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| Die zulässige Klage hat im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zuerkennung weiterer Erfahrungszeiten zu; der versagende Bescheid des Landesamtes vom 04.05.2015 und dessen Widerspruchsbescheid vom 23.11.2015 sind in diesem Umfang rechtswidrig (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). |
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| Nach § 31 Abs. 1 LBesGBW wird die Höhe des Grundgehalts in den Besoldungsgruppen der Landesbesoldungsordnung A nach Stufen bemessen. Das Aufsteigen in den Stufen bestimmt sich nach Zeiten mit dienstlicher Erfahrung (Erfahrungszeiten). Erfahrungszeiten sind Zeiten im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn. Das Aufsteigen in den Stufen beginnt nach § 31 Abs. 3 Satz 1 LBesGBW mit dem Anfangsgrundgehalt der jeweiligen Besoldungsgruppe mit Wirkung vom Ersten des Monats, in dem die erste Ernennung mit Anspruch auf Dienstbezüge bei dem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn wirksam wird. Der Zeitpunkt des Beginns wird um die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden, nach § 32 Abs. 1 LBesGBW berücksichtigungsfähigen Zeiten vorverlegt (§ 31 Abs. 3 Satz 2 LBesGBW). |
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| Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin einen Anspruch auf eine (weitere) Vorverlegung des Zeitpunkts des Beginns des Aufsteigens in den Stufen des Grundgehalts. Zwar steht ihr kein Anspruch auf Berücksichtigung weiterer Zeiten hauptberuflicher Tätigkeit zu, die nicht Voraussetzung für die Zulassung zur einschlägigen Laufbahn sind (1.). Indes hat die Klägerin einen Anspruch auf Berücksichtigung der Kinderbetreuungszeit vom 04.09.2007 bis zum 31.03.2011 (2.). |
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| 1. Berücksichtigungsfähige Zeiten im Sinne von § 31 Abs. 3 Satz 2 LBesGBW nach dem hier allein in Betracht kommenden § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LBesGBW sind sonstige Zeiten einer hauptberuflichen Tätigkeit, die nicht Voraussetzung für die Zulassung zur Laufbahn sind oder diese Voraussetzung ersetzen, soweit diese für die Verwendung des Beamten förderlich sind, sofern die hauptberufliche Tätigkeit mindestens a) auf der Qualifikationsebene eines Ausbildungsberufs und b) sechs Monate ohne Unterbrechung ausgeübt wurde. Die Entscheidung über die Anerkennung von förderlichen Zeiten trifft die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle (§ 32 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 LBesGBW), hier das für die Ernennung der Klägerin zuständige Regierungspräsidium Tübingen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BeamtZuVO i.V.m. §§ 1, 2 und 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErnG), wobei dieser Entscheidung nur interne Bindungswirkung zukommt. Für den Erlass der Entscheidung gegenüber dem betroffenen Beamten ist nach § 31 Abs. 3 Satz 4 LBesGBW die bezügezahlende Stelle - hier das Landesamt - zuständig. Die Entscheidung über die Berücksichtigung von förderlichen Zeiten nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 LBesGBW steht nicht im Ermessen der zuständigen Behörde; auch ein Beurteilungsspielraum ist ihr insoweit nicht eingeräumt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.03.2014 - 4 S 2129/13 - juris; Beschluss vom 25.07.2016 - 4 S 604/16 - juris). Strukturgleich zu den oben dargestellten Vorschriften bestimmt § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBesGBW, dass Zeiten einer hauptberuflichen Tätigkeiten als Arbeitnehmer im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn oder im Dienst von öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften und ihren Verbänden, die nicht Voraussetzung für die Zulassung zur Laufbahn sind, berücksichtigungsfähig im Sinne von § 31 Abs. 3 Satz 2 LBesGBW sind. |
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| Gemessen hieran hat das Landesamt den Zeitpunkt des Beginns des Aufsteigens in den Stufen des Grundgehalts zu Recht nicht um die von der Klägerin geltend gemachten Tätigkeitszeiten vorverlegt. Die Zeiten ihrer hauptberuflichen Tätigkeit an der Universitätsklinik F. vom 01.07.2006 bis zum 31.08.2007, bei der S. E.-S. B. W. vom 01.04.2011 bis zum 31.08.2011 und schließlich in der schulpsychologischen Beratungsstelle des Staatlichen Schulamts B. vom 01.09.2011 bis zum 31.01.2013 sind nicht gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 LBesGBW berücksichtigungsfähig. Der Anrechnung dieser Zeiten einer hauptberuflichen Tätigkeit im öffentlichen Dienst bzw. bei einem sonstigen Arbeitgeber steht entgegen, dass die Berufsausübung in diesen Zeiten Voraussetzung für die Zulassung zu der von der Klägerin eingeschlagenen Laufbahn ist. Die Landeslaufbahnverordnung in der Fassung vom 28.08.1991 (LVO - GBl. 1991, Nr. 23, S. 586 f) regelt in § 33 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 12, dass als Psychologe in das Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt werden kann, wer eine dreijährige Tätigkeit abgeleistet hat, die ihm die Eignung zur selbständigen Wahrnehmung eines Amtes seiner Laufbahn vermittelt. Gemäß Art. 62 § 1 Abs. 2 des Dienstrechtsreformgesetzes vom 09.11.2010 (GBl. 2010, Nr. 19, S. 984) gelten die §§ 33 bis 44 LVO in der alten Fassung bis zum 31.12.2014 fort. Da die Klägerin am 07.07.2014 in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen wurde, finden die oben zitierten Vorschriften Anwendung. Dies hat das Regierungspräsidium in seiner Stellungnahme vom 23.04.2015 an das Landesamt zutreffend im Einzelnen näher dargelegt. Substantiierte Einwendungen hiergegen hat die Klägerin nicht erhoben. |
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| 2. Der Klägerin steht entgegen der Auffassung des beklagten Landes ein Anspruch auf Berücksichtigung der Betreuungszeit für ihr erstes und zweites Kind vom 04.09.2007 bis zum 31.03.2011 zu. Dabei bestimmt § 32 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW, dass Zeiten nach Satz 1 der Bestimmung durch Unterbrechungszeiten nach Absatz 2 nicht vermindert werden; gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 2 LBesGBW wird abweichend von § 31 Abs. 2 Satz 2 LBesGBW der Aufstieg in den Stufen insbesondere nicht durch Zeiten einer Kinderbetreuung bis zu drei Jahren für jedes Kind verzögert. Diese Vorschriften sind hier dahingehend auszulegen, dass sie der Anerkennung der von der Klägerin vor dem Eintritt in das Beamtenverhältnis abgeleisteten Kindererziehungszeiten nicht entgegenstehen. Zwar deuten - worauf das Landesamt zutreffend hinweist - der Wortlaut von § 32 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW und dessen systematische Stellung auf einen gegenteiligen Befund (2.1). Eine verfassungs- und unionsrechtskonforme Auslegung der Vorschrift gebietet jedoch das hier vertretene Normverständnis (2.2). |
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| 2.1 Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landesamt in seinem Widerspruchsbescheid am 23.11.2015 dargestellt, dass die Bestimmungen des Baden-Württembergischen Landesbesoldungsgesetzes keine generelle Berücksichtigung von Kinderbetreuungszeiten vor dem Eintritt in das Beamtenverhältnis vorsehen. Im Ausgangspunkt bestimmt § 31 Abs. 2 Satz 2 LBesGBW, dass nach Eintritt in das Beamtenverhältnis Zeiten ohne Anspruch auf Grundgehalt den Stufenaufstieg um diese Zeiten verzögern, soweit nicht in § 32 Abs. 2 LBesGBW anderes geregelt ist. Gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 2 LBesGBW werden bei einem aktiven Beamten oder einer aktiven Beamtin Kinderbetreuungszeiten bis zu drei Jahren für jedes Kind anerkannt und verzögern damit den Aufstieg in den Erfahrungsstufen nicht. Diesen Grundgedanken überträgt § 32 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW auf vor Eintritt in das Beamtenverhältnis geleistete, berücksichtigungsfähige Zeiten nach § 32 Abs. 1 LBesGBW und bestimmt, dass Zeiten nach Satz 1 durch Unterbrechungszeiten nach Absatz 2 nicht vermindert werden. Bereits der Wortlaut von § 32 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW und insbesondere die dort verwendete Formulierung „Unterbrechungszeiten“ spricht bei einem ersten Zugriff dafür, dass eine Berücksichtigung dieser Zeiten einen unmittelbaren Anschluss an berücksichtigungsfähige Tätigkeiten im Sinne von Absatz 1 Satz 1 der Bestimmung voraussetzt. Denn unter einer „Unterbrechung“ wird nach allgemeinen Sprachgebrauch „eine kurzzeitige Aussetzung einer Handlung, um diese später wieder aufzunehmen“ verstanden (vgl. die Definition des Begriffs „Unterbrechung“ bei Wiktionary, dem freien Wörterbuch). Hierauf deutet auch der systematische Zusammenhang von § 32 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW zu § 31 Abs. 2 Satz 2 2. HS dieses Gesetzes. § 32 Abs. 1 Satz 3 stellt bei systematischer Betrachtung eine Parallelbestimmung zu § 31 Abs. 2 Satz 2 2. HS LBesGBW dar und überträgt den dort normierten Rechtsgedanken auf Zeiten, die nach § 32 Abs. 1 LBesGBW außerhalb eines Beamtenverhältnisses berücksichtigungsfähig sind. |
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| 2.2 Höherrangiges Recht gebietet jedoch eine Auslegung von § 32 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW dahingehend, dass Zeiten einer Kinderbetreuung auch dann den Aufstieg in den Erfahrungsstufen nicht verzögern, wenn die Kinderbetreuungszeit nicht in unmittelbarem Anschluss an eine hauptberufliche Tätigkeit im öffentlichen Dienst oder an eine sonstige berücksichtigungsfähige Zeit im Sinne von § 32 Abs. 1 LBesGBW abgeleistet wird. Dieses Verständnis ist sowohl durch Verfassungsrecht (2.2.1) als auch durch Unionsrecht (2.2.2) zwingend vorgegeben. |
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| 2.2.1 Die von der Kammer vorgenommene Auslegung von § 32 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW ist erforderlich, um in der gegenständlichen Fallgestaltung einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zu vermeiden. |
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| 2.2.1.1 Nach Art. 3 Abs. 3 GG darf niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Vorschrift konkretisiert und verstärkt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, indem sie der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers engere Grenzen setzt. Das Geschlecht darf grundsätzlich nicht zum Anknüpfungspunkt und zur Rechtfertigung für rechtliche Ungleichbehandlungen benachteiligender oder bevorzugender Art herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung ausgelegt ist, sondern in erster Linie - oder gänzlich - andere Ziele verfolgt. Wenn der Gesetzgeber eine Gruppe nach sachlichen Merkmalen bestimmt, die nicht in Art. 3 Abs. 3 GG genannt sind, so ist diese Regelung an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Etwas anderes gilt, wenn der vom Gesetzgeber gewählte, durch Art. 3 Abs. 3 GG nicht verbotene sachliche Anknüpfungspunkt in der gesellschaftlichen Wirklichkeit weitgehend nur für eine Gruppe zutrifft oder die differenzierende Regelung sich weitgehend nur auf eine Gruppe im Sinne einer faktischen Benachteiligung auswirkt, deren Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 3 GG strikt verboten ist (mittelbare Diskriminierung). Eine Anknüpfung an das Geschlecht kann deshalb auch dann vorliegen, wenn eine geschlechtsneutral formulierte Regelung überwiegend Frauen trifft und dies auf natürliche oder gesellschaftliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.06.2008 - 2 BvL 6/07 -, BVerfGE 121, 241 - m.w.N.). Auch der im Bereich des Besoldungsrechts anerkannte weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers entbindet diesen nicht von der Beachtung des speziellen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 3 GG (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfG, Beschluss vom 27.11.1997 - 1 BvL 12/91 -, BVerfGE 97, 35). |
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| 2.2.1.2 Ausgehend von diesem Maßstab ist hier § 32 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW dahingehend auszulegen, dass er der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten auch dann nicht entgegensteht, wenn diese nicht im unmittelbaren Anschluss an sonst bei der Festsetzung der Erfahrungsstufen berücksichtigungsfähige Zeiten abgeleistet werden. Dabei ist die Norm des § 32 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW geschlechtsneutral formuliert; dem Wortlaut nach findet die Vorschrift sowohl auf Kinderbetreuungszeiten durch Mütter als auch durch Väter Anwendung. Entscheidend ist jedoch die Frage, ob eine als solche geschlechtsneutral formulierte Regelung Frauen ohne hinreichenden verfassungsrechtlichen Grund benachteiligt. Dies wäre indes der Fall, wenn die Vorschrift entsprechend der Auffassung des Beklagten dahingehend ausgelegt wird, dass sie einen unmittelbaren Anschluss der Kindererziehungszeit an berücksichtigungsfähige Zeiten voraussetzt. |
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| Bei diesem Verständnis von § 31 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW werden mittelbar Frauen benachteiligt, da von der Möglichkeit der Elternzeit in überwiegendem Maße Frauen Gebrauch machen. Nach der auf dem Mikrozensus beruhenden Erkenntnis des Statistischen Bundesamtes nehmen Frauen wesentlich häufiger Elternzeit in Anspruch als Männer. Im Jahre 2015 waren 41,6 Prozent der Mütter, deren jüngstes Kind unter drei Jahren ist, in Elternzeit; bei den Vätern waren dies nur 2,5 Prozent. Diese Betrachtung fällt auch nicht wesentlich anders aus, wenn ältere Kinder in den Blick genommen werden. Im Jahr 2015 waren 24,1 Prozent der Frauen, deren jüngstes Kind unter sechs Jahren ist, in Elternzeit; für Männer galt dies nur für 1,5 Prozent. Auch wird die Elternzeit von Männern wesentlich kürzer als von Frauen in Anspruch genommen. So haben Väter in Baden-Württemberg im Jahre 2013 im Schnitt lediglich 2,7 Monate Elternzeit in Anspruch genommen, während Mütter dies für durchschnittlich 11,6 Monate taten (sämtliche statistischen Daten stammen aus dem Internetauftritt des Statistischen Bundesamtes „DESTATIS“ - Personen in Elternzeit). Der Präsident des Statistischen Bundesamtes hat hieraus in seiner Pressekonferenz am 30.07.2014 (im Internet zugänglich) folgenden Befund abgeleitet: „Nach wie vor sind also hauptsächlich Frauen für die Kinderbetreuung zuständig; sie schränken ihre Erwerbstätigkeit ein, sind häufiger alleinerziehend und machen eine längere Pause nach der Geburt. Diese Situation ist eine der Ursachen für die Verdienstunterschiede von Frauen und Männern“. |
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| Aus diesen statistischen Daten folgt, dass bundesweit erheblich mehr weibliche als männliche Beschäftigte Elternzeit in Anspruch nehmen. Daher reichen diese Feststellungen, wonach bundesweit erheblich mehr weibliche als männliche Beschäftigte Elternzeit in Anspruch nehmen, für die Annahme aus, dass nach dem ersten Anschein der Frauenanteil der betreffenden Beamten bzw. Beamtenanwärter weit überwiegt (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 25.03.2010 - 2 C 72.08 -, BVerwGE 136, 165). |
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| Daneben sprechen allgemeine Überlegungen dafür, dass es bei dem vom Beklagten befürworteten Normverständnis zu einer Benachteiligung von Frauen kommt. Wie oben dargestellt, wird gerade die Erziehungsleistung für Kleinkinder unter drei Jahren ganz überwiegend von Frauen erbracht. Da sich diese Betreuungszeit regelmäßig direkt an die Geburt des Kindes anschließt, ist ihr Beginn naturgemäß nur eingeschränkt planbar. Daher werden ganz überwiegend Frauen in die Lage kommen, dass sich die Erziehungszeit nicht direkt an eine an sich berücksichtigungsfähige Zeit anschließt. Diese Problematik zeigt sich im hier zu entscheidenden Fall in paradigmatischer Weise. So dauerte das letzte befristete Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei dem Universitätsklinikum F. bis zum 31.08.2007; die Geburt des ersten Kindes erfolgte am 04.09.2007. Bereits dieser zeitliche Ablauf verdeutlicht, dass die Parteien des Arbeitsvertrages eine Fortdauer des Arbeitsverhältnisses bis direkt zum Geburtszeitpunkt beabsichtigt haben; diese Erwartung ist lediglich durch die Zufälligkeit des Geburtstermins nicht eingetreten. Keiner abschließenden Klärung bedarf in diesem Zusammenhang, ob die Klägerin - wie von ihrem Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung angedeutet - nur aufgrund der Inanspruchnahme von Erziehungszeit keinen weiteren Zeitvertrag an der Universität F. angeboten bekommen hat. |
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| 2.2.1.3 Die Vorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW ist der hier vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Eine Norm ist daher nur dann für verfassungswidrig zu erklären, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist diese geboten. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden. Die zur Vermeidung eines Nichtigkeitsausspruchs gefundene Interpretation muss daher eine nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein. Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich damit grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrecht zu erhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er erfordert mithin eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt. Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.09.2007 - 2 BvF 3/02 -, BVerfGE 119, 247; BVerwG, Urteil vom 21.04.2016 - 2 C 13.15 -, juris). Das Gebot verfassungskonformer Auslegung nicht eindeutiger Regelungen in diesem Sinne gilt auch für das Besoldungsrecht. Nach wie vor kommt dem Wortlaut der besoldungsrechtlichen Regelung gesteigerte Bedeutung für die Auslegung zu. Namentlich im Besoldungsrecht drückt sich der Wille des Gesetzgebers regelmäßig widerspruchsfrei in der Sprache des Gesetzes aus. Erst wenn die manifestierte Zielsetzung des Gesetzgebers und der Buchstabe des Gesetzes nicht in Übereinstimmung zu bringen sind und das Gericht bei rein grammatikalischer Interpretation von der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift ausgeht, ist der Weg einer verfassungskonformen Auslegung eröffnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.2005 - 2 C 44.04 -, BVerwGE 124, 227). |
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| Eine an den Maßstäben des nationalen Verfassungsrechts orientierte Gesetzesauslegung gebietet hier, die Vorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW dahingehend auszulegen, dass sie der Berücksichtigung von Kinderbetreuungszeiten auch dann nicht entgegensteht, wenn sie nicht in unmittelbarem Anschluss an berücksichtigungsfähige Zeiten abgeleistet werden. Der Wortlaut der Norm steht diesem Verständnis nicht entgegen, auch wenn er - wie oben unter 2.1. gezeigt - eher in die gegensätzliche Richtung weist. Auch zu dem verobjektivierten Willen des Gesetzgebers steht diese Auslegung nicht in Widerspruch. Die Begründung des Entwurfs des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts (Dienstrechtsreformgesetz - DRG -) vom 20.07.2010 (LT-Drs. 14/6694) lässt nicht erkennen, dass der Gesetzgeber die hier in Rede stehende Fallgestaltung vorhergesehen hat. Der Gesetzesbegründung lässt sich jedenfalls nichts für das vom Beklagten vorgeschlagene Normverständnis entnehmen. Die von der Kammer vorgenommene Auslegung steht demgegenüber mit den normübergreifenden Vorstellungen des Gesetzgebers in Einklang. So wird in der Gesetzesbegründung zu § 32 LBesGBW darauf hingewiesen, Sinn der Regelung sei es, bei der Stufenzuordnung zum einen förderliche Vordienstzeiten und zum anderen familien- und gesellschaftspolitisch erwünschte Zeiten in angemessenem Umfang zu berücksichtigen (LT-Drs. 14/6694, S. 466). Gerade die vom Gesetzgeber hervorgehobene familienpolitische Zielsetzung der Anrechnung von Erziehungszeiten spricht dafür, § 32 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW nicht zu eng auszulegen. Wie der vorliegende Fall exemplarisch zeigt, würden bei einem gegenteiligen Verständnis Zufälligkeiten darüber entscheiden, ob die vom Gesetzgeber grundsätzlich gewünschte, familienpolitisch motivierte Anrechnung von Betreuungszeiten im Einzelfall zum Tragen kommt. |
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| 2.2.2 Die von der Kammer vorgenommene Auslegung von § 31 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW ist auch aus unionsrechtlichen Erwägungen geboten. Nach Art. 157 Abs. 1 AEUV stellt jeder Mitgliedstaat die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher. Der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zufolge umfasst der Begriff des Entgelts in Sinne von Art. 157 Abs. 2 AEUV alle gegenwärtigen oder künftigen in bar oder in Sachleistung gewährten Vergütungen, vorausgesetzt, dass der Arbeitgeber sie dem Arbeitnehmer wenigstens mittelbar aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses gewährt (vgl. EuGH, Urteile vom 26.09.2013 - C-476/11 -, NVwZ 2013, 1401; und vom 21.01.2015 - C-529/13 -, NVwZ 2015, 798). Ausgehend hiervon ist nicht zweifelhaft, dass die Eingliederung in die Erfahrungsstufen entgeltrelevant im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist. Wie oben dargestellt, hängt von der Berücksichtigung der Erfahrungszeiten die Höhe des Entgelts des Beamten ab. Auch verbietet das europäische Unionsrecht - ebenso wie das nationale Verfassungsrecht - die mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.07.2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis bezeichnet der Ausdruck mittelbare Diskriminierung eine Situation, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich. |
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| Auch europäisches Unionsrecht gebietet daher das hier vertretene Normverständnis von § 31 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW, um eine mittelbare Diskriminierung von Frauen zu vermeiden. Insoweit kann auf die Ausführungen unter 2.2.1.2 verwiesen werden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat ein nationales Gericht bei der Prüfung, ob eine Vorschrift erheblich mehr Frauen als Männer betrifft, die Gesamtheit der Beschäftigten zu berücksichtigen, für die die nationale Regelung gilt. Dabei besteht die beste Methode zur Auswertung der Statistiken darin, die Gruppe der männlichen mit jener der weiblichen Arbeitskräfte darauf hin zu vergleichen, wie hoch in jeder Gruppe der Anteil der von der Ungleichbehandlung Betroffenen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 06.12.2007 - C-300/06 -, juris). Indes kann auch hier dem ersten Anschein nach von einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ausgegangen werden, wenn § 32 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW nicht wie von der Kammer vorgeschlagen ausgelegt würde. Zwar liegen der Kammer keine statistischen Daten bezogen auf die Beamten des Landes Baden-Württemberg vor, die von § 32 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW betroffen werden. Weitere Ermittlungen dahingehend waren hier jedoch nicht erfolgsversprechend und daher nicht geboten. Wie die Vertreterin des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, wird bei dem Landesamt bereits nicht statistisch erfasst, in welchem Verhältnis die Geschlechter Elternzeit in Anspruch nehmen. Erst recht sind bei dem Landesamt keine Erkenntnisse darüber vorhanden, in welchem Verhältnis sich die Vorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 3 LBesGBW auf Männer und Frauen jeweils auswirkt. Vielmehr hat die Sitzungsvertreterin des beklagten Landes darauf hingewiesen, dass ihr ein vergleichbarer Sachverhalt nicht bekannt ist. |
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| Des Weitern liegt hier keine Fallgestaltung vor, in der eine mittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes gerechtfertigt ist. Mittelbare Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts verstoßen dann nicht gegen Art. 157 AEUV, wenn die streitige Maßnahme durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (vgl. EuGH, Urteile vom 30.03.2000 - C-236/98 -, Slg. 2000, I-2189; und vom 22.11.2012 - C-385/11 -, juris Rdnr. 32). Das ist der Fall, wenn die gewählten Mittel einem legitimen Ziel dienen und zur Erreichung dieses Ziel geeignet und erforderlich sind (vgl. EuGH, Urteile vom 09.02.1999 - C-167/97 -, Slg. 1999, I-623; und vom 22.11.2012 - C-385/11 -, juris Rdnr. 32). Gemessen hieran ist kein objektiver Grund ersichtlich, der die bei dem Normverständnis des Beklagten eintretende mittelbare Diskriminierung rechtfertigen könnte. Wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert, sieht das beklagte Land die Rechtfertigung für das Erfordernis des direkten Anschlusses der Erziehungszeit an eine berücksichtigungsfähige Zeit darin, dass damit ein leicht handhabbares Kriterium für die Berücksichtigung von Erziehungszeiten eingeführt wird. Indes rechtfertigen Erwägungen der Praktikabilität des Verwaltungsvollzugs nicht eine mittelbare Diskriminierung. Dieses Normverständnis ist nicht erforderlich im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Erreichung des angestrebten Ziels. Auch in einer Fallgestaltung wie der hier vorliegenden, in der zwischen dem Beginn der Erziehungszeit und der berücksichtigungsfähigen Zeit eine geringfügige Lücke liegt, werden die vom Gesetzgeber mit der Anrechnung verfolgten Ziele erreicht. |
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| Nach alldem hat die Klage insoweit Erfolg, als die Klägerin eine Berücksichtigung der Erziehungszeit erstrebt. |
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