Verwaltungsgericht München Beschluss, 18. Okt. 2016 - M 25 S 16.50348

bei uns veröffentlicht am18.10.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Anträge der Antragsteller werden abgelehnt.

II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung der Abschiebung in die Republik Ungarn (im Folgenden: Ungarn) im Rahmen des Dublin-Verfahrens.

Die Antragsteller, eine Familie ukrainischer Staatsbürger, zwei Ehegatten samt drei Kindern, reisten am 11. November 2015 in das Bundesgebiet ein.

Am 18. Februar 2016 beantragten sie Asyl.

Ermittlungen ergaben, dass ungarische Behörden für die Antragsteller Visa erteilt hatten.

Am 4. März 2016 richtete die Antragsgegnerin ein Übernahmeersuchen an die ungarischen Behörden (Behördenakte, Bl. 79).

Am 4. Mai 2016 erklärten die ungarischen Behörden ihre Zuständigkeit nach Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VERORDNUNG (Behördenakte, Bl. 104).

Mit angegriffenem Bescheid vom 30. Mai 2016 ordnete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Folgendes an (Behördenakte, 108):

„1. Die Anträge werden als unzulässig abgelehnt.

2. Die Abschiebung nach Ungarn wird angeordnet.

4. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wird auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.“

Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, dass die Asylanträge gemäß § 27a AsylG (a.F.) unzulässig seien, da Ungarn auf Grund der erteilten Visa gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VERORDNUNG für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Sollten die Antragsteller entgegen der bisherigen Erkenntnislage bereits in einem anderen europäischen Staat internationalen Schutz erhalten haben und die Dublin-III-Verordnung keine Anwendung finden, bleibe es gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 2 AufenthG gleichwohl bei der Unzulässigkeit des Asylantrags. Die weitere Unzulässigkeit des Asylantrags könne auch auf dem erfolglosen Abschluss des früheren Asylverfahrens beruhen, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vorlägen. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VERORDNUNG auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die Antragsteller hätten im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates angegeben, dass sie in keinen anderen Dublin-Mitgliedstaat überstellt werden wollten. Als Grund gegen eine Überstellung nach Ungarn hätten die Antragsteller im Wesentlichen angegeben, dass Ungarn geografisch nahe der Ukraine liegen würde. Die Antragsteller befürchteten, dass der Antragsteller zu 1) auch in Ungarn von der ukrainischen Militärbehörde verfolgt und geschnappt werden könne. Der ungarische Staat schütze jedoch Asylsuchende in seinem Staatsgebiet hinreichend vor politisch motivierten oder sonstigen Übergriffen. Eine mangelnde Schutzbereitschaft oder Schutzfähigkeit der ungarischen Behörden sei nicht erkennbar, so dass es Asylsuchenden, die Übergriffe befürchten, freistehe, sich an die staatlichen Behörden (insbesondere die Polizei) zu wenden. Asylbewerber könnten sich jederzeit mit Hilfe der ungarischen Sicherheitsbehörden oder Gerichte gegen befürchtete Übergriffe zur Wehr setzen. Der Vortrag der Antragsteller führe nicht dazu, dass die Bundesrepublik Deutschland zuständiger Mitgliedstaat werde. Die Asylanträge in der Bundesrepublik Deutschland würden nicht materiell geprüft. Die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn beruht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG (a.F.).

Der Bescheid wurde am 3. Juni 2016 zugestellt (Behördenakte, Bl. 133).

Mit Schriftsatz und Fax vom 8. Juni 2016 erhoben die Antragsteller Klage mit dem Antrag:

„Der Bescheid des Bundesamtes vom 30.5.2016 Az. …, zugestellt am 3.6.2016, wird aufgehoben.“

Gleichzeitig beantragten sie:

„Die aufschiebende Wirkung der Klage – Anordnung der Abschiebung nach Ungarn – wird angeordnet.“

Zur Begründung führten sie Folgendes an: Die Antragsteller hätten sich von der Slowakei und Tschechien kommend nur einen Tag in Ungarn aufgehalten. Das ungarische Asylsystem leide unter systemischen Mängeln. Die Antragsteller hätten einen Rechtsanspruch darauf, dass die Antragsgegnerin von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VERORDNUNG Gebrauch mache. Ihnen drohten in den ungarischen Aufnahmeeinrichtungen Zustände, die im Hinblick auf Art. 4 EU-Grundrechtecharta nicht hinnehmbar seien. (unter Verweis auf: VG Köln, U.v. 22.12.2015 – 2 K 6214/14 – mwN). Des Weiteren verwiesen die Antragsteller auf die Meldung des Jesuitenflüchtlingsdienstes Deutschland vom 15. Juni 2013, auf die Informationen des ungarischen Helsinki Committees vom 1. Juli 2013 sowie die Stellungnahme des UNHCR vom 2. Oktober 2013. Danach müssten sogenannte Dublin-Rückkehrer nach der Gesetzesänderung zum 1. Juli 2013 mit Inhaftierungen von bis zu sechs Monaten rechnen. Zu monieren seien die fehlenden Rechtsschutzmöglichkeiten (unter Verweis auf: UNHCR, Stellungnahme vom 2. Oktober 2013. Ergänzend beriefen sich die Antragsteller auf die Stellungnahme des UNHCR vom 9. Mai 2014 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Az. 13 L 172/14). Aus dem Umstand, dass ein Drittel beziehungsweise ein Viertel der Personen in Asylhaft genommen würde (unter Verweis auf: AA, Stellungnahme v. 19.11.2014), zeige, dass die Asylhaft nicht nur subsidiär angewandt werde (unter Verweis auf: bordermonitoring, Bericht v. 30.10.2014). Das Asylverfahren in Ungarn habe sich durch die Novelle vom 1. August 2015 noch weiter verschärft. § 2 der Verordnung 191/2015 bestimme, dass alle Nachbarstaaten außer der Ukraine als sichere Drittstaaten anzusehen seien. Somit gehörten auch die Slowakei und Tschechien, über die die Antragsteller eingereist seien, zu den sicheren Drittstaaten. Die beiden Mitgliedstaaten seien keine sicheren Drittstaaten im Sinne von Art. 39 der Asylverfahrensrichtlinie 2013/32, weil diese beiden Mitgliedstaaten die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention nicht einhielten. Letztendlich drohe den Antragstellern eine Kettenabschiebung in die Ukraine. Diese Vorgehensweise verstoße gegen Art. 33 Abs. 1 GFK, Art. 3 EMRK und Art. 4 EU-Grundrechtecharta sowie gegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG.

Am 24. Juni 2016 übersandte das Bundesamt die Akten in elektronischer Form.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Die Anträge sind zulässig, aber nicht begründet.

Die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessensabwägung fällt zu Lasten der Antragsteller aus. Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.

1. Die Antragsgegnerin hat nach den vorliegenden Unterlagen die Abschiebung nach Italien zutreffend nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG (a.F.) in Verbindung mit § 27a AsylG (a.F.) angeordnet (nunmehr: § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG n.F. i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG n.F.).

a) Nach § 27a AsylG (a.F.) war ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Seit dem Inkrafttreten des Integrationsgesetzes am 6. August 2016 (vgl. BGBl 2016 I S. 1939) regelt dies § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG (n.F.) in im Wesentlichen identischer Art und Weise. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31, im Folgenden: Dublin-III-Verordnung) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG (a.F.) verwies auf § 27a AsylG (a.F.) und verpflichtete, das Bundesamt, in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anzuordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. § 34a Abs. 1 Satz 1 Asyl (n.F.) verweist nunmehr auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (n.F).

Für die Prüfung des auch in Deutschland gestellten Asylantrags ist Ungarn gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung zuständig. Ungarn hat der Wiederaufnahme auch zugestimmt.

Die Antragsgegnerin ist damit nicht verpflichtet, trotz der Zuständigkeit Ungarns den Asylantrag des Antragstellers selbst inhaltlich zu prüfen.

b) Grundsätzlich gilt die auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründende Vermutung, dass die Behandlung der Asylsuchende in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK in Einklang steht.

Nur wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU– Grundrechte-Charta mit sich bringen, setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-Verordnung die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) bedarf es ernsthafter und durch Tatsachen bestätigter Gründe für die Annahme, dass der betreffende Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta ausgesetzt zu werden (vgl. zu der Vorgängerverordnung: EuGH, U.v. 4.11.2013 – C-4/11 – Puid, juris, Rn. 36). Entscheidend ist insofern nicht, ob einzelne Verstöße gegen einzelne Bestimmungen in einem Mitgliedsstaat auftreten (vgl. ebenfalls zu der Vorgängerverordnung: EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – N.S., juris Rn. 85).

In Konkretisierung dieser Vorgaben bedeutet dies, dass sich der Tatrichter zur Widerlegung der Vermutung die Überzeugungsgewissheit zu verschaffen hat, dass der Asylsuchende wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt wird. Maßgeblich ist, ob diese Behandlungen im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris, Rn. 9).

bb) Verfassungsrechtlich hat die für die Abschiebung zuständige Behörde angemessen zu berücksichtigen, dass aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat bestehen (vgl. zuletzt: BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris, Rn. 15). Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit neugeborenen (vgl. Art. 16 Abs. 1 der Dublin III-Verordnung) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris, Rn. 15).

cc) Die Tatsache, dass eine Inhaftierung von Asylsuchenden möglich ist, begründet für sich allein noch keinen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Art. 3 EMRK verpflichtet die Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit dem Gemeinsamen Asylsystem, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind (vgl. EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09 – M.S.S. gegen Griechenland und Belgien, Rn. 221). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kam im Jahr 2013 in einer Entscheidung zu dem Schluss – beruhend auf dem Umstand, dass der UNHCR, anders als im Falle Griechenlands, die Mitgliedstaaten nicht dazu aufgefordert hatte, von Überstellungen nach Ungarn abzusehen, sowie beruhend auf dem Umstand geplanter Änderungen der ungarischen Bestimmungen –, dass die Überstellung des Beschwerdeführers nach Ungarn im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems nicht gegen Art. 3 EMRK verstieß (vgl. EGMR, U.v. 6.6.2013 – 2283/12 – Mohammed v. Austria, hudoc Rn. 105, 111).

dd) Wendet man diese Maßstäbe auf den vorliegenden Fall an, so steht der Überstellung der Antragsteller nach Ungarn nicht das Hindernis systemischer Mängel entgegen. Die erforderliche Überzeugungsgewissheit liegt anhand der aktuellen Erkenntnismittel – die von den Antragstellern angeführten Quellen sind insoweit weitgehend veraltet – nach Auffassung des Gerichts nicht vor (vgl. aktuell ebenso: VG SH, U.v. 31.8.2016 – 5 A 343/16 – juris Rn. 63 ff.; VG München, B.v. 5.8.2016 – M 1 S. 16.50383 – juris Rn. 14 ff.; VG Bayreuth, U.v. 26.7.2016 – B 5 K 15.50227 – S. 6 ff.; VG Ansbach, B.v. 28.6.2016 – AN 3 S. 16.50214 – juris Rn. 22; VG Ansbach, B.v. 3.5.2016 – AN 3 S. 16.50118 – Rn. 35 ff.; VG Augsburg, B.v. 27.1.2016 – Au 4 S. 16.50004 – juris Rn. 12 ff.).

(1) Systemische Mängel sind nicht unter dem Gesichtspunkt von möglichen Überstellungen nach Serbien erkennbar. Der EuGH hat jüngst in einem Fall – dem eine ungarische Bestimmung zugrunde lag, wonach die Unzulässigkeit von Anträgen auf internationalen Schutz vermutet wird, wenn Antragsteller aus Serbien, das nach dieser Regelung als sicherer Drittstaat betrachtet wird, in das ungarische Hoheitsgebiet einreisen – entschieden, dass Art. 3 Abs. 3 der Dublin-III-VERORDNUNG dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat das Recht, eine Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen, auch ausüben kann, nachdem er im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens anerkannt hat, dass er nach der Verordnung für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, der von einer Person gestellt wurde, die diesen Mitgliedstaat verließ, bevor über ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz in der Sache entschieden worden war (vgl. EuGH, U.v. 17.3.2016 – C-495/15 PPU – Shiraz Baig Mirza, juris Rn. 55 und 53).

Abgesehen davon ist im vorliegenden Fall auch nicht erkennbar, dass den Antragstellern im konkreten Fall eine Abschiebung nach Serbien droht. Der Heimatstaat der Antragsteller, die Ukraine, grenzt unmittelbar an Ungarn. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass die Antragsteller überhaupt zuvor – umständlich – Serbien betreten haben, um nach Ungarn zu gelangen. Ungarn hat die Ukraine, wie die Antragsteller selbst vortragen, nicht als sicheren Drittstaat deklariert (vgl. UNHCR, Hungary As a Country of Asylum, Mai 2016, S. 14). Anhaltspunkte für eine Kettenabschiebung dorthin (oder in die Slowakei oder Tschechien), sind nicht substantiiert vorgetragen beziehungsweise anderweitig ersichtlich. Die Slowakei und Tschechien sind im Übrigen nach § 26a Abs. 2 AsylG als sicheren Drittstaaten anzusehen. Anhaltspunkte, an dem Status zu zweifeln, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

(2) Soweit Asylsuchenden in Ungarn im Einzelfall Asylhaft droht, sind ebenfalls keine systemischen Mängel erkennbar.

Die Tatsache, dass eine Inhaftierung von Asylsuchenden möglich ist, begründet für sich allein noch keine systemischen Mängel.

Nach Art. 8 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (im Folgenden: Richtlinie 2013/22/EU) darf Haft nicht allein deswegen angeordnet werden, weil der Betroffene einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt hat, sondern nur in enumerierten Ausnahmefällen, wobei die Inhaftierung allein aufgrund einer Einzelfallprüfung, wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, zulässig ist. Die Inhaftierung darf nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/22/EU nur für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange, wie Gründe hierfür bestehen, angeordnet werden. Bei einer Anordnung durch eine Verwaltungsbehörde ist gemäß Art. 9 Abs. 3 und 5 Richtlinie 2013/22/EU eine zügige Überprüfung sowie eine turnusmäßige Haftüberprüfung durch ein Gericht herbeizuführen. Die Schutzsuchenden sind nach Art. 10 Abs. 1 Richtlinie 2013/22/EU in speziellen Hafteinrichtungen unterzubringen, auf jeden Fall aber getrennt von gewöhnlichen Strafgefangenen. Die Inhaftierung von besonders schutzbedürftigen Personen ist nach Art. 11 Richtline 2013/22/EU nur im Ausnahmefall und unter weiteren sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig.

Auch in Ungarn kann Asylhaft nur in bestimmten enumerierten Fällen angeordnet werden (nämlich zur Klärung der Identität oder Staatsangehörigkeit; bei Ausländern, die sich im Ausweisungsverfahren befinden und einen Asylantrag stellen, obwohl sie diesen zweifelsfrei bereits zuvor hätten stellen können oder um eine drohende Aufenthaltsbeendigung zu verzögern oder abzuwenden; wenn der Sachverhalt des Asylbegehrens aufgeklärt werden muss und eine Aufklärung nicht ohne Haft möglich ist, speziell wenn die Gefahr des Untertauchens besteht; wenn der Asylbewerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt; wenn der Asylantrag im Flughafenbereich gestellt wurde; oder zur Sicherstellung der Durchführung des Dublin-Verfahrens, wenn die ernsthafte Gefahr des Untertauchens besteht; vgl. zu alledem: AA, Stellungnahme v. 21.6.2016 an das VG Potsdam, S. 2 f.; EASO, Description of the Hungarian asylum system, 4.6.2015, S. 11 ff.; BAMF, Liaisonmitarbeiter des BAMF bei dem Ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, Lagebericht v. 13.1.2016, S. 5). Der letztgenannte Grund umfasst nicht Asylbewerber, die aus anderen Ländern nach Ungarn überstellt wurden, sondern Asylbewerber, die von Ungarn aus überstellt werden sollen. Asylhaft kann erstmalig für 72 Stunden angeordnet werden. Eine Verlängerung um höchstens 60 Tage ist möglich, muss jedoch binnen 24 Stunden nach der Erstanordnungsverfügung von der Asylbehörde beim örtlichen Gericht beantragt werden. Beim Haftprüfungstermin muss der Betroffene anwaltlich vertreten sein und kann Einwendungen einlegen. Auch im Übrigen können jederzeit Einwendungen geltend gemacht werden. Sollten Betroffene aus sprachlichen oder anderen Gründen gehindert sein, selbst einen Anwalt zu beauftragen, wird ihnen von Amts wegen vom zuständigen Gericht ein Anwalt beigeordnet. Die Verfahrenskosten trägt der ungarische Staat. Für die Asylhaft wurden separate Einrichtungen geschaffen. Die gesetzliche Höchstdauer der Asylhaft beträgt sechs Monate, bei Familien mit minderjährigen Kindern einen Monat. Männer und Frauen sowie Familien mit Kindern werden jeweils getrennt untergebracht (vgl. EASO, Description oft the Hungarian asylum system, 4.6.2015, S. 11 ff.; BAMF, Liaisonmitarbeiter des BAMF bei dem Ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, Lagebericht v. 13.1.2016, S. 5). Aufgrund einer internen Weisung wird Asylhaft für Familien mit minderjährigen Kindern derzeit nicht angeordnet (vgl. AA, Stellungnahme v. 28.9.2015, S. 4). Die Asylverfahren von Personen, die sich in Asylhaft befinden, werden vorrangig bearbeitet (vgl. BAMF, Liaisonmitarbeiter des BAMF bei dem Ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, Lagebericht v. 13.1.2016, S. 5). Das gesetzliche System der Asylhaft in Ungarn scheint sich damit im Wesentlichen im Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie 2013/22/EU zu befinden (vgl. VGH BW, U.v. 5.7.2016 – A 11 S 974/16 – juris Rn. 36).

Das UNHCR geht auch im Zusammenhang mit der Praxis der Asylhaft in Ungarn nicht von regelmäßigen Verstößen gegen die vorgenannten Vorgaben aus (vgl. UNHCR, Hungary As a Country of Asylum, Mai 2016, S. 24: “not upheld in all cases”; “sometimes”). Nach den aktuellen Zahlen der non-profit-Organisation Hungarian Helsinki Committees gibt es in Ungarn derzeit 26.877 registrierte Asylsuchende, lediglich 222 Personen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Asylhaft untergebracht (vgl. Hungarian Helsinki Committee, Key Asylum Fiigures as of 1 October 2016, abrufbar unter: http://www.helsinki.hu/en/). In dem Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 22. Januar 2016 waren 1.648 Personen in Asylhaft untergebracht (vgl. AA, Stellungnahme v. 27.6.2016 an den VGH BW). Der Anteil der Dublin-Rückkehrer ist nach Auskunft des Auswärtigen Amtes „verschwindend gering“ (vgl. AA, Stellungnahme v. 21.6.2016 an das VG Potsdam, S. 3). Unbegleitete Minderjährige und Personen, die sich legal in Ungarn aufgehalten haben (zum Beispiel nachweislich durch ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis) und einen Asylantrag stellen, werden zudem erst gar nicht in Asylhaft genommen (vgl. AA, Stellungnahme v. 27.1.2016, S. 6; BAMF, Liaisonmitarbeiter des BAMF beim Ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, Lagebericht v. 13.1.2016, S. 5).

Aus genannten Gründen erscheint es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsteller durch Asylhaft unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt werden würden.

(3) Systemische Mängel ergeben sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Europäische Kommission zur Vorbereitung eines möglichen Vertragsverletzungsverfahrens Ungarn gemäß Art. 258 Abs. 1 AEUV am 10. Dezember 2015 ein Aufforderungsschreiben bezüglich dreier Streitpunkte übersandt und Gelegenheit zur Äußerung hierzu gegeben hat (vgl. Europäische Kommission, Pressemitteilung v. 10.12.2015). Erstens stehen damit einzelne ungarische Vorschriften, nicht das ungarische Asylsystem und dessen Anwendung insgesamt auf dem Prüfstand. Zweitens hat Ungarn die Möglichkeit, die in dem Aufforderungsschreiben geäußerten Bedenken der Europäischen Kommission zu entkräften. Drittens ist festzustellen, dass die Europäische Kommission bislang nicht offiziell Vertragsverletzungsklage erhoben hat. Viertens kann eine etwaige Vertragsverletzung diesbezüglich verbindlich allein der EuGH feststellen.

Streitpunkt ist in diesem Zusammenhang, ob das ungarische Gesetz über beschleunigte Strafverfahren wegen irregulären Grenzübertritts gegen die Vorschriften der Richtlinie über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren verstößt, die sicherstellt, dass jede verdächtige oder angeklagte Person, die die Verfahrenssprache nicht versteht, eine schriftliche Übersetzung aller wichtigen Dokumente, auch eines etwaigen Urteils, erhält. Dieses Problem dürfte zumeist bei exotischen nichteuropäischen Sprachen auftreten. Hier ist im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass der Heimatstaat der Antragsteller die Ukraine ist, die an Ungarn unmittelbar angrenzt. In dem Nachbarstaat Ukraine ist eine slawische Sprache Amtssprache. Derartige Dolmetscherleistungen dürften daher in Ungarn ohne Weiteres abrufbar sein.

Streitpunkt ist des Weiteren, ob und inwieweit es mit den gegebenen Rechtsbehelfen in Ungarn möglich ist, auf neue Fakten und Umstände zu verweisen, und ob und inwieweit in Ungarn Entscheidungen im Falle der Einlegung von Rechtsbehelfen automatisch ausgesetzt werden oder nicht, mit der Folge dass Antragsteller bereits vor Verstreichen der Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs oder vor der Prüfung des Rechtsbehelfs effektiv gezwungen werden, ungarisches Hoheitsgebiet zu verlassen. Zum einen ist Art. 18 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung nach Auffassung des EuGH dahin auszulegen, dass er im Fall der Wiederaufnahme einer Person, die um internationalen Schutz nachsucht, nicht vorschreibt, dass das Verfahren zur Prüfung ihres Antrags in dem Stadium wieder aufgenommen wird, in dem es eingestellt worden war (vgl. EuGH, U.v. 17.3.2016, Shiraz Baig Mirza – C-695/15 PPU – juris Rn. 68). Zum anderen dürfte hierbei zu berücksichtigen sein, dass sich derzeit eine weitere Änderung des ungarischen Asylgesetzes in der Abstimmung befindet, die unter anderem die aktuelle Verwaltungspraxis der Asylbehörde dahingehend konkretisiert, dass der Asylantrag eines Dublin-Rückkehrers vollumfänglich geprüft wird, obwohl das Erstverfahren endgültig eingestellt wurde (vgl. AA, Stellungnahme v. 27.1.2016 an das VG Regensburg, S. 3; BAMF, Liaisonmitarbeiter des BAMF beim Ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, Lagebericht v. 13.1.2016, S. 2).

Streitpunkt ist schließlich, ob und inwieweit die ungarischen Vorschriften zur gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen über die Ablehnung eines Asylantrags, wonach eine persönliche Anhörung der Antragsteller fakultativ ist, und ob der Umstand, dass gerichtliche Entscheidungen von Gerichtssekretären auf vorgerichtlicher Ebene getroffen werden, gegen Art. 47 EU-Grundrechtecharta und die Asylverfahrensrichtlinie verstoßen. Hierbei dürfte zu berücksichtigen sein, dass „fakultative Anhörungen“ nicht bedeuten, dass Anhörungen mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit“ nicht stattfinden. Außerdem ist im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass bei Dublin-Rückkehrern stets eine Rückkehrbefragung erfolgt (vgl. BAMF, Liaisonmitarbeiter des BAMF bei dem Ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, Lagebericht v.13.1.2016, S. 2). Bei der Frage der Gerichtssekretäre kommt es letztlich darauf an, ob und inwieweit diese im Vorhinein involviert sind. Darüber liegen derzeit keine näheren Erkenntnisse vor.

(4) Systemische Mängel ergeben sich auch nicht aus den übrigen Aufnahmebedingungen in Ungarn.

In der Vergangenheit waren die (stationären) Aufnahmeeinrichtungen in Ungarn nicht voll belegt (vgl. AA, Stellungnahme v. 28.9.2015 an das VG Magdeburg, S. 3) und wiesen nur eine Auslastung von 60-70 Prozent auf (vgl. EASO, Description of the Hungarian asylum system, 4.6.2015, S. 10). Außerdem hat Ungarn mittlerweile zusätzlich zu den (stationären) Aufnahmeeinrichtungen Plätze in Zelten, Containern und umgewidmeten Gemeinschaftsräumen geschaffen (vgl. BAMF, Lagebericht v. 13.1.2016 des Liaisonmitarbeiters des BAMF beim Ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, S. 3). Alleinstehende Frauen und Familien mit minderjährigen Kindern werden getrennt von alleinstehenden Männern untergebracht (vgl. AA, Stellungnahme v. 28.9.2016 an das VG Magdeburg, S. 3; BAMF, Liaisonmitarbeiter des BAMF beim Ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, Lagebericht v. 13.1.2016, S. 3). Die Familienverbände bleiben grundsätzlich erhalten (vgl. AA, Stellungnahme v. 27.1.2016, S. 4). Auch die medizinische, wirtschaftliche und soziale Grundversorgung ist sichergestellt (vgl. AA, Stellungnahmen v. 27.1.2106, S. 4 und v. 28.9.2015, S. 3).

(5) Systemische Mängel ergeben sich auch nicht speziell aus den Aufnahmebedingungen in den Transitzonen. Denn Dublin-Rückkehrer werden nicht in die Transitzonen verbracht (vgl. AA, Stellungnahme v. 27.1.2016, S. 7; BAMF, Liaisonmitarbeiter des BAMF bei dem Ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, Lagebericht v. 13.1.2016, S. 3). Gleiches gilt im Übrigen für besonders schutzbedürftige Asylsuchende (vgl. UNHCR, Hungary As a Country of Asylum, Mai 2016, S. 8: „Asylum seekers who are persons in need of special treatment are exempted from the border procedures in the transit zones“).

(6) Insgesamt ist zu konstatieren, dass Ungarn mittlerweile auf Kritik (vgl. Hoher Kommissar für Menschenrechte, Stellungnahme im Rahmen der Beteiligung Dritter gemäß Art. 36 EMRK v. 17.12.2015, S. 10 f.) mit verschiedenen Maßnahmen reagiert hat. Der UNHCR spricht im Zusammenhang mit den inzwischen erlassene Gesetzen und Verordnungen ausdrücklich auch von Verbesserungen (vgl. UNHCR, Hungary As a Country of Asylum, Mai 2016, S. 16: “improved procedural safeguards”). Aktuell äußert der UNHCR in seinem Fazit zu der Situation in Ungarn Bedenken (vgl. UNHCR, Hungary As a Country of Asylum, Mai 2016, S. 26: „concerns expressed“). Der UNHCR rät indes nicht von Überstellungen nach Ungarn ab, genauso wenig im Übrigen wie die non-profit-Organisation Amnesty International (vgl. Amnesty International, Stranded Hope, 2016, Recommendations, S. 28).

(7) Zuallerletzt ist festzustellen, dass es sich bei den Antragstellern um einen fünfköpfigen Familienverband mit zwei Erwachsenen und Kindern jenseits der drei Jahre handelt.

c) Weitere zu berücksichtigende Gesichtspunkte sind nicht erkennbar. Dass Ungarn Menschen, die sich auf seinem Territorium befinden, nicht gegen den Zugriff von Dritten schützt, ist weder substantiell vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.

3. Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 18. Okt. 2016 - M 25 S 16.50348

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 18. Okt. 2016 - M 25 S 16.50348

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG
Verwaltungsgericht München Beschluss, 18. Okt. 2016 - M 25 S 16.50348 zitiert 16 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 80 Ausschluss der Beschwerde


Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34a Abschiebungsanordnung


(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 29 Unzulässige Anträge


(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn1.ein anderer Staata)nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oderb)auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertragesfür die Durchführung des Asylverfahr

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 26a Sichere Drittstaaten


(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht München Beschluss, 18. Okt. 2016 - M 25 S 16.50348 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Beschluss, 18. Okt. 2016 - M 25 S 16.50348 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 31. Aug. 2016 - 5 A 343/16

bei uns veröffentlicht am 31.08.2016

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. 3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 05. Juli 2016 - A 11 S 974/16

bei uns veröffentlicht am 05.07.2016

Tenor Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. März 2016 - A 3 K 4106/14 - wird zurückgewiesen.Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 17. Sept. 2014 - 2 BvR 732/14

bei uns veröffentlicht am 17.09.2014

Tenor Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. H. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Referenzen

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. H. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführer sind äthiopische Staatsangehörige und Eltern eines am 12. Februar 2014 geborenen Sohnes. Sie reisten im März 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten einen Asylantrag; zuvor hatten sie bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Sie wenden sich gegen einen am 3. März 2014 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Februar 2014, mit dem ihnen Eilrechtsschutz gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1, § 27a AsylVfG gestützte Anordnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 3. Februar 2014 versagt wurde, sie auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II) nach Italien abzuschieben.

2

1. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag der Beschwerdeführer mit der Maßgabe ab, dass die angeordnete Abschiebung unter Berücksichtigung einer zweimonatigen "Mutterschutzfrist" (in Anlehnung an § 6 MuSchG) nicht vor dem 1. Mai 2014 vollzogen werden dürfe. Eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zum Selbsteintritt gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung bestehe nicht. Weder sei ein Ausnahmefall nach dem Konzept der normativen Vergewisserung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 ff.) gegeben, noch lägen systemische Mängel des italienischen Asyl- und Aufnahmesystems im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH , Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) vor, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber oder Flüchtling tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden. Systemische Mängel, die eine Aussetzung der Abschiebung in Anwendung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gebieten könnten, seien auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Falle von Italien aufgrund der Auskunftslage derzeit nicht erkennbar (vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336).

3

2. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer am 3. April 2014 erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG.

4

a) Die Beschwerdeführer befürchten unter Bezugnahme insbesondere auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu den Aufnahmebedingungen in Italien vom Oktober 2013, bei einer Rückkehr nach Italien wie die große Mehrheit der Schutzbedürftigen obdachlos zu werden und keinen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Nahrungsmitteln zu erhalten. Schutzbedürftige Dublin-Rückkehrer seien einem sehr hohen Risiko der Verelendung ausgesetzt; ihre Situation sei wesentlich prekärer als die eines Asylsuchenden, der sich noch im Verfahren befinde. Etwas anderes gelte allenfalls für besonders schutzbedürftige Personen. Allerdings gälten Familien mit beiden Elternteilen in Italien nicht als verletzlich. Auch wenn es zu einer staatlichen Unterbringung kommen sollte, bestehe die Gefahr, dass sie nicht als Familie untergebracht würden, sondern dass es zu einer Unterbringung von Mutter und Kind in der einen, des Vaters aber in einer anderen Einrichtung komme. Eine Trennung der Familie, um die Wahrscheinlichkeit der Unterbringung zu erhöhen, könne ihnen jedoch nach Art. 8 EMRK nicht zugemutet werden. Gerade im Hinblick auf ihr neugeborenes Kind erscheine die Vorenthaltung von Gesundheitsversorgung und Nahrung dramatisch.

5

b) Das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sei verletzt, weil das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgehe, die Berufung auf das Asyl-Grundrecht werde in Dublin-Fällen durch Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossen. Die Dublin-Fälle richteten sich vielmehr allein nach der - spezielleren - Vorschrift des Art. 16a Abs. 5 GG und den Vorgaben des - zwischenzeitlich vergemeinschafteten - europäischen Asylsystems. Während Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG den materiell-rechtlichen Gewährleistungsinhalt des Grundrechts auf Asyl grundsätzlich einschränke und den Prüfungsmaßstab nach dem Konzept der normativen Vergewisserung festlege, liege der Kompetenzübertragung nach Art. 16a Abs. 5 in Verbindung mit Art. 23 GG die Idee zugrunde, dass die Bundesrepublik den Gewährleistungsinhalt von Art. 16a Abs. 1 GG einer europäischen Zuständigkeitsregelung unterwerfe und zugleich an ihr normsetzend mitwirke. Die Pflichten, die die Bundesrepublik sich mit Art. 16a Abs. 1 GG auferlegt habe, könne sie danach nur soweit delegieren, wie die Verheißung eines im Gebiet der Dublin-Verordnung geltenden Flüchtlingsschutzes im anderen Mitgliedstaat auch wirklich eingelöst werde. Sei dies nicht der Fall, treffe die Bundesrepublik kraft des wechselseitigen und auf Solidarität sowie Mindeststandards beruhenden Lastenausgleichssystems die Rolle eines "Ausfallbürgen". Europäische Asylstandards würden in Italien jedoch nicht gewahrt; nach allem, was über die dortige Situation von Asylbewerbern bekannt sei, würden dort entscheidende Bestimmungen aus der Verfahrens-, Aufnahme- und Qualifikationsrichtlinie ebenso verletzt wie Gewährleistungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK.

6

Aus der Pflicht der Bundesrepublik zu gewährleisten, dass die Beschwerdeführer bei Überstellung an einen Dublin-Zielstaat keine Rechtsverletzungen an anderen Rechtsgütern erlitten, folge, dass die Bundesrepublik sich derartige Rechtsverletzungen zurechnen lassen müsse. Ihnen drohe in Italien Obdachlosigkeit und eine defiziente Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, die in die reale Gefahr der Verelendung führe; hierin liege eine Verletzung sowohl der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG als auch eine Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen auch gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, indem es die einfachgesetzlich geltenden Normen der EMRK verfehlt interpretiert habe. In ihrem Falle sei Art. 3 EMRK zu berücksichtigen gewesen, der mit dem Verbot "unmenschlicher" oder "erniedrigender" Behandlung nach allgemeiner Auffassung gerade die Situation der Verelendung umschreibe, die durch den Zielstaat der Überstellung zu unterbleiben habe. Die drohende Trennung der Familie verletze Art. 6 GG.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>); sie ist unzulässig (dazu 1. und 2.). Hiervon unabhängig besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass die mit der Rückführung befassten deutschen Behörden in dem vorliegenden Einzelfall geeignete Vorkehrungen zum Schutz des von der Rückführung betroffenen Kleinkindes der Beschwerdeführer zu treffen haben (dazu 3.).

8

1. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG und Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK rügen, zeigen sie schon die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht auf (vgl. zu diesem Erfordernis nur BVerfGE 108, 370 <386 f.>). Die Beschwerdeführer setzen sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 <95 ff.>), des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH , Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR , Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) nicht auseinander, die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegt.

9

2. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG aufgrund einer drohenden Obdachlosigkeit und einer Trennung der Eltern von ihrem neugeborenen Kind bei einer Abschiebung geltend machen, legen sie nicht hinreichend substantiiert dar, dass sie in Italien mit Obdachlosigkeit und Trennung der Familie zu rechnen haben und ihrem Sohn als Folge der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Es bedarf daher keiner Klärung, ob dahingehende systemische Mängel des italienischen Aufnahmesystems bestehen und ob solche strukturelle Defizite in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union einen im Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangenen Sonderfall darstellen können (vgl. dazu nur Moll/Pohl, ZAR 2012, S. 102 <104 ff.>; zu den Darlegungslasten für die Begründung eines solchen Sonderfalles vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Hierbei wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass etwaige mit der Überforderung des Asylsystems eines Mitgliedstaats der Europäischen Union verbundene transnationale Probleme vornehmlich auf der Ebene der Europäischen Union zu bewältigen sind (vgl. BVerfGE 128, 224 <226>).

10

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann es allerdings - unbeschadet der Prüfung, ob einer Zurückweisung oder Rückverbringung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen - in Einzelfällen geboten sein, dass die deutschen Behörden vor einer solchen mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen, den Sachverhalt klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen treffen (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Insbesondere besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241 <242>).

11

a) Nach der - von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden - jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob "feststeht", dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, S. 310, dort <311> auch m.w.N. zur a.A.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012, S. 383; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris; zuletzt VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris).

12

Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rn. 7; VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris, Rn. 4).

13

b) Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, S. 213 <214> unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241).

14

Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 2 M 38/11 -, InfAuslR 2011, S. 390 <392>).

15

c) So liegt es auch im vorliegenden Fall. Bei Rückführungen in sichere Drittstaaten können hiervon betroffene Ausländer - anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland - regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen - wie gegenwärtig im Falle Italiens - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.

16

Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls (vgl. nunmehr Erwägungsgrund 16 der neugefassten Verordnung Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin III-Verordnung) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit neugeborenen (vgl. Art. 15 Abs. 1 und 2 der Dublin II-Verordnung und Art. 16 Abs. 1 der Dublin III-Verordnung) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.

17

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

18

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. H. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführer sind äthiopische Staatsangehörige und Eltern eines am 12. Februar 2014 geborenen Sohnes. Sie reisten im März 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten einen Asylantrag; zuvor hatten sie bereits in Italien einen Asylantrag gestellt. Sie wenden sich gegen einen am 3. März 2014 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Februar 2014, mit dem ihnen Eilrechtsschutz gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1, § 27a AsylVfG gestützte Anordnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 3. Februar 2014 versagt wurde, sie auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II) nach Italien abzuschieben.

2

1. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag der Beschwerdeführer mit der Maßgabe ab, dass die angeordnete Abschiebung unter Berücksichtigung einer zweimonatigen "Mutterschutzfrist" (in Anlehnung an § 6 MuSchG) nicht vor dem 1. Mai 2014 vollzogen werden dürfe. Eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zum Selbsteintritt gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung bestehe nicht. Weder sei ein Ausnahmefall nach dem Konzept der normativen Vergewisserung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 ff.) gegeben, noch lägen systemische Mängel des italienischen Asyl- und Aufnahmesystems im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH , Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) vor, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass der Asylbewerber oder Flüchtling tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden. Systemische Mängel, die eine Aussetzung der Abschiebung in Anwendung von Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gebieten könnten, seien auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Falle von Italien aufgrund der Auskunftslage derzeit nicht erkennbar (vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336).

3

2. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer am 3. April 2014 erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG, Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG.

4

a) Die Beschwerdeführer befürchten unter Bezugnahme insbesondere auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu den Aufnahmebedingungen in Italien vom Oktober 2013, bei einer Rückkehr nach Italien wie die große Mehrheit der Schutzbedürftigen obdachlos zu werden und keinen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Nahrungsmitteln zu erhalten. Schutzbedürftige Dublin-Rückkehrer seien einem sehr hohen Risiko der Verelendung ausgesetzt; ihre Situation sei wesentlich prekärer als die eines Asylsuchenden, der sich noch im Verfahren befinde. Etwas anderes gelte allenfalls für besonders schutzbedürftige Personen. Allerdings gälten Familien mit beiden Elternteilen in Italien nicht als verletzlich. Auch wenn es zu einer staatlichen Unterbringung kommen sollte, bestehe die Gefahr, dass sie nicht als Familie untergebracht würden, sondern dass es zu einer Unterbringung von Mutter und Kind in der einen, des Vaters aber in einer anderen Einrichtung komme. Eine Trennung der Familie, um die Wahrscheinlichkeit der Unterbringung zu erhöhen, könne ihnen jedoch nach Art. 8 EMRK nicht zugemutet werden. Gerade im Hinblick auf ihr neugeborenes Kind erscheine die Vorenthaltung von Gesundheitsversorgung und Nahrung dramatisch.

5

b) Das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sei verletzt, weil das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgehe, die Berufung auf das Asyl-Grundrecht werde in Dublin-Fällen durch Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossen. Die Dublin-Fälle richteten sich vielmehr allein nach der - spezielleren - Vorschrift des Art. 16a Abs. 5 GG und den Vorgaben des - zwischenzeitlich vergemeinschafteten - europäischen Asylsystems. Während Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG den materiell-rechtlichen Gewährleistungsinhalt des Grundrechts auf Asyl grundsätzlich einschränke und den Prüfungsmaßstab nach dem Konzept der normativen Vergewisserung festlege, liege der Kompetenzübertragung nach Art. 16a Abs. 5 in Verbindung mit Art. 23 GG die Idee zugrunde, dass die Bundesrepublik den Gewährleistungsinhalt von Art. 16a Abs. 1 GG einer europäischen Zuständigkeitsregelung unterwerfe und zugleich an ihr normsetzend mitwirke. Die Pflichten, die die Bundesrepublik sich mit Art. 16a Abs. 1 GG auferlegt habe, könne sie danach nur soweit delegieren, wie die Verheißung eines im Gebiet der Dublin-Verordnung geltenden Flüchtlingsschutzes im anderen Mitgliedstaat auch wirklich eingelöst werde. Sei dies nicht der Fall, treffe die Bundesrepublik kraft des wechselseitigen und auf Solidarität sowie Mindeststandards beruhenden Lastenausgleichssystems die Rolle eines "Ausfallbürgen". Europäische Asylstandards würden in Italien jedoch nicht gewahrt; nach allem, was über die dortige Situation von Asylbewerbern bekannt sei, würden dort entscheidende Bestimmungen aus der Verfahrens-, Aufnahme- und Qualifikationsrichtlinie ebenso verletzt wie Gewährleistungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK.

6

Aus der Pflicht der Bundesrepublik zu gewährleisten, dass die Beschwerdeführer bei Überstellung an einen Dublin-Zielstaat keine Rechtsverletzungen an anderen Rechtsgütern erlitten, folge, dass die Bundesrepublik sich derartige Rechtsverletzungen zurechnen lassen müsse. Ihnen drohe in Italien Obdachlosigkeit und eine defiziente Gesundheits- und Lebensmittelversorgung, die in die reale Gefahr der Verelendung führe; hierin liege eine Verletzung sowohl der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG als auch eine Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Das Verwaltungsgericht habe im Übrigen auch gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, indem es die einfachgesetzlich geltenden Normen der EMRK verfehlt interpretiert habe. In ihrem Falle sei Art. 3 EMRK zu berücksichtigen gewesen, der mit dem Verbot "unmenschlicher" oder "erniedrigender" Behandlung nach allgemeiner Auffassung gerade die Situation der Verelendung umschreibe, die durch den Zielstaat der Überstellung zu unterbleiben habe. Die drohende Trennung der Familie verletze Art. 6 GG.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>); sie ist unzulässig (dazu 1. und 2.). Hiervon unabhängig besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass die mit der Rückführung befassten deutschen Behörden in dem vorliegenden Einzelfall geeignete Vorkehrungen zum Schutz des von der Rückführung betroffenen Kleinkindes der Beschwerdeführer zu treffen haben (dazu 3.).

8

1. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 16a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 GG und Art. 3 Abs. 1 GG wegen willkürlicher Verkennung der Vorgaben aus Art. 3 EMRK rügen, zeigen sie schon die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht auf (vgl. zu diesem Erfordernis nur BVerfGE 108, 370 <386 f.>). Die Beschwerdeführer setzen sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 <95 ff.>), des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH , Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. ./. Secretary of State, verb. Rs. C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, S. 417) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR , Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) nicht auseinander, die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegt.

9

2. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 23 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 GG aufgrund einer drohenden Obdachlosigkeit und einer Trennung der Eltern von ihrem neugeborenen Kind bei einer Abschiebung geltend machen, legen sie nicht hinreichend substantiiert dar, dass sie in Italien mit Obdachlosigkeit und Trennung der Familie zu rechnen haben und ihrem Sohn als Folge der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Es bedarf daher keiner Klärung, ob dahingehende systemische Mängel des italienischen Aufnahmesystems bestehen und ob solche strukturelle Defizite in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union einen im Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangenen Sonderfall darstellen können (vgl. dazu nur Moll/Pohl, ZAR 2012, S. 102 <104 ff.>; zu den Darlegungslasten für die Begründung eines solchen Sonderfalles vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Hierbei wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass etwaige mit der Überforderung des Asylsystems eines Mitgliedstaats der Europäischen Union verbundene transnationale Probleme vornehmlich auf der Ebene der Europäischen Union zu bewältigen sind (vgl. BVerfGE 128, 224 <226>).

10

3. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann es allerdings - unbeschadet der Prüfung, ob einer Zurückweisung oder Rückverbringung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen - in Einzelfällen geboten sein, dass die deutschen Behörden vor einer solchen mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen, den Sachverhalt klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen treffen (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Insbesondere besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241 <242>).

11

a) Nach der - von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden - jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob "feststeht", dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, S. 310, dort <311> auch m.w.N. zur a.A.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012, S. 383; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris; zuletzt VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris).

12

Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rn. 7; VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris, Rn. 4).

13

b) Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, S. 213 <214> unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241).

14

Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 2 M 38/11 -, InfAuslR 2011, S. 390 <392>).

15

c) So liegt es auch im vorliegenden Fall. Bei Rückführungen in sichere Drittstaaten können hiervon betroffene Ausländer - anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland - regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen - wie gegenwärtig im Falle Italiens - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.

16

Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls (vgl. nunmehr Erwägungsgrund 16 der neugefassten Verordnung Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin III-Verordnung) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit neugeborenen (vgl. Art. 15 Abs. 1 und 2 der Dublin II-Verordnung und Art. 16 Abs. 1 der Dublin III-Verordnung) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.

17

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

18

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die mit Bescheid vom 23. Juni 2016 erfolgte Ablehnung seines Asylantrags durch die Beklagte im Rahmen des Dublin-Verfahrens.

2

Der Kläger wurde am 8. Februar 2016 im Bundesgebiet aufgegriffen. Er hat bisher keinen Asylantrag im Bundesgebiet gestellt.

3

Er wurde zweifach schriftlich vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angehört. Eine Abfrage der EURODAC-Datenbank ergab einen Treffer der Kategorie 2 vom 4. September 2015 aus Ungarn, einen weiteren Treffer, dieser der Kategorie 1, aus Ungarn vom 6. September 2015 sowie einen Treffer der Kategorie 1 aus Norwegen vom 13. September 2015.

4

Die Beklagte ersuchte Ungarn mit Schreiben vom 7. März 2016 um Wiederaufnahme des Klägers. Nach zwischenzeitlichem Schriftverkehr erklärte Ungarn mit Schreiben vom 31. Mai 2016 die Wiederaufnahme des Klägers.

5

Mit Bescheid vom 23. Juni 2016, Bescheidzeichen ..., zugestellt am 4. August 2016 (laut Zustellungsnachweis), ordnete die Beklagte die Abschiebung des Klägers nach Ungarn an (Nr. 1). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Absatz 1 AufenthG wurde auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 2).

6

Hiergegen hat der Kläger am 8. Juli 2016 Klage erhoben.

7

Zur Begründung macht der Kläger zunächst die ihm in Ungarn widerfahrene Behandlung geltend.

8

Zudem vertritt er die Ansicht, dass in Ungarn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen vorlägen. Diese ergäben sich aus den Ungarn vorliegenden Kapazitätsengpässen; der Möglichkeit der Anordnung von Asylhaft und den diesbezüglichen Haftbedingungen; der Tatsache, dass Ungarn Grenzzäune errichtet habe und das Übertreten und Beschädigen von Sperranlagen als Straftat ahnde; der fehlenden medizinischen Betreuung sowie der Tatsache, dass Serbien nach ungarischer Rechtslage ein sicherer Drittstaat sei.

9

Schließlich verweist der Kläger darauf, dass er beabsichtige, eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten.

10

Der Kläger beantragt,

11

den Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2016 – ... – aufzuheben.

12

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

13

die Klage abzuweisen.

14

Zur Begründung verweist sie auf den streitgegenständlichen Bescheid.

15

Der mit Klageerhebung gestellte Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, der unter dem Aktenzeichen B 86/16 geführt wurde, ist mit Beschluss vom 8. August 2016 abgelehnt worden.

16

Die Kammer hat das Verfahren mit Beschluss vom 20. Juli 2016 auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

18

I. Das Gericht kann trotz Abwesenheit der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da die ordnungsgemäß geladenen Beteiligten in der Ladung hierauf hingewiesen wurden, § 102 Absatz 2 VwGO.

19

Dem am Verhandlungstag per Fax gestellten Antrag des Klägers auf Terminsänderung war nicht zu entsprechen. Der Kläger hat keinen wichtigen Grund für die Terminsänderung glaubhaft gemacht, §§ 173 Absatz 1 VwGO, 227 Absatz 1 ZPO. Wird ein Terminsänderungsantrag erst kurz vor dem anberaumten Termin gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet, ist der Beteiligte verpflichtet, die Gründe für die Verhinderung so anzugeben und zu untermauern, dass das Gericht die Frage, ob der Beteiligte verhandlungsfähig ist oder nicht, selbst beurteilen kann. Ein zu diesem Zweck vorgelegtes ärztliches Attest muss deshalb die Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und nachvollziehbar ergeben (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluss vom 5. Juli 2003, Aktenzeichen VII B 7/04, zitiert nach juris, Rn. 10-12). Vorliegend war jedoch aus dem per Fax übersandten Attest, das lediglich eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers bescheinigt, keine Aussage über die Verhandlungsfähigkeit des Klägers ersichtlich. Die Art der Erkrankung wurde nur allgemein mit ICD F 32.2, was laut ICD-Code einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome entspricht, angegeben, weitere Angaben erfolgten nicht.

20

Zudem würde auch eine Verhinderung des anwaltlich vertretenen Klägers aus Krankheitsgründen oder anderen persönlichen Gründen nicht zwingend zu einem erheblichen Grund für eine Terminsänderung führen. Vielmehr wäre jeweils nach den Umständen des Falles zu prüfen, ob der Verfahrensbeteiligte ohne Terminsaufhebung bzw. -verlegung in seinen Möglichkeiten beschränkt würde, sich in dem der Sache nach gebotenen Umfang zu äußern. Das bloße Anwesenheitsinteresse einer anwaltlich ausreichend vertretenen Partei wird durch ihren Gehörsanspruch nicht geschützt (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 4. Februar 2002, Aktenzeichen 1 B 313/01, 1 PKH 40/01, zitiert nach juris, Orientierungssatz und Rn. 5). Streitentscheidend ist für den vorliegenden Fall allein die Frage systemischer Mängel im ungarischen Asylverfahren. Entsprechende Ausführungen diesbezüglich hätte auch die Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen machen können.

21

II. Soweit der Kläger auch die Aufhebung von Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides begehrt, ist die Anfechtungsklage bereits unzulässig. Die darin erfolgte Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Absatz 1 AufenthG stellt eine Begünstigung des Klägers dar. Insofern fehlt für die Anfechtungsklage bereits das Rechtsschutzbedürfnis.

22

Im Übrigen ist die Klage zulässig aber unbegründet, da der angefochtene Bescheid im maßgeblichen Zeitpunkt, § 77 Absatz 1 AsylG, rechtmäßig ist, §§ 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO. Zugrunde zu legen ist insofern die Rechtslage nach den Änderungen durch Artikel 6 des Gesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I Seite 1939) („Integrationsgesetz“), das am 5. August 2016 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde.

23

Voraussetzung für die Abschiebungsanordnung in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides ist, dass ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig ist, und die Abschiebung durchgeführt werden kann, § 34a AsylG.

24

Nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung) (Dublin III-VO) ist Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens Klägers zuständig (1). Die Abschiebung des Klägers kann auch durchgeführt werden (2).

25

1. Die Zuständigkeit Ungarns für das Asylverfahren des Klägers ergibt sich aus Artikeln 13, 3 Absatz 1 Dublin III-VO. Der Kläger ist, auch nach seinen eigenen Angaben, über Ungarn in das Gebiet der Mitgliedsstaaten eingereist. Im Übrigen hat der Kläger zwar angegeben, er habe in keinem anderen Mitgliedsstaat einen Antrag auf Schutz gestellt. Jedoch liegen Eurodac-Treffer der Kategorie 1 für den Kläger sowohl aus Ungarn, vom 6. September 2015, als auch aus Norwegen, vom 13. September 2015, vor. Auch hat der Kläger zwischenzeitlich über die Ausländerbehörde des Kreises Dithmarschen einen Asylbewerberausweis aus Norwegen eingereicht. Entscheidend ist insofern der zeitlich frühere Antrag, mithin vorliegend der am 6. September 2015 in Ungarn gestellte Antrag.

26

Soweit der Kläger darauf verweist, dass er beabsichtigte, eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten, ergibt sich daraus keine Zuständigkeit der Beklagten. Artikel 9, 10 und 11 Dublin III-VO erfassen zum einen nur Familienangehörige, die selbst auch Anträge auf internationalen Schutz gestellt haben oder stellen wollen. Zudem ist eine Verlobte keine Familienangehörige im Sinne der Kriterien der Dublin III-VO, Artikel 2 Buchstabe b Dublin III-VO. Schließlich stellt die Dublin III-VO für Familienangehörige darauf ab, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat, Artikel 2 Buchstabe b Dublin III-VO.

27

Besondere Umstände, die die Zuständigkeit der Beklagten nach Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO begründen, bestehen nicht. Insbesondere gibt es keine wesentlichen Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Schwachstellen aufweisen.

28

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem wurde

29

„in einem Kontext entworfen [...], der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen.

30

Gerade aufgrund dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens hat der Unionsgesetzgeber die [Dublin-Verordnungen] erlassen und [diesbezüglich] Übereinkommen und Abkommen geschlossen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“ zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen.

31

Unter diesen Bedingungen muss die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht.

32

Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist.“

33

(Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21. Dezember 2011, Aktenzeichen C-411/10 und C-493/10, zitiert nach juris, Rn. 78-80).

34

Entscheidend ist insofern nicht, ob vereinzelte Verstöße der entsprechenden Vorschriften in einem Mitgliedsstaat auftreten, sondern ob „das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren“(Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21. Dezember 2011, Aktenzeichen C-411/10 und C-493/10, zitiert nach juris, Rn. 86; vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 10. Dezember 2013, Aktenzeichen C-394-12, zitiert nach juris, Rn. 60).

35

Es bestehen keine wesentlichen Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn derart systemische Schwachstellen aufweisen.

36

„Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit [...] verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit [...] einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt [...], Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.“

37

(Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. März 2014, Aktenzeichen 10 B 6.14, zitiert nach juris, Rn. 9)

38

Nach diesen Grundsätzen ist auf Grundlage des dem Gericht vorliegenden, aktuellen Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern in Ungarn derzeit nicht ernsthaft zu befürchten, dass in Ungarn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für den Asylbewerber systemische Mängel aufweisen, die einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Artikel 4 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) bzw. Artikel 3 EMRK begründen könnten.

39

Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedsstaat sind insbesondere die regelmäßigen Berichte des Auswärtigen Amtes, der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems, des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort sowie von internationalen Nichtregierungsorganisationen.

40

Das Gericht stützt sich insofern im Wesentlichen zu Ungarn auf

41

– einen Bericht des Ungarischen Helsinki-Komitees vom 1. August 2016 (verfügbar unter );

42

- einen Bericht von Bordermonitoring und Proasyl vom Juli 2016 (verfügbar unter );

43

- eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an den Verwaltungsgerichtshof Mannheim vom 27. Juni 2016;

44

- eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Potsdam vom 21. Juni 2016 (Gz. 508-9-516.80);

45

- einen Bericht des Ungarischen Helsinki-Komitees vom 15. Juni 2016 (verfügbar unter );

46

- einen Bericht des UNHCR vom Mai 2016 (verfügbar unter );

47

- eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 27. Januar 2016 an das Verwaltungsgericht Regensburg (Gz. 508-9-516.80/48628);

48

- einen Bericht des Liaisonmitarbeiters des BAMF beim Ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft vom 13. Januar 2016;

49

- einen Bericht des Council of Europe Commissioner für Human Rights vom 17. Dezember 2015 (Third Party Intervention, Anträge Nr. 44825/15 and No. 44944/15, S.O. und A.A. v. Österreich) (verfügbar unter );

50

- einen Bericht von Human Rights Watch vom 1. Dezember 2015 (verfügbar unter );

51

- einen Bericht von AIDA vom November 2015 (verfügbar unter );

52

- eine Stellungnahme des Juristischen Dienstes der Europäischen Kommission an das Verwaltungsgericht Köln vom 30. Oktober 2015;

53

- einen Bericht von Amnesty International vom 8. Oktober 2015 (verfügbar unter );

54

- ein Rechtsgutachten des Instituts für Ostrecht München an das Verwaltungsgericht Köln vom 2. Oktober 2015;

55

- einen Bericht von ECRE und AIDA Stand 1. Oktober 2015 (verfügbar unter );

56

- eine Stellungnahme des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Magdeburg vom 28. September 2015;

57

- einen Bericht des Hungarian Helsinki Committee vom 7. August 2015 (verfügbar unter );

58

- einen Bericht von Amnesty International vom Juli 2015 (verfügbar unter ) und

59

- Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Freiburg vom 02. und 12. März 2015

60

sowie zu Serbien auf

61

- einen Bericht von AIDA vom März 2016 (verfügbar unter ) und

62

- einen Bericht des Auswärtigen Amtes vom 23. November 2015.

63

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dessen Rechtsprechung grundsätzlich über den jeweils entschiedenen Einzelfall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung der EMRK zukommt (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Februar 2013, Aktenzeichen 2 C 3.12, zitiert nach juris, Rn. 46), hat mit Urteil vom 3. Juli 2014 im Ergebnis festgestellt, dass systemische Mängel hinsichtlich der Inhaftierungspraxis Ungarns nicht vorliegen und ein tatsächliches Risiko einer schwerwiegenden Beeinträchtigung im Sinne des Artikel 3 EMRK bei einer Rückkehr nach Ungarn nicht bestehe (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 3. Juli 2014, Aktenzeichen 71932/12, „Mohammadi v. Austria“, zitiert nach hudoc).

64

In Bezug auf Ungarn wird als Begründung für systemische Mängel durch den Kläger insbesondere vorgebracht, dass dort Asylhaft verhängt werde (a). Zudem wird darauf verwiesen, dass eine Abschiebung nach Serbien drohe (b). Im Übrigen wird diesbezüglich teilweise darauf verwiesen, dass die Verfahren zwischenzeitlich eingestellt würden (c). Zudem wird mit der wirtschaftlichen Situation, insbesondere für anerkannte Schutzberechtigte, argumentiert (d). Darüber hinaus werden die Regelungen bezüglich der Transitzonen angeführt (e). Insofern besteht jedoch nach Überzeugung des Gerichts nicht die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Klägers bei einer Rücküberstellung nach Ungarn. Auch im Übrigen ist eine solche nicht ersichtlich (f).

65

a. Soweit in Ungarn Asylbewerbern im Einzelfall Asylhaft droht, besteht nach Überzeugung des Gerichts nicht die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Klägers bei einer Rücküberstellung nach Ungarn.

66

Die Tatsache, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern möglich ist, begründet allein noch keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems. Insofern verpflichtet Artikel 3 EMRK die Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind (vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 21. Januar 2011, Aktenzeichen 30696/09, zitiert nach hudoc, Rn. 221).

67

Die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung) (Aufnahmerichtlinie) enthält Mindeststandards für die Inhaftierung von Asylbewerbern. Anhaltspunkte dafür, dass diese Mindeststandards ihrerseits nicht genügen, um die Asylbewerber vor einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung zu schützen, liegen dem Gericht nicht vor. Danach darf Haft nicht allein deswegen angeordnet werden, weil der Betroffene einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt hat, sondern nur in Ausnahmefällen, insbesondere zur Überprüfung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit, im Falle notwendiger Beweissicherung, insbesondere bei Fluchtgefahr, zur Prüfung des Einreiserechts, zur Durch- oder Fortführung eines Abschiebeverfahrens, wenn die Gefahr der Verzögerung oder der Vereitelung durch den Betroffenen besteht und bei Gefahr für die nationale Sicherheit und Ordnung, wobei die Inhaftierung nur aufgrund einer Einzelfallprüfung, wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, zulässig ist, Artikel 8 Aufnahmerichtlinie. Die Inhaftierung darf nur für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange, wie die Gründe gemäß Artikel 8 Absatz 3 bestehen, angeordnet werden, Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 Aufnahmerichtlinie. Die Haftanordnung ist zu begründen, Artikel 9 Absatz 2 Aufnahmerichtlinie; bei einer Anordnung durch eine Verwaltungsbehörde ist eine zügige Überprüfung durch ein Gericht herbeizuführen, Artikel 9 Absatz 3 Aufnahmerichtlinie. In diesem Fall soll dem Betroffenen unentgeltlicher Rechtsbeistand zur Verfügung stehen, Artikel 9 Absatz 6 Aufnahmerichtlinie. Auch im Übrigen ist eine turnusmäßige Haftüberprüfung von Amts wegen vorzusehen, Artikel 9 Absatz 5 Aufnahmerichtlinie. Die Schutzsuchenden sind in speziellen Hafteinrichtungen unterzubringen, auf jeden Fall aber getrennt von gewöhnlichen Strafgefangenen, Artikel 10 Absatz 1 Aufnahmerichtlinie. Die Inhaftierung von besonders schutzbedürftigen Personen ist nur im Ausnahmefall und unter weiteren sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig, Artikel 11 Aufnahmerichtlinie.

68

Aus den zitierten Quellen ergibt sich, dass in Ungarn Asylhaft nicht nur deshalb verhängt werden darf, weil ein Asylantrag gestellt wurde. Vielmehr kann nach den gesetzlichen Regelungen Asylhaft nur angeordnet werden: bei unklarer Identität oder Staatsangehörigkeit zur Klärung dieser; bei Ausländern, die sich im Ausweisungsverfahren befinden und einen Asylantrag stellen, obwohl sie diesen zweifelsfrei bereits zuvor hätten stellen können oder um eine drohende Aufenthaltsbeendigung zu verzögern oder abzuwenden; wenn der Sachverhalt des Asylbegehrens aufgeklärt werden muss und eine Aufklärung nicht ohne Haft möglich ist, speziell wenn die Gefahr des Untertauchens besteht; wenn der Asylbewerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt; wenn der Asylantrag im Flughafenbereich gestellt wurde; oder zur Sicherstellung der Durchführung des Dublin-Verfahrens, wenn die ernsthafte Gefahr des Untertauchens besteht. Der letztgenannte Grund umfasst nicht Asylbewerber, die aus anderen Ländern nach Ungarn überstellt wurden, sondern Asylbewerber, die von Ungarn aus überstellt werden sollen. Asylhaft kann erstmalig für 72 Stunden angeordnet werden. Eine Verlängerung um höchstens 60 Tage ist möglich, muss jedoch binnen 24 Stunden nach der Erstanordnungsverfügung von der Asylbehörde beim örtlichen Gericht beantragt werden. Beim Haftprüfungstermin muss der Betroffene anwaltlich vertreten sein und kann Einwendungen einlegen. Auch im Übrigen können jederzeit Einwendungen geltend gemacht werden. Sollten Betroffene aus sprachlichen oder anderen Gründen gehindert sein, selbst einen Anwalt zu beauftragen, wird ihnen von Amts wegen vom zuständigen Gericht ein Anwalt beigeordnet. Die Verfahrenskosten trägt der ungarische Staat. Die gesetzliche Höchstdauer der Asylhaft beträgt sechs Monate, bei Familien mit minderjährigen Kindern einen Monat. Jedoch wird aufgrund einer internen Weisung Asylhaft für Familien mit minderjährigen Kindern Stand September 2015 nicht angeordnet (Auswärtiges Amt, Stellungnahme vom 28. September 2015). Die Asylverfahren von Personen, die sich in Asylhaft befinden, werden vorrangig bearbeitet.

69

Im Zeitraum Januar bis Juni 2015 wurden laut dem Auswärtigen Amt 492 Personen in Asylhaft genommen. Dies entspreche 0,7% aller Asylantragsteller, wobei die Inhaftierungsquote von Dublin-Rückkehrern etwa drei bis viermal so hoch gelegen habe wie bei den anderen Asylantragstellern (Auswärtiges Amt, Stellungnahme vom 28. September 2015). AIDA verweist für den gleichen Zeitraum auf 1.829 Fälle von Asylhaft, für den Zeitraum Januar bis September auf 1.860 Fälle (AIDA, Bericht vom November 2015, Seiten 8 und 59), wobei AIDA für den letztgenannten Zeitraum die Anzahl der Asylantragsteller mit 175.960 angibt (AIDA, Bericht vom November 2015), was einer Haftquote für diesen Zeitraum von etwa 1 % entspricht.

70

Der Council of Europe Commissioner for Human Rights verweist bezüglich 2015 darauf, dass bis zum 26. November 2015 1.338 Rücküberstellungen nach der Dublin III-VO stattgefunden hätten. Davon seien 332 Personen in Asylhaft gekommen (Bericht vom 17. Dezember 2015, Seite 9). Dementgegen berichtet das Auswärtige Amt, dass der Verantwortliche der ungarischen Einwanderungsbehörde bei einem Besuch in der Asylhaftanstalt Kiskunhalas angegeben habe, dass die Anzahl der Dublin-Rückkehrer in den Asylhafteinrichtungen verschwindend gering sei (Auswärtiges Amt, Stellungnahme an das VG Potsdam vom 21. Juni 2016, Seite 5/ zu Frage 3).

71

Soweit AIDA angibt, Stand 2. November 2015 seien 52% der Asylbewerber inhaftiert (AIDA, Bericht vom November 2015, Seite 58), ergibt sich dies nicht durch die in dem Zusammenhang angegebenen Zahlen. Denn diese Aussage wird auf Zahlen der ungarischen Asylbehörde gestützt, nach denen sich zu dem Zeitpunkt 441 Personen in Asylhaft befänden, jedoch nur 412 Personen in offenen Aufnahmeeinrichtungen (AIDA, Bericht vom November 2015, Seite 58). Diese Zahlen führen jedoch nicht zu dem Schluss, dass 52% der Asylbewerber zu dem Zeitpunkt inhaftiert worden seien. Denn die Berechnung geht als Gesamtzahl von Asylbewerbern nur von der Summe der Personen, die sich in Asylhaft, sowie derer, die sich in Aufnahmeeinrichtungen befanden, aus. Dies entspricht aber nicht notwendigerweise, und insbesondere nicht im Fall Ungarns, das als Transitland bekannt ist, der Gesamtzahl der Asylbewerber. Es fehlt insofern die Zahl der Schutzsuchenden, die Ungarn, wie auch der Kläger, nur als Transitland betrachten und nicht ihr Asylverfahren in Ungarn betreiben, mithin auch nicht in den ungarischen Aufnahmeeinrichtungen bleiben, sondern Ungarn wieder verlassen. Diese kann aus dem vorhandenen statistischen Material nur geschätzt werden. Ausgehend von einer geschätzten durchschnittlichen Verfahrensdauer von drei Monaten läge die Zahl der zu berücksichtigenden Asylbewerber nicht bei weniger als 1000 sondern bei fast 80.000, da nach Angaben von Eurostat im August 2015 47.095 Personen, im September 2015 30.795 Personen und im Oktober 2015 615 Personen in Ungarn Asyl beantragt haben.

72

Aus aktuellen Zahlen ergibt sich für Januar bis Juni 2016 eine Quote von 1.648 Personen, die in Asylhaft waren zu 21.737 Personen, die einen Asylantrag gestellt haben (Zahlen des ungarischen Amtes für Einwanderung, übermittelt vom Auswärtigen Amt in der Stellungnahme vom 27. Juni 2016 an den VGH Mannheim).

73

Wegen Weiterreise und Aufenthalt in Deutschland drohen dem Schutzsuchenden keine Sanktionen für den Fall der Rückkehr nach Ungarn (Auswärtiges Amt, Stellungnahme vom 3. März 2015).

74

Soweit die Haftquote bei Dublin-Rückkehrern höher liegt, ist dies für das Gericht vor dem Hintergrund, dass Dublin-Rückkehrer sich bereits einmal ihrem Asylverfahren in Ungarn entzogen haben und die ungarischen Behörden daher davon ausgehen müssen, dass eine erhöhte Gefahr einer wiederholten Ausreise und damit Entziehung aus dem Verfahren besteht, nachvollziehbar.

75

Den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen lässt sich nicht entnehmen, dass die Haftbedingungen an sich menschenunwürdig im oben dargelegten Sinne wären und es dort systematisch zu Menschenrechtsverletzungen kommen würde.

76

Die Asylhafteinrichtungen verfügen in der Regel über ein Zimmer für die Insassen, einen Sozialraum, Verwaltungs- und Arztgebäude, eine Turn- oder Sporthalle sowie einen Innenhof. Der Sozialraum bietet Zugang zu Internet und Telefon. Tagsüber können sich die Insassen frei bewegen, auch außerhalb der Gebäude auf den Freigeländen. Die Unterbringung erfolgt in Mehrbettzimmern, wobei alleinstehende Frauen und Familien mit Kindern in separaten Gebäuden oder Flügeln getrennt von alleinstehenden Männern untergebracht werden müssen.

77

Die Haftplätze waren im September 2015 nicht alle belegt, was trotz der hohen Flüchtlingszahlen für einen maßvollen Umgang der ungarischen Behörden mit dem Instrument der Asylhaft spricht. Nachdem die hohe Anzahl der Asylbewerber durch die Schließung der Balkanroute weiter zurückgeht, ist nicht damit rechnen, dass sich die Haftbedingungen wesentlich verschlechtern werden. Entgegenstehende Erkenntnisse liegen derzeit nicht vor.

78

Beschwerden gegen die Haftbedingungen können jederzeit beim Leiter des Asyldirektorates vorgebracht werden. Der UNHCR hat jederzeit ohne weitere Voraussetzungen ungehinderten Zugang zu den Unterbringungseinrichtungen.

79

b. Nach § 2 der ungarischen Regierungsverordnung 191/2015 sind alle Mitgliedstaaten und Mitgliedsstaatenkandidaten der Europäischen Union – mit Ausnahme der Türkei – sowie diverse weitere Staaten sichere Drittstaaten. Jedoch kann der Asylbewerber, wenn er in einen solchen sicheren Drittstaat überstellt werden soll, nach § 3 Absatz 2 der genannten Verordnung nachweisen, dass er in seinem individuellen Fall in diesem Land keine Möglichkeit zu einem wirksamen Schutz hatte. Kritisiert wird dies insbesondere im Hinblick auf Serbien, das aufgrund eines Beschlusses auf dem EU-Gipfel am 1. März 2012 Beitrittskandidat der Europäischen Union ist, und durch das viele Schutzsuchende nach Ungarn einreisen.

80

Sofern teilweise darauf abgestellt wird, es könne angesichts der neuen Gesetzeslage nicht ausgeschlossen werden, dass auch Dublin-Rückkehrer nach Serbien abgeschoben werden, so dass in Ungarn systemische Mängel bestünden, folgt das Gericht dem nicht, da sich hierfür aus den Erkenntnisquellen keine Anhaltspunkte ergeben.

81

Artikel 38 der Richtlinie 2013/32/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung) (Verfahrensrichtlinie) sieht ausdrücklich das Konzept des sicheren Drittstaates vor. Die Tatsache, dass ein Asylantragsteller zunächst im Dublin-Verfahren zurück nach Ungarn überführt wird, steht einer Anwendung der Regelungen zum sicheren Drittstaat nicht entgegen (vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17. März 2016, Aktenzeichen C-695/15 PPU, zitiert nach juris).

82

Soweit geltend gemacht wird, dass Serbien selbst kein sicherer Drittstaat sei und dies dazu führe, dass das ungarische Asylrecht unter systemischen Mängeln leide, folgt das Gericht dem nicht.

83

Aus den vorliegenden Erkenntnisquellen ergibt sich, dass die serbische Verfassung ein Asylrecht vorsieht. Jedoch betrachten viele potentiell Asylsuchende Serbien nur als Transitland. Von Januar bis Mitte August 2015 registrierte Serbien nach UNHCR-Angaben fast 80.000 Asylsuchende. Einen Asylantrag stellten davon weniger als 500 Personen. Das serbische Asylsystem war bislang wenig tragfähig und personell teilweise unterbesetzt. Im Zuge des EU-Integrationsprozesses arbeitet Serbien jedoch mit Unterstützung des UNHCR und NGOs an Reformen. Soweit dies dazu führen kann, dass Serbien im Einzelfall für einen Antragsteller kein sicherer Drittstaat ist, ist dies im Verfahren vor den ungarischen Behörden und Gerichten geltend zu machen. Eine solche Möglichkeit sieht das ungarische Asylgesetz auch ausdrücklich vor. Nach Bekanntgabe, dass der Asylbewerber unter die Regelung des sicheren Drittstaats fällt, kann er innerhalb von drei Tagen erklären, warum der sichere Drittstaat in seinem Fall nicht sicher ist. Gegen den ablehnenden Bescheid kann Klage erhoben werden, die aufschiebende Wirkung hat (Auswärtiges Amt, Stellungnahme vom 27. Januar 2016).

84

Zudem kann den Erkenntnisquellen nicht entnommen werden, dass eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Überstellung des Klägers von Ungarn nach Serbien besteht. Denn Serbien lehnt die Übernahme von Drittstaatsangehörigen aus Ungarn im Wege einer Einzelfallprüfung ab, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass der Drittstaatsangehörige tatsächlich über Serbien eingereist ist. Da in Serbien keine Registrierung der Durchreisenden vorgenommen wird und Ungarn in der Regel auch nicht über andere Nachweise verfügt, kann dieser Nachweis regelmäßig nicht erbracht werden. In solchen Fällen wird das Asylverfahren nach Ablehnung durch Serbien in Ungarn vollumfänglich geprüft. Im Übrigen ist, wenn zwischen Grenzübertritt aus Serbien und Antrag auf Rückübernahme mehr als ein Jahr liegt, die Übernahme durch Serbien ohnehin generell ausgeschlossen (Auswärtiges Amt, Stellungnahme vom 27. Januar 2016; Liaisonmitarbeiter des BAMF beim Ungarischen Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, Bericht vom 13. Januar 2016). Aus aktuellen Erkenntnismitteln (Ungarisches Helsinki-Komitee, Bericht vom 1. August 2016) ergibt sich, dass vom Januar bis Juni 2016 114 Personen, die illegal nach Ungarn eingereist waren, offiziell nach Serbien rückgeführt wurden. Darunter waren 35 serbische, 27 kosovarische und 22 albanische Staatsangehörige. Keine der offiziell rückgeführten Personen hatte die syrische, afghanische, irakische oder somalische Staatsangehörigkeit. Damit ist die Überstellung des Klägers in einen Staat, dessen Asyl- und Aufnahmesystem möglicherweise nicht den europäischen Standards genügt, nicht hinreichend wahrscheinlich, zumal der Kläger zu seinem Aufenthalt in Serbien keinerlei Angaben gemacht hat. Allein die theoretische Möglichkeit der Abschiebung nach Serbien begründet jedoch keinen systemischen Mangel des ungarischen Asylsystems.

85

c. Zudem wird teilweise darauf verwiesen, dass die Asylverfahren von Dublin-Rückkehrern zwischenzeitlich eingestellt worden sein könnten.

86

Insofern ergibt sich aus den zitierten Quellen, dass nach dem ungarischen Asylgesetz das Asylverfahren eingestellt werden kann, wenn der Antragsteller seinen Antrag schriftlich zurücknimmt; er sich weigert, eine Erklärung zu unterschreiben und die Prüfung des Asylantrags damit behindert; er trotz schriftlicher Ankündigung nicht zur Anhörung erscheint und keine angemessene Erklärung dafür einreicht; er seine Unterkunft ohne Erlaubnis für mehr als 48 Stunden unbekannten Aufenthalts verlässt und keine angemessene Erklärung dafür eingereicht hat; er vollziehbar abzuschieben oder auszuliefern ist und die Maßnahme vollzogen werden kann; oder er die Fingerabdrucknahme verweigert oder behindert. Nach einer solchen Einstellung kann der Antragsteller bei den an zweiter, dritter und vierter Stelle genannten Gründen innerhalb von neun Monaten die Wiederaufnahme verlangen. Später gestellte Anträge gelten als Folgeanträge. Auch wenn der Antrag nicht innerhalb der neun Monate gestellt wird, entspricht es jedoch der Praxis der ungarischen Behörden, bei Dublin-Rückkehrern eine vollumfängliche Prüfung vorzunehmen. Eine entsprechende Änderung der gesetzlichen Regelung war im Januar 2016 in Abstimmung. Neuere Erkenntnisse liegen diesbezüglich nicht vor.

87

d. Auch soweit die wirtschaftliche Situation, insbesondere für anerkannte Schutzberechtigte, als Begründung systemische Mängel des ungarischen Asyl- und Aufnahmesystems angeführt werden, folgt das Gericht dieser Bewertung nicht.

88

Während des Asylverfahrens haben die Asylbewerber in Ungarn Anspruch auf Leistungen nach dem ungarischen Asylgesetz. Diese beinhalten Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung. Alle Asylbewerber haben Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen (AIDA, Bericht vom November 2015). Familien werden in getrennten Räumen untergebracht.

89

Die Versorgung im Krankheitsfall ist sichergestellt. Im Rahmen der Rückkehrformalitäten findet eine obligatorische körperliche Eingangsuntersuchung statt. Bei Hinweisen auf körperliche oder psychische Erkrankungen werden diese soweit möglich in den Einrichtungen, sonst in öffentlichen Einrichtungen behandelt. In den Aufnahmeeinrichtungen sind regelmäßig Ärzte präsent.

90

Soweit diesbezüglich teilweise auf die neueren Entwicklungen verwiesen wird, ergibt sich keine andere Bewertung. So entfiel zwar mit Wirkung vom 1. April 2016 das zuvor zur freien Verfügung stehende Bargeld in Höhe von 24 Euro monatlich. Auch der zuvor gewährte Zuschuss im Rahmen der Einschulung für Asylbewerber wird nach den vorliegenden Erkenntnisquellen nicht mehr geleistet. Mit Wirkung vom 1. Juni 2016 ist nunmehr auch das Integrationsunterstützungsprogramm für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte entfallen. Der Flüchtlingsstatus wird im Drei-Jahres-Turnus überprüft, ebenso der Status der subsidiär Schutzberechtigten. Nach Anerkennung als Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter müssen die Schutzberechtigten innerhalb von 60 statt wie zuvor 30 Tagen das Aufnahmezentrum verlassen. Der automatische Zugang zum Gesundheitssystem ist nunmehr auf sechs Monate statt zuvor ein Jahr ab Anerkennung begrenzt.

91

Insofern sind von den Gesetzesänderungen in erster Linie anerkannte Schutzberechtigte betroffen. Deren Situation ist jedoch bereits nicht geeignet, systemische Mängel bezüglich des Asylsystems sowie der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber zu begründen. Denn es handelt sich bei Asylbewerbern und anerkannten Schutzberechtigten um unterschiedliche Vergleichsgruppen. Darüber hinaus sind auch keine systemischen Mängel für anerkannte Schutzberechtigte ersichtlich. Die europarechtlichen Verpflichtungen bezüglich Ausländern mit einem internationalen Schutzstatus beurteilen sich nach Kapitel 7 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung) (Qualifikationsrichtlinie). Danach haben subsidiär Schutzberechtigte Zugang zur Beschäftigung (Artikel 26), zur Bildung (Artikel 27), zur medizinischen Versorgung (Artikel 30), zu Sozialhilfeleistungen in dem Umfang wie sie auch Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates erhalten (Artikel 29), und zu Wohnraum zu Bedingungen, die den Bedingungen gleichwertig sind, die für andere Drittstaatsangehörige gelten, die sich rechtmäßig in den jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten (Artikel 32). Eine Verletzung dieses Rechts auf Gleichstellung mit ungarischen Staatsbürgern bzw. anderen Drittstaatsangehörigen ist weder von dem Kläger geltend gemacht, noch sonst ersichtlich. Soweit für Schutzberechtigte eine schwierige wirtschaftliche Situation vorliegt, stellt auch dies keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar. Weder Artikel 3 EMRK noch Artikel 4 der Grundrechtecharta der Europäischen Union schließen eine allgemeine Verpflichtung ein, Flüchtlingen bzw. Schutzberechtigten finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihnen zu ermöglichen, einen bestimmten Lebensstandard aufrechtzuerhalten (vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 26. April 2005, Müslim v. Türkei, Aktenzeichen 53556/99, zitiert nach Hudoc, Rn. 85; vgl. zur Frage der Abschiebung in schlechte wirtschaftliche bzw. humanitäre Bedingungen auch Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Beschluss vom 2. April 2013, Samsam Mohammed Hussein und andere v. Niederlande und Italien, Aktenzeichen 22725/10, zitiert nach Hudoc, Rn. 70; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 28. Juni 2011, Sufi und Elmi v. Vereinigtes Königreich, Aktenzeichen 8319/07 und 11449/07, zitiert nach Hudoc, Rn. 278; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31. Januar 2013, Aktenzeichen 10 C 15/12, zitiert nach juris, Rn. 23 ff).

92

Auch soweit Asylbewerbern anders als zuvor kein frei zur Verfügung stehendes Bargeld sowie kein Zuschuss im Rahmen der Einschulung mehr gewährt werden, ist dies nicht geeignet, systemische Mängel zu begründen.

93

e. Soweit zur Begründung systemische Mängel im ungarischen Asylsystem die dortige Einrichtung von Transitzonen sowie die Strafbarkeit des Übertretens oder Beschädigens von Sperranlagen angeführt wird, führt dies ebenfalls nicht dazu, dass der Kläger nicht nach Ungarn überstellt werden dürfte.

94

Die Einrichtung von Transitzonen ist ausdrücklich als Verfahrensmöglichkeit in Artikeln 31 Absatz 8, 43 Verfahrensrichtlinie vorgesehen. Danach können die Mitgliedstaaten nach Maßgabe der Grundsätze und Garantien nach Kapitel II Verfahren festlegen, um an der Grenze oder in Transitzonen des Mitgliedstaats über die Zulässigkeit eines an derartigen Orten gestellten Antrags gemäß Artikel 33 sowie die die Begründetheit eines Antrags in einem beschleunigten Verfahren entscheiden, wobei bestimmte Voraussetzungen vorliegen müssen, Artikel 43 Absatz 1, 31 Absatz 8 Verfahrensrichtlinie. Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen oder insofern systemische Mängel vorliegen, kann aber vorliegend offen bleiben, weil auch ein entsprechender Verstoß nicht geeignet wäre, die Rechtsposition des Klägers zu beeinflussen. Insofern können Dublin-Rückkehrer von Verfahrensregelungen, die allein an den Grenzen bzw. in Transitzonen befindliche Antragsteller erfassen, bereits dem Grunde nach nicht betroffen sein.

95

Auch die etwaige Strafbarkeit des Überschreitens oder Beschädigens von Sperranlagen betrifft den Kläger bereits nicht. Im Übrigen setzt die Strafbefreiung des Artikel 31 Absatz 1 Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK) voraus, dass, dass sich der Ausländer nach seiner Einreise unverzüglich bei den Behörden meldet und die Gründe darlegt, welche die unrechtmäßige Einreise oder den unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen. Sie ist getragen von dem Gedanken, dass einem Flüchtling die Verletzung von Einreise und Aufenthaltsvorschriften nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn er nur auf diese Weise Schutz vor politischer oder sonstiger Verfolgung erlangen kann und erfasst die Strafbarkeit der unerlaubten Einreise und nicht damit verbundene Begleitdelikte. (ausführlich dazu Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 8. Dezember 2014, Aktenzeichen 2 BvR 450/11, zitiert nach juris, Rn 33-58). Aus dem Bericht des UNHCR vom Mai 2016 ergibt sich, dass der Großteil der wegen illegaler Überquerung des Grenzzaunes zwischen dem 15. September 2015 und März 2016 verurteilten Angeklagten bereits keinen Asylantrag stellten. Soweit Asylanträge im Rahmen des Strafgerichtsverfahrens gestellt worden seien, habe das Gericht Artikel 31 GFK jeweils nicht angewendet. In einem Fall sei dies unter anderem damit begründet worden, dass der Angeklagte erst im Rahmen der Strafgerichtsverhandlung, drei Tage, nachdem er von einem Polizeibeamten aufgegriffen worden sei, einen Asylantrag gestellt habe (UNHCR, Bericht vom Mai 2016, Rn. 60).

96

f. Auch im Übrigen sind keine Gründe für die Annahme systemischer Mängel des ungarischen Asyl- und Aufnahmesystems, die die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Klägers bei einer Rücküberstellung nach Ungarn begründen würden, ersichtlich.

97

Inwiefern es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 GR-Charta bzw. Artikel 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war, ist nicht entscheidend (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. Juni 2014, Aktenzeichen 10 B 35.14, zitiert nach juris, Rn. 6). Solche Einwände gegen die Verfahrens- oder Aufnahmebedingungen in Ungarn hätte der Kläger dort geltend zu machen, und zwar notfalls unter Inanspruchnahme ungarischer und europäischer Gerichte.

98

2. Die Abschiebung des Klägers kann auch durchgeführt werden, § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylG.

99

Die Aufnahmebereitschaft Ungarns steht nicht in Frage(a). Ein inlandsbezogenes Vollzugshindernis liegt nicht vor (b).

100

a. Die Aufnahmebereitschaft Ungarns steht nicht in Frage. Rücküberstellungen nach Ungarn finden statt. Nach aktuellen Erkenntnissen (Ungarisches Helsinki-Komitee, Bericht vom 1. August 2016) wurden von Januar bis Juni 2016 348 Personen im Rahmen des Dublin-Systems nach Ungarn zurückgeführt, darunter 180 Personen aus Deutschland.

101

b. Auch inlandsbezogene Vollzugshindernisse liegen nicht vor.

102

Diese ergeben sich nicht aus der vom Kläger geplanten Heirat mit einer deutschen Staatsangehörigen.

103

Über einen Aufenthaltstitel zur Eheschließung in Deutschland verfügt der Kläger nicht.

104

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen der bevorstehenden Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen und einer daraus resultierenden Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Absatz 2 AufenthG wegen der aus Artikel 6 GG geschützten Eheschließungsfreiheit (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 4. Mai 1971, Aktenzeichen 1 BvR 636/68, zitiert nach juris, Leitsatz und Rn. 29-32). Dies würde voraussetzen, dass die Eheschließung im Bundesgebiet unmittelbar bevorsteht. Letzteres ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist (Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. Oktober 2014, Aktenzeichen 2 M 93/14, zitiert nach juris, Leitsatz, Orientierungssatz 2 und Rn. 4; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 11.März 2010, Aktenzeichen 19 CE 10.364, zitiert nach juris, Rn. 3-5).

105

Dabei kann offen bleiben, ob eine Mitteilung des Standesamts nach § 13 Absatz 4 PStG, dass die Eheschließung vorgenommen werden kann, vorliegen muss oder es ausreichend ist, wenn die Verlobten die nach § 12 Absatz 2 PStG und ggf. § 13 Absatz 1 PStG zur Anmeldung der Ehe notwendigen Urkunden eingereicht haben und, soweit kein Ehefähigkeitszeugnis nach § 1309 Absatz 1 BGB für den ausländischen Verlobten beigebracht werden kann, ein Antrag auf Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses nach § 1309 Absatz 2 BGB gestellt wird und dem Standesbeamten im Hinblick auf den gestellten Befreiungsantrag alle aus seiner Sicht erforderlichen Unterlagen vorliegen (soBayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 27. Februar 2008, Aktenzeichen 19 CS 08.216, zitiert nach juris, Rn. 13-15; weitergehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. Oktober 2014, Aktenzeichen 2 M 93/14, zitiert nach juris, Leitsatz, Orientierungssatz 2 und Rn. 4, das verlangt, dass in einem solchen Fall die Befreiung durch den Präsidenten des zuständigen Oberlandesgerichts nach § 1309 Absatz 2 BGB erteilt worden ist).

106

Denn der Kläger hat nach keinem dieser Maßstäbe geltend gemacht, dass eine Eheschließung mit seiner deutschen Verlobten unmittelbar bevor steht. Er macht zwar geltend, dass er seit Mai 2016 mit einer deutschen Staatsangehörigen verlobt sei. Sie haben vorgehabt, im Juli 2016 zu heiraten. Dieser Schritt sei jedoch schwer, weil das Standesamt viele Papiere, unter anderem den syrischen Ausweis des Klägers und seine Geburtsurkunde benötige. Insofern müssten sie noch warten bezüglich eines Heiratstermins, da sie erst bei vorliegenden Papieren einen Termin erhielten. Damit ist erkennbar, dass dem Standesamt die notwendigen Papiere zur Prüfung der Ehevoraussetzungen bisher nicht vorliegen, sondern vielmehr seitens des Klägers, der über diese selbst auch nicht verfügt, noch besorgt werden müssen. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Eheschließungstermin derzeit völlig offen. Auf die Vorwirkungen einer bevorstehenden Ehe kann sich der Kläger deshalb derzeit nicht mit Erfolg berufen.

107

Auch aus der vom Kläger vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergibt sich kein Abschiebungshindernis. Zwar kann die Abschiebung rechtlich unmöglich sein,

108

„wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche – außerhalb des Transportvorgangs – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren [...]. Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist“.

109

(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. September 2014, Aktenzeichen 2 BvR 732/14, zitiert nach juris, Rn. 14,15)

110

Vorliegend ist eine solche Reiseunfähigkeit jedoch nicht ersichtlich. Die vorlegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist nicht ansatzweise zur Glaubhaftmachung einer psychischen Erkrankung des Klägers geeignet. Anders als im rein somatisch-medizinischen Bereich, wo äußerlich feststellbare objektive Befundtatsachen im Mittelpunkt stehen, sind zur Diagnose einer schweren depressiven Störung innerpsychische Vorgänge in den Blick zu nehmen, die sich einer Erhebung äußerlich-objektiver Befundtatsachen weitgehend entziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11. September 2007, Aktenzeichen 10 C 8.07, zitiert nach juris, Rn. 15) gehört zur Substantiierung des Vorbringens einer solchen Erkrankung angesichts der Unschärfen des Krankheitsbilds und seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines fachärztlichen Attests, aus dem sich nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Die vorliegende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, mit der nach sechsmonatigem Aufenthalt erstmals eine Geltendmachung einer entsprechend Erkrankung erfolgte, zum Zeitpunkt, als der Verhandlungstermin angesetzt war, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Sie bescheinigt zudem auch allein eine Arbeitsunfähigkeit, trifft aber keinerlei Aussagen zu einer Reisefähigkeit des Klägers.

111

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylG.

112

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. März 2016 - A 3 K 4106/14 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig und gegen die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn.
Der Kläger ist seinen Angaben zufolge am 06.10.1988 in Damaskus geboren, syrischer Staatsangehöriger und reiste am 18.07.2014 über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er stellte am 20.08.2014 einen Asylantrag.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge richtete ein Übernahmeersuchen an Ungarn. Die ungarischen Behörden erklärten sich auf Grund von Art. 18 Abs. 1 lit. b) Dublin III-Verordnung zur Übernahme des Klägers bereit.
Mit Bescheid vom 23.10.2014 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an. Der Bescheid wurde dem Kläger am 29.10.2014 zugestellt.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hatte Erfolg (Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 13.04.2015 - A 3 K 4107/14 -).
Der Kläger erhob am 03.11.2014 Klage. Er machte unter Bezugnahme auf verschiedene Gerichtsentscheidungen geltend, das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn wiesen so gravierende Mängel auf, dass sich eine Überstellung nach dort verbiete. Er sei nach dem Überschreiten der ungarischen Grenze festgenommen, auf eine Polizeiwache verbracht und dort mit etwa 40 weiteren Flüchtlingen zehn Stunden lang in einer kleinen Zelle festgehalten worden. Die ganze Zeit über habe es weder etwas zu Trinken noch zu Essen und auch keine ärztliche Behandlung gegeben. Nachdem schließlich ein Dolmetscher hinzugezogen worden sei, habe er den Beamten gesagt, dass er nach Deutschland weiterreisen wolle. Man habe ihm erklärt, dass man ihn gehen lasse, wenn er sich Fingerabdrücke abnehmen lasse. Nach der Abnahme der Fingerabdrücke habe er die Wache verlassen können.
Mit Urteil vom 14.03.2016 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 23.10.2014 auf und führte aus: Das ungarische Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn wiesen insbesondere nach den jüngsten gesetzlichen Änderungen systemische Schwachstellen auf, die zur Folge hätten, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Ungarn eine unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung erleiden würde.
Am 02.04.2016 beantragte die Beklagte die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung, dem der Senat durch Beschluss vom 17.05.2016 entsprach.
Am 01.06.2016 begründete die Beklagte unter Stellung eines Antrags die Berufung. Die sehr geringe Inhaftierungsquote von 0,7 v.H. im ersten Halbjahr 2015 lasse auf einen sehr maßvollen Umgang mit dem Instrumentarium der Abschiebungshaft schließen, insbesondere darauf, dass eine Einzelfallprüfung gewährleistet sei. Auch seien im Herbst 2015 die vorhandenen Haftplätze nicht belegt gewesen. Insgesamt ließen sich daher systemische Schwachstellen des Asylsystems in Ungarn nicht belegen.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. März 2016 - A 3 K 4106/14 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
12 
Der Kläger beantragt,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Er beruft sich auf das angefochtene Urteil.
15 
Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung zu seinen Fluchtgründen und seinem Reiseweg nach Deutschland informatorisch angehört.
16 
Wegen weiterer Einzelheiten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze.
17 
Ihm lagen die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vor.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die nach Schließung der mündlichen Verhandlung von der Beklagten übersandten Emails gaben dem Senat schon deshalb keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, weil sie erst eingegangen waren, nachdem der unterschriebene Entscheidungstenor auf der Geschäftsstelle zum Zwecke der Information der Beteiligten niedergelegt worden und die Entscheidung des Senats bindend geworden war (BVerwG, Beschlüsse vom 27.04.2005 - 5 B 107.04 -, juris und vom 24.06.1971 - I CB 4.69 -, juris; Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 6. Aufl. 2014, § 116 Rn. 10) .
19 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere wurde sie fristgerecht unter Stellung eines Antrags ordnungsgemäß begründet.
20 
Die Berufung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den angegriffenen Bescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Dieser ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten.
21 
Die Voraussetzungen des § 27a AsylG liegen nicht vor mit der Folge, dass auch die Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG zu Unrecht erlassen wurde und der Bescheid insgesamt aufzuheben ist (vgl. zur Statthaftigkeit der Anfechtungsklage zuletzt BVerwG, Urteil vom 27.04.2016 - 1 C 24.15 -, juris). Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) war Ungarn nicht der für die Durchführung des Verfahrens zuständige Mitgliedstaat. Denn bereits zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers aus Ungarn und der Antragstellung in der Bundesrepublik Deutschland war wegen des Bestehens systemischer Schwachstellen des Asylhaftsystems in Ungarn die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergangen, ohne dass diese später wieder entfallen ist (vgl. I.). Ungeachtet dessen ist die Zuständigkeit jedenfalls später übergangen, weil eine Überstellung bis zum Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr durchgeführt werden wird (II.).
I.
22 
Bei Erlass des angegriffenen Bescheids war nicht Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, sondern die Bundesrepublik Deutschland.
23 
1. Die Zuständigkeit ergibt sich vorliegend aus Art. 3 Abs. 2 UA 2 und 3 VO (EU) 604/2013 vom 26.06.2013 (im Folgenden Dublin III-VO); die Verordnung ist im Hinblick auf deren Art. 49 im vorliegenden Fall auch anzuwenden.
24 
Zum Zeitpunkt der Einreise des Klägers in die Bundesrepublik Deutschland bestanden wesentliche Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Schwachstellen aufwiesen, die für ihn die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh mit sich brachten.
25 
Zwar war der Kläger über Griechenland in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist, der Senat geht hier aber als gerichtsbekannt davon aus, dass Griechenland jedenfalls damals seinerseits systemische Schwachstellen aufgewiesen hatte (vgl. EGMR, Entscheidung vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien -, NVwZ 2011, 413); das haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auch nicht infrage gestellt. Der Senat kann daher offen lassen, ob die Zuständigkeit Griechenlands nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO nicht ohnehin infolge der Ausreise aus dem Gebiet der Mitgliedstaaten (nach Mazedonien) entfallen war, nachdem der Kläger dort keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte (vgl. weiterführend Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, § 27a Rn. 209). Eine Zuständigkeit Österreichs wurde nicht begründet, weil der Kläger innerhalb weniger Stunden nur durch Österreich durchgereist war und sich insbesondere nicht mindestens fünf Monate dort oder in weiteren Mitgliedstaaten aufgehalten hatte (vgl. Art. 13 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO). Ein anderer potentiell zuständiger Mitgliedstaat war nicht gegeben.
26 
Selbst wenn in Ungarn in der Folgezeit die systemischen Schwachstellen wieder entfallen sein und heute zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr bestehen sollten, wäre gleichwohl eine erneute Zuständigkeit Ungarns nach der Einreise des Klägers und der Antragstellung im Bundesgebiet nicht wieder begründet worden. Denn nur bei einer solchen Sichtweise kann den unionsrechtlichen Erfordernissen eines klaren und praktikablen Zuständigkeitssystems, das zeitnah zu einer sachlichen Prüfung des Antrags zumindest in einem Mitgliedstaats führt und das einen potentiellen ständigen Wechsel der Zuständigkeit verbietet, genügt werden; dieser Aspekt hat nicht zuletzt seinen Ausdruck etwa in Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO gefunden (vgl. zu alledem auch EuGH, Urteil vom 07.06.2016 - C-63/15 , juris; Wendel, JZ 2016, 332).
27 
2. Dass im Sommer 2014 die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO vorlagen, ergibt sich aus Folgendem:
28 
a) Mit der Regelung des Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO wird insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Dublin II-Verordnung (Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, NVwZ 2012, 417; vgl. dazu auch Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi -, NVwZ 2014, 208; vgl. auch EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien -, NVwZ 2011, 413) umgesetzt, wonach ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen im Rahmen der Prüfung seines Rechts auf Selbsteintritt (vgl. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO, Art. 3 Abs. 3 Dublin III-VO) dazu verpflichtet ist, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen.
29 
Dabei kann einerseits jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
30 
Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht schon ein vereinzelter Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, NVwZ 2012, 417). Das Dublin-Zuständigkeitssystem ist deshalb nur dann (teilweise) zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel oder Schwachstellen (vgl. zum Begriff jetzt Art. 3 Abs. 2 UA. 2 Dublin III-VO) des Asylverfahrens und (bzw. genauer: oder) der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteile vom 21.12.2011, a.a.O., und vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid -, NVwZ 2014, 129).
31 
Systemische Schwachstellen sind solche, die entweder bereits im Asyl- und Aufnahmeregime selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1093, und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677). Dabei ist der Begriff der systemischen Schwachstelle nicht in einer engen Weise derart zu verstehen, dass er geeignet sein muss, sich auf eine unüberschaubare Vielzahl von Antragstellern auszuwirken. Vielmehr kann ein systemischer Mangel auch dann vorliegen, wenn er von vornherein lediglich eine geringe Zahl von Asylbewerbern betreffen kann, sofern er sich nur vorhersehbar und regelhaft realisieren wird und nicht gewissermaßen dem Zufall oder einer Verkettung unglücklicher Umstände bzw. Fehlleistungen von in das Verfahren involvierten Akteuren geschuldet ist (vgl. hierzu Lübbe, ZAR 2014, 97 ff. und schon Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -, InfAuslR 2015, 77).
32 
Wesentliche Kriterien für die zu entscheidende Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende (bzw. "entwürdigende") Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (vgl. Urteile vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien -, NVwZ 2011, 413, vom 04.11.2014 - Nr. 29217/12, Tharakel/Schweiz -, juris, und Entscheidung vom 05.02.2015 - Nr. 51428/10, A.M.E./Niederlande -, juris), der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt (vgl. zu den Anforderungen ausführlich Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -, InfAuslR 2015, 77, m.w.N.). Die Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh muss durch wesentliche Gründe (Art. 3 Abs. 2 UA. 2 Dublin III-VO; vgl. auch EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, NVwZ 2012, 417: "ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe") gestützt werden. Das bedeutet, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sein müssen; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, NVwZ 2013, 936; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris).
33 
Hinzukommen muss immer, dass der konkrete Schutzsuchende auch individuell betroffen wäre. Es genügt nicht, dass lediglich abstrakt bestimmte strukturelle Schwachstellen festgestellt werden, wenn sich diese nicht auf den konkreten Antragsteller auswirken können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass - eine systemische Schwachstelle unterstellt - einer drohenden Verletzung von Art. 4 GRCh im konkreten Einzelfall gegebenenfalls vorrangig dadurch "vorgebeugt" werden kann, dass die Bundesrepublik Deutschland die Überstellung im Zusammenwirken mit dem anderen Mitgliedstaat so organisiert, dass eine solche nicht eintreten kann (vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - Nr. 29217/12, Tharakel/Schweiz -, juris; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 -, juris und 17.04.2015 - 2 BvR 602/15 -, juris).
34 
b) Nach den vom Senat verwerteten Erkenntnismitteln (vgl. v.a. Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, Report by Nils Muiznieks vom 16.12.2014 Rn 148 ff. - im Folgenden CHR I; UNHCR, Anmerkungen und Empfehlungen des UNHCR zum Entwurf zur Änderung migrations- und asylbezogener sowie weiterer in diesem Zusammenhang stehender Vorschriften zwecks Rechtsharmonisierung vom 07.01.2015, S. 14 ff - im Folgenden UNHCR I) war im Jahre 2014 - wie schon seit Jahren zuvor - die Praxis der Verhängung von Abschiebungshaft bzw. einer Art von Sicherungshaft gegenüber Asylbewerbern durch schwerwiegende verfahrensrechtliche und inhaltliche Mängel gekennzeichnet und war seit langer Zeit national wie auch v.a. international heftiger Kritik ausgesetzt (vgl. ausführlich CHR I, Rn. 151 insbesondere auch mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR zur Inhaftierungspraxis aus den Jahren 2011 und 2012). Diese Praxis war insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass etwa im Jahre 2010 beinahe ausnahmslos sämtliche Antragsteller inhaftiert wurden und die gerichtlichen Entscheidungen, auf denen die Inhaftierungen beruhten, vollständig intransparent waren und ohne jeden nachvollziehbaren Bezug zu dem individuellen Einzelfall standen. Hinzu kam, dass nach der damaligen Rechtslage die Haftgründe in hohem Maße vage und unbestimmt formuliert waren und damit in besonderer Weise eine rechtstaatlich unvertretbare gerichtliche Praxis begünstigten. Zwar wird für die Zeit bis zum Jahre 2014 von gewissen Verbesserungen gesprochen (vgl. CHR I, Rn. 153), was wohl zur Folge hatte, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 03.07.2014 (Nr. 71932/12) nicht mehr zu erkennen vermochte, dass das Inhaftierungssystem in Ungarn noch durch so schwerwiegende Mängel gekennzeichnet gewesen sei, dass die erfolgte Inhaftierung des Betroffenen eine Verletzung von Art. 3 EMRK ausgemacht hätte. Neuere, dem Gerichtshof noch nicht vorliegende Erkenntnisse aus dem Jahre 2014 zur Situation in Ungarn, wie der Bericht des Menschrechtskommissars vom 16.12.2014, der seinerseits auf einer Reihe aktueller Erkenntnismittel und auch eigener Anschauung beruhte, sowie die grundlegende Einschätzung von UNHCR vom 07.01.2015 gebieten jedoch auch in Ansehung gewisser Verbesserungen gleichwohl für das Jahr 2014 nunmehr eine abweichende Einschätzung. Hinzu kommt, dass selbst der Oberste Gerichtshof Ungarns (Kuriá) in seinem Bericht (Report on the Court’s Refugee Law-related Jurisprudence“ vom 20.10.2014; zitiert nach UNHCR I, S. 13 f.) die gravierenden Mängel der ungarischen Rechtsprechungspraxis bestätigt und praktische Hinweise zu deren Behebung gegeben hatte (vgl. zu alledem auch Lehnert, NVwZ 2016, 896, 899).
35 
Jedenfalls waren im Frühjahr 2014 noch etwa 25 v.H. aller Antragsteller und 42 v.H. aller männlichen ledigen Antragsteller in Haft. Besonders besorgt war der Menschrechtskommissar über die unverändert festzustellende Willkür bei der Anordnung von Haft, namentlich vermisste er jede Individualisierung der Anordnung und deren Unverhältnismäßigkeit, was die Dauer betrifft. Verschärft wurde dieser Zustand dadurch, dass es - gewissermaßen als Korrektiv - keinerlei effektive richterliche Kontrolle gab, was auch vom Obersten Gerichtshof festgestellt und kritisiert worden war.
36 
Die aktuell seit 01.08.2015 geltenden gesetzliche Bestimmungen über die Voraussetzungen für die Anordnung von „Asylhaft“, die nach ungarischem Recht seit 2013 von der Abschiebungshaft „Immigration Detention“ unterschieden wird (vgl. aida, „Country Report: Hungary“ vom November 2015, S. 64 - im Folgenden aida), stehen allerdings nunmehr im Wesentlichen in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU v. 26.06.2013) in deren Art. 8 (vgl. auch aida, S. 60). Als problematisch wird hingegen unverändert auch heute noch die praktische Handhabung der Bestimmungen geschildert. Als Haftgrund wird am häufigsten „Fluchtgefahr“ genannt (aida, S. 60). Mittlerweile kommt als weiterer oft herangezogener Grund hinzu die „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ (vgl. aida, S. 61). Dem liegt zugrunde, dass Ungarn nunmehr alle Antragsteller, die nicht offiziell über eine Grenzstation einzureisen versuchen bzw. versucht haben, der illegalen Einreise beschuldigt und diese deshalb grundsätzlich auch strafrechtlich verfolgt werden können, was aber in dieser Pauschalität offensichtlich mit den Vorgaben in Art. 31 GFK unvereinbar ist (vgl. zu alledem UNHCR vom Mai 2016, Rn. 59 - im Folgenden UNHCR II; Human Rights Watch “Hungary: Locked Up for Seeking Asylum“ vom 01.12.2015, S. 2 und 4 mit dem weiteren Hinweis, dass deshalb insbesondere abgelehnte Antragstellers häufig in „Immigration Detention“, d.h. praktisch in Strafanstalten inhaftiert sind, - im Folgenden HRW; so auch aida, S. 61 f. und 64). Ungeachtet dessen wird wiederum einhellig nach wie vor beanstandet, dass Haftgründe immer noch nicht individualisiert und einzelfallbezogen geprüft und beurteilt werden, wobei wiederum noch hinzu kommt, dass unverändert die Begründungen der Entscheidungen in höchstem Maße defizitär sind und für die Betroffenen nicht erkennen lassen, weshalb sie in Haft genommen werden (vgl. aida, S. 61 und 68; Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, vom 17.12.2015, Rn. 16 ff. und 22 - im CHR II). Dass eine spezifische Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt wurde, lässt sich in der Regel den Entscheidungen immer noch nicht entnehmen (aida, S. 68). Entgegen den Vorgaben des Unionsrechts wird bei gerichtlichen Haftanordnungen immer wieder nicht sorgfältig erwogen, ob es hierzu Alternativen gibt (aida, S. 61; UNHCR I S. 22). Obwohl es, worauf bereits hingewiesen wurde, in der Vergangenheit eine ausdrückliche Beanstandung durch den Obersten Gerichtshof gegeben hatte, sind - mit einer gewissen Ausnahme beim Gericht in Debrecen - bis heute keine sichtbaren Änderungen eingetreten.
37 
Die wesentlichen Verfahrensabläufe stellten sich und stellen sich nach wie vor, wie folgt, dar: Am Beginn der Haft steht eine maximal 72 Stunden geltende behördliche Haftanordnung, gegen die es mit Rücksicht auf völlig defizitäre Informationen, erhebliche sprachlich bedingte Kommunikationsprobleme und völlig unzureichenden Zugang zu fachkundiger Hilfestellung nur einen theoretischen, aber praktisch kaum wirksamen Rechtsschutz gibt (vgl. aida, S. 69 und zum Ablauf des Verfahrens Rn. 67 f.) mit der Folge, dass die Betroffenen jeder denkbaren Willkür ausgeliefert sein können. Hieran schließt sich auf Antrag der Asylbehörde (OIN) eine förmliche gerichtliche Verlängerungsentscheidung an, die zunächst maximal 60 Tage gelten kann (bis insgesamt maximal 6 Monate). Die Verlängerungen erfolgen aus Gründen der „Verfahrensbequemlichkeit“ in aller Regel (wenn auch nicht ausnahmslos) pauschal und ohne Bezug zum Einzelfall um die jeweils zulässige Höchstdauer, ohne dass es insoweit nach der Einschätzung der Stellungnahmen ein effektives Rechtsmittel oder eine effektive Abhilfemöglichkeit für die Betroffenen gibt (aida, S. 67 ff. insbes. Rn. 69 f. und schon UNHCR I, S. 13 und 17); ob überhaupt ein Rechtsbehelf gegen die richterliche Haftanordnung eröffnet ist, ist nicht völlig klar (verneinend und im Einzelnen begründet aida, S. 67 f. Rechtsschutz nur in Bezug auf die behördlich Anordnung bis zu 72 Stunden; bejahend AA v. 21.06.2016 an VG Potsdam). Die Gerichte stützen sich nach wie vor häufig allein auf die Angaben der Asylbehörde, ohne die Angaben der Betroffenen angemessen zu würdigen (aida, S. 68; ecre/aida, „Crossing Boundaries“ vom 01.10.2015, S. 27 f.). Bereits in der Vergangenheit konnte festgestellt werden, dass die Gerichte die vorgeschriebene Anhörung jedenfalls teilweise als „Massenanhörung“ durchführten, sodass - wenn überhaupt -nur ein Minimum an Zeit für jeden Betroffenen blieb (vgl. aida, S. 68). Zwar besteht an sich freier Zugang zu einer anwaltlichen Vertretung, die Beiordnung von Anwälten erwies sich aber als weitgehend unzureichend, da diese völlig passiv blieben und die Interessen ihrer Mandanten nicht ernsthaft vertraten (aida, S. 70). Die vom Auswärtigen Amt (Auskunft vom 27.01.2016) behauptete genaue Einzelfallprüfung konnte schwerlich stattgefunden haben, wenn regelmäßig in der Haft unbegleitete Minderjährige angetroffen bzw. festgestellt worden waren. Es wird nämlich übereinstimmend berichtet, dass keine umfassende und vor allem einigermaßen zuverlässige Alterskontrolle und -feststellung stattfand bzw. gewährleistet war mit der Folge, dass immer wieder unbegleitete minderjährige Antragsteller in Haft kamen und später durch Mitarbeiter humanitärer Organisationen dort angetroffenen wurden (aida, S. 62; UNHCR I, S. 18; CHR II, Rn. 27). Nichts anderes galt für sog. vulnerable Personen (vgl. auch HRW, S. 6 ff.), was insoweit folgenschwerer ist, weil keinerlei psychosoziale Betreuung in den Haftanstalten stattfindet (aida, S. 65; HRW, S. 8). Eine psychologische Behandlung kommt allenfalls in einer Klinik in Betracht (vgl. AA v. 27.01.2016, S. 7). Grundsätzlich können nunmehr - wohl anders als noch im Jahre 2014 - auch Familien mit minderjährigen Kindern bis zu 60 Tagen inhaftiert werden, was auch tatsächlich und nicht nur in Ausnahmefällen geschieht (vgl. aida, S. 62; UNHCR I, S. 21 f.), aber schwerlich mit Art. 37 Kinderkonvention und Art. 11 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU v. 26.06.2013) vereinbar sein wird.
38 
Allerdings legen die neuesten Erkenntnismittel die Schlussfolgerung nahe, dass die Inhaftierungsquote möglicherweise nicht mehr das gleiche hohe Ausmaß hat wie dieses noch im Jahre 2014 der Fall war. Dem Senat liegen keine aktuellen belastbaren Statistiken über die genaue Zahl der Inhaftierten bzw. zum Anteil der Inhaftierten im Verhältnis zur Gesamtzahl der Antragsteller vor. Zwar nennt aida (S. 60) eine Zahl von 52 v.H. Inhaftierten bezogen auf den 02.11.2015, ohne dieses weiter zu erläutern; in diesem Zusammenhang wird aber sodann noch die Gesamtzahl der zwischen 01.01. bis 30.09.2015 inhaftierten Antragsteller mit 1.860 angegeben, was aber in Anbetracht der vom Auswärtigen Amt dem Senat auf seine Anfrage am 27.06.2016 mitgeteilten Zahl von rund 179.000 Antragstellern im Jahre 2015 eine Quote von 52 v.H. nicht ohne weiteres plausibel erscheinen lässt (vgl. aber auch widersprüchlich AA v. 03.07.2015: 01.01.2015 bis 31.05.2015 1.078 inhaftierte Personen einerseits, AA vom 28.09.2015: 01.01.2015 bis 30.06.2015 492 Personen andererseits). Gegenüber dem Senat hat das Auswärtige Amt am 27.06.2016 die Gesamtzahl der Inhaftierungen im 1. Halbjahr 2015 mit 1.258, im 2. Halbjahr mit 1.145 und in der Zeit zwischen dem 01.01.2016 bis 22.06.2016 mit 1.648 Personen angegeben, was in Einklang mit der von aida genannten Gesamtzahl von 1.860 Personen stehen könnte. Nimmt man die hohe Zahl der Antragstellungen im Jahre 2015, so könnte hieraus auf eine deutlich geringere Inhaftierungsquote als im Jahre 2014 zu schließen sein, auch wenn dem Senat nicht bekannt ist, wie viele Antragsteller tatsächlich überhaupt noch im Land geblieben waren. Sollte, wie zu vermuten ist, ein Großteil der Antragsteller das Land aber bereits wieder verlassen haben, so würde dieses unmittelbar die Inhaftierungsquote erhöhen. Dafür, dass die meisten Antragsteller wieder das Land verlassen haben, spricht der Umstand, dass regelmäßig der Anteil der sog. Einstellungsentscheidungen der ungarischen Asylbehörde signifikant hoch ist (vgl. Eurostat, „Asylum and first time asylum applicants, Last update 06.07.2016“ für Ungarn 177.135 Antragsteller im Jahre 2015 einerseits; „Asylum applications withdrawn, Last update 08.07.2016“ für Ungarn im Jahre 2015 103.015 Einstellungsentscheidungen andererseits; vgl. auch „Final decisions on applications Last update 22.06.2016“ für Ungarn im Jahre 2015 nur 480 endgültige Sachenentscheidungen).
39 
Die Haftanstalten waren und sind entgegen früherer Befürchtungen (vgl. Hungarian Helsinki Committee, Building als Legal Fence, vom 07.08.2015, S. 5) nicht überfüllt, allerdings jedenfalls teilweise nach wie vor in einem sehr schlechten Zustand, so v.a. die Haftanstalt in Nyirbátor (vgl. aida, S. 65; HRW, S. 2 f. und 9), in der im Winter 2014/15 die Häftlinge bei Temperaturen von 5°C in der Haftanstalt ohne ausreichende Kleidung längere Zeit leben mussten, sie ist außerdem trotz mehrfacher Abhilfeversuche nach wie vor völlig verwanzt. Andere bauliche Mängel waren vorhanden, waren aber wohl nicht so gravierend. Schwangere, begleitete und unbegleitete Kinder und Menschen mit Behinderungen werden immer wieder auch für lange Zeit mit alleinstehenden Männern zusammen untergebracht (HRW, S. 2). Typisch ist weiterhin ein hohes Maß an alltäglicher Brutalität, die von dem Personal in den Haftanstalten ausgeht (vgl. ecre/aida, S. 27). Die Betroffenen werden wie Kriminelle behandelt und nur mit Handschellen und untereinander angeleint ausgeführt (aida, S. 65; CHR II, Rn. 21, dessen Ausführungen darauf schließen lassen, dass es sich nicht um einen Ausreißer gehandelt haben kann; vgl. auch AA vom 21.06.2016). Die ärztliche Basisversorgung für nicht vorbelastete Insassen ist theoretisch wohl gewährleistet (aida, S. 65; AA v. 27.01.2016). Deren Effektivität leidet aber mit Rücksicht auf fehlende Dolmetscher erheblich unter den Kommunikationsschwierigkeiten, die oftmals eine sachgerechte Behandlung unmöglich machen (vgl. CHR II, Rn. 20).
40 
Ausgehend von den Verhältnissen im Sommer 2014, auf die hier allein abzustellen ist, musste der Kläger dann, wenn er in Ungarn verblieben wäre, um dort ein Verfahren auf Gewährung internationalen Schutzes durchzuführen, als alleinstehender Mann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen in Haft zu kommen. Das nach den verwerteten Erkenntnismitteln hoch defizitäre Haftanordnungs- bzw. Haftprüfungsverfahren, das die Betroffenen einer willkürlichen Behandlung ausgesetzt hatte, und in dem sie in der Regel nicht einmal im Ansatz in ihrer Subjektqualität wahrgenommen wurden, verstieß nicht nur gegen die menschenrechtlichen Garantien der Art. 5 und Art. 13 EMRK (vgl. zu dem Aspekt der mangelnden Eröffnung der maßgeblichen Gründe einer Inhaftierung und einer hieraus folgenden Verletzung von Art. 3 EMRK EGMR, Urteil vom 01.09.2015 - Nr. 16483/12, Khlaifia u.a./Italien -, juris), sondern auch - jedenfalls in Zusammenschau mit den konkreten Haftbedingungen bei desolater Unterbringungssituation und den Handlungsweisen des Personals mit systematischer Schlechtbehandlung - gegen Art. 3 EMRK und damit gegen Art. 4 GRCh, weshalb es dem Kläger nicht zugemutet werden konnte, in Ungarn auch ein Verfahren auf internationalen Schutz durchzuführen, mit der Folge, dass mit der Asylantragstellung im Bundesgebiet die Zuständigkeit der Bundesrepublik begründet wurde.
II.
41 
Die angegriffenen Bescheide waren nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) auch aus einem weiteren Grund aufzuheben.
42 
1. Die in Ziffer 2 verfügte Abschiebungsanordnung setzt nach § 34a Abs. 1 AsylG voraus, dass die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgen kann und dies auch alsbald der Fall sein wird. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dieses nicht der Fall sein könnte, ist die Beklagte ggf. darlegungspflichtig, dass diese Voraussetzungen gleichwohl (noch) vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2016 - 1 C 24.15 -, juris). Solche Anhaltspunkte liegen hier vor. Zum einen ergab sich aus dem von der Beklagten selbst dem Senat vorgelegten Quartalsbericht IV 2015 zum Mitgliedstaat Ungarn vom 27.01.2016 im gesamten Jahr 2015 von 33.220 Zustimmungsfällen tatsächlich nur 1.402 nach Ungarn überstellt worden waren, was einer Quote von 4,2 v.H. entsprach; im 4. Quartal war die Quote sogar auf 3,3 v.H. gesunken. Hierauf angesprochen konnte die Terminsvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht im Ansatz plausibel erklären, weshalb davon auszugehen sei, dass in absehbarer Zeit noch damit zu rechnen sein könnte, dass der Kläger nach Ungarn überstellt werden kann und wird. Zum anderen hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 30.06.2016, der der Beklagten am 01.07.2016 per Fax übersandt worden war, unter Bezugnahme auf einen Betrag auf dem offiziellen Internetauftritt der ungarischen Regierung vom 26.05.2016 substantiiert dargelegt, dass Ungarn keine Flüchtlinge u.a. aus Deutschland mehr übernehmen werde, zumindest, wenn diese, wie der Kläger, über Griechenland in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist waren. Weder im Vorfeld der mündlichen Verhandlung noch in dieser selbst konnte die Beklagte zum Vorbringen des Klägers und auch der diesbezüglichen Aufklärungsverfügung des Senats 21.06.2016, die ihr am gleichen Tag per Fax tatsächlich zugegangen ist, irgendetwas Erhellendes beitragen, sodass der Senat schon aufgrund dessen nicht davon ausgehen kann, dass noch aktuell oder jedenfalls zeitnah eine Überstellung möglich sein. Allein deshalb ist Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung aufzuheben. Abgesehen davon ging nach Schluss der mündlichen Verhandlung und vor der abschließenden Beschlussfassung über dieses Urteil eine telefonische Nachricht der Beklagten ein, wonach eine kurzfristige Überstellung des Klägers nicht möglich sein wird, wodurch diese Einschätzung bestätigt wird.
43 
2. Die dargestellte Problematik hat jedoch auch weitergehende Folgen und berührt - ungeachtet der Ausführungen unter I - die Rechtmäßigkeit der Ziffer 1, in der der Asylantrag als unzulässig abgelehnt worden war.
44 
Steht zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats hinreichend sicher fest, dass innerhalb der nächsten sechs Monate eine Überstellung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich sein wird oder durchgeführt werden kann, so gebietet der dem Dublin-System innewohnende Beschleunigungsgedanke (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 14.11.2013 - C-4/11 -, NVwZ 2014, 129, Rn. 33 ff.), dass bereits jetzt von einer Unmöglichkeit der Überstellung und damit dem künftigen Zuständigkeitsübergang auszugehen ist (vgl. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO). Bei diesen Überlegungen muss - ausgehend von der Annahme, dass die Ziffer 1 sonst an keinen Rechtsfehlen leidet und der Senat als maßgeblichen Zeitpunkt den der mündlichen Verhandlung zugrunde zu legen hat (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) - die Prognose zum Ausgangspunkt nehmen, dass die Überstellungsfrist aktuell zu laufen beginnt, weil der Kläger sein Begehren nicht weiter verfolgen wird. Andernfalls wäre zu Lasten der Betroffenen und unter Vernachlässigung des Beschleunigungsgedankens ein zuverlässiger Ausgangs- und Fixpunkt der Prognose nicht festzulegen mit der Folge, dass die hier bestehende Überstellungsproblematik nicht in einer den berechtigten Interessen der Betroffenen gemäßen Art und Weise sachgerecht bewältigt werden könnte. Bei einer anderen Sichtweise könnte eine Prognoseentscheidung erst dann getroffen werden, wenn die Entscheidung des Senats zu einem jetzt noch ungewissen Zeitpunkt rechtskräftig geworden ist und damit die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO (vgl. auch Art. 29 Abs. 1 UA 1) in Lauf gesetzt wurde.
45 
Angesichts des oben dargestellten enormen Rückstaus von Überstellungen (allein aus dem Jahr 2015) und bei einer nur verschwindend geringen Überstellungsquote ist - auch angesichts der aktuellen offiziellen Äußerungen der ungarischen Regierung vom 26.05.2016 - für den Senat nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht plausibel dargelegt, dass in absehbarer Zeit überhaupt noch Überstellungen in nennenswertem Umfang durchgeführt werden können. Bei dieser Sachlage ist die Beklagte zur Vermeidung weiterer unzumutbarer dem Beschleunigungsprinzip und der Effektivität des Europäischen Asylsystems zuwider laufender Verzögerungen zu vermeiden, verpflichtet, ohne Ermessensspielraum sofort von dem Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen, ohne den sich abzeichnenden Zuständigkeitsübergang nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO abwarten zu dürfen.
46 
Sollte im Übrigen der Inhalt einer später nach Übergabe des Tenors an die Geschäftsstelle eingegangenen Email der Beklagten zutreffen, wonach die Überstellung im individuellen Fall des Klägers nicht möglich sei, weil Ungarn schon gar nicht mitgeteilt worden sei, dass der Kläger ein Rechtsmittel eingelegt habe, so wäre die Zuständigkeit Ungarns nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 vom 02.09.2003 i.d.F. v. 30.01.2014 (ABl. L 39, 1) auch deshalb auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen.
III.
47 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben (vgl. § 83b AsylG).
48 
Gründe nach § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
18 
Die nach Schließung der mündlichen Verhandlung von der Beklagten übersandten Emails gaben dem Senat schon deshalb keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, weil sie erst eingegangen waren, nachdem der unterschriebene Entscheidungstenor auf der Geschäftsstelle zum Zwecke der Information der Beteiligten niedergelegt worden und die Entscheidung des Senats bindend geworden war (BVerwG, Beschlüsse vom 27.04.2005 - 5 B 107.04 -, juris und vom 24.06.1971 - I CB 4.69 -, juris; Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 6. Aufl. 2014, § 116 Rn. 10) .
19 
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere wurde sie fristgerecht unter Stellung eines Antrags ordnungsgemäß begründet.
20 
Die Berufung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den angegriffenen Bescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Dieser ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten.
21 
Die Voraussetzungen des § 27a AsylG liegen nicht vor mit der Folge, dass auch die Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG zu Unrecht erlassen wurde und der Bescheid insgesamt aufzuheben ist (vgl. zur Statthaftigkeit der Anfechtungsklage zuletzt BVerwG, Urteil vom 27.04.2016 - 1 C 24.15 -, juris). Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) war Ungarn nicht der für die Durchführung des Verfahrens zuständige Mitgliedstaat. Denn bereits zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers aus Ungarn und der Antragstellung in der Bundesrepublik Deutschland war wegen des Bestehens systemischer Schwachstellen des Asylhaftsystems in Ungarn die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergangen, ohne dass diese später wieder entfallen ist (vgl. I.). Ungeachtet dessen ist die Zuständigkeit jedenfalls später übergangen, weil eine Überstellung bis zum Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr durchgeführt werden wird (II.).
I.
22 
Bei Erlass des angegriffenen Bescheids war nicht Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, sondern die Bundesrepublik Deutschland.
23 
1. Die Zuständigkeit ergibt sich vorliegend aus Art. 3 Abs. 2 UA 2 und 3 VO (EU) 604/2013 vom 26.06.2013 (im Folgenden Dublin III-VO); die Verordnung ist im Hinblick auf deren Art. 49 im vorliegenden Fall auch anzuwenden.
24 
Zum Zeitpunkt der Einreise des Klägers in die Bundesrepublik Deutschland bestanden wesentliche Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn systemische Schwachstellen aufwiesen, die für ihn die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh mit sich brachten.
25 
Zwar war der Kläger über Griechenland in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist, der Senat geht hier aber als gerichtsbekannt davon aus, dass Griechenland jedenfalls damals seinerseits systemische Schwachstellen aufgewiesen hatte (vgl. EGMR, Entscheidung vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien -, NVwZ 2011, 413); das haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auch nicht infrage gestellt. Der Senat kann daher offen lassen, ob die Zuständigkeit Griechenlands nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO nicht ohnehin infolge der Ausreise aus dem Gebiet der Mitgliedstaaten (nach Mazedonien) entfallen war, nachdem der Kläger dort keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte (vgl. weiterführend Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, § 27a Rn. 209). Eine Zuständigkeit Österreichs wurde nicht begründet, weil der Kläger innerhalb weniger Stunden nur durch Österreich durchgereist war und sich insbesondere nicht mindestens fünf Monate dort oder in weiteren Mitgliedstaaten aufgehalten hatte (vgl. Art. 13 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO). Ein anderer potentiell zuständiger Mitgliedstaat war nicht gegeben.
26 
Selbst wenn in Ungarn in der Folgezeit die systemischen Schwachstellen wieder entfallen sein und heute zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr bestehen sollten, wäre gleichwohl eine erneute Zuständigkeit Ungarns nach der Einreise des Klägers und der Antragstellung im Bundesgebiet nicht wieder begründet worden. Denn nur bei einer solchen Sichtweise kann den unionsrechtlichen Erfordernissen eines klaren und praktikablen Zuständigkeitssystems, das zeitnah zu einer sachlichen Prüfung des Antrags zumindest in einem Mitgliedstaats führt und das einen potentiellen ständigen Wechsel der Zuständigkeit verbietet, genügt werden; dieser Aspekt hat nicht zuletzt seinen Ausdruck etwa in Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO gefunden (vgl. zu alledem auch EuGH, Urteil vom 07.06.2016 - C-63/15 , juris; Wendel, JZ 2016, 332).
27 
2. Dass im Sommer 2014 die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO vorlagen, ergibt sich aus Folgendem:
28 
a) Mit der Regelung des Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin III-VO wird insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Dublin II-Verordnung (Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, NVwZ 2012, 417; vgl. dazu auch Urteil vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi -, NVwZ 2014, 208; vgl. auch EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien -, NVwZ 2011, 413) umgesetzt, wonach ein Mitglied- oder Vertragsstaat unter bestimmten Umständen im Rahmen der Prüfung seines Rechts auf Selbsteintritt (vgl. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO, Art. 3 Abs. 3 Dublin III-VO) dazu verpflichtet ist, von der Rückführung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat abzusehen.
29 
Dabei kann einerseits jeder Mitgliedstaat grundsätzlich davon ausgehen, dass alle an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem beteiligten Staaten die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Auf dieser Grundlage besteht zunächst eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Anforderungen der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genügt. Andererseits ist es möglich, dass in diesem System in der Rechtsanwendungspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat erhebliche Funktionsstörungen zutage treten und dieses zur absehbaren Folge hat, dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Menschenrechten unvereinbar ist.
30 
Allerdings stellt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht schon ein vereinzelter Verstoß gegen eine Bestimmung der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO und auch nicht einmal jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat das Zuständigkeitssystem grundsätzlich infrage. Nach der Sichtweise des Gerichtshofs stünde andernfalls nicht weniger als der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, auf dem Spiel (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, NVwZ 2012, 417). Das Dublin-Zuständigkeitssystem ist deshalb nur dann (teilweise) zu suspendieren, wenn einem Mitgliedstaat aufgrund der ihm vorliegenden Informationen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel oder Schwachstellen (vgl. zum Begriff jetzt Art. 3 Abs. 2 UA. 2 Dublin III-VO) des Asylverfahrens und (bzw. genauer: oder) der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller dort Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteile vom 21.12.2011, a.a.O., und vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid -, NVwZ 2014, 129).
31 
Systemische Schwachstellen sind solche, die entweder bereits im Asyl- und Aufnahmeregime selbst angelegt sind und von denen alle Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern deshalb nicht zufällig und im Einzelfall, sondern vorhersehbar und regelhaft betroffen sind, oder aber tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird (vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1093, und vom 06.06.2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677). Dabei ist der Begriff der systemischen Schwachstelle nicht in einer engen Weise derart zu verstehen, dass er geeignet sein muss, sich auf eine unüberschaubare Vielzahl von Antragstellern auszuwirken. Vielmehr kann ein systemischer Mangel auch dann vorliegen, wenn er von vornherein lediglich eine geringe Zahl von Asylbewerbern betreffen kann, sofern er sich nur vorhersehbar und regelhaft realisieren wird und nicht gewissermaßen dem Zufall oder einer Verkettung unglücklicher Umstände bzw. Fehlleistungen von in das Verfahren involvierten Akteuren geschuldet ist (vgl. hierzu Lübbe, ZAR 2014, 97 ff. und schon Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -, InfAuslR 2015, 77).
32 
Wesentliche Kriterien für die zu entscheidende Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende (bzw. "entwürdigende") Behandlung vorliegt, finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (vgl. Urteile vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien -, NVwZ 2011, 413, vom 04.11.2014 - Nr. 29217/12, Tharakel/Schweiz -, juris, und Entscheidung vom 05.02.2015 - Nr. 51428/10, A.M.E./Niederlande -, juris), der mit Art. 4 GRCh übereinstimmt (vgl. zu den Anforderungen ausführlich Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 -, InfAuslR 2015, 77, m.w.N.). Die Annahme einer drohenden Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GRCh muss durch wesentliche Gründe (Art. 3 Abs. 2 UA. 2 Dublin III-VO; vgl. auch EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, NVwZ 2012, 417: "ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe") gestützt werden. Das bedeutet, dass die festgestellten Tatsachen hinreichend verlässlich und aussagekräftig sein müssen; nur unter dieser Voraussetzung ist es nach der maßgeblichen Sicht des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, von einer Widerlegung des „gegenseitigen Vertrauens“ der Mitgliedstaaten untereinander auszugehen. In diesem Zusammenhang müssen die festgestellten Tatsachen und Missstände verallgemeinerungsfähig sein, um die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass es nicht nur vereinzelt, sondern immer wieder und regelhaft zu Grundrechtsverletzungen nach Art. 4 GRCh kommt. Das bei einer wertenden und qualifizierten Betrachtungsweise zugrunde zu legende Beweismaß ist das der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im herkömmlichen Verständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, das sich nicht von dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelten Beweismaß des „real risk“ unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, NVwZ 2013, 936; Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 -, juris).
33 
Hinzukommen muss immer, dass der konkrete Schutzsuchende auch individuell betroffen wäre. Es genügt nicht, dass lediglich abstrakt bestimmte strukturelle Schwachstellen festgestellt werden, wenn sich diese nicht auf den konkreten Antragsteller auswirken können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass - eine systemische Schwachstelle unterstellt - einer drohenden Verletzung von Art. 4 GRCh im konkreten Einzelfall gegebenenfalls vorrangig dadurch "vorgebeugt" werden kann, dass die Bundesrepublik Deutschland die Überstellung im Zusammenwirken mit dem anderen Mitgliedstaat so organisiert, dass eine solche nicht eintreten kann (vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 - Nr. 29217/12, Tharakel/Schweiz -, juris; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 17.09.2014 - 2 BvR 939/14 und 2 BvR 1795/14 -, juris und 17.04.2015 - 2 BvR 602/15 -, juris).
34 
b) Nach den vom Senat verwerteten Erkenntnismitteln (vgl. v.a. Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, Report by Nils Muiznieks vom 16.12.2014 Rn 148 ff. - im Folgenden CHR I; UNHCR, Anmerkungen und Empfehlungen des UNHCR zum Entwurf zur Änderung migrations- und asylbezogener sowie weiterer in diesem Zusammenhang stehender Vorschriften zwecks Rechtsharmonisierung vom 07.01.2015, S. 14 ff - im Folgenden UNHCR I) war im Jahre 2014 - wie schon seit Jahren zuvor - die Praxis der Verhängung von Abschiebungshaft bzw. einer Art von Sicherungshaft gegenüber Asylbewerbern durch schwerwiegende verfahrensrechtliche und inhaltliche Mängel gekennzeichnet und war seit langer Zeit national wie auch v.a. international heftiger Kritik ausgesetzt (vgl. ausführlich CHR I, Rn. 151 insbesondere auch mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR zur Inhaftierungspraxis aus den Jahren 2011 und 2012). Diese Praxis war insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass etwa im Jahre 2010 beinahe ausnahmslos sämtliche Antragsteller inhaftiert wurden und die gerichtlichen Entscheidungen, auf denen die Inhaftierungen beruhten, vollständig intransparent waren und ohne jeden nachvollziehbaren Bezug zu dem individuellen Einzelfall standen. Hinzu kam, dass nach der damaligen Rechtslage die Haftgründe in hohem Maße vage und unbestimmt formuliert waren und damit in besonderer Weise eine rechtstaatlich unvertretbare gerichtliche Praxis begünstigten. Zwar wird für die Zeit bis zum Jahre 2014 von gewissen Verbesserungen gesprochen (vgl. CHR I, Rn. 153), was wohl zur Folge hatte, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 03.07.2014 (Nr. 71932/12) nicht mehr zu erkennen vermochte, dass das Inhaftierungssystem in Ungarn noch durch so schwerwiegende Mängel gekennzeichnet gewesen sei, dass die erfolgte Inhaftierung des Betroffenen eine Verletzung von Art. 3 EMRK ausgemacht hätte. Neuere, dem Gerichtshof noch nicht vorliegende Erkenntnisse aus dem Jahre 2014 zur Situation in Ungarn, wie der Bericht des Menschrechtskommissars vom 16.12.2014, der seinerseits auf einer Reihe aktueller Erkenntnismittel und auch eigener Anschauung beruhte, sowie die grundlegende Einschätzung von UNHCR vom 07.01.2015 gebieten jedoch auch in Ansehung gewisser Verbesserungen gleichwohl für das Jahr 2014 nunmehr eine abweichende Einschätzung. Hinzu kommt, dass selbst der Oberste Gerichtshof Ungarns (Kuriá) in seinem Bericht (Report on the Court’s Refugee Law-related Jurisprudence“ vom 20.10.2014; zitiert nach UNHCR I, S. 13 f.) die gravierenden Mängel der ungarischen Rechtsprechungspraxis bestätigt und praktische Hinweise zu deren Behebung gegeben hatte (vgl. zu alledem auch Lehnert, NVwZ 2016, 896, 899).
35 
Jedenfalls waren im Frühjahr 2014 noch etwa 25 v.H. aller Antragsteller und 42 v.H. aller männlichen ledigen Antragsteller in Haft. Besonders besorgt war der Menschrechtskommissar über die unverändert festzustellende Willkür bei der Anordnung von Haft, namentlich vermisste er jede Individualisierung der Anordnung und deren Unverhältnismäßigkeit, was die Dauer betrifft. Verschärft wurde dieser Zustand dadurch, dass es - gewissermaßen als Korrektiv - keinerlei effektive richterliche Kontrolle gab, was auch vom Obersten Gerichtshof festgestellt und kritisiert worden war.
36 
Die aktuell seit 01.08.2015 geltenden gesetzliche Bestimmungen über die Voraussetzungen für die Anordnung von „Asylhaft“, die nach ungarischem Recht seit 2013 von der Abschiebungshaft „Immigration Detention“ unterschieden wird (vgl. aida, „Country Report: Hungary“ vom November 2015, S. 64 - im Folgenden aida), stehen allerdings nunmehr im Wesentlichen in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU v. 26.06.2013) in deren Art. 8 (vgl. auch aida, S. 60). Als problematisch wird hingegen unverändert auch heute noch die praktische Handhabung der Bestimmungen geschildert. Als Haftgrund wird am häufigsten „Fluchtgefahr“ genannt (aida, S. 60). Mittlerweile kommt als weiterer oft herangezogener Grund hinzu die „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ (vgl. aida, S. 61). Dem liegt zugrunde, dass Ungarn nunmehr alle Antragsteller, die nicht offiziell über eine Grenzstation einzureisen versuchen bzw. versucht haben, der illegalen Einreise beschuldigt und diese deshalb grundsätzlich auch strafrechtlich verfolgt werden können, was aber in dieser Pauschalität offensichtlich mit den Vorgaben in Art. 31 GFK unvereinbar ist (vgl. zu alledem UNHCR vom Mai 2016, Rn. 59 - im Folgenden UNHCR II; Human Rights Watch “Hungary: Locked Up for Seeking Asylum“ vom 01.12.2015, S. 2 und 4 mit dem weiteren Hinweis, dass deshalb insbesondere abgelehnte Antragstellers häufig in „Immigration Detention“, d.h. praktisch in Strafanstalten inhaftiert sind, - im Folgenden HRW; so auch aida, S. 61 f. und 64). Ungeachtet dessen wird wiederum einhellig nach wie vor beanstandet, dass Haftgründe immer noch nicht individualisiert und einzelfallbezogen geprüft und beurteilt werden, wobei wiederum noch hinzu kommt, dass unverändert die Begründungen der Entscheidungen in höchstem Maße defizitär sind und für die Betroffenen nicht erkennen lassen, weshalb sie in Haft genommen werden (vgl. aida, S. 61 und 68; Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, vom 17.12.2015, Rn. 16 ff. und 22 - im CHR II). Dass eine spezifische Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt wurde, lässt sich in der Regel den Entscheidungen immer noch nicht entnehmen (aida, S. 68). Entgegen den Vorgaben des Unionsrechts wird bei gerichtlichen Haftanordnungen immer wieder nicht sorgfältig erwogen, ob es hierzu Alternativen gibt (aida, S. 61; UNHCR I S. 22). Obwohl es, worauf bereits hingewiesen wurde, in der Vergangenheit eine ausdrückliche Beanstandung durch den Obersten Gerichtshof gegeben hatte, sind - mit einer gewissen Ausnahme beim Gericht in Debrecen - bis heute keine sichtbaren Änderungen eingetreten.
37 
Die wesentlichen Verfahrensabläufe stellten sich und stellen sich nach wie vor, wie folgt, dar: Am Beginn der Haft steht eine maximal 72 Stunden geltende behördliche Haftanordnung, gegen die es mit Rücksicht auf völlig defizitäre Informationen, erhebliche sprachlich bedingte Kommunikationsprobleme und völlig unzureichenden Zugang zu fachkundiger Hilfestellung nur einen theoretischen, aber praktisch kaum wirksamen Rechtsschutz gibt (vgl. aida, S. 69 und zum Ablauf des Verfahrens Rn. 67 f.) mit der Folge, dass die Betroffenen jeder denkbaren Willkür ausgeliefert sein können. Hieran schließt sich auf Antrag der Asylbehörde (OIN) eine förmliche gerichtliche Verlängerungsentscheidung an, die zunächst maximal 60 Tage gelten kann (bis insgesamt maximal 6 Monate). Die Verlängerungen erfolgen aus Gründen der „Verfahrensbequemlichkeit“ in aller Regel (wenn auch nicht ausnahmslos) pauschal und ohne Bezug zum Einzelfall um die jeweils zulässige Höchstdauer, ohne dass es insoweit nach der Einschätzung der Stellungnahmen ein effektives Rechtsmittel oder eine effektive Abhilfemöglichkeit für die Betroffenen gibt (aida, S. 67 ff. insbes. Rn. 69 f. und schon UNHCR I, S. 13 und 17); ob überhaupt ein Rechtsbehelf gegen die richterliche Haftanordnung eröffnet ist, ist nicht völlig klar (verneinend und im Einzelnen begründet aida, S. 67 f. Rechtsschutz nur in Bezug auf die behördlich Anordnung bis zu 72 Stunden; bejahend AA v. 21.06.2016 an VG Potsdam). Die Gerichte stützen sich nach wie vor häufig allein auf die Angaben der Asylbehörde, ohne die Angaben der Betroffenen angemessen zu würdigen (aida, S. 68; ecre/aida, „Crossing Boundaries“ vom 01.10.2015, S. 27 f.). Bereits in der Vergangenheit konnte festgestellt werden, dass die Gerichte die vorgeschriebene Anhörung jedenfalls teilweise als „Massenanhörung“ durchführten, sodass - wenn überhaupt -nur ein Minimum an Zeit für jeden Betroffenen blieb (vgl. aida, S. 68). Zwar besteht an sich freier Zugang zu einer anwaltlichen Vertretung, die Beiordnung von Anwälten erwies sich aber als weitgehend unzureichend, da diese völlig passiv blieben und die Interessen ihrer Mandanten nicht ernsthaft vertraten (aida, S. 70). Die vom Auswärtigen Amt (Auskunft vom 27.01.2016) behauptete genaue Einzelfallprüfung konnte schwerlich stattgefunden haben, wenn regelmäßig in der Haft unbegleitete Minderjährige angetroffen bzw. festgestellt worden waren. Es wird nämlich übereinstimmend berichtet, dass keine umfassende und vor allem einigermaßen zuverlässige Alterskontrolle und -feststellung stattfand bzw. gewährleistet war mit der Folge, dass immer wieder unbegleitete minderjährige Antragsteller in Haft kamen und später durch Mitarbeiter humanitärer Organisationen dort angetroffenen wurden (aida, S. 62; UNHCR I, S. 18; CHR II, Rn. 27). Nichts anderes galt für sog. vulnerable Personen (vgl. auch HRW, S. 6 ff.), was insoweit folgenschwerer ist, weil keinerlei psychosoziale Betreuung in den Haftanstalten stattfindet (aida, S. 65; HRW, S. 8). Eine psychologische Behandlung kommt allenfalls in einer Klinik in Betracht (vgl. AA v. 27.01.2016, S. 7). Grundsätzlich können nunmehr - wohl anders als noch im Jahre 2014 - auch Familien mit minderjährigen Kindern bis zu 60 Tagen inhaftiert werden, was auch tatsächlich und nicht nur in Ausnahmefällen geschieht (vgl. aida, S. 62; UNHCR I, S. 21 f.), aber schwerlich mit Art. 37 Kinderkonvention und Art. 11 Abs. 2 Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU v. 26.06.2013) vereinbar sein wird.
38 
Allerdings legen die neuesten Erkenntnismittel die Schlussfolgerung nahe, dass die Inhaftierungsquote möglicherweise nicht mehr das gleiche hohe Ausmaß hat wie dieses noch im Jahre 2014 der Fall war. Dem Senat liegen keine aktuellen belastbaren Statistiken über die genaue Zahl der Inhaftierten bzw. zum Anteil der Inhaftierten im Verhältnis zur Gesamtzahl der Antragsteller vor. Zwar nennt aida (S. 60) eine Zahl von 52 v.H. Inhaftierten bezogen auf den 02.11.2015, ohne dieses weiter zu erläutern; in diesem Zusammenhang wird aber sodann noch die Gesamtzahl der zwischen 01.01. bis 30.09.2015 inhaftierten Antragsteller mit 1.860 angegeben, was aber in Anbetracht der vom Auswärtigen Amt dem Senat auf seine Anfrage am 27.06.2016 mitgeteilten Zahl von rund 179.000 Antragstellern im Jahre 2015 eine Quote von 52 v.H. nicht ohne weiteres plausibel erscheinen lässt (vgl. aber auch widersprüchlich AA v. 03.07.2015: 01.01.2015 bis 31.05.2015 1.078 inhaftierte Personen einerseits, AA vom 28.09.2015: 01.01.2015 bis 30.06.2015 492 Personen andererseits). Gegenüber dem Senat hat das Auswärtige Amt am 27.06.2016 die Gesamtzahl der Inhaftierungen im 1. Halbjahr 2015 mit 1.258, im 2. Halbjahr mit 1.145 und in der Zeit zwischen dem 01.01.2016 bis 22.06.2016 mit 1.648 Personen angegeben, was in Einklang mit der von aida genannten Gesamtzahl von 1.860 Personen stehen könnte. Nimmt man die hohe Zahl der Antragstellungen im Jahre 2015, so könnte hieraus auf eine deutlich geringere Inhaftierungsquote als im Jahre 2014 zu schließen sein, auch wenn dem Senat nicht bekannt ist, wie viele Antragsteller tatsächlich überhaupt noch im Land geblieben waren. Sollte, wie zu vermuten ist, ein Großteil der Antragsteller das Land aber bereits wieder verlassen haben, so würde dieses unmittelbar die Inhaftierungsquote erhöhen. Dafür, dass die meisten Antragsteller wieder das Land verlassen haben, spricht der Umstand, dass regelmäßig der Anteil der sog. Einstellungsentscheidungen der ungarischen Asylbehörde signifikant hoch ist (vgl. Eurostat, „Asylum and first time asylum applicants, Last update 06.07.2016“ für Ungarn 177.135 Antragsteller im Jahre 2015 einerseits; „Asylum applications withdrawn, Last update 08.07.2016“ für Ungarn im Jahre 2015 103.015 Einstellungsentscheidungen andererseits; vgl. auch „Final decisions on applications Last update 22.06.2016“ für Ungarn im Jahre 2015 nur 480 endgültige Sachenentscheidungen).
39 
Die Haftanstalten waren und sind entgegen früherer Befürchtungen (vgl. Hungarian Helsinki Committee, Building als Legal Fence, vom 07.08.2015, S. 5) nicht überfüllt, allerdings jedenfalls teilweise nach wie vor in einem sehr schlechten Zustand, so v.a. die Haftanstalt in Nyirbátor (vgl. aida, S. 65; HRW, S. 2 f. und 9), in der im Winter 2014/15 die Häftlinge bei Temperaturen von 5°C in der Haftanstalt ohne ausreichende Kleidung längere Zeit leben mussten, sie ist außerdem trotz mehrfacher Abhilfeversuche nach wie vor völlig verwanzt. Andere bauliche Mängel waren vorhanden, waren aber wohl nicht so gravierend. Schwangere, begleitete und unbegleitete Kinder und Menschen mit Behinderungen werden immer wieder auch für lange Zeit mit alleinstehenden Männern zusammen untergebracht (HRW, S. 2). Typisch ist weiterhin ein hohes Maß an alltäglicher Brutalität, die von dem Personal in den Haftanstalten ausgeht (vgl. ecre/aida, S. 27). Die Betroffenen werden wie Kriminelle behandelt und nur mit Handschellen und untereinander angeleint ausgeführt (aida, S. 65; CHR II, Rn. 21, dessen Ausführungen darauf schließen lassen, dass es sich nicht um einen Ausreißer gehandelt haben kann; vgl. auch AA vom 21.06.2016). Die ärztliche Basisversorgung für nicht vorbelastete Insassen ist theoretisch wohl gewährleistet (aida, S. 65; AA v. 27.01.2016). Deren Effektivität leidet aber mit Rücksicht auf fehlende Dolmetscher erheblich unter den Kommunikationsschwierigkeiten, die oftmals eine sachgerechte Behandlung unmöglich machen (vgl. CHR II, Rn. 20).
40 
Ausgehend von den Verhältnissen im Sommer 2014, auf die hier allein abzustellen ist, musste der Kläger dann, wenn er in Ungarn verblieben wäre, um dort ein Verfahren auf Gewährung internationalen Schutzes durchzuführen, als alleinstehender Mann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen in Haft zu kommen. Das nach den verwerteten Erkenntnismitteln hoch defizitäre Haftanordnungs- bzw. Haftprüfungsverfahren, das die Betroffenen einer willkürlichen Behandlung ausgesetzt hatte, und in dem sie in der Regel nicht einmal im Ansatz in ihrer Subjektqualität wahrgenommen wurden, verstieß nicht nur gegen die menschenrechtlichen Garantien der Art. 5 und Art. 13 EMRK (vgl. zu dem Aspekt der mangelnden Eröffnung der maßgeblichen Gründe einer Inhaftierung und einer hieraus folgenden Verletzung von Art. 3 EMRK EGMR, Urteil vom 01.09.2015 - Nr. 16483/12, Khlaifia u.a./Italien -, juris), sondern auch - jedenfalls in Zusammenschau mit den konkreten Haftbedingungen bei desolater Unterbringungssituation und den Handlungsweisen des Personals mit systematischer Schlechtbehandlung - gegen Art. 3 EMRK und damit gegen Art. 4 GRCh, weshalb es dem Kläger nicht zugemutet werden konnte, in Ungarn auch ein Verfahren auf internationalen Schutz durchzuführen, mit der Folge, dass mit der Asylantragstellung im Bundesgebiet die Zuständigkeit der Bundesrepublik begründet wurde.
II.
41 
Die angegriffenen Bescheide waren nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) auch aus einem weiteren Grund aufzuheben.
42 
1. Die in Ziffer 2 verfügte Abschiebungsanordnung setzt nach § 34a Abs. 1 AsylG voraus, dass die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgen kann und dies auch alsbald der Fall sein wird. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass dieses nicht der Fall sein könnte, ist die Beklagte ggf. darlegungspflichtig, dass diese Voraussetzungen gleichwohl (noch) vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2016 - 1 C 24.15 -, juris). Solche Anhaltspunkte liegen hier vor. Zum einen ergab sich aus dem von der Beklagten selbst dem Senat vorgelegten Quartalsbericht IV 2015 zum Mitgliedstaat Ungarn vom 27.01.2016 im gesamten Jahr 2015 von 33.220 Zustimmungsfällen tatsächlich nur 1.402 nach Ungarn überstellt worden waren, was einer Quote von 4,2 v.H. entsprach; im 4. Quartal war die Quote sogar auf 3,3 v.H. gesunken. Hierauf angesprochen konnte die Terminsvertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht im Ansatz plausibel erklären, weshalb davon auszugehen sei, dass in absehbarer Zeit noch damit zu rechnen sein könnte, dass der Kläger nach Ungarn überstellt werden kann und wird. Zum anderen hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 30.06.2016, der der Beklagten am 01.07.2016 per Fax übersandt worden war, unter Bezugnahme auf einen Betrag auf dem offiziellen Internetauftritt der ungarischen Regierung vom 26.05.2016 substantiiert dargelegt, dass Ungarn keine Flüchtlinge u.a. aus Deutschland mehr übernehmen werde, zumindest, wenn diese, wie der Kläger, über Griechenland in das Gebiet der Mitgliedstaaten eingereist waren. Weder im Vorfeld der mündlichen Verhandlung noch in dieser selbst konnte die Beklagte zum Vorbringen des Klägers und auch der diesbezüglichen Aufklärungsverfügung des Senats 21.06.2016, die ihr am gleichen Tag per Fax tatsächlich zugegangen ist, irgendetwas Erhellendes beitragen, sodass der Senat schon aufgrund dessen nicht davon ausgehen kann, dass noch aktuell oder jedenfalls zeitnah eine Überstellung möglich sein. Allein deshalb ist Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung aufzuheben. Abgesehen davon ging nach Schluss der mündlichen Verhandlung und vor der abschließenden Beschlussfassung über dieses Urteil eine telefonische Nachricht der Beklagten ein, wonach eine kurzfristige Überstellung des Klägers nicht möglich sein wird, wodurch diese Einschätzung bestätigt wird.
43 
2. Die dargestellte Problematik hat jedoch auch weitergehende Folgen und berührt - ungeachtet der Ausführungen unter I - die Rechtmäßigkeit der Ziffer 1, in der der Asylantrag als unzulässig abgelehnt worden war.
44 
Steht zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats hinreichend sicher fest, dass innerhalb der nächsten sechs Monate eine Überstellung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich sein wird oder durchgeführt werden kann, so gebietet der dem Dublin-System innewohnende Beschleunigungsgedanke (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 14.11.2013 - C-4/11 -, NVwZ 2014, 129, Rn. 33 ff.), dass bereits jetzt von einer Unmöglichkeit der Überstellung und damit dem künftigen Zuständigkeitsübergang auszugehen ist (vgl. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO). Bei diesen Überlegungen muss - ausgehend von der Annahme, dass die Ziffer 1 sonst an keinen Rechtsfehlen leidet und der Senat als maßgeblichen Zeitpunkt den der mündlichen Verhandlung zugrunde zu legen hat (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) - die Prognose zum Ausgangspunkt nehmen, dass die Überstellungsfrist aktuell zu laufen beginnt, weil der Kläger sein Begehren nicht weiter verfolgen wird. Andernfalls wäre zu Lasten der Betroffenen und unter Vernachlässigung des Beschleunigungsgedankens ein zuverlässiger Ausgangs- und Fixpunkt der Prognose nicht festzulegen mit der Folge, dass die hier bestehende Überstellungsproblematik nicht in einer den berechtigten Interessen der Betroffenen gemäßen Art und Weise sachgerecht bewältigt werden könnte. Bei einer anderen Sichtweise könnte eine Prognoseentscheidung erst dann getroffen werden, wenn die Entscheidung des Senats zu einem jetzt noch ungewissen Zeitpunkt rechtskräftig geworden ist und damit die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO (vgl. auch Art. 29 Abs. 1 UA 1) in Lauf gesetzt wurde.
45 
Angesichts des oben dargestellten enormen Rückstaus von Überstellungen (allein aus dem Jahr 2015) und bei einer nur verschwindend geringen Überstellungsquote ist - auch angesichts der aktuellen offiziellen Äußerungen der ungarischen Regierung vom 26.05.2016 - für den Senat nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht plausibel dargelegt, dass in absehbarer Zeit überhaupt noch Überstellungen in nennenswertem Umfang durchgeführt werden können. Bei dieser Sachlage ist die Beklagte zur Vermeidung weiterer unzumutbarer dem Beschleunigungsprinzip und der Effektivität des Europäischen Asylsystems zuwider laufender Verzögerungen zu vermeiden, verpflichtet, ohne Ermessensspielraum sofort von dem Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen, ohne den sich abzeichnenden Zuständigkeitsübergang nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO abwarten zu dürfen.
46 
Sollte im Übrigen der Inhalt einer später nach Übergabe des Tenors an die Geschäftsstelle eingegangenen Email der Beklagten zutreffen, wonach die Überstellung im individuellen Fall des Klägers nicht möglich sei, weil Ungarn schon gar nicht mitgeteilt worden sei, dass der Kläger ein Rechtsmittel eingelegt habe, so wäre die Zuständigkeit Ungarns nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 vom 02.09.2003 i.d.F. v. 30.01.2014 (ABl. L 39, 1) auch deshalb auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen.
III.
47 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben (vgl. § 83b AsylG).
48 
Gründe nach § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.