Verwaltungsgericht Schwerin Beschluss, 09. Juli 2013 - 6 B 298/13

bei uns veröffentlicht am09.07.2013

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 30.000,00,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller, der die Abänderung des rechtskräftigen Beschlusses des erkennenden Gerichts vom 6. Januar 2011 - 6 B 1425/10 - begehrt, mit dem der Aussetzungsantrag abgelehnt und dem Antragsteller für die Schulschließung eine Frist von einer Woche ab Zustellung des v.g. Beschlusses eingeräumt worden ist, macht mit dem vorliegenden Abänderungsantrag im Wesentlichen geltend, er habe das an seiner Schule einzusetzende Lehrerpersonal zwischenzeitlich vollständig ausgetauscht. Zur Glaubhaftmachung des Lehrerwechsels hat er „Personalunterlagen“ eingereicht. Eine Schülerliste über zehn Anmeldungen wurden nachgereicht.

II.

2

Der nicht fristgebundene Antrag ist zulässig, insbesondere ist das angerufene Gericht zuständig, da bei ihm die Hauptsache - 6 A 1556/10 - anhängig ist.

3

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

4

Gegenstand eines Abänderungsverfahrens als eigenständiges gerichtliches Verfahren ist nicht die Richtigkeit der ursprünglichen gerichtlichen Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz, sondern die Prüfung, ob eine zuvor gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO erstinstanzlich oder in der Beschwerdeinstanz getroffene gerichtliche Entscheidung zum Teil oder vollständig geändert werden soll (OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.5.2010 - 8 ME 111/10 -, zit. n. juris Rn. 5 m.w.N.; Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Auflage 2011, § 80 Rn. 191, 199). Es geht allein um die Fortdauer einer derartigen Entscheidung, nicht um deren ursprüngliche Richtigkeit oder die Feststellung sonstiger behördlicher Befugnisse; das Abänderungsverfahren hat keinen Rechtsbehelfscharakter (vgl. Kopp/ Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 191). Das Abänderungsverfahren trägt damit dem Umstand Rechnung, dass in manchen Fällen Veränderungen während des Hauptsacheverfahrens eintreten, auf die trotz Rechtskraft und der damit verbundenen Bindungswirkung eines abgeschlossenen Eilverfahrens mit Wirkung für die Zukunft reagiert werden muss. Ein Anspruch eines Beteiligten auf eine erneute gerichtliche Sachentscheidung besteht dabei nur unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO. Danach hat ein Abänderungsantrag eines Beteiligten nur dann Erfolg, wenn veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorgetragen werden, die geeignet sind, eine Änderung der Entscheidung herbeizuführen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.1.1999 - 11 VR 13/98 -, zit. n. juris Rn. 2; OVG Lüneburg, Beschl. v. 30.6.2009 - 4 ME 168/09 -, zit. n. juris Rn. 4).

5

Prozessualer Prüfungsmaßstab bei einem Änderungsverfahren gemäß § 80 Abs. 7 VwGO ist § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO; es sind dieselben materiellen Gesichtspunkte maßgebend wie im Falle eines erstmaligen Antrags nach der zuletzt genannten Vorschrift (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.7.1994 - 4 VR 1/94 -, zit. n. juris Rn. 14; vgl. auch OVG M-V, Beschl. v. 28.11.2012 - 1 M 83/12 -, zit. n. juris Rn. 25; Beschl. v. 18.11.2004 - 1 M 287/04 -, NVwZ-RR 2006, 365 ff. <367>).

6

Der Antragsteller beruft sich im Abänderungsverfahren auf eine „nachträgliche“, d.h. nach rechtskräftigem Abschluss des vorausgegangenen Eilverfahrens eingetretene Änderung der Sachlage.

7

1. Nach alledem kommt es hier darauf an, ob der (unterstellte) geränderte Umstand überhaupt geeignet wäre, im Rahmen der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Abwägung ein Überwiegen der Interessen des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Hauptsacherechtsbehelfs gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse zu begründen. Das ist indes nicht der Fall.

8

An der rechtlichen Einschätzung des Gerichts, dass sein Hauptsacherechtsbehelf aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird, hat sich nichts geändert.

9

Rechtsirrig geht der Antragsteller in diesem Zusammenhang davon aus, er könne den Mangel, der kausal für die Rücknahme der Ersatzschulgenehmigung nach § 121 Abs. 1 SchulG M-V gewesen ist, nachträglich beseitigen. Dabei geht er jedoch fehl in der Annahme, im Hauptsacheverfahren sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich.

10

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich für die Frage des richtigen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage aus dem Prozessrecht nur, dass ein Kläger im verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit ebenso mit einem Aufhebungsbegehren wie mit einem Verpflichtungsbegehren nur dann Erfolg haben kann, wenn er im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf die erstrebte Aufhebung des Verwaltungsakts bzw. auf die erstrebte Leistung hat. Ob ein solcher Anspruch jedoch besteht, d.h. ob ein belastender Verwaltungsakt den Kläger i.S. des § 113 Abs. 1 VwGO rechtswidrig in seinen Rechten verletzt oder die Ablehnung eines begehrten Verwaltungsakts i.S. des § 113 Abs. 5 VwGO rechtswidrig ist, beurteilt sich nach dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage oder eines Anspruchs selbst, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (BVerwG, Urt. v. 4.7.2006 - 5 B 90/05 -, zit. n. juris Rn. 6; Urt. v. 31.3.2004 - 8 C 5.03 -, zit. n. juris Rn. 35; Beschl. v. 20.1.1999 - 8 B 232.98 -, zit. n. juris Rn. 7). Dies ist bei der Anfechtungsklage im Allgemeinen und vorbehaltlich abweichender Regelungen des materiellen Rechts die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, Beschl. v. 27.12.1994 - 11 B 152.94 -, zit. n. juris Rn. 6).

11

Bei Anfechtungsklagen gegen statusentziehende Verwaltungsakte gibt die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung den Ausschlag (vgl. OVG des Saarlandes, Urt. v. 29.5.2013 - 1 A 306/12 -, zit. n. juris Rn. 39 m.w.N.; BayVGH, Beschl. v. 11.9.1998 - 7 ZB 98.1578 -, zit. n. juris Rn. 11). Dies gilt auch bei Anfechtungsklagen gegen den Widerruf einer Unterrichtsgenehmigung (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.4.2007 - 2 LB 14/07 -, zit. n. juris Rn. 61; anders bei Untersagung einer genehmigungsfreien Unterrichtstätigkeit VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 17.10.2012 – 9 S 1200/11 -, zit. n. juris Rn. 19).

12

Ausgehend hiervon hat das Verwaltungsgericht in seiner Kammerentscheidung den Rechtsstandpunkt eingenommen, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Rücknahme der schulaufsichtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer privaten Ersatzschule in der Schulart einer Grundschule nach § 121 Abs. 1 2. Var. SchulG M-V im Rahmen der dagegen gerichteten Anfechtungsklage auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Behördenentscheidung am 29. Oktober 2010 abzustellen ist (vgl. VG SN, Beschl. v. 6.1.2011 - 6 B 1425/10 -, Seite 4 des Entscheidungsabdrucks). Durch die Rücknahmeentscheidung des Antragsgegners wird dem Antragsteller der „Status“ einer genehmigten Ersatzschule entzogen. Eine davon abweichende Regelung lässt sich dem Schulgesetz M-V nicht entnehmen. Tatbestandsvoraussetzung des § 121 Abs. 1 SchulG M-V sind bestimmte Genehmigungsmängel, die vorliegen müssen und die der Schulträger innerhalb einer bestimmten Frist nicht beseitigt hat, bevor es überhaupt zu einer Rücknahmeentscheidung des Antragsgegners kommen kann. Diese hat rechtsgestaltende Wirkung. Eine nachträgliche Abhilfe nach Erlass der Rücknahmeentscheidung ist dem materiellen Recht fremd.

13

Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts M-V ergibt sich aus dem materiellen Recht, dass vorliegend die Verhältnisse der bis zum 24. September 2010 gewährten Nachfrist des Antragsgegners zur Mängelbeseitigung maßgeblich sind (vgl. OVG M-V, Beschl. v. 20.1.2011 -2 M 3/11 -, Seite 3, 4 und 7 a.E. des Entscheidungsabdrucks).

14

Ungeachtet der Frage, welche Rechtsauffassung den Vorzug verdient, kann jedenfalls eine nach der angegriffenen Behördenentscheidung eingetretene Änderung der Sachlage - worauf der Antragsteller abstellt - im Anfechtungsprozess keine Berücksichtigung finden.

15

2. Selbst wenn eine Änderung der Sachlage im Verwaltungsprozess noch Berücksichtigung finden würde, wovon das Gericht nach den vorstehenden Ausführungen nicht ausgeht, dann hätte der Antragsteller die Veränderung nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise glaubhaft gemacht.

16

Die eingereichten Personalunterlagen, die einem beliebigen Bewerbungsverfahren entnommen worden sein könnten, reichen hierfür keineswegs aus. Der Antragsgegner hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Antragsteller weder (auflösend bedingt) geschlossene Arbeitsverträge noch durch eine eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachte Erklärungen der neuen Lehrkräfte vorlegen kann, die eine Bereitschaft zu einer ggf. kurzfristigen Unterrichtstätigkeit ab dem neuen Schuljahr an der Schule des Antragstellers belegen könnten. Von einem bereits erfolgten Austausch der Lehrkräfte kann daher überhaupt keine Rede sein, bestenfalls von einer einseitigen Erklärung des Antragstellers, neues Lehrerpersonal beschäftigen zu wollen. Offen bleibt schließlich, wie der in finanzieller Hinsicht notleidende Antragsteller die wirtschaftliche und rechtliche Stellung seiner neuen Lehrkräfte sichern wird, genauso wie die Frage, wie die vom Oberverwaltungsgericht M-V ebenfalls angesprochene Unzuverlässigkeit der Schulleitung, die als tragender Grund für eine auf den §§ 48, 49 VwVfG M-V gestützte Aufhebungsentscheidung herangezogen werden könnte, beseitigt werden soll.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

18

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Schwerin Beschluss, 09. Juli 2013 - 6 B 298/13

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Schwerin Beschluss, 09. Juli 2013 - 6 B 298/13

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Verwaltungsgericht Schwerin Beschluss, 09. Juli 2013 - 6 B 298/13 zitiert 8 §§.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 11. Oktober 2010 – 3 B 1003/10 –, mit dem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Gebührenbescheid vom 12. August 2010 insoweit angeordnet worden ist, als die Festsetzung den Betrag von 18.878,35 EUR übersteigt, wird geändert:

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 1.321,66 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten im vorläufigen Rechtsschutzverfahren um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Antragstellerin zu Gebühren für den Bezug von Trinkwasser im Monat Juli 2010 für die Verbrauchsstelle der Antragstellerin unter der Rubrumsanschrift.

2

Mit streitgegenständlichem Gebührenbescheid vom 12. August 2010 setzte der Antragsgegner für den Abrechnungszeitraum vom 01. bis 31. Juli 2010 Wassergebühren in Höhe von 24.164,97 EUR fest. Den dagegen gerichteten Widerspruch der Antragstellerin wies er mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2010 zurück.

3

Am 20. September 2010 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Greifswald Klage gegen den Gebührenbescheid vom 12. August 2010 (Az. 3 A 1002/10) erhoben und zugleich beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit anzuordnen, als die Festsetzung den Betrag von 18.878,35 EUR übersteigt (Az. 3 B 1003/10).

4

Mit Beschluss vom 11. Oktober 2010 – 3 B 1003/10 – hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Gebührenbescheid vom 12. August 2010 insoweit angeordnet, als die Festsetzung den Betrag von 18.878,35 EUR übersteigt.

5

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat der Senat mit Beschluss vom 24. November 2010 – 1 M 229/10 – mangels Erfüllung des Darlegungserfordernisses als unzulässig verworfen.

6

Mit Urteil vom 03. November 2010 – 3 A 1002/10 – hat das Verwaltungsgericht der Klage der Antragstellerin stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Zugleich hat es die Berufung zugelassen. Das Verwaltungsgericht hat das Urteil mit Bezugnahme auf sein in einem gleichgelagerten Parallelverfahren zwischen denselben Beteiligten ergangenes Urteil vom 24. Februar 2010 – 3 A 1156/08 – begründet. Mit Urteil vom 03. Mai 2011 – 1 L 59/10 – hat der Senat auf die Berufung des Antragsgegners dieses letztgenannte Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Mit Beschluss vom 16. Februar 2012 – 9 B 71.11 – hat das Bundesverwaltungsgericht die Nichtzulassungsbeschwerde der Antragstellerin gegen das Senatsurteil vom 03. Mai 2011 – 1 L 59/10 – zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde erhoben (Az. 1 BvR 899/12), über die nach Kenntnis des Senats noch nicht entschieden worden ist.

7

Gegen das ihm am 11. November 2010 zugestellte Urteil vom 03. November 2010 – 3 A 1002/10 – hat der Antragsgegner am 11. November 2010 Berufung eingelegt (Az. 1 L 209/10), über die noch nicht entschieden worden ist.

8

Den an das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern gerichteten Antrag des Antragsgegners, den Beschluss vom 24. November 2010 – 1 M 229/10 – gemäß § 80 Abs. 7 VwGO entsprechend dem dortigen Antrag abzuändern und der Beschwerde stattzugeben, hat der Senat mit Beschluss vom 16. Mai 2011 – 1 M 58/11 – abgelehnt.

9

Am 20. Mai 2011 hat der Antragsgegner beim Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf dessen Az. 3 B 1003/10 beantragt,

10

den Beschluss des Gerichts vom 11. Oktober 2010 gemäß § 80 Abs. 7 (S. 2) VwGO entsprechend dem dortigen diesseitigen Antrag abzuändern.

11

Mit Beschluss vom 15. Juni 2011 – 3 B 483/11 – hat das Verwaltungsgericht den Antrag als unbegründet abgelehnt. Am 29. Juni 2011 hat der Antragsgegner gegen den Beschluss vom 15. Juni 2011 – 3 B 483/11 – Beschwerde (Az. 1 M 90/11) mit dem Antrag eingelegt,

12

dem Abänderungsantrag der Antragstellerseite unter Aufhebung des hiermit angefochtenen Beschlusses stattzugeben.

13

Am 27. April 2012 hat der Antragsgegner beim Verwaltungsgericht erneut unter Bezugnahme auf dessen Az. 3 B 1003/10 beantragt,

14

den Beschluss des Gerichts vom 11. Oktober 2010 gemäß § 80 Abs. 7 (S. 2) VwGO entsprechend dem dortigen diesseitigen Antrag abzuändern.

15

Mit Beschluss vom 22. Mai 2012 – 3 B 728/12 – hat das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit unter Verweis auf das Berufungsverfahren Az. 1 L 209/10 an das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern als das nach seiner Auffassung zuständige Gericht der Hauptsache verwiesen.

16

Unter dem 18. Oktober 2012 hat der Antragsgegner im Verfahren Az. 1 M 90/11 seinen Abänderungsantrag vom 20. Mai 2011 zurückgenommen. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2012 – 1 M 90/11 – hat der Senat das Verfahren Az. 1 M 90/11 durch den Berichterstatter eingestellt und den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 15. Juni 2011 – 3 B 483/11 – hinsichtlich Ziffer 1. und 2. des Tenors für wirkungslos erklärt.

II.

17

Auf den unter dem 27. April 2012 gestellten Antrag des Antragsgegners auf Abänderung des Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 11. Oktober 2010 – 3 B 1003/10 – und Ablehnung des Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz gegen den Gebührenbescheid vom 12. August 2010 ändert der Senat den Beschluss des Verwaltungsgerichts entsprechend ab.

18

Der Antrag ist zunächst zulässig. Ihm steht nicht – mehr – das Verbot der doppelten Rechtshängigkeit (§ 173 VwGO i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG) entgegen.

19

Zwar hat der Antragsgegner unter dem 20. Mai 2011 und dem 27. April 2012 identische Abänderungsanträge gestellt. Beide Abänderungsanträge sind – insbesondere unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung im Verfahren Az. 1 M 90/11 – im Wesentlichen übereinstimmend und unter Bezugnahme auf die Senatsentscheidungen vom 03. Mai 2011 – 1 L 59/10 und 1 L 125/10 – begründet worden. Beide Verfahren sind beim Oberverwaltungsgericht zunächst noch gleichzeitig anhängig gewesen, das Verfahren Az. 1 M 90/11 als Beschwerdeverfahren, das Verfahren Az. 1 M 83/12 unmittelbar als – verwiesenes – Abänderungsverfahren. Wegen der Identität der Streitgegenstände bzw. des jeweiligen Rechtsschutzziels stand dem vorliegenden Antrag auf Abänderung nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO mit Blick auf das zeitlich früher anhängig gemachte Verfahren Az. 1 M 90/11 folglich das Verbot der doppelten Rechtshängigkeit gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG entgegen. Mit der am 18. Oktober 2012 erfolgten Rücknahme des Abänderungsantrages vom 20. Mai 2011 im Verfahren Az. 1 M 90/11 und der anschließenden Einstellung desselben sowie Wirkungsloserklärung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 15. Juni 2011 – 3 B 483/11 – hinsichtlich Ziffer 1. und 2. des Tenors ist dieses Hindernis allerdings zwischenzeitlich entfallen.

20

In der Sache führt der Abänderungsantrag des Antragsgegners auf zwei Wegen zur Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 11. Oktober 2010 – 3 B 1003/10 –. Der Senat wertet den ausdrücklichen Abänderungsantrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zunächst auch als sinngemäße Anregung (vgl. hierzu OVG Magdeburg, Beschl. v. 02.05.2011 – 2 M 34/11 –, juris; VGH Mannheim, Beschl. v. 08.11.1995 – 13 S 494/95 –, NVwZ-RR 1996, 603 – zitiert nach juris) an das Oberverwaltungsgericht, den betreffenden Beschluss auf der Grundlage von § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO von Amts wegen abzuändern; dieser Anregung kommt der Senat nach (1.). Im Übrigen liegen auch die Voraussetzungen für eine Abänderung nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vor und ist dem entsprechenden Antrag stattzugeben (2.).

21

1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 11. Oktober 2010 – 3 B 1003/10 –, mit dem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Gebührenbescheid vom 12. August 2010 insoweit angeordnet worden ist, als die Festsetzung den Betrag von 18.878,35 EUR übersteigt, ist von Amts wegen abzuändern. Es sprechen gewichtige Gründe dafür, in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens den Belangen der materiellen Einzelfallgerechtigkeit und inhaltlichen Richtigkeit sowie der grundsätzlichen gesetzgeberischen Wertung nach Maßgabe von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO den Vorrang vor der Rechtssicherheit dergestalt einzuräumen, dass die verwaltungsgerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Gebührenbescheid vom 12. August 2010 geändert und der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz – ex nunc – abgelehnt wird.

22

Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 7 Satz1 VwGO Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben.

23

Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern ist vorliegend das Gericht der Hauptsache. Mit Urteil vom 03. November 2010 – 3 A 1002/10 – hat das Verwaltungsgericht der Klage der Antragstellerin stattgegeben und den Bescheid vom 12. August 2010 aufgehoben. Zugleich hat es die Berufung zugelassen. Gegen das ihm am 11. November 2010 zugestellte Urteil hat der Antragsgegner am 11. November 2010 Berufung eingelegt (Az. 1 L 209/10), über die noch nicht entschieden worden ist. Mit der Berufungseinlegung ist das Oberverwaltungsgericht zum Gericht der Hauptsache geworden und die Abänderungsbefugnis gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO auf dieses übergegangen.

24

In Anknüpfung an den Beschluss des Senats vom 18. November 2004 – 1 M 287/04 – (NVwZ-RR 2006, 365) ist der Maßstab für eine Abänderung von Amts wegen gemäß § 80 Abs.7 Satz 1 VwGO wie folgt zu konkretisieren: Die Abänderungsbefugnis nach § 80 Abs.7 Satz 1 VwGO setzt zunächst nicht voraus, dass die in § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO bezeichneten Voraussetzungen, das Vorliegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände, erfüllt sind. Sie besteht vielmehr unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 2 für eine Abänderung auf Antrag eines Beteiligten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.05.2003 – 4 VR 4.03, 4 C 2.03 –, NVwZ-​RR 2003, 618 – zitiert nach juris; VGH Kassel, Beschl. v. 10.10.2011 – 11 B 1834/11.T –, juris; VGH Mannheim, Beschl. v. 08.11.1995 – 13 S 494/95 –, NVwZ-RR 1996, 603 – zitiert nach juris; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 80 Rn. 192, 193). § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO eröffnet dem Gericht der Hauptsache immer dann die Möglichkeit der "jederzeitigen" Änderung seiner ursprünglichen Entscheidung, wenn hierzu ein Bedürfnis besteht. Dies ist im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 80 Abs. 5 VwGO auf der Grundlage einer nur summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergeht, die auch ohne das Vorliegen veränderter Umstände überprüfbar sein muss. Ein die Abänderungsbefugnis des Gerichts nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO begründendes Bedürfnis kann etwa dann bestehen, wenn das Gericht bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage seine Rechtsauffassung geändert hat oder die Interessenabwägung nachträglich korrekturbedürftig erscheint, etwa weil dem Gericht Umstände bekannt werden, die ihm vor Erlass der – ursprünglichen – Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht bekannt waren (vgl. zum Ganzen auch OVG Weimar, Beschl. v. 03.12.1998 – 3 EO 896/96 –, DVBl. 1999, 480 m.w.N.; BVerfG, Beschl. v. 19.04.1994 – 1 BvR 87/94 –, LKV 1994, 333 – zitiert nach juris; VGH Kassel, Beschl. v. 12.06.1996 – 10 Q 1293/95 –, DVBl. 1996, 1320 – zitiert nach juris). Eine Änderung eines Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO von Amts wegen ist damit allerdings nicht völlig in das Belieben des Gerichts gestellt (vgl. zustimmend auch Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 80 Rn. 192, 193). Die Befugnis zur Abänderung von Amts wegen ist in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens vielmehr nur dann gegeben, wenn gewichtige Gründe dafür sprechen, den Belangen der materiellen Einzelfallgerechtigkeit und inhaltlichen Richtigkeit den Vorrang vor der Rechtssicherheit einzuräumen (vgl. auch OVG Münster, Beschl. v. 04.02.1999 – 11 B 74/99 –, DVBl. 1999, 998 – zitiert nach juris). Eine amtswegige Abänderung ist auf der anderen Seite jedenfalls zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gegeben sind; ein bloßer Meinungswandel des Gerichts dürfte eine Abänderung von Amts wegen demgegenüber jedenfalls nicht ohne Weiteres rechtfertigen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 04.02.1999 – 11 B 74/99 –, a. a. O.).

25

Das Gericht der Hauptsache hat gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO unabhängig von etwaigen Anträgen oder Anregungen der Beteiligten auf der Grundlage seiner Rechtserkenntnis über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu entscheiden; es gelten insoweit die gleichen Grundsätze wie für eine Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.09.2005 – 4 B 49.05 –, BVerwGE 124, 201 – zitiert nach juris; Beschl. v. 11.06.1992 – 4 ER 302.92 u. a. –, juris Rn. 18, und v. 21.07.1994 – 4 VR 1.94 –, BVerwGE 96, 239, 240; VGH Kassel, Beschl. v. 10.10.2011 – 11 B 1834/11.T –, juris).

26

Ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit einer – von der Regel des § 80 Abs. 1 VwGO abweichenden – sofortigen Vollziehung eines angefochtenen und mithin nicht bestandskräftigen Verwaltungsakts ist, ob im Einzelfall dem Interesse des Antragstellers am Schutz vor der Schaffung ihn belastender vollendeter Tatsachen auf Grund eines möglicherweise rechtswidrigen Verwaltungsakts oder dem Interesse der Behörde an der unverzögerten Durchsetzung eines Verwaltungsaktes auch vor einer abschließenden gerichtlichen Prüfung seiner Rechtmäßigkeit unter Beachtung des Art. 19 Abs. 4 GG das größere Gewicht beizumessen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.07.1994 – 4 VR 1.94 –, BVerwGE 96, 239 – zitiert nach juris). Dabei hat für die Interessenabwägung u. a. maßgebliches Gewicht, ob das Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache offensichtlich begründet oder offensichtlich unbegründet ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.06.1992 – 4 ER 302/92, 4 ER 303/92, 4 ER 304/92 –, juris).

27

Auf der Grundlage seines Urteils vom 03. Mai 2011 – 1 L 59/10 – bzw. des zwischen denselben Beteiligten ergangenen weiteren Urteils vom selben Tag in dem Parallelverfahren zum Az. 1 L 125/10 erweist sich der angefochtene Gebührenbescheid vom 12. August 2010 als offensichtlich rechtmäßig. Der Senat ist in seinen Urteilen auf der Grundlage einer umfassenden Beurteilung der Rechtmäßigkeit der dort in gleicher Weise wie vorliegend angegriffenen Trinkwassergebührenbescheide in Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Antragstellerin und der gegenteiligen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu dem Ergebnis gelangt, dass die betreffenden Bescheide nicht rechtwidrig sind und insbesondere auf eine wirksame Rechtsgrundlage gestützt werden konnten. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die gegen die Urteile des Senats gerichteten Nichtzulassungsbeschwerden vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen worden sind, liegt damit bereits eine endgültige Beurteilung der Sach- und Rechtslage, die in gleicher Weise dem vorliegend angegriffenen Gebührenbescheid zugrunde liegt, im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens vor.

28

Da das Verwaltungsgericht zur Begründung seines Urteils vom 03. November 2010 – 3 A 1002/10 – auf sein Urteil vom 24. Februar 2010 – 3 A 1156/08 – Bezug genommen hat, das mit dem vorgenannten Senatsurteil vom 03. Mai 2011 – 1 L 59/10 – geändert worden ist, können die Erwägungen des Senats aus diesem Urteil auch vorliegend Geltung beanspruchen und die Frage, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch das Verwaltungsgericht Bestand haben kann, maßgeblich dahingehend beeinflussen, dass sie zu verneinen ist.

29

Diese Bewertung wird nachdrücklich durch die Betrachtung des Verhältnisses von Hauptsacheverfahren und Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zueinander gestützt. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 "offene" Interessenbewertung setzt grundsätzlich voraus, dass das erstinstanzlich befasste Gericht eine Entscheidung in einem Zeitpunkt zu treffen hat, zu dem ihm eine umfassende Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes regelmäßig noch nicht oder doch nur eingeschränkt möglich ist. Das ergibt sich aus dem vom Gesetzgeber vorausgesetzten zeitlichen Verlauf von Klageerhebung und Klagebegründung einerseits und dem Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung andererseits. Diese Sachlage ändert sich mit der Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache grundlegend. Mit ihr liegt eine aus der Sicht dieses Gerichts endgültige Beurteilung der Sach- und Rechtslage vor. Die prozessuale Unsicherheit, die § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gerade mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auffangen will, ist mit ihrem Ergehen weitgehend beseitigt. Das Gericht hat dann eine umfassende Sachprüfung vorgenommen. Ist ihr Ergebnis zum Nachteil der Betroffenen ausgefallen, folgt daraus nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass etwa im Revisionsverfahren nur eine eingeschränkte Prüfung stattzufinden hat, ob entgegen der vorinstanzlichen Klageabweisung gleichwohl eine aufschiebende Wirkung geboten ist. Das gilt selbst für den Fall, dass im Revisionsverfahren eine Zurückverweisung der Sache ernsthaft in Betracht kommt (vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschl. v. 21.07.1994 – 4 VR 1.94 –, BVerwGE 96, 239; vgl. auch Beschl. v. 26.06.1990 – 4 B 61.90 –, NVwZ 1991, 159 –; Beschl. v. 25.04.1986 – 4 C 13.85 –, Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 45 – jeweils zitiert nach juris).

30

Diese Erwägungen gelten erst recht, wenn in einem rechtlich und tatsächlich gleichgelagerten Parallelverfahren zwischen denselben Beteiligten sogar bereits eine rechtskräftige Entscheidung im Berufungsverfahren vorliegt, die alle auch vorliegend gestellten Rechts- und Tatsachenfragen in einer bestimmten Art und Weise rechtsgrundsätzlich beantwortet. Erneut gewinnt insoweit ergänzend der Umstand Bedeutung, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 03. November 2010 – 3 A 1002/10 – auf dasjenige vom 24. Februar 2010 – 3 A 1156/08 – Bezug genommen hat, das mit Senatsurteil vom 03. Mai 2011 – 1 L 59/10 – geändert worden ist. Aus alledem folgt, dass grundsätzlich die Frage der Rechtmäßigkeit des vorliegend streitgegenständlichen Gebührenbescheides und damit auch die Frage der aufschiebenden Wirkung der gegen ihn erhobenen Klage nicht abweichend von diesem rechtkräftigen Senatsurteil beantwortet werden und der nach lediglich summarischer bzw. vorläufiger Prüfung ergangene Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2010 – 3 B 1003/10 – nicht Bestand haben kann. Der Umstand, dass die Antragstellerin gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde eingelegt hat, ändert hieran nichts.

31

Hinzu kommt Folgendes: Gemäß § 80b Abs. 1 VwGO endet die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels (Satz 1). Dies gilt auch, wenn die Vollziehung durch die Behörde ausgesetzt oder die aufschiebende Wirkung durch das Gericht wiederhergestellt oder angeordnet worden ist, es sei denn, die Behörde hat die Vollziehung bis zur Unanfechtbarkeit ausgesetzt (Satz 2). Mit dem Eintritt der Rechtskraft des die Klage abweisenden Urteils vom 03. Mai 2011 – 1 L 59/10 – bzw. der Unanfechtbarkeit ist in mehreren Parallelverfahren folglich die vom Verwaltungsgericht etwa in seinem Beschluss vom 27. Oktober 2008 – 3 B 1161/08 – angeordnete aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage Az. 3 A 1156/08 von Gesetzes wegen beendet worden (vgl. Senatsbeschl. v. 15.10.2012 – 1 M 89/11 –; vgl. auch Beschl. v. 15.10.2012 – 1 M 92/11, 1 M 87/11 und 1 M 84/12 –). Insoweit erschiene es mit Blick auf die gleich gelagerte Sach- und Rechtslage betreffend den vorliegend angegriffenen Gebührenbescheid widersprüchlich, die verwaltungsgerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung bestehen zu lassen.

32

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht bei Berücksichtigung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 15. Juni 2011 – 3 B 483/11 –, mit dem es den Abänderungsantrag des Antragsgegners vom 20. Mai 2011 als unbegründet abgelehnt hat (nach Antragsrücknahme mit Beschluss vom 22. Oktober 2012 – 1 M 90/11 – hinsichtlich Ziffer 1. und 2. des Tenors für wirkungslos erklärt). Dies folgt zunächst bereits aus dem Umstand, dass das Verwaltungsgericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht Gericht der Hauptsache und deshalb nicht befugt war, über den Abänderungsantrag in der Sache zu entscheiden.

33

Darüber hinaus erschöpft sich die in diesem Beschluss gegebene Begründung des Verwaltungsgerichts dazu, dass „nach wie vor ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gebührenbescheides bestehen (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO)“, in der Bezugnahme „(VG Greifswald, Urt. v. 24.02.2010 – 3 A 1156/08, S. 10 ff. des Entscheidungsum-drucks)“. Mit dieser Bezugnahme können in Ansehung des Senatsurteils vom 03. Mai 2011 – 1 L 59/10 – aber jedenfalls nicht ohne Weiteres mehr ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gebührenbescheides begründet werden. In seinem Urteil hat der Senat sich nämlich u. a. zur Vergewisserung seines eigenen Rechtsstandpunktes auch ausführlich (vgl. unter II. 1. Buchst. f, S. 33 bis 37 des Urteils) mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts in dem von ihm in Bezug genommenen Urteil auseinandergesetzt und im Einzelnen dargelegt, warum er den rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht zu folgen vermag. Auf diese mehrseitigen Ausführungen geht das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 15. Juni 2011 – 3 B 483/11 – nicht ein. Dass sich sein Willkürvorwurf auf sie erstrecken könnte, ist nicht ersichtlich. Aus dem Umstand, dass das Verwaltungsgericht den vom Senat entwickelten Rechtsstandpunkt für willkürlich hält, folgt jedenfalls nicht automatisch, dass die Kritik des Senats an der Argumentation des Verwaltungsgerichts hinfällig bzw. letztere ohne Weiteres richtig wäre. Im Ergebnis liefert das Verwaltungsgericht folglich mit seiner Bezugnahme nur scheinbar eine Begründung für seine Annahme, dass „nach wie vor ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gebührenbescheides bestehen (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO)“; in Wirklichkeit fehlt dafür mangels Auseinandersetzung mit den betreffenden Ausführungen des Senats eine tragfähige Grundlage.

34

Unabhängig davon vermag im Übrigen auch der vom Verwaltungsgericht erhobene Willkürvorwurf gegen das Urteil des Senats vom 03. Mai 2011 – 1 L 59/10 – nicht durchzugreifen. Dies folgt im Ansatz bereits daraus, dass den Entscheidungen in Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ebenso wie in Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO regelmäßig nur eine vorläufige und summarische Prüfung zugrunde liegt. Regelmäßig wird im Rahmen eines solchen Verfahrens keine umfassende und erschöpfende Auseinandersetzung mit einem Berufungsurteil erfolgen bzw. geleistet werden können. Insoweit unterliegt der in einem solchermaßen summarischen Verfahren erhobene Willkürvorwurf von vornherein erheblichen Plausibilitätszweifeln. Diese werden durch die Begründung des Beschlusses vom 15. Juni 2011 – 3 B 483/11 – bestätigt. Das Verwaltungsgericht versucht darin auf etwas mehr als einer halben Seite die etwa 25 Seiten umfassende Begründung des Senats aus dem Urteil vom 03. Mai 2011 – 1 L 59/10 – wiederzugeben, um dann einzuräumen, es handele sich dabei um – vermeintliche – „Grundaussagen“. Dass dies keine angemessene Grundlage für eine Auseinandersetzung mit dem Rechtsstandpunkt des Senats bzw. zur Begründung eines Willkürvorwurfs sein kann, liegt auf der Hand. Entsprechend schließen sich dann lediglich punktuelle Ausführungen zu herausgegriffenen und – in dieser knappen Form wohl auch nicht anders zu bewältigen – aus dem Zusammenhang gerissenen Argumentationsbruchstücken des kritisierten Senatsurteils an. Die Kammer hält dem Senat vor, sein Urteil beruhe „auf einer Ausblendung der zwischenzeitlich ergangenen eigenen Rechtsprechung und ihrer Folgewirkung“, er lege „die Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 etwa sechs Jahre nach ihrem Außerkrafttreten so aus, als hätte es vorher keine Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern zu dieser Vorschrift gegeben, die die vom Landesgesetzgeber im Jahre 2005 vorgefundene ‚Ausgangslage’ beeinflusst hat“, „gewissermaßen hat sich das OVG Mecklenburg-Vorpommern selbst in die von ihm postulierte ‚Stunde Null’ zurückversetzt.“ Abgesehen davon, dass das Verwaltungsgericht sich dann nicht näher mit der von ihm erwähnten Auslegung auseinandersetzt, ist dazu zum einen zu erwähnen, dass der Senat in seinem Urteil mehrfach die Kongruenz seines Urteils mit der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts in den Blick genommen und bejaht hat (vgl. S. 21, 28, 29, 30, 33, 35 des Urteils). Auch hierauf geht das Verwaltungsgericht nicht ein. Zum anderen verweist das Verwaltungsgericht zur Illustration seines Vorhalts auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 29. Juli 1997 – 6 M 93/97 – und einen Beschluss vom 22. September 1999 – 1 M 85/99 –. Inwieweit sich aus diesen beiden Entscheidungen substantiell Aussagen zur Untermauerung des erhobenen Willkürvorwurfs ergeben können sollen, ist nicht ersichtlich: Erstens sind beide Beschlüsse „nur“ in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangen. Zweitens bezieht sich der erstgenannte Beschluss – worauf das Verwaltungsgericht schon selbst hinweist – auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen. Drittens kann diesen Entscheidungen hinsichtlich der Frage einer Beitragserhebungspflicht nicht ohne Weiteres entnommen werden, dass sie in Widerspruch zum Urteil des Senats vom 03. Mai 2011 – 1 L 59/10 – stünden. Wenn das Verwaltungsgericht dann nach der angeblichen „Klärung“ durch den Beschluss vom 22. September 1999 – 1 M 85/99 – auf die Rechtsprechung der beiden Verwaltungsgerichte verweist, die sich dieser „Klärung“ angeschlossen hätten, geht es wiederum nicht auf die Erwägungen des Senats zu eben dieser Rechtsprechung, im besonderen der des Verwaltungsgerichts Greifswald, ein. Soweit sich das Verwaltungsgericht im Weiteren auf entstehungsgeschichtliche Gesichtspunkte bezieht, ist dazu anzumerken, dass der Senat diese in seinem Urteil ebenfalls in den Blick genommen und gewürdigt hat.

35

Wenn das Verwaltungsgericht meint, die Argumentationsweise des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in Bezug auf § 44 Abs. 3 KV M-V sei aus seiner Sicht „unerklärlich“, ersetzt dies nicht die zur Begründung eines Willkürvorwurfs notwendige Auseinandersetzung mit der betreffenden Argumentation, die jedoch unterbleibt. Soweit das Verwaltungsgericht das Urteil des Senats zitiert, könnten im Übrigen möglicherweise tatsächlich Fragezeichen angebracht sein. Das Verwaltungsgericht beachtet jedoch nicht hinreichend den im Urteil vorangehenden Satz, der das Zitat in einem anderen Licht erscheinen lässt. Insoweit heißt es nämlich zunächst, „die Beitragserhebung sah mithin im Grundsatz vor, dass überhaupt erst einmal eine Einrichtung geschaffen worden sein musste, an die ein Grundstück angeschlossen werden konnte“. Diese Aussage ist so selbstverständlich wie wenig überraschend. Im Übrigen ist § 44 Abs. 3 KV M-V nicht auf der Grundlage der tatsächlichen Anschlusssituation auf der Insel Rügen auszulegen. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (vgl. Urt. v. 21.03.2012 – 4 B 11.221 –, DVBl. 2012, 698, 701) zur ähnlichen Bestimmung des Art. 62 Abs. 3 BayGO in Übereinstimmung mit der Auffassung des Senats, wonach § 44 Abs. 3 KV M-V nichts Entscheidendes für einen Vorrang der Beitrags- gegenüber der Gebührenfinanzierung entnommen werden könne, ausgeführt hat:

36

„Dem Bürgerbegehren steht auch Art. 62 Abs. 3 GO nicht entgegen. Danach darf die Gemeinde Kredite nur aufnehmen, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Dabei kann sich die wirtschaftliche Unzweckmäßigkeit einer anderweitigen Finanzierung sowohl auf die Haushaltslage der Gemeinde als auch auf gesamtwirtschaftliche Belange beziehen. Durch diese Regelung soll der Grundsatz der Subsidiarität der Kreditaufnahme nicht abgeschwächt, sondern eine Anpassung an die jeweiligen wirtschaftlichen Möglichkeiten und Erfordernisse erreicht werden (amtliche Begründung zu Art. 62 Abs. 3 GO, LT-​Drs. 7/3103, S. 32). Auch bei der Frage, ob eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre, ist der Gemeinde/dem Kommunalunternehmen ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen. Dies ergibt sich schon daraus, dass bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit wertende Überlegungen und Prognosen anzustellen sind. Im Übrigen ist anerkannt, dass Gemeinden/Kommunalunternehmen im Grundsatz frei entscheiden können, ob sie den Investitionsaufwand für bestimmte Einrichtungen durch Beiträge oder über Benutzungsgebühren finanzieren wollen; dies hat auch Auswirkungen auf den Kreditbedarf (Mühlbauer/Stanglmayr/Zwick a.a.O., Anm. 4 zu Art. 62 GO). Eine Verpflichtung, im größtmöglichen Umfang Vorauszahlungen zu erheben, um Kreditaufnahmen zu vermeiden, lässt sich aus Art. 62 Abs. 3 GO nicht ableiten. Die Erhebung von Vorauszahlungen liegt vielmehr grundsätzlich im Ermessen der Gemeinde (vgl. BayVGH vom 11.3.1994 Az. 23 CS 93.2997, Gemeindekasse Nr. 251/1994).“

37

Dies wiederum entspricht der vom Senat in seinem Urteil in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach es unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit keinen erheblichen Unterschied mache, wenn der Investitionsaufwand über Beiträge oder über Benutzungsgebühren finanziert wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2006 – 8 BN 3.05 –, SächsVBl. 2006, 163 – zitiert nach juris).

38

Nach alledem ist nach Auffassung des Senats weder der Willkürvorwurf des Verwaltungsgerichts begründet noch sind durch dessen Ausführungen auch nur Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Senats vom 03. Mai 2011 – 1 L 59/10 – geweckt.

39

Hinsichtlich des Vorbringens der Antragstellerin, die zur Begründung ihres Zurückweisungsantrages maßgeblich auf ihre Schriftsätze vom 22. August 2011 und 22. Oktober 2012 im Verfahren Az. 1 M 86/11 verweist, ist zunächst grundsätzlich auf die vorstehenden Erwägungen zum Verhältnis von Hauptsacheverfahren und Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu verweisen. Im Übrigen gilt Folgendes: Soweit die Antragstellerin darin einerseits ausdrücklich auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Frage der Willkürlichkeit des Senatsurteils verweist bzw. inhaltlich entsprechend argumentiert, kann ebenfalls auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Weiteres Vorbringen, das inhaltlich im Kern dem Vortrag der Antragstellerin im Verfahren Az. 1 L 59/10 entspricht, ist bereits Gegenstand des dortigen Urteils gewesen und grundsätzlich nicht geeignet, dessen Richtigkeit in Frage zu stellen. Die Antragstellerin verfährt in ihren Schriftsätzen im Übrigen ähnlich wie das Verwaltungsgericht und beschränkt sich auf punktuelle Ausführungen zu aus dem Zusammenhang gerissenen Argumentationsbruchstücken des kritisierten Senatsurteils. Ihr Vorbringen ist nicht geeignet, das auf der Grundlage einer umfassenden rechtlichen und tatsächlichen Würdigung aller maßgeblichen Umstände ergangene Urteil dergestalt durchgreifend in Frage zu stellen, dass es gerechtfertigt sein könnte, entgegen der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO zum Ausdruck kommenden Wertung, dass Abgabenforderungen grundsätzlich sofort vollziehbar sein sollen, die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Anordnung der aufschiebenden Wirkung aufrecht zu erhalten. Auch soweit die Antragstellerin schließlich kalkulatorische Fehler der einschlägigen Wasserversorgungsgebührensatzung rügt, verweist der Senat auf die diesbezüglichen Ausführungen in seinem Urteil vom 03. Mai 2011 – 1 L 59/10 – (S. 42 ff.), die jedenfalls nicht dermaßen in Frage gestellt werden, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Gebührenbescheides gerechtfertigt wären.

40

2. Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen liegen auch die Voraussetzungen für die vom Antragsgegner beantragte Abänderung – ex nunc – des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2010 – 3 B 1003/10 – gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vor. Jeder Beteiligte kann danach die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Die Frage, ob der Senat als Beschwerdegericht über den Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO "durchentscheiden" kann, stellt sich vorliegend nicht, da das Oberverwaltungsgericht selbst Gericht der Hauptsache und originär zu einer entsprechenden Entscheidung berufen ist.

41

Der Antragsgegner beruft sich für seinen Abänderungsantrag maßgeblich auf das zwischenzeitliche Ergehen und das in Rechtskraft Erwachsen der bereits erörterten beiden Senatsurteile vom 03. Mai 2011 – 1 L 59/10 und 1 L 125/10 – sowie auf die damit einhergehende Klärung von Grundsatzfragen; damit bezieht er sich jedenfalls zunächst auf veränderte bzw. im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände.

42

Dabei handelt es sich auch um Umstände im Sinne von § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO. Der Senat hat bereits entschieden, dass eine erhebliche Veränderung der Prozesslage als Änderung der Umstände im Sinne von § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu werten ist (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 18.11.2004 – 1 M 287/04 –, NVwZ-RR 2006, 365; vgl. auch OVG Münster, Beschl. v. 23.05.2003 – 1 B 411/03 –, juris; OVG Magdeburg, Beschl. v. 14.01.1998 – B 2 S 8/98 –, juris; vgl. zustimmend auch Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. § 80 Rn. 197 m.w.N.). Eine Veränderung der Umstände kann – etwa aufgrund neuer Erkenntnisse im Hauptsacheverfahren – auch in nachträglich eingetretenen tatsächlichen Verhältnissen liegen, die die Interessenabwägung beeinflussen können, oder auch in neuen Beweismitteln, durch die die bisherige Entscheidung überholt ist und neu überdacht werden muss (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 20.07.1998 – 11 aB 993/98.NE –, NVwZ-RR 1999, 473, zitiert nach juris). Allerdings kann nicht jede Veränderung in diesem Sinne eine beachtliche Veränderung der Prozesslage bewirken. Mit Blick auf die "innere Festigkeit" (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 12.06.1996 – 10 Q 1293/95 –, DVBl. 1996, 1320 – zitiert nach juris) eines Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO, der immerhin begrenzte Rechtskraft hat und als Vollstreckungstitel dienen kann, sowie unter Einbeziehung des Aspekts der Rechtssicherheit muss es sich um eine Veränderung handeln, die das bisherige Ergebnis der Interessenabwägung umkehren kann. Ob eine Änderung in diesem Sinne beachtlich ist, kann sich im Übrigen aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit, des fairen Verfahrens oder unter Berücksichtigung des Umstandes ergeben, wie es zu der Änderung der Prozesslage gekommen ist. Das Verhalten der Beteiligten im Hauptsacheverfahren kann – etwa im Hinblick auf eine ihnen obliegende Mitwirkung bei der Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes – in diesem Zusammenhang ebenso von Bedeutung sein (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Beschl. v. 18.11.2004 – 1 M 287/04 –, NVwZ-RR 2006, 365). Eine erhebliche Veränderung der Prozesslage kann in diesem Sinne auch dann angenommen werden, wenn das Oberverwaltungsgericht – wie vorliegend – bezüglich der Anwendung und Auslegung nicht revisiblen Landesrechts in einem Berufungsurteil auch im betreffenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren entscheidungserhebliche Grundsatzfragen beantwortet hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. § 80 Rn. 197 m.w.N.). Damit wird zugleich die Frage der Rechtmäßigkeit der angegriffenen sofort vollziehbaren Verfügung als maßgeblicher Bestandteil der im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung in einer bestimmten Weise beantwortet. Die Regelung des § 80b Abs. 1 VwGO steht systematisch betrachtet ebenfalls nicht entgegen, da der dort geregelte Fortbestand der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung von dem Regelfall ausgeht, dass sich die Sach- und Rechtslage zwischenzeitlich nicht in erheblicher Weise ändert. Da die Abänderungsbefugnis nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO von gegenüber der ursprünglich stattgebenden bzw. die aufschiebende Wirkung anordnenden Entscheidung veränderten entscheidungserheblichen Umständen abhängig ist, besteht kein Normkonflikt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass in dem Fall, in dem die veränderten Umstände zu einer Änderung der vorangegangenen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO führen, das Gericht bereits ursprünglich eine andere Entscheidung getroffen hätte, wenn ihm schon zum damaligen Zeitpunkt die veränderten Umstände bekannt gewesen wären. Dass § 80b Abs. 1 VwGO auch für solche Fälle ein unbedingtes Fortbestehen der einmal wiederhergestellten oder angeordneten aufschiebenden Wirkung regeln wollte, ist nicht ersichtlich. Ergänzend kann auf die obigen Ausführungen betreffend § 80b VwGO verwiesen werden, schließlich auch darauf, dass die Abänderungsbefugnis nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO sogar „jederzeit“ besteht.

43

Im Rahmen der nach dem Maßstab des § 80 Abs. 5 VwGO neu zu treffenden Entscheidung überwiegt nunmehr das öffentliche Vollziehungsinteresse des Antragsgegners das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Aus den vorstehenden Erwägungen zur Abänderung gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO ergibt sich zugleich ohne Weiteres, dass derzeit überwiegend wahrscheinlich von einer Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gebührenbescheides auszugehen ist und die im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO anzustellende Interessenabwägung deshalb zu Lasten der Antragstellerin ausgeht.

44

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

45

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 47, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

46

Hinweis:

47

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Dem 1952 geborenen Kläger wurde 1986 die Approbation als Arzt erteilt. Er ist Facharzt für Anästhesiologie und wendet sich gegen den Widerruf seiner Approbation durch Bescheid des Beklagten vom 30.7.2009.

Im Juni 2001 begann die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz mit einer Überprüfung, ob vom Kläger seit dem 4. Quartal 2000 abgerechnete ambulante Anästhesieleistungen jeweils von diesem selbst oder durch von ihm beauftragte Ärzte erbracht worden sind. Dieser Überprüfung schloss sich die Kassenärztliche Vereinigung des Saarlandes an. In der Sitzung ihres Plausibilitätsausschusses vom 11.7.2002 räumte der Kläger ein, dass der ihm gegenüber erhobene Vorwurf, er habe in den Quartalen 4/00-2/01 Leistungen, hinsichtlich derer er in seinen quartalsmäßigen Sammelerklärungen versichert habe, diese selbst für eine rheinland-pfälzische HNO-Praxis erbracht zu haben, in der Mehrzahl der Fälle durch zwei kassenärztlich nicht genehmigte Assistenten erbringen lassen, zutreffe und beschrieb sein Vorgehen als Fehler.

Auf diese Vorgänge gestützt beantragte die Kassenärztliche Vereinigung des Saarlandes mit Schreiben vom 17.10.2002 bei dem für ihren Bezirk zuständigen Zulassungsausschuss, dem Kläger die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu entziehen. Durch die fehlerhaften Abrechnungen habe er das Vertrauen der Kassenärztlichen Vereinigung des Saarlandes in die Richtigkeit seiner Abrechnung massiv und fortgesetzt missbraucht und gröblich gegen seine Pflichten verstoßen.

Die AOK Saarland erklärte mit Schreiben vom 4.11.2002, sich dem Entziehungsantrag anzuschließen.

Der Kläger äußerte sich in diesem Verfahren dahingehend, dass ihm die verletzten vertragsärztlichen Vorschriften nicht bekannt gewesen seien. Dennoch habe er sich sofort zur Rückzahlung der mit insgesamt 250.558,21 DM bezifferten Honorare bereit erklärt, wenngleich die zu Grunde liegenden Leistungen von qualifizierten Fachärzten erbracht und diese von ihm bezahlt worden seien. Zu berücksichtigen sei auch, dass er – wie durch beigefügtes Schreiben der rheinland-pfälzischen Praxis vom 24.10.2002 bestätigt werde – damals kurzfristig die Anästhesieleistungen für diese Praxis übernommen habe, nachdem der dortige Anästhesist sich unangekündigt und ohne Rücksicht auf die Notwendigkeit der terminlich bereits festgelegten Operationen zurückgezogen habe. Nur so habe der dortige Praxisbetrieb aufrechterhalten und die Versorgung der Praxispatienten sichergestellt werden können.

Durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19.3.2003 ergangenen Beschluss lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung des Saarlandes den Antrag auf Entziehung der Zulassung ab. Der festgestellte Verstoß gegen die vertragsärztlichen Pflichten sei unter Berücksichtigung der damaligen glaubhaft und unwidersprochen geschilderten Gesamtsituation nicht derart gröblich, dass der mit der Entziehung der Zulassung verbundene schwerwiegende Eingriff in die Berufsfreiheit als „ultima ratio“ geboten erschiene.

Die hiergegen seitens der Kassenärztlichen Vereinigung des Saarlandes und der AOK Saarland eingelegten Widersprüche wurden durch Beschluss des Berufungsausschusses für Ärzte vom 1.7.2003 zurückgewiesen. Es handele sich um einen Grenzfall, für dessen Beurteilung letztlich ausschlaggebend sei, dass das Vertrauensverhältnis der in der Kassenärztlichen Vereinigung zusammengeschlossenen Ärzte zu ihrem Mitglied nicht so unheilbar zerrüttet erscheine, dass diesen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr zugemutet werden könne. Zudem habe dieser sich zur Rückzahlung verpflichtet und seien die abgerechneten Leistungen ärztlich notwendig gewesen und von entsprechenden Fachärzten erbracht worden. Nicht unwesentlich sei ferner, dass der Kläger seit dem 1.7.2003 der einzige niedergelassene Anästhesist und an der Schmerztherapievereinbarung teilnehmende Schmerztherapeut im Planungsbereich sei und ansonsten in seiner rund zehnjährigen Tätigkeit als Vertragsarzt nie wegen eines Pflichtenverstoßes auffällig geworden sei.

Das wegen der festgestellten Abrechnungsunregelmäßigkeiten gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren wurde durch rechtskräftig gewordenen Strafbefehl des Amtsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 1.4.2005 – 5132 Js 27481/01 4aCs – abgeschlossen. Der Kläger wurde wegen dreifachen Betrugs zum Nachteil der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz und der Kassenärztlichen Vereinigung des Saarlandes zu einer Geldstrafe von 250 Tagessätzen verurteilt, weil er als niedergelassener Kassenarzt bei den drei Quartalsabrechnungen im Zeitraum von Oktober 2000 bis Juli 2001 wissentlich ambulante Anästhesieleistungen aufgeführt habe, die er als persönlich erbracht deklariert habe, obwohl diese nicht von ihm selbst, sondern auf seine Veranlassung hin von zwei anderen Anästhesisten erbracht worden seien. Diese seien indes weder Praxisteilhaber des Klägers gewesen noch sei ihr Einsatz als Praxishelfer des Klägers zuvor kassenärztlich genehmigt worden. Nach den strafgerichtlichen Feststellungen bedinge dies eine Verletzung der Vorgaben der §§ 32, 32 a Ärzte-ZV, in deren Folge dem Kläger kassenärztliche Honorare in Höhe von insgesamt 128.108,36 EUR zugeflossen seien.

Ein auf Antrag der Ärztekammer des Saarlandes vom 20.10.2006 wegen der Vorwürfe eingeleitetes und durch Beschluss des Ärztegerichtes des Saarlandes vom 25.2.2007 eröffnetes berufsgerichtliches Verfahren wurde von dem Ärztegericht in der Hauptverhandlung vom 21.11.2007 mit Zustimmung der Ärztekammer in Anwendung der §§ 1 und 2 Berufsgerichtsordnung, 153 StPO eingestellt.

Dem Beklagten ist der Strafbefehl vom 1.4.2005 am 17.7.2008 bekannt geworden.

Nach entsprechender Anhörung des Klägers widerrief er mit Bescheid vom 30.7.2009 dessen ärztliche Approbation wegen Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Der zentrale Einwand des Klägers, den Krankenkassen sei wirtschaftlich kein Schaden entstanden, da die abgerechneten Leistungen tatsächlich – wenn auch nicht durch ihn persönlich – erbracht worden seien, verfange nicht. Denn es gelte ein streng formaler Schadensbegriff und es sei geklärt, dass ein den Kassen zugefügter Schaden nicht dadurch kompensiert werde, dass diese infolge des Einsatzes ungenehmigter Assistenten Aufwendungen erspart hätten, die ihnen entstanden wären, wenn die behandelten Patienten die Leistungen eines anderen Arztes in Anspruch genommen hätten. Dieser Umstand ändere nichts am Vorliegen strafbarer Pflichtverletzungen, sei im Strafverfahren nur im Rahmen der Strafzumessung von Relevanz und dort zugunsten des Klägers berücksichtigt worden. Approbationsrechtlich sei zudem von Belang, dass ein Teil der im Strafverfahren gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe nicht Gegenstand des Strafbefehls gewesen sei, da die Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung insoweit gemäß den §§ 154, 154 a StPO auf die im Strafbefehl genannten Straftaten beschränkt habe.

Der hiergegen seitens des Klägers am 19.8.2009 eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 4.1.2010, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 13.1.2010, zurückgewiesen.

Zur Begründung seiner am 8.2.2010 erhobenen Klage hat der Kläger seinen Einwand, den kassenärztlichen Vereinigungen wirtschaftlich keinen Schaden zugefügt zu haben, bekräftigt und dahingehend vertieft, dass unter den gegebenen Umständen eine konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nie bestanden habe. In der Sache könne man ihm zwar eine schlechte Praxisorganisation vorwerfen, nicht aber die Absicht, sich durch betrügerisches Handeln zu bereichern. Er sei kurzfristig eingesprungen, als der HNO-Praxis, um deren ambulante Operationen es gehe, ihr Anästhesist abhanden gekommen sei. Die abgerechneten Anästhesieleistungen seien nach den Regeln der ärztlichen Kunst beanstandungsfrei erbracht worden. Hätte er die Hilfe der eingeschalteten Anästhesisten lediglich bei der Behandlung von Privatpatienten in Anspruch genommen und alle Kassenpatienten selbst behandelt, hätte es abrechnungstechnisch keine Probleme gegeben. Er habe keine „Luftrechnungen“ ausgestellt, sondern nur ärztliche Leistungen abgerechnet, die tatsächlich erbracht worden seien. Damit unterscheide sich sein Fall maßgeblich von den meisten anderen Fällen, in denen Ärzten ein betrügerisches Abrechnungsverhalten vorgeworfen werde. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die verfahrensgegenständlichen Abrechnungen den Zeitraum Oktober 2000 bis Juli 2001 beträfen und er seither in keiner Weise mehr auffällig geworden sei, vielmehr in der Zwischenzeit sogar promoviert habe, so dass sich die Frage der Reichweite des Grundrechtsschutzes gemäß Art. 12 Abs. 1 GG in besonderem Maße stelle. Der Widerspruchsbescheid sei erst am 4.1.2010 ergangen. In den damit rund achteinhalb Jahren seit dem Tatzeitraum habe er sich standesgemäß verhalten. Der Beklagte habe dies unter Außerachtlassung der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht in seine approbationsrechtliche Würdigung einbezogen, was zur Rechtswidrigkeit seiner Entscheidung führe.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 30.7.2009 in der Form des Widerspruchsbescheides des Ministeriums für Gesundheit und Verbraucherschutz vom 4.1.2010 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat hinsichtlich der Tatbestands- und der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf die Begründung der angefochtenen Bescheide Bezug genommen und ist dem Einwand des Klägers, eine Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter habe nie bestanden, mit dem Hinweis entgegengetreten, dass dieser Gesichtspunkt zwar im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Bedeutung habe, in einem Hauptsacheverfahren aber nicht zu prüfen sei, da die Widerrufstatbestände eine solche Gefahr nicht voraussetzten. Von maßgeblicher Bedeutung sei, dass das Amtsgericht Neustadt an der Weinstraße rechtskräftig darauf abgestellt habe, dass der Kläger wissentlich und willentlich unberechtigt Leistungen bei der getäuschten Kassenärztlichen Vereinigung des Saarlandes abgerechnet habe, die von dort zu Unrecht bezahlt worden seien. Hieran müsse der Kläger sich im approbationsrechtlichen Verfahren festhalten lassen. Dass es in der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg heiße, ein Zeitabstand zwischen Tatbegehung und Erlass des Widerrufsbescheids von dreieinhalb Jahren könne angesichts der Dauer und Schwere der Verstöße für sich genommen nicht zum Beleg einer zwischenzeitlichen Bewährung ausreichen, sei nicht verallgemeinerungsfähig und bedeute insbesondere nicht, dass bei einem Zeitablauf von achteinhalb Jahren der Nachweis einer Bewährung geführt sei. Insbesondere sei anerkannt, dass zur Wiedererlangung der Berufswürdigkeit eine Bewährungszeit außerhalb des Berufs zu fordern sei. Nur außerhalb des Berufs könne ein längerer Reifeprozess in Gang gesetzt werden, der letztlich eine Änderung der manifest gewordenen Charaktermängel belegen könne.

Durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 28.11.2011 ergangenes Urteil, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 27.2.2012, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, das durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Neustadt an der Weinstraße festgestellte pflichtwidrige Verhalten des Klägers erfülle bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens sowohl den Widerrufsgrund der Unwürdigkeit wie auch der Unzuverlässigkeit. Ersterer sei erfüllt, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitze, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig sei. Erforderlich sei ein schwerwiegendes Fehlverhalten, das bei Würdigung aller Umstände eine weitere Berufsausübung als untragbar erscheinen lasse. Unzuverlässig als Arzt sei, wer nicht die Gewähr dafür biete, dass er in Zukunft seine beruflichen Pflichten zuverlässig erfüllen werde. Gegenstand einer hinsichtlich beider Tatbestände relevanten Pflichtverletzung seien neben den zum Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit gehörenden Pflichten unter anderem auch alle berufsbezogenen mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit in nahem Zusammenhang stehenden Handlungen und Unterlassungen. Fallbezogen seien beide Tatbestände angesichts des in den fehlerhaften Abrechnungen zu Tage getretenen strafbaren Verhaltens erfüllt. Die dem Strafbefehl zu Grunde liegenden Feststellungen dürften dem Kläger auch im approbationsrechtlichen Verfahren entgegengehalten werden, wobei eine eigenständige Überprüfung auf ihre approbationsrechtliche Relevanz vorzunehmen sei. Die insoweit seitens der Kammer durchgeführte Überprüfung habe die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen als zutreffend bestätigt. Es gebe keine gewichtigen Anhaltspunkte im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die auf eine Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen hindeuten würden, und in rechtlicher Hinsicht sei geklärt, dass der einem rechtskräftigen Strafbefehl zu Grunde liegende Sachverhalt, auch wenn der Schuldspruch das Ergebnis einer Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Angeklagtem sei, diesem – unabhängig von den Gründen, die ihn zu der Verständigung bewogen hätten – als feststehend entgegengehalten werden dürfe. Die dem Kläger damit nachgewiesenen Verfehlungen rechtfertigten ihrer Art und Schwere nach den Widerruf seiner Approbation. Die korrekte Abrechnung von Behandlungskosten sei eine berufsbezogene gegenüber den Krankenkassen bestehende ärztliche Pflicht. Diesbezügliche Pflichtverletzungen seien generell geeignet, die Zuverlässigkeit und die Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs in Zweifel zu ziehen. Dabei stellten sich betrügerische Abrechnungen regelmäßig dann als besonders schwerwiegend dar, wenn der in Rede stehende Schaden nicht nur geringfügig sei. Gegenteiliges ergebe sich insbesondere nicht aus der vom Kläger in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den besonderen Anforderungen, unter denen die sofortige Vollziehung eines allein auf Berufsunwürdigkeit gestützten Widerrufs angeordnet werden dürfe. Hauptsachebezogen habe diese Rechtsprechung keine Relevanz. Schließlich sei auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt. Dieser gebiete bei Vorliegen eines Widerrufstatbestands keine zusätzliche Auseinandersetzung mit individuellen Umständen wie etwa der familiären Situation, der bisherigen Unbescholtenheit, dem Alter und den Möglichkeiten zu einer anderen beruflichen Tätigkeit. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang auch, ob es sich bei dem nachgewiesenen Fehlverhalten um den ersten und einmaligen Verstoß gegen die ärztlichen Pflichten handele. Im Übrigen sei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung getragen, dass nach der Gesetzeslage nach Abschluss des Widerrufsverfahrens die Möglichkeit eines Antrags auf Wiedererteilung der Approbation bestehe und gegebenenfalls zunächst eine Erlaubnis zur erneuten Ausübung des ärztlichen Berufs erteilt werden könne. Auch der klägerseits angesprochene Zeitablauf zwischen Fehlverhalten und Abschluss des Verwaltungsverfahrens rechtfertige keine ihm günstigere Beurteilung, zumal die rechtskräftige Verurteilung in Rheinland-Pfalz den hiesigen Behörden erst spät bekannt geworden sei und die Bewährungszeit nach der Rechtsprechung erst mit der Rechtskraft der approbationsrechtlichen Widerrufsentscheidung beginne.

Der Kläger hat am 27.3.2012 beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, und diesen Antrag am 27.4.2012 begründet.

Im Verlauf des Zulassungsverfahrens hat der Beklagte mitgeteilt, ihm sei bekannt geworden, dass der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts Saarlouis wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden sei. Der Rechtskraftvermerk datiere vom 29.5.2012.

Der Senat hat die Berufung durch Beschluss vom 16.10.2012 - 1 A 109/12 -, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 22.10.2012, zugelassen.

Im Mittelpunkt der am 2.11.2012 bei Gericht eingegangenen Berufungsbegründung des Klägers steht der Einwand, weder der Beklagte noch das Verwaltungsgericht habe die Besonderheiten des Falles hinreichend gewürdigt. Der Fall des Klägers sei nicht vergleichbar mit den üblichen Fällen betrügerischer Abrechnungen von Ärzten, die sich dadurch auszeichneten, dass nicht erbrachte Leistungen zu Unrecht abgerechnet worden seien. Vorliegend habe der Kläger indes – selbst oder durch beauftragte Fachärzte – alle abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht, um einer in Not geratenen HNO-Praxis die Aufrechterhaltung des Praxisbetriebs zu ermöglichen. Dies habe auch der im Strafverfahren zuständig gewesene Oberstaatsanwalt erkannt, und auf dieser Grundlage sei es im Strafverfahren zu einer Absprache gekommen, auf der der Strafbefehl des Amtsgerichts Neustadt an der Weinstraße beruhe. Besagter Oberstaatsanwalt habe sich damals dahingehend geäußert, dass er den Kläger im Falle der Nichtleistungserbringung vor der großen Kammer des Landgerichts Frankenthal angeklagt und eine Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren beantragt hätte. Der Fall des Klägers unterscheide sich auch insoweit von den typischen Abrechnungsbetrügereien, als der Kläger für die Erbringung der abgerechneten ärztlichen Leistungen tatsächlich eigene Personal- und Sachmittel eingesetzt habe. Der Kläger sei demgemäß vom Strafgericht nicht wegen Abrechnung nicht erbrachter Leistungen, sondern wegen des Einsatzes seitens der Kassenärztlichen Vereinigung des Saarlandes nicht genehmigter Assistenten – die jedoch über die erforderliche Qualifikation verfügt hätten – verurteilt worden. Damit reduziere sich das Fehlverhalten des Klägers im Kern auf eine schlechte Organisation seines Praxisbetriebs. Die Abrechnungsprobleme hätten sich vermeiden lassen, wenn der Kläger die Anästhesie aller Kassenpatienten selbst übernommen und den Einsatz der beiden ehemaligen Oberärzte auf die Anästhesieversorgung von Privatpatienten beschränkt hätte. Zudem sei den Krankenkassen bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Schaden nicht entstanden, denn die abgerechneten Leistungen hätten auch bei korrekter Abrechnung bezahlt werden müssen. Diese besonderen Gegebenheiten seien im approbationsrechtlichen Verfahren zu berücksichtigen. Hinzu trete, dass der Zeitraum der fehlerhaften Abrechnungen zur Zeit des Tätigwerdens des Beklagten bereits sehr lange zurück gelegen habe und der Kläger zur Zeit des Einschreitens bereits über Jahre hinweg weiterhin beanstandungslos als Anästhesiearzt tätig gewesen sei. Letztlich hätten auch die von dem Fehlverhalten des Klägers unmittelbar Betroffenen keinen hinreichenden Grund gesehen, seine weitere vertragsärztliche Tätigkeit zu unterbinden und eine berufsgerichtliche Ahndung sei ebenfalls unterblieben.

Abschließend weist der Kläger darauf hin, dass er seine Zulassung als Kassenarzt zum 31.3.2011 aufgegeben habe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 28.11.2012 den Bescheid des Beklagten vom 30.7.2009 und den Widerspruchsbescheid des Ministeriums für Gesundheit und Verbraucherschutz vom 4.1.2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den Einwänden des Klägers entgegen, dass diese nicht neu seien, es irrelevant sei, warum der Kläger für die rheinland-pfälzische HNO-Praxis tätig geworden sei und ob alles korrekt gewesen wäre, wenn der Kläger den ärztlichen Einsatz anders organisiert hätte. Entscheidend sei, dass der Kläger unter Missachtung der §§ 32, 32 a Ärzte-ZV abgerechnet habe, wobei in den von ihm ausgefüllten und unterschriebenen Sammelerklärungen der drei verfahrensgegenständlichen Quartale ausdrücklich auf diese Vorschriften hingewiesen gewesen sei. Durch sein Abrechnungsverhalten habe der Kläger das Vertrauen der Kassenärztlichen Vereinigung in die Korrektheit der Abrechnung missbraucht, weswegen er sich einen massiven Verstoß gegen vertragsärztliche Verpflichtungen vorhalten lassen müsse. Es gehe auch nicht darum, ob den Krankenkassen bei korrekter Abrechnung gleiche Kosten entstanden wären, denn das Kassenarztrecht sehe bei Verstößen gegen die §§ 32, 32 a Ärzte-ZV ein Regressverfahren mit anschließender Rückführung der zu Unrecht erfolgten Leistungen vor. Ebenso unerheblich sei, aus welchen Gründen im Strafverfahren von einer Freiheitsstrafe abgesehen worden sei. Schließlich sei für das Scheitern des Antrags der Kassenärztlichen Vereinigung des Saarlandes und der AOK, dem Kläger die kassenärztliche Zulassung zu entziehen, ausweislich der Begründung des die Zurückweisung durch den Zulassungsausschuss bestätigenden Beschlusses des Berufungsausschusses letztlich ausschlaggebend gewesen, dass der Kläger damals der einzige niedergelassene Anästhesist und der einzige an der Schmerztherapievereinbarung teilnehmende Schmerztherapeut im Planungsbereich gewesen und vor diesem Hintergrund befürchtet worden sei, die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen könnten ihrem gesetzlich normierten Sicherstellungsauftrag nicht gerecht werden. Nach alldem habe das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass der Kläger dem solidarischen System der Gesundheitsvorsorge Schaden zugefügt und sich dadurch als unwürdig und unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufs erwiesen habe.

Aus den zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung eingesehenen und vollständig kopierten Akten des Strafverfahrens wegen sexueller Nötigung – 6 Ls 14 Js 129/09 (9/10) – (4 Hefte) ergibt sich, dass der Kläger sich in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Saarlouis zur Sache eingelassen hat und nach Vernehmung von neun Zeugen durch Urteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 31.5.2010 wegen eines Geschehens vom 28.5.2009 – wie vom Beklagten mitgeteilt – verurteilt worden ist, seine Berufung durch Urteil des Landgerichts B-Stadt aufgrund der Hauptverhandlung vom 21.9. und 6.10.2011 nach erneuter Beweisaufnahme verworfen und seine Revision durch Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 4.5.2012 als offensichtlich unbegründet verworfen worden sind.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Kopie der Strafakte 6 Ls 14 Js 129/09 (9/10) (1 Ordner), der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten (1 Ordner) sowie der beigezogenen Akten des Zulassungs- bzw. des Berufungsausschusses für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung des Saarlandes (1 Heft) und des Ärztegerichts des Saarlandes (1 Heft), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der Senat konnte in Abwesenheit des anwaltlich vertretenen Klägers, dessen persönliches Erscheinen zu der mündlichen Verhandlung in der Ladungsverfügung vom 10.4.2013 zwecks weiterer Aufklärung der Umstände um die Verurteilung wegen sexueller Nötigung angeordnet worden war, über die Berufung verhandeln und entscheiden. Denn die ebenfalls mit der Ladungsverfügung beigezogenen Strafakten, in denen unter anderem die dortige Einlassung des Klägers, die Aussage der Geschädigten und eine Vielzahl von Zeugenaussagen dokumentiert sind, erhellen den der Verurteilung zu Grunde liegenden Geschehensablauf im Einzelnen. Die mit der Anordnung des persönlichen Erscheinens bezweckte Sachaufklärung hat mithin in anderer Weise stattgefunden, so dass das persönliche Erscheinen des Klägers entbehrlich geworden ist.1(BVerwG, Urteile vom 11.11.1980 - I C 23/75 -, juris Rdnr. 16, und  vom 28.11.2007 - 2 WD 28/06 -, juris Rdnr. 15; vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 4.4.1997 - 6 B 23/97 - und vom 2.10.2000 - 6 B 46/00 -, jew. juris) Der Senat hat dies in der mündlichen Verhandlung zum Anlass genommen, die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers nach entsprechender Anhörung seines Prozessbevollmächtigten aufzuheben.

Das Verwaltungsgericht hat die zulässige gegen den Widerruf der ärztlichen Approbation gerichtete Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Widerrufsverfügung des Beklagten vom 30.7.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 4.1.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Ausgehend von der Erkenntnislage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sich durch sein sich strafrechtlich als sexuelle Nötigung darstellendes Verhalten vom 28.5.2009 als unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs erwiesen. Erst recht gilt dies bei der gebotenen zusätzlichen Berücksichtigung seines betrügerischen Verhaltens Ende 2000/Anfang 2001.

Es kann daher dahinstehen, ob bereits sein Fehlverhalten im Zeitraum vom Oktober 2000 bis Juli 2001, das seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer Geldstrafe von 250 Tagessätzen wegen dreifachen Betrugs durch Strafbefehl des Amtsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 1.4.2005 zugrunde liegt, für sich genommen unter Berücksichtigung des schon in der approbationsrechtlichen Tatbestandsprüfung zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes so schwer wiegt, dass es die Feststellung rechtfertigt, der Kläger habe sich im Sinn der §§ 5 Abs. 2 Satz 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO als unzuverlässig und/oder unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs erwiesen. Der Senat hält an seinen diesbezüglichen - in den Gründen seines Zulassungsbeschlusses vom 16.10.2012 angesprochenen - Bedenken fest, zumal auch die Auswertung der in diesem Zusammenhang mit Schreiben vom 17.10.2012 beigezogenen Akten des Zulassungsausschusses für Ärzte für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung des Saarlandes und der Akten des Ärztegerichts des Saarlandes keine neuen dem Kläger insoweit nachteiligen Anhaltspunkte ergeben hat. Mithin spricht nach wie vor viel dafür, dass der damalige - die Vorgaben der §§ 32 bis 32 b Ärzte-ZV missachtende - Pflichtenverstoß zwar durchaus als gewichtig zu beurteilen ist, dennoch aber nicht so schwer wiegt, dass er für sich genommen ausreicht, unter Beachtung des Grundrechtsschutzes aus Art. 12 GG und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes den Tatbestand der Unzuverlässigkeit und/oder der Unwürdigkeit im Sinn der §§ 5 und 3 BÄO auszufüllen und damit den Widerruf der ärztlichen Approbation zu tragen.

Hierauf kommt es jedoch entscheidungserheblich nicht mehr an, da nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Senat feststeht, dass der Kläger sich kurz vor Ergehen der Widerrufsverfügung des Beklagten wegen sexueller Nötigung einer Arzthelferin eines Kollegen nach § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht und sich dadurch und durch sein weiteres Verhalten im Zusammenhang mit dieser Tat als unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs erwiesen hat.

Das diesen Straftatbestand nach den Feststellungen der Strafgerichte verwirklichende Geschehen vom 28.5.2009 ist im vorliegenden Widerrufsverfahren zu berücksichtigen und erfüllt jedenfalls den Widerrufsgrund der Unwürdigkeit.

Im Approbationsrecht ist anerkannt, dass für die Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Unwürdigkeit und/oder der Unzuverlässigkeit und damit die Voraussetzungen für den Erlass eines statusentziehenden Verwaltungsakts vorliegen, auf die Umstände im Zeitpunkt des Abschlusse des Verwaltungsverfahrens abzustellen ist.(BVerwG, Urteil vom 16.9.1997 - 3 C 12/95 -, juris Rdnr. 25; BVerwG, Beschlüsse vom 18.8.2011 - 3 B 6/11 -, juris Rdnr. 9, vom 9.11.2006 - 3 B 7/06 -, juris Rdnr. 10, und vom 14.4.1998 - 3 B 95/97 -, juris Rdnr. 11; vgl. z.B. auch: BayVGH, Urteil vom 30.9.2010 - 21 BV 09.1279 -, juris Rdnr. 22) Damit entspricht die Rechtslage derjenigen in Fällen des sonstigen Gewerbe- und Berufsrechts, in denen es um die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Erlaubnisinhabers geht(z.B. BVerwG, Urteil vom 28.4.2010 - 3 C 22/09 -, juris Rdnr. 10). In diesen Konstellationen ist jeweils die im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung objektiv bestehende Sachlage maßgeblich, weshalb auch solche Erkenntnismittel heranzuziehen und auszuwerten sind, die als solche zwar erst nach Erlass der letzten Behördenentscheidung entstanden oder zugänglich geworden sind, soweit sich aus ihnen Anhaltspunkte für das Vorliegen eines den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Sachverhalts im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ergeben(BVerwG, Beschlüsse vom 27.6.1997, juris Rdnr. 7, und vom 16.10.1998, juris Rdnr. 6; zur Streichung aus der Architektenliste wegen Unzuverlässigkeit neuestens: OVG Niedersachsen, Beschluss vom 24.5.2012 - 8 LA 198/11 -, juris Rdnrn. 8 f. m.w.N.). So liegt der Fall hier.

Im Verlauf des Zulassungsverfahrens ist bekannt geworden, dass der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts Saarlouis wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden ist. Die Auswertung der beigezogenen Strafakte 6 Ls 14 Js 129/09 (9/10) hat ergeben, dass das Urteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 31.5.2010 datiert, damit zwar ebenso wie das nachfolgende Berufungsurteil des Landgerichts B-Stadt und der die Revision des Klägers als offensichtlich unbegründet verwerfende Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts in zeitlicher Hinsicht erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens durch Widerspruchsbescheid vom 4.1.2010 ergangen ist, dass der damaligen Verurteilung des Klägers aber ein Geschehen vom 28.5.2009 zugrunde liegt, das sich mithin bereits zwei Monate vor Ergehen der Widerrufsverfügung vom 30.7.2009 ereignet hat. Damit ist dieses Geschehen als Teil der objektiven im Zeitpunkt des verwaltungsbehördlichen Tätigwerdens bestehenden Sachlage vollumfänglich mit in den Blick zu nehmen.

Fallbezogen ist daher die Frage aufgeworfen, ob das Verhalten des Klägers vom 28.5.2009 die Annahme seiner Unwürdigkeit und/oder seiner Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs begründet.

Jedenfalls ersteres ist zu bejahen. Dies rechtfertigt – ohne dass daneben auf das Vorliegen auch der Voraussetzungen der Unzuverlässigkeit ankommt – den Widerruf der Approbation(BVerwG, Beschluss vom 2.11.1992 - 3 B 87/92 -, juris Rdnr. 5 m.w.N.).

Unwürdigkeit setzt voraus, dass der Arzt aufgrund eines schwerwiegenden Fehlverhaltens nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist, vielmehr seine weitere Berufsausübung bei Würdigung aller Umstände als untragbar erscheint. Dabei knüpft die Feststellung der Berufsunwürdigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an hohe Voraussetzungen(BVerwG, Beschluss vom 14.4.1998, a.a.O., Rdnr. 11). Erforderlich sind gravierende Verfehlungen, die geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos, nachhaltig zu erschüttern. Es geht dabei nicht um eine Sanktionierung des Fehlverhaltens, sondern um den Schutz des Ansehens der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit. Ziel ist die Aufrechterhaltung des für jede Heilbehandlung unabdingbaren Vertrauens der Patienten in die Integrität der Personen, denen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde verliehen ist und in deren Behandlung sich die Patienten begeben. Denn dieses Vertrauen würde zerstört durch eine fortdauernde Berufstätigkeit von Ärzten, die ein Fehlverhalten gezeigt haben, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren ist. Angesichts dieser Zielsetzung bedarf es im Rahmen der Tatbestandsprüfung keiner auf die Person des Betroffenen bezogenen – sozusagen zusätzlichen – Gefahrenprognose(BVerwG, Beschlüsse vom 27.1.2011 - 3 B 63/10 -, juris Rdnr. 4, und vom 18.8.2011, a.a.O., Rdnr. 8), zumal es einen Rechtssatz des Inhalts, dass nur wiederholte oder bekannt gewordene berufliche Verfehlungen oder nur nicht minder schwere Straftaten einen Widerruf rechtfertigen, nicht gibt(BVerwG, Beschluss vom 27.1.2011, a.a.O., Rdnr. 3). Demgemäß stellt der Entziehungstatbestand der Unwürdigkeit nicht auf den von Zufälligkeiten abhängigen Umstand ab, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint(BVerwG, Beschluss vom 28.1.2003 - 3 B 149/02 -, juris Rdnr. 4). Gemessen an diesen in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben, die eine umfassende Würdigung aller im Einzelfall relevanten Umstände bedingen(BVerwG, Beschluss vom 18.8.2011, a.a.O., Rdnr. 8), hat der Kläger sich als unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs erwiesen.

Nach den auf der Grundlage einer umfangreichen Beweisaufnahme, in der es neben dem eigentlichen Tatgeschehen auch um die Persönlichkeit der Geschädigten und deren Reaktion auf die Geschehnisse vom 28.5.2009 sowie das Auftreten des Klägers gegenüber dem Personal der Arztpraxis seines Kollegen anlässlich seiner langjährigen beruflichen Zusammenarbeit mit dem Praxisinhaber ging, getroffenen Feststellungen im Strafurteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 31.5.2010 hat der Kläger sich am 28.5.2009 wegen sexueller Nötigung strafbar gemacht. Er hat eine in den Abendstunden noch allein in den Räumen eines im selben Haus wie er praktizierenden Arztkollegen anwesende damals 25 Jahre alte Arzthelferin nach anfänglichen anzüglichen Bemerkungen und einem durch Wegziehen ihres T-Shirts ermöglichten Blick in ihr Dekolleté nach dem Eintreffen der Putzhilfe durch ihm nicht erlaubtes Aufsuchen des Arztzimmers veranlasst, ihm mit dem Ziel, ihn am Verbleiben in dem Zimmer zu hindern, zu folgen, sie sodann nach Schließen der Zimmertür an die Wand gedrückt, sie festgehalten und ihr mit der Bemerkung, er wolle nur nachsehen, ob sie „unten herum rasiert“ sei, mit der rechten Hand in die Hose gegriffen, wobei er sie unter der Unterwäsche an der Scheide berührt hat. Die Berührung währte nur kurz, da es der Arzthelferin gelangt, sich loszureißen, woraufhin der Kläger das Arztzimmer mit der Bemerkung „das bleibt aber unter uns“ verließ.

Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht B-Stadt erneut durch Vernehmung der Geschädigten sowie von 11 Zeugen Beweis erhoben und die Berufung zurückgewiesen, weil sich der vom Amtsgericht festgestellte Sachverhalt bestätigte.

Auch aus Sicht des Senats steht außer Zweifel, dass die strafgerichtlichen Feststellungen zum Tathergang das Tatbestehen, wie es sich bei Auswertung der protokollieren Aussagen anlässlich der polizeilichen Vernehmungen und der Zeugenbefragungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht (Bl. 153 ff. der Strafakte) ergibt, zutreffend widerspiegeln. Sie können der approbationsrechtlichen Würdigung – ebenso wie die Feststellungen zur Persönlichkeit des Klägers und zu seinem Auftreten gegenüber dem Personal seines Arztkollegen – mangels Erkennbarkeit von Anhaltspunkten für ihre Unrichtigkeit uneingeschränkt zugrunde gelegt werden(BVerwG, Urteil vom 26.9.2002 - 3 C 37/01 -, juris Rdnr. 38 m.w.N.; ferner Beschluss vom 6.3.2003 - 3 B 10/03 -, juris Rdnr. 2; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 8.3.2012 - 3 A 87/10 -, juris Rdnrn. 11 ff.; ebenso z.B. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 18.4.2012 - 8 LA 6/11 -, juris Rdnrn. 19 ff. und vom 13.1.2009 - 8 LA 88/08 -, juris Rdnrn. 7 f.; vgl. zur Befugnis der Approbationsbehörde und der Verwaltungsgerichte, auch Ermittlungsergebnisse der Polizei und der Staatsanwaltschaft, die nicht zu einer Anklageerhebung geführt haben, einer eigenständigen Bewertung zu unterziehen: BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.1.1991 - 1 BvR 1326/90 -, juris Rdnr. 15, und BVerwG, Beschluss vom 28.4.1998 - 3 B 174/97 -, juris Rdnr. 4; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.3.2012 - 13 B 228/12 -, juris Rdnr. 4). Insbesondere werden sie durch die Einlassung des Klägers im Strafverfahren nicht entkräftet.

Er hat im Ermittlungsverfahren keine Angaben zur Sache gemacht, soll aber ausweislich eines Polizeivermerks vom 5.11.2009 anlässlich der erkennungsdienstlichen Behandlung geäußert haben, es sei zwar an besagtem Abend zu einem heftigen Flirt gekommen, der allerdings einvernehmlich und ohne Gewaltanwendung stattgefunden habe (Bl. 110 f. der Strafakte). In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht hat er sich zur Sache geäußert und dahingehend eingelassen, dass er sich mit der Arzthelferin, die er allein in der Praxis angetroffen habe, zunächst über deren Äußeres unterhalten und ihr dabei auch Komplimente gemacht habe. Dann habe sie, da sie ihre Brüste für zu klein gehalten habe, diese selbst gezeigt, woraufhin das Gespräch weitergegangen und in eine Art „Flapsgespräch“ ausgeartet sei. Nach Eintreffen der Putzfrau habe er sie gebeten, ihm das neue Zimmer ihres Chefs zu zeigen. Sie seien dort hinein gegangen, hätten inmitten des Zimmers gestanden und sich weiter unterhalten. Schließlich habe sie anlässlich des Themas Bauchstraffung ihre Bluse hochgezogen und ihren Bauch gezeigt, woraufhin er gefragt habe, ob sie rasiert sei, ihre Hose weggezogen und im Rahmen von Flirten mit der Hand reingefahren sei. An der Scheide habe er sie dabei nicht angefasst. Hieraufhin habe sie gesagt, es reiche, weswegen er geantwortet habe, er werde gehen und das bleibe unser Geheimnis. Er habe gemerkt, dass er zu weit gegangen sei (Bl. 156 der Strafakte).

Diese Darstellung überzeugt - wie das Amtsgericht und das Landgericht im Einzelnen ausgeführt haben - auch nicht ansatzweise. Vielmehr haben die Kolleginnen und die Ehefrau des Chefs der Geschädigten diese übereinstimmend als besonders zart und nicht in der Lage, sich in einem Konflikt durchzusetzen, beschrieben und bestätigt, dass sie in der Zeit nach dem Vorfall sehr ängstlich gewesen sei, sich insbesondere nicht mehr getraut habe, abends allein in der Praxis zu bleiben bzw. diese ohne Begleitung zu verlassen. Hiermit ist ihr angebliches Auftreten am Tatabend – so wie der Kläger es behauptet – nicht zu vereinbaren.

Sehr wohl mit dem geschilderten Persönlichkeitsbild zu vereinbaren ist indes ihre eigene Angabe anlässlich ihrer polizeilichen Vernehmung am 24.6.2009 (Bl. 13 ff. der Strafakte), das Gespräch des Klägers sei ihr peinlich gewesen und sie habe versucht, es zu ignorieren. Aus Respekt habe sie nicht den Mut aufgebracht, ihm deutlich zu sagen, dass sie an so einem Gespräch nicht interessiert sei. Die Aktenlage, insbesondere die Einschätzung der Ehefrau des Chefs der Geschädigten (Bl. 36 der Straftakte) und verschiedener als Zeuginnen vernommener Kolleginnen der Geschädigten (Bl. 60, 69, 77, 86 und 159 der Strafakte), spricht eindeutig dafür, dass der Kläger das zurückhaltende Wesen und die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit der als attraktiv beschriebenen (Bl. 36 der Strafakte) Geschädigten bewusst ausgenutzt hat.

Weiter ergibt sich aus der Strafakte, dass die Geschädigte unter dem Tatgeschehen insbesondere psychisch sehr gelitten und daneben auch körperliche Beschwerden in Gestalt einer behandlungsbedürftigen Krampfblase hinzunehmen hatte. Sie war in der Folgezeit des Geschehens äußerst ängstlich und nicht mehr in der Lage, abends alleine zu ihrem Fahrzeug zu gehen (Bl. 61, 70, 85, 90, 158, 164, 165, 166 der Strafakte). Dessen ungeachtet hat der Kläger ihren glaubhaften Bekundungen zufolge (Bl. 19 der Strafakte), die die Ehefrau ihres Chefs (Bl. 32 f. der Strafakte) und Kolleginnen (Bl. 61, 92 f., 160 f., 164 der Strafakte) bestätigt haben, auch nach dem Vorfall erneut ihre Nähe gesucht, die Geschädigte dadurch in große Angst versetzt und hiervon erst abgelassen, nachdem er von der Ehefrau ihres Chefs mit deutlichen Worten zur Rede gestellt worden ist (Bl. 33 f., 61 f. der Strafakte). Diesem – wenngleich strafrechtlich nicht relevanten – Verhalten im Anschluss an das eigentliche Tatgeschehen ist im Rahmen der approbationsrechtlichen Würdigkeitsprüfung ebenfalls Gewicht beizumessen. Denn dadurch, dass der Kläger der Geschädigten auch nach dem eigentlichen Tatgeschehen vom 28.5.2009 nachgestellt hat, hat er ihr seelisches Befinden weiterhin in unangemessener Weise beeinträchtigt und ihr so die persönliche Aufarbeitung des Vorfalls erschwert.

In der Rechtsprechung ist bereits entschieden, dass ein Arzt, der die Tathandlung einer sexuellen Nötigung begangen hat, regelmäßig nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbar ist(BayVGH, Urteil vom 25.9.2012 - 21 BV 11.340 -, juris; vgl. hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 27.1.2011, a.a.O.; OVG Bremen, Urteil vom 18.6.2002 - 1 A 216/01 -, juris). Dies gilt in vorliegendem Fall im besonderen Maße. Denn der Kläger hat zum Einen ausgenutzt, dass sein Opfer als Arzthelferin eines Kollegen, mit dem er im Bereich ambulanter Operationen zusammenarbeitete, großen Respekt vor ihm hatte, ihm und ihrem Chef keine Schwierigkeiten machen wollte und sich aufgrund ihres zurückhaltenden Wesens nicht traute, ihn nachdrücklich in die Schranken zu weisen, um so zu versuchen, sein sie belästigendes Verhalten frühzeitig zu unterbinden. Sein Versagen stand daher in engem Zusammenhang zu der Ausübung seines Berufs. Zum Anderen hat er – wie ausgeführt – auch nach der Straftat versucht, die Geschädigte in den Abendstunden in der Praxis aufzusuchen, und ihre Angst dadurch weiter geschürt. Dies lässt jegliche Einsicht in sein vorheriges Fehlverhalten oder gar Reue vermissen. Die Gesamtschau dieser den konkreten Einzelfall prägenden Umstände belegt, dass dem Fehlverhalten des Klägers, das sich in der abgeurteilten Straftat und seiner weiteren Verhaltensweise im Anschluss an die Tat manifestiert hat, ein ganz erhebliches Gewicht zukommt, welches die weitere Ausübung des ärztlichen Berufs auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des durch Art. 12 GG gewährleisteten Grundrechtsschutzes als objektiv untragbar erscheinen lässt. Denn die Verfehlungen sind in ihrer Gesamtheit so gravierend, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand der Ärzte, bliebe das Verhalten des Klägers für den Fortbestand der Approbation folgenlos, nachhaltig erschüttert wäre.

Noch verstärkt gilt dies, wenn zusätzlich die Vorstrafe des Klägers wegen Betrugs in den Blick genommen wird. Zwar bewertet der Senat – wie ausgeführt – das dieser Verurteilung zugrundeliegende Fehlverhalten nicht so gravierend wie der Beklagte und das Verwaltungsgericht. Dass ihm aber dennoch im Rahmen der Gesamtbeurteilung der Berufswürdigkeit des Klägers Gewicht zukommt, steht außer Frage.

Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass der Kläger den ärztlichen Beruf weiterhin ausübt, obwohl der Widerruf der Approbation nach § 80 b VwGO längst vollziehbar ist, spräche dies schließlich ebenfalls dafür, dass es dem Kläger an der notwendigen Sorgfalt im Umgang mit den Pflichten, die einem Arzt in besonderem Maße obliegen, fehlt.

Die Berufung des Klägers unterliegt nach alldem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO der Zurückweisung.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

BESCHLUSS

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 90.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 16.1 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Der Senat schließt sich der diesbezüglichen Begründung des Verwaltungsgerichts an.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der Senat konnte in Abwesenheit des anwaltlich vertretenen Klägers, dessen persönliches Erscheinen zu der mündlichen Verhandlung in der Ladungsverfügung vom 10.4.2013 zwecks weiterer Aufklärung der Umstände um die Verurteilung wegen sexueller Nötigung angeordnet worden war, über die Berufung verhandeln und entscheiden. Denn die ebenfalls mit der Ladungsverfügung beigezogenen Strafakten, in denen unter anderem die dortige Einlassung des Klägers, die Aussage der Geschädigten und eine Vielzahl von Zeugenaussagen dokumentiert sind, erhellen den der Verurteilung zu Grunde liegenden Geschehensablauf im Einzelnen. Die mit der Anordnung des persönlichen Erscheinens bezweckte Sachaufklärung hat mithin in anderer Weise stattgefunden, so dass das persönliche Erscheinen des Klägers entbehrlich geworden ist.1(BVerwG, Urteile vom 11.11.1980 - I C 23/75 -, juris Rdnr. 16, und  vom 28.11.2007 - 2 WD 28/06 -, juris Rdnr. 15; vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 4.4.1997 - 6 B 23/97 - und vom 2.10.2000 - 6 B 46/00 -, jew. juris) Der Senat hat dies in der mündlichen Verhandlung zum Anlass genommen, die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers nach entsprechender Anhörung seines Prozessbevollmächtigten aufzuheben.

Das Verwaltungsgericht hat die zulässige gegen den Widerruf der ärztlichen Approbation gerichtete Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Widerrufsverfügung des Beklagten vom 30.7.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 4.1.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Ausgehend von der Erkenntnislage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sich durch sein sich strafrechtlich als sexuelle Nötigung darstellendes Verhalten vom 28.5.2009 als unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs erwiesen. Erst recht gilt dies bei der gebotenen zusätzlichen Berücksichtigung seines betrügerischen Verhaltens Ende 2000/Anfang 2001.

Es kann daher dahinstehen, ob bereits sein Fehlverhalten im Zeitraum vom Oktober 2000 bis Juli 2001, das seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer Geldstrafe von 250 Tagessätzen wegen dreifachen Betrugs durch Strafbefehl des Amtsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 1.4.2005 zugrunde liegt, für sich genommen unter Berücksichtigung des schon in der approbationsrechtlichen Tatbestandsprüfung zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes so schwer wiegt, dass es die Feststellung rechtfertigt, der Kläger habe sich im Sinn der §§ 5 Abs. 2 Satz 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO als unzuverlässig und/oder unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs erwiesen. Der Senat hält an seinen diesbezüglichen - in den Gründen seines Zulassungsbeschlusses vom 16.10.2012 angesprochenen - Bedenken fest, zumal auch die Auswertung der in diesem Zusammenhang mit Schreiben vom 17.10.2012 beigezogenen Akten des Zulassungsausschusses für Ärzte für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung des Saarlandes und der Akten des Ärztegerichts des Saarlandes keine neuen dem Kläger insoweit nachteiligen Anhaltspunkte ergeben hat. Mithin spricht nach wie vor viel dafür, dass der damalige - die Vorgaben der §§ 32 bis 32 b Ärzte-ZV missachtende - Pflichtenverstoß zwar durchaus als gewichtig zu beurteilen ist, dennoch aber nicht so schwer wiegt, dass er für sich genommen ausreicht, unter Beachtung des Grundrechtsschutzes aus Art. 12 GG und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes den Tatbestand der Unzuverlässigkeit und/oder der Unwürdigkeit im Sinn der §§ 5 und 3 BÄO auszufüllen und damit den Widerruf der ärztlichen Approbation zu tragen.

Hierauf kommt es jedoch entscheidungserheblich nicht mehr an, da nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vor dem Senat feststeht, dass der Kläger sich kurz vor Ergehen der Widerrufsverfügung des Beklagten wegen sexueller Nötigung einer Arzthelferin eines Kollegen nach § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht und sich dadurch und durch sein weiteres Verhalten im Zusammenhang mit dieser Tat als unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs erwiesen hat.

Das diesen Straftatbestand nach den Feststellungen der Strafgerichte verwirklichende Geschehen vom 28.5.2009 ist im vorliegenden Widerrufsverfahren zu berücksichtigen und erfüllt jedenfalls den Widerrufsgrund der Unwürdigkeit.

Im Approbationsrecht ist anerkannt, dass für die Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Unwürdigkeit und/oder der Unzuverlässigkeit und damit die Voraussetzungen für den Erlass eines statusentziehenden Verwaltungsakts vorliegen, auf die Umstände im Zeitpunkt des Abschlusse des Verwaltungsverfahrens abzustellen ist.(BVerwG, Urteil vom 16.9.1997 - 3 C 12/95 -, juris Rdnr. 25; BVerwG, Beschlüsse vom 18.8.2011 - 3 B 6/11 -, juris Rdnr. 9, vom 9.11.2006 - 3 B 7/06 -, juris Rdnr. 10, und vom 14.4.1998 - 3 B 95/97 -, juris Rdnr. 11; vgl. z.B. auch: BayVGH, Urteil vom 30.9.2010 - 21 BV 09.1279 -, juris Rdnr. 22) Damit entspricht die Rechtslage derjenigen in Fällen des sonstigen Gewerbe- und Berufsrechts, in denen es um die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Erlaubnisinhabers geht(z.B. BVerwG, Urteil vom 28.4.2010 - 3 C 22/09 -, juris Rdnr. 10). In diesen Konstellationen ist jeweils die im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung objektiv bestehende Sachlage maßgeblich, weshalb auch solche Erkenntnismittel heranzuziehen und auszuwerten sind, die als solche zwar erst nach Erlass der letzten Behördenentscheidung entstanden oder zugänglich geworden sind, soweit sich aus ihnen Anhaltspunkte für das Vorliegen eines den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Sachverhalts im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ergeben(BVerwG, Beschlüsse vom 27.6.1997, juris Rdnr. 7, und vom 16.10.1998, juris Rdnr. 6; zur Streichung aus der Architektenliste wegen Unzuverlässigkeit neuestens: OVG Niedersachsen, Beschluss vom 24.5.2012 - 8 LA 198/11 -, juris Rdnrn. 8 f. m.w.N.). So liegt der Fall hier.

Im Verlauf des Zulassungsverfahrens ist bekannt geworden, dass der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts Saarlouis wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden ist. Die Auswertung der beigezogenen Strafakte 6 Ls 14 Js 129/09 (9/10) hat ergeben, dass das Urteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 31.5.2010 datiert, damit zwar ebenso wie das nachfolgende Berufungsurteil des Landgerichts B-Stadt und der die Revision des Klägers als offensichtlich unbegründet verwerfende Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts in zeitlicher Hinsicht erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens durch Widerspruchsbescheid vom 4.1.2010 ergangen ist, dass der damaligen Verurteilung des Klägers aber ein Geschehen vom 28.5.2009 zugrunde liegt, das sich mithin bereits zwei Monate vor Ergehen der Widerrufsverfügung vom 30.7.2009 ereignet hat. Damit ist dieses Geschehen als Teil der objektiven im Zeitpunkt des verwaltungsbehördlichen Tätigwerdens bestehenden Sachlage vollumfänglich mit in den Blick zu nehmen.

Fallbezogen ist daher die Frage aufgeworfen, ob das Verhalten des Klägers vom 28.5.2009 die Annahme seiner Unwürdigkeit und/oder seiner Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs begründet.

Jedenfalls ersteres ist zu bejahen. Dies rechtfertigt – ohne dass daneben auf das Vorliegen auch der Voraussetzungen der Unzuverlässigkeit ankommt – den Widerruf der Approbation(BVerwG, Beschluss vom 2.11.1992 - 3 B 87/92 -, juris Rdnr. 5 m.w.N.).

Unwürdigkeit setzt voraus, dass der Arzt aufgrund eines schwerwiegenden Fehlverhaltens nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist, vielmehr seine weitere Berufsausübung bei Würdigung aller Umstände als untragbar erscheint. Dabei knüpft die Feststellung der Berufsunwürdigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an hohe Voraussetzungen(BVerwG, Beschluss vom 14.4.1998, a.a.O., Rdnr. 11). Erforderlich sind gravierende Verfehlungen, die geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos, nachhaltig zu erschüttern. Es geht dabei nicht um eine Sanktionierung des Fehlverhaltens, sondern um den Schutz des Ansehens der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit. Ziel ist die Aufrechterhaltung des für jede Heilbehandlung unabdingbaren Vertrauens der Patienten in die Integrität der Personen, denen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde verliehen ist und in deren Behandlung sich die Patienten begeben. Denn dieses Vertrauen würde zerstört durch eine fortdauernde Berufstätigkeit von Ärzten, die ein Fehlverhalten gezeigt haben, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren ist. Angesichts dieser Zielsetzung bedarf es im Rahmen der Tatbestandsprüfung keiner auf die Person des Betroffenen bezogenen – sozusagen zusätzlichen – Gefahrenprognose(BVerwG, Beschlüsse vom 27.1.2011 - 3 B 63/10 -, juris Rdnr. 4, und vom 18.8.2011, a.a.O., Rdnr. 8), zumal es einen Rechtssatz des Inhalts, dass nur wiederholte oder bekannt gewordene berufliche Verfehlungen oder nur nicht minder schwere Straftaten einen Widerruf rechtfertigen, nicht gibt(BVerwG, Beschluss vom 27.1.2011, a.a.O., Rdnr. 3). Demgemäß stellt der Entziehungstatbestand der Unwürdigkeit nicht auf den von Zufälligkeiten abhängigen Umstand ab, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint(BVerwG, Beschluss vom 28.1.2003 - 3 B 149/02 -, juris Rdnr. 4). Gemessen an diesen in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben, die eine umfassende Würdigung aller im Einzelfall relevanten Umstände bedingen(BVerwG, Beschluss vom 18.8.2011, a.a.O., Rdnr. 8), hat der Kläger sich als unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs erwiesen.

Nach den auf der Grundlage einer umfangreichen Beweisaufnahme, in der es neben dem eigentlichen Tatgeschehen auch um die Persönlichkeit der Geschädigten und deren Reaktion auf die Geschehnisse vom 28.5.2009 sowie das Auftreten des Klägers gegenüber dem Personal der Arztpraxis seines Kollegen anlässlich seiner langjährigen beruflichen Zusammenarbeit mit dem Praxisinhaber ging, getroffenen Feststellungen im Strafurteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 31.5.2010 hat der Kläger sich am 28.5.2009 wegen sexueller Nötigung strafbar gemacht. Er hat eine in den Abendstunden noch allein in den Räumen eines im selben Haus wie er praktizierenden Arztkollegen anwesende damals 25 Jahre alte Arzthelferin nach anfänglichen anzüglichen Bemerkungen und einem durch Wegziehen ihres T-Shirts ermöglichten Blick in ihr Dekolleté nach dem Eintreffen der Putzhilfe durch ihm nicht erlaubtes Aufsuchen des Arztzimmers veranlasst, ihm mit dem Ziel, ihn am Verbleiben in dem Zimmer zu hindern, zu folgen, sie sodann nach Schließen der Zimmertür an die Wand gedrückt, sie festgehalten und ihr mit der Bemerkung, er wolle nur nachsehen, ob sie „unten herum rasiert“ sei, mit der rechten Hand in die Hose gegriffen, wobei er sie unter der Unterwäsche an der Scheide berührt hat. Die Berührung währte nur kurz, da es der Arzthelferin gelangt, sich loszureißen, woraufhin der Kläger das Arztzimmer mit der Bemerkung „das bleibt aber unter uns“ verließ.

Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht B-Stadt erneut durch Vernehmung der Geschädigten sowie von 11 Zeugen Beweis erhoben und die Berufung zurückgewiesen, weil sich der vom Amtsgericht festgestellte Sachverhalt bestätigte.

Auch aus Sicht des Senats steht außer Zweifel, dass die strafgerichtlichen Feststellungen zum Tathergang das Tatbestehen, wie es sich bei Auswertung der protokollieren Aussagen anlässlich der polizeilichen Vernehmungen und der Zeugenbefragungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht (Bl. 153 ff. der Strafakte) ergibt, zutreffend widerspiegeln. Sie können der approbationsrechtlichen Würdigung – ebenso wie die Feststellungen zur Persönlichkeit des Klägers und zu seinem Auftreten gegenüber dem Personal seines Arztkollegen – mangels Erkennbarkeit von Anhaltspunkten für ihre Unrichtigkeit uneingeschränkt zugrunde gelegt werden(BVerwG, Urteil vom 26.9.2002 - 3 C 37/01 -, juris Rdnr. 38 m.w.N.; ferner Beschluss vom 6.3.2003 - 3 B 10/03 -, juris Rdnr. 2; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 8.3.2012 - 3 A 87/10 -, juris Rdnrn. 11 ff.; ebenso z.B. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 18.4.2012 - 8 LA 6/11 -, juris Rdnrn. 19 ff. und vom 13.1.2009 - 8 LA 88/08 -, juris Rdnrn. 7 f.; vgl. zur Befugnis der Approbationsbehörde und der Verwaltungsgerichte, auch Ermittlungsergebnisse der Polizei und der Staatsanwaltschaft, die nicht zu einer Anklageerhebung geführt haben, einer eigenständigen Bewertung zu unterziehen: BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.1.1991 - 1 BvR 1326/90 -, juris Rdnr. 15, und BVerwG, Beschluss vom 28.4.1998 - 3 B 174/97 -, juris Rdnr. 4; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.3.2012 - 13 B 228/12 -, juris Rdnr. 4). Insbesondere werden sie durch die Einlassung des Klägers im Strafverfahren nicht entkräftet.

Er hat im Ermittlungsverfahren keine Angaben zur Sache gemacht, soll aber ausweislich eines Polizeivermerks vom 5.11.2009 anlässlich der erkennungsdienstlichen Behandlung geäußert haben, es sei zwar an besagtem Abend zu einem heftigen Flirt gekommen, der allerdings einvernehmlich und ohne Gewaltanwendung stattgefunden habe (Bl. 110 f. der Strafakte). In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht hat er sich zur Sache geäußert und dahingehend eingelassen, dass er sich mit der Arzthelferin, die er allein in der Praxis angetroffen habe, zunächst über deren Äußeres unterhalten und ihr dabei auch Komplimente gemacht habe. Dann habe sie, da sie ihre Brüste für zu klein gehalten habe, diese selbst gezeigt, woraufhin das Gespräch weitergegangen und in eine Art „Flapsgespräch“ ausgeartet sei. Nach Eintreffen der Putzfrau habe er sie gebeten, ihm das neue Zimmer ihres Chefs zu zeigen. Sie seien dort hinein gegangen, hätten inmitten des Zimmers gestanden und sich weiter unterhalten. Schließlich habe sie anlässlich des Themas Bauchstraffung ihre Bluse hochgezogen und ihren Bauch gezeigt, woraufhin er gefragt habe, ob sie rasiert sei, ihre Hose weggezogen und im Rahmen von Flirten mit der Hand reingefahren sei. An der Scheide habe er sie dabei nicht angefasst. Hieraufhin habe sie gesagt, es reiche, weswegen er geantwortet habe, er werde gehen und das bleibe unser Geheimnis. Er habe gemerkt, dass er zu weit gegangen sei (Bl. 156 der Strafakte).

Diese Darstellung überzeugt - wie das Amtsgericht und das Landgericht im Einzelnen ausgeführt haben - auch nicht ansatzweise. Vielmehr haben die Kolleginnen und die Ehefrau des Chefs der Geschädigten diese übereinstimmend als besonders zart und nicht in der Lage, sich in einem Konflikt durchzusetzen, beschrieben und bestätigt, dass sie in der Zeit nach dem Vorfall sehr ängstlich gewesen sei, sich insbesondere nicht mehr getraut habe, abends allein in der Praxis zu bleiben bzw. diese ohne Begleitung zu verlassen. Hiermit ist ihr angebliches Auftreten am Tatabend – so wie der Kläger es behauptet – nicht zu vereinbaren.

Sehr wohl mit dem geschilderten Persönlichkeitsbild zu vereinbaren ist indes ihre eigene Angabe anlässlich ihrer polizeilichen Vernehmung am 24.6.2009 (Bl. 13 ff. der Strafakte), das Gespräch des Klägers sei ihr peinlich gewesen und sie habe versucht, es zu ignorieren. Aus Respekt habe sie nicht den Mut aufgebracht, ihm deutlich zu sagen, dass sie an so einem Gespräch nicht interessiert sei. Die Aktenlage, insbesondere die Einschätzung der Ehefrau des Chefs der Geschädigten (Bl. 36 der Straftakte) und verschiedener als Zeuginnen vernommener Kolleginnen der Geschädigten (Bl. 60, 69, 77, 86 und 159 der Strafakte), spricht eindeutig dafür, dass der Kläger das zurückhaltende Wesen und die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit der als attraktiv beschriebenen (Bl. 36 der Strafakte) Geschädigten bewusst ausgenutzt hat.

Weiter ergibt sich aus der Strafakte, dass die Geschädigte unter dem Tatgeschehen insbesondere psychisch sehr gelitten und daneben auch körperliche Beschwerden in Gestalt einer behandlungsbedürftigen Krampfblase hinzunehmen hatte. Sie war in der Folgezeit des Geschehens äußerst ängstlich und nicht mehr in der Lage, abends alleine zu ihrem Fahrzeug zu gehen (Bl. 61, 70, 85, 90, 158, 164, 165, 166 der Strafakte). Dessen ungeachtet hat der Kläger ihren glaubhaften Bekundungen zufolge (Bl. 19 der Strafakte), die die Ehefrau ihres Chefs (Bl. 32 f. der Strafakte) und Kolleginnen (Bl. 61, 92 f., 160 f., 164 der Strafakte) bestätigt haben, auch nach dem Vorfall erneut ihre Nähe gesucht, die Geschädigte dadurch in große Angst versetzt und hiervon erst abgelassen, nachdem er von der Ehefrau ihres Chefs mit deutlichen Worten zur Rede gestellt worden ist (Bl. 33 f., 61 f. der Strafakte). Diesem – wenngleich strafrechtlich nicht relevanten – Verhalten im Anschluss an das eigentliche Tatgeschehen ist im Rahmen der approbationsrechtlichen Würdigkeitsprüfung ebenfalls Gewicht beizumessen. Denn dadurch, dass der Kläger der Geschädigten auch nach dem eigentlichen Tatgeschehen vom 28.5.2009 nachgestellt hat, hat er ihr seelisches Befinden weiterhin in unangemessener Weise beeinträchtigt und ihr so die persönliche Aufarbeitung des Vorfalls erschwert.

In der Rechtsprechung ist bereits entschieden, dass ein Arzt, der die Tathandlung einer sexuellen Nötigung begangen hat, regelmäßig nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbar ist(BayVGH, Urteil vom 25.9.2012 - 21 BV 11.340 -, juris; vgl. hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 27.1.2011, a.a.O.; OVG Bremen, Urteil vom 18.6.2002 - 1 A 216/01 -, juris). Dies gilt in vorliegendem Fall im besonderen Maße. Denn der Kläger hat zum Einen ausgenutzt, dass sein Opfer als Arzthelferin eines Kollegen, mit dem er im Bereich ambulanter Operationen zusammenarbeitete, großen Respekt vor ihm hatte, ihm und ihrem Chef keine Schwierigkeiten machen wollte und sich aufgrund ihres zurückhaltenden Wesens nicht traute, ihn nachdrücklich in die Schranken zu weisen, um so zu versuchen, sein sie belästigendes Verhalten frühzeitig zu unterbinden. Sein Versagen stand daher in engem Zusammenhang zu der Ausübung seines Berufs. Zum Anderen hat er – wie ausgeführt – auch nach der Straftat versucht, die Geschädigte in den Abendstunden in der Praxis aufzusuchen, und ihre Angst dadurch weiter geschürt. Dies lässt jegliche Einsicht in sein vorheriges Fehlverhalten oder gar Reue vermissen. Die Gesamtschau dieser den konkreten Einzelfall prägenden Umstände belegt, dass dem Fehlverhalten des Klägers, das sich in der abgeurteilten Straftat und seiner weiteren Verhaltensweise im Anschluss an die Tat manifestiert hat, ein ganz erhebliches Gewicht zukommt, welches die weitere Ausübung des ärztlichen Berufs auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des durch Art. 12 GG gewährleisteten Grundrechtsschutzes als objektiv untragbar erscheinen lässt. Denn die Verfehlungen sind in ihrer Gesamtheit so gravierend, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand der Ärzte, bliebe das Verhalten des Klägers für den Fortbestand der Approbation folgenlos, nachhaltig erschüttert wäre.

Noch verstärkt gilt dies, wenn zusätzlich die Vorstrafe des Klägers wegen Betrugs in den Blick genommen wird. Zwar bewertet der Senat – wie ausgeführt – das dieser Verurteilung zugrundeliegende Fehlverhalten nicht so gravierend wie der Beklagte und das Verwaltungsgericht. Dass ihm aber dennoch im Rahmen der Gesamtbeurteilung der Berufswürdigkeit des Klägers Gewicht zukommt, steht außer Frage.

Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass der Kläger den ärztlichen Beruf weiterhin ausübt, obwohl der Widerruf der Approbation nach § 80 b VwGO längst vollziehbar ist, spräche dies schließlich ebenfalls dafür, dass es dem Kläger an der notwendigen Sorgfalt im Umgang mit den Pflichten, die einem Arzt in besonderem Maße obliegen, fehlt.

Die Berufung des Klägers unterliegt nach alldem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO der Zurückweisung.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

BESCHLUSS

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 90.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 16.1 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Der Senat schließt sich der diesbezüglichen Begründung des Verwaltungsgerichts an.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. November 2010 - 12 K 4714/09 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen eine Verfügung, mit der ihr die Unterrichtstätigkeit im Fach Volks- und Betriebswirtschaftslehre an dem als Ersatzschule staatlich anerkannten Berufskolleg des Beigeladenen zum Erwerb der Fachhochschulreife untersagt wurde.
Die Klägerin bestand im Jahr 1980 in Nordrhein-Westfalen die Erste Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II in den Fächern Mathematik und Kunst. Im Jahr 1982 legte sie in Hessen die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien ab und erwarb damit die Befähigung für das Lehramt an Gymnasien. In den Jahren 1984 bis 1988 leitete die Klägerin an der Volkshochschule H... Kurse im Fach Kaufmännisches Rechnen. Von Dezember 1988 bis September 1989 absolvierte sie bei einer Gesellschaft für Personal- und Organisationsentwicklung eine Ausbildung zur Bank-Finanzberaterin. Im Rahmen dieser Ausbildung legte die Klägerin ein Praktikum bei einer Steuerberatungsgesellschaft ab, die die Klägerin danach vom 01.07.1989 bis 30.11.1989 in ein Teilzeitarbeitsverhältnis übernahm. Im Wintersemester 1989/90 nahm die Klägerin an der Universität H... das Studium der Wirtschaftspädagogik auf, das sie nach zwei Semestern abbrach. Parallel zu diesem Studium unterrichtete die Klägerin bei dem Beigeladenen im Schuljahr 1989/90 im Fach Betriebswirtschaftslehre. Am 03.09.1990 schlossen die Klägerin und der Beigeladene einen unbefristeten Arbeitsvertrag, nach dem die Klägerin seit 01.09.1990 am Berufskolleg des Beigeladenen Unterricht im Fach Mathematik erteilt. Hierzu erteilte das Oberschulamt Stuttgart im Juni 2001 der Klägerin nach vorangegangenem Unterrichtsbesuch eine Unterrichtsgenehmigung für das Fach Mathematik. In den 1990er Jahren unterstützte die Klägerin den Aufbau eines von ihrem Ehemann im Jahr 1997 gegründeten Gewerbebetriebs für Spannsysteme und Produktionsautomatisierung.
Seit dem Schuljahr 2009/10 unterrichtet die Klägerin beim Beigeladenen neben Mathematik auch Volks- und Betriebswirtschaftslehre. Dies hatte der Beigeladene dem Beklagten durch Übersendung der Stundentafel für das „Einjährige Berufskolleg zum Erwerb der Fachhochschulreife“, die im Lehrplan (Schulversuch) vom 26.06.2009 für nicht kaufmännische Ausbildungsgänge 2 Wochenstunden für das Fach Volks- und Betriebswirtschaftslehre (bei insgesamt 30 Wochenstunden) vorsieht, nachrichtlich mitgeteilt. Der „fachfremde“ Einsatz der Klägerin wurde vom Beklagten zunächst gegenüber dem Beigeladenen beanstandet. Der Beigeladene vertrat in der dazu erfolgten Korrespondenz die Auffassung, dass die Klägerin aufgrund der zum Teil anhand des Lehrplans vorliegenden Sachnähe des Faches zum Fach Mathematik sowie ihrer Zusatzqualifikationen zum Erteilen von Unterricht im Fach Betriebswirtschaftslehre in diesem geringfügigen Umfang geeignet sei, wohingegen der Beklagte den Standpunkt vertrat, dass es an einem Nachweis der fachwissenschaftlichen Qualifikation fehle.
Mit Schreiben vom 9.11.2009 hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Teiluntersagung der Unterrichtstätigkeit im Fach Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an. Mit Schreiben vom 19.11.2009 nahm der Beigeladene zur fachlichen Qualifikation der Klägerin nochmals Stellung und führte aus, dass sie das betreffende Fach bereits im Schuljahr 1989/90 unterrichtet habe, was mit dem damaligen Sachbearbeiter des Beklagten abgesprochen gewesen sei. Danach habe sie aufgrund des Bedarfs nur noch Mathematik unterrichtet. Die Klägerin unterrichte nur das zweistündige Fach Volks- und Betriebswirtschaftslehre. Für das siebenstündige Fach Wirtschaft sei sie nie vorgesehen gewesen. In dem Fach gebe es fächerübergreifende Themen zur Mathematik, wie Prozentrechnung u.ä., was eine Vergleichbarkeit wie bei den Fächern Mathematik und Physik bedinge. Am 14.11.2009 habe die Schulleiterin eine Unterrichtsstunde der Klägerin besucht und sich davon überzeugt, dass der Wissensstoff systematisch vermittelt werde. Auch die Schüler hätten sich positiv geäußert. Die Beurteilung der mit sehr gut bewerteten Unterrichtsstunde werde beigelegt, ebenso wie eine Stellungnahme der Klägerin zu den Themenbereichen des Lehrplanentwurfs (Schulversuch).
Mit Bescheid vom 04.12.2009 untersagte das Regierungspräsidium Stuttgart - Schule und Bildung - der Klägerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 8 PSchG die Unterrichtstätigkeit in Volks- und Betriebswirtschaftslehre an dem Berufskolleg zum Erwerb der Fachhochschulreife des Beigeladenen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin keine fachwissenschaftliche Eignung für den Unterricht im Fach Volks- und Betriebswirtschaftslehre habe, da sie weder ein abgeschlossenes Hochschulstudium in Volks- und/oder Betriebswirtschaftslehre noch ein einschlägiges Fachhochschulstudium absolviert und deshalb keine Lehrbefähigung für diese Fächer habe. Die in einem Studium systematisch und umfassend vermittelten wissenschaftlichen Grundlagen eines Fachs könnten auch nicht in gleich qualifizierter Weise durch die Absolvierung von Lehrgängen etc. zu Teilbereichen oder durch praktische Erfahrungen erworben werden.
Am 21.12.2009 hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt.
Mit Urteil vom 23.11.2010 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart der Klage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 8 PSchG nicht vorlägen. Allein eine fehlende gleichwertige wissenschaftliche Ausbildung eines Lehrers im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 PSchG erfülle die Voraussetzungen des § 8 PSchG nicht, was sich aus den unterschiedlichen Voraussetzungen der beiden Normen ergebe. Während § 5 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 PSchG im Einklang mit Art. 7 Abs. 4 GG auf eine im Vergleich zu den Lehrern an öffentlichen Schulen gleichwertige wissenschaftliche Ausbildung abstelle, müssten nach § 8 PSchG Tatsachen vorliegen, die einen Schulleiter oder Lehrer für die Ausübung seiner Tätigkeit ungeeignet erscheinen ließen. Allein eine wissenschaftliche Ausbildung, die derjenigen der Schulleiter oder Lehrer an entsprechenden öffentlichen Schulen im Wert nicht gleichkomme, begründe jedoch noch nicht die Ungeeignetheit. Es müssten darüber hinausgehende und/oder andere konkrete Tatsachen vorliegen, die auf die Ungeeignetheit des Schulleiters oder Lehrers für eine Tätigkeit an einer Privatschule schließen ließen. Für eine restriktive Auslegung des § 8 PSchG sprächen neben dem Wortlaut der Norm und der Gesetzesbegründung auch systematische und teleologische Gesichtspunkte. Die staatliche Schulaufsicht über Privatschulen bestehe gegenüber den Schulträgern, nicht gegenüber den von diesen beschäftigten Lehrern und Schulleitern. Beschäftige ein privater Schulträger nach der Genehmigung der Ersatzschule Lehrer oder Schulleiter, die keine den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 PSchG genügende wissenschaftliche Ausbildung nachweisen könnten, kämen aufsichtsrechtliche Maßnahmen wie etwa der Widerruf der Genehmigung oder - als milderes Mittel - ein Unterrichtungsverbot bzw. eine Unterrichtungsbefristung gegenüber dem privaten Schulträger in Betracht. Damit sei eine wirksame, den Anforderungen des Art. 7 Abs. 1 GG genügende Schulaufsicht gewährleistet. Der in § 8 PSchG normierte „Durchgriff“ auf die Schulleiter und Lehrer sei systemfremd und deshalb restriktiv zu handhaben.
Auf Antrag des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 14.04.2011 (9 S 160/11) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.
Zur Begründung der Berufung macht der Beklagte geltend, dass der Begriff der Eignung in § 8 PSchG nach der Entstehungsgeschichte der Norm an die für „vertragsmäßig beschäftigte Lehrer an öffentlichen Schulen“ geltende Regelung anknüpfe. Sowohl im Bereich des Beamtenrechts als auch für Tarifbeschäftigte gehöre zur Eignung (insbesondere) auch die fachliche Eignung. Im Hinblick auf das berührte Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit spreche auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dafür, die Untersagung auf einzelne Unterrichtsfächer zu beschränken. Aus der Anwendbarkeit von § 8 PSchG auf eine hinsichtlich bestimmter Fächer, Schularten, Klassenstufen etc. beschränkte Untersagung wegen fachlicher Eignung ergebe sich die vom Senat im Zulassungsbeschluss gezogene Verbindung zu § 5 Abs. 1 Buchst. a PSchG, die durch § 5 Abs. 3 PSchG sowie Nr. 6 VVPSchG konkretisiert werde. Die Klägerin unterrichte an einem Berufskolleg, einer auf einem mittleren Bildungsabschluss aufbauenden beruflichen Schulart. In dieser Schulart unterrichtende Lehrkräfte hätten im Regelfall die Zweite Staatsprüfung für die Laufbahn des höheren Schuldienstes an beruflichen Schulen, welches ein wissenschaftliches Studium in (mindestens) zwei Fächern voraussetze. Dieser Fachbezug der Lehramtsausbildung gelte für alle Lehramtsausbildungen mit Ausnahme der für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Dem entspreche auch der tatsächliche Unterrichtseinsatz der Lehrkräfte an den öffentlichen Schulen jedenfalls in der Sekundarstufe II (Oberstufe). Fachfremder Unterrichtseinsatz sei hier beschränkt auf außergewöhnliche Konstellationen, wie z. B. Lehrermangel hinsichtlich des betreffenden Faches. Sei ein solcher fachfremder Unterricht erforderlich, werde zunächst auf Lehrkräfte mit einer inhaltlich verwandten fachwissenschaftlichen Ausbildung zurückgegriffen (z. B. Mathematik/Physik). Dies werde durch die auf Anforderung des Senats vorgelegten Unterlagen belegt. Aus der Erhebung an allgemeinbildenden Gymnasien für das Schuljahr 2011/2012 ergebe sich, dass bei einem Gesamtunterrichtsumfang im Regierungsbezirk Stuttgart (Pflichtunterricht und Ergänzungsbereich) von 183.471 Unterrichtsstunden in dem besagten Schuljahr insgesamt 1.649,5 Stunden fachfremd erteilt worden seien. Auf Anforderung des Senats ist zur Qualifikation der an öffentlichen Schulen im Berufskolleg zum Erwerb der Fachhochschulreife gewerblicher Richtung das Fach Volks- und Betriebswirtschaftslehre unterrichtenden Lehrkräfte eine Aufstellung vorgelegt worden.
10 
Der Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23.11.2010 - 12 K 4714/09 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Die Klägerin beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Das Verwaltungsgericht habe zutreffend angenommen, dass § 8 PSchG nicht zur Teiluntersagung der Unterrichtstätigkeit wegen Fehlens einer gleichwertigen wissenschaftlichen Ausbildung ermächtige. Diese Auslegung entspreche auch ersichtlich jahrzehntelanger Praxis des beklagten Landes, wie sich aus sämtlichen veröffentlichten Entscheidungen zu § 8 PSchG ergebe. Im Übrigen habe sich das beklagte Land stets schulaufsichtsrechtlicher Maßnahmen bedient, was auch sachgerecht sei. Das beklagte Land räume außerdem ein, dass bei Lehrermangel von den Maßstäben wissenschaftlicher Ausbildung abgewichen werde. Die Erfahrung zeige, dass Lehrermangel keineswegs als außergewöhnlich bezeichnet werden könne. Entscheidend aber sei, dass das beklagte Land nicht geltend mache, die für fachfremden Unterricht in staatlichen Schulen eingesetzten Lehrer seien dafür ungeeignet. Dann könne ihnen aber für den Einsatz in Ersatzschulen die Eignung nicht pauschal und ohne jede Prüfung des Einzelfalls, zu der seit Erlass der angefochtenen Verfügung ausreichend Zeit und Gelegenheit bestanden hätte, abgesprochen werden.
15 
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
16 
Mit rechtskräftigem Beschluss vom 27.01.2010 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart (12 K 4715/09) die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt.
17 
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart (12 K 4714/09 und 12 K 4715/09) und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben und den angefochtenen Bescheid des Beklagten aufgehoben.
19 
Die Anfechtungsklage der Klägerin ist zulässig. Sie bedurfte insbesondere gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO keines Vorverfahrens nach § 68 Abs. 1 VwGO. Die Klage ist auch begründet, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Da es sich bei der Unterrichtsuntersagung um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt (vgl. das Senatsurteil vom 26.05.1987 - 9 S 1085/85 -), ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung deren Rechtmäßigkeit grundsätzlich der Zeitpunkt der Verhandlung vor dem erkennenden Senat (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 05.01.2012 - 8 B 62/11 - NVwZ 2012, 510 mwN).
20 
Als Rechtsgrundlage der angefochtenen Verfügung kommt allein § 8 Privatschulgesetz (PSchG) in Betracht. Danach kann die obere Schulaufsichtsbehörde Personen eine Tätigkeit als Schulleiter oder Lehrer an einer Ersatzschule untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, die sie für die Ausübung einer solchen Tätigkeit ungeeignet erscheinen lassen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen nicht vor.
21 
Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass sich der Anwendungsbereich des § 8 PSchG von vornherein nicht auf Mängel der fachwissenschaftlichen Eignung erstreckt. Zwar hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien insbesondere zum Gesetz zur Änderung des Privatschulgesetzes vom 16.01.1968 (vgl. LT-Drs. 4691 Beilage IV, S. 8059) zutreffend ausgeführt, dass es das maßgebliche Anliegen des Gesetzgebers mit § 8 PSchG war, der Schulaufsicht etwa bei schwerwiegenden Verfehlungen von Schulleitern und Lehrern an Ersatzschulen ein eigenes Eingriffsrecht zu verschaffen. Zu einer ausdrücklichen Beschränkung des Anwendungsbereichs auf derartige Fälle fehlender persönlicher Eignung, etwa im Hinblick auf charakterliche Eigenschaften, lässt sich den Gesetzesmaterialien jedoch nichts entnehmen. Eine solche Beschränkung, welche ein unmittelbares Eingreifen der Schulaufsicht in Fällen fehlender fachlicher oder pädagogischer Eignung ausschließen würde, folgt auch nicht aus dem Wortlaut der Norm. Denn der Begriff der Eignung wird allgemein, etwa im Zusammenhang mit der Vorschrift des Art. 33 Abs. 2 GG oder sonst im Recht des öffentlichen Dienstes, als Oberbegriff auch für die Befähigung und die fachliche Leistung verstanden (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.12.2002 - 2 C 31/01 -, NVwZ 2003, 1398, und vom 06.02.1975 - II C 68.73 - NJW 1975, 1135; BAG, Urteil vom 12.11.2008 - 7 AZR 499/07 -, Juris, Badura in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Stand April 2012, Art. 33, Rn. 31 [2009]).
22 
Dem entspricht es, dass der erkennende Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen ist, dass auch eine fehlende fachliche Eignung unter bestimmten Umständen zu einem Eingriff nach § 8 PSchG berechtigen kann. Zwar hat der Senat bislang nur Fälle fehlender persönlicher Eignung entschieden (vgl. Urteil vom 26.05.1987 aaO in einem Fall sexueller Verfehlungen und Beschluss vom 20.06.1989 - 9 S 781/89 - DVBl 1989, 1265 bei wiederholten Verurteilungen nach dem Betäubungsmittelgesetz). Gleichwohl hat er etwa im Urteil vom 26.05.1987 ausgeführt, dass es bei der Prüfung der Ungeeignetheit im Sinne des § 8 PSchG „in aller Regel“ um die persönliche (Un-)Zuverlässigkeit geht. Dies schließt gerade nicht aus, dass - ausnahmsweise - auch eine fehlende fachliche Eignung zu einem Vorgehen nach § 8 PSchG berechtigen kann. Auf solche Ausnahmefälle weist auch die Rechtsprechung des Senats zur Frage der Erforderlichkeit einer Unterrichtsgenehmigung von Lehrern an einer genehmigten Ersatzschule hin. Im Beschluss vom 30.07.2007 - 9 S 234/07 - hat der Senat entschieden, dass für den Betrieb einer genehmigten Ersatzschule neben der Betriebsgenehmigung eine gesonderte „Unterrichtsgenehmigung“ für die eine Unterrichtstätigkeit anstrebende einzelne Lehrkraft nicht erforderlich ist, vielmehr bei Eignungszweifeln - im entschiedenen Fall hinsichtlich der pädagogischen Eignung einer Lehrkraft - lediglich ein Vorgehen nach § 8 PSchG in Betracht kommt. Diese Entscheidung nimmt Bezug auf eine veröffentlichte Entscheidung des Senats, der eine Fallgestaltung zugrunde lag, in der der Antragsgegner die fachliche und pädagogische Eignung der Lehrperson an einer Privatschule in Zweifel zog. Hier hat der Senat ausgeführt, dass die fehlende „Eignung“ einer Person mit nachgewiesener Ausbildung im Sinne des § 5 Abs. 1 a) und Abs. 3 Satz 1 PSchG für die privatrechtliche Tätigkeit als Lehrer an einer Ersatzschule allenfalls für eine Maßnahme nach § 8 PSchG zum Anlass genommen werden kann (so Beschluss des Senats vom 14.03.2007 - 9 S 1673/06 -, GewArch 2007, 263 ).
23 
Mithin ist festzuhalten, dass sich der Anwendungsbereich des § 8 PSchG auch auf Fälle der fachlichen Ungeeignetheit des Lehrers an einer Ersatzschule erstrecken kann. Allerdings erscheint nach Auffassung des Senats in derartigen Fällen eine restriktive Auslegung der Bestimmung geboten.
24 
Sinn und Zweck der Vorschrift ist die Gewährleistung einer wirksamen Schulaufsicht, wie sie gemäß Art. 7 Abs. 1 GG dem Staat über das gesamte Schulwesen und damit auch über das verfassungsrechtlich durch Art. 7 Abs. 4 GG geschützte Privatschulwesen obliegt. Sie dient letztlich der Abwehr von Gefahren für das Persönlichkeitsrecht und den Bildungsanspruch der Schüler (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 11 und 12 LV), für das elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) (vgl. Senatsurteil vom 26.05.1987, a.a.O.; Senatsbeschluss vom 20.06.1989, a.a.O.) und für den staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag (Art. 7 Abs. 1 GG). Mit einer auf § 8 PSchG gestützten Maßnahme greift der Staat dabei sowohl in das dem jeweiligen Privatschulträger durch Art. 7 Abs. 4 GG eingeräumte grundsätzliche Selbstbestimmungsrecht im Hinblick auf die Organisation des Unterrichts und die Auswahl der Lehrer (vgl. Avenarius, Schulrecht, 8. Auflage 2010, TZ 15.4 ff.; Heckel, Deutsches Privatschulrecht, 1955, Anm. 22 und 23) als auch in die dem jeweiligen Lehrer verbürgte Rechtsposition aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Vor dem Hintergrund dieses verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses hat die Schulaufsichtsbehörde bei der Anwendung der Bestimmung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Dabei ist zu beachten, dass Maßnahmen der Schulaufsicht (vgl. § 32 Abs. 2 SchG, §§ 4 ff., 22 PSchG sowie Nr. 1 der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz [VVPSchG] in der Fassung vom 20.07.1971 [GBl. S. 346], zuletzt geändert durch Artikel 53 des Gesetzes vom 01.07.2004 (GBl. S. 469, 502)) in erster Linie an die Schule selbst zu richten sind und dass sich der in § 8 PSchG geregelte Durchgriff auf die Tätigkeit des Lehrers deshalb als Ausnahme darstellt (vgl. Sächs. OVG, Urteil vom 22.03.2006 - 2 B 775/04 -, Juris). Dies gilt umso mehr, als der Landesgesetzgeber die Unterrichtstätigkeit des einzelnen Lehrers an einer Privatschule keinem präventivem Genehmigungsvorbehalt unterworfen hat (Senatsbeschluss vom 14.03.2007, a.a.O.). Hat er damit über die Genehmigung der Errichtung und des Betriebs der Ersatzschule nach § 4 PSchG hinaus ein weiteres behördliches Kontrollverfahren für die Unterrichtstätigkeit des einzelnen Lehrers nicht vorgesehen, spricht dies dafür, dass er jedenfalls grundsätzlich davon ausgeht, dass die nach § 4 PSchG genehmigte Ersatzschule in der Lage ist, die Erfüllung der in §§ 5 und 6 PSchG beschriebenen Voraussetzungen, einschließlich eines im Verhältnis zu entsprechenden öffentlichen Schulen gleichwertigen Unterrichts, in eigener Verantwortung zu gewährleisten.
25 
Vor diesem Hintergrund kommt eine auf § 8 PSchG gestützte Untersagung der Unterrichtstätigkeit in Fällen fachlicher Eignungsmängel des Lehrers an einer Ersatzschule erst in Betracht, wenn die konkrete Tätigkeit mit gravierenden Gefahren für die durch die Vorschrift geschützten Rechtsgüter, insbesondere den Bildungsanspruch der Schüler, das elterliche Erziehungsrecht oder den staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag verbunden ist. Danach sind jedenfalls geringfügige fachliche Defizite, die den Unterrichtserfolg insgesamt nicht ernsthaft in Frage stellen, nicht geeignet, eine Maßnahme nach § 8 Abs. 1 PSchG zu rechtfertigen. Andererseits liegt ein Vorgehen nach dieser Bestimmung nahe, wenn fachliche Defizite mit besonderen Gefahren verbunden sein können, wie etwa bei der Durchführung von Experimenten im Chemieunterricht durch einen „fachfremden“ Lehrer. Einer abschließenden Festlegung, unter welchen Voraussetzungen die „fachfremde“ Erteilung von Unterricht die Ungeeignetheit eines Lehrers im Sinne des § 8 Abs. 1 PSchG begründen kann, bedarf es im vorliegenden Verfahren nicht.
26 
Gemessen an dem aufgezeigten Maßstab vermag der Senat nicht festzustellen, dass hier Tatsachen vorliegen, die die Klägerin als ungeeignet für die Unterrichtstätigkeit im Fach Volks- und Betriebswirtschaftslehre erscheinen lassen (zur gerichtlichen Kontrolldichte vgl. das Senatsurteil vom 26.05.1987, a.a.O.).
27 
Der Beklagte stützt die angefochtene Verfügung maßgeblich auf die Erwägung, dass die Klägerin nicht über die erforderliche fachwissenschaftliche Eignung für den Unterricht im Fach Volks- und Betriebswirtschaftslehre verfügt, da sie weder ein abgeschlossenes Hochschul- noch Fachhochschulstudium in diesen Fächern nachweisen kann und deshalb keine Lehrbefähigung für diese Fächer besitzt. Zur Begründung der Ungeeignetheit im Sinne des § 8 PSchG knüpft der Beklagte mithin unmittelbar an die Genehmigungsvoraussetzung des § 5 Abs. 3 Satz 1 PSchG an. Bereits der Umstand, dass sich die in § 5 Abs. 3 Satz 1 PSchG normierte Genehmigungsvoraussetzung und die Voraussetzungen des § 8 PSchG für die Untersagung der Leitungs- und Lehrtätigkeit unterscheiden, spricht dagegen, dass schon das Fehlen einer fachwissenschaftlichen Ausbildung, die derjenigen der Lehrer an entsprechenden öffentlichen Schulen gleichkommt, die Ungeeignetheit begründet (vgl. Sächs. OVG, Urteil vom 22.03.2006, a.a.O.). Dies gilt auch mit Blick darauf, dass die Schulaufsicht in dem auch an öffentlichen Schulen in gewissem Umfang erforderlichen fachfremden Unterricht keinen zwingenden Grund für ein Einschreiten sieht (vgl. die mit Schriftsatz vom 28.09.2012 vorgelegte statistische Auswertung). Der fehlende Hochschul- bzw. Fachhochschulabschluss im Fach Volks- und Betriebswirtschaftslehre stellt auch inhaltlich für sich genommen keine „Tatsache“ dar, die geeignet wäre, die Klägerin für den gegenständlichen Unterricht ungeeignet erscheinen zu lassen. Denn damit sind bezogen auf die konkrete Unterrichtstätigkeit tatsächliche fachliche Eignungsmängel der Klägerin, die mit gravierenden Gefahren für die durch die Vorschrift geschützten Rechtsgüter, insbesondere den Bildungsanspruch der Schüler, das elterliche Erziehungsrecht und den staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag verbunden sind, nicht zur Überzeugung des Senats dargetan. Hierfür müsste jedenfalls auch mit hinreichender Verlässlichkeit feststellbar sein, dass die Klägerin ihre fachliche, insbesondere auch fachwissenschaftliche Eignung für die gegenständliche Unterrichtstätigkeit nicht auf andere Weise nachweisen kann (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 PSchG). Dies ist indes nicht der Fall.
28 
Die Klägerin hat die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien bestanden. Ihre fachwissenschaftliche Qualifikation für die Unterrichtung an einem Berufskolleg mit dem Ziel „Erreichung der Fachhochschulreife“ liegt somit vor. Darüber hinaus verfügt sie über Kenntnisse im volks- und betriebswirtschaftlichen Bereich. Die Beurteilung der konkreten fachlichen Eignung darf dabei nicht losgelöst von Art und Umfang der Unterrichtserteilung vorgenommen werden. Der Umfang des erforderlichen Fachwissens für das im Berufskolleg nur zweistündig und praxisbezogen unterrichtete Fach VBWL lässt sich dem in den Akten befindlichen Lehrplan (Entwurf Technisches Berufskolleg II für den mit Erlass des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport vom 17.09.2009 auf der Grundlage von § 22 SchG eingeführten Schulversuch „Weiterentwicklung des einjährigen Berufskollegs zum Erwerb der Fachhochschulreife“) entnehmen. Dort heißt es in den Vorbemerkungen u.a.: „Die Schülerinnen und Schüler sollen grundlegende ökonomische Zusammenhänge analysieren. Ziel des Unterrichts ist der Aufbau von Fach- und Verfahrenswissen, welches - eingebunden in authentische Problemsituationen - erlernt, vertieft und somit in Zukunft situativ einsetzbar ist. Daneben soll wissenschaftliches Denken und Handeln entwickelt werden, um Studierfähigkeit zu erlangen. Aus der Perspektive des Unternehmensgründers und den damit verbundenen Chancen und Risiken soll die Notwendigkeit grundlegender rechtlicher und betriebswirtschaftlicher Kenntnisse vermittelt werden.“ Das Vorliegen der insoweit erforderlichen vor allem praxisbezogenen fachlichen Kenntnisse liegt bei der Klägerin angesichts der von ihr unwidersprochen vorgetragenen vielfältigen Tätigkeiten und Ausbildungen nahe. Die ebenfalls notwendige Kompetenz zur Vermittlung von Studierfähigkeit ist durch ihre Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien grundsätzlich gewährleistet. Hinzu kommt, dass der Beigeladene im Verwaltungsverfahren auf der Grundlage eines Unterrichtsbesuchs eingehende Ausführungen zur konkreten fachwissenschaftlichen Eignung der Klägerin für das unterrichtete Fach gemacht hat. Mit diesen hat sich der Beklagte zu keinem Zeitpunkt substantiiert auseinandergesetzt. Er hat auch weder im Verwaltungsverfahren noch in dem seit Abschluss des Eilverfahrens vergangenen Zeitraum, in dem die Klägerin durchgehend und ohne bekannt gewordene Beanstandungen das Fach VBWL unterrichtet, von dem Angebot eines eigenen Unterrichtsbesuchs Gebrauch gemacht. Mithin lässt sich jedenfalls nicht hinreichend verlässlich feststellen, dass die Klägerin nicht über die erforderliche Qualifikation verfügt. Erst recht fehlt es an einer zuverlässigen Tatsachenbasis dafür, dass die Unterrichtstätigkeit mit gravierenden Gefahren im oben dargestellten Sinne verbunden ist. Damit sind Tatsachen i.S.d. § 8 PSchG, die eine Untersagung der Unterrichtstätigkeit rechtfertigen könnten, nicht festzustellen. Da § 8 PSchG eine Eingriffsnorm ist, müssen die verbleibenden, dem Beklagten zuzurechnenden Zweifel zu dessen Lasten gehen.
29 
Bei dieser Sach- und Rechtslage bedarf die Frage, ob der Beklagte in der angegriffenen Verfügung das ihm durch § 8 PSchG eingeräumte Ermessen in fehlerfreier Weise ausgeübt hat, keiner Entscheidung.
30 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit auch kein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
31 
Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) besteht nicht.
32 
Beschluss vom 17. Oktober 2012
33 
Der Streitwert wird für den zweiten Rechtszug auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG).
34 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
18 
Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben und den angefochtenen Bescheid des Beklagten aufgehoben.
19 
Die Anfechtungsklage der Klägerin ist zulässig. Sie bedurfte insbesondere gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO keines Vorverfahrens nach § 68 Abs. 1 VwGO. Die Klage ist auch begründet, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Da es sich bei der Unterrichtsuntersagung um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt (vgl. das Senatsurteil vom 26.05.1987 - 9 S 1085/85 -), ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung deren Rechtmäßigkeit grundsätzlich der Zeitpunkt der Verhandlung vor dem erkennenden Senat (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 05.01.2012 - 8 B 62/11 - NVwZ 2012, 510 mwN).
20 
Als Rechtsgrundlage der angefochtenen Verfügung kommt allein § 8 Privatschulgesetz (PSchG) in Betracht. Danach kann die obere Schulaufsichtsbehörde Personen eine Tätigkeit als Schulleiter oder Lehrer an einer Ersatzschule untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, die sie für die Ausübung einer solchen Tätigkeit ungeeignet erscheinen lassen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen nicht vor.
21 
Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass sich der Anwendungsbereich des § 8 PSchG von vornherein nicht auf Mängel der fachwissenschaftlichen Eignung erstreckt. Zwar hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien insbesondere zum Gesetz zur Änderung des Privatschulgesetzes vom 16.01.1968 (vgl. LT-Drs. 4691 Beilage IV, S. 8059) zutreffend ausgeführt, dass es das maßgebliche Anliegen des Gesetzgebers mit § 8 PSchG war, der Schulaufsicht etwa bei schwerwiegenden Verfehlungen von Schulleitern und Lehrern an Ersatzschulen ein eigenes Eingriffsrecht zu verschaffen. Zu einer ausdrücklichen Beschränkung des Anwendungsbereichs auf derartige Fälle fehlender persönlicher Eignung, etwa im Hinblick auf charakterliche Eigenschaften, lässt sich den Gesetzesmaterialien jedoch nichts entnehmen. Eine solche Beschränkung, welche ein unmittelbares Eingreifen der Schulaufsicht in Fällen fehlender fachlicher oder pädagogischer Eignung ausschließen würde, folgt auch nicht aus dem Wortlaut der Norm. Denn der Begriff der Eignung wird allgemein, etwa im Zusammenhang mit der Vorschrift des Art. 33 Abs. 2 GG oder sonst im Recht des öffentlichen Dienstes, als Oberbegriff auch für die Befähigung und die fachliche Leistung verstanden (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.12.2002 - 2 C 31/01 -, NVwZ 2003, 1398, und vom 06.02.1975 - II C 68.73 - NJW 1975, 1135; BAG, Urteil vom 12.11.2008 - 7 AZR 499/07 -, Juris, Badura in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Stand April 2012, Art. 33, Rn. 31 [2009]).
22 
Dem entspricht es, dass der erkennende Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen ist, dass auch eine fehlende fachliche Eignung unter bestimmten Umständen zu einem Eingriff nach § 8 PSchG berechtigen kann. Zwar hat der Senat bislang nur Fälle fehlender persönlicher Eignung entschieden (vgl. Urteil vom 26.05.1987 aaO in einem Fall sexueller Verfehlungen und Beschluss vom 20.06.1989 - 9 S 781/89 - DVBl 1989, 1265 bei wiederholten Verurteilungen nach dem Betäubungsmittelgesetz). Gleichwohl hat er etwa im Urteil vom 26.05.1987 ausgeführt, dass es bei der Prüfung der Ungeeignetheit im Sinne des § 8 PSchG „in aller Regel“ um die persönliche (Un-)Zuverlässigkeit geht. Dies schließt gerade nicht aus, dass - ausnahmsweise - auch eine fehlende fachliche Eignung zu einem Vorgehen nach § 8 PSchG berechtigen kann. Auf solche Ausnahmefälle weist auch die Rechtsprechung des Senats zur Frage der Erforderlichkeit einer Unterrichtsgenehmigung von Lehrern an einer genehmigten Ersatzschule hin. Im Beschluss vom 30.07.2007 - 9 S 234/07 - hat der Senat entschieden, dass für den Betrieb einer genehmigten Ersatzschule neben der Betriebsgenehmigung eine gesonderte „Unterrichtsgenehmigung“ für die eine Unterrichtstätigkeit anstrebende einzelne Lehrkraft nicht erforderlich ist, vielmehr bei Eignungszweifeln - im entschiedenen Fall hinsichtlich der pädagogischen Eignung einer Lehrkraft - lediglich ein Vorgehen nach § 8 PSchG in Betracht kommt. Diese Entscheidung nimmt Bezug auf eine veröffentlichte Entscheidung des Senats, der eine Fallgestaltung zugrunde lag, in der der Antragsgegner die fachliche und pädagogische Eignung der Lehrperson an einer Privatschule in Zweifel zog. Hier hat der Senat ausgeführt, dass die fehlende „Eignung“ einer Person mit nachgewiesener Ausbildung im Sinne des § 5 Abs. 1 a) und Abs. 3 Satz 1 PSchG für die privatrechtliche Tätigkeit als Lehrer an einer Ersatzschule allenfalls für eine Maßnahme nach § 8 PSchG zum Anlass genommen werden kann (so Beschluss des Senats vom 14.03.2007 - 9 S 1673/06 -, GewArch 2007, 263 ).
23 
Mithin ist festzuhalten, dass sich der Anwendungsbereich des § 8 PSchG auch auf Fälle der fachlichen Ungeeignetheit des Lehrers an einer Ersatzschule erstrecken kann. Allerdings erscheint nach Auffassung des Senats in derartigen Fällen eine restriktive Auslegung der Bestimmung geboten.
24 
Sinn und Zweck der Vorschrift ist die Gewährleistung einer wirksamen Schulaufsicht, wie sie gemäß Art. 7 Abs. 1 GG dem Staat über das gesamte Schulwesen und damit auch über das verfassungsrechtlich durch Art. 7 Abs. 4 GG geschützte Privatschulwesen obliegt. Sie dient letztlich der Abwehr von Gefahren für das Persönlichkeitsrecht und den Bildungsanspruch der Schüler (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 11 und 12 LV), für das elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) (vgl. Senatsurteil vom 26.05.1987, a.a.O.; Senatsbeschluss vom 20.06.1989, a.a.O.) und für den staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag (Art. 7 Abs. 1 GG). Mit einer auf § 8 PSchG gestützten Maßnahme greift der Staat dabei sowohl in das dem jeweiligen Privatschulträger durch Art. 7 Abs. 4 GG eingeräumte grundsätzliche Selbstbestimmungsrecht im Hinblick auf die Organisation des Unterrichts und die Auswahl der Lehrer (vgl. Avenarius, Schulrecht, 8. Auflage 2010, TZ 15.4 ff.; Heckel, Deutsches Privatschulrecht, 1955, Anm. 22 und 23) als auch in die dem jeweiligen Lehrer verbürgte Rechtsposition aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Vor dem Hintergrund dieses verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnisses hat die Schulaufsichtsbehörde bei der Anwendung der Bestimmung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Dabei ist zu beachten, dass Maßnahmen der Schulaufsicht (vgl. § 32 Abs. 2 SchG, §§ 4 ff., 22 PSchG sowie Nr. 1 der Vollzugsverordnung zum Privatschulgesetz [VVPSchG] in der Fassung vom 20.07.1971 [GBl. S. 346], zuletzt geändert durch Artikel 53 des Gesetzes vom 01.07.2004 (GBl. S. 469, 502)) in erster Linie an die Schule selbst zu richten sind und dass sich der in § 8 PSchG geregelte Durchgriff auf die Tätigkeit des Lehrers deshalb als Ausnahme darstellt (vgl. Sächs. OVG, Urteil vom 22.03.2006 - 2 B 775/04 -, Juris). Dies gilt umso mehr, als der Landesgesetzgeber die Unterrichtstätigkeit des einzelnen Lehrers an einer Privatschule keinem präventivem Genehmigungsvorbehalt unterworfen hat (Senatsbeschluss vom 14.03.2007, a.a.O.). Hat er damit über die Genehmigung der Errichtung und des Betriebs der Ersatzschule nach § 4 PSchG hinaus ein weiteres behördliches Kontrollverfahren für die Unterrichtstätigkeit des einzelnen Lehrers nicht vorgesehen, spricht dies dafür, dass er jedenfalls grundsätzlich davon ausgeht, dass die nach § 4 PSchG genehmigte Ersatzschule in der Lage ist, die Erfüllung der in §§ 5 und 6 PSchG beschriebenen Voraussetzungen, einschließlich eines im Verhältnis zu entsprechenden öffentlichen Schulen gleichwertigen Unterrichts, in eigener Verantwortung zu gewährleisten.
25 
Vor diesem Hintergrund kommt eine auf § 8 PSchG gestützte Untersagung der Unterrichtstätigkeit in Fällen fachlicher Eignungsmängel des Lehrers an einer Ersatzschule erst in Betracht, wenn die konkrete Tätigkeit mit gravierenden Gefahren für die durch die Vorschrift geschützten Rechtsgüter, insbesondere den Bildungsanspruch der Schüler, das elterliche Erziehungsrecht oder den staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag verbunden ist. Danach sind jedenfalls geringfügige fachliche Defizite, die den Unterrichtserfolg insgesamt nicht ernsthaft in Frage stellen, nicht geeignet, eine Maßnahme nach § 8 Abs. 1 PSchG zu rechtfertigen. Andererseits liegt ein Vorgehen nach dieser Bestimmung nahe, wenn fachliche Defizite mit besonderen Gefahren verbunden sein können, wie etwa bei der Durchführung von Experimenten im Chemieunterricht durch einen „fachfremden“ Lehrer. Einer abschließenden Festlegung, unter welchen Voraussetzungen die „fachfremde“ Erteilung von Unterricht die Ungeeignetheit eines Lehrers im Sinne des § 8 Abs. 1 PSchG begründen kann, bedarf es im vorliegenden Verfahren nicht.
26 
Gemessen an dem aufgezeigten Maßstab vermag der Senat nicht festzustellen, dass hier Tatsachen vorliegen, die die Klägerin als ungeeignet für die Unterrichtstätigkeit im Fach Volks- und Betriebswirtschaftslehre erscheinen lassen (zur gerichtlichen Kontrolldichte vgl. das Senatsurteil vom 26.05.1987, a.a.O.).
27 
Der Beklagte stützt die angefochtene Verfügung maßgeblich auf die Erwägung, dass die Klägerin nicht über die erforderliche fachwissenschaftliche Eignung für den Unterricht im Fach Volks- und Betriebswirtschaftslehre verfügt, da sie weder ein abgeschlossenes Hochschul- noch Fachhochschulstudium in diesen Fächern nachweisen kann und deshalb keine Lehrbefähigung für diese Fächer besitzt. Zur Begründung der Ungeeignetheit im Sinne des § 8 PSchG knüpft der Beklagte mithin unmittelbar an die Genehmigungsvoraussetzung des § 5 Abs. 3 Satz 1 PSchG an. Bereits der Umstand, dass sich die in § 5 Abs. 3 Satz 1 PSchG normierte Genehmigungsvoraussetzung und die Voraussetzungen des § 8 PSchG für die Untersagung der Leitungs- und Lehrtätigkeit unterscheiden, spricht dagegen, dass schon das Fehlen einer fachwissenschaftlichen Ausbildung, die derjenigen der Lehrer an entsprechenden öffentlichen Schulen gleichkommt, die Ungeeignetheit begründet (vgl. Sächs. OVG, Urteil vom 22.03.2006, a.a.O.). Dies gilt auch mit Blick darauf, dass die Schulaufsicht in dem auch an öffentlichen Schulen in gewissem Umfang erforderlichen fachfremden Unterricht keinen zwingenden Grund für ein Einschreiten sieht (vgl. die mit Schriftsatz vom 28.09.2012 vorgelegte statistische Auswertung). Der fehlende Hochschul- bzw. Fachhochschulabschluss im Fach Volks- und Betriebswirtschaftslehre stellt auch inhaltlich für sich genommen keine „Tatsache“ dar, die geeignet wäre, die Klägerin für den gegenständlichen Unterricht ungeeignet erscheinen zu lassen. Denn damit sind bezogen auf die konkrete Unterrichtstätigkeit tatsächliche fachliche Eignungsmängel der Klägerin, die mit gravierenden Gefahren für die durch die Vorschrift geschützten Rechtsgüter, insbesondere den Bildungsanspruch der Schüler, das elterliche Erziehungsrecht und den staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag verbunden sind, nicht zur Überzeugung des Senats dargetan. Hierfür müsste jedenfalls auch mit hinreichender Verlässlichkeit feststellbar sein, dass die Klägerin ihre fachliche, insbesondere auch fachwissenschaftliche Eignung für die gegenständliche Unterrichtstätigkeit nicht auf andere Weise nachweisen kann (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 PSchG). Dies ist indes nicht der Fall.
28 
Die Klägerin hat die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien bestanden. Ihre fachwissenschaftliche Qualifikation für die Unterrichtung an einem Berufskolleg mit dem Ziel „Erreichung der Fachhochschulreife“ liegt somit vor. Darüber hinaus verfügt sie über Kenntnisse im volks- und betriebswirtschaftlichen Bereich. Die Beurteilung der konkreten fachlichen Eignung darf dabei nicht losgelöst von Art und Umfang der Unterrichtserteilung vorgenommen werden. Der Umfang des erforderlichen Fachwissens für das im Berufskolleg nur zweistündig und praxisbezogen unterrichtete Fach VBWL lässt sich dem in den Akten befindlichen Lehrplan (Entwurf Technisches Berufskolleg II für den mit Erlass des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport vom 17.09.2009 auf der Grundlage von § 22 SchG eingeführten Schulversuch „Weiterentwicklung des einjährigen Berufskollegs zum Erwerb der Fachhochschulreife“) entnehmen. Dort heißt es in den Vorbemerkungen u.a.: „Die Schülerinnen und Schüler sollen grundlegende ökonomische Zusammenhänge analysieren. Ziel des Unterrichts ist der Aufbau von Fach- und Verfahrenswissen, welches - eingebunden in authentische Problemsituationen - erlernt, vertieft und somit in Zukunft situativ einsetzbar ist. Daneben soll wissenschaftliches Denken und Handeln entwickelt werden, um Studierfähigkeit zu erlangen. Aus der Perspektive des Unternehmensgründers und den damit verbundenen Chancen und Risiken soll die Notwendigkeit grundlegender rechtlicher und betriebswirtschaftlicher Kenntnisse vermittelt werden.“ Das Vorliegen der insoweit erforderlichen vor allem praxisbezogenen fachlichen Kenntnisse liegt bei der Klägerin angesichts der von ihr unwidersprochen vorgetragenen vielfältigen Tätigkeiten und Ausbildungen nahe. Die ebenfalls notwendige Kompetenz zur Vermittlung von Studierfähigkeit ist durch ihre Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien grundsätzlich gewährleistet. Hinzu kommt, dass der Beigeladene im Verwaltungsverfahren auf der Grundlage eines Unterrichtsbesuchs eingehende Ausführungen zur konkreten fachwissenschaftlichen Eignung der Klägerin für das unterrichtete Fach gemacht hat. Mit diesen hat sich der Beklagte zu keinem Zeitpunkt substantiiert auseinandergesetzt. Er hat auch weder im Verwaltungsverfahren noch in dem seit Abschluss des Eilverfahrens vergangenen Zeitraum, in dem die Klägerin durchgehend und ohne bekannt gewordene Beanstandungen das Fach VBWL unterrichtet, von dem Angebot eines eigenen Unterrichtsbesuchs Gebrauch gemacht. Mithin lässt sich jedenfalls nicht hinreichend verlässlich feststellen, dass die Klägerin nicht über die erforderliche Qualifikation verfügt. Erst recht fehlt es an einer zuverlässigen Tatsachenbasis dafür, dass die Unterrichtstätigkeit mit gravierenden Gefahren im oben dargestellten Sinne verbunden ist. Damit sind Tatsachen i.S.d. § 8 PSchG, die eine Untersagung der Unterrichtstätigkeit rechtfertigen könnten, nicht festzustellen. Da § 8 PSchG eine Eingriffsnorm ist, müssen die verbleibenden, dem Beklagten zuzurechnenden Zweifel zu dessen Lasten gehen.
29 
Bei dieser Sach- und Rechtslage bedarf die Frage, ob der Beklagte in der angegriffenen Verfügung das ihm durch § 8 PSchG eingeräumte Ermessen in fehlerfreier Weise ausgeübt hat, keiner Entscheidung.
30 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit auch kein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
31 
Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) besteht nicht.
32 
Beschluss vom 17. Oktober 2012
33 
Der Streitwert wird für den zweiten Rechtszug auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG).
34 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.