Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 14. März 2013 - 7 A 1430/08
Gericht
Tenor
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt.
Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu neun Zehnteln, der Beklagte zu einem Zehntel.
Das Urteil ist wegen der Kosten der streitigen Entscheidung zugunsten des Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von elf Zehnteln des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Die in A-Stadt geschäftsansässige Klägerin, eine Europäische Aktiengesellschaft, wendet sich noch gegen eine Versagung der Erlaubnis zur gewerblichen Vermittlung von Lottospielen über das Internet und erstrebt in diesem Zusammenhang gerichtliche Feststellungen zu ihren gegenwärtigen und früheren Handlungsbefugnissen.
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Sie ist entstanden durch die Mitte 2009 zusammen mit der Annahme der neuen Rechtsform beschlossene Verschmelzung der österreichischen Fa. B. AG, D-Stadt, auf die börsennotierte Aktiengesellschaft in Fa. A. AG mit Sitz in A-Stadt. 2001 war sie als diese ins Handelsregister eingetragen worden.
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Das von der Klägerin ausgeübte Gewerbe wurde nach klägerischen Angaben 1999 aufgenommen. Zu Verfahrensbeginn bestand es in der Entgegennahme von Spielaufträgen und -einsätzen und in deren vertraglich geregelter Weiterübermittlung an staatliche Lotterieveranstalter gegen von diesen gezahlte Provisionen, insbesondere an die Lottogesellschaften von neun Bundesländern, zu denen Mecklenburg-Vorpommern nicht zählte. Die geschäftliche Kommunikation erfolgte schließlich nur noch über das Internet und von den staatlichen Vertragspartnern bereitgestellte elektronische Schnittstellen. In einer beim Beklagten eingereichten A-Städter Gewerbeanmeldung vom 16. März 2005 wurde für den Beginn der „Abwicklung staatlich lizenzierter Lotterien und Glücksspiele, u. a. über das Internet, soweit diese Tätigkeit keiner behördlichen Erlaubnis bedarf“, durch die Klägerin der 7. März 2005 angegeben. Insoweit arbeitete die Klägerin, bis Ende 2008, mit ihrer Tochtergesellschaft in Fa. G. GmbH zusammen. Spielteilnehmer und Lotterieveranstalter schlossen Spielverträge über die Klägerin. Diese wurde nicht Vertragspartei, erhob aber die für Spielteilnahme und Zahlungsverkehr notwendigen Daten bei den Spielteilnehmern und leitete diesen per E-Mail Einsatzquittungen sowie über E-Mail und SMS Gewinnbenachrichtigungen zu; die Gewinne überwies ein Treuhänder auf die Konten der Spieler. Die Kosten für die Spieler wurden denen in niedersächsischen Lottoannahmestellen angeglichen. Vermittelt wurden Spiele des Deutschen Lotto- und Totoblocks, der Norddeutschen und Süddeutschen Klassenlotterien und der ARD-Fernsehlotterie. Die Klägerin war nach ihren Angaben zu Verfahrensbeginn deutsche Marktführerin bei der Lottovermittlung über das Internet und beschäftigte rund 180 Mitarbeiter. Gegen ein von den Spielteilnehmern zu leistendes Entgelt vermittelte die Klägerin jene auch in Tippgemeinschaften. Über Tochtergesellschaften war sie auch im europäischen Ausland tätig. Bei ihr selbst waren nach ihren Angaben für die Vermittlung deutscher Lottospiele zahlreiche Personen im europäischen Ausland registriert, v. a. Deutschsprachige etwa aus Brüssel, Luxemburg und Palma de Mallorca.
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Nach ihrem Vorbringen stellte die Klägerin bis November 2007 wegen der bevorstehenden Inkraftsetzung des Glücksspielstaatsvertrags – GlüStV – vom 30. Januar 2007 (a. F.) bei allen zuständigen Landesverwaltungen Anträge auf die nach § 25 Abs. 6 GlüStV a. F. mögliche, bis ein Jahr nach Inkrafttreten des GlüStV befristete Erlaubnis der Vermittlung von Lotterien im Internet. Dies tat sie auch am 3. Dezember 2007 beim Beklagten unter Bezugnahme auf den damaligen § 18 des Glücksspielstaatsvertragsausführungsgesetzes vom 14. Dezember 2007 – GlüStVAG M-V – (GVOBl. M-V S. 386). Im Antragsverfahren brachte die Klägerin vor: Sie wolle ihre Internet-Vermittlungstätigkeit u. a. für 190.000 registrierte Kunden für das Übergangsjahr im bisherigen Umfange fortführen; insoweit führte sie auch neben den oben genannten die Vermittlung von Rubbellosen, KENO, ODDSET-Kombiwetten und -Topwetten an; den Vertrieb von KENO stellte sie im April 2008 ein. Einer allgemeinen Genehmigung nach § 4 Abs. 1 GlüStV bedürfe sie als vor Inkrafttreten des GlüStV tätige Vermittlerin nicht. Die Vorschriften des GlüStV verletzten das Übermaßverbot. Sie trug nach § 18 Satz 2 GlüStVAG M-V zum Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen vor, wobei der Beklagte, etwa mit Schreiben vom 20. Dezember 2007, auf die fehlende Genehmigungsfähigkeit der Vermittlung „gefährlicher“ Glücksspiele hinwies und teilweise Antragsunterlagen oder Erläuterungen nachforderte.
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Am 27. Dezember 2007 bzw. 2. Januar 2008 erteilten der Klägerin die zuständigen Stellen in E-Land und A-Stadt Übergangserlaubnisse für das Jahr 2008, bezogen auf näher spezifizierte Internet-Vermittlungstätigkeit „in E-Land“ bzw. „in A-Stadt“.
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Mit Bescheid vom 29. Oktober 2008 lehnte dagegen der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Erlaubnis für das Jahr 2008 zur gewerblichen Vermittlung der antragsgegenständlichen Glücksspielveranstaltungen nach § 25 Abs. 6 GlüStV a. F. ab. Die Klägerin stelle den Ausschluss minderjähriger Spielteilnehmer nicht im Sinne von § 25 Abs. 6 Nr. 1 GlüStV a. F. sicher. Sie vermittle auch Spielaufträge an Veranstalter ohne Veranstaltungserlaubnis für Mecklenburg-Vorpommern und weise keine Vermittlung an die Fa. Verwaltungsgesellschaft Lotto und Toto in Mecklenburg-Vorpommern mbH nach; daher liege der Versagungsgrund nach § 4 Abs. 2 Satz 2 und § 9 Abs. 4 Satz 1 GlüStV in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStVAG M-V vor. Zudem seien die Werbebeschränkungen des § 5 GlüStV nicht hinreichend sichergestellt. Die Verfassungsbeschwerde der Klägerin gegen § 4 Abs. 1, 2 und 4, § 5 Abs. 1 bis 4, § 9 Abs. 4 und § 25 Abs. 6 GlüStV a. F. sowie gegen niedersächsische und Berliner Durchführungsgesetze hatte zuvor das Bundesverfassungsgericht – BVerfG – mit Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 928/08 – (Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – NVwZ – 2008, S. 1338 ff.) nicht zur Entscheidung angenommen.
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Am 28. November 2008 hat die Klägerin, noch als A. AG, beim erkennenden Gericht Klage erhoben. Mit der Rüge der Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit einer abweichenden Betrachtungsweise, die auch einseitig die staatlichen Lotterieveranstalter und deren Akquisebestrebungen begünstige, wendet sie sich in erster Linie gegen die Anwendbarkeit diverser Vorschriften des GlüStV und des GlüStVAG M-V auf ihre ursprüngliche Geschäftstätigkeit und hat die klarstellende Beseitigung des ergangenen Ablehnungsbescheids erstrebt. In der Klageschrift hat sie Anträge dahingehend angekündigt,
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1. den Bescheid des Beklagten vom 29. Oktober 2008 – Az.: II 230e-1493.6.1.1/2 – aufzuheben und
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2. festzustellen, dass die Klägerin im Land Mecklenburg-Vorpommern in der bislang von ihr ausgeübten Weise als Vermittlerin von staatlichen Lotterieprodukten im Internet tätig sein darf, insbesondere festzustellen,
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a. dass die Klägerin mit Bezug auf das Land Mecklenburg- Vorpommern berechtigt ist, auch ohne eine Erlaubnis des Beklagten gem. § 4 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 5 GlüStVAG M-V in Deutschland zugelassene Lotterien und Glücksspiele (etwa von Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks und der Klassenlotterien) zu vermitteln,
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b. dass die Klägerin hierbei mit Bezug auf das Land Mecklenburg-Vorpommern entgegen § 4 Abs. 4 GlüStV auch über das Internet Lotterien vermitteln darf,
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c. dass die Klägerin hierbei mit Bezug auf das Land Mecklenburg-Vorpommern berechtigt ist, entgegen § 4 Abs. 1, § 9 Abs. 4, § 4 Abs. 4 GlüStV i. V. m. § 3 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 2, § 21 Abs. 1 Nr. 1 GlüStVAG M-V auch an Personen mit Aufenthalt außerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern und auch für Personen mit Aufenthalt im Land Mecklenburg-Vorpommern an Lotterieveranstalter anderer Länder zu vermitteln,
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d. dass die Klägerin entgegen § 5 Abs. 3 GlüStV für ihre Tätigkeit auch im Internet werben darf,
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e. dass die Klägerin entgegen § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV mit Werbemaßnahmen auch gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern darf,
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f. dass die Klägern entgegen § 9 Abs. 3 GlüStVAG M-V für die Vermittlung auch finanzielle Vergünstigungen (Provisionszahlungen) seitens der Lotteriegesellschaften erhalten darf,
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g. dass die Klägerin auch im Jahre 2008 für die Internetvermittlung im Land Mecklenburg-Vorpommern keiner Erlaubnis bedarf und
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h. dass [sie] die Beschränkungen für die übergangsweise Betätigung als gewerblicher Internet-Lottovermittler gem. § 25 Abs. 6 GlüStV für das Jahr 2008 nicht beachten muss,
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insbesondere keine Altersverifikation durch Identifizierung und Authentifizierung nach den „Richtlinien der KJM für geschlossene Benutzergruppen“ durchführen muss, auch staatlich zugelassene Lotterien mit mehr als zwei Gewinnentscheiden pro Woche vermitteln darf, keine Lokalisierung des Spielers im Internet vornehmen muss und kein Sozialkonzept entwickeln und einsetzen muss.
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3. hilfsweise zu 2 h) den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 29. Oktober 2008 zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Erlaubnis nach § 25 Abs. 6 GlüStV zu erteilen.
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Die Klägerin beantragte ferner mit beim Beklagten am 22. September 2008 eingegangenem Schreiben vom 19. September 2008 unter Darlegung ihrer Vertriebspraktiken eine allgemeine Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 und 2 GlüStV zur gewerblichen Vermittlung der Lotterien Lotto 6 aus 49 mit Zusatzlotterien, Spiel77, Super6, Glücksspirale, ARD-Fernsehlotterie, Norddeutsche und Süddeutsche Klassenlotterie an die Lottogesellschaften bzw. -veranstalter der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Saarland, ferner die Erlaubnis zur Vermittlung von ODDSET-Sportwetten, KENO und Rubbellosen, soweit von den genannten Veranstaltern angeboten, schließlich die Vermittlungserlaubnis für das geplante Euro- und Extralotto, sofern die Verwaltungsgesellschaft Lotto und Toto in Mecklenburg-Vorpommern mbH dafür die Veranstaltererlaubnis erhalte. Am 29. Dezember 2008 hat sie diesen Antrag auf weitere vom letztgenannten Veranstalter angebotene Spiele erstreckt und auch beantragt, dass ein — näher erläuterter — „SMS-Vertrieb“ erlaubt werden solle, ferner für Einzelkunden ein Vertrieb per Brief, schließlich die Weiterbetreuung von bis zum Jahresende 2008 eingereichten „Dauerscheinen“; dafür sollten die Produkte ODDSET und KENO entfallen.
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Zum 1. Januar 2009 hat sie ihre Internet-Vertriebstätigkeit, deutsche Lotterien betreffend, vorsorglich eingestellt und mit der Wahrnehmung des Geschäftsbereichs die britische Fa. A. S. Ltd., Tochter der britischen Tochterfirma H. Ltd., betraut, der auch die notwendigen Vermögensgegenstände übertragen worden seien (mit der rechtlich gesicherten Möglichkeit des Rückerwerbs). Das erfolglose Antragsverfahren der Fa. A. S. Ltd. beim Beklagten auf Genehmigung des Internetvertriebs deutscher Lotterien ist Gegenstand der noch 2009 zurückgenommenen Klage 7 A 780/09 gewesen.
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Zuvor hat der Beklagte — nach vorheriger Anhörung der Klägerin unter dem 13. Februar 2009 und einer klägerischen Äußerung vom 12. März 2009, die auf Werbetätigkeit der staatlichen Lotterieveranstalter hinwies — mit dem angegriffenen Bescheid vom 24. März 2009 die Anträge vom 22. September/29. Dezember 2008 abgelehnt. Der Vermittlung über das Internet stehe § 4 Abs. 4 GlüStV entgegen. Der Vertrieb über das Internet werfe Fragen des Ausschlusses der Teilnahme Minderjähriger sowie der Vereinbarkeit mit den Zielen des GlüStV (§ 1) auf, die vom Fachbeirat nach § 9 Abs. 5 Satz 2 GlüStV zu klären wären; allerdings sei das von der Klägerin vorgestellte Konzept als bloß SMS-unterstützter Internetvertrieb zu qualifizieren und stelle nach deren eigener Einschätzung keinen wirtschaftlich selbständig tragfähigen Vertriebsweg dar, was die Gefahr betrügerischer Machenschaften zum Verhindern einer Insolvenz in sich berge. Die beantragte Vermittlung an Veranstalter anderer Bundesländer komme nicht in Betracht, da deren Veranstaltungen in Mecklenburg-Vorpommern kein erlaubtes Glücksspiel darstellten. Eine Vermittlung an die Verwaltungsgesellschaft Lotto und Toto in Mecklenburg-Vorpommern mbH schließlich komme nicht in Betracht, denn es dürften keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, es fehle an der erforderlichen Zuverlässigkeit der Spielevermittlerin oder es werde den Anforderungen des Jugendschutzes oder der Werbebeschränkungen des GlüStV nicht hinreichend nachgekommen; die Klägerin habe jedoch trotz behördlichen Hinweisen kontinuierlich gegen § 5 Abs. 3 GlüStV verstoßen, der seit dem 1. Januar 2008 jegliche Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet verbiete.
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Am 27. April 2009 hat darauf die Klägerin, noch als A. AG, die ursprünglich unter dem Aktenzeichen 7 A 670/09 anhängige weitere Klage erhoben. Sie ist weiterhin der Meinung, einer Erlaubnis des Beklagten von Rechts wegen nicht zu bedürfen, weswegen zur Klarstellung die Versagung aufzuheben sei, oder dass sie hilfsweise mit den Unterstützergesellschaften der staatlichen Lotterieveranstalter gleich zu behandeln sei, zumal die vom Beklagten angeführten Versagungsgründe rechtswidrig seien, und hat in der Klageschrift angekündigt, zu beantragen,
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1. den Bescheid des Beklagten vom 24. März 2009 – Geschäftszeichen II 260-1493.6.1/5-2009 – aufzuheben und
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2. hilfsweise zu 1., den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 24. März 2009 – Geschäftszeichen II 260-1493. 6.1/5-2009 –, zu verpflichten, die beantragte Erlaubnis zu erteilen.
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Der Beklagte ist beiden Klagen entgegengetreten.
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Nach Inkraftsetzung des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags mit dem in Art. 1 neu gefassten GlüStV (n. F.) und der begleitenden Änderung des Landes-Glücksspielrechts zum 1. Juli 2012 hat die Klägerin im Hinblick auf den Zeitablauf und die veränderte Rechtslage mit am Folgetag eingegangenem Schriftsatz vom 5. März 2009, auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, ihre Anträge im Verfahren 7 A 670/09 modifiziert.
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In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten übereinstimmend (wie die Klägerin z. T. bereits schriftsätzlich am 18. August 2009 und 6. März 2013) den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt hinsichtlich der im Verfahren 7 A 1430/08 in der Klageschrift unter Punkten 1 und 3 angesprochenen Versagungsentscheidung vom 29. Oktober 2008 sowie hinsichtlich der dort unter Punkt 2 Buchst. f. und h. formulierten Antragsbegehren. Die beiden Klageverfahren sind miteinander zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden, und die Klägerin beantragt nunmehr noch,
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1. unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 24. März 2009 zum Geschäftszeichen II 260-1493.6.1/5-2009
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festzustellen, dass die Klägerin vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2012 und auch gegenwärtig im Land Mecklenburg-Vorpommern in der bis zum Jahr 2007 von ihr ausgeübten Weise als Vermittlerin von staatlichen Lotterieprodukten im Internet tätig sein durfte und darf, insbesondere
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a. mit Bezug auf das Land Mecklenburg-Vorpommern berechtigt war und ist, auch ohne eine Erlaubnis des Beklagten gem. § 4 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 5 GlüStVAG M-V oder gem. § 4 Abs. 1 GlüStV n. F. i. V. m. § 5 GlüStVAG M-V bzw. § 4 Abs. 5 GlüStV n. F. in Deutschland zugelassene Lotterien und Glücksspiele (etwa von Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks und der Klassenlotterien) zu vermitteln,
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b. hierbei mit Bezug auf das Land Mecklenburg-Vorpommern entgegen § 4 Abs. 4 GlüStV und § 4 Abs. 4 GlüStV n. F. auch über das Internet Lotterien vermitteln durfte und darf,
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c. dass die Klägerin hierbei mit Bezug auf das Land Mecklenburg-Vorpommern berechtigt war und ist, entgegen § 4 Abs. 1, § 9 Abs. 4, § 4 Abs. 4 GlüStV i. V. m. § 3 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 2, § 21 Abs. 1 Nr. 1 GlüStVAG M-V und § 4 Abs. 1, § 9 Abs. 4, § 3 Abs. 4 GlüStV n. F. i. V. m. § 5 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 GlüStVAG M-V auch an Personen mit Aufenthalt außerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern und auch für Personen mit Aufenthalt im Land Mecklenburg-Vorpommern an Lotterieveranstalter anderer Länder zu vermitteln,
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d. dass die Klägerin entgegen § 5 Abs. 3 GlüStV und § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV n. F. für ihre Tätigkeit auch im Internet werben durfte und darf,
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e. dass die Klägerin entgegen § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV mit Werbemaßnahmen auch gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern durfte und darf,
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f. dass die Klägerin auch im Jahre 2008 für die Internetvermittlung im Land Mecklenburg-Vorpommern keiner Erlaubnis bedurfte,
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hilfsweise
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den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die unter dem 19. September 2008 beantragte Erlaubnis für Mecklenburg-Vorpommern zu erteilen,
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2. festzustellen, dass
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a. der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 24. März 2009 bereits bei seinem Erlass bis zum 30. Juni 2012 rechtswidrig war,
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b. dass der Beklagte bereits nach der vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2012 geltenden Rechtslage verpflichtet gewesen ist, der Klägerin die mit Schreiben vom 19. September 2008 beantragte Erlaubnis zur Lotterievermittlung zu erteilen, Letzteres hilfsweise zum Hauptantrag zu 1.
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Der Beklagte beantragt insoweit
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Klageabweisung
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und verteidigt seine Entscheidungen.
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Ein Tochterunternehmen der Klägerin, die ursprüngliche Fa. A. D. GmbH, ist wegen der die Klägerin bedrückenden rechtlichen Unsicherheiten im Rahmen eines „Spin-Off“ zur Fa. R. AG umgewandelt worden und hat die für den Deutschland betreffenden Geschäftsbereich notwendigen Rechtspositionen übertragen erhalten. Sie ist jetzt von der Klägerin unabhängig. Nach Angaben der Klägerin wird diese nicht von der durch die Fa. R AG erwirkten „gebündelten Erlaubnis“ zur gewerblichen Spielevermittlung nach § 19 Abs. 2 GlüStV n. F. profitieren; sie, Klägerin, habe zwar in Niedersachsen ebenfalls eine solche beantragt, verfolge mit der Klage jedoch die mit dem beim Beklagten gestellten Antrag eingenommene Verfahrensposition weiter.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, auf die in den beiden ursprünglichen Verfahren 7 A 1430/08 und 7 A 670/09 gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (jeweils ein Ordner) sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten 7 A 780/09 nebst hierzu vorgelegten Verwaltungsvorgängen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Soweit die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – das Verfahren einzustellen.
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Die Klage im Übrigen ist überwiegend zulässig, insoweit jedoch unbegründet und daher — ebenso wie mit einem unzulässigen Hilfsantrag — abzuweisen.
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Der zulässigerweise angegriffene Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 24. März 2009 ist und war rechtmäßig und verletzt daher die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht deshalb weder der (im Hauptantrag zu 1.) geltend gemachte Anspruch auf die Aufhebung des Bescheids nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu, noch kann dem (im Hauptantrag zu 2. Buchst. a.) formulierten (Fortsetzungs-)Feststellungsbegehren zu seiner Rechtswidrigkeit im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 stattgegeben werden. Da ferner die Klägerin die (unter Buchst. a. bis f. des Hauptantrags zu 1. bezeichnete) erstrebte Geschäftstätigkeit nicht, jedenfalls nicht ohne eine — hier zu Recht versagte — Genehmigung ausüben durfte und darf, kann das Gericht auch nicht nach § 43 Abs. 1 VwGO die auch im Verhältnis zum Beklagten zulässigerweise mit dem Hauptantrag zu 1. begehrte Feststellung aussprechen. Den beiden Hilfsanträgen zum Hauptantrag zu 1. kann ebenfalls nicht stattgegeben werden — dem zu 2. Buchst. b. formulierten Feststellungsbegehren mangels dessen Begründetheit wegen der durchweg zu Recht verfügten bzw. aufrecht erhaltenen Genehmigungsversagung, dem im Klageantrag zu 1. formulierten Hilfs-Verpflichtungsbegehren auf Genehmigungserteilung dagegen bereits wegen dessen Unzulässigkeit, denn eine Befassung der nunmehr zuständigen Genehmigungsbehörde, bei der es sich nicht um den Beklagten handelt, mit einem Genehmigungsantrag ist nicht erkennbar.
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Entgegen klägerischer Auffassung bedurfte und bedarf die von der Klägerin beabsichtigte Geschäftstätigkeit einer zu beantragenden — und hier anfangs auch beantragten — behördlichen Genehmigung. Bereits mangels jedweder erteilter Genehmigung war und ist die Klägerin daher zur Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit in Mecklenburg-Vorpommern nicht befugt. Eine Genehmigung konnte und kann ihr überdies nicht unter allen, insbesondere nicht unter den hier klageweise geltend gemachten Gesichtspunkten erteilt werden. Dies gilt sowohl für das Rechtsregime des ursprünglichen GlüStV (a. F.), der nach § 29 Abs. 1 Satz 1 GlüStV a. F. und Art. 1 und Art. 2 Abs. 3 des Glücksspielstaatsvertragsgesetzes vom 14. Dezember 2007 (GVOBl. M-V S. 378) in Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Januar 2008 bis 30. Juni 2012 wirksam war, als auch für das nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags in Verbindung mit Art. 1 des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertragsgesetzes (GVOBl. M-V S. 215) folgende des neuen GlüStV (n. F.), des Artikels 1 des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags.
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Denn die Klägerin verfolgt mit der Klage das Anliegen, sich als gewerbliche Spielvermittlerin im Sinne des unverändert geltenden § 3 Abs. 6 GlüStV zu betätigen, wofür nach § 4 Abs. 1 GlüStV eine Erlaubnis der zuständigen Behörde, ursprünglich des jeweiligen Bundeslandes, erforderlich war und ist; eine Ausnahme bestand gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 GlüStV a. F. bis zum Ende des Jahres 2008 hinsichtlich einer solchen Betätigung mit Vertriebs- und Kommunikationswegen allein außerhalb des Internets, die seinerzeit nicht im klageweise weiterverfolgten klägerischen Interesse lag.
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Die Notwendigkeit einer Genehmigung wird durch die klägerische Argumentation, dass die von ihr zuvor ohne Genehmigung ausgeübte Geschäftstätigkeit mit Inkraftsetzung des GlüStV in verfassungswidriger Weise erstmals einem Genehmigungsvorbehalt unterworfen worden sei, nicht in Frage gestellt.
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Tatsächlich wurde, soweit erkennbar, die nur der behördlichen Aufsicht nach Maßgabe von § 14 des Staatsvertrags über das Lotteriewesen (eingeführt mit Gesetz vom 24. Juni 2004 (GVOBl. M-V S. 258) unterliegende Tätigkeit des gewerblichen Spielvermittlers mit § 4 Abs. 1 GlüStV (und den ihn wiederholenden § 5 Abs. 1 Satz 1 GlüStVAG M-V) im Lande erstmals einer landesrechtlichen Genehmigungspflicht unterworfen (wovon länderübergreifend auch die vertragschließenden Parteien des GlüStV ausgingen, vgl. die Erläuterungen hierzu bei dem Regierungsentwurf des Zustimmungsgesetzes, Landtags-Drucksache – LTDrS – 5/648, S. 38); denn die Durchführungsverordnung zum DDR-Gewerbegesetz vom 8. Mai 1990 (GBl. I S. 140) galt nach dem Beitritt zum Bundesgebiet im Lande nicht fort, und die DDR-Verordnung über das öffentliche Sammlungs- und Lotteriewesen vom 18. Februar 1965 (GBl. II S. 238, geändert durch Verordnung vom 23. August 1990, GBl. I S. 1261) wurde zwar mit Gesetz vom 23. April 2001 (GVOBl. M-V S. 93) als hiesiges Landesrecht bestätigt und erst durch § 15 Abs. 3 des Lotteriegesetzes vom 24. Oktober 2001 (GVOBl. M-V S. 401) und § 23 Abs. 2 GlüStVAG M-V aufgehoben, bezog sich aber gemäß ihrer Definition der „öffentlichen Lotterien“ in § 2 nicht auf die von der Klägerin zu vermittelnden Spiele.
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Die privatunternehmerische gewerbliche Tätigkeit in der von der Klägerin betriebenen Art wurde auch nicht erst mit der Einführung einer zuvor im Lande nicht von Gesetzes wegen gegebenen Genehmigungsfähigkeit aus dem Anwendungsbereich des strafrechtlichen Verbots in § 287 des Strafgesetzbuches herausgenommen, dessen objektiven Tatbestand („Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentliche Lotterien […] veranstaltet, namentlich den Abschluss von Spielverträgen für eine öffentliche Lotterie oder Ausspielung anbietet oder auf den Abschluss solcher Spielverträge gerichtete Angebote annimmt“/„Wer für öffentliche Lotterien oder Ausspielungen […] wirbt“) sie erfüllt haben dürfte; die Strafvorschrift bezweckte nämlich die Bekämpfung der Vermittlungs- und Werbetätigkeit allein „im Vorfeld“ illegal veranstalteter Lotterien (vgl. den Beschluss des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 9. März 1999 – KVR 20/97 –, NJW-RechtsprechungsReport 1999, S. 1266 [1267]; s. allerdings auch noch etwa die Nachweise im Beschluss des BVerfG vom 30. November 2010 – 1 BvL 3/07 –, juris Rdnr. 55, zu einer umstrittenen Strafbarkeit der ungenehmigten gewerblichen Spielevermittlung sogar im Zusammenhang mit staatlich veranstalteten Lotterien).
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Gleichwohl verstieße die Einführung einer Genehmigungspflicht, auch im Hinblick auf den im Jahr 2007 bereits eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin, nicht gegen höherrangiges Recht. Dabei ist es unerheblich, dass die Klägerin seinerzeit ohnehin allenfalls in Mecklenburg-Vorpommern aufhältige Spielteilnehmer an Lotterieveranstalter in anderen Bundesländern vermittelte, da Kooperationen mit im Lande zugelassenen Veranstaltern nach klägerischen Angaben nicht bestanden.
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Die Klägerin kann sich zunächst angesichts von § 6 Abs. 2 Satz 2 der Gewerbeordnung – GewO – nicht auf deren § 1, insbes. Abs. 2, berufen; der Bund überließ das Wirtschaftsverwaltungsrecht im Bereich des Glücksspielwesens nämlich weitestgehend einer landesrechtlichen Regelung und legte eine lediglich punktuelle Anwendbarkeit der GewO, etwa in deren § 14 Abs. 2, fest (s. die Urteile des BVerfG vom 28. März 2006 – 1 BvR 1054/01 –, amtliche Sammlung BVerfGE Bd. 115, S. 276 [304], und des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 21. Juni 2006 – 6 C 19.06 –, amtliche Sammlung BVerwGE Bd. 126, S. 149 [153 f.]; ausführlich hierzu, bezogen auf die Klägerin, auch das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – VGSaar – vom 19. Januar 2012 – 6 K 521/10 –, juris Rdnr. 63 ff.).
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Den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Erfassung auch bereits bestehender gewerblicher Unternehmen mit einer neu eingeführten Genehmigungspflicht war mit der Übergangsregelung für das Jahr 2008 noch hinreichend Genüge getan, die unter den in § 25 Abs. 6 GlüStV a. F. genannten Voraussetzungen eine gewerbliche Betätigung als Glücksspielvermittler vorübergehend sogar auch noch im — sonst verbotenen — Internet ermöglichen sollte, ausdrücklich auch der Klägerin (LTDrS 5/648, S. 52). Deren verfassungsrechtliche Bedenken teilt die Kammer nicht (ebenso VGSaar, a. a. O., Rdnr. 75 ff.).
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Denn die Einführung eines präventiven Erlaubnisvorbehalts auch für die Glücksspielvermittlung war durch hinreichend gewichtige Gemeinwohlbelange gerechtfertigt, zu deren Wahrung erforderlich und auch angemessen. Bei diesen Belangen handelt es sich um die in § 1 GlüStV a. F. aufgeführten und hinreichend klar definierten Ziele der Bekämpfung der Glücksspielsucht, um die Begrenzung und Kanalisierung des Glücksspielangebots, um die Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes und um die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Spielbetriebs einschließlich des Schutzes vor betrügerischen Machenschaften und der Abwehr der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität. Diese Belange von überragender Bedeutung rechtfertigen auch die Einführung einer vorgängigen aufsichtsbehördlichen Kontrolle der zugelassenen Marktteilnehmer, unabhängig von der Frage, ob diese die Spielverträge selbst als eigene vertreiben oder lediglich als fremde vermitteln; ein relevanter Unterschied der Gefahrenpotentiale ist insoweit nicht ersichtlich. Der von der Klägerin gerügte ausdrückliche Ausschluss eines Anspruchs auf die Erlaubnis (§ 4 Abs. 2 Satz 3 GlüStV) ist letztlich nicht zu beanstanden, denn das Ermessen der Erlaubnisbehörde ist vor dem Hintergrund der Grundrechtsrelevanz der Erlaubnis unter rein ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten auszuüben und die Vorschrift erforderlichenfalls im Sinne einer allein an den präventiven Zielen des Erlaubnisvorbehalts orientierten Ermessensreduktion verfassungskonform auszulegen (so Verwaltungsgericht Wiesbaden, Urteil vom 17. Februar 2011 – 5 K 1328/09.WI –, juris Rdnr. 72 f., s. auch VGSaar, a. a. O., Rdnr. 88 f., und LTDrS 5/648, S. 39).
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Es ist gleichfalls bedenkenfrei, dass nach § 9 Abs. 4 in Verbindung mit § 3 Abs. 4 GlüStV grundsätzlich eine Spielevermittlung nur hinsichtlich im jeweiligen Bundesland der Erlaubnis erlaubt veranstalteter Glücksspiele erlaubt werden kann, indem die staatsvertraglichen Begriffe der (jeweils erlaubnisbedürftigen) „Veranstaltung“ und der „Vermittlung“ einheitlich auf den Ort abstellen, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Spielteilnahme eröffnet wird. Denn diese Regelung des GlüStV fördert in besonderer Weise die wünschenswerte Kanalisierung und Überschaubarkeit des Glücksspielgeschehens und bildet zudem die territoriale Beschränkung der der hoheitlichen Regelung durch Behörden der einzelnen Bundesländer zugänglichen Sachverhalte ab (vgl. etwa den klägerseits in der Sache zu Unrecht kritisierten Beschluss des BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NVwZ 2008, S. 1338 [1342 f.]). Im Übrigen wurde dieses Prinzip im Lande abgemildert durch die aufgrund des ursprünglichen § 20 Satz 1 Nr. 7 GlüStVAG M-V erlassene Glücksspielanerkennungsverordnung vom 5. November 2008 (GVOBl. M-V S. 434), betreffend die Möglichkeit einer Vermittlung der seinerzeit nur außerhalb des Landes veranstalteten Süddeutschen Klassenlotterie. Die übrigen von der Klägerin vermittelten und noch antragsgegenständlichen Spiele waren und sind auch mit im Lande zugelassenen Veranstaltern vertreten. Die von der Klägerin für unzumutbar gehaltenen praktischen Schwierigkeiten bei der Beantragung und Einholung der notwendigen Erlaubnisse beruhten und beruhen im Wesentlichen auf ihrem Geschäftsmodell, das eine bundesweite Tätigkeit und die geschäftliche Kommunikation — oder jedenfalls deren Einleitung — über das Internet vorsieht; maßgeblich hieraus resultieren die Notwendigkeiten sowohl einer bundesweit auf Landesebene zu erwirkenden Zulassung als auch besonderer und aufwendiger technischer Vorkehrungen für die zulassungskonforme Abwicklung der Vermittlungsgeschäfte unter Wahrung des Regionalprinzips.
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Dies steht einer Wirksamkeit der diesbezüglichen Bestimmungen indessen nicht entgegen. Denn die von der Klägerin beabsichtigte internetbasierte Vermittlertätigkeit widerspricht in zentralen Punkten den allgemeinen glücksspielrechtlichen Vorgaben des GlüStV, die unabhängig von rechtlichen Problematiken und etwaigen Fragwürdigkeiten des staatlichen Glücksspielmonopols (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV a. F., § 10 Abs. 2, 3 und 6 GlüStV n. F.) Bestand haben können und müssen.
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So ist das Verbot der Vermittlung von Glücksspielen über das Internet wirksam und gilt auch für die Klägerin; beides traf auch während der gesamten Zeit zwischen der Anfechtung der Versagungsentscheidung und der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung, darüber hinaus auch seit Jahresbeginn 2008 und damit ebenso für die im (Hilfs-)antrag zu 2. Buchst. b bezeichnete Zeitspanne zu. Das Verbot ergab und ergibt sich aus dem bei seiner Erneuerung durch den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag vom 15. Dezember 2011 unverändert gebliebenen § 4 Abs. 4 GlüStV.
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Die Kammer hält an ihrer in Übereinstimmung mit obersten Bundesgerichten gewonnenen und im Urteil vom 10. Mai 2012 – 7 A 519/07 – (juris Rdnr. 28 ff.) niedergelegten Auffassung fest, dass die in § 4 Abs. 4 GlüStV getroffene Regelung weder gegen deutsches Verfassungsrecht noch gegen einen Anwendungsvorrang beanspruchendes europäisches Recht verstößt, und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des genannten Urteils und die dort zitierte Rechtsprechung insbesondere von BGH und BVerwG Bezug. Hervorzuheben ist, dass diese Wertung maßgeblich auch darauf beruht, dass das Internetverbot als effektive, weil strikte und spartenübergreifende Beschränkung des Glücksspielvertriebs, die unterschiedslos für alle auf dem Glücksspielmarkt Tätigen gilt, grundsätzlich keinen Bedenken unter den Gesichtspunkten des Gleichheitsgebots begegnet, insbesondere des, auch europarechtlichen, Gebots einer zielorientierten Kohärenz marktbeschränkender Maßnahmen, die im anerkennenswerten ordnungspolitischen Interesse eingeführt werden.
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Diese Beurteilung trifft auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des klägerischen Geschäftsfelds zu. Die Gefahren der (aus dem vorgerichtlichen Erlaubnisantrag herausgenommenen) Spiele KENO und ODDSET legitimierten mit ihren suchtfördernden Anreizen die Beschränkung ohne weiteres. Nicht anders verhält es sich aber auch mit der Gewerbstätigkeit, die sonst auf die Vermittlung der Spielteilnahme an staatlichen Lotterien mit bis zu zwei wöchentlichen Ziehungen beschränkt ist. Auch insoweit hat das umfassende Internetvertriebsverbot Bestand; die klägerischen Argumente zu der im Vergleich zu Sportwetten und anderen Spielen geringeren Suchtgefährlichkeit dieser Spiele ziehen die Wirksamkeit der staatsvertraglichen Vorschrift nicht in Zweifel. Denn bei der Beurteilung dieser Frage zu prüfen ist lediglich die Frage, ob trotz seinem weiten Beurteilungsspielraum der Gesetzgeber unter Gleichheitsgesichtspunkten gehalten war, den für die Klägerin bedeutsamen Bereich der Gewerbstätigkeit aus der grundsätzlich gerechtfertigten restriktiven Vorschrift auszunehmen. Dafür müsste die Verschiedenheit der durch den Gesetzgeber gleich geregelten Fälle so bedeutsam sein, dass ihre Gleichbehandlung bei an einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise offensichtlich fehlsam erschiene. Dies trifft jedoch nicht zu, wie zur Problematik der Klägerin bereits der Beschluss des BVerfG vom 14. Oktober 2008, a. a. O. S. 1340, ausführte (insoweit bestätigt durch den zwischenzeitlich in der Europäischen Grundrechte-Zeitschrift 2013, S. 274 ff., veröffentlichten Beschluss der Fünften Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 27. November 2012 – 21252/09 –, Rdnr. 33, 35). Die Kammer schließt sich dieser für die Beurteilung des klägerischen Anliegens ausschlaggebenden Bewertung an, insbesondere vor dem Hintergrund der von der 6. Kammer des VGSaar geleisteten überzeugenden und schlüssigen Auswertung des aktuellen, auch der erkennenden Kammer vorgelegten und zugänglichen wissenschaftlichen Tatsachenmaterials. In dem genannten Urteil vom 19. Januar 2012 hat das VGSaar ausgeführt (juris Rdnr. 112 – 131):
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„Die vorliegenden Daten zur unterschiedlichen Gefährlichkeit verschiedener Spiele zwingen […] den Gesetzgeber nicht, unter Aufgabe dieser Vorteile eine differenzierende Regelung zum Internetvertrieb zu erlassen und den Bereich der Lotterien aus dem Geltungsbereich der Norm herauszunehmen.
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An wissenschaftlichen Daten zum Glücksspiel liegen zunächst repräsentative Umfragen in der Bevölkerung vor, deren Ziel es vornehmlich ist, den Anteil von Spielsucht in der Bevölkerung insgesamt zu erfassen. Nennen lassen sich eine Studie von Bühringer et al. 2007 (Ergebnisse zitiert bei Peren/Clement, Pathologiepotenziale von Glücksspielprodukten, Mai 2011, S.10, und bei Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, Frankfurt a.M. 2009 […], S.49), von Buth & Stöver 2008 (Ergebnisse zitiert bei Peren/Clement, S. 10; Becker, S. 49) und zwei Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Glücksspielverhalten und problematisches Glücksspielen in Deutschland, Juli 2008 […]) (Ergebnisse zitiert bei Peren/Clement, S. 10). Ferner sind die sog. PAGE-Studie (Hans-Jürgen Rumpf, Christian Meyer, Anja Kreuzer, Ulrich John, Universität Lübeck und Universität Greifswald, 2010; Zusammenfassung im Internet) und die Studie von EMNID zu nennen, zu der allerdings nur eine Pressemitteilung (Internet) vorliegt. Schließlich ist auf eine weitere Studie von Stöver (BISDRO, Lottostudie II: Nationale und internationale Befunde zu Spielproblemen von Teilnehmern des Zahlenlottos, Bremen 2007 […]) zu verweisen. Gemessen wurden sowohl der Anteil pathologischer Spieler als auch der Anteil problematischer Spieler. Beide Gruppen unterscheiden sich nach der Anzahl der auf dem jeweiligen Diagnoseinstrument angekreuzten Diagnosemerkmale. Bei dem Diagnosemanual DSM IV, das wohl das gebräuchlichste ist, führen die Bejahung von 3 bis 5 Diagnosemerkmalen zur Einstufung als problematisch, die Bejahung von 5 und mehr als pathologisch. Das zweite Diagnoseinstrument, das sog. SOGS (South Oaks Gambling Screen), weist 20 Merkmale auf. Bei einem Wert von 3 bis 4 wird von problematischem Glücksspiel, bei einem Wert von 5 und mehr wird von wahrscheinlich pathologischen Spielern gesprochen (BZgA 2008, S. 12). Laut Becker sind die Ergebnisse nach beiden Diagnosemodellen weitgehend vergleichbar (Becker, Prävalenz des pathologischen Spielverhaltens in Deutschland […], S. 5).
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Bühringer gibt bezogen auf die erwachsene deutsche Bevölkerung 0,2 % pathologische und 0,29 % problematische Spieler an. Buth & Stöver nennen 0,56 % pathologische und 0,64 % problematische Spieler. Die BZgA kam im Jahr 2008 auf einen Bevölkerungsanteil von 0,19 % pathologischen und 0,41 % problematischen Spielern und im Jahr 2010 von 0,45 % pathologischen und 0,64 % problematischen Spielern. Die PAGE-Studie kommt zu 0,35 % pathologischen und 0,31 % problematischen Spielern. Die EMNID-Studie hat 0,23 % der Spieler als pathologisch ausgewiesen, der Anteil problematischer Spieler wird in der Pressemitteilung nicht genannt. In absoluten Zahlen ergibt das bezogen auf eine Zahl von 52 Mio. erwachsener Deutscher einen Zahlenwert zwischen 100.000 (BZgA 2008) und 290.000 (Buth & Stöver) pathologischer Spieler und 149.000 (Bühringer) und 347.000 (BZgA 2010) problematischer Spieler in Deutschland.
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Eine zweite Gruppe von Erhebungen verfolgt einen anderen Ansatz. Dort werden Betroffene befragt, die eine Hilfseinrichtung aufgesucht haben. Becker hat 2008 statt der Betroffenen selbst die Hilfspersonen (Therapeuten u.ä.) befragt. Dabei geht man davon aus, dass, den Erfahrungen bei der Alkoholsucht entsprechend, ca. 3 % – 5 % der Betroffenen sich an eine Hilfestelle wenden. Hauptziel dieser Untersuchungen ist es nicht, die Bevölkerungsprävalenz von problematischem und pathologischem Spiel zu ermitteln, sondern mehr über die Erscheinungsformen des pathologischen/problematischen Glücksspiels zu erfahren und die Höhe des Anteils der einzelnen Spiele am Problem der Spielsucht zu ermitteln. Die ermittelten Anteile des jeweiligen Glücksspiels an der Gruppe der Befragten differieren in den Studien allerdings teilweise deutlich. Dies dürfte maßgeblich darauf zurückzuführen sein, dass die Erhebungen sich in ihren Grundannahmen, ihrer wissenschaftlichen Zielsetzung und ihrer Methodik unterscheiden. So interessieren sich einige Autoren, wie etwa Becker, maßgeblich für die Spielform, die für die Betroffenen das Hauptproblem darstellt. Andere interessieren sich besonders für den Anteil, den das Lottospiel für die Genese einer Spielsucht hat, und kommen angesichts der relativ hohen Zahl von Spielern, die auch an anderen Süchten oder Persönlichkeitsproblemen leiden, in dieser Hinsicht zu keinem eindeutigen Ergebnis (vgl. Stöver, BISDRO, Lottostudie II, Bremen, Oktober 2007, S. 32/33). Meyer/Hayer (Abschlussbericht an das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen und an die Westdeutsche Klassenlotterie GmbH & Co KG von Mai 2005 […]) haben insgesamt die ausführlichste Studie vorgelegt, die auf der Basis einer Befragung Betroffener erstellt wurde. Diese Studie unterscheidet nicht zwischen der Mehrfach- bzw. Hauptproblembenennung eines bestimmten Spiels und hat alle Personen, die das Lottospiel, egal auf welchem Rang, als problembehaftet bezeichnet haben, gezählt. Manche Studien führen auch nur den Anteil der pathologischen Spieler auf, ohne auf problematische Spieler einzugehen.
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In Zahlen ergibt sich dabei folgendes Bild: Die Erhebung von Meyer/Hayer 2005 führte zu einem Anteil von 6 % der Betroffenen, bei denen das Zahlenlotto als problembehaftet (pathologisch und problematisch) anzusehen war. Dieser Anteil entsprach ungefähr früheren Erhebungen von Meyer in den Jahren 1989 und 1998, die in der Studie zitiert werden (S. 151). Die grundlegende Fehlentwicklung wurde dabei meist in anderen Spielen gesehen; das Lottospiel als 'softe' Glücksspielform hatte aus Sicht der Gutachter mehrheitlich lediglich einen zusätzlichen und nur selten einen hauptsächlichen Beitrag bei der Entstehung und der Aufrechterhaltung glücksspielbezogener Probleme. Dennoch ließen sich anhand des Diagnosemodells, hier DSM IV, Suchtmerkmale auch und spezifisch für Lotto feststellen und zwar ungeachtet der eher harmlosen Veranstaltungsmerkmale. Die Gutachter bezeichnen in der Studie zudem plastisch die typischen, bei Problemspielern regelmäßig vorliegenden kognitiven Verzerrungen, die von betroffenen Spielern auch in Bezug auf Lotto ausgebildet wurden (S. 155 f.). Die Gutachter kommen ausdrücklich zu dem Ergebnis, dass der Anteil des Lottospiels an der Problematik der Glücksspielsucht angesichts der großen Beliebtheit des Spiels insgesamt als eher gering einzustufen ist, was sie auf die konservativen Spielmerkmale, insbesondere auf den langgestreckten Spielverlauf von,6 aus 49‘, zurückführen (S. 6/7). Oddset kam auf einen Anteil von 10 % und die Wette in privaten Wettbüros nochmals auf einen Anteil von 5,1 %. Auch Tilman Becker spricht in seiner Studie (Glücksspielsucht in Deutschland, Prävalenz bei verschiedenen Glücksspielformen, Frankfurt am Main 2009 […]) von der Existenz von spezifisch auf das Lottospiel ausgerichteten Suchtmerkmalen (S. XXXIX). Allerdings bezeichnet er die Anteile der Lottosüchtigen mit nur 0,5 % deutlich geringer als Meyer/Hayer. Dazu ist aber zu berücksichtigen, dass sich diese Erhebung nur auf Spieler mit dem Hauptproblem Lotto bezieht und nur pathologische Spieler aufgeführt werden. Der Anteil problematischer Spieler bleibt offen. Der Sportwettenanteil als Hauptproblem betrug für pathologische Spieler 6,8 % und zusätzlich 1,6 % für Oddset. Die PAGE-Studie bezeichnet den pathologischen Anteil des Lottospiels laut der Auswertung bei Peren/Clement (S. 14) auf 1,7 %. Der Anteil für problematisches Spielverhalten in Bezug auf Lotto ist nicht benannt. Die repräsentative Studie von Bühringer ergab für Lotterien und Lotto insgesamt 0,1 % pathologische und 0,6 % problematische Spieler, wobei dies nur Spieler betraf, die diese Spielform präferierten (Ergebnisse zitiert nach Peren/Clement, S. 13). Der Anteil pathologischen Spiels in Bezug auf Sportwetten wurde mit 1,7 % angegeben, der der problematischen Spieler mit 2,5 %. Auch die repräsentative Studie von Stöver (BISDRO, Lottostudie II, S. 33 f.) weist geringere Prozentzahlen als die Meyer/Hayer-Studie aus. Der Anteil von problematischem und pathologischem Spielverhalten wurde für,Nur-Lottospieler‘ mit insgesamt 0,39 % angegeben. Für,Auch-Lottospieler‘ wurde ein Anteil von pathologischen Spielern in Höhe von 1,8 % und für problematisches Spielverhalten in Höhe von 1,4 %, also von insgesamt 2,2 %, genannt. Sportwetten wurden mit insgesamt 8,5 % angeben. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei einer Repräsentativumfrage die Fallzahl Betroffener geringer ist als bei einer Umfrage unter Betroffenen und von daher die Ergebnisgenauigkeit bezogen auf das einzelne Glücksspiel deutlich geringer sein dürfte (Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, S. 48). Die Studie von Stöver (BISDRO, Lottostudie II, S. 32) weist zudem darauf hin, dass der Anteil des Lottospiels an der Entstehung von Spielsucht wegen der häufigen „Mehrfachspieltätigkeit“ der problembehafteten Spieler nicht feststellbar ist. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass auch die Erhebung des VG Halle einige Nennungen enthält, in denen es um problembehaftetes Spielen in Bezug auf Lotterien geht. Die Validität der Zahlen, die sich, soweit die Betreuungsgerichte befragt wurden, weitgehend auf die Erinnerung der sachbearbeitenden Richter stützte, weil gesonderte Statistiken nicht vorlagen, kann hier dahinstehen. Die EMNID-Studie hat ergeben, dass fast alle pathologischen Spieler an einer multiplen Spielstörung leiden, die in krankhafter Weise im Durchschnitt fünf unterschiedliche Zufallsspielarten mit Geldeinsatz spielen und ein Spiel durch ein anderes ersetzen würden, wenn ihr bevorzugtes Spiel schwerer oder nicht mehr zugänglich ist. Verschiedene Studien weisen explizit darauf hin, dass Spielprobleme häufig komorbid auftreten, also mit anderen (Sucht-)Erkrankungen bzw. Persönlichkeitsstörungen vergesellschaftet sind (Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, S. 21; PAGE-Studie unter 'Komorbidität bei pathologischen Glücksspielern'). Zudem lässt sich den Studien eindeutig entnehmen, dass das Gefährdungspotenzial eines Glücksspiels mit seiner Zugänglichkeit steigt (Meyer/Hayer, S. 35; Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, S. 38).
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Hieraus kann zunächst geschlussfolgert werden, dass das Phänomen von problematischem und pathologischem Spielverhalten bei Lotto tatsächlich existent ist, allerdings in geringerem Ausmaß als etwa bei Sportwetten. Alle Studien besagen auch, dass Lotto selten das alleinige bzw. das Hauptproblem darstellt.
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Was den prozentualen Anteil von Lotto an problematischem und pathologischem Spiel angeht, sind aus rechtlicher Sicht die Studien von maßgeblicher Bedeutung, die neben den pathologischen Spielern auch die problematischen Spieler ausweisen und auch Spieler erfassen, die das Lottospiel nicht als einziges oder als Hauptproblem haben. Denn anders als womöglich aus wissenschaftlicher Perspektive ist es in rechtlicher Hinsicht unerheblich, ob das Lottospiel das einzige oder das Hauptproblem des Betroffenen darstellt oder er fünf und mehr Spiele spielt, ob der Spieler schon erkrankt ist oder er „nur“ ein problematisches Verhalten aufweist und ob es Komorbiditäten insbesondere zu anderen Süchten gibt. Angesichts der Schutzrichtung des § 1 Nr. 1 GlüStV ist außer dem pathologischen Spiel auch das bloß problematische Spielverhalten einzubeziehen, weil es gerade bei diesen Spielern besonders sinnvoll sein dürfte, die Entstehung eines vollen Suchtbildes zu verhindern. Ebenso vermag die Kammer bezogen auf das Ziel des Suchtschutzes nicht zu erkennen, weshalb gerade die Personen, bei denen die Spielproblematik komorbid vorliegt und die besonders verletzlich und besonders gefährdet für Spielprobleme sind, aus dem Schutzbereich des § 1 Nr. 1 GlüStV ausscheiden sollten. Gleiches gilt für Mehrfachspieler. Der Schutz vor Spielsucht und deren Folgen umfasst auch den Schutz vor Suchtverstärkung oder Verschlimmerung der Auswirkungen der Sucht, so dass die Frage, wie viele Spieler ein ausschließliches oder ein Hauptproblem mit Lotto haben, rechtlich nicht relevant ist.
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Die beiden dies berücksichtigenden Studien von Stöver und von Meyer/Hayer benennen einen Anteil zwischen 2,2 % (Stöver, BISDRO, Lottostudie II) und 6 % (Meyer/ Hayer) betroffener Lottospieler. Dabei sind die Zahlen von Meyer/Hayer, weil sie, anders als die von Stöver, nicht auf einer Repräsentativumfrage basieren, als valider anzusehen. Das Problem bei Sportwetten liegt nach diesen beiden Untersuchungen zwischen ungefähr 2,5- und 4-mal höher. Daneben wird im Gutachten von Meyer/Hayer das Problem der möglichen Funktion des Lottospiels als 'Einstiegsdroge' angesprochen. Für mehr als die Hälfte der problematischen/pathologischen Lottospieler, die inzwischen mehrere Spiele als problembehaftet schilderten, stellte das Zahlenlotto das Einstiegsspiel in die 'Zockerkarriere' dar (S. 94).
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Angesichts dessen ist vorliegend ein gesetzgeberischer Spielraum eröffnet.
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Im Bereich der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative stehen dem Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten, einer Gefahr zu begegnen, zu. Allein der Umstand, dass eine Regelung vergleichsweise restriktiv ist, nimmt ihr nicht die Gültigkeit, solange sie nicht offensichtlich fehlsam ist. Letzteres kann allerdings nicht angenommen werden. Die Gefahr, die von Sportwetten ausgeht, für die § 4 Abs. 4 GlüStV nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls gültig ist, ist mit dem 2,5- bzw. 4fachen nicht um so viel höher, dass es als unangemessen angesehen werden müsste, das Lottospiel dem gleichen Regelungsregime wie Sportwetten zu unterwerfen. Dies gilt zumal, wenn man berücksichtigt, dass von Spielsucht nicht nur der Spieler selbst, sondern indirekt auch Dritte, wie Familienangehörige, betroffen sind. Nach Schätzungen steht im Raum, dass jeder pathologische Spieler das Leben von 8 bis 10 Personen schädlich beeinflusst (Meyer, Glücksspiel – Zahlen und Fakten, Jahrbuch Sucht 2010, S. 135). Ferner bestehen die besonderen Gefahren des Internetvertriebs, nämlich ein hohes Maß an Bequemlichkeit, eine zeitlich unbeschränkte Verfügbarkeit und der im Vergleich zur Abgabe des Lottoscheins in der Annahmestelle höhere Abstraktionsgrad, der geeignet ist, das virtuelle Glücksspiel in der Wahrnehmung des Spielers aus seinem Bedeutungszusammenhang herauszulösen und insbesondere die Tatsache des Einsatzes — und möglichen Verlustes — von Geld in den Hintergrund treten zu lassen, […] grundsätzlich auch in Bezug auf das Lottospiel. Die Umstände der Teilnahme für den Einzelnen zu erschweren und ihm den Vorgang des Spielens bewusster zu machen, kann auch bei Lottospielern einem Abgleiten in problematisches Spielverhalten entgegenwirken, zumal viele Gutachter von einem 'Mehrfachspielverhalten' problematischer und pathologischer Spieler ausgehen und nach der EMNID-Studie sogar im Raum steht, dass eine isolierte Betrachtung einzelner Spiele wenig sinnvoll ist. Wird aber eine für eine multiple Spielstörung anfällige Spielerpersönlichkeit in den Blick genommen, kann die Erschwerung des Zugangs auch zu vergleichsweise ungefährlicheren Spielformen ein nach dieser Studie suchttypisches Ausweichen auf das anderenfalls im Internet leicht zugängliche Lottospiel verhindern. Zudem ist der mit dem Internetvertrieb verbundene Verharmlosungseffekt auch und gerade in Bezug auf das Lottospiel kritisch zu bewerten, weil dessen Eigenschaft als 'Einstiegsspiel' im Raum steht. Hinzu kommt, dass sich vorliegend auch das Problem eines möglichst lückenlosen Jugendschutzes stellt. Zwar hat die Klägerin insoweit auf durchaus beachtliche Schutzmaßnahmen verwiesen. Dennoch verbleibt es dabei, dass das Internet durch seine Anonymität es erschwert, den gerade im Spielbereich besonders wichtigen Jugendschutz sicher zu gewährleisten […].
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Die Kammer sieht sich in ihrer Einschätzung durch den von der Klägerin in seiner Richtigkeit bestrittenen Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.10.2008 bestätigt.
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Auch nach diesem Beschluss waren die Länder — trotz der in Bezug auf die vom Gericht angenommene objektive Berufszulassungsschranke — nicht gehalten, das Zahlenlotto als harmlose Art des Glücksspiels von dem Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags und der ihn ergänzenden Landesgesetze auszunehmen, weil die diese Entscheidung tragenden gesetzgeberischen Erwägungen nicht offensichtlich fehlsam waren, eine hinreichend vernünftige Stütze in den Ergebnissen der von der Universität Bremen für das nordrhein-westfälische Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales durchgeführten Studie (Meyer/Hayer) hatten und die Landesgesetzgeber davon ausgehen konnten, dass eine Ausweitung des Glücksspielangebots negative Auswirkungen auf die Suchtgefahr hat […].
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Dass das Bundesverfassungsgericht, wie die Klägerin meint, von einer falschen Interpretation der Datenlage ausgegangen ist, ist nicht erkennbar. Die Wertungen zur Suchtgefahr von Lotterien, die es der Studie von Meyer/Hayer entnommen hat, sind der Studie tatsächlich so zu entnehmen. Die Studie enthält, soweit ersichtlich, außerdem das umfassendste spezifisch auf das Problem des Lottospiels ausgerichtete Gutachten. Für ihre inhaltliche Richtigkeit spricht, dass sie, was die Zahlen angeht, auf der Linie früherer Erhebungen liegt und sie die Methode der Befragung von Betroffenen wählt, die in Bezug auf die Anteile einzelner Spiele am Spielsuchtproblem größere Aussagekraft als eine Repräsentativumfrage hat. Entscheidend ist, dass die Studie von keiner der späteren Studien inhaltlich in Zweifel gezogen wurde. Tilman Becker zieht die Ergebnisse von Meyer/Hayer sogar ausdrücklich zur Bestätigung der eigenen Zahlen heran (Prävalenz des pathologischen Spielverhaltens, S. 11).
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Nach all dem durfte der Gesetzgeber ein umfassendes Internetvertriebsverbot erlassen […].
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Um der Einheitlichkeit der Regelung willen war der Gesetzgeber dabei auch nicht gehalten, die Klassenlotterien und Fernsehlotterien auszunehmen.
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Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich anderes auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass der Gesetzgeber selbst im Glücksspielstaatsvertrag Differenzierungen getroffen hat, die der geringeren Suchtgefährlichkeit der in Rede stehenden Lotterien Rechnung tragen. Zwar gilt für Lotterien mit nicht mehr als zwei Ziehungen wöchentlich die Regelung des § 22 Abs. 2 GlüStV nicht, wonach gesperrte Spieler (lediglich) an Lotterien, die häufiger als zweimal pro Woche veranstaltet werden, nicht teilnehmen dürfen. Allerdings zwingt dies nicht zu dem Schluss, dass die sonstigen Spielerschutzvorschriften des Glücksspielstaatsvertrags für Lotterien ihre innere Berechtigung verlören oder faktisch leerlaufen würden. Die Vorschrift des § 22 GlüStV besagt nämlich nicht, dass der Gesetzgeber Spielsüchtigen die Schutzwürdigkeit in Bezug auf Lotterien ohne besonderes Gefährdungspotential generell versagt hat. § 22 GlüStV bestimmt zunächst nur, dass das gemäß § 8 GlüStV eingerichtete übergreifende Sperrsystem nicht für die Teilnahme am Lottospiel mit nicht mehr als zwei Ziehungen in der Woche gilt. Eine Aufgabe jeglichen Spielerschutzes bedeutet dies nicht, zumal § 22 GlüStV auf den terrestrischen Vertrieb zugeschnitten ist, der gegenüber dem Internetvertrieb unbequemer und insofern unattraktiver ist und eineface-to-face-Kontrolle des Spielers jedenfalls zulässt. Anders als der terrestrische Vertrieb ist der Internetvertrieb faktisch geeignet, einen zeitlich und zahlenmäßig unbegrenzten Verkauf von Spielscheinen zu ermöglichen. Denn selbst wenn, was die Klägerin bei ihrem Angebot getan hat, eine wöchentliche Höchsteinsatzgrenze für das jeweilige Spielkonto beachtet wird, ist zu sehen, dass bei einer Öffnung des Internetlottomarktes verschiedene Anbieter im Netz tätig sein können. Bei einem Ausschöpfen der Einsatzgrenzen bei einem Anbieter kann unschwer auf das ebenso leicht zugängliche Angebot eines anderen Spielvermittlers ausgewichen werden.“
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Angesichts dessen vermag die Klägerin die Kammer mit ihrem Hinweis auf einen rechnerisch sehr kleinen Personenkreis, der in Mecklenburg-Vorpommern von einer „Lottosucht“ befallen und damit schützenswert sein könne, nicht von der Verfehltheit und damit Unwirksamkeit des Internetverbots zu überzeugen. Soweit sich zudem die Klägerin auch in diesem Zusammenhang auf Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsspielräume bei beschränkenden Eingriffen in die Dienstleistungsfreiheit des europäischen Binnenmarkts bezieht, ist deren Berufungsfähigkeit für die Klägerin durchaus fraglich, weil die nach klägerischen Angaben eher geringfügige, die deutschen Außengrenzen überschreitende Vermittlungstätigkeit der Klägerin das Land Mecklenburg-Vorpommern nicht berührte und nicht in erkennbarer Weise berühren soll (s. zu der Frage der Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts auch den Beschluss des BGH vom 14. August 2008 – KVR 54/07 –, juris Rdnr. 138 ff.).
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Auch die von der Klägerin problematisierten, für alle Glücksspielanbieter geltenden Beschränkungen zulässiger Werbung durch § 5 GlüStV sind anwendbar. Das Werbeverbot im Internet gemäß § 5 Abs. 3 (n. F.: Satz 2) GlüStV ist, wegen der besonders unkontrollierten Möglichkeit der Einwirkung eines, ggf. suggestiv-unredlichen, Werbeangebots auf Suchtgefährdete im Internet, in gleicher Weise zu rechtfertigen wie das Verbot von Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen unter Nutzung dieses Mediums; die Verbotswürdigkeit liegt zumal auf der Hand, wenn sich die Werbung, wie mit dem Feststellungsantrag zu 1. Buchst. d. geltend gemacht, auf die erstrebte klägerische Tätigkeit, d. h. die (verbotene) Internetvermittlung von Glücksspielen, beziehen soll. Die inhaltlichen Beschränkungen des § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV für zulässige Werbung, gegen die sich der Feststellungsantrag zu 1. Buchst e. — wohl bezugnehmend auf den GlüStV a. F. — richtet, sind im Sinne der mit dem Staatsvertrag verfolgten Ziele legitim und hinreichend bestimmt kodifiziert gewesen im Sinne einer nur auf die Lenkung des bereits vorhandenen Spielwillens gerichteten Information, die nicht noch nicht zur Spielteilnahme Entschlossene hierzu anreizen darf (s. hierzu das Urteil des BVerwG vom 24. November 2010 – 8 C 14.09 –, BVerwGE Bd. 138, S. 201 [212 ff.]), wenn auch die wertende Bestimmung der Grenzen von der Betrachtung der „Werbebotschaft“ durch den durchschnittlichen Empfänger im Einzelfall abhing. Der klägerische Vortrag zu zahlreichen Verletzungen dieser Grenzen seitens des staatlichen Lotterievertriebs stellt die Wirksamkeit der Norm des GlüStV selbst noch nicht in Frage, sondern zeigt allenfalls ein Vollzugsdefizit auf. Auch gegen die Neuregelung der inhaltlichen Werbegrenzen in § 5 Abs. 1, 2 und 3 Satz 2 und 3 GlüStV n. F. ist nichts einzuwenden, zumal die Kriterien der Grenzziehung durch die nach Absatz 4 der Vorschrift eingeführte Werberichtlinie (hier vom 21. Dezember 2012, AmtsBl. M-V 2013 S. 36) noch transparenter gestaltet worden sind; die Klägerin wendet sich hiergegen auch nicht mit einem ausdrücklichen Feststellungsbegehren.
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Die Geltung und Durchsetzbarkeit der gezeigten, durch den GlüStV allgemein etablierten Beschränkungen wird schließlich auch nicht in Frage gestellt durch die (insbesondere für den hiesigen Markt der Klägerin allenfalls geringfügigen) Folgen der vorübergehenden Geltung des schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetzes vom 20. Oktober 2011 (s. dessen Aufhebung durch Gesetz vom 1. Februar 2013, GVOBl. Schl.-H. S. 64) und durch die klägerseits angesprochenen Problematiken einer Notifikation der Vorschriften des GlüStV, der Vorschriften zur Fortsetzung seiner Geltung und zu seiner Änderung sowie der landesrechtlichen Vorschriften zur jeweiligen Umsetzung dieser Bestimmungen bei der Europäischen Kommission nach der Richtlinie Nr. 98/34/EG vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft. Es ist nicht ersichtlich, dass die angesprochenen Regelungen der Staatsverträge nicht rechtzeitig vor ihrer Inkraftsetzung notifiziert worden wären oder dass dies bei sie etwa verschärfendem hiesigem Landesrecht unterblieben wäre (s. Streinz/Herrmann/Kruis, Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht 2007, S. 402 [405 ff., 409]); die Interimslösung für das erste Halbjahr des Jahres 2012 nach Auslaufen der ersten vereinbarten staatsvertraglichen Regelung stellte auch keine notifizierungspflichtige Verschärfung bisher bestehender Regelungen dar (vgl. auch Dietlein, in: ders./Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, 2. Auflage, Einf. Rdnr. 24 f. m. w. Nachw.).
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Nach Allem kann die Kammer, wie gesagt, die von der Klägerin im Antrag zu 1. hauptweise beantragten Feststellungen nicht treffen, da sie nicht zuträfen. Weil die Klägerin die in den Feststellungsanträgen bezeichneten Verhaltensweisen aber auch zum Inhalt ihres zur Genehmigung gestellten Geschäftsmodells machte, konnte ihr gleichfalls keine Erlaubnis für Mecklenburg-Vorpommern zur Vermittlung von Lotteriespielen nach § 4 Abs. 1 GlüStV erteilt werden; eine Feststellung, dass die Versagung durch den Beklagten als ursprünglich zuständige Erlaubnisbehörde rechtswidrig gewesen sei (dahingehend der Klageantrag zu 2., Buchstabe a.), träfe daher nicht zu; gleichfalls begehrt die Klägerin hiernach mit ihrem weiteren Hilfsantrag (Klageantrag zu 2. Buchst. b.) ohne Erfolg auch die Feststellung, dass die Erlaubnis zu Unrecht verweigert worden sei.
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Der letztgenannte Hilfsantrag ist nach der klägerischen Antragstellung (wohl auch) nachrangig zu dem Hilfsantragsbegehren aus dem Klageantrag zu 1.. Dieses ist indessen schon unzulässig. Die Klägerin erstrebt damit die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der unter dem 19. September 2008 beantragte Erlaubnis, offenbar mit dem Inhalt der Antragsmodifikation und -erweiterung vom 29. Dezember 2008. Eine solche Erlaubnis soll ihr jedoch nach eigenen Aussagen und nach dem von ihr verfolgten Geschäftsmodell für jedes deutsche Bundesland erteilt werden, da sie in allen Ländern tätig werden will. Daher ist für eine Erlaubniserteilung seit Inkrafttreten des GlüStV n. F. gemäß dessen § 19 Abs. 2 Satz 1 die Glücksspielaufsichtsbehörde des Landes Niedersachsen zuständig, auch wenn es, soweit Mecklenburg-Vorpommern betroffen ist, nach wie vor um eine auf dieses Land bezogene Glücksspielvermittlungserlaubnis geht (vgl. jetzt auch § 19 Abs. 1 Satz 2 GlüStVAG M-V). Die klägerischen Bedenken wegen der Befassung des Glücksspielkollegiums der Länder im „gebündelten Zulassungsverfahren“ setzen die neue Zuständigkeitsregelung keinen Wirksamkeitszweifeln aus; die Klägerin trägt auch vor, sie habe selbst in Niedersachsen einen derartigen Antrag gestellt, dessen Bescheidung noch offen sei. Inwieweit die Klägerin dort zur Bescheidungsreife beigetragen hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Jedenfalls aber hat das in Niedersachsen entsprechend der neuen Rechtslage eingeleitete Antragsverfahren das in Mecklenburg-Vorpommern seit Ende 2008 betriebene überholt; der Beklagte ist für abschließende Entscheidungen insoweit nicht mehr zuständig und daher für das Verpflichtungsbegehren nicht passiv verfahrensbefugt. Entgegen klägerischer Auffassung liegt auch kein Fall der Funktionsnachfolge vor, da in Niedersachsen ein selbständiges neuartiges Antragsverfahren zu betreiben ist; daher scheidet eine Rubrumsberichtigung mit Einbeziehung der niedersächsischen Glücksspielaufsichtsbehörde aus. Die nach den klägerseits angesprochenen Grundsätzen der perpetuatio fori zu erhaltende Gerichtszuständigkeit führt insoweit zu keiner abweichenden Lösung; die nach wie vor befasste Kammer kann im Prozessrechtsverhältnis zum Beklagten insoweit nur nicht mehr in der Sache entscheiden.
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Die Kostenentscheidung ergeht hinsichtlich der erledigten Klageanträge gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, im Übrigen zum Nachteil der mit den noch streitigen Klagebegehren unterliegenden Klägerin nach § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Billigkeitsentscheidung nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat die Kammer vor dem Hintergrund getroffen, dass die für erledigt erklärten Klageanträge nach dem bisherigen Sach- und Streitstand in beträchtlichem Umfang Aussicht auf Erfolg gehabt haben.
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Dies gilt zunächst und vor allem hinsichtlich des im (ursprünglichen) Klageantrag zu 2. f. in Gestalt einer erstrebten gerichtlichen Feststellung thematisierten § 9 Abs. 6 GlüStVAG M-V (a. F.). Das dort geregelte, bereits durch Art. 1 des Änderungsgesetzes vom 30. Mai 2009 (GVOBl. M-V S. 394) abgeschaffte Verbot u. a. für die Glücksspielveranstalter und die -durchführer, dem gewerblichen Spielevermittler für die Vermittlung eine finanzielle Vergünstigung einzuräumen, soll nicht gemäß Art. 2 des Änderungsgesetzes ab 2014 wiedereingeführt werden, wie mittlerweile die Aufhebung des letztgenannten Artikels durch Art. 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher Vorschriften vom 22. Juni 2012 (GVOBl. M-V S. 232) gezeigt hat. Die ursprünglich mit der Klage angegriffene Geltung des Verbots, dessen „Wiederaufleben“ bis vor kurzem gedroht hat, hatte aber gleich mit Einführung des GlüStV begonnen. Verfassungsrechtlichen Bedenken, denen allerdings im Hinblick auf seine Erledigung hier nicht in allen Einzelheiten nachzugehen ist, war das Verbot ausgesetzt, weil es offensichtlich die Übergangsregelung in § 25 Abs. 2 und 6 GlüStV konterkarierte, die ausdrücklich auch zugunsten der Klägerin geschaffen worden war. Diese war nämlich, wie auch dem Landesgesetzgeber bekannt gewesen sein muss, nach ihrem Geschäftsmodell betriebswirtschaftlich in erheblichem Umfang auf die Vergütungen der staatlichen Lotterieveranstalter für die Vermittlung von deren Spielangeboten angewiesen und sollte nach dem GlüStV auch bezogen auf Mecklenburg-Vorpommern ein Jahr für notwendige Umstrukturierungen und ggf. eine geschäftliche Neuorientierung erhalten. Ferner war die Rechtfertigung des Verbots — auch für spätere Zeiträume — fraglich. Nach dem Regierungsentwurf des GlüStVAG M-V sollte mit der Regelung „die Unabhängigkeit der gewerblichen Spielvermittler gegenüber den Veranstaltern nach § 10 Abs. 2 [GlüStV] und ihren Annahmestellen sicher[gestellt werden]“ (LTDrS 5/977, S. 28). Die amtliche Begründung zu dem das Verbot „aufschiebenden“ Änderungsgesetz von 2009 stellte darauf ab, dass gewerbliche Spielevermittler für die rechtlich gebotene grenzüberschreitende Zugänglichkeit des Angebots der staatlichen oder staatlich gelenkten Glücksspielveranstalter erforderlich seien, da diesen ein grenzüberschreitender Vertrieb nicht gestattet sei (LTDrS 5/2251, S. 2). Die Aufhebung der geplanten Wiedereinführung des Verbots schließlich wurde überhaupt nicht begründet (s. etwa den Regierungsentwurf, LTDrS 6/553, S. 34). In der Literatur billigte man das Verbot als ein solches der „Doppelprovisionierung“, das damit ordnungsrechtlich gerechtfertigt sei (s. etwa Dietlein/Hüsken, in: Dietlein/Hecker/Ruttig, a. a. O., Rdnr. 20 zu § 3 GlüStV); dies scheint ausweislich der Gesetzesänderungen aber dem tatsächlichen Bedarf an den Dienstleistungen der Klägerin nicht entsprochen zu haben und hat auch nicht unmittelbar im Sinne der Ziele des § 1 GlüStV gewirkt.
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Wegen des ursprünglichen Klageantrags zu 2. h. misst die Kammer der Klage ebenfalls gewisse Erfolgsaussichten bei. Dass die Klägerin die Beschränkungen für die übergangsweise Betätigung als gewerblicher Internet-Lottovermittler gem. § 25 Abs. 6 GlüStV für das Jahr 2008 nicht hätte beachten müssen, trifft zwar in dieser Allgemeinheit nicht zu; die Klägerin hat jedoch etwa im Zusammenhang mit der Altersverifikation durch Identifizierung und Authentifizierung nach den Richtlinien der KJM für geschlossene Benutzergruppen und mit der Lokalisierung des Spielers im Internet sowie der Inoperabilität des mit eiligen, im Übergangsrecht angelegten Fragen zu befassenden Fachbeirats normative Defizite aufgezeigt, die, zusammen mit dem Umstand, dass der Klägerin in E-Land und A-Stadt bei ähnlichem Antragsvorbringen Übergangserlaubnisse relativ zügig erteilt wurden, auf im Ermessenswege im klägerischen Sinne zu schließende Lücken des Regelungsgefüges hindeuten.
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Die Kammer geht bei der Quotelung der Kosten davon aus, dass, gemessen an dem nach der Verfahrensverbindung maßgeblichen Streitwert, den formell erledigten Klagebegehren ein Anteil von einem Sechstel an den Verfahrenskosten zukam, weshalb dem Beklagten nach den dargelegten überwiegenden Erfolgsaussichten der Klage aus diesem Anteil ein Zehntel der gesamten Verfahrenskosten auferlegt wird und nur der Rest von der Klägerin zu tragen ist.
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Die Erklärung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der zugunsten des Beklagten ergangenen streitigen Entscheidung beruht auf § 708 Nr. 11 und § 711 der Zivilprozessordnung sowie § 167 VwGO.
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Die Berufung wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der klägerseits aufgeworfenen Fragen zur Anwendbarkeit von Regelungen der Glücksspielstaatsverträge von 2007 und 2011 auf die bis zum Jahr 2007/2008 von der Klägerin ausgeübte Vermittlertätigkeit zugelassen.
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Beschluss
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Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 39 Abs. 1, § 40 und § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und unter Berücksichtigung der bei Verfahrensbeginn berichteten klägerischen Schätzungen auf
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123.000 Euro
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festgesetzt.
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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf die Fischerei, die Errichtung und Verlegung von Apotheken, die Erziehung von Kindern gegen Entgelt, das Unterrichtswesen, auf die Tätigkeit der Rechtsanwälte und Berufsausübungsgesellschaften nach der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwälte und Berufsausübungsgesellschaften nach der Patentanwaltsordnung, der Notare, der in § 10 Absatz 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes und § 1 Absatz 2 und 3 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz genannten Personen, der Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, der vereidigten Buchprüfer und Buchprüfungsgesellschaften, der Steuerberater und Berufsausübungsgesellschaften nach dem Steuerberatungsgesetz sowie der Steuerbevollmächtigten, auf den Gewerbebetrieb der Auswandererberater, das Seelotswesen und die Tätigkeit der Prostituierten. Auf das Bergwesen findet dieses Gesetz nur insoweit Anwendung, als es ausdrückliche Bestimmungen enthält; das gleiche gilt für die Ausübung der ärztlichen und anderen Heilberufe, den Verkauf von Arzneimitteln, den Vertrieb von Lotterielosen und die Viehzucht. Ferner findet dieses Gesetz mit Ausnahme des Titels XI auf den Gewerbebetrieb der Versicherungsunternehmen sowie auf Beförderungen mit Krankenkraftwagen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 1 des Personenbeförderungsgesetzes keine Anwendung.
(1a) § 6c findet auf alle Gewerbetreibenden und sonstigen Dienstleistungserbringer im Sinne des Artikels 4 Nummer 2 der Richtlinie 2006/123/EG Anwendung, deren Dienstleistungen unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.
(2) Die Bestimmungen des Abschnitts I des Titels VII finden auf alle Arbeitnehmer Anwendung.
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.