Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 24. Apr. 2014 - 8 A 36/12
Gericht
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 12.12.2011 und 25.01.2012 verpflichtet, der Klägerin die unter dem 26.08.2011 und 17.11.2011 beantragte denkmalschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung für Umbaumaßnahmen am Gebäude des Kieler Hauptbahnhofs.
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Die Klägerin betreibt im Gebäude des Kieler Hauptbahnhofs eine Bäckereifiliale. Die Filiale befindet sich auf der Westseite des Bahnhofs gegenüber dem „Sophienhof“. Unter dem 26.08.2011 - ergänzt mit Schreiben vom 17.11.2011 - beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Genehmigung für die Errichtung eines sog. Wintergartens zur Erweiterung ihrer Verkaufs- und Bedienfläche. Der Wintergarten soll einen Teil der Fläche in Anspruch nehmen, der bislang als Durchgangsbereich (Wandelgang) zwischen dem Eingang zum Bahnhofsgebäude und zu der Fußgängerbrücke zum Sophienhof genutzt wird. Der in diesem Bereich circa 5 m breite Wandelgang würde dadurch auf einer Länge von 11,80 m auf eine Breite von 2,50 m reduziert. In den freien Raum des Wandelgangs würden Stahlstützen eingebracht, die den Außenstützen der Wandelhalle entsprechen. Die Glaswände sollen zwischen den nichttragenden Stahlstützen errichtet werden. Der Wintergarten soll durch eine Tür sowohl mit den vorhandenen Verkaufsräumen der Klägerin als auch mit dem Wandelgang verbunden werden. Auf den Glasflächen sind mehrere Schriftzüge mit dem Namen der Klägerin vorgesehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 1-6 des Verwaltungsvorgangs und auf die beigefügten Visualisierungen (Bl. 52-56 d.A.) verwiesen. Der Bereich, in dem der Wintergarten errichtet werden soll, wird durch die Klägerin bereits als Aufstellfläche für Tische und Stühle genutzt.
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Das Gebäude des Kieler Hauptbahnhofs ist seit dem 26.10.1990 als ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung im Denkmalbuch verzeichnet. Nach Abschluss von umfangreichen Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen im Jahre 2006 wurde die Denkmalbucheintragung unter dem 14.02.2008 aktualisiert und der bisherige Schutzumfang reduziert. Der Denkmalschutz erstreckt sich nunmehr auf das gesamte dreiflüglige Empfangsgebäude mit dem ehemaligen Kaiserportal an der Wasserseite und die umschlossene dreischiffige Querhalle in filigraner Eisenkonstruktion (vgl. Bl. 38 d.A.).
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Mit Bescheid vom 12.12.2011 lehnte die Beklagte die Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung für die beantragte Baumaßnahme ab. Die für die Veränderung eines Kulturdenkmals gem. § 9 Denkmalschutzgesetz (DSchG) a.F. erforderliche Genehmigung könne nicht erteilt werden. Die Ansicht des Hauptbahnhofs sei durch eine klare Struktur geprägt. Vor der Ziegelfassade der Bahnhofshalle seien links und rechts des Eingangs breite, offene Gänge angeordnet, die ein großzügiges Flanieren ermöglichen würden. Die beantragte Erweiterung durch einen Wintergarten verenge die Wegebeziehung dauerhaft und verunklare die bauliche Struktur des Bahnhofsgebäudes an der Fassade Sophienblatt erheblich. Eine Möblierung an dieser Stelle sei denkmalpflegerisch hingegen akzeptabel, da es sich nicht um fest installierte Objekte handele.
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Die Klägerin legte unter dem 06.01.2012 gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch ein und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass aufgrund der Planungsvorgaben sowie der zurückgesetzten Positionierung der Elemente keine negative Beeinträchtigung der Fassadenansicht zu erwarten sei. Der Wintergarten übernehme architektonisch die Formsprache des Bahnhofsgebäudes und verlaufe in den bestehenden Achsen. Der großzügige Einsatz von Glas schaffe eine maximale Transparenz. Die Verglasung sei lediglich bis zu einer Höhe von 2,14 m vorgesehen und übernehme damit die Höhe der bestehenden Riegel der Fassadenfenster. Es sei eine Verbesserung des Ambientes und der Aufenthaltsqualität durch eine optische und funktionale Aufwertung mit einer positiven Auswirkung auf das Gesamtensemble zu erwarten. Die Durchgangssituation werde durch eine eindeutige Trennung des Sitzens/Wartens sowie des Gehens verbessert. Ferner sei eine Erhöhung der Sicherheit durch eindeutige Flucht- und Rettungswegebeziehungen angestrebt. Im Übrigen sei eine Verbesserung der sozialen Kontrolle mit Reduzierung des Aufenthalts von randständigen Gruppen durch den wegfallenden unkontrollierten Aufenthaltsbereich gewünscht.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens trägt sie ergänzend vor, dass das Vorhaben das Erscheinungsbild des Bahnhofs als Kulturdenkmal wesentlich beeinträchtige. Eine wesentliche Beeinträchtigung liege vor, wenn nicht nur aus einzelnen besonderen Blickwinkeln, sondern in gewichtigem Umfang die Sichtbeziehungen zu dem Denkmal durch das Bauvorhaben gestört werden. Maßgeblich sei die Störung der städtebaulichen Präsentation des Denkmals. Diese Präsentation des Kieler Hauptbahnhofs würde durch den Anbau des geplanten Wintergartens für die Betrachter am Sophienhof/Sophienblatt wesentlich beeinträchtigt werden. Der Wintergarten verunklare die bauliche Struktur des Bahnhofsgebäudes an der zum Sophienblatt gerichteten Fassade erheblich und dauerhaft. Die Regulierung des Aufenthalts von sog. Randgruppen sei nicht Aufgabe des Denkmalschutzes und begründe keine Änderung eines Kulturdenkmals.
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Die Klägerin hat unter dem 24.02.2012 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass die ablehnende Entscheidung der Beklagten gegen § 6 und § 7 Abs. 2 DSchG 2012. verstoße, da sie die berechtigten Belange der Klägerin nicht ausreichend berücksichtige und der Denkmalwert des Hauptbahnhofs nicht erheblich beeinträchtigt werde.
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Es sei nicht hinreichend dargelegt worden, welches die entscheidenden Kriterien für die Eintragung des Hauptbahnhofs in das Denkmalbuch gewesen seien und an welchem historischen „Vorbild“ sich der heutige Bahnhof orientiere bzw. welcher Denkmalwert durch die beabsichtigte Baumaßnahme beeinträchtigt werden könnte. Dies führe bei der ablehnenden Entscheidung sowohl zu einem Begründungsmangel als auch zu einem Ermessensausfall. Wegen der umfangreichen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen seit der Errichtung des Bahnhofs im Jahre 1899 sei dies jedoch entscheidend dafür, welche kulturellen Maßstäbe jetzt beachtet werden müssten. Der geplante Wintergarten passe nahezu perfekt zu den historischen Motiven des Bahnhofs von 1899. Dass sich auch der heutige Bahnhof an diesen Maßstäben orientiere, ergebe sich beispielsweise aus den Ausführungen auf der Internetseite des Kieler Stadtarchivs. Wegen der Einzelheiten zu diesem Vortrag wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 16.05.2012 (Bl. 30-32 d.A.) verwiesen.
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Ferner werde das äußere Erscheinungsbild des Hauptbahnhofs durch die Art und Weise der Errichtung des Wintergartens nicht verändert. Worin die von der Beklagten vorgetragene erhebliche und dauerhafte Verunklarung der baulichen Struktur des Bahnhofsgebäudes liegt, werde nicht näher begründet. Der Wintergarten füge sich vielmehr in die Formensprache des Gebäudes ein. Er bewirke zudem eine Verbesserung des Ambientes und der Aufenthaltsqualität. In diesem Zusammenhang sei auch § 6 DSchG zu beachten. Eine erhebliche Beeinträchtigung werde auch nicht durch eine etwaige Reduzierung der Durchgangsbreite hervorgerufen. Die Beklagte habe vielmehr die Errichtung zahlreicher Geschäfte im Bahnhofsgebäude genehmigt, die gleichfalls die Durchgangsbreite des Innengebäudes reduzierten. Die bisherige Gestaltung des Bahnhofs führe im Bereich unterhalb des Vordachs zu einem unkontrollierten Aufenthaltsbereich von randständigen Gruppen. Dies beeinträchtige auch die wirtschaftlichen Belange der Geschäfte innerhalb des Bahnhofs. Ferner habe die Beklagte mit ihrer ablehnenden Entscheidung auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und - wegen der von 1999 bis 2006 erteilten Bau- bzw. Umbaugenehmigungen - das Gebot der Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
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Die Klägerin beantragt,
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1. den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 12.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2012 aufzuheben;
2. die Beklagte zu verurteilen, den Antrag der Klägerin vom 17.11.2011 bezüglich der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung für den Anbau eines Wintergartens an die Bäckereifiliale im Kieler Hauptbahnhof positiv zu bescheiden;
3. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, den im Antrag zu Ziffer 2 bezeichneten Antrag der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts des Gerichts neu zu bescheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren vertritt sie die Ansicht, dass die gem. § 7 Abs. 1 DSchG 2012 genehmigungspflichtige Errichtung des geplanten Wintergartens nicht genehmigungsfähig sei. Die Errichtung des Wintergartens würde den Denkmalwert des Bahnhofs erheblich beeinträchtigen. Dieser Denkmalwert sei wegen seiner städtebaulichen Bedeutung und aufgrund seiner historischen Komponente als wesentlicher Bestandteil der Entwicklung Kiels im 19. Jahrhundert von herausragender Bedeutung. Die aus dem 19. Jahrhundert erhaltenen Bauteile verstärkten den Denkmalwert. Das Bahnhofsgebäude sei daher besonders schützenswert.
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Aufgrund der Größe des Vorhabens sei dieses besonders geeignet, die Aufmerksamkeit eines Betrachters auf sich zu ziehen und somit das Bild der Westseite des Denkmals wesentlich zu verändern und zu beeinträchtigen. Der Westseite des Bahnhofs komme auch ein besonderer Stellenwert zu, da sämtliche Fahrgäste, die den öffentlichen Nahverkehr im Stadtbereich nutzen, den Bahnhof von dieser Seite erreichen. Die optische Symmetrie durch die breiten Gänge links und rechts des Eingangs sowie die bauliche Struktur mit den Ziegelfassaden würden durch das Vorhaben erheblich gestört und optisch in den Hintergrund rücken.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin würden durch die Errichtung des Wintergartens und das Aufstellen weiterer Tische und Stühle weitere Hindernisse geschaffen und die Durchgangssituation eher verschlechtert. Dadurch gehe auch die Freizügigkeit der Durchgangs- und Aufenthaltsfläche verloren. Die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin, welche sie mit einer Erweiterung ihrer Verkaufs- und Bedienfläche verfolge, müssten hinter dem herausragenden Denkmalwert und dessen Schutz zurückstehen. Eine bloß zusätzliche Verdienstmöglichkeit sei in diesem Zusammenhang nicht schützenswert.
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Mit Beschluss vom 28.02.2012 wurde das Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein gem. § 65 Abs. 2 VwGO beigeladen. Die Beiladung wurde mit Beschluss vom 18.03.2014 aufgehoben (Bl. 63 f. d.A.). Die vormalige Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 04.06.2012 vorgetragen, dass sich die Unterschutzstellungsverfügung vom 14.02.2008 genau auf jenen Bahnhof beziehe, der zu diesem Zeitpunkt saniert war. Dieser Zustand stelle den maßgeblichen Denkmalwert dar. Ziel der Instandsetzungen im Jahre 2006 sei es gewesen, die noch erhaltenen Bauelemente des 19. Jahrhunderts (Querhalle, Mauerwerk und Kaiserportal) zu erhalten und dabei den Bahnhof gleichzeitig mit den Mitteln einer modernen Architektursprache weiterzuentwickeln. Der Bahnhof stelle heute keine Rekonstruktion dar, sondern ein in sich geschlossenes Bauwerk mit historischen und modernen Bauteilen, die ein harmonisches Ganzes ergeben würden. Der streitgegenständliche Anbau unter der überdachten „Wandelhalle“ würde das architektonische Konzept verunklaren und das Erscheinungsbild des Baudenkmals stören.
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Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat eine Besichtigung des Kieler Hauptbahnhofs stattgefunden. Es wurden Lichtbilder gefertigt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die beantragte denkmalrechtliche Genehmigung und die Sache ist spruchreif, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung ist § 7 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Denkmalschutzgesetz (DSchG) in der ab dem 27.01.2012 geltenden Fassung (GOVBl. 2012, 83). Bei der Verpflichtungsklage ist für die Prüfung, ob ein Rechtsanspruch auf den Erlass des beantragten Verwaltungsakts bzw. auf Bescheidung über den Antrag besteht, grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. Kopp/Schenke, 18. Aufl. 2012, § 113 Rn 217 m.w.N.). Eine Abweichung von diesem Grundsatz aufgrund der Vorgaben des maßgeblichen materiellen Rechts - hier des Denkmalschutzgesetzes - ergibt sich vorliegend nicht.
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1. Das Vorhaben der Klägerin ist gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DSchG genehmigungsbedürftig. Genehmigungsbedürftig sind danach die Instandsetzung, die Veränderung und die Vernichtung eines eingetragenen Kulturdenkmals. Die Errichtung des Wintergartens stellt eine Veränderung eines eingetragenen Kulturdenkmals dar. Der Kieler Hauptbahnhof ist in seiner jetzigen Gestalt seit dem 14.02.2008 als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung im Denkmalbuch eingetragen und steht somit unter Denkmalschutz. Ausweislich des Eintragungsvermerks erstreckt sich der Denkmalschutz auf das gesamte dreiflüglige Empfangsgebäude mit dem ehemaligen Kaiserportal an der Wasserseite und die umschlossene dreischiffige Querhalle in filigraner Eisenkonstruktion. Vom Denkmalschutz erfasst ist somit auch die streitgegenständliche Fassade der Westseite des Bahnhofs mitsamt dem Wandelgang, in dem der Wintergarten errichtet werden soll.
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Unter einer Veränderung ist jede Maßnahme zu verstehen, die den zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestehenden Zustand des Kulturdenkmals abändert, auch wenn dieser nicht der historisch originale oder wenn er auf nicht rechtmäßige Weise zustande gekommen ist. Es ist der vor der Maßnahme vorhandene Zustand mit dem Zustand zu vergleichen, wie er sich nach Durchführung der Maßnahme darstellen würde. Genehmigungspflichtig ist jede Veränderung eines Kulturdenkmals, ohne dass es auf deren Auswirkungen für das Denkmal ankommt (vgl. Gallinat, in: PdK SH, DSchG, G 11, Stand: August 2005, § 9 Erl. 2.1.2 m.w.N.). Diese Voraussetzungen werden vorliegt erfüllt. Die Errichtung des Wintergartens führt zu einer Veränderung des Erscheinungsbildes des Hauptbahnhofs an der Westfassade und zu einer Verringerung des Durchgangsbereichs im westlichen Wandelgang.
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2. Das Vorhaben ist auch genehmigungsfähig. § 7 Abs. 2 DSchG bestimmt, dass eine Genehmigung nach Absatz 1 zu erteilen ist, wenn nicht der Denkmalwert erheblich beeinträchtigt wird. Die Kammer ist der Ansicht, dass mit der Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens keine erhebliche Beeinträchtigung des Denkmalwertes des Kieler Hauptbahnhofs verbunden ist.
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a) Bei der Beurteilung der Frage, wann eine „wesentliche“ Beeinträchtigung des Eindrucks eines Kulturdenkmals i.S.v. § 9 Abs. 1 DSchG a.F. vorlag, stellte das OVG Schleswig in ständiger Rspr. auf das Empfinden eines für die Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Betrachters ab (OVG Schleswig, Urt. v. 14.09.2000 – 1 L 143/97 – n.v.; Urt. v. 29.09.2003 – 1 LB 64/03 – n.v.; a.A. Gallinat, a.a.O., § 9 Erl. 2.3.3 mit dem Verweis auf die ständige Rechtsprechung des OVG Lüneburg, wonach auf das Urteil eines Sachverständigen auf dem Gebiet des Denkmalschutzes abzustellen ist, dessen Maßstab von einem breiten Kreis von Sachverständigen getragen wird; vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Urt. v. 23.08.2012 - 12 LB 170/11 - juris, m.w.N.). An diesem Maßstab ist auch nach der Neufassung des Denkmalschutzgesetzes zur Beurteilung der Frage, ob eine „erhebliche“ Beeinträchtigung i.S.v. § 7 Abs. 2 DSchG n.F. vorliegt, festzuhalten. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit dem nunmehr im Denkmalschutzgesetz verwandten Begriff der erheblichen Beeinträchtigung etwas substantiell anderes verlangt als mit dem Denkmalschutzgesetz von 1996 in § 9 verwandten Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung (so bereits VG Schleswig, Urt. v. 14.05.2013 - 2 A 226/11 - n.v.).
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Die Frage, ob Belange des Denkmalschutzes einem Vorhaben entgegenstehen, wird nach allgemeiner Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung maßgeblich davon bestimmt, unter welchen Gesichtspunkten die Denkmalwürdigkeit des Objektes angenommen wird. Die entsprechende Beurteilung muss kategorienadäquat erfolgen. Sie muss sich – auch im Hinblick auf die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentümerbefugnisse – an der für das Schutzgut maßgeblichen denkmalrechtlichen Bedeutungskategorie orientieren (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 10.06.2010 - 1 S 585/10 - juris, OVG Koblenz, Beschl. v. 16.08.2011 - 8 A 10590/11 - juris; OVG Lüneburg, Urt. v. 23.08.2012 - 12 LB 170/11 - juris, jeweils m.w.N.).
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Eine Beeinträchtigung des Eindrucks des Kulturdenkmals, d.h. eine Störung seines Erscheinungsbildes liegt dann vor, wenn die jeweilige besondere Wirkung des Denkmals, die es als Zeugnis der Geschichte, als Kunstwerk, als bestimmendes städtebauliches Element oder als ein die Kulturlandschaft prägendes Objekt auf den Beobachter ausübt, geschmälert wird. Wann eine erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds eines Denkmals anzunehmen ist, lässt sich nicht allgemeingültig bestimmen, sondern hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, insbesondere von dem Denkmalwert und der Intensität des Eingriffs, ab. Je höher der Wert des Denkmals einzuschätzen ist, desto eher kann eine erhebliche Beeinträchtigung von dessen Erscheinungsbild anzunehmen sein. Je schwerwiegender das Erscheinungsbild betroffen ist, desto eher kann die Schwelle der Unzumutbarkeit überschritten sein. Der Begriff der "erheblichen Beeinträchtigung“ ist - wie der der "Beeinträchtigung" - ein der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegender unbestimmter Rechtsbegriff. Bei einer Beeinträchtigung des optischen Erscheinungswertes eines Denkmals ist differenzierend darauf abzustellen, welche Gründe für die Unterschutzstellung des Denkmals maßgeblich waren. Liegen die Gründe für die Denkmalschutzwürdigkeit weniger in der architektonisch-künstlerischen Gestaltung des Bauwerks als in seiner historisch-wissenschaftlichen Bedeutung, so ist die Empfindlichkeit eines solchen Denkmals gegenüber optischen Einwirkungen geringer ausgeprägt, als wenn gerade das Erscheinungsbild des Kulturdenkmals maßgeblich für dessen Erhaltungsbedürftigkeit ist. In einem solchen Fall dürfte die Toleranzschwelle für optische Beeinträchtigungen des Denkmals eher schon auf einer sehr niedrigen Stufe erreicht werden (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 23.08.2012 - 12 LB 170/11 - juris, m.w.N. und Urt. v. 03.05.2006 – 1 LB 16/05 - juris; VG Neustadt/Weinstraße, Urt. v. 26.05.2010 - 3 K 84/10.NW - juris).
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Für eine erhebliche Beeinträchtigung muss eine empfindliche Störung des Eindrucks vorliegen, d.h. der Gegensatz zu ihm muss deutlich wahrnehmbar sein und von dem Betrachter als belastend empfunden werden. Die jeweilige besondere Wirkung des Kulturdenkmals darf nicht übertönt, verdrängt oder geschmälert werden. Es soll die gebotene Achtung gegenüber den Werten erkennbar bleiben, die das Kulturdenkmal an seinem Standort verkörpert (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 29.09.2003 – 1 LB 64/03 – n.v.; Gallinat, a.a.O., § 9 Erl. 2.3.3. m.w.N. aus der Rechtsprechung).
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Die Kammer ist auf der Grundlage des Eindrucks, den sie durch die Inaugenscheinnahme des Kieler Hauptbahnhofes, insbesondere der maßgeblichen Westfassade, gewonnen hat und nach dem Vortrag der Beteiligten unter Anwendung einer kategorienadäquaten Betrachtungsweise der Auffassung, dass der beantragte Wintergarten den Denkmalwert des Bahnhofes weder unter architektonisch-künstlerischen noch unter optischen oder städtebaulichen Gesichtspunkten erheblich beeinträchtigt und daher mit dessen Unterschutzstellung vereinbar ist.
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Der Wintergarten wird nicht zu einer Verunklarung bzw. Störung des Erscheinungsbildes und der Struktur der insoweit maßgeblichen Westfassade des Bahnhofsgebäudes führen. Das Erscheinungsbild der Westfassade ist neben den gemauerten Fassadenelementen (Klinker) durch die Verwendung von Glas- und Stahlelementen gekennzeichnet (vgl. Bilder 1 und 4). Das obere Viertel der Fassade wird durch eine in Stahlstützen eingefasste Fensterfront gebildet. Der mittlere Fassadenteil ist mit Klinkersteinen gemauert bzw. verputzt und wird durch Glasfenster unterbrochen. Der untere Fassadenteil besteht linksseitig des Eingangs zum Bahnhofsgebäude aus dem streitgegenständlichen Wandelgang, in dessen hinteren Bereich sich die Glas-/Fensterfront der Bäckereifiliale der Klägerin befindet. Am Ende des Wandelgangs schließt sich ein Treppenbau an, der zu der Fußgängerbrücke zum Sophienhof führt. Sowohl der Treppenbau als auch die Fußgängerbrücke sind verglast, wobei die Glasflächen in Stahlstützen eingefasst sind (vgl. Bilder 2 und 3). Rechtsseitig des Eingangs befindet sich ein nicht überdachter Zugang zum Bahnhofseingang in Form einer Rampe. In die verklinkerte Fassade in diesem Bereich sind Fenster eingefasst.
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Der streitgegenständliche Wintergarten besteht ebenfalls aus Glasflächen, die in zu errichtende Stahlstützen eingefasst werden. Er stellt somit keinen Widerspruch zu den an der Westfassade vorzufindenden Gestaltungselementen dar. Da sich das Vorhaben zudem auf den Bereich beschränkt, der bereits überdacht ist, findet nach Auffassung der Kammer auch keine empfindliche Störung des Erscheinungsbildes der Westfassade statt. Der Wintergarten entfaltet keine optische Dominanz, die für eine erhebliche Beeinträchtigung des Denkmalwertes erforderlich wäre. Er wird sich wegen seines Umfangs und wegen der Verwendung der sich im jetzigen Fassadenbild ebenfalls anzutreffenden Materialien nicht wesentlich hervorheben und daher auch nicht die städtebauliche Präsentation des Denkmals (erheblich) beeinträchtigen. Ferner ist die Kammer nach Inaugenscheinnahme der Westfassade vom Sophienhof aus der Ansicht, dass der Wintergarten dort weder erheblich noch störend auffallend wird und keine den Gesamteindruck Bahnhofs beeinträchtigende Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. Die Kammer teilt auch nicht die Bedenken der Beklagten, dass der Eingangsbereich an der Westseite des Bahnhofs nicht ausreichend erkennbar sein wird und Besucher den Eingang zum Wintergarten mit dem Eingang zum Bahnhofsgebäude verwechseln könnten. Der Eingang zum Bahnhofsgebäude ist deutlich gekennzeichnet (vgl. Bilder 1 und 4). Der Eingang zum Wintergarten wird sich mehrere Meter versetzt hiervon befinden. Eine Verwechslungsgefahr ist daher fernliegend.
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Die Kammer ist auch nicht der Auffassung, dass mit der Errichtung des Wintergartens das nach Auffassung der Beklagten vorhandene architektonische Prinzip der freien und großzügigen Durchgangsbereiche und des Freihaltens von (Wege)Achsen erheblich beeinträchtigt wird. In diesem Zusammenhang ist bereits fraglich, ob sich der Schutz dieses architektonischen Prinzips hinreichend aus der Unterschutzstellungsverfügung für das Bahnhofsgebäude ergibt. Ausdrückliche Anhaltspunkte hierfür sind nicht ersichtlich. Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass diese Prinzipien von der Unterschutzstellung des gesamten Gebäudes gewissermaßen konkludent erfasst werden, ist hier die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung abzulehnen. Der Durchgangsbereich im Wandelgang wird durch die Errichtung des Wintergartens zwar teilweise verengt. Zu beachten ist jedoch, dass der Wintergarten nicht den gesamten Wandelgang bis zum Treppenaufgang Fußgängerbrücke zum Sophienhof) in Anspruch nimmt. Insbesondere der Bereich zum Treppenaufgang und zu dem Eingang zu den Büroräumen der Deutschen Bahn bleiben unbebaut (vgl. Bilder 5 und 6). Ferner ist zu berücksichtigen, dass in diesem Bereich nicht die wesentlichen Fußgängerströme vom Sophienblatt und den Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs zum Eingang des Bahnhofsgebäudes auftreten und bereits das Aufstellen von Tischen und Stühlen in dem Bereich, in dem Wintergarten errichtet werden soll, genehmigt wurde. Die Beeinträchtigung des Konzeptes von freizügigen Durchgangsflächen wird jedenfalls nicht erheblich beeinträchtigt. Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf eine mögliche Wiederholungsgefahr in anderen Genehmigungsfällen und auf die Gefahr des Einbrechens des Gesamtprinzips berufen. Ob eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen ist, d.h. ob eine erhebliche Beeinträchtigung des Denkmalwertes vorliegt, ist jeweils eine Frage der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Aus dem Umstand, dass der Klägerin die beantragte Genehmigung zu erteilen ist, folgt nicht zwangsläufig, dass sich andere Antragsteller für die Genehmigung von denkmalschutzrelevanten Vorhaben, zum Beispiel im Inneren des Bahnhofsgebäudes, hierauf berufen können.
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b) Da die Kammer nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung des Denkmalswertes des Kieler Bahnhofs durch das streitgegenständliche Vorhaben ausgeht, kommt es vorliegend nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob und in welchem Umfang die (berechtigten) Belange des Verpflichteten bei der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens zu berücksichtigen sind. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass § 7 Abs. 2 DSchG n.F. ist dahingehend verfassungskonform auszulegen ist, dass im Falle der Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung des Denkmalwertes die berechtigten (wirtschaftlichen) Belange des Verpflichteten gegen die Belange des Denkmalschutzes im Rahmen einer Ermessensentscheidung gegeneinander abzuwägen sind. § 7 Abs. 2 DSchG n.F. ist nicht dahingehend zu verstehen, dass im Falle einer erheblichen Beeinträchtigung des Denkmalwertes, die Genehmigung im Umkehrschluss zwingend zu versagen ist.
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Nach der Begründung zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes 2012 sollte mit der Neuregelung von § 6 DSchG unter ausdrücklicher Hervorhebung der wirtschaftlichen Belange das zuvor mit § 8 DSchG a.F. verfolgte Regelungsziel beibehalten werden (vgl. LT-Drs. 17/1617, S. 22). § 8 DSchG a.F. bestimmte, dass bei allen Maßnahmen auf die berechtigten Belange der Verpflichteten Rücksicht zu nehmen ist. § 6 DSchG n.F. regelt nunmehr nahezu gleichlautend, dass bei allen Maßnahmen auf die berechtigten Belange der Verpflichteten Rücksicht zu nehmen ist, insbesondere auf deren wirtschaftliche Belange.
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Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 DSchG a.F. war eine Genehmigung zu erteilen, wenn Gründe des Denkmalschutzes nicht entgegengestanden haben oder ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlangt hat. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 DSchG a.F. stand die Genehmigungserteilung im Ermessen der Behörde. Sie konnte versagt werden, wenn dies aus Gründen des Denkmalschutzes erforderlich war. Diese Formulierungen ermöglichten die Berücksichtigung der privaten Interessen des Anspruchsstellers. Es ist in der (ober)gerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass bei derart formulierten Genehmigungstatbeständen eine sorgfältige Abwägung zwischen den Belangen des Denkmalschutzes und den Interessen des Eigentümers an einem privatnützigen Gebrauch seines Eigentums mit dem ihm nach Art. 14 Abs. 1 GG zukommenden Gewicht vorzunehmen ist (vgl. Gallinat, a.a.O., § 9 Erl. 4.1 zu § 9 DSchG S-H a.F.; Lund, NordÖR 2011, 383, 385; vgl. auch beispielhaft OVG Koblenz, Beschl. v. 25.07.2007 – 8 A 10587/07.OVG, DVBl. 2007, 1247 und Urt. v. 26.05.2004 – 8 A 12.009/03.OVG – juris, zu § 13 Abs. 2 Nr. 1 DSchG R-P; OVG Münster, Urt. v. 23.09.2013 – 10 A 971/12 – juris, zu § 9 Abs. 2 lit. a) DSchG NRW; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 21.02.2008 – OVG 2 B 12/06 – juris, zu § 11 Abs. 1 Satz 3 DSchG Berlin).
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§ 7 Abs. 2 DSchG n.F. enthält im Vergleich zu dem Genehmigungstatbestand in § 9 DSchG a.F. jedoch keinen normativ-wörtlichen Anknüpfungspunkt für die Beachtung der (wirtschaftlichen) Belange des Betroffenen nach § 6 DSchG (so auch Lund, NordÖR, 2012, 327, 330). Bei § 7 Abs. 2 DSchG n.F. handelt es sich dem Wortlaut nach um eine gebundene Entscheidung ohne Ermessensspielraum für die entscheidende Behörde. Einziges (negatives) Zulässigkeitskriterium ist das Merkmal der erheblichen Beeinträchtigung des Denkmalwerts. Das dargestellte Abwägungsgebot ist zuvorderst jedoch bei Ermessensentscheidungen zu beachten (vgl. Gallinat, a.a.O., Erl. zu § 8 a.F.). Die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit einer Abwägung zwischen den Belangen des Verpflichteten und des Denkmalschutzes ist in § 7 Abs. 2 DSchG a.F. nicht verankert. Mit der Änderung der Genehmigungsvoraussetzungen hat der Gesetzgeber eine - bewusste oder unbewusste - Akzentverschiebung vorgenommen. Eine Ermessens- oder Abwägungsentscheidung ist nicht mehr vorgesehen. Die in der Gesetzesbegründung vertretene Auffassung, wonach auch die Wirtschaftlichkeit nach § 6 bei der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs „nicht erheblich beeinträchtigt“ zu berücksichtigten ist (vgl. LT-Drs. 17/1617, S. 23), ist gesetzessystematisch verfehlt und nicht rechtssicher umsetzbar. Die Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes kann nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht von den jeweiligen berechtigten (wirtschaftlichen) Belangen des Anspruchstellers abhängen. Die Beeinträchtigung des Denkmalwertes durch eine Veränderung des Denkmals ist allein anhand von objektiven bzw. sachbezogenen Kriterien zu beurteilen. Würden die jeweiligen persönlichen Interessen des Anspruchsstellers, die je nach Sachlage erheblich voneinander abweichen können, in die Bewertung einbezogen, könnte es jeweils zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Bewertung, ob der Denkmalwert erheblich beeinträchtigt ist, kommen. Dieses Ergebnis dürfte vom Gesetzgeber nicht gewollt sein und widerspricht auch der Zielstellung des Denkmalschutzrechtes. Ferner führte eine solche Gesetzesanwendung zu einem zu hohen Maß an Unbestimmtheit und Beliebigkeit bei der Prüfung von Anträgen auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung.
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Die Anwendung von § 7 Abs. 2 DSchG n.F. ohne die Möglichkeit, die berechtigten Belange des Verpflichteten bei der Entscheidung über die Zulassung eines denkmalschutzrelevanten Vorhabens zu berücksichtigen, verstößt gegen die Gewährleistung der Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. hierzu auch Lund, NordÖR 2012, 327, 329 f., der sich kritisch mit der Neuregelung des § 7 Abs. 2 DSchG auseinandersetzt und verfassungsrechtliche Bedenken äußert). Nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Beschl. v. 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226 ff.) sind denkmalschutzrechtliche Regelungen, die Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmen, mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar, wenn sie unverhältnismäßige Belastungen des Eigentümers nicht ausschließen und keinerlei Vorkehrungen zur Vermeidung derartiger Eigentumsbeschränkungen enthalten. Die Entscheidung hatte eine Regelung des Denkmalschutzgesetzes Rheinland-Pfalz zum Gegenstand (§ 13 Abs.1 S. 2 a.F.), die eine Berücksichtigung von Eigentümerbelangen nicht vorgesehen hat. Das BVerfG hat entschieden, dass diese Regelung die Rechte der von ihr betroffenen Eigentümer in bestimmten Fallgestaltungen unverhältnismäßig stark einschränkt. Eine die Verfassungsmäßigkeit der Norm (Art. 14 Abs. 1 GG) wahrende Anwendung von § 7 Abs. 2 DSchG n.F. ist daher nach Auffassung des Gerichts nur dann erreichbar, wenn im Falle der Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung des Denkmalwertes anschließend die berechtigten Belange des Verpflichteten gegen die Belange des Denkmalschutzes abgewogen werden. Eine dahingehende Auslegung von § 7 Abs. 2 DSchG n.F. verstößt auch nicht gegen dessen Wortlaut, der zugleich die Grenze für eine zulässige Auslegung darstellt. § 7 Abs. 2 DSchG n.F. enthält nach dessen Wortlaut keine Regelung für den Fall, dass der Denkmalwert durch das beantragte Vorhaben erheblich beeinträchtigt wird. Vom Wortlaut erfasst ist lediglich der Fall, dass der Denkmalwert nicht erheblich beeinträchtigt wird, mit der Folge, dass die Genehmigung zu erteilen ist. Eine zwingende Rechtsfolge, wonach die beantragte Genehmigung abzulehnen ist, wenn der Denkmalwert hingegen erheblich beeinträchtigt ist, ist in § 7 Abs. 2 DSchG nicht ausdrücklich geregelt. Demzufolge steht der Wortlaut von § 7 Abs. 2 DSchG n.F. einer Abwägungsentscheidung in der dargestellten Weise nicht entgegen. Dass auch der Gesetzgeber von keiner „Abwägungssperre“ im Falle einer erheblichen Beeinträchtigung des Denkmalwertes ausgegangen ist, ergibt sich beispielsweise aus der Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 5 DSchG n.F., wonach die Belange von Menschen mit Behinderung, älterer Menschen sowie anderer Personen mit Mobilitätseinschränkungen zu berücksichtigen sind. Dieser von Gesetzes wegen vorgegebene Ermittlungs- und Berücksichtigungsauftrag bei denkmalschutzrechtlichen Entscheidungen würde ins Leere laufen, wenn die genannten Belange bei einer erheblichen Beeinträchtigung des Denkmalwertes nicht beachtet werdet könnten. Bei einer nicht erheblichen Beeinträchtigung sind diese Belange schon nicht entscheidungserheblich.
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Im Rahmen der dargestellten Abwägungsentscheidung dürfte jedoch zu beachten sein, dass lediglich schwerwiegende Belange des Verpflichteten die konkreten Belange des Denkmalschutzes überwiegen können, da erst im Fall einer erheblichen Beeinträchtigungen des Denkmalwertes eine Abwägung vorzunehmen ist. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürften solche schwerwiegende Belange vorliegen, wenn der Kernbereich der Eigentumsfreiheit, zu dem sowohl die Privatnützigkeit als auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis gehören, ausgehöhlt wird. Dies ist insbesondere in den Fällen anzunehmen, in den für ein geschütztes Denkmal ansonsten keine sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr besteht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - a.a.O.). Die Entscheidung über die denkmalschutzrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens ist dann jeweils eine Frage der konkreten Umstände des Einzelfalls.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen.
(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung).
(3) Kommt nach Absatz 2 die Beiladung von mehr als fünfzig Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluß anordnen, daß nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluß ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Er muß außerdem in Tageszeitungen veröffentlicht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muß mindestens drei Monate seit Veröffentlichung im Bundesanzeiger betragen. In der Veröffentlichung in Tageszeitungen ist mitzuteilen, an welchem Tage die Frist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist gilt § 60 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.
(4) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Die Beiladung ist unanfechtbar.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.