Verwaltungsgericht Minden Urteil, 23. Sept. 2015 - 11 K 2347/14
Tenor
Die Bescheide des Beklagten vom 28. August 2014 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Wegen der Vorgeschichte wird auf die entsprechenden Ausführungen im Urteil der erkennenden Kammer vom 16. Januar 2013 – 11 K 413/12 –, den Beteiligten zugestellt am 30. Januar 2013, Bezug genommen. Am 27. Februar 2013 legte der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers hiergegen Berufung ein. Nachdem dieser auf die Unstatthaftigkeit des Rechtsmittels hingewiesen worden war, nahm er mit Schreiben vom 11. März 2013, dem OVG NRW übermittelt per Fax am 12. März 2013, den Rechtsmittelantrag zurück. Die Einstellung des Verfahrens erfolgte mit Beschluss des OVG NRW vom 18. März 2013 – 16 A 493/13 –.
3Bereits am 12. März 2013 hatten Bedienstete des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamtes des Kreises I. eine Vor-Ort-Kontrolle im Betrieb des Klägers durchgeführt, die am 19. März 2013 fortgesetzt wurde. In dem Kontrollblatt Tierschutzüberwachung (Bl. 194 f., BA I) heißt es hierzu: „Auf dem Laufhof versanken die Tiere bis über die Fesselgelenke im Kot. Bei einigen Tieren war der gesamte Unterbauch mit Kot behaftet, bei anderen Tieren waren großflächige frische und eingetrocknete Kotanhaftungen an den Hinterschenkeln bis hinauf zur Schwanzwurzel und an den Flanken bis hinauf auf die Rückenlinie festzustellen. … In unmittelbarer Nähe dieser Tränkemöglichkeit ragte ein u-förmig gebogener ca. 1 cm dicker runder Metallstab ca. 10 cm in den Laufhof hinein. Der Laufhof war zur Weide durch eine dort aufgestellte Holzwand begrenzt. Diese stand ein bis zwei Meter hinter dem Ende der betonierten Fläche und war an der Oberkante zu ca. 30° in den Laufhof geneigt. Die Wand war provisorisch durch Strohbänder an aufgestellten Eisenträgern fixiert, die … jedoch bereits Richtung Laufhof geneigt standen. … “.
4Im Aktenvermerk (Bl. 192 f., BA I) vom 10. Dezember 2013 ist zu den Kontrollen am 12. und 19. März 2013 aufgeführt: „In einigen Stallungen bzw. Buchten ist das Tier/Tränkeverhältnis nicht ausreichend. … Den 40 anderen Kühen im Stallgebäude 06 wurde die Silage in zwei nicht überdachten Raufen auf dem Laufhof dargereicht. Hierdurch ist das Futter negativen Witterungseinflüssen ausgesetzt. … In den Stallgebäuden 01, 03 und 06 befanden sich verletzungsgeeignete Gegenstände. … Insgesamt bestand für 207 Tiere eine nicht unerhebliche Verletzungsgefahr. … Die personelle Situation des Betriebes hat sich im Vergleich zur Cross-Check-Kontrolle vom 30.08.2011 nicht verändert. Von Herrn L. wurden auch auf Nachfrage keine nachvollziehbaren Nachweise über dauerhaft beschäftigtes Personal für den Tierbestand vorgelegt. Die von ihm eingereichten drei Meldebescheinigungen zur Sozialversicherung der Herren N. L1. , X. G. und T. G1. (s. Anlage) können als Beschäftigungsnachweise nicht angerechnet werden. Weder über die konkrete Aufnahme der Tätigkeit zum Meldezeitpunkt …, noch über die wirkliche Anzahl evtl. geleisteter Arbeitsstunden geben die Meldebescheinigungen Auskunft. Auch ist dadurch nicht das aktuelle Bestehen eines Arbeitsverhältnisses nachgewiesen. Die Tierzahl hat sich jedoch von damals 375 Tieren auf 581 Tiere erhöht. Wie aus den Kontrollberichten und der Fotodokumentation ersichtlich, sind die damals festgestellten Mängel auch bei den Kontrollterminen am 12. und 19.03.2013 in vergleichbarer Weise vorhanden. Dementsprechend liegt nach wie vor ein erhebliches personelles Defizit vor. … Bei 17 Tieren, die am 29.10.2012 in den Bestand Klostermeyer verbracht wurden, war die Meldefrist von 7 Tagen jedoch deutlich überschritten. … Hiermit liegt für diese 17 Tiere eindeutig ein Meldeverstoß vor.“
5In dem Kontrollbericht vermerkten die Prüfer im Bereich „Kennzeichnung und Registrierung von Rindern“ Verstöße bezüglich des Bestandsregisters und bezüglich der Datenbank HIT, die sie mit 3 % bzw. 1 % bewerteten. In der Gesamtbewertung wurde ein Verstoß von 3 % angenommen. Im Bereich „Tierschutzhaltung Nutztiere“ (RL 98/58/EG) vermerkten die Kontrolleure in der Kategorie „A 31 Materialausführung“ Verstöße, die sie mit 3 % bewerteten, in der Kategorie „A 51 Futterversorgung“ Verstöße, welche sie mit 3 % ansetzten und in der Kategorie „A 52 Wasserversorgung“ Verstöße, die sie mit 5 % bewerteten. Darüber hinaus nahmen sie in der Kategorie „B 01 Personal“ mit Blick auf das Urteil vom 16. Januar 2013 – 11 K 413/12 – einen vorsätzlichen Verstoß an. In der Gesamtbewertung wurden die Verstöße mit 20 % bewertet.
6Mit Schreiben vom 24. Februar 2014 hörte der Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten teilweisen Aufhebung des Bescheides vom 15. Januar 2014 – mit diesem war dem Kläger Betriebsprämie für das Jahr 2013 in Höhe von 52.032,47 € gewährt worden – an.
7Mit Schreiben vom 02. April 2014 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er beabsichtige, den Auszahlungsbescheid vom 14. November 2013 bezüglich der Zuwendungen für Maßnahmen zur Förderung umwelt- und tiergerechter Haltungsverfahren auf Stroh in Höhe von 32.873,02 € teilweise aufzuheben.
8Mit Schreiben vom 04. April, 16. April, 12. Mai und 23. Mai 2014 nahm der Kläger hierzu Stellung und machte insbesondere geltend, die Auflistung einzelner Mängel verzerre das tatsächliche Bild seines Betriebes. Den von ihm gehaltenen 583 Tieren gehe es gut, sie seien allesamt ohne Verletzungen gewesen. Auch die Futterversorgung seiner Tiere sei ausreichend. Die Veterinäre hätten insoweit einseitig dokumentiert. Bezüglich der Wasserversorgung gebe es keine gesetzlichen Vorgaben. Die von ihm den Tieren angebotenen Schalentränken und Nippeltränken seien in jedem Fall ausreichend. Dass insoweit keine Unterversorgung vorliege, zeige sich auch daran, dass es zum Zeitpunkt der Kontrolle kein Gedränge um Getränkemöglichkeiten gegeben habe. Ferner liege auch keine ungünstige Personalsituation in seinem Betrieb vor. Aufgrund der Größe seines Betriebes könne angesichts des Rationalisierungsstandards von einem niedrigeren Arbeitszeitbedarf pro Rind als bei einem kleinen oder mittelgroßen Betrieb ausgegangen werden. Die Veterinäre hätten zu Unrecht einen vorsätzlichen Verstoß in dieser Hinsicht angenommen, da bereits zum Zeitpunkt des Urteils des Gerichts vom 16. Januar 2013 – 11 K 413/12 – genügend Personal in seinem Betrieb vorhanden gewesen sei. Wenn für das Betriebsprämienjahr 2011 in dem Urteil von einem zu geringen Personalbestand für seinen Betrieb ausgegangen werde, so könne diese Feststellung für das Jahr 2013 keine Bindungswirkung entfalten. Der Kläger legte im Rahmen des Anhörungsverfahrens u.a. eine Stellungnahme von Dr. Q. I1. (FTA für Rinder) der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen vom 21. Mai 2014 vor, in der es u.a. heißt: „… Am 03.04.2014 habe ich auf ihren Wunsch hin ihren Rinderbestand besichtigt und den Zustand der Tiere beurteilt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei diesem Besuch die Tiere durchweg in einem unauffälligen, altersgerechten Entwicklungszustand waren. Der Pflegezustand, insbesondere die Sauberkeit des Haarkleides, war im Hinblick auf die Haltung in einem Tretmistsystem als gut zu bezeichnen.“
9Mit Bescheid vom 28. August 2014 hob der Beklagte seinen Bewilligungsbescheid vom 15. Januar 2014 teilweise auf und setzte den Zuwendungsbetrag der Betriebsprämie 2013 auf 41.304,12 € fest. Ferner forderte er einen Betrag in Höhe von 10.728,35 € zuzüglich Zinsen dem Grunde nach in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zurück. Seine Entscheidung begründete er damit, Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung seines Zuwendungs- und Bewilligungsbescheides vom 15. Januar 2014 sei § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinesamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (MOG). Der vorgenannte Bescheid sei teilweise rechtswidrig, weil der Kläger im betreffenden Kalenderjahr 2013 nach Prüfung des von der Kontrollbehörde mitgeteilten Sachverhaltes derart gegen die Grundanforderungen an die Betriebsführung und somit gegen die Cross-Compliance-Vorschriften verstoßen habe, dass die Betriebsprämie 2013 statt um 3 %, nunmehr um 23 % zu kürzen sei. Der Kläger habe in seinen Stallbauten Materialien verwendet, die für Tiere nicht ungefährlich seien. Desweiteren seien die Fütterungs- und Tränkeeinrichtungen nicht so beschaffen und angeordnet gewesen, dass jedem Tier Zugang zu einer ausreichenden Menge Futter und Wasser von angemessener Qualität gewährt worden sei und dass Verunreinigungen des Futters und des Wassers sowie Auseinandersetzungen zwischen den Tieren auf ein Mindestmaß begrenzt seien. Darüber hinaus habe das Veterinäramt eine unzureichende personelle Ausstattung des Betriebes festgestellt. Der Begriff „genügend Personal“ sei zwar weder in der Richtlinie 98/58/EG noch in den nationalen Rechtsvorschriften definiert. Die bereits genannten Verstöße gegen die anderweitigen Verpflichtungen auf dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers ließen allerdings den Schluss zu, dass die Verstöße mit großer Sicherheit nicht festgestellt worden wären, wenn mehr geeignete Mitarbeiter auf dem Hof tätig gewesen wären. Deutlicher zeige sich das fehlende Personal am Zustand der Tierhaltung. Die Situation in den Ställen, in denen zum Kontrollzeitpunkt am 12. März 2013 581 Rinder einschließlich 89 Kälber gehalten worden seien, ähnele oder gleiche nach wie vor dem Zustand zum Zeitpunkt der Kontrolle am 30. August 2011, bei der nur 375 Tiere im Bestand gewesen seien. Die Fachbehörde habe bei ihrer Kontrolle festgestellt, dass die Ställe nicht in ausreichendem Maße ausgemistet und eingestreut gewesen seien und Rinder, insbesondere auch Kälber, jedenfalls zum Teil mit Kot verschmutztes Fell gehabt hätten. Die entgegenstehende Stellungnahme im Bericht des Herrn Dr. I1. vom 21. Mai 2014 sei für die Beurteilung des vorliegenden Falles irrelevant, weil ausschließlich die Zahlstelle für die Bewertung des Sachverhalts zuständig sei und diese Stellungnahme zudem erst über ein Jahr nach Durchführung der Kontrollen erfolgt sei. Die von den Veterinären gefertigten Bilder widerlegten zum Teil die Angaben des Klägers bezüglich der Entmistung. Dass der Kläger neben der Tierhaltung noch 75 ha Dauergrünland und fast 90 ha Ackerbauflächen bewirtschafte, habe er bei der Bewertung seiner Arbeitsleistungen nicht berücksichtigt. Darüber hinaus sei bei der Kontrolle am 12. bzw. 19. März 2013 dieselbe Anzahl an Beschäftigten wie bereits bei der Kontrolle im Jahr 2011 tätig gewesen. Die Kontrollbehörde habe den Verstoß aufgrund unzureichender personeller Ausstattung des Betriebes als vorsätzlichen Verstoß und die Verstöße gegen die Haltungseinrichtungen mit verletzungsgeneigtem Material sowie gegen die Futter- und Wasserversorgung in ausreichender Menge und Qualität als fahrlässige Verstöße gewertet. Die Zahlstelle schließe sich diesen Bewertungen an. Aufgrund des Urteils vom 16. Januar 2013 –11 K 413/12 – habe der Kläger gewusst, dass er jedenfalls zum Zeitpunkt der Kontrolle am 30. August 2011 zu wenig Personal für die Tierhaltung in seinem landwirtschaftlichen Betrieb beschäftigt habe und die daraus resultierende Kürzung der Betriebsprämie 2011 im Zuwendungs- und Bewilligungsbescheid vom 22. Dezember 2011 rechtmäßig gewesen sei. Da der Kläger gleichwohl keine Anstrengungen unternommen habe, die Personalstruktur in seinem Betrieb nach Bekanntgabe des Urteils trotz steigender Tieranzahl zu ändern, habe er es zumindest für möglich gehalten, wenn nicht sogar für sicher, dass er zukünftig und damit auch am Kontrolltag, dem 12. März 2013, gegen die Anforderung, in seinem landwirtschaftlichen Betrieb genügend Personal für die Tierhaltung zu beschäftigen, verstoßen werde, und sich damit bis heute abgefunden. Aus Sicht der Zahlstelle werde insgesamt ein Kürzungssatz von 23 % für alle Verstöße einschließlich des Verstoßes gegen das Prüfkriterium „Kennzeichnung und Registrierung von Rindern“ als angemessen angesehen.
10Mit weiterem Bescheid vom 28. August 2014 hob der Beklagte auch seinen Bescheid vom 14. November 2013 teilweise auf, setzte den Zuwendungsbetrag für Maßnahmen zur Förderung umwelt- und tiergerechter Haltungsverfahren auf Stroh für das Jahr 2013 neu auf 25.312,22 € fest und forderte den Kläger zur Rückzahlung von 7.560,80 € auf. Zur Begründung führte er an, es liege ein wiederholter Verstoß nach Art. 47 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1122/2009 vor, denn der Kläger habe vorsätzlich im Wiederholungsfall gegen die Vorgaben im Kriterium „personelle Ausstattung des landwirtschaftlichen Betriebes“ verstoßen, weil er innerhalb von zwei Jahren zwei Mal denselben Verstoß begangen habe.
11Aufgrund der Hauptverhandlung vom 16. Juni 2015 verurteilte das Amtsgericht I. den Kläger wegen fahrlässiger Zufügung von erheblichen Schmerzen und Leiden an gehaltenen Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund zu einer Geldbuße von 500,- € – 11 OWi-756 Js 1144/14- 936/14 – und bestätigte damit einen Bußgeldbescheid des Kreises I. vom 20. August 2014, der mit Blick auf die Ergebnisse der Kontrolle am 12. bzw. 19. März 2013 ergangen war.
12Bereits am 29. September 2014 hat der Kläger Klage erhoben.
13Zur Begründung seiner Klage vertieft er im Wesentlichen die Ausführungen im Anhörungsverfahren und macht darüber hinaus geltend, in seinem Betrieb würden annähernd 600 Rinder gehalten. Wenn das Veterinäramt bei lediglich bis zu 15 Rindern Verschmutzungen feststelle, könne eine derart geringe Zahl von Verschmutzungen bei einer Gesamtbetrachtung des Tierbestandes nicht als Verstoß gegen Tierhaltungsvorschriften gewertet werden. Insgesamt sei in seinem Betrieb eine ausreichende Anzahl an Beschäftigten tätig. Hinzu komme, dass seine Familienangehörigen ebenfalls Arbeitsleistungen erbrächten. Vorsätzlich habe er in keinem Fall gehandelt, da er Verschmutzungen der Tiere nicht billigend in Kauf nehme. Diese Verschmutzungen seien, wenn überhaupt, bedingt durch das gewählte Haltungs- und Mastverfahren sowie während des Entmistungsvorgangs eingetreten. Seinen Tieren gehe es insgesamt gut. Gerade auch durch die Haltung auf Stroh würden Erkrankungen der Klauen und des Bewegungsapparates der Rinder vermieden. Die Bediensteten des Veterinäramtes des Kreises I. verfügten insoweit nur über eine eingeschränkte Beurteilungskompetenz.
14Der Kläger beantragt,
15die Bescheide des Beklagten vom 28. August 2014 aufzuheben.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Er trägt vor, der vom Kläger in seinem Betrieb angesetzte Arbeitszeitbedarf liege deutlich unter dem, was das „Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft“ ansetze. Die Zahlstelle habe zu Recht die durch die Kontrollbehörde vorgeschlagene Bewertung des Verstoßes wegen unzureichender personeller Ausstattung als vorsätzlichen Verstoß übernommen. Unerheblich sei, dass das Urteil im Verfahren 11 K 413/12 erst am 12. März 2013 in Rechtskraft erwachsen sei. Denn der Kläger habe aufgrund der Feststellungen im vorgenannten Urteil eine unzureichende personelle Ausstattung in seinem Betrieb zumindest für möglich halten können. Die Urteilsbegründung habe Ausführungen dazu enthalten, dass die Situation im klägerischen Betrieb den Schluss auf eine unzureichende personelle Ausstattung nahe lege. Aufgrund dieser umfangreichen Ausführungen, welche aus Sicht des Klägers nicht völlig abwegig gewesen seien, sei davon auszugehen, dass er einen Verstoß gegen die anderweitigen Vorschriften zumindest billigend in Kauf genommen habe. Dies reiche nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 27. Februar 2014 – C-396/12 –) für die Annahme von Vorsatz aus.
19Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Herrn X. G. , Frau M. L. , Herrn P. L2. , Herrn X1. T1. und Herrn D. de K. informatorisch befragt. Wegen der Einzelheiten der Befragung wird auf die Sitzungsniederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakten in den Verfahren 11 K 2347/14 und 11 K 413/12 sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Hefte) Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die statthafte Anfechtungsklage ist zulässig und begründet.
22Die Bescheide des Beklagten vom 28. August 2014 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
231. Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 15. Januar 2014 bezüglich der Betriebsprämie 2013 ist § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG. Danach sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; § 48 Abs. 2 bis 4 und § 49 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwVfG sind anzuwenden. Die Rückforderung von zu Unrecht gewährter Betriebsprämie beruht auf § 10 Abs. 1 Satz 1 2. HS, Abs. 3 MOG i.V.m. § 49 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Im Zusammenhang mit Rückforderungen geltend gemachte Zinsansprüche stützen sich auf § 14 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. Artikel 80 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009.
24Bereits die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zwar fallen Betriebsprämien gemäß den §§ 1 Abs. 1 a, 6 Abs. 1 Nr. 2 MOG als Direktzahlungen unter dem Anwendungsbereich dieser Regelung,
25vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 20. Dezember 2011 – 10 LC 174/08 –; Bay. VGH, Beschluss vom 17. Juli 2008 – 19 ZB 08.1232 –, allesamt juris,
26der teilweisen Rücknahme des Zuwendungsbescheides vom 15. Januar 2014 steht jedoch entgegen, dass sich die vom Beklagten dergestalt angenommene Rechtswidrigkeit, dass ein CC-Abzug nicht in Höhe von 3 %, sondern in Höhe von 23 % zu erfolgen gehabt hätte, nicht feststellen lässt.
27Die Auffassung des Beklagten, dass die Betriebsprämie 2013 an sich um 23 % zu kürzen gewesen wäre, da der Kläger u.a. Vorgaben des Art. 4 der Richtlinie 98/58/EG nicht eingehalten habe, insbesondere ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Anforderung in Ziffer 1 des Anhangs der Richtlinie 98/58/EG, dass für die Tierpflege genügend Personal vorhanden sein müsse, das über die erforderliche Eignung sowie die erforderlichen Kenntnisse und beruflichen Fähigkeiten verfüge, gegeben sei, ist rechtlich zu beanstanden.
28Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 muss ein Betriebsinhaber, der Direktzahlungen bezieht, Grundanforderungen an die Betriebsführung gemäß Artikel 5 i.V.m. Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 und die Vorschriften zum guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand gemäß Artikel 6 der vorgenannten Verordnung erfüllen. Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 bestimmt weiter, dass der Gesamtbetrag der Direktzahlungen, der dem Betriebsinhaber gewährt wurde oder zu gewähren ist, nach den Durchführungsbestimmungen gemäß Art. 24 gekürzt oder gestrichen wird, wenn die Grundanforderungen an die Betriebsführung oder das Kriterium des guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustands in einem bestimmten Kalenderjahr zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt werden und dieser Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung ist, die unmittelbar dem Betriebsinhaber, der den Beihilfeantrag in dem betreffenden Jahr gestellt hat, anzulasten ist. Nach Art. 24 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 73/2009 werden bei den Kürzungen und Ausschlüssen (und den Durchführungsbestimmungen hierzu) u.a. Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit der Verstöße berücksichtigt; nach Abs. 2 und 3 dieser Vorschrift beträgt die Kürzung bei Fahrlässigkeit höchstens 5 %, bei wiederholten Verstößen höchstens 15 %, bei vorsätzlichen Verstößen beträgt die Kürzung grundsätzlich nicht weniger als 20 % und kann bis zum vollständigen Ausschluss von einer oder mehreren Beihilferegelungen gehen und für ein oder mehrere Kalenderjahre gelten.
29Zu den im Rahmen der Cross-Compliance-Überprüfung relevanten Vorschriften gehört ausweislich der Ziffer 18 des Anhangs II der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 auch die Richtlinie 98/58/EG des Rates vom 20. Juli 1998 über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere. Ausweislich Ziffer 1 des Anhangs der Richtlinie 98/58/EG des Rates vom 20. Juli 1998 muss für die Tierpflege genügend Personal vorhanden sein, das über die erforderliche Eignung sowie die erforderlichen Kenntnisse und beruflichen Fähigkeiten verfügt.
30Die Vorgaben der Ziffer 1 des Anhangs der Richtlinie 98/58/EG hat der Kläger in gewissem Umfang nicht erfüllt. Bereits im Urteil des erkennenden Gerichts vom 16. Januar 2013 – 11 K 413/12 – hat das Gericht die anlässlich der Vor-Ort-Kontrolle am 30. August 2011 getroffene Feststellung der Mitarbeiter des Kreises I. , dass der Betrieb des Klägers über eine unzureichende personelle Ausstattung verfügt, als rechtlich haltbar angesehen. Diese Wertung wurde dabei gerade nicht – wie vom Kläger angenommen – an der Unterbringungsform des Tretmiststalles festgemacht, sondern die Beanstandungen waren im Zusammenhang mit herkömmlich betriebenen Ställen festgestellt worden. Im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle vom 30. August 2011 hatten die Veterinäre ihre fachliche Einschätzung auch nicht allein anhand der vorhandenen Mitarbeiterzahl festgemacht, sondern vielmehr aufgrund des Zustandes des Betriebes auf die zu geringe Anzahl an Mitarbeitern im Rahmen der Bewirtschaftung geschlossen. An diesen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil vom 16. Januar 2013 hat sich – so die Veterinäre – im Rahmen der Kontrolle am 12. bzw. 19. März 2013 nichts geändert. Trotz Erhöhung des Tierbestandes in nicht unwesentlichem Umfang hat der Kläger seine Mitarbeiterzahl nicht erhöht. Der Empfehlung des Veterinäramtes, einen versierten Betriebshelfer zumindest als Teilzeitkraft einzustellen, ist der Kläger nicht gefolgt, vielmehr sind in seinem Betrieb im Rahmen der Kontrolle im März 2013 dieselben Personen tätig gewesen wie auch bereits im Jahr 2011. Eine Verbesserung des baulichen Zustandes des Betriebes ist ebenfalls nicht eingetreten. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die seitens der Mitarbeiter des Kreises I. monierten und fotografierten baulichen Anlagen im Laufhof (Blatt 138 ff., BA I) Bezug genommen. Darüber hinaus hat auch das Amtsgericht I. in seinem rechtskräftigen Urteil vom 16. Juni 2015 – 11 OWi-756 Js 1144/14-936/14 – Versäumnisse bei der Tierhaltung gerade nicht im Zusammenhang mit den Besonderheiten der vom Kläger betriebenen Tretmistställe gesehen, sondern darauf abgestellt, dass der betonierte Laufhof nicht frei von Kot- und Strohresten, sondern stark verkotet und verschlammt gewesen sei. Dies belege, so das Amtsgericht I. , dass dieser nicht, wie es Voraussetzung gewesen wäre, täglich gesäubert werde. Die Unzulänglichkeiten der personellen Ausstattung zeigen sich daher nicht nur am baulichen Zustand, sondern auch an der unzureichenden Reinheit einiger Bereiche des klägerischen Betriebes. Die von den Beteiligten aufgeworfene Frage, wie hoch der Arbeitszeitbedarf für einen Betrieb mit der Größe des klägerischen Betriebes ist und mit wie viel Personen dieser betrieben werden muss, kann daher offen bleiben.
31Die Annahme des Beklagten, dass der Kläger hinsichtlich des Verstoßes gegen Ziffer 1 des Anhangs der vorgenannten Richtlinie vorsätzlich gehandelt hat, ist dagegen fehlerhaft. Der Begriff des vorsätzlichen Verstoßes ist dahin auszulegen, dass es hierfür erforderlich ist, dass der durch die Beihilfe Begünstigte gegen die Vorschriften über die anderweitigen Verpflichtungen verstößt und diesen Verstoß entweder bewusst herbeiführt oder – ohne, dass er ein solches Ziel verfolgt – die Möglichkeit eines derartigen Verstoßes billigend in Kauf nimmt.
32Vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 – C-396/12 –, juris Rn. 54.
33Die vorgenannten Vorgaben des EuGH zur Frage, wann ein vorsätzlicher Verstoß gegeben ist, entsprechen im Wesentlichen denen des nationalen Rechts Deutschlands. Danach ist unter Vorsatz das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung zu verstehen. Damit sind ein kognitives und ein voluntatives Element beschrieben. Verschiedene Formen des Vorsatzes unterscheidet man je nach der Art von Vorstellung und Wille, nämlich den unbedingten, direkten Vorsatz und den bedingten Vorsatz (dolus eventualis). Bedingter Vorsatz (dolus eventualis) kommt in Betracht, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung weder anstrebt noch für sicher, sondern nur für möglich hält.
34Vgl. Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 62. Auflage, 2015, § 15 Rn. 3, 5 und 9.
35Bereits im Rahmen der Fahrlässigkeit ist allerdings zu berücksichtigen, dass neben der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung des Handelns, die hier in der unterlassenen Beachtung einschlägiger Vorschriften und Maßstäbe bestehen kann, insbesondere auch die die Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit dazugehört. Ist die Rechtslage im besonderen Maße unklar, kann ein Verschuldensvorwurf nicht gemacht werden.
36Vgl. VG Münster, Urteil vom 29. April 2015 – 9 K 228/14 –, juris Rn. 37.
37An einer derartigen Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit fehlt es hier. Die Kontrollbehörde ist im Rahmen ihrer Bewertung davon ausgegangen, dass Vorsatz mit Blick auf das Urteil der Kammer vom 16. Januar 2013 – 11 K 413/12 – anzunehmen sei. Diese Sichtweise hat dann auch der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 28. August 2014 übernommen und dort weiter ausgeführt, der Kläger habe keine Anstrengungen unternommen, die Personalstruktur in seinem Betrieb nach Bekanntgabe des Urteils trotz steigernder Tierzahlen zu ändern. Er habe es daher zumindest für möglich, wenn nicht sogar für sicher gehalten, dass er auch zukünftig und damit auch am Kontrolltag, dem 12. März 2013, gegen die Anforderungen, in seinem landwirtschaftlichen Betrieb genügend Personal für die Tierhaltung zu haben, zu verstoßen, und habe sich damit bis heute abgefunden. Diese Annahme ist mit Blick darauf, dass das Urteil der Kammer erst mit Rücknahme des Rechtsmittels am 12. März 2013 Bestandskraft erlangt hat, nicht tragbar. Bis zu diesem Zeitpunkt durfte der Kläger nämlich mit der Möglichkeit rechnen, dass die Feststellungen des erkennenden Gerichts im vorgenannten Urteil unzutreffend sein könnten und es zu einer Aufhebung des klageabweisenden Urteils kommen werde. Mit Blick auf den aus Sicht des Klägers zumindest offenen Ausgang seines Rechtsmittelverfahrens war er nicht gehalten, vor einer rechtskräftigen Klärung der Problematik allein aufgrund der Ausführungen in dem von ihm angefochtenen Urteil seinen Personalbestand aufzustocken bzw. seine Betriebsstruktur zu ändern. Erst ab Rechtskraft des Urteils war es für ihn erforderlich, diverse Maßnahmen zu ergreifen. Da der Tag der Kontrolle am 12. März 2013 mit dem Zeitpunkt der Rücknahme des Rechtsmittels zusammenfiel und auch die nachfolgende Kontrolle am 19. März 2013 erst einen Tag nach Einstellung des Rechtsmittelverfahrens beim OVG NRW erfolgte, kann dem Kläger nicht mit Erfolg vorgehalten werden, die Personalstruktur in seinem Betrieb nach Bekanntgabe des Urteils nicht geändert zu haben. Die Einschätzung der Kontrollbehörde und auch des Beklagten, dass der Kläger gegen die Vorgaben der Ziffer 1 des Anhangs der Richtlinie 98/58/EG vorsätzlich verstoßen hat, ist daher zu beanstanden. Da sich die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 28. August 2014 bereits aus dieser fehlerhaften Bewertung der Kontrollbehörde und des Beklagten ergibt, kann die weitere Frage, ob und in welchem Umfang der Kläger zusätzlich gegen die weiteren Vorgaben der vorgenannten Richtlinie sowie die Verpflichtung zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern verstoßen hat, dahinstehen.
382. Aus den vorgenannten Gründen erweist sich auch der Änderungs- und Teilrückforderungsbescheid des Beklagten vom 28. August 2014 betreffend den Zuwendungsbescheid für die Maßnahmen zur Förderung umwelt- und tiergerechter Haltungsverfahren auf Stroh vom 14. November 2013 als rechtswidrig.
39Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
40Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Minden Urteil, 23. Sept. 2015 - 11 K 2347/14
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Verwaltungsgericht Minden Urteil, 23. Sept. 2015 - 11 K 2347/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6, 8 und 9b, jeweils auch in Verbindung mit den §§ 9c und 9d, sind, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; § 48 Absatz 2 bis 4 und § 49a Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind anzuwenden. Soweit Regelungen im Sinne des § 1 Absatz 2 dies erfordern, können in Rechtsverordnungen nach den §§ 6, 8 und 9b, jeweils auch in Verbindung mit den §§ 9c und 9d, zur Erstattung von zu Unrecht gewährten rechtlich erheblichen Vorteilen auch Dritte verpflichtet werden, die Marktordnungswaren erzeugen, gewinnen, be- oder verarbeiten, verbringen, ein- oder ausführen, besitzen oder besessen haben oder unmittelbar oder mittelbar am Geschäftsverkehr mit solchen Waren teilnehmen oder teilgenommen haben.
(2) Rechtmäßige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6, 8 und 9b, jeweils auch in Verbindung mit den §§ 9c und 9d, sind, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zu widerrufen, soweit eine Voraussetzung für den Erlass des Bescheides nachträglich entfallen oder nicht eingehalten worden ist, insbesondere der gewährte rechtlich erhebliche Vorteil nicht oder nicht mehr nach Maßgabe des Bescheides verwendet wird; der Bescheid ist mit Wirkung für die Vergangenheit zu widerrufen, soweit Regelungen im Sinne des § 1 Absatz 2 nichts anderes zulassen. § 48 Absatz 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gilt entsprechend, § 49a Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist anzuwenden.
(3) Zu erstattende Beträge werden durch Bescheid festgesetzt.
(1) Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Bundesministerium) wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, soweit dies zur Durchführung von
- 1.
Regelungen im Sinne des § 1 Absatz 2 hinsichtlich Marktordnungswaren, soweit diese Regelungen nicht unter Nummer 2 fallen, bei - a)
Ausfuhrerstattungen, - b)
Produktionserstattungen, - c)
Übergangsbeihilfen, - d)
Denaturierungsbeihilfen, - e)
Nichtvermarktungsbeihilfen, - f)
Beihilfen an Erzeuger oder Käufer, - g)
flächenbezogenen oder produktbezogenen Beihilfen, - h)
Vergütungen für frühe Aufnahme von Marktordnungswaren, - i)
Vergütungen im Zusammenhang mit der Destillation, - j)
Beihilfen an Erzeuger oder Agrarorganisationen für die Entnahme von Marktordnungswaren aus dem Handel, für die Ernte von Marktordnungswaren vor deren Reife oder für das Nichternten von Marktordnungswaren einschließlich der Verwaltungskosten, - k)
Vergütungen zum Ausgleich von Lagerkosten, - l)
Beihilfen für private Lagerhaltung, - m)
Beihilfen zur Erleichterung des Absatzes, - n)
Beihilfen für die Herstellung von Marktordnungswaren, die für bestimmte Zwecke verwendet werden, - o)
Einfuhrsubventionen zum Zwecke des Preisausgleichs, - p)
Erstattungen und Subventionen im innergemeinschaftlichen Handel, - q)
Beträgen, die zum Zwecke des Währungsausgleichs bei der Einfuhr oder Ausfuhr oder im innergemeinschaftlichen Handel gewährt werden, - r)
Beihilfen zur Produktionsverringerung oder Aufgabe der Produktion, - s)
Beihilfen an Agrarorganisationen sowie zu Betriebsfonds oder anderen Fonds dieser Organisationen, - t)
sonstigen Vergünstigungen zu Marktordnungszwecken,
- 2.
Regelungen im Sinne des § 1 Absatz 2 bei Direktzahlungen
(2) In Rechtsverordnungen nach Absatz 1 können, soweit dies in Regelungen im Sinne des § 1 Absatz 2 vorgesehen ist, im Rahmen einer Verbilligung der Abgabe von Marktordnungswaren Preise vorgeschrieben werden, um zu gewährleisten, dass der Zweck der Vergünstigung erreicht wird.
(2a) In Rechtsverordnungen nach Absatz 1 können die Erstellung und der Inhalt von Strategien oder operationeller Programme einschließlich der zugehörigen Verfahren geregelt werden, soweit eine Strategie oder ein operationelles Programm für die Durchführung einer Vergünstigung im Sinne des Absatzes 1 unionsrechtlich erforderlich ist und der Inhalt der Strategie oder des operationellen Programms nach den Regelungen des § 1 Absatz 2 bestimmt oder bestimmbar ist.
(3) Soweit im Rahmen des Verfahrens nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe i steuerrechtliche Angaben benötigt werden, sind die mit der Durchführung des Alkoholsteuergesetzes betrauten Finanzbehörden befugt, gegenüber den für diese Verfahren zuständigen Stellen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
(4) Rechtsverordnungen bedürfen abweichend von Absatz 1 der Zustimmung des Bundesrates, wenn die Länder Maßnahmen nach Absatz 1 durchführen oder an der Durchführung dieser Maßnahmen mitwirken. Rechtsverordnungen nach Absatz 1 können auch in den Fällen des Satzes 1 ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden, wenn ihr unverzügliches Inkrafttreten zur Durchführung von Regelungen im Sinne des § 1 Absatz 2 erforderlich ist und ihre Geltungsdauer auf einen bestimmten Zeitraum von höchstens sechs Monaten begrenzt wird.
(5) In Rechtsverordnungen nach Absatz 1 kann die Ermächtigung nach Absatz 1 auf die Landesregierungen übertragen werden, soweit dies erforderlich ist, um besonderen regionalen Gegebenheiten Rechnung tragen zu können. Soweit die Ermächtigung nach Absatz 1 auf Grund des Satzes 1 auf die Landesregierungen übertragen worden ist, können diese in ihren Rechtsverordnungen auch Vorschriften auf Grund der §§ 15 und 16 erlassen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf oberste Landesbehörden übertragen.
(1) Das Bundesministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates hinsichtlich Garantiemengen, Referenzmengen, Referenzbeträgen, Quoten, Obergrenzen, Zahlungsansprüchen und sonstigen Mindest- oder Höchstmengen oder -beträgen, die in Regelungen im Sinne des § 1 Absatz 2 vorgesehen sind, (Mengen) Vorschriften über das Verfahren bezüglich Mengen und die Zuordnung von Mengen zu erlassen, soweit
- 1.
die Vorschriften zur Durchführung von Regelungen im Sinne des § 1 Absatz 2 hinsichtlich Marktordnungswaren oder Direktzahlungen erforderlich sind und - 2.
im Falle der Zuordnung von Mengen die Zuordnung nach den Regelungen im Sinne des § 1 Absatz 2 bestimmt, bestimmbar oder begrenzt ist.
- 1.
die Voraussetzungen für die Zuordnung von Mengen und die Festlegung der Höhe von Mengen, - 2.
die Aufteilung, Zuteilung, Kürzung, Entziehung und sonstige Änderung von Mengen unter Einschluss der Zuweisung von Mengen zu Flächen oder Betrieben, - 3.
die Übertragung von Mengen, wobei - a)
persönliche, örtliche und zeitliche Übertragungsbeschränkungen, - b)
die Übernahme und Abgabe von Mengen durch staatliche Stellen sowie - c)
sonstige Ausgestaltungen des Systems zur Übertragung von Mengen
- 4.
die Bildung und Verwendung von nationalen oder regionalen Mengenreserven
(2) Soweit Rechtsverordnungen nach Absatz 1 von Bundesfinanzbehörden durchgeführt werden, sind die Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden, sofern nicht durch dieses Gesetz oder durch Rechtsverordnung auf Grund dieses Gesetzes eine von diesen Vorschriften abweichende Regelung getroffen ist.
(3) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 können vorsehen, dass das Bundesministerium dort genannte Mengen durch Verwaltungsakt festsetzt, soweit dies zur Durchführung der Regelungen im Sinne des § 1 Absatz 2 erforderlich ist.
(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.
(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,
- 1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist; - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat; - 3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; - 4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; - 5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,
- 1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird; - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.
(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.
(1) Ansprüche auf Erstattung von Vergünstigungen sowie auf Beträge, die wegen Nichteinhaltung anderweitiger Verpflichtungen zu erstatten sind, sind vom Zeitpunkt ihrer Entstehung an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Werden Abgaben nicht rechtzeitig gezahlt, sind sie vom Fälligkeitstag an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Satz 1 oder 2 ist nicht anzuwenden, soweit Regelungen im Sinne des § 1 Absatz 2 etwas anderes vorsehen.
(2) Ansprüche auf Vergünstigungen und im Rahmen von Interventionen sind ab Rechtshängigkeit nach Maßgabe der §§ 236, 238 und 239 der Abgabenordnung zu verzinsen. Im Übrigen sind diese Ansprüche unverzinslich.
(1) Rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6, 8 und 9b, jeweils auch in Verbindung mit den §§ 9c und 9d, sind, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; § 48 Absatz 2 bis 4 und § 49a Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind anzuwenden. Soweit Regelungen im Sinne des § 1 Absatz 2 dies erfordern, können in Rechtsverordnungen nach den §§ 6, 8 und 9b, jeweils auch in Verbindung mit den §§ 9c und 9d, zur Erstattung von zu Unrecht gewährten rechtlich erheblichen Vorteilen auch Dritte verpflichtet werden, die Marktordnungswaren erzeugen, gewinnen, be- oder verarbeiten, verbringen, ein- oder ausführen, besitzen oder besessen haben oder unmittelbar oder mittelbar am Geschäftsverkehr mit solchen Waren teilnehmen oder teilgenommen haben.
(2) Rechtmäßige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6, 8 und 9b, jeweils auch in Verbindung mit den §§ 9c und 9d, sind, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zu widerrufen, soweit eine Voraussetzung für den Erlass des Bescheides nachträglich entfallen oder nicht eingehalten worden ist, insbesondere der gewährte rechtlich erhebliche Vorteil nicht oder nicht mehr nach Maßgabe des Bescheides verwendet wird; der Bescheid ist mit Wirkung für die Vergangenheit zu widerrufen, soweit Regelungen im Sinne des § 1 Absatz 2 nichts anderes zulassen. § 48 Absatz 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gilt entsprechend, § 49a Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist anzuwenden.
(3) Zu erstattende Beträge werden durch Bescheid festgesetzt.
Tenor
Der Beklagte wird unter Abänderung des Zuwendungs‑/Bewilligungsbescheides des Direktors der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen als Landesbeauftragter vom 15. Januar 2014 verpflichtet, dem Kläger für das Jahr 2013 eine weitere Betriebsprämie i.H.v. 671,76 Euro zuzüglich Zinsen i.H.v. 0,5 % je vollen Monat seit dem 4. Februar 2014 aus einem Betrag von 650 Euro zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten über die Kürzung der Betriebsprämie 2013.
3Der Kläger ist Landwirt und betreibt unter anderem Kälbermast. Im Rahmen des Betriebsprämienverfahrens führte das Veterinäramt des Kreises C. auf seinem Hof am 13. März 2013 eine Vor-Ort-Kontrolle (VOK) durch. Die Prüfer waren die beamtete Veterinärin Frau Dr. T. T1. sowie der Kreisbedienstete B. . Die Prüfung bezog sich u.a. auf die Haltung von Rindern, hier unter Beachtung der Richtlinie 2008/119/EG vom 18. Dezember 2008 über Mindestanforderungen für den Schutz von Kälbern. In dem handschriftlichen Kontrollbericht ist unter dem Code K33 mit dem Stichwort „Liegebereichausführung“ eine Beanstandung für 78 Kälber mitgeteilt. Als sonstige Bemerkung ist dazu von den Prüfern angegeben „78 Kälber auf Betonspaltenboden ohne Auflage“. Im Kontrollbericht wird dies als fahrlässiger Verstoß gegen die genannte Richtlinie mit einem Schweregrad von „mittel (3%)“ bewertet. Entsprechend dieser Beanstandung wurde das Ergebnis der Kontrolle zur HIT-Datenbank als HIT-Kontrollbericht über eine Vor-Ort-Kontrolle „Tierschutzhaltung Kälber (RL 2008/119/EG)“ gemeldet.
4Auf seinen Antrag gewährte der Direktor der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen als Landesbeauftragter dem Kläger mit Bescheid vom 15. Januar 2014 eine Betriebsprämie für das Jahr 2013 in Höhe von 21.720,28 Euro. Ausweislich der dazu gehörenden Aufstellungen und Erläuterungen ist nach sonstigen gesetzlich vorgesehenen Abzügen von dem sich errechnenden Betriebsprämienbetrag in Höhe von 22.392,04 Euro unter Zeile 14 ein sog. CC-Abzug von 3% vorgenommen worden, der auf den Kürzungsbetrag von 671,76 Euro lautet und um den sich die Betriebsprämie auf den ausgezahlten Betrag von 21.720,28 Euro vermindert hat. In den Erläuterungen zum Betriebsprämienbescheid werden unter Ziffer 10 zum Abzug in Zeile 14 wegen Verstoßes gegen CC-Bestimmungen grundsätzliche Hinweise zur Anwendung der einschlägigen Verordnungen zur Einhaltung sog. anderweitiger Verpflichtungen sowie der Kürzungshöhe nach Verschuldensgrad (Fahrlässigkeit oder Vorsatz) und der Schwere des Verstoßes gegeben.
5Der Kläger hat wegen der Kürzung der Betriebsprämie am 4. Februar 2015 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus: Es treffe zu, dass zum Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle 78 Kälber als Gruppe in seinem Kälberstall auf Betonspaltenboden gestanden hätten, mit dem allerdings – was unstreitig ist – die einschlägigen Spaltenweiten nach der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) eingehalten worden seien. Die als Fresser im Alter von 4-5 Monaten mit einem Gewicht von 125 bis 130 kg gekauften Tiere hätten zum Zeitpunkt der Kontrolle bereits ein Gewicht von etwa 180 kg erreicht.
6Als Grundlage für den vorgeworfenen CC-Verstoß wegen der Haltung auf Spaltenboden komme allein Ziffer 10 des Anhangs I der Richtlinie 2008/119/EG des Rates vom 18. Dezember 2008 in Betracht. Soweit die Richtlinie dort vorsehe, dass die Fläche zum Liegen für die Kälber bequem sein müsse, erfülle der Spaltenboden entgegen der Auffassung der Veterinärbehörde des Kreises C. und des Beklagten diese Anforderung. Gleiches gelte für den Verweis der Veterinärbehörde im laufenden Verfahren auf § 6 Abs. 2 Nr. 2 d TierSchNutztV. Danach müsse der Liegebereich für Kälber so beschaffen sein, dass die Erfordernisse für das Liegen erfüllt würden, insbesondere dass eine nachteilige Beeinflussung der Gesundheit der Kälber durch Wärmeableitung vermieden werde. Die Auffassung, ohne entsprechende Auflage komme es zu einer Wärmeableitung bei den Kälbern, sei unzutreffend.
7Der Spaltenboden im Kälberstall des Klägers sei im Jahre 1984/85 eingebaut worden. Einwendungen gegen seine Ausführung in Beton seien nie erhoben worden. Der Kläger selbst habe auch keine konkrete Auskunft von den Prüfern, insbesondere nicht von der Veterinärin erhalten, was zum Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle zu ändern gewesen wäre. Der in der Verordnung verwandte Begriff „bequem“ sei indifferent. Es werde nicht klar, was er konkret beinhalten solle. So könne, wenn man Erfahrungen eines Menschen aus dem täglichen Leben hier übertrage, eine feste Unterlage – etwa die Matratze im Bett – sich genauso bequem darstellen wie eine weiche. Tatsächlich sei dem Kläger anlässlich der Vor-Ort-Kontrolle konkret auch nicht aufgegeben worden, etwa auf den Spaltenböden eine Auflage aufzubringen. Die nunmehr vom Beklagten hervorgehobene - nachteilige und gegen die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung angeblich verstoßende - Wärmeableitung könne unter Ziffer 10 des Anhangs I der streitigen Richtlinie nur dahin subsumierbar sein, dass die die dort ebenfalls angeführte Voraussetzung, die Liegefläche dürfe den Kälbern keinen Schaden zufügen, nicht erfüllt sei. Solches sei jedoch nicht ersichtlich. Die Betonstäbe des Spaltenbodens seien an ihren Enden vom Außenmauerwerk durch Styropor isoliert. Ferner erzeugten die Tierkörper selbst erhebliche Wärme, die abgeleitet werden müsse und wofür entsprechende Vorrichtungen geschaffen seien.
8Das VG Minden habe im Übrigen in seinem Urteil vom 20. August 2012 (Az. 2 K 4/11) die Kälberhaltung auf Spaltenboden, hier auf Bongossi-Hartholz, nach Einholung eines umfangreichen Sachverständigengutachtens ohne weiteres als tierschutzrechtlich zulässig anerkannt. Auch die Merkblätter anderer Behörden, etwa des Werra-Meissner-Kreises oder des Landratsamtes Traunstein, hielten die Haltung von Kälbern auf Spaltenböden für zulässig.
9Der Kläger beantragt,
10den Beklagten unter Abänderung des Zuwendungs‑/Bewilligungsbescheides des Direktors der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen als Landesbeauftragter vom 15. Januar 2014 zu verpflichten, ihm ‑ dem Kläger ‑ für das Jahr 2013 eine weitere Betriebsprämie in Höhe von 671,76 Euro zuzüglich Zinsen in gesetzlicher Höhe seit Rechtshängigkeit der Klage zu bewilligen bzw. zu zahlen,
11hilfsweise,
12den Beklagten zu verpflichten, unter Abänderung des Zuwendungs‑/Bewilligungsbescheides des Direktors der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen als Landesbeauftragter vom 15. Januar 2014 den Kläger bezüglich einer weiteren Betriebsprämie unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und ist der Auffassung, der Vorwurf eines CC-Verstoßes wegen der Haltung der Kälber auf Betonspaltenboden sei zu Recht erhoben worden. Nach einem Erlass des MKULMV vom 7. Oktober 2010, auf den verwiesen werde, sei es überstimmende Meinung der Tierschutzreferenten der Länder gewesen, dass Hartholz- und Betonspaltenböden keine bequeme Fläche zum Liegen darstellten. Insoweit entsprächen die Böden daher nicht den tierschutzrechtlichen Anforderungen und insbesondere nicht der Richtlinie 2008/119/EG. Hinsichtlich des Begriffes „bequem“ habe das Veterinäramt des Kreises C. als Fachamt ergänzend mitgeteilt, in der Literatur werde häufig zu dessen Beschreibung der Terminus „verformbar“ herangezogen. Darunter könne sicherlich nicht ein blanker Betonboden verstanden werden. Im Übrigen werde in zahlreichen Veröffentlichungen über Gummimatten diskutiert, die als bequem anerkannt seien, da sie mindestens verformbar seien.
16Die von der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung geforderte Vermeidung der Wärmeableitung betreffe die Ableitung zwischen Kälberkörper und Betonelement. Angesichts dessen sei es nicht relevant, ob eine Dämmung zur Außenwand hin erfolge, solange die Stalltemperatur nicht der Körpertemperatur des Kalbes entspreche. Die Wärmeableitung steige mit der Wärmeleitfähigkeit des jeweiligen Materials. Für Beton liege diese nachweislich eher im Bereich von Eis. Holz und Gummi seien hingegen diejenigen Materialien, die die höchste Wärmeleitfähigkeit hätten. Ein Liegen darauf führe mithin zu einem guten Wärmeaustausch. Auch die durch die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung geregelte Frage der Wärmeableitung könne letztlich auf den Begriff „bequem“ i.S.d. europarechtlichen Richtlinie bezogen werden.
17In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte mitgeteilt, das Ministerium habe auf seine Anfrage zur Verfahrensweise in Fällen der vorliegenden Art angegeben, auch nach der Entscheidung des VG Minden liege bezüglich der Kälberhaltung auf Spaltenboden keine gesicherte Meinung vor. Es werde die Auffassung vertreten, der beamtete Veterinär könne als Sachverständiger im Einzelfall in eigener Verantwortung im Rahmen des Tierschutzgesetzes zur Frage der Haltung auf Betonspaltenbodens entscheiden.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (2 Hefte, davon vom Veterinäramt des Kreises C. ) Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Die Klage hat Erfolg.
21Die als Verpflichtungsklage zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die weitere Bewilligung und Auszahlung einer Betriebsprämie für das Antragsjahr 2013 in Höhe von 671,76 Euro. Die Kürzung des Betriebsprämienanspruchs des Antragsjahres 2013 mit dem angegriffenen Bescheid vom 15. Januar 2014 in Höhe von 3 % wegen eines CC-Verstoßes ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
22Nach der hier noch zugrundezulegenden Vorschrift des Artikel 4 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 73/2009 hat ein Betriebsinhaber, der Direktzahlungen bezieht, die Grundanforderungen an die Betriebsführung nach Anhang II einzuhalten. Hierzu gehört auch die Einhaltung von Tierschutzstandards (sogenannte Cross Compliance), vorliegend gemäß Art. 5 Abs. 1 b) genannter Verordnung i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 des vorliegend ebenfalls noch anzuwendenden Direktzahlungen-Verpflichtungengesetzes (DirektZahlVerpflG) die in der Verordnung unter Anhang II Buchstabe C 16. aufgeführte Richtlinie 91/629/EWG des Rates über Mindestanforderungen für den Schutz von Kälbern. Diese Richtlinie ist zwischenzeitlich, aber mit Wirkung auch für das vorliegende Verfahren, durch die Richtlinie 2008/119/EG des Rates vom 18. Dezember 2008 über Mindestanforderungen für den Schutz von Kälbern ersetzt worden. Die Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber mit der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung umgesetzt.
23Werden die Grundanforderungen an die Betriebsführung in einem bestimmten Kalenderjahr zu irgendeinem Zeitpunkt nicht erfüllt, wird nach Art. 23 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 73/2009 der Gesamtbetrag der Direktzahlungen nach den Durchführungsbestimmungen gemäß Art. 24 vorgenannter Verordnung gekürzt oder gestrichen. Bei Fahrlässigkeit beträgt nach Art. 24 Abs. 2 der genannten Verordnung die Kürzung höchstens 5 %. Nach Art. 71 Abs. 1 UA 1 der VO (EG) Nr. 1122/2009, die die Durchführungsbestimmungen zur VO (EG) Nr. 73/2009 enthält, beläuft sich die Kürzung bei einem festgestellten Verstoß, der auf Fahrlässigkeit des Betriebsinhabers zurückzuführen ist, im Allgemeinen auf 3 %. Nach Unterabsatz 2 der genannten Bestimmung kann der Prozentsatz auf 1 % vermindert oder auf 5 % erhöht oder unter den Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 1 Buchstabe c der VO (EG) Nr. 1122/2009 überhaupt keine Kürzung verhängt werden.
24Dass im Übrigen ein Verstoß gegen die nationalen Vorschriften der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung gleichwohl grundsätzlich auch nach Unionsrecht sanktioniert werden kann und im Zusammenhang damit der unionsrechtliche Grundsatz der Rechtssicherheit nicht verletzt ist, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt.
25Vgl. zur Sanktionierung aufgrund nationaler Vorschriften BVerwG, Urteil vom 19. September 2013 ‑ 3 C 25.12 ‑, sowie konkret zur Nitratrichtlinie OVG NRW, Beschluss vom 10. Juni 2014 - 16 A 2822/12 -, beide juris.
26Die zu Lasten des Klägers mit der Kürzung der Betriebsprämie vorgenommene Sanktionierung ist aber zu Unrecht erfolgt. Nr. 10 des Anhangs I zu Art. 4 der Richtlinie 2008/119/EG, die vorliegend insoweit nach der Entsprechungstabelle des Anhangs III zur Vorgängerrichtlinie 91/629/EWG anwendbar ist, bestimmt Folgendes:
27„Damit sich die Kälber nicht verletzen, müssen die Böden rutschsicher sein, ohne Unebenheiten aufzuweisen, und dürfen den darauf stehenden oder liegenden Kälbern keine Verletzungen oder Schmerzen verursachen. Sie müssen auf die Größe und das Gewicht der Kälber abgestimmt sein und einen festen, geraden und stabilen Boden bilden. Die Fläche zum Liegen muss bequem, sauber und ausreichend drainiert sein und darf den Kälbern keinen Schaden zufügen.“
28§ 6 Abs. 2 Nr. 2 c) und d) TierSchNutztV bestimmen für Kälberställe, dass sie mit einem Boden ausgestattet sein müssen,
29„c) bei dem, sofern es sich um einen Spaltenboden handelt, die Spaltenweite höchstens 2,5 Zentimeter, bei elastisch ummantelten Balken oder bei Balken mit elastischen Auflagen höchstens drei Zentimeter beträgt, wobei diese Maße infolge von Fertigungsungenauigkeiten bei einzelnen Spalten um höchstens 0,3 Zentimeter überschritten werden dürfen, und die Auftrittsbreite der Balken mindestens acht Zentimeter beträgt,
30d) der im ganzen Liegebereich so beschaffen ist, dass er die Erfordernisse für das Liegen erfüllt, insbesondere dass eine nachteilige Beeinflussung der Gesundheit der Kälber durch Wärmeableitung vermieden wird.“
31Unter Zugrundelegung der vorstehenden Vorgaben ist zwischen den Parteien zunächst maßgeblich umstritten, ob ein (Beton‑)Spaltenboden ohne weitere Auflage – zu denken wäre möglicherweise an Gummimatten oder ähnliche, an die Bestimmung des § 6 Abs. 2 Nr. 2 c TierSchNutztV angelehnte, elastische Auflagen – bequem im Sinne von Nr. 10 des Anhangs I der Richtlinie 2008/119/EG sein kann. Zu Recht weist der Kläger in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass bisher immer noch unklar geblieben ist - zumal weder während der Vor-Ort-Kontrolle oder noch später vom Veterinäramt des Kreises C. Auskunft darüber gegeben worden ist -, wie denn und in welcher Form für die Kälber auf Betonspaltenböden eine Bequemlichkeit des Bodens – jedenfalls für den Bereich, der zum Liegen bestimmt ist – vorzusehen wäre. Unabhängig davon mag auch fraglich sein, ob unter tierschutzrechtlichen Belangen im Sinne der Ziff. 10 des Anhangs I der Richtlinie 2008/119/EG nicht bereits ein Spaltenboden ohne jedwelche Auflage die Anforderung „bequem“ erfüllt. Denn § 6 Abs. 2 Nr. 2 c) TierSchNutztV differenziert ausweislich seines Wortlautes ausdrücklich zwischen Spaltenböden mit ummantelten und mit nicht ummantelten Balken, so dass die Verwendung von mit nicht elastischen oder sonst verformbaren Auflagen versehenen Spaltenböden in der Kälberhaltung grundsätzlich den Anforderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung entspricht. Im Übrigen ist in dieser Verordnung das Tatbestandsmerkmal der Bequemlichkeit, auf das die Richtlinie in Ziff. 10 in Anhang I abstellt, nicht, insbesondere auch nicht in § 6 Abs. 2 Nr. 2 d), enthalten.
32Das VG Minden hat in seinem – wegen einer umstrittenen tierschutzrechtlichen Ordnungsverfügung zur Kälberhaltung auf Spaltenboden ohne Auflage – nicht rechtskräftigen Urteil vom 20. August 2012
33– 2 K 4/11 –, juris; Aktenzeichen des Berufungsverfahrens beim OVG NRW: 20 A 2235/12
34dargelegt, lediglich in der Literatur werde zur Erfüllung der in der Richtlinie angeführten „Bequemlichkeit“ Trockenheit, Weichheit und Verformbarkeit des Untergrundes gefordert. Es hebt hervor, dass offenbar keine abschließende Einigkeit über die tierschutzrechtlichen Anforderungen an die Bodenausstattung für die Kälberhaltung bestehe. Das Verwaltungsgericht verweist in diesem Zusammenhang auch auf den vom Beklagten im vorliegenden Verfahren erwähnten Erlass des Ministeriums vom 7. Oktober 2010, wonach Hartholz-bzw. Betonspaltenböden nach übereinstimmender Meinung der Tierschutzreferenten keine bequeme Fläche zum Liegen darstellten. Das Gericht kommt anschließend nach Beweiserhebung durch Vernehmung eines Sachverständigen zu einer Untersuchung in einem Praxisbetrieb von vier unterschiedlichen Varianten von Spaltenböden (Bongossi-Holzspalten, elastisch ummantelte Spalten [ICE], Kunststoff-Rostböden [MIK] und einer Gummiauflage auf Spalten) zu dem Ergebnis, dass der im dortigen Verfahren in Rede stehende und nicht mit einer weiteren, verformbaren Auflage versehene Bongossi-Hartholzspaltenboden – damit also ein Spaltenboden, der dem im Betrieb des Klägers vorgefundenen Betonspaltenboden vergleichbar ist – den tierschutzrechtlichen Anforderungen jedenfalls derzeit genüge.
35Soweit unter diesen Umständen ebenso in Frage kommt, dass der vom Kläger in seinem Kälberstall eingebaute Betonspaltenboden den Voraussetzungen der Richtlinie der Frage der „Bequemlichkeit“ genügt, fehlt es angesichts der vom Beklagten beim zuständigen Ministerium eingeholten und in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Auskunft, es liege auch nach der Entscheidung des VG Minden keine gesicherte Meinung zur Haltung auf Hartholz- und Betonspaltenböden vor; vielmehr werde die Auffassung vertreten, der beamtete Veterinär könne als Sachverständiger im Einzelfall in eigener Verantwortung im Rahmen des Tierschutzgesetzes zur Frage der Haltung auf Betonspaltenbodens entscheiden, fehlt es dann an einer eindeutigen Festlegung und Regelung, dass Betonspaltenböden nicht die tierschutzrechtlichen Voraussetzungen – seien es die der zitierten Richtlinie oder die der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung – erfüllt. Vielmehr bleibt dies gerade vollständig unklar, weil je nach vertretener Auffassung in dem einen Amtsbezirk Betonspaltenböden ohne Auflage von der Veterinärbehörde als unzulässig erachtet werden und in einem anderen Bezirk eben nicht.
36In diesem Zusammenhang legt das Gericht ferner zu Grunde, dass die erst im vorliegenden Verfahren vom Veterinäramt des Kreises C. geltend gemachte Wärmeableitung mangels einer (zusätzlichen) Auflage auf dem Betonspaltenboden ebenso wenig wie die Frage der Bequemlichkeit des Bodens unumstritten ist. Denn soweit - wie sich aus der oben zitierten Regelung § 6 Abs. 2 Nr. 2 d) TierSchNutztV ergibt – die nationale Verordnung zur Kälberhaltung die Ausstattung des Stalles mit einem Boden verlangt, der eine nachteilige Beeinflussung der Gesundheit der Kälber durch Wärmeableitung vermeidet, findet sich dieses Erfordernis in Anhang I Nr. 10 der Richtlinie 2008/119/EG demgegenüber gerade nicht. Auch insoweit besteht wie bereits bei der Frage der „Bequemlichkeit“ ein Dissens zwischen Richtlinie und mitgliedstaatlicher Ausführungsverordnung. Dass der vom Kläger verwandte Betonspaltenboden, der seinen unwidersprochenen Angaben zufolge ausdrücklich zu den Außenwänden des Stalles mit Styroporunter- und -auflagen gedämmt ist, im übrigen deutlich kälter als der vom VG Minden unbeanstandete Bongossi-Hartholzspaltenboden wäre und zu einer unangemessenen Wärmeableitung führte, ist auch angesichts der allgemein gehaltenen Ausführungen des Beklagten zur Physik der Wärmeleitung bei Holz und Beton eher unwahrscheinlich. Das gilt desto mehr, als bei der üblichen Bauweise von Betonspaltenböden der überwiegende Teil der Betonbalken keine Verbindung zum Boden darunter bzw. zum Estrich hat. Ferner wird auch dort regelmäßig Dämmmaterial eingebaut, so dass bereits der unter dem Betonspaltenboden sich befindende Boden grundsätzlich hinreichende Dämmung vorweisen wird. Unter diesen Umständen sind die im Tatbestand angeführten Darlegungen des Beklagten reine Spekulation.
37Ist nach alledem schon durchgreifend unklar, ob die beanstandete Haltung der 78 Kälber auf Betonspaltenboden ohne Auflage im oben erörterten Sinne tierschutzrechtlich relevant war, kann dem Kläger jedenfalls nicht vorgeworfen werden, schuldhaft gegen zu beachtende Anforderungen des Tierschutzes im Sinne von Cross Compliance-Regelungen verstoßen zu haben. Einer Entscheidung des Gerichts, ob die Kälberhaltung des Klägers auf Betonspaltenboden ohne Auflage gegen die oben angeführten Bestimmungen verstößt und deswegen einen CC-Vorwurf darstellt, bedarf es daher nicht. Denn soweit Art. 71 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1122/2009 mindestens Fahrlässigkeit des Betriebsinhabers bei einem Verstoß gegen die so genannten anderweitigen Verpflichtungen voraussetzt, kann vorliegend ein solcher Schuldvorwurf nicht erkannt werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Vorsatz und Fahrlässigkeit,
38Siehe etwa Urteile vom 27. Februar 2014 – Rs. C-396/12 – und vom 16. Juni 2011 – Rs. C-536/09 –
39ist davon auszugehen, dass der Fahrlässigkeitsvorwurf im Wesentlichen den auch im nationalen Recht Deutschlands verwandten Begriffen entspricht. Fahrlässigkeit ist etwa in § 276 BGB und in § 15 StGB geregelt. Anerkannt ist in der Rechtsprechung, dass Fahrlässigkeit insoweit die Verletzung von Sorgfaltspflichten bedeutet, wie es ausdrücklich § 276 Abs. 2 BGB mit der Formulierung bestimmt, dass derjenige fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Neben der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung des Handelns, die hier in der unterlassenen Beachtung einschlägiger Vorschriften und Maßstäbe bestehen dürfte, sowie der Vorhersehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung gehört die Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit der Fahrlässigkeit. Ist die Rechtslage in besonderem Maße unklar, kann ein Verschuldensvorwurf nicht gemacht werden.
40Vergleiche etwa Palandt, BGB, 73. Auflage, Rdnr. 23 zu § 276; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auflage, Rdnr. 14 ff., jeweils m.w.N.
41So liegt es hier angesichts der oben dargestellten durchgreifend unklaren Rechtslage bei der Haltung von Kälbern auf Betonspaltenboden. Unter diesen Umständen ist der Ansatz von 3 % Kürzung der Betriebsprämie zu Unrecht erfolgt.
42Die Zuerkennung der Zinszahlung seit Rechtshängigkeit der Klage auf den Nachbewilligungsbetrag folgt aus § 14 Abs. 2 S. 1 MOG i.V.m. §§ 236, 238 und 239 AO. Aus diesen Vorschriften ergibt sich der Zinssatz von einem halben Prozent je vollendeten Monat und die Abrundung des zu verzinsenden Betrages auf den nächsten durch 50 teilbaren Betrag, mithin hier 650 Euro.
43Da der Hauptantrag bereits erfolgreich ist, entfällt eine Bescheidung des hilfsweise gestellten Klageantrags
44Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über deren vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
45Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Frage, ob eine Haltung von Kälbern auf (Beton-)Spaltenböden ohne verformbare Auflage nicht im Einklang mit tierschutzrechtlichen Standards nach Anhang I Nr. 10 der Richtlinie 2008/119/EG und § 6 Abs. 2 Nr. 2 d TierSchNutztV steht, grundsätzliche Bedeutung hat: Sowohl im Tierschutzrecht selbst als auch in weiteren Rechtsgebieten, wie hier dem landwirtschaftlichen Beihilferecht, ist diese Frage, soweit ersichtlich, obergerichtlich bisher nicht geklärt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.