Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 23. Juni 2008 - 2 S 6/08

published on 23/06/2008 00:00
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 23. Juni 2008 - 2 S 6/08
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Tenor

Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

 
Nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. An dessen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall. Der vom Antragsteller beabsichtigte Normenkontrollantrag bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Der Antragsteller wendet sich gegen Nr. 13 des einen Bestandteil der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Verwaltungsgebühren bildenden Gebührenverzeichnisses, wonach für die Aufbewahrung von Fundsachen, einschließlich ihrer Aushändigung an den Verlierer, Eigentümer oder Finder eine Gebühr erhoben wird, die bei Sachen bis 500 EUR Wert 3 % des Werts, mindestens aber 3 EUR, und bei Sachen über 500 EUR Wert 3 % von 500 EUR zuzüglich 1 % des 500 EUR übersteigenden Werts beträgt. Nach der Auffassung des Antragstellers ist diese Regelung rechtswidrig, da die Pflicht zur Verwahrung von Fundsachen den Gemeinden im öffentlichen Interesse übertragen worden sei. Diese Schlussfolgerung trifft nicht zu.
Die umstrittene Regelung hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 2 und 11 KAG, nach denen die Landkreise und Gemeinden berechtigt sind, auf der Grundlage einer entsprechenden Satzung "für öffentliche Leistungen, die sie auf Veranlassung oder im Interesse Einzelner vornehmen," Gebühren zu erheben. Gebühren sind öffentlichrechtliche Geldleistungen, die - im Unterschied zu Steuern - aus Anlass individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlichrechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (BVerfG, Beschl. v. 12.10.1994 - 1 BvL 19/90 - BVerfGE 91, 207 mit weiteren Nachweisen). Die gesetzliche Festlegung einer Gebührenpflicht setzt danach voraus, dass von der Verwaltung eine kostenverursachende Leistung erbracht wird und dass zwischen dieser Leistung der Verwaltung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung besteht, die es erlaubt, die Leistung dem Gebührenschuldner individuell zuzurechnen. In dieser individuellen Zurechenbarkeit liegt die Rechtfertigung dafür, dass die Amtshandlung nicht aus allgemeinen Steuermitteln, sondern ganz oder teilweise zu Lasten des Gebührenschuldners finanziert wird.
Die nach der Verwaltungsgebührenordnung der Antragsgegnerin den Verlierer, Eigentümer oder Finder einer Fundsache nach Nr. 13 des Gebührenverzeichnisses treffende Zahlungspflicht knüpft an die Pflicht zur Verwahrung der Fundsache an, die den Gemeinden durch § 5a AGBGB in Verbindung mit den §§ 966 und 967 BGB auferlegt ist. Verwahrung bedeutet, die übergebene Sache aufzubewahren, d.h. einen Raum zur Verfügung zu stellen, in dem die Sache bis zur Rückgabe verbleiben kann, und sie in Obhut zu nehmen. Letzteres schließt ein, für die Erhaltung der Sache zu sorgen und ggf. die erforderlichen Schutzvorrichtungen zu treffen (Reuter in Staudinger, Komm. zum BGB, 2006, § 688 Rn. 6). Diese Tätigkeiten kommen in erster Linie dem Eigentümer sowie dem - mit dem Eigentümer nicht notwendigerweise identischen - Verlierer zu gute, da dadurch gewährleistet ist, dass die Sache in dem Zustand zurück gegeben wird, in dem sie sich bei ihrer Ablieferung bei der Fundbehörde befunden hat. Zu den potentiellen Nutznießern dieser Pflicht gehört ferner der Finder, da § 973 BGB bestimmt, dass mit dem Ablauf von sechs Monaten nach der Anzeige des Fundes bei der zuständigen Behörde das Eigentum an der Sache auf den Finder übergeht. Die Aufbewahrung von Fundsachen, einschließlich ihrer Aushändigung an den Verlierer, Eigentümer oder Finder ist danach eine öffentliche Leistung, die diesen Personen in dem oben genannten Sinn individuell zurechenbar ist, da sie hierdurch einen besonderen tatsächlichen Vorteil erhalten.
Ob und inwieweit die Verwahrungspflicht nach § 967 BGB den Gemeinden nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Interesse auferlegt ist, kann dabei dahinstehen. Die individuelle Zurechenbarkeit einer gebührenpflichtigen Leistung wird entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Leistung überwiegend oder gar ausschließlich im öffentlichen Interesse erfolgt. Da fast alle gebührenpflichtigen Handlungen auch oder vorwiegend im öffentlichen Interesse erfolgen, genügt es vielmehr für die gebührenrechtliche Heranziehung des Einzelnen, dass er durch eine öffentliche Leistung einen besonderen tatsächlichen Vorteil erhält (BVerfG, Kammer-Beschl. v. 11.8.1998 - 1 BvR 1270/94 - NVwZ 1999, 176; BVerwG, Urt. v. 25.8.1998 - 8 C 12.98 - BVerwGE 109, 272; Urt. v. 3.3.1994 - 4 C 1.93 - BVerwGE 95, 188; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973, S. 77), wie das hier der Fall ist.
Der Auferlegung einer öffentlich-rechtlichen Zahlungspflicht für die Verwahrung von Fundsachen steht auch nicht entgegen, dass die §§ 965 ff BGB nur eine Regelung darüber treffen, unter welchen Voraussetzungen der Finder von dem Verlierer Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann. Die Besonderheit des Fundrechts besteht darin, dass es einen in erster Linie privatrechtlich erheblichen Sachverhalt in Verbindung bringt mit Tätigkeiten, die den Verwaltungsbehörden im Interesse des Verlierers zugestanden bzw. auferlegt sind. Neben rein privatrechtliche Regelungen treten damit solche öffentlich-rechtlicher Natur. Von über § 967 BGB hinausgehenden Regelungen des behördlichen Verfahrens hat der Gesetzgeber dabei bewusst abgesehen und u. a. die Bestimmungen über den Aufwendungsersatzanspruch der Verwaltungsbehörde dem für das öffentliche Recht zuständigen Landesgesetzgeber überlassen (vgl. Gursky in Staudinger, Komm. zum BGB, Vorbemerkungen zu §§ 965 bis 984, Rn. 4).
Die Auferlegung der Gebühr, die sich bei Gegenständen bis zu einem Wert von 500 EUR zwischen 3 EUR und 15 EUR bewegt, ist dem Verlierer, Eigentümer oder Finder schließlich auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zumutbar. Eine unverhältnismäßige Belastung liegt darin nicht.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 BGB).
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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

(1) Wer eine verlorene Sache findet und an sich nimmt, hat dem Verlierer oder dem Eigentümer oder einem sonstigen Empfangsberechtigten unverzüglich Anzeige zu machen. (2) Kennt der Finder die Empfangsberechtigten nicht oder ist ihm ihr Aufenthalt
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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

(1) Wer eine verlorene Sache findet und an sich nimmt, hat dem Verlierer oder dem Eigentümer oder einem sonstigen Empfangsberechtigten unverzüglich Anzeige zu machen. (2) Kennt der Finder die Empfangsberechtigten nicht oder ist ihm ihr Aufenthalt
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published on 06/04/2017 00:00

Tenor Die Klage wird abgewiesen.Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Tatbestand  1 Die Kläger wenden sich gegen die Gebühr für die Erteilung eines Negativzeugnisses über ein gemeindliches Vorkaufsrechts nach § 28 Abs. 1
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Annotations

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Der Finder ist zur Verwahrung der Sache verpflichtet.

(2) Ist der Verderb der Sache zu besorgen oder ist die Aufbewahrung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, so hat der Finder die Sache öffentlich versteigern zu lassen. Vor der Versteigerung ist der zuständigen Behörde Anzeige zu machen. Der Erlös tritt an die Stelle der Sache.

Der Finder ist berechtigt und auf Anordnung der zuständigen Behörde verpflichtet, die Sache oder den Versteigerungserlös an die zuständige Behörde abzuliefern.

(1) Mit dem Ablauf von sechs Monaten nach der Anzeige des Fundes bei der zuständigen Behörde erwirbt der Finder das Eigentum an der Sache, es sei denn, dass vorher ein Empfangsberechtigter dem Finder bekannt geworden ist oder sein Recht bei der zuständigen Behörde angemeldet hat. Mit dem Erwerb des Eigentums erlöschen die sonstigen Rechte an der Sache.

(2) Ist die Sache nicht mehr als zehn Euro wert, so beginnt die sechsmonatige Frist mit dem Fund. Der Finder erwirbt das Eigentum nicht, wenn er den Fund auf Nachfrage verheimlicht. Die Anmeldung eines Rechts bei der zuständigen Behörde steht dem Erwerb des Eigentums nicht entgegen.

Der Finder ist berechtigt und auf Anordnung der zuständigen Behörde verpflichtet, die Sache oder den Versteigerungserlös an die zuständige Behörde abzuliefern.

Wird ein Vertrag notariell beurkundet, ohne dass beide Teile gleichzeitig anwesend sind, so kommt der Vertrag mit der nach § 128 erfolgten Beurkundung der Annahme zustande, wenn nicht ein anderes bestimmt ist. Die Vorschrift des § 151 Satz 2 findet Anwendung.