährleistet bzw. gesichert werden, den das Verwaltungsgericht im klagabweisenden Urteil vom 14.10.1976 mit Blick auf das TÜV-Gutachten vom 09.09.1974 und die TA Lärm 1968 im Rahmen der bauordnungsrechtlichen Regelung des § 69 Abs. 9 LBO (damaliger Fassung) geprüft hat, wonach Garagen so angeordnet und hergestellt werden müssen, dass u. a. das Wohnen in der Umgebung durch Lärm nicht erheblich gestört wird.
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Die Änderung der Verhältnisse ist auch wesentlich i. S. von § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG. Das ist anzunehmen, wenn Änderungen eingetreten sind, mit denen die Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrags nicht gerechnet haben, und die bei objektiver Betrachtung so erheblich sind, dass nicht angenommen werden kann, der Vertrag wäre auch bei ihrer Kenntnis mit dem gleichen Inhalt geschlossen worden (vgl. Lorenz a.a.O. m.w.N.). So liegt es hier.
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Seit Abschluss des Vergleichs vom 26.05.1977 hat es auf dem Betriebsgrundstück Flst.Nr. 1737 zahlreiche bauliche Veränderungen gegeben. Auf Grund der Baugenehmigung vom 08.11.1984 wurde die Lkw-Abstellhalle selbst bis an die westliche Grundstücksgrenze, nunmehr mit einer geschlossenen westlichen Außenwand, erweitert; die Lkw-Zufahrt erfolgt seither durch ein Tor in der Nordwand im westlichen (erweiterten) Teil der Halle. Auf Grund der Baugenehmigung vom 07.03.1986 wurde eine Schallschutzwand an der westlichen Grenze des Betriebsgrundstücks Flst.Nr. 1737 südlich anschließend an die (neue) westliche Abschlusswand der Lkw-Halle errichtet. Schließlich wurde auf Grund der Baugenehmigung vom 21.10.1999 eine 9,50 m lange und 2,50 m bis 4,20 m hohe Schallschutzwand im nordwestlichen Grundstücksbereich (Zufahrtsbereich) ebenfalls anschließend an die Lkw-Halle - mit einem 3 m langen Versatz nach Westen - errichtet. Auf dem Betriebsgrundstück Flst.Nr. 1737 besteht also keine „(Durchfahrts-)Lücke“ mehr im Bereich der Lkw-Halle. Vielmehr ist an der Westgrenze des Betriebsgrundstücks Flst.Nr. 1737 zum Wohngrundstück des Beklagten hin eine „durchgehende Abschlusswand“ - bestehend aus der geschlossenen Westfassade der (erweiterten) Lkw-Halle und den beiden nördlich und südlich anschließenden Schallschutzwänden - entstanden. Auf Grund des TÜV-Gutachtens vom 04.02.1999 mit Ergänzung vom 07.05.1999 steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bei diesen (veränderten) baulichen (Lärmschutz-)Verhältnissen, insbesondere als Folge der Errichtung der nördlichen Schallschutzwand im Bereich der Zufahrt zur Lkw-Abstellhalle, bei maximal drei Fahrzeugbewegungen pro Nachtstunde mit keiner Überschreitung des nach der TA Lärm 1998 (Nr. 6.1) für ein Mischgebiet zulässigen Beurteilungspegels von nachts 45 dB(A) zu rechnen ist und auch der zulässige (um 20 dB(A) höhere) kurzzeitige Spitzenpegel von 65 dB(A) dabei nicht überschritten wird. Die hiergegen im Berufungsverfahren vom Beklagten erhobenen Einwände hat die Klägerin zu Recht - weil nicht weiter belegt - als unsubstantiiert bezeichnet. Wie im (ersten) TÜV-Gutachten vom 30.01.1996 (S. 7) so ist auch im hieran anschließenden TÜV-Gutachten vom 04.02.1999 als Immissionspunkt am Wohnhaus des Beklagten das „ungünstigste Fenster … im 2. Geschoß d. h. in einer Höhe von ca. 6 m über Erdgleiche“ gewählt. Auch das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Freiburg hat ausweislich seiner Stellungnahme vom 23.09.1999, die zu den zahlreichen Einwendungen des damaligen Bevollmächtigten des Beklagten gegen das TÜV-Gutachten vom 04.02.1999 mit Ergänzung vom 07.05.1999 (nach Besprechung mit dessen Verfasser) ergangen ist, den Nachweis als erbracht angesehen, dass maximal drei Zu- oder Abfahrten je Nachtstunde „an der Westseite der Abstellhalle“ möglich seien, ohne dass der für das Wohnhaus des Beklagten geltende Immissionsrichtwert von nachts 45 dB(A) überschritten werde; dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Fahrzeuge nachts stets aus der Abstellhalle heraus abfahren bzw. nur in diese einfahren würden, so dass also ein Fahrverkehr auf dem Betriebshof unzulässig wäre. Dabei hat es das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt insbesondere als sachgerecht angesehen, die Immissionsprognose vom 04.02.1999 auf dem Forschungsbericht RW-TÜV Anlagentechnik GmbH vom 16.05.1995 aufzubauen, der statisch abgesicherte Daten zur Beurteilung von geräuschrelevanten Vorgängen in Speditionsbetrieben (Emissionsdaten einzelner Betriebsvorgänge bei Lkw-An- und Abfahrten) enthalte. Mit der Stellungnahme des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Freiburg vom 23.09.1999 liegt in der Sache die sachverständige Äußerung (zudem einer staatlichen Fachbehörde) zu den TÜV-Gutachten vor, die der Beklagte angemahnt hat. Danach ist festzuhalten, dass sich die bauliche Situation, die mit Blick auf den Lärmschutz für den Beklagten Grundlage der (Unterlassungs-)Verpflichtung des Rechtsvorgängers der Klägerin in § 1 des Vergleichs vom 26.05.1977 gewesen ist, i. S. des § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG geändert, hat. Dem steht nicht entgegen, dass die baulichen Veränderungen von der Klägerin bzw. ihrem Rechtsvorgänger, also einem Vertragspartner selbst, - jeweils mit behördlicher Genehmigung und teilweise gezielt aus Gründen des Lärmschutzes - herbeigeführt worden sind.
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Mit der „durchgehenden Abschlusswand“ ist auf dem Betriebsgrundstück Flst.Nr. 1737 an dessen Westgrenze zum Wohngrundstück des Beklagten hin eine bauliche Situation entstanden, die sich unter Lärmschutzgesichtspunkten als so gravierend verbessert darstellt, dass bei objektiver Betrachtung nicht anzunehmen ist, § 1 des Vergleichs vom 26.05.1977 wäre auch bei Kenntnis dieser gewandelten Verhältnisse mit dem gleichen Inhalt, nämlich einem absoluten nächtlichen Lkw-Fahrverbot für das Speditionsunternehmen, geschlossen worden. Dies gilt umso mehr, als das Betriebsgrundstück Flst.Nr. 1737 der Klägerin - nicht auch das westlich davon gelegene Wohngrundstück des Beklagten - seit dem Jahre 1985 durch den Bebauungsplan „Riedwiesen“ der Gemeinde Stühlingen als eingeschränktes Gewerbegebiet ausgewiesen ist, in dem - zum Schutz der angrenzenden Wohnbebauung - allerdings nur Betriebe zulässig sind, welche die für ein Mischgebiet geltenden Immissionsrichtwerte einhalten, d. h. die das Wohnen nicht wesentlich stören i. S. des § 6 Abs. 1 BauNVO.
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In der mündlichen Verhandlung des Senats hat auch der Beklagte eingeräumt, dass eine wesentliche Änderung der baulichen Situation auf dem Betriebsgrundstück Flst.Nr. 1737 gegenüber dem Zustand im Zeitpunkt des Abschlusses der umstrittenen vertraglichen Regelung eingetreten ist.
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Der Klägerin als der benachteiligten Vertragspartnerin ist ein Festhalten an der ursprünglichen Vereinbarung auch nicht zuzumuten. Sinn und Zweck der Anpassungsregelung des § 60 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG ist es, die Parteien nicht an vertraglichen Absprachen festzuhalten, die auf Grund einer wesentlichen Änderung der Geschäftsgrundlage ihre Ausgleichsfunktion eingebüßt haben, an die sie aber ohne den Anspruch auf Umgestaltung gebunden wären (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.01.1995 - 3 C 21.93 - a.a.O.). Die Ausgleichsfunktion muss so stark gestört sein, dass es dem benachteiligten Vertragspartner unmöglich wird, in der betreffenden Regelung seine Interessen auch nur annähernd noch gewahrt zu sehen. Maßgebend für die Frage der Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag ist letztlich das Ergebnis einer Abwägung aller Gesichtspunkte des konkreten Falles (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.12.1995 - 10 S 1140/94 - m.w.N., NVwZ 1996, 1230 = VBlBW 1996, 257).
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Bei Abschluss des Vergleichsvertrags vom 26.05.1977 ist die Klägerin davon ausgegangen und durfte sie davon ausgehen, ihren Speditionsbetrieb im Zeitraum von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr auf dem Grundstück Flst.Nr. 1737 abwickeln zu können. Das vereinbarte (absolute) nächtliche Lkw-Fahrverbot hatte die Funktion, dem Beklagten den bei einer Nutzung des Betriebsgrundstücks Flst.Nr. 1737 nach Maßgabe der Baugenehmigung vom 23.01.1975 (Errichtung einer Lkw-Abstellhalle) zu gewährenden nächtlichen Lärmschutz („Nachtruhe“ im Sinne der beigefügten Auflage) zu sichern, wobei das Regierungspräsidium Freiburg im Widerspruchsbescheid vom 07.08.1975 darauf hingewiesen hatte, dass dem Grundstück des Beklagten wegen der Lage im Außenbereich nicht der Schutzstatus eines allgemeinen Wohngebiets zugebilligt werden könne. Gleichwohl war auf Grund des vereinbarten (absoluten) nächtlichen Lkw-Fahrverbots natürlich gewährleistet, dass selbst der Richtwert für ein allgemeines Wohngebiet von nachts 40 dB(A) eingehalten wird. Zutreffenderweise ist jedoch wegen der Außenbereichslage des Wohngrundstücks des Beklagten die geringere Schutzwürdigkeit eines Mischgebiets mit nachts 45 dB(A) zugrunde zu legen (vgl. Nr. 6.6 i.V.m. Nr. 6.1 c der TA Lärm 1998), wie dies auch in den vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen der Fall ist. Zur Gewährleistung bzw. Sicherung des dem Beklagten danach materiell zustehenden Lärmschutzanspruchs ist das vereinbarte (absolute) nächtliche Lkw-Fahrverbot nicht mehr erforderlich. Der Klägerin ist ein Festhalten hieran nach Treu und Glauben auch nicht mehr zuzumuten. Unerheblich sind hierfür die Erweiterung des Speditionsbetriebs als solche sowie insbesondere dessen von der Klägerin geltend gemachte Abhängigkeit von Aufträgen (gerade) der Baustofffirma xxx (mit einem künftig veränderten, sich in den Nachtzeitraum auswirkenden Verladekonzept). Denn diese betrieblichen Umstände fallen ausschließlich in die Risikosphäre der Klägerin. In betrieblicher Hinsicht ist die Klägerin jedoch davon ausgegangen, im Rahmen ihres Speditionsunternehmens erforderliche Fahrten auf dem Betriebsgrundstück Flst.Nr. 1737 im Zeitraum von 6.00 bis 22.00 Uhr abwickeln zu können. Dementsprechend befasst sich auch das im Zusammenhang mit der Erteilung der Baugenehmigung vom 23.01.1975 vorgelegte TÜV-Gutachten vom 09.09.1974 im Kern nur mit der Lärmsituation während dieses (Tages-)Zeitraums; so wird angenommen, dass die Lastzüge „normalerweise“ morgens wegfahren und abends wieder zurückkommen; für die im Ausland (in Italien) eingesetzten Fahrzeuge wird angemerkt, dass sie morgens vor 8.00 Uhr nicht über die Grenze fahren und abends nach 18.00 Uhr nicht zurückkehren könnten, da die Zollstation außerhalb dieser Zeiten geschlossen sei; für die Zeit vor 6.00 Uhr wird lediglich das Anwerfen der Motoren erwähnt, das „bei schallgedämmter Ausführung der Halle“ - die dann in der Baugenehmigung vom 23.01.1975 auch aufgegeben wurde - zulässig sei. Es sind bereits die allgemein gestiegenen Anforderungen bzw. veränderten Gegebenheiten im Speditionsgewerbe (just-in-time-Transporte) und die allgemeinkundig veränderte verkehrliche Situation auf Grund des gestiegenen Verkehrsaufkommens (gerade auf Autobahnen), die für die Klägerin zu unzumutbaren betrieblichen Konsequenzen führen, wenn sie nach wie vor im Nachtzeitraum von 22.00 bis 6.00 Uhr - aus Gründen des Lärmschutzes zu Gunsten des Beklagten - auf jegliche Zu- oder Abfahrt auf dem Betriebsgrundstück Flst.Nr. 1737 verzichten muss, abgesehen von der einen Lkw-Anfahrt, die nach der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 11.09.1996 im gesamten Nachtzeitraum im östlichen (abgelegenen) Bereich des Betriebsgrundstück zulässig ist. Mit der Ausweisung als eingeschränktes Gewerbegebiet durch den Bebauungsplan „Riedwiesen“ aus dem Jahre 1985 hat die Gemeinde auch in städtebaulicher Hinsicht den Rahmen für eine nächtliche gewerbliche Nutzung des Betriebsgrundstücks Flst.Nr. 1737 - (wenn auch nur) in der Qualität eines Mischgebiets - bestimmt. Auch im Hinblick auf diese planungsrechtliche Einordnung und „Absicherung“ des Betriebsgeländes durch die Gemeinde erscheint ein Festhalten an dem ursprünglich vereinbarten (absoluten) nächtlichen Lkw-Fahrverbot für die Klägerin nicht mehr zumutbar.
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Dies gilt umso mehr, als die Klägerin mit ihrem Anpassungsverlangen den nach dem TÜV-Gutachten vom 04.02.1999 mit Ergänzung vom 07.05.1999 und der bestätigenden Stellungnahme des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts Freiburg vom 23.09.1999 immissionsschutzrechtlich zulässigen Umfang von drei Fahrten pro Nachtstunde nicht ausschöpft, sondern nur (noch) zwei Fahrbewegungen pro Nachtstunde beansprucht. Ergänzend hat sich die Klägerin zur Errichtung eines geeigneten Zufahrtskontrollsystems mit Protokollierung der Zu- und Abfahrten verpflichtet, um dem Beklagten eine Überwachung der Anzahl der zugestandenen Nachtfahrten zu ermöglichen. Zu bedenken ist auch, dass die „Gegenleistung“ des Beklagten bei Abschluss des Vergleichs vom 26.05.1977 lediglich in der Zurücknahme der Berufung gegen das seine Nachbarklage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14.10.1976 bestand und die in § 1 des Vergleichs übernommene Unterlassungsverpflichtung - auch von den Beteiligten - nicht als ein materiell ins Gewicht fallendes Obsiegen des Beklagten (mit entsprechender Folge im Rahmen der Kostentragung) gewertet wurde. Das alles lässt bei einer Gesamtwürdigung die begehrte Vertragsanpassung auch für den von der bisherigen Vereinbarung begünstigten Beklagten als zumutbar erscheinen. Die Klägerin bleibt mit dem Anpassungsverlangen hinter einer nächtlichen Nutzung des Betriebsgrundstücks Flst.Nr. 1737 zurück, gegen die sich der Beklagte im Falle einer baurechtlichen Genehmigung nicht mit Erfolg zur Wehr setzen könnte.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
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