Verwaltungsgericht Köln Urteil, 22. Jan. 2015 - 7 K 4031/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist kasachische Staatsangehörige. Sie beantragte am 12.10.1998 ihre Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz bei dem Bundesverwaltungsamt (BVA). Ihr Ehemann, der die russische Nationalität führt, und die Kinder B. und B1. sollten in den Bescheid einbezogen werden. Ausweislich der vorgelegten Geburtsurkunde vom 30.05.1966 sind die Eltern der Klägerin die deutschen Volkszugehörigen K. und B1. Skolnik. Über die Großeltern ist nach den Antragsangaben nichts bekannt. Im 1986 ausgestellten Inlandspass ist die Klägerin mit deutscher Nationalität eingetragen. Zu ihren deutschen Sprachkenntnissen gab die Klägerin an, sie habe ab dem 2. Lebensjahr mit ihren Eltern und anderen Verwandten Deutsch gesprochen. Ab dem 6. Lebensjahr habe sie auch russisch gesprochen. Jetzt spreche sie in ihrer Familie selten deutsch, könne aber fast alles verstehen und ein einfaches Gespräch führen.
3Am 16.08.2001 wurde die Klägerin in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Karaganda zu ihren Sprachkenntnissen angehört. Sie erklärte, sie habe als Kind die deutsche Sprache erlernt, und zwar außerhalb des Elternhauses in der Schule und in einem Sprachkurs. In der Familie sei ausschließlich Russisch gesprochen worden. Der Sprachtester stellte fest, dass eine Verständigung in deutscher Sprache zwar möglich, ein Gespräch im Sinne eines Dialoges aber nicht zustande gekommen sei. Die Antragstellerin verstehe die meisten Fragen sofort. Sie reagiere meist auf einzelne Begriffe in der Frage. Eine Verständigung sei unter gelegentlicher Einschaltung einer Dolmetscherin möglich gewesen. Die Antragstellerin spreche keinen deutschen Dialekt, sondern mit dem typischen russischen Akzent.
4Mit Bescheid vom 22.12.2003 wurde der Aufnahmeantrag der Klägerin mit der Begründung abgelehnt, nach dem Ergebnis des Sprachtests sei die Klägerin nicht in der Lage, ein einfaches Gespräch in deutscher Sprache zu führen. Von einer familiären Vermittlung der deutschen Sprache im Elternhaus könne damit nicht ausgegangen werden. Unter dem 22.12.2003 erging außerdem ein Bescheid des BVA, durch den der Ehemann der Klägerin und die Kinder B. und B1. in den Aufnahmebescheid der Mutter des Ehemannes, B1. H. , einbezogen wurden. In dem Einbeziehungsbescheid war die Klägerin als mit einreisende Familienangehörige nach § 8 Abs. 2 BVFG eingetragen. In einem beigefügten Vermerk wurde darauf hingewiesen, dass die Klägerin dem Ausländerrecht unterliege und keine Leistungen als Spätaussiedlerin oder als Ehegattin eines Spätaussiedlers nach dem Bundesvertriebenengesetz erhalten könne.
5Der Ablehnungsbescheid wurde der Bevollmächtigten der Klägerin mit Einwurf-Einschreiben übersandt. Als Absendedatum ist der 30.12.2003 vermerkt. Nach ihrer Einreise nach Deutschland legte die Klägerin mit Schreiben vom 28.07.2004, das am 11.08.2004 beim BVA einging, Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid ein. In der Begründung machte sie geltend, sie habe bei dem Sprachtest alle Fragen verstanden und gut beantworten können. Ihre Eltern seien Deutsche gewesen. Sie habe sich in der Familie auf Deutsch unterhalten. Da die Mutter sehr früh gestorben sei, sei diese Möglichkeit weggefallen. Daher sei ihre Aussprache heute nicht mehr akzentfrei.
6Durch Widerspruchsbescheid vom 19.08.2004 wurde der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen. Die Klägerin habe die Monatsfrist des § 70 VwGO nicht eingehalten. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 27.08.2004 zugestellt. Klage wurde nicht erhoben.
7Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.02.2010 stellt die Klägerin den Antrag, das Verfahren auf Aufnahme nach dem BVFG wieder aufzunehmen und ihr einen Aufnahmebescheid als Spätaussiedlerin zu erteilen. In der Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe bei ihrer Anhörung in Karaganda am 16.08.2001 sehr wohl ein einfaches Gespräch nach den Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts führen können. Sie habe alle Fragen beantwortet. Eine fehlerhafte Bewertung des Sprachtests sei offensichtlich. Die Beurteilung des Sprachtesters sei widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Dieser habe falsche Kriterien zugrundegelegt. Insbesondere sei die Beherrschung eines deutschen Dialektes nicht erforderlich, ein russischer Akzent sei nicht schädlich.
8Außerdem habe das BVA gegen § 28 VwVfG und § 39 VwVfG verstoßen. Der Ablehnungsbescheid sei ohne vorherige Anhörung und ohne die erforderliche Begründung ergangen. Daher überwiege im vorliegenden Verfahren der Grundsatz der rechtmäßigen Verwaltung gegenüber dem Grundsatz der Rechtssicherheit. Es liege eine Ermessensreduzierung auf null zugunsten einer Rücknahme des rechtswidrigen Ablehnungsbescheides vor.
9Nachdem der beauftragte Rechtsanwalt das Mandat niedergelegt hatte, wurde der Antrag von der Klägerin persönlich ergänzend begründet. In einem vorgelegten Lebenslauf machte die Klägerin geltend, sie sei nach der Einreise am 29.04.2004 von den deutschen Behörden falsch beraten worden. Man habe ihr im ersten Aufnahmelager in Friedland gesagt, sie könne einen Widerspruch gegen die Ablehnung erst im zweiten Aufnahmelager einlegen, wo man ihr aber mitgeteilt habe, sie müsse sich an das für das Übergangswohnheim zuständige Rathaus wenden. Dort habe man sie ausgelacht, weil die Frist für den Widerspruch längst abgelaufen gewesen sei. Mehrere Behördenmitarbeiter hätten geäußert, dass bei der Ablehnung ein Fehler unterlaufen sei, da sie gut deutsch spreche. Die Anmeldung zu einem deutschen Sprachkurs sei abgelehnt worden, weil sie überqualifiziert gewesen sei. Hierzu legte sie eine Bescheinigung des Landratsamtes Heilbronn vom 07.07.2010 vor.
10Mit Bescheid vom 15.03.2011 wurde der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens abgelehnt. Zur Begründung wurde angegeben, ein Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG liege nicht vor. Weder hätte sich die Sach- oder Rechtslage geändert, noch seien neue Beweismittel vorgelegt worden. Auch eine Wiederaufnahme nach § 51 Abs. 1 iVm § 48 VwVfG komme nicht in Betracht. Die Ablehnung sei nicht offensichtlich rechtswidrig, sondern anhand des Sprachtestprotokolls nachvollziehbar. Die von der Klägerin geltend gemachte fehlerhafte Beratung durch Behördenvertreter nach der Einreise habe nicht dazu geführt, dass sie ihre Rechte nicht habe durchsetzen können. Denn zu diesem Zeitpunkt sei die Widerspruchsfrist längst abgelaufen gewesen. Die Klägerin habe aber nicht glaubhaft gemacht, dass sie die Widerspruchsfrist nicht habe einhalten können. Sie habe auch auf eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid verzichtet. Ein Festhalten an der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides verstoße daher nicht gegen Treu und Glauben.
11Hiergegen legte die Klägerin am 13.04.2011 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 11.05.2012 stellte sie beim BVA und beim Landratsamt Heilbronn einen Antrag auf Anerkennung als Spätaussiedlerin nach § 4 BVFG nach eigenem Recht. Durch Widerspruchsbescheid vom 06.06.2012 wurde der Widerspruch gegen die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Aufnahmeverfahrens zurückgewiesen und der Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung als Spätaussiedlerin abgelehnt. Zur Begründung wurde angegeben, die Klägerin sei nicht im Wege des Aufnahmeverfahrens, sondern als Ausländerin eingereist. Spätaussiedler könne nach § 4 BVFG aber nur derjenige sein, der das Aussiedlungsgebiet im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen habe.
12Gegen den Widerspruchsbescheid im Verfahren auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens wurde keine Klage erhoben.
13Gegen die Ablehnung der Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung legte die Klägerin am 03.07.2012 Widerspruch ein. Dieser wurde im Auftrag der Klägerin mit Schreiben vom 02.09.2012 begründet. Im Wesentlichen heißt es dort, die Klägerin sei deutsche Volkszugehörige. Beide Eltern hätten der deutschen Nationalität angehört. Die Klägerin habe sich in ihrem Inlandspass zur deutschen Nationalität bekannt. Ihr sei die deutsche Sprache genauso wie den beiden Schwestern U. und B1. in der Familie vermittelt worden. Beide Schwestern seien als deutsche Volkszugehörige anerkannt, die Schwester B1. T. , geb. am 00.00.1964, als Spätaussiedlerin und die Schwester U. L. , geb. am 00.00.1959, als Vertriebene. Die Klägerin habe, angefangen mit der Beantragung des Visums in der Deutschen Botschaft, alle Verfahren bei deutschen Behörden ohne Probleme selbst durchgeführt. Die Anmeldung bei einem Sprachkurs sei wegen ihrer guten Sprachkenntnisse abgelehnt worden.
14In einer persönlichen Äußerung zum Widerspruchsverfahren erklärte die Klägerin, das Gutachten über den Sprachtest sei falsch; möglicherweise sei das richtige Gutachten verloren gegangen oder verlegt worden. Sie habe alle Fragen in vollen Sätzen beantwortet und darüber hinaus viel in deutscher Sprache über das Familienleben erzählt. Dies alles sei nicht richtig protokolliert worden.
15Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2013 wurde der Widerspruch gegen die Ablehnung der Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung zurückgewiesen. Die Klägerin sei nicht im Wege des Aufnahmeverfahrens eingereist, sondern als ausländische Staatsangehörige. Da die Aufnahme bestandskräftig abgelehnt worden sei und auch das Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens bestandskräftig abgelehnt worden sei, könne dieser Mangel auch nicht mehr beseitigt werden.
16Am 09.04.2013 hat die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid vom 11.03.2013 Klage erhoben, mit der sie ihren Anspruch auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG weiterverfolgt. Diese Klage ist Gegenstand des Verfahrens 7 K 2370/13.
17Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 15.07.2013 stellte die Klägerin einen Antrag auf nachträgliche Aufnahme als Spätaussiedlerin in einem Härtefall, weil sich die Rechtslage durch die Neuregelung im 10. Änderungsgesetz zum BVFG geändert habe. Die dort vorgesehenen Voraussetzungen für die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit, insbesondere die sprachlichen Anforderungen, seien erfüllt.
18Durch Bescheid des BVA vom 04.03.2014 wurde der Antrag auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens und Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG abgelehnt. In der Begründung wurde mitgeteilt, durch das Inkrafttreten des 10. Änderungsgesetzes vom 06.09.2013 habe sich zwar eine Änderung der Rechtslage ergeben. Diese wirke sich aber nicht zugunsten der Klägerin aus.
19Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei bei der Beurteilung des Statuserwerbs nach § 4 BVFG auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Einreise des Aufnahmebewerbers abzustellen. Für die Klägerin sei daher die Rechtslage bei ihrer Einreise 2004 maßgebend. Mit dem 10. Änderungsgesetz sollten die Personen begünstigt werden, die bislang noch nicht hätten aussiedeln können, weil sie die Voraussetzungen nach dem bisherigen Recht nicht erfüllten. Demgegenüber sei es nicht Absicht des Gesetzgebers gewesen, die neue Rechtslage rückwirkend für alle bereits in Deutschland aufgenommenen Personen einzuführen und ihnen damit nachträglich Fremdrentenansprüche einzuräumen.
20Selbst wenn aber das 10. Änderungsgesetz für die Feststellung des Status der Klägerin Anwendung fände, sei nicht erkennbar, dass sich dieses zu ihren Gunsten auswirke. Auch nach der Änderung sei der Nachweis von deutschen Sprachkenntnissen auf dem Niveau eines einfachen Gesprächs erforderlich, § 6 Abs. 2 BVFG n.F.. Diese müssten spätestens bei der Begründung des Aufenthaltes in der Bundesrepublik vorgelegen haben. Dies könne aber nach dem Ergebnis des Sprachtests im Jahr 2001 nicht festgestellt werden.
21Ein Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 5 iVm § 48 Abs. 1 VwVfG komme ebenfalls nicht in Betracht. Ein Festhalten an der bestandskräftigen Ablehnung führe nicht zu schlechthin unerträglichen Ergebnissen. Dagegen spreche schon, dass die Klägerin die Ablehnung über Jahre hinweg hingenommen habe. Diese sei auch nicht offensichtlich rechtswidrig. Nach dem Sprachtestprotokoll vom 16.08.2001 sei die Klägerin zu einem einfachen Gespräch auf Deutsch nicht in der Lage gewesen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anhörung nicht korrekt durchgeführt oder protokolliert worden sei.
22Aber selbst bei einem Wiederaufgreifen habe die Klägerin keinen Anspruch auf Aufnahme nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, da ein Härtefall nicht vorliege. Denn die Klägerin halte sich bereits seit 10 Jahren mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland auf. Außerdem fehle es an dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang mit der Ausreise und der Betätigung des Spätaussiedlerwillens. Dieser habe schon bei der ersten Beantragung des Wiederaufgreifens des Verfahrens im Februar 2010, also mehr als 5 Jahre nach der Einreise, nicht mehr bestanden.
23Gegen den Ablehnungsbescheid vom 04.03.2014 legte die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 06.03.2014 am 11.03.2014 Widerspruch ein, der wie folgt begründet wurde: Maßgeblich sei nach der aktuellen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung die im Entscheidungszeitpunkt geltende Rechtslage und damit das BVFG in der Fassung des 10. Änderungsgesetzes. Es lasse sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, dass eine Höherstufung von bereits in Deutschland aufgenommenen Personen nach dem 10. Änderungsgesetz ausgeschlossen sei. Im Übrigen sei ein Härtefall gegeben, wenn sich die Klägerin zwischen der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem deutschen Ehemann und der Aussicht auf eine für sie günstige Änderung des BVFG entscheiden müsse. Auch der zeitliche Zusammenhang zwischen Aussiedlung und Antragstellung könne hier keine Rolle spielen, da die Klägerin nicht auf beliebige Weise nach Deutschland übergesiedelt sei, sondern als Teil eines Familienverbandes von Spätaussiedlern. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 04.03.2014 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2014 zurückgewiesen.
24Gegen den Widerspruchsbescheid vom 23.06.2014 hat die Klägerin am 25.07.2014 Klage erhoben, mit der sie ihren Anspruch auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens und Erteilung eines Aufnahmebescheides in einem Härtefall nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG weiterverfolgt. Diese Klage ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens 7 K 4031/14.
25Im Klageverfahren 7 K 2370/13 hat die Klägerin eine persönliche Erklärung zum Erwerb ihrer Sprachkenntnisse und zum Ablauf des Sprachtests in Karaganda abgegeben. Danach sei zu Hause immer Deutsch gesprochen worden, weil die Eltern kein Russisch konnten. Großeltern habe sie nie gesehen. Im 14. Lebensjahr sei jedoch die Mutter gestorben. Danach sei sie aus dem Elternhaus weggegangen, um die Ausbildung als Erzieherin zu machen. Sie habe dann viele Jahre keinen deutschen Menschen gesehen. 1986 habe sie geheiratet. Der Vater des Ehemannes sei Russe gewesen. Deswegen sei auch seine Mutter gezwungen gewesen, Russisch zu sprechen. Sie habe trotzdem die Muttersprache nie vergessen. In der Schule sei sie im Fach Deutsch immer die Beste gewesen.
26Der Sprachtest sei freundlich verlaufen. Sie habe alle Fragen verstanden und den Dolmetscher nicht gebraucht. Nur ein paar Wörter hätten erklärt werden müssen. Sie habe vieles über ihre Familie und die Eltern erzählt. Am Ende habe die Sprachtesterin gesagt: „Gut, recht gut.“ Nach dem Sprachtest habe ihre Nichte aus Karlsruhe beim BVA angerufen und dieser sei mitgeteilt worden, dass sie selbst und ihre Schwiegermutter den Sprachtest bestanden hätten. Deshalb sei sie über die Ablehnung schockiert gewesen. In dem Sprachtestprotokoll, das sie 2010 im ersten Wiederaufnahmeverfahren gesehen habe, sei die Hälfte der gestellten Fragen nicht enthalten gewesen. Auch die Erzählungen über die Familie seien nicht aufgenommen worden. Auf den Seiten 47, 49, 50, 51 und 52 fehle ihre Unterschrift. Sie nehme daher an, dass die Unterlagen bei der Bearbeitung in eine fremde Akte geraten seien. Sie habe sich schon bei der Beantragung des Ausreisevisums bei der Deutschen Botschaft gegen die Einstufung nach § 8 BVFG gewehrt, sei aber immer vertröstet worden. Bei der Ausländerbehörde des Landratsamtes Heilbronn sei festgestellt worden, dass sie keinen Sprachkurs brauche, weil sie gute Deutschkenntnisse habe. Es könne nicht sein, dass ihre Schwestern als deutsche Volkszugehörige anerkannt seien, sie dagegen nicht.
27Im vorliegenden Klageverfahren 7 K 4031/14 wiederholt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zunächst die Ausführungen zur Anwendbarkeit des 10. Änderungsgesetzes zum BVFG. Im Übrigen sei die Klägerin bei Ablegung des Sprachtests am 16.08.2001 sehr wohl in der Lage gewesen, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen. In der Bewertung heiße es, die Klägerin habe die meisten Fragen sofort verstanden. Außerdem zeige das Protokoll, dass die Klägerin größtenteils in ganzen Sätzen, und nicht in einzelnen Wörtern habe sprechen können. Die Klägerin sei nur aufgrund einer Notsituation mit der Schwiegermutter nach Deutschland übergesiedelt: dem Sohn habe die Einziehung gedroht, es habe ein kriminelles Umfeld im Wohngebiet bestanden. Die Sprachkenntnisse der Klägerin im Zeitpunkt der Übersiedlung könnten von zahlreichen Zeugen bestätigt werden. Dies ergebe sich auch aus der Bescheinigung des Landratsamts Heilbronn vom 07.07.2010, wonach die Klägerin am Anfängerdeutschkurs nicht habe teilnehmen können, weil sie überqualifiziert gewesen sei.
28Die Klägerin beantragt,
29die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2014 zu verpflichten, das Verfahren wiederaufzugreifen und der Klägerin einen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG zu erteilen.
30Die Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Sie ist der Auffassung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen ihres Aufnahmeverfahrens und nachträgliche Erteilung eines Aufnahmebescheides im Härteweg. Insoweit werde auf die Begründung der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
33Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren 7 K 2370/13 und 7 K 4031/14 und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
35Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 04.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen ihres bestandskräftig abgeschlossenen Aufnahmeverfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG oder auf Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 22.12.2003 nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG und Erteilung eines Aufnahmebescheides im Wege der Härtefallentscheidung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG.
36Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 VwVfG ist nicht gegeben. Die Klägerin hat einen Wiederaufnahmegrund im Sinne dieser Vorschriften nicht schlüssig vorgetragen. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG muss die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf eine Änderung der Rechtslage zu ihren Gunsten durch das 10. Änderungsgesetz zum BVFG vom 06.09.2013 (BGBl. I S. 3554) berufen.
37Es kann dahinstehen, ob das 10. Änderungsgesetz für die Beurteilung eines nachträglichen Aufnahmeanspruchs der Klägerin, die nach ihren Angaben bereits am 29.04.2004 in das Bundesgebiet eingereist ist, Anwendung findet oder ob insoweit die zum Zeitpunkt der Einreise geltende Rechtslage maßgeblich ist. Zur Klärung dieser Frage hat das Bundesverwaltungsgericht in zwei Verfahren die Revision gegen Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zugelassen, über die noch nicht entschieden ist,
38vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27.10.2014 – 1 B 15.14 (1 C 30.14) und 1 B 14.14 (1 C 29.14) - .
39Im vorliegenden Verfahren kommt es darauf nicht an, weil die Anforderungen, die § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG in der aktuellen Fassung des 10. Änderungsgesetzes an die Sprachkenntnisse eines Spätaussiedlers zum Zweck der Bestätigung des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum stellt, bereits seit dem am 07.09.2001 in Kraft getretenen Spätaussiedlerstatusgesetz und damit schon im Zeitpunkt des Ablehnungsbescheides und der Einreise der Klägerin bestanden. Es gilt unverändert, dass das Bekenntnis zum deutschen Volkstum durch den Nachweis der Fähigkeit bestätigt werden muss, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Aufnahmeantrag, in Fällen des § 27 Abs. 2 im Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich dieses Gesetzes, zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können,
40vgl. VG Köln, Urteil vom 09.04.2014 – 4 K 3448/13 - , bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 17.11.2014 – 11 A 1127/14 - .
41Zwar hat sich die Rechtslage durch das 10. Änderungsgesetz insoweit zugunsten von potentiellen Antragstellern geändert, als diese Sprachkenntnisse nicht mehr auf familiärer Vermittlung beruhen müssen, es sei denn, sie sind für die Begründung eines Bekenntnisses auf andere Weise erforderlich. Darüber hinaus wurden die Ausnahmen von dem Erfordernis der Sprachkenntnisse, die bereits für Fälle einer behinderungsbedingten Unmöglichkeit des Spracherwerbs bestanden, auf Fälle einer krankheitsbedingten Unmöglichkeit erweitert. Diese Verbesserungen der Rechtslage wirken sich jedoch – entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin - auf die vorliegende Fallgestaltung nicht aus, weil die Ablehnung des Aufnahmeantrages nicht auf diesen geänderten Tatbestandsmerkmalen, insbesondere nicht auf einer fehlenden Vermittlung der deutschen Sprache in der Kindheit der Klägerin, beruhte.
42Vielmehr war für die Ablehnung entscheidungserheblich, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung kein einfaches Gespräch in deutscher Sprache führen konnte. Dies führte nach der früheren Gesetzesfassung des § 6 Abs. 2 BVFG dazu, dass das Bestätigungsmerkmal der „familiären Vermittlung der deutschen Sprache“ nicht festgestellt werden konnte, weil diese Feststellung kumulativ vom Nachweis der Fähigkeit zur Führung eines einfachen Gesprächs im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung und ergänzend von der fortwirkenden Sprachvermittlung durch die Familie in der Kindheit - abhängig war.
43Nach der neuen Gesetzesfassung ist die familiäre Sprachvermittlung als Bestätigungsmerkmal entfallen. Vielmehr ist Bestätigungsmerkmal nunmehr unmittelbar der Nachweis der Fähigkeit zur Führung eines einfachen Gesprächs. Da die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit nach § 6 Abs. 2 BVFG bereits an diesem, nach wie vor erforderlichen Nachweis gescheitert ist und nicht an dem fehlenden Vorgang der Weitergabe der deutschen Sprache in der Kindheit der Klägerin, wirkt sich der Verzicht des Gesetzgebers auf die familiäre Sprachvermittlung nicht zugunsten der Klägerin aus. Demnach liegt hier eine entscheidungserhebliche Änderung der Rechtslage nicht vor.
44Auch der Wiederaufnahmegrund des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG ist nicht erfüllt. Danach muss das Verfahren wiederaufgegriffen werden, wenn neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Die nunmehr benannten Zeugen bzw. die - nach der mündlichen Verhandlung - vorgelegten schriftlichen Zeugenaussagen zu den deutschen Sprachkenntnissen der Klägerin sind keine „neuen“ Beweismittel. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass diese Zeugen nicht schon im Widerspruchsverfahren gegen den Ablehnungsbescheid bzw. in einem anschließenden Klageverfahren verfügbar gewesen wären. Dasselbe gilt für die Bescheinigung des Landratsamtes Heilbronn vom 07.07.2010, wonach die Klägerin nicht zu einem Anfängerdeutschkurs des Landratsamtes Heilbronn angemeldet werden konnte, weil sie überqualifiziert gewesen sei. Diese ist ebenfalls nicht „neu“, weil sie sich auf Vorgänge zu Beginn des Aufenthaltes der Klägerin in Deutschland bezieht, also auf die Zeit ab April 2004, die daher auch schon in einem früheren Verfahren hätte ausgestellt und beigebracht werden können.
45Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG i.V.ml. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG im Wege einer Ermessensreduzierung auf null.
46Nach § 51 Abs. 5 VwVfG ist eine Verwaltungsbehörde ermächtigt, nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen ein bestandskräftig abgeschlossenes Verwaltungsverfahren wiederaufzugreifen. Mit der Befugnis zum Wiederaufgreifen korrespondiert ein gerichtlich einklagbarer Anspruch des Betroffenen auf fehlerfreie Ermessensausübung.
47Im Rahmen der Ermessensausübung handelt die Behörde grundsätzlich ermessensfehlerfrei, wenn sie dem privaten Interesse an einer erneuten Entscheidung und dem Gesichtspunkt der materiellen Gerechtigkeit keinen höheren Stellenwert als dem Gebot der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, die für den Bestand des Verwaltungsakts streiten, beimisst. Beide Grundsätze sind – auch im Vertriebenenrecht – gleichrangig. Potentielle Spätaussiedler genießen mit Blick auf Art. 116 GG keinen größeren Schutz als sonstige Rechtsinhaber,
48vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 5 C 9/11 - ; OVG NRW, Beschluss vom 08.06.2010 - 12 A 3328/08 - , Beschluss vom 13.08.2008 - 12 A 417/07 - .
49Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit verdichtet sich das Ermessen der Behörde erst dann zugunsten des Betroffenen, wenn das Festhalten an dem bestandskräftigen Verwaltungsakt „schlechthin unerträglich“ wäre, was von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt.
50Die Berufung auf die Bestandskraft der Entscheidung ist insbesondere dann „schlechthin unerträglich“, wenn die Behörde den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt. Eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der bestandskräftige Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist,
51vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 5 C 9/11 - , Urteil vom 22.10.2009 - 1 C 15/08 - ; OVG NRW, Beschluss vom 27.06.2011 - 12 A 2096 /10 - .
52Einfache Zweifel an der Rechtmäßigkeit des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides vermögen jedoch einen Wiederaufnahmeanspruch in der Regel nicht zu begründen.
53Bei Anwendung dieser Grundsätze kann nicht festgestellt werden, dass die Ablehnung des Aufnahmeantrags durch Bescheid vom 22.12.2003 offensichtlich rechtswidrig war. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich bereits aus dem Akteninhalt ohne weitere Aufklärung ergibt, dass die Beklagte die Voraussetzungen für die Anerkennung der Spätaussiedlereigenschaft nach § 4 Abs. 1 BVFG i.V.m. § 6 Abs. 2 BVFG a. F. seinerzeit eindeutig und klar erkennbar zu Unrecht verneint hat. Dies ist indessen nicht der Fall. Insbesondere ist die Bewertung des Bundesverwaltungsamtes, dass die Klägerin in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung über den Aufnahmeantrag im Dezember 2003 kein einfaches Gespräch auf Deutsch führen konnte, nicht offensichtlich unzutreffend.
54Die Fähigkeit zum Führen eines einfachen Gesprächs setzt voraus, dass sich der Aufnahmebewerber über einfache Lebenssachverhalte aus dem familiären Bereich, über alltägliche Situationen und Bedürfnisse oder über die Ausübung eines Berufs oder einer Beschäftigung grundsätzlich in ganzen Sätzen und in einem einigermaßen flüssigen Austausch von Rede und Gegenrede unterhalten kann. Hierbei ist ein langsameres Verstehen und Sprechen sowie Fehler in Satzbau, Wortwahl und Aussprache nicht schädlich, wenn diese nach Art und Zahl einem richtigen Verstehen nicht entgegenstehen,
55vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2003 – 5 C 11.03 – juris, Rn. 18 ff., und – 5 C 33.02 – juris, Rn. 17 ff..
56Diese Anforderungen hat die Klägerin bei der Anhörung am 16.08.2001 in Karaganda nicht erfüllt. Ein Gespräch im Sinne eines Austausches von Rede und Gegenrede kam nicht zustande. Zutreffend ist zwar, dass die Klägerin auf die ersten Fragen in ganzen Sätzen geantwortet hat. Jedoch hat sie überwiegend nicht auf die konkrete gestellte Frage reagiert, sondern hat zu einem in der Frage enthaltenen Stichwort wie Familie, Arbeit oder Geburtstag eine Aussage gemacht, die jedoch nicht zum Inhalt der Frage passte. So erwiderte sie beispielsweise auf die Bitte, vom Ort ihrer Kindheit zu erzählen, „Ich habe geboren in Semipalatinsk. Dorf Usunbulak, dort hab ich in die Schule gehen.“ Diese Antwort enthält keine Beschreibung des Ortes, in dem sie aufgewachsen ist. Auf die Aufforderung zu erzählen, wie sie ihren letzten Geburtstag gefeiert habe, erklärte sie, „Meine letzte Geburtstag ist am 20. Mai in diesem Jahr.“ Eine Aussage zur Geburtstagsfeier ist in dieser Antwort nicht enthalten. Die Bitte zu erzählen, wie sie ihren Mann kennengelernt habe, wurde wie folgt beantwortet: „Meine Schwester hat in Semipalatinsk gewohnt, wir haben kennengelernt zusammen.“ Daraus lässt sich nicht entnehmen, wie die erste Begegnung mit dem Ehemann abgelaufen ist.
57Die Klägerin hat also den Inhalt dieser Fragen nicht verstanden. Vielmehr ist die Annahme naheliegend, dass die Antworten der Klägerin für bestimmte erwartete Fragen vorbereitet und einstudiert worden sind. Jedoch war die Klägerin zu einer freien Formulierung ihrer Gedanken in einfachen Sätzen nicht in der Lage, wie sich insbesondere bei den Fragen zeigte, die auf das Erzählen eines längeren Geschehensablaufes gerichtet waren, wie beispielsweise die Deutschlandreise, die Zubereitung von Tee, die Feier des Weihnachtsfestes. Auf diese Fragen hat die Klägerin gar nicht oder nur bruchstückhaft geantwortet. Ein Dialog mit der Klägerin kam daher nicht zustande.
58Die Bewertung des Sprachtesters, die Klägerin habe die meisten Fragen sofort beantwortet, eine Verständigung sei unter gelegentlicher Einschaltung der Dolmetscherin möglich gewesen, die Antragstellerin reagiere meistens auf einzelne Wörter/Begriffe in der Frage, ist bei dem oben geschilderten Ablauf des Sprachtests nachvollziehbar. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass das Ergebnis des Sprachtests noch hätte verbessert werden können, wenn Fragen wiederholt, umformuliert oder ergänzt worden wären. Es lässt sich aber nicht mit Sicherheit feststellen, dass auch bei einer vermehrten Hilfestellung ein einfaches Gespräch zustande gekommen wäre. Damit erweist sich die Bewertung des Sprachtesters nicht als offensichtlich unzutreffend.
59Es kann auch nicht beanstandet werden, dass der Sprachtester im Anhörungsprotokoll vermerkt hat, dass die Klägerin keinen Dialekt, sondern mit dem typischen russischen Akzent gesprochen hat. Denn seinerzeit kam es auch auf die familiäre Vermittlung der deutschen Sprache an, sodass beispielsweise die Beherrschung eines deutschen Dialekts als positives Indiz für eine familiäre Sprachvermittlung herangezogen werden konnte. Die negative Bewertung des Sprachtests im Ablehnungsbescheid vom 22.12.2003 ist aber nicht auf das Fehlen eines Dialekts oder den russischen Akzent der Klägerin in ihrer Aussprache gestützt, sondern allein auf „unzureichende Sprachkenntnisse ..., die für ein einfaches Gespräch keineswegs ausreichen“. Demnach kann nicht festgestellt werden, dass sich die Anmerkungen des Sprachtesters zur Aussprache auf die Bewertung der Fähigkeit zur Führung eines einfachen Gesprächs ausgewirkt haben.
60Es gibt keinerlei Anhaltspunkte in der Akte für die Vermutung der Klägerin, dass der Sprachtest nicht richtig protokolliert worden wäre. Insbesondere kann ausgeschlossen werden, dass die Anlage zum Anhörungsprotokoll (Bl. 51, 52 des Verwaltungsvorgangs) verloren gegangen oder ausgetauscht worden ist. Die Anlage enthält oben das zutreffende Aktenzeichen. Die Angaben der Klägerin stimmen mit ihrem Lebenslauf überein. Das Fehlen der Unterschrift ist unerheblich, da auf der Anlage zum Protokoll keine Unterschrift vorgesehen ist, nur unter der Ziff. 1.4 auf Bl. 48 des Verwaltungsvorgangs. Dort ist die Unterschrift auch vorhanden.
61Die Rüge der Klägerin, dass Fragen und Antworten unvollständig protokolliert worden seien, lässt sich nicht nachvollziehen. Insbesondere bezieht sich eine Reihe von Fragen, die die Klägerin im Protokoll vermisst, auf die familiäre Sprachvermittlung unter den Ziff. 1.2 und 1.3.. Diese Fragen und Antworten tauchen nicht in der Anlage zum Protokoll auf, weil sie in russischer Frage vor Beginn des eigentlichen Sprachtests gestellt worden sind, vgl. Vermerk unter Ziff. 4.1. Im Übrigen erscheint die Behauptung der Klägerin nicht plausibel, dass sie ganz viel zu ihrer Familie erzählt habe. Hierfür reichten die Sprachkompetenz, insbesondere der in den Antworten erkennbare begrenzte Wortschatz und die Fähigkeit zur Satzbildung offensichtlich nicht aus.
62Es ist schließlich auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei Erlass des Ablehnungsbescheides, der mehr als zwei Jahre nach Ablegung des Sprachtests erfolgte, die dort gezeigten Sprachkenntnisse zugrundegelegt hat. Es lässt sich nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellen, dass diese Annahme unrichtig war und die Klägerin im Dezember 2003 ein einfaches Gespräch in deutscher Sprache führen konnte. Dass sich die Sprachkenntnisse der Klägerin in dem Zeitraum bis zum Erlass des Ablehnungsbescheides deutlich verbessert hätten, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
63Ein Sprachtest nach der Einreise im April 2004 wurde offenbar nicht durchgeführt, da die Klägerin gemäß § 8 Abs. 2 BVFG als Ausländerin eingereist war und daher keine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 oder § 15 Abs. 2 BVFG beantragt hat. Eine entsprechende Anfrage der Beklagten im vorherigen Wiederaufnahmeverfahren hat die Klägerin nicht beantwortet. Eine mündliche Aussage von Behördenmitarbeitern, dass die Klägerin gut deutsch spreche, wie die Klägerin mehrfach vorträgt, lässt keine Rückschlüsse auf die Sprachkenntnisse im Dezember 2003 zu. Sie ist weder dokumentiert noch im Hinblick auf den Zeitpunkt und den Umfang der Sprachkenntnisse hinreichend konkretisiert.
64Auch die Bescheinigung des Landratsamts Heilbronn vom 07.07.2010, dass die Klägerin am Anfängerdeutschkurs nicht teilnehmen konnte, weil sie überqualifiziert gewesen sei, hat keine ausreichende Aussagekraft. Sie ist 6 Jahre nach der Einreise ausgestellt und damit kein Beleg für die Sprachkenntnisse im Jahr 2004. Darüber hinaus ist unklar, welche Sprachkompetenz die Klägerin hatte. Der Umstand, dass sie „überqualifiziert“ für einen Anfängersprachkurs war, zeigt nur, dass sie bereits irgendwelche Sprachkenntnisse hatte, also keine Anfängerin ohne Sprachkenntnisse war. Zur Fähigkeit, ein einfaches Gespräch zu führen, macht diese Bescheinigung keine hinreichend klare Aussage.
65Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihre Schwestern als deutsche Volkszugehörige anerkannt worden sind. Zwar ist der am 00.00.1959 geborenen Schwester U. L. am 07.03.1990 ein Vertriebenenausweis B ausgestellt worden. Die am 00.00.1964 geborene Schwester B1. T. , hat am 27.08.2009 einen Aufnahmebescheid als Spätaussiedlerin erhalten. Daraus können jedoch keine zwingenden Schlussfolgerungen für die Sprachkenntnisse der Klägerin im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung gezogen werden.
66Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Sprachkenntnisse für jedes Geschwisterkind selbständig zu prüfen und zu bewerten sind, da sich die Lebensumstände für jedes Familienmitglied und damit der Sprachgebrauch unterschiedlich entwickeln können. Ein Erfahrungssatz des Inhalts, dass in einer Familie aufgewachsene Geschwister im Erwachsenenalter die gleiche Sprachkompetenz haben, ist nicht bekannt. Im vorliegenden Verfahren sind beide Schwestern älter als die Klägerin (2 bzw. 7 Jahre). Dies könnte bereits eine Ursache dafür sein, dass diese möglicherweise bessere deutsche Sprachfähigkeiten entwickeln konnten, da sie länger mit der schon 1981 verstorbenen deutsch sprechenden Mutter zusammengelebt haben. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin erst 15 Jahre alt.
67Darüber hinaus hat die Klägerin über viele Jahre nach ihrem eigenen, in der mündlichen Verhandlung bestätigten Vortrag, kaum Gelegenheit gehabt, die deutsche Sprache zu sprechen und somit die in der Kindheit erworbenen Fähigkeiten aufrechtzuerhalten. Denn sie hat ihren Geburtsort im Gebiet Semipalatinsk (Nordost-Kasachstan) bereits 1983, also im Alter von 17 Jahren, verlassen und mehrere tausend Kilometer entfernt in Wladiwostok an der Ostküste Sibiriens ihre Ausbildung als Erzieherin gemacht. Nach ihrer Eheschließung ist sie mit ihrem Ehemann in die Stadt Schewtschenko (= Aktau/ Aqtau) gezogen, die am Ostufer des Kaspischen Meeres im Südwesten Kasachstans und damit ebenfalls weit entfernt (ca. 3.400 km) von ihrem Geburtsort liegt.
68In der dort lebenden Familie der Schwiegereltern wurde nach Angaben der Klägerin in ihrer im Klageverfahren vorgelegten Erklärung vom 17.03.2014 überwiegend Russisch gesprochen, weil der Schwiegervater Russe war und daher auch die deutschsprachige Schwiegermutter gezwungen war, Russisch zu sprechen. Dementsprechend hat die Klägerin in ihrem Aufnahmeantrag auch angegeben, in ihrer Familie werde derzeit selten Deutsch und häufig Russisch gesprochen. Zu den Sprachfähigkeiten des Ehemannes ist nichts vorgetragen. Wenn die Klägerin nunmehr in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie habe auch mit dem Ehemann vor der Ausreise deutsch gesprochen, ist dies vor dem Hintergrund der russischen Umgangssprache in der Familie der Schwiegereltern und ihren Angaben im Aufnahmeantrag nicht glaubhaft.
69Auch die über viele Jahre fehlende Gelegenheit, die deutsche Sprache aktiv zu sprechen, kann daher Unterschiede in den Sprachfähigkeiten der Schwestern vor ihrer Einreise nach Deutschland ohne weiteres begründen. Damit kann auch aus der Aufnahme der Schwestern als Spätaussiedlerin bzw. Vertriebene nicht geschlossen werden, dass die Bewertung der Sprachkenntnisse der Klägerin bei dem Sprachtest im Jahr 2001 bzw. im Zeitpunkt der Ablehnung im Dezember 2003 offensichtlich unzutreffend war.
70Die Frage, ob die Klägerin in diesem Zeitpunkt tatsächlich zu einem einfachen Gespräch in deutscher Sprache in der Lage war oder nicht, ist somit nach den obigen Ausführungen nicht entscheidungserheblich. Vielmehr ist im Rahmen des § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nur maßgebend, ob die Entscheidung der Verwaltungsbehörde wegen einer unzutreffenden Bewertung der Sprachkenntnisse offensichtlich rechtswidrig ist. Da dies nach der Aktenlage im Verwaltungsverfahren und im Gerichtsverfahren nicht der Fall ist, ist eine weitere Sachverhaltsaufklärung mit dem Ziel der Feststellung der Sprachkenntnisse nicht erforderlich,
71vgl. auch insoweit schon VG Köln, Urteil vom 21.08.2012 – 7 K 3634/10 - .
72Die in der mündlichen Verhandlung beantragte Beweiserhebung durch die Vernehmung der anwesenden Schwestern der Klägerin zur Fähigkeit der Klägerin, im Zeitraum 2003/2004 ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen, war daher zurückzuweisen.
73Die Wiederaufnahme der mündlichen Verhandlung und eine weitere Beweiserhebung durch die Vernehmung von Zeugen sind auch nicht wegen der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegten schriftlichen Zeugenaussagen geboten. Dies wäre nur dann der Fall, wenn diese Aussagen die Annahme des Gerichts, dass die Bewertung der Sprachkenntnisse der Klägerin durch die Beklagte nicht offensichtlich unzutreffend war, erschüttern könnten. Dies ist indessen nicht der Fall. Die Zeugenaussagen beziehen sich sämtlich auf die Benutzung der deutschen Sprache im Elternhaus der Klägerin bis zum Jahr 1983 und können daher nur für die Frage der familiären Sprachvermittlung eine Bedeutung haben, aber nicht für die im Jahr 2001 bzw. 2003 noch vorhandenen Sprachkenntnisse.
74Andere Umstände, die zu einer Ermessensreduzierung auf null führen können, weil sich das Festhalten an der Bestandskraft als „schlechthin unerträglich“ erweist, sind nicht erkennbar.
75Auch die Verletzung einer behördlichen Hinweispflicht verpflichtet die Behörde hier nicht nach Treu und Glauben, das Verfahren wiederaufzunehmen. Selbst wenn man den Vortrag der Klägerin als richtig unterstellt, dass sie bei der Beantragung des Einreisevisums und später von den zuständigen Aufnahmebehörden unrichtig beraten und dadurch die Einlegung des Widerspruchs hinausgezögert worden sei, würde auch derartiges Fehlverhalten von Behörden die Beklagte nicht zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens zwingen. Denn es ist nicht erkennbar, dass dieses Verhalten zu der Versäumung der Widerspruchsfrist gegen den Ablehnungsbescheid geführt hat. In der beigefügten Rechtsmittelbelehrung ist auf die Widerspruchsfrist von einem Monat nach der Bekanntgabe des Widerspruchs hingewiesen worden. Die Klägerin hätte daher – ungeachtet eines späteren Beratungsfehlers – die Widerspruchsfrist einhalten können.
76Soweit sich die Klägerin darauf beruft, sie habe nach der Ablehnung des Aufnahmebescheides nicht mehr länger mit der Ausreise warten können, weil ihrem Sohn die Einziehung zum Wehrdienst gedroht habe und überdies eine gefährliche Situation im Wohnumfeld bestanden habe, kann dies nicht erklären, warum sie nicht innerhalb der Frist Widerspruch gegen die Ablehnung eingelegt hat. Dies hätte von der bevollmächtigten Schwester, die ebenfalls auf den Lauf der Widerspruchsfrist hingewiesen worden ist, ohne großen Aufwand übernommen werden können.
77Schließlich ist auch die der Beklagten obliegende Ermessensentscheidung im Rahmen des § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG über die Rücknahme des Ablehnungsbescheides nicht ermessensfehlerhaft. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die gesetzlichen Grenzen des Ermessen überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, § 114 Satz 1 VwGO.
78Die Begründung des Bescheides vom 04.03.2014 zeigt, dass sich die Beklagte des ihr zustehenden Ermessensspielraums hinreichend bewusst war und das Ermessen ausgeübt hat. Im Hinblick auf die grundsätzliche Gleichwertigkeit der gegenläufigen Interessen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Einzelfallgerechtigkeit gegenüber dem Eintritt von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte der Rechtssicherheit den Vorzug gegeben hat. Damit hat sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten.
79Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Behörde bei der Ausübung des Ermessens Fehler unterlaufen sind. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Behörde grundsätzlich nicht fehlerhaft handelt, wenn sie das Wiederaufgreifen im Hinblick auf die rechtskräftige Bestätigung ihrer Entscheidung ablehnt und dass in diesen Fällen regelmäßig keine weiteren Ermessenserwägungen erforderlich sind,
80vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.2009 – 1 C 15/08 – und vom 13.12.2001 – 5 C 9/11 – juris.
81Ob dies auch in Fallgestaltungen wie der vorliegenden gilt, in der die Verwaltungsentscheidung wegen der Nichteinlegung eines Rechtsmittels bestandskräftig geworden ist, somit eine rechtskräftige Bestätigung nicht vorliegt, kann dahinstehen.
82Weitere Ermessenserwägungen, die über die grundsätzliche Abwägung zwischen Rechtssicherheit und neuer Sachentscheidung im Interesse des Betroffenen hinausgehen, können nur dann erforderlich sein, wenn sie sich nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen oder von dem Antragsteller geltend gemacht werden,
83vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Auflage 2011, § 48 Rn. 82.
84Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte derartige Umstände nicht berücksichtigt oder falsch gewichtet hat. Soweit sie die Aufrechterhaltung des Bescheides auch darauf gestützt hat, dass die Klägerin die Ablehnung ihres Aufnahmeantrages über Jahre hinaus hingenommen und damit akzeptiert habe, ist diese Ermessenserwägung rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat durch die verzögerte oder unterlassene Einlegung von Rechtsmitteln mehrfach auf die Durchsetzung ihrer Rechte verzichtet: sie hat gegen den Ablehnungsbescheid vom 22.12.2003 verspätet Widerspruch eingelegt, sie hat keine Klage gegen den abweisenden Widerspruchsbescheid vom 19.08.2004 erhoben und sie hat letztlich auch im ersten, 2010 eingeleiteten Wiederaufgreifensverfahren gegen den Bescheid vom 15.03.2011 und den Widerspruchsbescheid vom 06.06.2012 keine Klage erhoben. Für dieses Verhalten hat die Klägerin bisher weder eine Begründung vorgetragen noch ist eine solche ersichtlich. Damit hat die Klägerin aber das Gewicht ihres Interesses an einer Durchbrechung der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides selbst geschmälert. Zudem hat sie dadurch wegen des langen Zeitablaufs die Möglichkeit einer realistischen Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts im Jahr 2003 erheblich erschwert. Die Beklagte hat daher eine Rücknahme des Ablehnungsbescheides nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG und die Einleitung eines neuen Verfahrens zur Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG ermessensfehlerfrei abgelehnt. Auf die Frage, ob die Voraussetzungen für die nachträgliche Erteilung eines Aufnahmebescheides schon wegen einer fehlenden Härte und wegen eines fehlenden zeitlichen Zusammenhangs mit der Einreise nicht vorliegen, kommt es deshalb nicht an.
85Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 22. Jan. 2015 - 7 K 4031/14
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 22. Jan. 2015 - 7 K 4031/14
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Verwaltungsgericht Köln Urteil, 22. Jan. 2015 - 7 K 4031/14 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
(1) Die Länder nehmen die Spätaussiedler und ihre Ehegatten und Abkömmlinge, soweit sie die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 erfüllen, auf. Das Bundesverwaltungsamt legt das aufnehmende Land fest (Verteilungsverfahren). Bis zu dieser Festlegung werden die Personen vom Bund untergebracht. Spätaussiedler und in den Aufnahmebescheid einbezogene Ehegatten oder Abkömmlinge sind verpflichtet, sich nach der Einreise in den Geltungsbereich des Gesetzes in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Bundes registrieren zu lassen.
(2) Familienangehörige des Spätaussiedlers, die, ohne die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 zu erfüllen, gemeinsam mit dem Spätaussiedler eintreffen, können in das Verteilungsverfahren einbezogen werden.
(3) Die Länder können durch Vereinbarung einen Schlüssel zur Verteilung festlegen. Bis zum Zustandekommen dieser Vereinbarung oder bei deren Wegfall richten sich die Verteilungsquoten für das jeweilige Kalenderjahr nach dem von der Geschäftsstelle der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung im Bundesanzeiger veröffentlichten Schlüssel, der für das vorangegangene Kalenderjahr entsprechend Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl der Länder errechnet worden ist (Königsteiner Schlüssel).
(4) Das Bundesverwaltungsamt hat den Schlüssel einzuhalten. Zu diesem Zweck kann ein von den Wünschen des Spätaussiedlers abweichendes Land zur Aufnahme verpflichtet werden.
(5) Wer abweichend von der Festlegung oder ohne Festlegung des Bundesverwaltungsamtes in einem Land ständigen Aufenthalt nimmt, muss dort nicht aufgenommen werden.
(6) (weggefallen)
(7) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) gilt nicht für Einrichtungen zur Aufnahme von Spätaussiedlern.
(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.
(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.
(2) Einer Begründung bedarf es nicht,
- 1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift; - 2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist; - 3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist; - 4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt; - 5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.
(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn
- 1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat; - 2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden; - 3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.
(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Spätaussiedler ist in der Regel ein deutscher Volkszugehöriger, der die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wenn er zuvor
- 1.
seit dem 8. Mai 1945 oder - 2.
nach seiner Vertreibung oder der Vertreibung eines Elternteils seit dem 31. März 1952 oder - 3.
seit seiner Geburt, wenn er vor dem 1. Januar 1993 geboren ist und von einer Person abstammt, die die Stichtagsvoraussetzung des 8. Mai 1945 nach Nummer 1 oder des 31. März 1952 nach Nummer 2 erfüllt, es sei denn, dass Eltern oder Voreltern ihren Wohnsitz erst nach dem 31. März 1952 in die Aussiedlungsgebiete verlegt haben,
(2) Spätaussiedler ist auch ein deutscher Volkszugehöriger aus den Aussiedlungsgebieten des § 1 Abs. 2 Nr. 3 außer den in Absatz 1 genannten Staaten, der die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt und glaubhaft macht, dass er am 31. Dezember 1992 oder danach Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit unterlag.
(3) Der Spätaussiedler ist Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes. Ehegatten oder Abkömmlinge von Spätaussiedlern, die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 in den Aufnahmebescheid einbezogen worden sind, erwerben, sofern die Einbeziehung nicht unwirksam geworden ist, diese Rechtsstellung mit ihrer Aufnahme im Geltungsbereich des Gesetzes.
(1) Das Bundesverwaltungsamt stellt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Eine Wiederholung des Gesprächs im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 3 findet hierbei nicht statt. Bei Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, beteiligt das Bundesverwaltungsamt vor Erteilung der Bescheinigung den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst, die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt, wenn dies zur Feststellung von Ausschlussgründen nach § 5 Nr. 1 Buchstabe d und e geboten ist. Die Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung ist für Staatsangehörigkeitsbehörden und alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind. Hält eine Behörde oder Stelle die Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes über die Ausstellung der Bescheinigung nicht für gerechtfertigt, so kann sie nur ihre Änderung oder Aufhebung durch das Bundesverwaltungsamt beantragen.
(2) Das Bundesverwaltungsamt stellt dem in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogenen Ehegatten oder Abkömmling eine Bescheinigung zum Nachweis des Status nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie seiner Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 aus. Eine Bescheinigung nach Absatz 1 kann nur ausgestellt werden, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden ist. Im Übrigen gilt Absatz 1 entsprechend.
(3) Über die Rücknahme und die Ausstellung einer Zweitschrift einer Bescheinigung entscheidet die Ausstellungsbehörde.
(4) Eine Bescheinigung kann mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für ihre Ausstellung gewesen sind, erwirkt worden ist. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Ausstellung der Bescheinigung erfolgen. Hat die Rücknahme einer Bescheinigung nach Absatz 1 auch Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Bescheinigungen nach Absatz 2, so ist für jeden Betroffenen eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist das Maß der Beteiligung des Ehegatten oder Abkömmlings an einer arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Spätaussiedlers gegen die schutzwürdigen Belange des Ehegatten oder Abkömmlings, insbesondere unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen. Der Widerruf einer Bescheinigung ist nicht zulässig.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
(1) Spätaussiedler ist in der Regel ein deutscher Volkszugehöriger, der die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wenn er zuvor
- 1.
seit dem 8. Mai 1945 oder - 2.
nach seiner Vertreibung oder der Vertreibung eines Elternteils seit dem 31. März 1952 oder - 3.
seit seiner Geburt, wenn er vor dem 1. Januar 1993 geboren ist und von einer Person abstammt, die die Stichtagsvoraussetzung des 8. Mai 1945 nach Nummer 1 oder des 31. März 1952 nach Nummer 2 erfüllt, es sei denn, dass Eltern oder Voreltern ihren Wohnsitz erst nach dem 31. März 1952 in die Aussiedlungsgebiete verlegt haben,
(2) Spätaussiedler ist auch ein deutscher Volkszugehöriger aus den Aussiedlungsgebieten des § 1 Abs. 2 Nr. 3 außer den in Absatz 1 genannten Staaten, der die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt und glaubhaft macht, dass er am 31. Dezember 1992 oder danach Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit unterlag.
(3) Der Spätaussiedler ist Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes. Ehegatten oder Abkömmlinge von Spätaussiedlern, die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 in den Aufnahmebescheid einbezogen worden sind, erwerben, sofern die Einbeziehung nicht unwirksam geworden ist, diese Rechtsstellung mit ihrer Aufnahme im Geltungsbereich des Gesetzes.
(1) Deutscher Volkszugehöriger im Sinne dieses Gesetzes ist, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird.
(2) Wer nach dem 31. Dezember 1923 geboren worden ist, ist deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Das Bekenntnis auf andere Weise kann insbesondere durch den Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder durch den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse erbracht werden. Das Bekenntnis zum deutschen Volkstum muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Aufnahmeantrag, in Fällen des § 27 Absatz 1 Satz 2 im Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich dieses Gesetzes, zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können, es sei denn, der Aufnahmebewerber kann diese Fähigkeit wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht besitzen. Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum wird unterstellt, wenn es unterblieben ist, weil es mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden war, jedoch auf Grund der Gesamtumstände der Wille unzweifelhaft ist, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören.
(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn
- 1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat; - 2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden; - 3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.
(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist kasachische Staatsangehörige. Sie beantragte am 12.10.1998 ihre Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz bei dem Bundesverwaltungsamt (BVA). Ihr Ehemann, der die russische Nationalität führt, und die Kinder B. und B1. sollten in den Bescheid einbezogen werden. Ausweislich der vorgelegten Geburtsurkunde vom 30.05.1966 sind die Eltern der Klägerin die deutschen Volkszugehörigen K. und B1. T. . Über die Großeltern ist nach den Antragsangaben nichts bekannt. Im 1986 ausgestellten Inlandspass ist die Klägerin mit deutscher Nationalität eingetragen. Zu ihren deutschen Sprachkenntnissen gab die Klägerin an, sie habe ab dem 2. Lebensjahr mit ihren Eltern und anderen Verwandten Deutsch gesprochen. Ab dem 6. Lebensjahr habe sie auch russisch gesprochen. Jetzt spreche sie in ihrer Familie selten deutsch, könne aber fast alles verstehen und ein einfaches Gespräch führen.
3Am 16.08.2001 wurde die Klägerin in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Karaganda zu ihren Sprachkenntnissen angehört. Sie erklärte, sie habe als Kind die deutsche Sprache erlernt, und zwar außerhalb des Elternhauses in der Schule und in einem Sprachkurs. In der Familie sei ausschließlich Russisch gesprochen worden. Der Sprachtester stellte fest, dass eine Verständigung in deutscher Sprache zwar möglich, ein Gespräch im Sinne eines Dialoges aber nicht zustande gekommen sei. Die Antragstellerin verstehe die meisten Fragen sofort. Sie reagiere meist auf einzelne Begriffe in der Frage. Eine Verständigung sei unter gelegentlicher Einschaltung einer Dolmetscherin möglich gewesen. Die Antragstellerin spreche keinen deutschen Dialekt, sondern mit dem typischen russischen Akzent.
4Mit Bescheid vom 22.12.2003 wurde der Aufnahmeantrag der Klägerin mit der Begründung abgelehnt, nach dem Ergebnis des Sprachtests sei die Klägerin nicht in der Lage, ein einfaches Gespräch in deutscher Sprache zu führen. Von einer familiären Vermittlung der deutschen Sprache im Elternhaus könne damit nicht ausgegangen werden. Unter dem 22.12.2003 erging außerdem ein Bescheid des BVA, durch den der Ehemann der Klägerin und die Kinder B. und B1. in den Aufnahmebescheid der Mutter des Ehemannes, B1. H. , einbezogen wurden. In dem Einbeziehungsbescheid war die Klägerin als mit einreisende Familienangehörige nach § 8 Abs. 2 BVFG eingetragen. In einem beigefügten Vermerk wurde darauf hingewiesen, dass die Klägerin dem Ausländerrecht unterliege und keine Leistungen als Spätaussiedlerin oder als Ehegattin eines Spätaussiedlers nach dem Bundesvertriebenengesetz erhalten könne.
5Der Ablehnungsbescheid wurde der Bevollmächtigten der Klägerin mit Einwurf-Einschreiben übersandt. Als Absendedatum ist der 30.12.2003 vermerkt. Nach ihrer Einreise nach Deutschland legte die Klägerin mit Schreiben vom 28.07.2004, das am 11.08.2004 beim BVA einging, Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid ein. In der Begründung machte sie geltend, sie habe bei dem Sprachtest alle Fragen verstanden und gut beantworten können. Ihre Eltern seien Deutsche gewesen. Sie habe sich in der Familie auf Deutsch unterhalten. Da die Mutter sehr früh gestorben sei, sei diese Möglichkeit weggefallen. Daher sei ihre Aussprache heute nicht mehr akzentfrei.
6Durch Widerspruchsbescheid vom 19.08.2004 wurde der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen. Die Klägerin habe die Monatsfrist des § 70 VwGO nicht eingehalten. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 27.08.2004 zugestellt. Klage wurde nicht erhoben.
7Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.02.2010 stellte die Klägerin den Antrag, das Verfahren auf Aufnahme nach dem BVFG wieder aufzunehmen und ihr einen Aufnahmebescheid als Spätaussiedlerin zu erteilen. In der Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe bei ihrer Anhörung in Karaganda am 16.08.2001 sehr wohl ein einfaches Gespräch nach den Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts führen können. Sie habe alle Fragen beantwortet. Eine fehlerhafte Bewertung des Sprachtests sei offensichtlich. Die Beurteilung des Sprachtesters sei widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Dieser habe falsche Kriterien zugrundegelegt. Insbesondere sei die Beherrschung eines deutschen Dialektes nicht erforderlich, ein russischer Akzent sei nicht schädlich.
8Außerdem habe das BVA gegen § 28 VwVfG und § 39 VwVfG verstoßen. Der Ablehnungsbescheid sei ohne vorherige Anhörung und ohne die erforderliche Begründung ergangen. Daher überwiege im vorliegenden Verfahren der Grundsatz der rechtmäßigen Verwaltung gegenüber dem Grundsatz der Rechtssicherheit. Es liege eine Ermessensreduzierung auf null zugunsten einer Rücknahme des rechtswidrigen Ablehnungsbescheides vor.
9Nachdem der beauftragte Rechtsanwalt das Mandat niedergelegt hatte, wurde der Antrag von der Klägerin persönlich ergänzend begründet. In einem vorgelegten Lebenslauf machte die Klägerin geltend, sie sei nach der Einreise am 29.04.2004 von den deutschen Behörden falsch beraten worden. Man habe ihr im ersten Aufnahmelager in Friedland gesagt, sie könne einen Widerspruch gegen die Ablehnung erst im zweiten Aufnahmelager einlegen, wo man ihr aber mitgeteilt habe, sie müsse sich an das für das Übergangswohnheim zuständige Rathaus wenden. Dort habe man sie ausgelacht, weil die Frist für den Widerspruch längst abgelaufen gewesen sei. Mehrere Behördenmitarbeiter hätten geäußert, dass bei der Ablehnung ein Fehler unterlaufen sei, da sie gut deutsch spreche. Die Anmeldung zu einem deutschen Sprachkurs sei abgelehnt worden, weil sie überqualifiziert gewesen sei. Hierzu legte sie eine Bescheinigung des Landratsamtes Heilbronn vom 07.07.2010 vor.
10Mit Bescheid vom 15.03.2011 wurde der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens abgelehnt. Zur Begründung wurde angegeben, ein Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG liege nicht vor. Weder hätte sich die Sach- oder Rechtslage geändert, noch seien neue Beweismittel vorgelegt worden. Auch eine Wiederaufnahme nach § 51 Abs. 1 iVm § 48 VwVfG komme nicht in Betracht. Die Ablehnung sei nicht offensichtlich rechtswidrig, sondern anhand des Sprachtestprotokolls nachvollziehbar. Die von der Klägerin geltend gemachte fehlerhafte Beratung durch Behördenvertreter nach der Einreise habe nicht dazu geführt, dass sie ihre Rechte nicht habe durchsetzen können. Denn zu diesem Zeitpunkt sei die Widerspruchsfrist längst abgelaufen gewesen. Die Klägerin habe aber nicht glaubhaft gemacht, dass sie die Widerspruchsfrist nicht habe eingehalten können. Sie habe auch auf eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid verzichtet. Ein Festhalten an der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides verstoße daher nicht gegen Treu und Glauben.
11Hiergegen legte die Klägerin am 13.04.2011 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 11.05.2012 stellte sie beim BVA und beim Landratsamt Heilbronn einen Antrag auf Anerkennung als Spätaussiedlerin nach § 4 BVFG nach eigenem Recht. Durch Widerspruchsbescheid vom 06.06.2012 wurde der Widerspruch gegen die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Aufnahmeverfahrens zurückgewiesen und der Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung als Spätaussiedlerin abgelehnt. Zur Begründung wurde angegeben, die Klägerin sei nicht im Wege des Aufnahmeverfahrens, sondern als Ausländerin eingereist. Spätaussiedler könne nach § 4 BVFG aber nur derjenige sein, der das Aussiedlungsgebiet im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen habe.
12Gegen den Widerspruchsbescheid im Verfahren auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens wurde keine Klage erhoben.
13Gegen die Ablehnung der Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung legte die Klägerin am 03.07.2012 Widerspruch ein. Dieser wurde im Auftrag der Klägerin mit Schreiben vom 02.09.2012 begründet. Im Wesentlichen heißt es dort, die Klägerin sei deutsche Volkszugehörige. Beide Eltern hätten der deutschen Nationalität angehört. Die Klägerin habe sich in ihrem Inlandspass zur deutschen Nationalität bekannt. Ihr sei die deutsche Sprache genauso wie den beiden Schwestern U. und B1. in der Familie vermittelt worden. Beide Schwestern seien als deutsche Volkszugehörige anerkannt, die Schwester B1. T. , geb. am 0.00.1964, als Spätaussiedlerin und die Schwester U. L. , geb. am 00.00.1959, als Vertriebene. Die Klägerin habe, angefangen mit der Beantragung des Visums in der Deutschen Botschaft, alle Verfahren bei deutschen Behörden ohne Probleme selbst durchgeführt. Die Anmeldung bei einem Sprachkurs sei wegen ihrer guten Sprachkenntnisse abgelehnt worden.
14In einer persönlichen Äußerung zum Widerspruchsverfahren erklärte die Klägerin, das Gutachten über den Sprachtest sei falsch; möglicherweise sei das richtige Gutachten verloren gegangen oder verlegt worden. Sie habe alle Fragen in vollen Sätzen beantwortet und darüber hinaus viel in deutscher Sprache über das Familienleben erzählt. Dies alles sei nicht richtig protokolliert worden.
15Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2013 wurde der Widerspruch gegen die Ablehnung der Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung zurückgewiesen. Die Klägerin sei nicht im Wege des Aufnahmeverfahrens eingereist, sondern als ausländische Staatsangehörige. Da die Aufnahme bestandskräftig abgelehnt worden sei und auch das Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens bestandskräftig abgelehnt worden sei, könne dieser Mangel auch nicht mehr beseitigt werden.
16Am 09.04.2013 hat die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid vom 11.03.2013 im vorliegenden Verfahren Klage erhoben, mit der sie ihren Anspruch auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG weiterverfolgt.
17Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 15.07.2013 stellte die Klägerin einen Antrag auf nachträgliche Aufnahme als Spätaussiedlerin in einem Härtefall, weil sich die Rechtslage durch die Neuregelung im 10. Änderungsgesetz zum BVFG geändert habe. Die dort vorgesehenen Voraussetzungen für die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit, insbesondere die sprachlichen Anforderungen, seien erfüllt.
18Durch Bescheid des BVA vom 04.03.2014 wurde der Antrag auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens und Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG abgelehnt. In der Begründung wurde mitgeteilt, durch das Inkrafttreten des 10. Änderungsgesetzes vom 06.09.2013 habe sich zwar eine Änderung der Rechtslage ergeben. Diese wirke sich aber nicht zugunsten der Klägerin aus.
19Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei bei der Beurteilung des Statuserwerbs nach § 4 BVFG auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Einreise des Aufnahmebewerbers abzustellen. Für die Klägerin sei daher die Rechtslage bei ihrer Einreise 2004 maßgebend. Mit dem 10. Änderungsgesetz sollten die Personen begünstigt werden, die bislang noch nicht hätten aussiedeln können, weil sie die Voraussetzungen nach dem bisherigen Recht nicht erfüllten. Demgegenüber sei es nicht Absicht des Gesetzgebers gewesen, die neue Rechtslage rückwirkend für alle bereits in Deutschland aufgenommenen Personen einzuführen und ihnen damit nachträglich Fremdrentenansprüche einzuräumen.
20Selbst wenn aber das 10. Änderungsgesetz für die Feststellung des Status der Klägerin Anwendung fände, sei nicht erkennbar, dass sich dieses zu ihren Gunsten auswirke. Auch nach der Änderung sei der Nachweis von deutschen Sprachkenntnissen auf dem Niveau eines einfachen Gesprächs erforderlich, § 6 Abs. 2 BVFG n.F.. Diese müssten spätestens bei der Begründung des Aufenthaltes in der Bundesrepublik vorgelegen haben. Dies könne aber nach dem Ergebnis des Sprachtests im Jahr 2001 nicht festgestellt werden.
21Ein Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 5 iVm § 48 Abs. 1 VwVfG komme ebenfalls nicht in Betracht. Ein Festhalten an der bestandskräftigen Ablehnung führe nicht zu schlechthin unerträglichen Ergebnissen. Dagegen spreche schon, dass die Klägerin die Ablehnung über Jahre hinweg hingenommen habe. Diese sei auch nicht offensichtlich rechtswidrig. Nach dem Sprachtestprotokoll vom 16.08.2001 sei die Klägerin zu einem einfachen Gespräch auf Deutsch nicht in der Lage gewesen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anhörung nicht korrekt durchgeführt oder protokolliert worden sei.
22Aber selbst bei einem Wiederaufgreifen habe die Klägerin keinen Anspruch auf Aufnahme nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, da ein Härtefall nicht vorliege. Denn die Klägerin halte sich bereits seit 10 Jahren mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland auf. Außerdem fehle es an dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang mit der Ausreise und der Betätigung des Spätaussiedlerwillens. Dieser habe schon bei der ersten Beantragung des Wiederaufgreifens des Verfahrens im Februar 2010, also mehr als 5 Jahre nach der Einreise, nicht mehr bestanden.
23Gegen den Ablehnungsbescheid vom 04.03.2014 legte die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 06.03.2014 am 11.03.2014 Widerspruch ein, der wie folgt begründet wurde: Maßgeblich sei nach der aktuellen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung die im Entscheidungszeitpunkt geltende Rechtslage und damit das BVFG in der Fassung des 10. Änderungsgesetzes. Es lasse sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, dass eine Höherstufung von bereits in Deutschland aufgenommenen Personen nach dem 10. Änderungsgesetz ausgeschlossen sei. Im Übrigen sei ein Härtefall gegeben, wenn sich die Klägerin zwischen der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem deutschen Ehemann und der Aussicht auf eine für sie günstige Änderung des BVFG entscheiden müsse. Auch der zeitliche Zusammenhang zwischen Aussiedlung und Antragstellung könne hier keine Rolle spielen, da die Klägerin nicht auf beliebige Weise nach Deutschland übergesiedelt sei, sondern als Teil eines Familienverbandes von Spätaussiedlern. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 04.03.2014 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2014 zurückgewiesen.
24Gegen den Widerspruchsbescheid vom 23.06.2014 hat die Klägerin am 25.07.2014 Klage erhoben, mit der sie ihren Anspruch auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens und Erteilung eines Aufnahmebescheides in einem Härtefall nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG weiterverfolgt. Diese Klage ist Gegenstand des Verfahrens 7 K 4031/14.
25Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin eine persönliche Erklärung zum Erwerb ihrer Sprachkenntnisse und zum Ablauf des Sprachtests in Karaganda abgegeben. Danach sei zu Hause immer Deutsch gesprochen worden, weil die Eltern kein Russisch konnten. Großeltern habe sie nie gesehen. Im 14. Lebensjahr sei jedoch die Mutter gestorben. Danach sei sie aus dem Elternhaus weggegangen, um die Ausbildung als Erzieherin zu machen. Sie habe dann viele Jahre keinen deutschen Menschen gesehen. 1986 habe sie geheiratet. Der Vater des Ehemannes sei Russe gewesen. Deswegen sei auch seine Mutter gezwungen gewesen, Russisch zu sprechen. Sie habe trotzdem die Muttersprache nie vergessen. In der Schule sei sie im Fach Deutsch immer die Beste gewesen.
26Der Sprachtest sei freundlich verlaufen. Sie habe alle Fragen verstanden und den Dolmetscher nicht gebraucht. Nur ein paar Wörter hätten erklärt werden müssen. Sie habe vieles über ihre Familie und die Eltern erzählt. Am Ende habe die Sprachtesterin gesagt: „Gut, recht gut.“ Nach dem Sprachtest habe ihre Nichte aus Karlsruhe beim BVA angerufen und dieser sei mitgeteilt worden, dass sie selbst und ihre Schwiegermutter den Sprachtest bestanden hätten. Deshalb sei sie über die Ablehnung schockiert gewesen. In dem Sprachtestprotokoll, das sie 2010 im ersten Wiederaufnahmeverfahren gesehen habe, sei die Hälfte der gestellten Fragen nicht enthalten gewesen. Auch die Erzählungen über die Familie seien nicht aufgenommen worden. Auf den Seiten 47, 49, 50, 51 und 52 fehle ihre Unterschrift. Sie nehme daher an, dass die Unterlagen bei der Bearbeitung in eine fremde Akte geraten seien. Sie habe sich schon bei der Beantragung des Ausreisevisums bei der Deutschen Botschaft gegen die Einstufung nach § 8 BVFG gewehrt, sei aber immer vertröstet worden. Bei der Ausländerbehörde des Landratsamtes Heilbronn sei festgestellt worden, dass sie keinen Sprachkurs brauche, weil sie gute Deutschkenntnisse habe. Es könne nicht sein, dass ihre Schwestern als deutsche Volkszugehörige anerkannt seien, sie dagegen nicht.
27Im Klageverfahren 7 K 4031/14 wiederholt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zunächst die Ausführungen zur Anwendbarkeit des 10. Änderungsgesetzes zum BVFG. Im Übrigen sei die Klägerin bei Ablegung des Sprachtests am 16.08.2001 sehr wohl in der Lage gewesen, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen. In der Bewertung heiße es, die Klägerin habe die meisten Fragen sofort verstanden. Außerdem zeige das Protokoll, dass die Klägerin größtenteils in ganzen Sätzen, und nicht in einzelnen Wörtern habe sprechen können. Die Klägerin sei nur aufgrund einer Notsituation mit der Schwiegermutter nach Deutschland übergesiedelt: dem Sohn habe die Einziehung gedroht, es habe ein kriminelles Umfeld im Wohngebiet bestanden. Die Sprachkenntnisse der Klägerin im Zeitpunkt der Übersiedlung könnten von zahlreichen Zeugen bestätigt werden. Dies ergebe sich auch aus der Bescheinigung des Landratsamts Heilbronn vom 07.07.2010, wonach die Klägerin am Anfängerdeutschkurs nicht habe teilnehmen können, weil sie überqualifiziert gewesen sei.
28Die Klägerin beantragt,
29die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2013 zu verpflichten, der Klägerin eine Spätaussiedlerbescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 BVFG zu erteilen.
30Die Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Sie ist der Auffassung, dem Anspruch auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG stehe die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG entgegen. Denn der Aufnahmeantrag der Klägerin sei bestandskräftig abgelehnt worden. Auch der erste Antrag auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens sei durch Widerspruchsbescheid vom 06.06.2013 bestandskräftig abgelehnt worden. Der weitere Antrag auf Wiederaufgreifen vom 15.07.2013, der Gegenstand des Verfahrens 7 K 4031/14 sei, sei ebenfalls durch die angefochtenen Bescheide vom 04.03.2014 und vom 23.06.2014 zurückgewiesen worden.
33Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren 7 K 2370/13 und 7 K 4031/14 und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
35Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 06.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung.
36Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG stellt das Bundesverwaltungsamt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Die Klägerin kann danach keine Spätaussiedlerbescheinigung erhalten, weil sie keine Spätaussiedlerin ist. Wer Spätaussiedler ist, beurteilt sich für das Aussiedlungsgebiet der ehemaligen Sowjetunion nach § 4 Abs. 1 BVFG. Danach kann Spätaussiedler nur ein deutscher Volkszugehöriger sein, der das Aussiedlungsgebiet im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen hat.
37Es kann dahinstehen, ob die Klägerin deutsche Volkszugehörige im Sinne des § 6 Abs. 2 BVFG ist und ob diese Vorschrift in der aktuellen Fassung des 10. Änderungsgesetzes vom 06.09.2013 (BGBl. I S. 3554) anwendbar ist oder ob sich die deutsche Volkszugehörigkeit nach der im Zeitpunkt der Einreise der Klägerin im April 2004 gültigen Fassung des BVFG richtet,
38vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27.10.2014 – 1 B 15.14 (1 C 30.14) und 1 B 14.14 (1 C 29.14) - , zur Zulassung der Revision.
39Denn die Klägerin hat das Aussiedlungsgebiet nicht im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen. Dieses Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 1 BVFG ist durch das 10. Änderungsgesetz nicht verändert worden, sodass es nicht darauf ankommt, welches der für die Anwendung des BVFG maßgebliche Zeitpunkt ist.
40Im Wege des Aufnahmeverfahrens reist nur aus, wer aufgrund eines Aufnahmebescheides oder eines Einbeziehungsbescheides seine Heimat verlassen hat, § 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und § 7 Abs. 2 BVFG. Die Klägerin hat keinen Aufnahmebescheid erhalten und war auch nicht in den Aufnahmebescheid einer Bezugsperson einbezogen. Vielmehr war sie lediglich als mit einreisende Familienangehörige nach § 8 Abs. 2 BVFG im Einbeziehungsbescheid ihrer Schwiegermutter B1. H. vom 22.12.2003 eingetragen. Demnach konnte sie lediglich nach der gemeinsamen Einreise mit der Bezugsperson in das Verteilungsverfahren einbezogen werden, unterlag aber ansonsten dem Ausländerrecht. Damit erfolgte ihre Einreise nicht im Wege des Aufnahmeverfahrens, sondern auf der Grundlage einer ausländerrechtlichen Einreiseerlaubnis.
41Der Klägerin kann auch kein Aufnahmebescheid mehr erteilt werden. Ihr Aufnahmeverfahren ist durch den Ablehnungsbescheid vom 22.12.2003 bestandskräftig abgeschlossen. Ihr erster Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens vom 20.02.2010 ist ebenfalls bestandskräftig abgelehnt worden. Die Klägerin hat auch nach Inkrafttreten des 10. Änderungsgesetzes keinen Anspruch auf ein erneutes Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens und die Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG. Die Beklagte hat ihren zweiten Wiederaufnahmeantrag vom 15.07.2013 durch den Bescheid vom 04.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2014 rechtmäßig abgelehnt. Die Klage gegen diese Bescheide wurde mit Urteil vom 22.01.2015 im Verfahren 7 K 4031/14 abgewiesen. Auf die ausführliche Begründung dieses Urteils wird Bezug genommen.
42Die vorliegende Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
(1) Die Länder nehmen die Spätaussiedler und ihre Ehegatten und Abkömmlinge, soweit sie die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 erfüllen, auf. Das Bundesverwaltungsamt legt das aufnehmende Land fest (Verteilungsverfahren). Bis zu dieser Festlegung werden die Personen vom Bund untergebracht. Spätaussiedler und in den Aufnahmebescheid einbezogene Ehegatten oder Abkömmlinge sind verpflichtet, sich nach der Einreise in den Geltungsbereich des Gesetzes in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Bundes registrieren zu lassen.
(2) Familienangehörige des Spätaussiedlers, die, ohne die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 zu erfüllen, gemeinsam mit dem Spätaussiedler eintreffen, können in das Verteilungsverfahren einbezogen werden.
(3) Die Länder können durch Vereinbarung einen Schlüssel zur Verteilung festlegen. Bis zum Zustandekommen dieser Vereinbarung oder bei deren Wegfall richten sich die Verteilungsquoten für das jeweilige Kalenderjahr nach dem von der Geschäftsstelle der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung im Bundesanzeiger veröffentlichten Schlüssel, der für das vorangegangene Kalenderjahr entsprechend Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl der Länder errechnet worden ist (Königsteiner Schlüssel).
(4) Das Bundesverwaltungsamt hat den Schlüssel einzuhalten. Zu diesem Zweck kann ein von den Wünschen des Spätaussiedlers abweichendes Land zur Aufnahme verpflichtet werden.
(5) Wer abweichend von der Festlegung oder ohne Festlegung des Bundesverwaltungsamtes in einem Land ständigen Aufenthalt nimmt, muss dort nicht aufgenommen werden.
(6) (weggefallen)
(7) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) gilt nicht für Einrichtungen zur Aufnahme von Spätaussiedlern.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist kasachische Staatsangehörige. Sie beantragte am 12.10.1998 ihre Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz bei dem Bundesverwaltungsamt (BVA). Ihr Ehemann, der die russische Nationalität führt, und die Kinder B. und B1. sollten in den Bescheid einbezogen werden. Ausweislich der vorgelegten Geburtsurkunde vom 30.05.1966 sind die Eltern der Klägerin die deutschen Volkszugehörigen K. und B1. T. . Über die Großeltern ist nach den Antragsangaben nichts bekannt. Im 1986 ausgestellten Inlandspass ist die Klägerin mit deutscher Nationalität eingetragen. Zu ihren deutschen Sprachkenntnissen gab die Klägerin an, sie habe ab dem 2. Lebensjahr mit ihren Eltern und anderen Verwandten Deutsch gesprochen. Ab dem 6. Lebensjahr habe sie auch russisch gesprochen. Jetzt spreche sie in ihrer Familie selten deutsch, könne aber fast alles verstehen und ein einfaches Gespräch führen.
3Am 16.08.2001 wurde die Klägerin in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Karaganda zu ihren Sprachkenntnissen angehört. Sie erklärte, sie habe als Kind die deutsche Sprache erlernt, und zwar außerhalb des Elternhauses in der Schule und in einem Sprachkurs. In der Familie sei ausschließlich Russisch gesprochen worden. Der Sprachtester stellte fest, dass eine Verständigung in deutscher Sprache zwar möglich, ein Gespräch im Sinne eines Dialoges aber nicht zustande gekommen sei. Die Antragstellerin verstehe die meisten Fragen sofort. Sie reagiere meist auf einzelne Begriffe in der Frage. Eine Verständigung sei unter gelegentlicher Einschaltung einer Dolmetscherin möglich gewesen. Die Antragstellerin spreche keinen deutschen Dialekt, sondern mit dem typischen russischen Akzent.
4Mit Bescheid vom 22.12.2003 wurde der Aufnahmeantrag der Klägerin mit der Begründung abgelehnt, nach dem Ergebnis des Sprachtests sei die Klägerin nicht in der Lage, ein einfaches Gespräch in deutscher Sprache zu führen. Von einer familiären Vermittlung der deutschen Sprache im Elternhaus könne damit nicht ausgegangen werden. Unter dem 22.12.2003 erging außerdem ein Bescheid des BVA, durch den der Ehemann der Klägerin und die Kinder B. und B1. in den Aufnahmebescheid der Mutter des Ehemannes, B1. H. , einbezogen wurden. In dem Einbeziehungsbescheid war die Klägerin als mit einreisende Familienangehörige nach § 8 Abs. 2 BVFG eingetragen. In einem beigefügten Vermerk wurde darauf hingewiesen, dass die Klägerin dem Ausländerrecht unterliege und keine Leistungen als Spätaussiedlerin oder als Ehegattin eines Spätaussiedlers nach dem Bundesvertriebenengesetz erhalten könne.
5Der Ablehnungsbescheid wurde der Bevollmächtigten der Klägerin mit Einwurf-Einschreiben übersandt. Als Absendedatum ist der 30.12.2003 vermerkt. Nach ihrer Einreise nach Deutschland legte die Klägerin mit Schreiben vom 28.07.2004, das am 11.08.2004 beim BVA einging, Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid ein. In der Begründung machte sie geltend, sie habe bei dem Sprachtest alle Fragen verstanden und gut beantworten können. Ihre Eltern seien Deutsche gewesen. Sie habe sich in der Familie auf Deutsch unterhalten. Da die Mutter sehr früh gestorben sei, sei diese Möglichkeit weggefallen. Daher sei ihre Aussprache heute nicht mehr akzentfrei.
6Durch Widerspruchsbescheid vom 19.08.2004 wurde der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen. Die Klägerin habe die Monatsfrist des § 70 VwGO nicht eingehalten. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 27.08.2004 zugestellt. Klage wurde nicht erhoben.
7Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.02.2010 stellte die Klägerin den Antrag, das Verfahren auf Aufnahme nach dem BVFG wieder aufzunehmen und ihr einen Aufnahmebescheid als Spätaussiedlerin zu erteilen. In der Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe bei ihrer Anhörung in Karaganda am 16.08.2001 sehr wohl ein einfaches Gespräch nach den Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts führen können. Sie habe alle Fragen beantwortet. Eine fehlerhafte Bewertung des Sprachtests sei offensichtlich. Die Beurteilung des Sprachtesters sei widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Dieser habe falsche Kriterien zugrundegelegt. Insbesondere sei die Beherrschung eines deutschen Dialektes nicht erforderlich, ein russischer Akzent sei nicht schädlich.
8Außerdem habe das BVA gegen § 28 VwVfG und § 39 VwVfG verstoßen. Der Ablehnungsbescheid sei ohne vorherige Anhörung und ohne die erforderliche Begründung ergangen. Daher überwiege im vorliegenden Verfahren der Grundsatz der rechtmäßigen Verwaltung gegenüber dem Grundsatz der Rechtssicherheit. Es liege eine Ermessensreduzierung auf null zugunsten einer Rücknahme des rechtswidrigen Ablehnungsbescheides vor.
9Nachdem der beauftragte Rechtsanwalt das Mandat niedergelegt hatte, wurde der Antrag von der Klägerin persönlich ergänzend begründet. In einem vorgelegten Lebenslauf machte die Klägerin geltend, sie sei nach der Einreise am 29.04.2004 von den deutschen Behörden falsch beraten worden. Man habe ihr im ersten Aufnahmelager in Friedland gesagt, sie könne einen Widerspruch gegen die Ablehnung erst im zweiten Aufnahmelager einlegen, wo man ihr aber mitgeteilt habe, sie müsse sich an das für das Übergangswohnheim zuständige Rathaus wenden. Dort habe man sie ausgelacht, weil die Frist für den Widerspruch längst abgelaufen gewesen sei. Mehrere Behördenmitarbeiter hätten geäußert, dass bei der Ablehnung ein Fehler unterlaufen sei, da sie gut deutsch spreche. Die Anmeldung zu einem deutschen Sprachkurs sei abgelehnt worden, weil sie überqualifiziert gewesen sei. Hierzu legte sie eine Bescheinigung des Landratsamtes Heilbronn vom 07.07.2010 vor.
10Mit Bescheid vom 15.03.2011 wurde der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens abgelehnt. Zur Begründung wurde angegeben, ein Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG liege nicht vor. Weder hätte sich die Sach- oder Rechtslage geändert, noch seien neue Beweismittel vorgelegt worden. Auch eine Wiederaufnahme nach § 51 Abs. 1 iVm § 48 VwVfG komme nicht in Betracht. Die Ablehnung sei nicht offensichtlich rechtswidrig, sondern anhand des Sprachtestprotokolls nachvollziehbar. Die von der Klägerin geltend gemachte fehlerhafte Beratung durch Behördenvertreter nach der Einreise habe nicht dazu geführt, dass sie ihre Rechte nicht habe durchsetzen können. Denn zu diesem Zeitpunkt sei die Widerspruchsfrist längst abgelaufen gewesen. Die Klägerin habe aber nicht glaubhaft gemacht, dass sie die Widerspruchsfrist nicht habe eingehalten können. Sie habe auch auf eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid verzichtet. Ein Festhalten an der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides verstoße daher nicht gegen Treu und Glauben.
11Hiergegen legte die Klägerin am 13.04.2011 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 11.05.2012 stellte sie beim BVA und beim Landratsamt Heilbronn einen Antrag auf Anerkennung als Spätaussiedlerin nach § 4 BVFG nach eigenem Recht. Durch Widerspruchsbescheid vom 06.06.2012 wurde der Widerspruch gegen die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Aufnahmeverfahrens zurückgewiesen und der Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung als Spätaussiedlerin abgelehnt. Zur Begründung wurde angegeben, die Klägerin sei nicht im Wege des Aufnahmeverfahrens, sondern als Ausländerin eingereist. Spätaussiedler könne nach § 4 BVFG aber nur derjenige sein, der das Aussiedlungsgebiet im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen habe.
12Gegen den Widerspruchsbescheid im Verfahren auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens wurde keine Klage erhoben.
13Gegen die Ablehnung der Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung legte die Klägerin am 03.07.2012 Widerspruch ein. Dieser wurde im Auftrag der Klägerin mit Schreiben vom 02.09.2012 begründet. Im Wesentlichen heißt es dort, die Klägerin sei deutsche Volkszugehörige. Beide Eltern hätten der deutschen Nationalität angehört. Die Klägerin habe sich in ihrem Inlandspass zur deutschen Nationalität bekannt. Ihr sei die deutsche Sprache genauso wie den beiden Schwestern U. und B1. in der Familie vermittelt worden. Beide Schwestern seien als deutsche Volkszugehörige anerkannt, die Schwester B1. T. , geb. am 0.00.1964, als Spätaussiedlerin und die Schwester U. L. , geb. am 00.00.1959, als Vertriebene. Die Klägerin habe, angefangen mit der Beantragung des Visums in der Deutschen Botschaft, alle Verfahren bei deutschen Behörden ohne Probleme selbst durchgeführt. Die Anmeldung bei einem Sprachkurs sei wegen ihrer guten Sprachkenntnisse abgelehnt worden.
14In einer persönlichen Äußerung zum Widerspruchsverfahren erklärte die Klägerin, das Gutachten über den Sprachtest sei falsch; möglicherweise sei das richtige Gutachten verloren gegangen oder verlegt worden. Sie habe alle Fragen in vollen Sätzen beantwortet und darüber hinaus viel in deutscher Sprache über das Familienleben erzählt. Dies alles sei nicht richtig protokolliert worden.
15Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2013 wurde der Widerspruch gegen die Ablehnung der Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung zurückgewiesen. Die Klägerin sei nicht im Wege des Aufnahmeverfahrens eingereist, sondern als ausländische Staatsangehörige. Da die Aufnahme bestandskräftig abgelehnt worden sei und auch das Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens bestandskräftig abgelehnt worden sei, könne dieser Mangel auch nicht mehr beseitigt werden.
16Am 09.04.2013 hat die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid vom 11.03.2013 im vorliegenden Verfahren Klage erhoben, mit der sie ihren Anspruch auf Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG weiterverfolgt.
17Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 15.07.2013 stellte die Klägerin einen Antrag auf nachträgliche Aufnahme als Spätaussiedlerin in einem Härtefall, weil sich die Rechtslage durch die Neuregelung im 10. Änderungsgesetz zum BVFG geändert habe. Die dort vorgesehenen Voraussetzungen für die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit, insbesondere die sprachlichen Anforderungen, seien erfüllt.
18Durch Bescheid des BVA vom 04.03.2014 wurde der Antrag auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens und Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG abgelehnt. In der Begründung wurde mitgeteilt, durch das Inkrafttreten des 10. Änderungsgesetzes vom 06.09.2013 habe sich zwar eine Änderung der Rechtslage ergeben. Diese wirke sich aber nicht zugunsten der Klägerin aus.
19Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei bei der Beurteilung des Statuserwerbs nach § 4 BVFG auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Einreise des Aufnahmebewerbers abzustellen. Für die Klägerin sei daher die Rechtslage bei ihrer Einreise 2004 maßgebend. Mit dem 10. Änderungsgesetz sollten die Personen begünstigt werden, die bislang noch nicht hätten aussiedeln können, weil sie die Voraussetzungen nach dem bisherigen Recht nicht erfüllten. Demgegenüber sei es nicht Absicht des Gesetzgebers gewesen, die neue Rechtslage rückwirkend für alle bereits in Deutschland aufgenommenen Personen einzuführen und ihnen damit nachträglich Fremdrentenansprüche einzuräumen.
20Selbst wenn aber das 10. Änderungsgesetz für die Feststellung des Status der Klägerin Anwendung fände, sei nicht erkennbar, dass sich dieses zu ihren Gunsten auswirke. Auch nach der Änderung sei der Nachweis von deutschen Sprachkenntnissen auf dem Niveau eines einfachen Gesprächs erforderlich, § 6 Abs. 2 BVFG n.F.. Diese müssten spätestens bei der Begründung des Aufenthaltes in der Bundesrepublik vorgelegen haben. Dies könne aber nach dem Ergebnis des Sprachtests im Jahr 2001 nicht festgestellt werden.
21Ein Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 5 iVm § 48 Abs. 1 VwVfG komme ebenfalls nicht in Betracht. Ein Festhalten an der bestandskräftigen Ablehnung führe nicht zu schlechthin unerträglichen Ergebnissen. Dagegen spreche schon, dass die Klägerin die Ablehnung über Jahre hinweg hingenommen habe. Diese sei auch nicht offensichtlich rechtswidrig. Nach dem Sprachtestprotokoll vom 16.08.2001 sei die Klägerin zu einem einfachen Gespräch auf Deutsch nicht in der Lage gewesen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anhörung nicht korrekt durchgeführt oder protokolliert worden sei.
22Aber selbst bei einem Wiederaufgreifen habe die Klägerin keinen Anspruch auf Aufnahme nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, da ein Härtefall nicht vorliege. Denn die Klägerin halte sich bereits seit 10 Jahren mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland auf. Außerdem fehle es an dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang mit der Ausreise und der Betätigung des Spätaussiedlerwillens. Dieser habe schon bei der ersten Beantragung des Wiederaufgreifens des Verfahrens im Februar 2010, also mehr als 5 Jahre nach der Einreise, nicht mehr bestanden.
23Gegen den Ablehnungsbescheid vom 04.03.2014 legte die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 06.03.2014 am 11.03.2014 Widerspruch ein, der wie folgt begründet wurde: Maßgeblich sei nach der aktuellen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung die im Entscheidungszeitpunkt geltende Rechtslage und damit das BVFG in der Fassung des 10. Änderungsgesetzes. Es lasse sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, dass eine Höherstufung von bereits in Deutschland aufgenommenen Personen nach dem 10. Änderungsgesetz ausgeschlossen sei. Im Übrigen sei ein Härtefall gegeben, wenn sich die Klägerin zwischen der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem deutschen Ehemann und der Aussicht auf eine für sie günstige Änderung des BVFG entscheiden müsse. Auch der zeitliche Zusammenhang zwischen Aussiedlung und Antragstellung könne hier keine Rolle spielen, da die Klägerin nicht auf beliebige Weise nach Deutschland übergesiedelt sei, sondern als Teil eines Familienverbandes von Spätaussiedlern. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 04.03.2014 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2014 zurückgewiesen.
24Gegen den Widerspruchsbescheid vom 23.06.2014 hat die Klägerin am 25.07.2014 Klage erhoben, mit der sie ihren Anspruch auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens und Erteilung eines Aufnahmebescheides in einem Härtefall nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG weiterverfolgt. Diese Klage ist Gegenstand des Verfahrens 7 K 4031/14.
25Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin eine persönliche Erklärung zum Erwerb ihrer Sprachkenntnisse und zum Ablauf des Sprachtests in Karaganda abgegeben. Danach sei zu Hause immer Deutsch gesprochen worden, weil die Eltern kein Russisch konnten. Großeltern habe sie nie gesehen. Im 14. Lebensjahr sei jedoch die Mutter gestorben. Danach sei sie aus dem Elternhaus weggegangen, um die Ausbildung als Erzieherin zu machen. Sie habe dann viele Jahre keinen deutschen Menschen gesehen. 1986 habe sie geheiratet. Der Vater des Ehemannes sei Russe gewesen. Deswegen sei auch seine Mutter gezwungen gewesen, Russisch zu sprechen. Sie habe trotzdem die Muttersprache nie vergessen. In der Schule sei sie im Fach Deutsch immer die Beste gewesen.
26Der Sprachtest sei freundlich verlaufen. Sie habe alle Fragen verstanden und den Dolmetscher nicht gebraucht. Nur ein paar Wörter hätten erklärt werden müssen. Sie habe vieles über ihre Familie und die Eltern erzählt. Am Ende habe die Sprachtesterin gesagt: „Gut, recht gut.“ Nach dem Sprachtest habe ihre Nichte aus Karlsruhe beim BVA angerufen und dieser sei mitgeteilt worden, dass sie selbst und ihre Schwiegermutter den Sprachtest bestanden hätten. Deshalb sei sie über die Ablehnung schockiert gewesen. In dem Sprachtestprotokoll, das sie 2010 im ersten Wiederaufnahmeverfahren gesehen habe, sei die Hälfte der gestellten Fragen nicht enthalten gewesen. Auch die Erzählungen über die Familie seien nicht aufgenommen worden. Auf den Seiten 47, 49, 50, 51 und 52 fehle ihre Unterschrift. Sie nehme daher an, dass die Unterlagen bei der Bearbeitung in eine fremde Akte geraten seien. Sie habe sich schon bei der Beantragung des Ausreisevisums bei der Deutschen Botschaft gegen die Einstufung nach § 8 BVFG gewehrt, sei aber immer vertröstet worden. Bei der Ausländerbehörde des Landratsamtes Heilbronn sei festgestellt worden, dass sie keinen Sprachkurs brauche, weil sie gute Deutschkenntnisse habe. Es könne nicht sein, dass ihre Schwestern als deutsche Volkszugehörige anerkannt seien, sie dagegen nicht.
27Im Klageverfahren 7 K 4031/14 wiederholt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zunächst die Ausführungen zur Anwendbarkeit des 10. Änderungsgesetzes zum BVFG. Im Übrigen sei die Klägerin bei Ablegung des Sprachtests am 16.08.2001 sehr wohl in der Lage gewesen, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen. In der Bewertung heiße es, die Klägerin habe die meisten Fragen sofort verstanden. Außerdem zeige das Protokoll, dass die Klägerin größtenteils in ganzen Sätzen, und nicht in einzelnen Wörtern habe sprechen können. Die Klägerin sei nur aufgrund einer Notsituation mit der Schwiegermutter nach Deutschland übergesiedelt: dem Sohn habe die Einziehung gedroht, es habe ein kriminelles Umfeld im Wohngebiet bestanden. Die Sprachkenntnisse der Klägerin im Zeitpunkt der Übersiedlung könnten von zahlreichen Zeugen bestätigt werden. Dies ergebe sich auch aus der Bescheinigung des Landratsamts Heilbronn vom 07.07.2010, wonach die Klägerin am Anfängerdeutschkurs nicht habe teilnehmen können, weil sie überqualifiziert gewesen sei.
28Die Klägerin beantragt,
29die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2013 zu verpflichten, der Klägerin eine Spätaussiedlerbescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 BVFG zu erteilen.
30Die Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Sie ist der Auffassung, dem Anspruch auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG stehe die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG entgegen. Denn der Aufnahmeantrag der Klägerin sei bestandskräftig abgelehnt worden. Auch der erste Antrag auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens sei durch Widerspruchsbescheid vom 06.06.2013 bestandskräftig abgelehnt worden. Der weitere Antrag auf Wiederaufgreifen vom 15.07.2013, der Gegenstand des Verfahrens 7 K 4031/14 sei, sei ebenfalls durch die angefochtenen Bescheide vom 04.03.2014 und vom 23.06.2014 zurückgewiesen worden.
33Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren 7 K 2370/13 und 7 K 4031/14 und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
35Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 06.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung.
36Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG stellt das Bundesverwaltungsamt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Die Klägerin kann danach keine Spätaussiedlerbescheinigung erhalten, weil sie keine Spätaussiedlerin ist. Wer Spätaussiedler ist, beurteilt sich für das Aussiedlungsgebiet der ehemaligen Sowjetunion nach § 4 Abs. 1 BVFG. Danach kann Spätaussiedler nur ein deutscher Volkszugehöriger sein, der das Aussiedlungsgebiet im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen hat.
37Es kann dahinstehen, ob die Klägerin deutsche Volkszugehörige im Sinne des § 6 Abs. 2 BVFG ist und ob diese Vorschrift in der aktuellen Fassung des 10. Änderungsgesetzes vom 06.09.2013 (BGBl. I S. 3554) anwendbar ist oder ob sich die deutsche Volkszugehörigkeit nach der im Zeitpunkt der Einreise der Klägerin im April 2004 gültigen Fassung des BVFG richtet,
38vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27.10.2014 – 1 B 15.14 (1 C 30.14) und 1 B 14.14 (1 C 29.14) - , zur Zulassung der Revision.
39Denn die Klägerin hat das Aussiedlungsgebiet nicht im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen. Dieses Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 1 BVFG ist durch das 10. Änderungsgesetz nicht verändert worden, sodass es nicht darauf ankommt, welches der für die Anwendung des BVFG maßgebliche Zeitpunkt ist.
40Im Wege des Aufnahmeverfahrens reist nur aus, wer aufgrund eines Aufnahmebescheides oder eines Einbeziehungsbescheides seine Heimat verlassen hat, § 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und § 7 Abs. 2 BVFG. Die Klägerin hat keinen Aufnahmebescheid erhalten und war auch nicht in den Aufnahmebescheid einer Bezugsperson einbezogen. Vielmehr war sie lediglich als mit einreisende Familienangehörige nach § 8 Abs. 2 BVFG im Einbeziehungsbescheid ihrer Schwiegermutter B1. H. vom 22.12.2003 eingetragen. Demnach konnte sie lediglich nach der gemeinsamen Einreise mit der Bezugsperson in das Verteilungsverfahren einbezogen werden, unterlag aber ansonsten dem Ausländerrecht. Damit erfolgte ihre Einreise nicht im Wege des Aufnahmeverfahrens, sondern auf der Grundlage einer ausländerrechtlichen Einreiseerlaubnis.
41Der Klägerin kann auch kein Aufnahmebescheid mehr erteilt werden. Ihr Aufnahmeverfahren ist durch den Ablehnungsbescheid vom 22.12.2003 bestandskräftig abgeschlossen. Ihr erster Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens vom 20.02.2010 ist ebenfalls bestandskräftig abgelehnt worden. Die Klägerin hat auch nach Inkrafttreten des 10. Änderungsgesetzes keinen Anspruch auf ein erneutes Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens und die Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG. Die Beklagte hat ihren zweiten Wiederaufnahmeantrag vom 15.07.2013 durch den Bescheid vom 04.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2014 rechtmäßig abgelehnt. Die Klage gegen diese Bescheide wurde mit Urteil vom 22.01.2015 im Verfahren 7 K 4031/14 abgewiesen. Auf die ausführliche Begründung dieses Urteils wird Bezug genommen.
42Die vorliegende Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn
- 1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat; - 2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden; - 3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.
(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn
- 1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat; - 2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden; - 3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.
(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.
(1) Deutscher Volkszugehöriger im Sinne dieses Gesetzes ist, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird.
(2) Wer nach dem 31. Dezember 1923 geboren worden ist, ist deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Das Bekenntnis auf andere Weise kann insbesondere durch den Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder durch den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse erbracht werden. Das Bekenntnis zum deutschen Volkstum muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Aufnahmeantrag, in Fällen des § 27 Absatz 1 Satz 2 im Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich dieses Gesetzes, zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können, es sei denn, der Aufnahmebewerber kann diese Fähigkeit wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht besitzen. Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum wird unterstellt, wenn es unterblieben ist, weil es mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden war, jedoch auf Grund der Gesamtumstände der Wille unzweifelhaft ist, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Der 1960 geborene Kläger stellte im April 2002 für sich und seine Ehefrau einen Antrag auf Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Darin gab er an, als Kind im Elternhaus von Kindheit an Deutsch und ab dem 12. Lebensjahr Russisch gesprochen zu haben. Er habe die deutsche Sprache von seiner Großmutter mütterlicherseits, von Tanten und Onkeln sowie in der Schule erlernt. Heute spreche er zu Hause häufig Deutsch und häufig Russisch. Er verstehe in deutscher Sprache fast alles und könne ein einfaches Gespräch führen. Mit seinem Aufnahmeantrag legte der Kläger – jeweils in beglaubigter Kopie – einen 1997 ausgestellten Inlandspass vor, in dem er mit deutscher Nationalität eingetragen ist, sowie eine Bescheinigung der Polizeiabteilung der Stadt Satpajew vom 12. März 2002, wonach die Nationalität im Rahmen des durchgeführten allgemeinen Passtauschs nicht geändert worden sei. Der Kläger legte weiterhin eine beglaubigte Kopie seiner Geburtsurkunde mit dem Ausstellungsdatum 17. Dezember 1960 vor, in der seine Mutter mit deutscher Nationalität eingetragen ist; ein Vater ist in der Geburtsurkunde nicht eingetragen.
3Die Mutter des Klägers betrieb zeitgleich ein eigenes Aufnahmeverfahren. Sein älterer Bruder I. B. und sein jüngerer Bruder, der Zeuge X. B. , lebten bereits seit Mitte bzw. Ende der 1990er Jahre als anerkannte Spätaussiedler in Deutschland.
4Am 17. März 2003 wurde der Kläger im Konsularsprechtagsbüro in Karaganda angehört. Dort gab er an, als Kind im Elternhaus Deutsch und Russisch erlernt zu haben. Die deutsche Sprache sei ihm von der Großmutter mütterlicherseits sowie in der Schule vermittelt worden. Außerdem betreibe er seit mehreren Jahren Selbststudium und besuche seit einem Jahr einen Sprachkurs. Als Ergebnis des durchgeführten Sprachtests wurde festgehalten, dass eine Verständigung auf sehr einfachem Niveau mit dem Kläger gerade noch möglich gewesen, ein Gespräch im Sinne eines Dialogs jedoch nicht zustande gekommen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das über die Anhörung gefertigte Protokoll Bezug genommen. Der Kläger legte bei seiner Anhörung ferner seinen 1980 ausgestellten Militärpass vor, in dem er mit deutscher Nationalität geführt wird.
5Der Mutter des Klägers wurde unter dem 16. Juli 2004 ein Aufnahmebescheid erteilt. Mit Schreiben vom gleichen Tag teilte das Bundesverwaltungsamt dem Kläger mit, dass er die Voraussetzungen für eine Aufnahme als Spätaussiedler in eigener Person nicht erfülle, da er den Sprachtest in der deutschen Auslandsvertretung nicht bestanden habe. Er könne jedoch gemäß § 7 Abs. 2 BVFG als Abkömmling in den Aufnahmebescheid seiner Mutter einbezogen werden; seine Ehefrau könne als weitere Familienangehörige gemeinsam mit ihm einreisen und verteilt werden. Sofern der Kläger wegen der getroffenen Einstufung einen Ablehnungsbescheid wünsche, bat das Bundesverwaltungsamt um entsprechende Mitteilung. Der Einbeziehungsbescheid vom 16. Juli 2004 war dem Schreiben beigefügt.
6Der Kläger reiste sodann mit seiner Mutter und seine Ehefrau am 19. Dezember 2004 nach Deutschland ein. Am 10. Februar 2005 beantragte er bei der Stadt Dortmund die Ausstellung einer Bescheinigung als Abkömmling eines Spätaussiedlers nach § 15 Abs. 2 BVFG, die ihm unter dem 19. April 2005 erteilt wurde. In dem Prüfbogen zum Spätaussiedlerstatus vermerkte die Stadt Dortmund unter Verweis auf das Protokoll über die Anhörung des Klägers in Karaganda, dass die Vermittlung bestätigender Merkmale zwar möglich und zumutbar gewesen sei, vom Kläger jedoch nicht habe bewiesen oder glaubhaft gemacht werden können.
7Am 8. Januar 2013 stellte der Kläger beim Bundesverwaltungsamt einen Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung als Spätaussiedler nach § 15 Abs. 1 BVFG.
8Das Bundesverwaltungsamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 6. Mai 2013 ab. Zur Begründung führte es aus: Der Kläger sei im Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts in Deutschland nicht in der Lage gewesen, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen. Anlässlich seiner Anhörung in Karaganda sei ausweislich des Protokolls ein solches Gespräch nicht zustande gekommen. Der Kläger sei damit kein Spätaussiedler.
9Der Kläger legte hiergegen rechtzeitig Widerspruch ein und trug vor: Er verfüge über familiär vermittelte Deutschkenntnisse, die ihn zum Zeitpunkt seiner Übersiedlung nach Deutschland Ende 2004 befähigt hätten, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen. Er habe bis zu seinem 8. Lebensjahr nur schlecht Russisch sprechen können, da zu Hause größtenteils Deutsch gesprochen worden sei. Erst ab der Einschulung habe die russische Sprache größere Bedeutung erlangt. Im Familienkreis sei jedoch bis zum Tod seiner Großmutter im Jahr 1987 weiterhin die deutsche Sprache verwendet worden. Dem Sprachtestprotokoll lasse sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Er habe den größten Teil der an ihn gerichteten Fragen verstanden. Bei einigen Fragen habe er den Sprachtester um Wiederholung gebeten. Dieser habe ihn sofort an die Dolmetscherin verwiesen. Aufgrund eines Missverständnisses habe er sodann auf Russisch gestellte Fragen auf Russisch beantwortet. Dies sei nervositätsbedingt geschehen und führe zu einem verzerrten Bild.
10Das Bundesverwaltungsamt wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2013 unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe des Ablehnungsbescheides zurück.
11Der Kläger hat am 5. Juni 2013 Klage erhoben. Er trägt ergänzend vor: Bei seiner Anhörung in Karaganda seien 15 Fragen an ihn gerichtet worden, von denen er 9 in ganzen Sätzen beantwortet habe. Die Antwort auf die Frage „Was arbeiten Sie?“ sei zu Unrecht als falsch bewertet worden. Die Frage „Haben Sie Geschwister?“ werde immer wieder so verstanden, dass nach Schwestern gefragt werde. Es könne daher festgestellt werden, dass ausweislich des Protokolls ein Gespräch mit dem Kläger auf einfachstem Niveau möglich gewesen sei.
12Der Kläger beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 6. Mai 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 zu verpflichten, ihm eine Bescheinigung als Spätaussiedler nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG zu erteilen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie nimmt Bezug auf den Inhalt der angegriffenen Bescheide und führt ergänzend aus: Der Kläger verfüge den amtlichen Feststellungen des Sprachtesters zufolge über nur geringe deutsche Sprachkenntnisse. Er habe ein „gebrochenes Deutsch“ mit russischem Akzent gesprochen; ein russlanddeutscher Dialekt sei nicht heraushörbar gewesen. Auch die weiteren Feststellungen, dass der Kläger Fragen mitunter nur mit einzelnen Worten oder Satzfragmenten habe beantworten können und zudem etliche Fragen nicht verstanden habe, würden durch das Wortprotokoll bestätigt.
17Das Gericht hat zu den deutschen Sprachkenntnissen des Klägers im Zeitpunkt seiner Einreise nach Deutschland im Dezember 2004 Beweis erhoben durch Vernehmung des Bruders des Klägers, Herrn X. B. , als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 6. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung als Spätaussiedler nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG nicht zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
21Das Begehren des Klägers, die Beklagte zur Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG zu verpflichten, ist nach der im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts geltenden Rechtslage zu beurteilen.
22BVerwG, Urteil vom 13.9.2007 – 5 C 38.06 -, juris, Rn. 11.
23Anwendung findet daher grundsätzlich das Bundesvertriebenengesetz in der Fassung des 10. Änderungsgesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I 3554), das am 14. September 2013 in Kraft getreten ist.
24Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.11.2013 – 11 A 2423/11 -, juris, Rn. 36.
25Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG stellt das Bundesverwaltungsamt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Die Spätaussiedlereigenschaft setzt nach den §§ 4 Abs. 1, 6 BVFG voraus, dass der Betreffende deutscher Volkszugehöriger ist. Für die nach dem 31. Dezember 1923 Geborenen bestimmt § 6 Abs. 2 BVFG, unter welchen Voraussetzungen sie deutsche Volkszugehörige sind.
26Ob § 6 Abs. 2 BVFG entsprechend dem vorstehend dargelegten Grundsatz in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts geltenden Fassung anzuwenden ist oder (ausnahmsweise) in der zum Zeitpunkt der Wohnsitznahme des Klägers in Deutschland im Dezember 2004 maßgeblichen Fassung anzuwenden sein könnte,
27vgl. zu einer solchen Problematik BVerwG, Urteil vom 13.9.2007 – 5 C 38.06 -, juris, Rn. 16,
28kann dahinstehen. Denn die tatbestandliche Voraussetzung des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG, zur Bestätigung des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können, um die im vorliegenden Verfahren im Kern gestritten wird, beansprucht bereits seit dem am 7. September 2001 in Kraft getretenen Spätaussiedlerstatusgesetz Geltung.
29Die Fähigkeit zum Führen eines einfachen Gesprächs setzt voraus, dass sich der Aufnahmebewerber über einfache Lebenssachverhalte aus dem familiären Bereich, über alltägliche Situationen und Bedürfnisse oder über die Ausübung eines Berufs oder einer Beschäftigung – ohne dass es dabei auf exakte Fachbegriffe ankäme – unterhalten kann. Erforderlich ist zum einen die Fähigkeit zu einem sprachlichen Austausch über die genannten Themen in grundsätzlich ganzen Sätzen, wobei begrenzter Wortschatz und einfacher Satzbau genügen und Fehler in Satzbau, Wortwahl und Aussprache nicht schädlich sind, wenn sie nach Art oder Zahl dem richtigen Verstehen nicht entgegenstehen. Erforderlich ist zum anderen ein einigermaßen flüssiger Austausch in Rede und Gegenrede. Ein durch Nichtverstehen bedingtes Nachfragen, Suchen nach Worten oder stockendes Sprechen, also ein langsameres Verstehen als zwischen in Deutschland aufgewachsenen Personen, steht dem erst entgegen, wenn Rede und Gegenrede so oft oder so weit auseinander liegen, dass von einem Gespräch als mündlicher Interaktion nicht mehr gesprochen werden kann. Nicht ausreichend sind daher das bloße Aneinanderreihen einzelner Worte ohne Satzstruktur oder insgesamt nur stockende Äußerungen; ein nur punktuelles Sich-verständlich-Machen genügt nicht.
30Vgl. BVerwG, Urteile vom 4.9.2003 – 5 C 11.03 –, juris, Rn. 18 ff., und – 5 C 33.02 –, juris, Rn. 17 ff.
31Ein einfaches Gespräch auf Deutsch im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG muss der Aufnahmebewerber jederzeit abrufbar führen können.
32Vgl. nur OVG NRW, Beschlüsse vom 17.2.2006 – 12 A 388/04 -, juris, Rn. 4; vom 26.4.2007 – 12 A 4477/06 -, juris, Rn. 3; vom 31.5.2010 – 12 A 2345/08 -, juris, Rn. 13, und vom 14.7.2010 – 12 A 1400/09 -, juris, Rn. 8.
33Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Kenntnisse der deutschen Sprache des Klägers diesen zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Einreise nach Deutschland,
34vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunktes in den Fällen, in denen – wie hier – vor Ausreise keine verwaltungsbehördliche Entscheidung über den Aufnahmeantrag ergangen ist, OVG NRW, Urteil vom 20.1.2011 – 12 A 2925/09 –, juris, Rn. 77,
35in die Lage versetzten, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen. Eine vernünftige Zweifel ausschließende Wahrscheinlichkeit,
36vgl. zu diesem Maßstab OVG NRW, Urteil vom 20.1.2011 – 12 A 2925/09 -, juris, Rn. 80 m.w.N.,
37einer zum damaligen Zeitpunkt genügenden Sprachkompetenz besteht nicht.
38Gegen eine genügende Sprachkompetenz des Klägers zum Zeitpunkt seiner Einreise nach Deutschland im Dezember 2004 spricht maßgeblich das Ergebnis seiner Anhörung im Konsularsprechtagsbüro in Karaganda am 17. März 2003. Ausweislich des über diese Anhörung gefertigten Protokolls hat der Kläger etwa die Hälfte der ihm in deutscher Sprache gestellten Fragen nicht bzw. falsch verstanden („Warum musste Ihre Mutter vom Saratowgebiet wegfahren?“, „Haben Sie Geschwister?“, „Wie haben Sie Ihren letzten Geburtstag gefeiert?“, „Wie weit ist es von Sapajew nach Karaganda?“, „Wann haben Sie geheiratet?“, „Erzählen Sie bitte von Ihrer Hochzeitsfeier.“, „Welches Wetter ist im Sommer?“, „Welche Farbe hat mein Hemd?“). Die übrigen Fragen hat er überwiegend lediglich mit einzelnen Worten und Satzfragmenten beantwortet. Die Einschätzung des Sprachtesters, dass eine Verständigung in deutscher Sprache mit dem Kläger auf sehr einfachem Niveau gerade noch möglich war, ein Gespräch mit ihm jedoch nicht geführt werden konnte, ist für das Gericht daher nachvollziehbar. Sie wird auch nicht in Frage gestellt durch den Einwand des Klägers, er habe nervositätsbedingt die von der Dolmetscherin ins Russische übersetzten Fragen auf Russisch beantwortet. Denn den Umstand, dass er ausweislich des Protokolls etwa die Hälfte der ihm in deutscher Sprache gestellten Fragen bereits nicht verstanden hat, vermag der Kläger damit nicht zu widerlegen.
39Zur Überzeugung des Gerichts ist auch nicht feststellbar, dass der Kläger beim Verlassen der Aussiedlungsgebiete über bessere deutsche Sprachkenntnisse verfügte als bei seiner Anhörung in Karaganda. Anhaltspunkte hierfür liefert insbesondere nicht die Zeugenaussage des Bruders des Klägers, X. B. . Der Zeuge hat bekundet, dass er mit seinem Bruder in der Regel Russisch gesprochen habe. Lediglich bei Kleinigkeiten habe er mit ihm auf Deutsch gesprochen bzw. ihn Deutsch sprechen hören. (Erst) heute spreche er mit dem Kläger mehr Deutsch. Beim Ausfüllen der Formulare in Friedland sowie später in Dortmund bei der Beantragung einer Bescheinigung als Abkömmling eines Spätaussiedlers seien er selbst und der dritte Bruder dem Kläger behilflich gewesen.
40Diese Angaben des Zeugen vermögen das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger bei seiner Einreise nach Deutschland in der Lage war, ein einfaches Gespräch auf Deutsch im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG zu führen. Sie bestätigen im Kern vielmehr das Ergebnis der Anhörung des Klägers in Karaganda.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
42Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124a Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor.
(1) Deutscher Volkszugehöriger im Sinne dieses Gesetzes ist, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird.
(2) Wer nach dem 31. Dezember 1923 geboren worden ist, ist deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Das Bekenntnis auf andere Weise kann insbesondere durch den Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder durch den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse erbracht werden. Das Bekenntnis zum deutschen Volkstum muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Aufnahmeantrag, in Fällen des § 27 Absatz 1 Satz 2 im Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich dieses Gesetzes, zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können, es sei denn, der Aufnahmebewerber kann diese Fähigkeit wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht besitzen. Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum wird unterstellt, wenn es unterblieben ist, weil es mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden war, jedoch auf Grund der Gesamtumstände der Wille unzweifelhaft ist, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören.
(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn
- 1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat; - 2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden; - 3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.
(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn
- 1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat; - 2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden; - 3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.
(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.
(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.
(2) Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern. Sie gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht haben.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Aufnahmebescheids.
- 2
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Die im Jahr 1980 in Kasachstan geborene Klägerin beantragte erstmals im Jahr 1999 ihre Aufnahme in das Bundesgebiet als Spätaussiedlerin. Das Bundesverwaltungsamt lehnte diesen Antrag ab, weil die Klägerin nicht deutscher Abstammung sei. Mit der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, ihr Großvater sei deutscher Abstammung und sie erfülle auch im Übrigen die Voraussetzungen einer Aufnahme als Spätaussiedlerin. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 7. Mai 2004 ab. Die dagegen eingelegte Berufung blieb erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht legte im Einklang mit dem erstinstanzlichen Urteil im Wesentlichen dar, die Klägerin sei nicht deutsche Volkszugehörige, weil sie nicht von einem deutschen Volks- oder Staatsangehörigen abstamme. Auf frühere Generationen der Familie komme es insoweit nicht an.
- 3
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Mit Schreiben vom 6. Februar 2008 beantragte die Klägerin erneut die Erteilung eines Aufnahmebescheids und legte dar, nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Januar 2008 - BVerwG 5 C 8.07 - (BVerwGE 130, 197) genüge es für das Merkmal der Abstammung, wenn - wie in ihrem Fall - ein Großelternteil deutscher Volkszugehöriger gewesen sei.
- 4
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Das Verwaltungsgericht wies die von der Klägerin erhobene Untätigkeitsklage mit Urteil vom 5. November 2008 als unbegründet ab, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verfahrens über den im Jahr 1999 beantragten Aufnahmebescheid habe und das von § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG eingeräumte Ermessen nicht auf Null reduziert sei.
- 5
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Mit Beschluss vom 30. September 2009 ließ das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, "soweit das angefochtene Urteil den Anspruch der Klägerin auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen ihres Aufnahmeverfahrens betrifft". Im Übrigen wurde die Berufung nicht zugelassen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 29. Oktober 2009 ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG ab.
- 6
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Mit Beschluss vom 8. Juni 2010 wies das Oberverwaltungsgericht die Berufung als unbegründet zurück. Soweit die Klägerin mit ihrem Berufungsantrag eine erneute Sachentscheidung über die Erteilung eines Aufnahmebescheids begehre und Gründe für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne geltend mache, sei die Berufung nicht zugelassen worden. Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne bestehe nicht, weil die Beklagte das ihr insoweit zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt habe.
- 7
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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Im Wesentlichen macht sie geltend: Ihrem erneuten Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheids stehe nicht die Bestandskraft der früheren Versagung eines solchen Bescheids entgegen. Zu Unrecht sei das Oberverwaltungsgericht von einer fehlerfreien Ermessensentscheidung in Bezug auf das Wiederaufgreifen ausgegangen. Es sei sittenwidrig, wenn sich die Behörde auf die Bestandskraft der früheren Versagung des Aufnahmebescheids berufe, obwohl feststehe, dass sie, die Klägerin, wegen der Abstammung von ihrem deutschen Großvater deutsche Volkszugehörige sei. Die angefochtene Entscheidung beruhe auch auf Verfahrensfehlern.
- 8
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Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.
Entscheidungsgründe
- 9
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Die Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg (1.). Der angegriffene Beschluss beruht auch in der Sache nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (2.). Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO).
- 10
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1. Die Verfahrensrügen genügen nicht den Darlegungserfordernissen und sind deshalb unzulässig.
- 11
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Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen, als auch in seiner rechtlichen Würdigung substanziiert dargetan wird (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
VwGO Nr. 26 S. 14). Die Pflicht zur Bezeichnung des Verfahrensmangels erfordert die schlüssige Darlegung einer Verfahrensrüge (vgl. Beschlüsse vom 1. Dezember 2000 - BVerwG 9 B 549.00 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 60 S. 17 <18> und vom 24. März 2000 - BVerwG 9 B 530.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308 S. 15). Zwar ist es grundsätzlich zulässig, in der Revisionsbegründung hinsichtlich der geltend gemachten Verfahrensrügen auf das Vorbringen in der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug zu nehmen (vgl. Urteil vom 25. Oktober 1988 - BVerwG 9 C 37.88 - BVerwGE 80, 321 <322 f.>). Der Beschwerdeschrift ist jedoch eine substanziierte und schlüssige Rüge eines Verfahrensmangels nicht zu entnehmen.
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Im Zusammenhang mit der Behauptung einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs wird nicht konkret dargelegt, welches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen wurde oder worin ansonsten eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG liegen soll. Die Aufklärungsrüge ist ebenfalls nicht ausreichend begründet. Eine zulässige Aufklärungsrüge setzt voraus, dass die Beschwerde darlegt, welche Tatsachen auf der Grundlage der insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz ermittlungsbedürftig gewesen wären (vgl. Urteil vom 22. Januar 1969 - BVerwG 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 <217>; Beschlüsse vom 13. Juli 2007 - BVerwG 9 B 1.07 - juris und vom 28. Juli 2008 - BVerwG 8 B 31.08 - juris). Die Klägerin zeigt nicht auf, dass sich nach der materiellrechtlichen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts weitere Ermittlungen zu der Frage der familiären Sprachvermittlung aufdrängen mussten.
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2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheids nach § 27 Abs. 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (BVFG). Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass das Oberverwaltungsgericht in dem Beschluss vom 30. September 2009 die Berufung nur insoweit zugelassen hat, als das erstinstanzliche Urteil den Anspruch der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen ihres im Jahr 1999 eingeleiteten Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheids betrifft (a). Einem Anspruch auf Erteilung des erstrebten Bescheids steht aber die Rechtskraftbindung nach § 121 VwGO entgegen (b).
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a) Die Beschränkung der Berufungszulassung erweist sich als unwirksam, so dass auch der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheids Gegenstand des Revisionsverfahrens ist.
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Das Berufungsverfahren ist grundsätzlich darauf gerichtet, die Streitsache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erneut - d.h. grundsätzlich in demselben Umfang wie in der ersten Instanz - zu überprüfen. Auch bei der Zulassungsberufung ist daher eine Beschränkung nur im Hinblick auf einzelne abtrennbare Streitgegenstände oder Teile eines solchen möglich. Eine Beschränkung der Berufungszulassung auf einzelne Tatsachen- oder Rechtsfragen ist hingegen nicht statthaft (vgl. Urteil vom 7. Februar 1997 - BVerwG 9 C 11.96 - Buchholz 310 § 129 VwGO Nr. 6 S. 5 und Beschluss vom 27. Oktober 2010 - BVerwG 5 B 18.10 - juris Rn. 13 m.w.N.). So liegt es hier.
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Die Klägerin hat vor dem Verwaltungsgericht die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines Aufnahmebescheids und "hilfsweise" das Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens über ihren im Jahr 1999 gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheids begehrt. Hinsichtlich des angestrebten Wiederaufgreifens hat das Oberverwaltungsgericht unterschieden zwischen einem Wiederaufgreifen im engeren Sinn (§ 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG), auf das bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht, und einem im Ermessen der Behörde stehenden Wiederaufgreifen im weiteren Sinn (§ 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG). Indem das Oberverwaltungsgericht die Berufung nur hinsichtlich des Anspruchs auf Wiederaufgreifen im weiteren Sinn zugelassen hat, hat es die Zulassung unzulässig auf eine Rechtsfrage beschränkt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kennzeichnen Rechts- und Ermessensanspruch nur unterschiedliche und unterschiedlich weitgehende Anspruchsgrundlagen für ein und dasselbe Begehren, nicht hingegen unterschiedliche Streitgegenstände oder abtrennbare Teile eines solchen Gegenstandes (vgl. Urteil vom 3. November 1994 - BVerwG 3 C 30.93 - Buchholz 418.15 Rettungswesen Nr. 2 S. 15). Deshalb wird ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens als einheitliches Begehren verstanden und sowohl unter dem Gesichtspunkt des Wiederaufgreifens im engeren Sinn als auch mit Blick auf ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinn gewürdigt (vgl. Urteile vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 1 C 15.08 - BVerwGE 135, 121 Rn. 17 ff. und - BVerwG 1 C 26.08 - BVerwGE 135, 137 Rn. 15 ff.).
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Eine Umdeutung einer auf Rechtsgründe gestützten Teilzulassung in eine weniger weitgehende und zulässige Berufungsbeschränkung nach Streitgegenständen ist aus Gründen der Rechtsmittelklarheit nicht möglich. Die Beschränkung muss sich eindeutig aus der insoweit einschlägigen gerichtlichen Entscheidung ergeben (vgl. Urteile vom 17. Oktober 1972 - BVerwG 3 C 82.71 - BVerwGE 41, 52 <53> und vom 4. Juli 1985 - BVerwG 5 C 7.82 - Buchholz 424.01 § 85 FlurbG Nr. 2 S. 2).
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b) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheids. Einen solchen Bescheid könnte sie nur beanspruchen, wenn die Rechtskraftbindung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 7. Mai 2004 überwunden wird (aa). Die Voraussetzungen dafür liegen hingegen nicht vor (bb).
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aa) Dem Begehren steht entgegen, dass die Verpflichtungsklage der Klägerin gegen die Versagung des von ihr im Jahr 1999 beantragten Aufnahmebescheids mit Urteil vom 7. Mai 2004 rechtskräftig abgewiesen wurde.
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Das Urteil vom 7. Mai 2004 entfaltet die Wirkung des § 121 Nr. 1 VwGO. Danach binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Streitgegenstand einer Verpflichtungsklage ist die Rechtsbehauptung des Klägers, er habe einen Anspruch auf Erlass des beantragten Verwaltungsakts (vgl. Beschluss vom 24. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 47.06 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 1 Rn. 18 m.w.N.). Dementsprechend enthält ein eine Verpflichtungsklage abweisendes Sachurteil die Feststellung, dass zum für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der behauptete Anspruch nicht besteht. Diese Feststellung ist von der Bindungswirkung des § 121 VwGO erfasst. Mit der Bestimmung soll auch verhindert werden, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch Sachurteil entschieden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage erneut - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Parteien gemacht und einer erneuten Sachprüfung zugeführt werden kann (stRspr, vgl. z.B. Urteile vom 10. Mai 1994 - BVerwG 9 C 501.93 - BVerwGE 96, 24 <25>, vom 18. September 2001 - BVerwG 1 C 4.01 - BVerwGE 115, 111 <114> und vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 1 C 26.08 - a.a.O. Rn. 13, jeweils m.w.N.). Soweit und solange das die Verpflichtungsklage abweisende rechtskräftige Urteil nach § 121 VwGO Bindungswirkung entfaltet, ist es demzufolge der Exekutive verwehrt, im Fall eines wiederholten Antrags erneut eine ablehnende Sachentscheidung zu treffen und auf diese Weise die Möglichkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes wieder zu eröffnen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Juni 1988 - 2 BvR 260/88 - NVwZ 1989, 141 <142>). Die Bindungswirkung des § 121 VwGO tritt ungeachtet der tatsächlichen Rechtslage ein.
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Dies entspricht der Funktion der Rechtskraft verwaltungsgerichtlicher Urteile, durch die Maßgeblichkeit und Rechtsbeständigkeit der Entscheidung über den Streitgegenstand Rechtsfrieden zu gewährleisten. Dieser Zweck, der aus dem verfassungsrechtlich geschützten Prinzip der Rechtssicherheit folgt, verbietet es, die Exekutive uneingeschränkt zu einer erneuten Entscheidung über ein Begehren, das dem rechtskräftig entschiedenen Streitgegenstand entspricht, für befugt zu erachten (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 1 C 26.08 - a.a.O. Rn. 14; BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Juni 1988 a.a.O.). Dementsprechend hat der im Vorprozess unterlegene Antragsteller, solange und soweit die Bindungswirkung des klageabweisenden rechtskräftigen Urteils reicht, keinen Rechtsanspruch auf eine erneute Entscheidung in der Sache (zur zeitlichen Grenze der materiellen Rechtskraft vgl. Urteil vom 18. September 2001 - BVerwG 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 <120 f.> m.w.N.).
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Daran gemessen steht die Rechtskraftbindung des Urteils vom 7. Mai 2004 einem Anspruch der Klägerin auf Sachentscheidung über den erneuten Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheids entgegen. Das Antragsbegehren entspricht dem Streitgegenstand, über den rechtskräftig entschieden worden ist. Da die Ablehnung des im Jahr 1999 beantragten Aufnahmebescheids gerichtlich rechtskräftig bestätigt worden ist, kann hier dahingestellt bleiben, welche Auswirkungen es gehabt hätte, wenn die Versagung des Bescheids keiner gerichtlichen Überprüfung unterzogen worden und (lediglich) bestandskräftig geworden wäre.
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bb) Die Klägerin kann eine Durchbrechung der Bindungswirkung nicht beanspruchen.
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Die Wirkung des § 121 VwGO kann nur auf gesetzlicher Grundlage überwunden werden. So liegt es, wenn der Betroffene nach § 51 VwVfG einen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens hat oder die Behörde das Verfahren im Ermessenswege wieder aufgreift oder aufgreifen muss (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 1 C 26.08 - a.a.O. Rn. 14). Beides ist hier nicht der Fall.
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aaa) Die Voraussetzungen eines Rechtsanspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG liegen nicht vor. Insbesondere ist keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zu verzeichnen.
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Die Klägerin beruft sich insoweit ohne Erfolg auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Januar 2008 (a.a.O. Rn. 12 ff.). Dort hat das Bundesverwaltungsgericht das Tatbestandsmerkmal der Abstammung im Sinne von § 6 Abs. 2 BVFG dahin ausgelegt, dass der Erwerb der deutschen Volkszugehörigkeit nicht auf die Abstammung von volksdeutschen Eltern begrenzt ist. Es genügt die Herkunft von deutschen Großeltern, um das Abstammungsmerkmal zu erfüllen. Der Klägerin ist darin zu folgen, dass das Bundesverwaltungsgericht in jenem Urteil erstmals eine bis dahin umstrittene Auslegungsfrage höchstrichterlich geklärt hat. Die im Vorprozess ergangenen Urteile des Verwaltungs- und des Oberverwaltungsgerichts stehen mit dieser Rechtsprechung insoweit nicht im Einklang, als in ihnen davon ausgegangen wurde, dass die Klägerin deshalb nicht deutsche Volkszugehörige sei, weil kein Elternteil deutscher Volkszugehöriger gewesen sei.
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Gleichwohl sind die Voraussetzungen einer Änderung der Rechtslage im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nicht erfüllt. Eine solche Änderung erfasst nur einen Wandel der normativen Bestimmung, nicht aber eine Änderung der Norminterpretation. Auch eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und eine erstmalige Klärung einer Rechtsfrage durch diese Rechtsprechung stellen im Rahmen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG keine Änderung der Rechtslage dar (vgl. Beschlüsse vom 25. Mai 1981 - BVerwG 8 B 89.80 u.a. - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 9 und vom 16. Februar 1993 - BVerwG 9 B 241.92 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 29; Urteil vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 1 C 15.08 - BVerwGE 135, 121 Rn. 21).
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bbb) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Rechtskraftbindung im Wege des Wiederaufgreifens des abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens auf der Grundlage des § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG überwunden wird.
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Die in § 51 Abs. 5 VwVfG verankerte Ermächtigung der Behörde, nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren im Ermessenswege wiederaufzugreifen, ermöglicht auch bei rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahren die nachträgliche Kontrolle inhaltlich unrichtiger Entscheidungen. Trifft die Behörde eine positive Entscheidung zum Wiederaufgreifen (Stufe 1), wird hierdurch die Rechtskraft durchbrochen und der Weg für eine neue Sachentscheidung eröffnet. Mit der Befugnis zum Wiederaufgreifen korrespondiert ein gerichtlich einklagbarer Anspruch des Betroffenen auf fehlerfreie Ermessensausübung. Dabei handelt die Behörde grundsätzlich ermessensfehlerfrei, wenn sie ein Wiederaufgreifen im Hinblick auf die rechtskräftige Bestätigung ihrer Entscheidung in dem früheren Verwaltungsverfahren ablehnt. In diesen Fällen bedarf es regelmäßig keiner weiteren ins Einzelne gehenden Ermessenserwägungen der Behörde. Umstände, die ausnahmsweise eine erneute Sachentscheidung und damit ein Wiederaufgreifen gebieten, müssen in ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht mit einem der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG geregelten zwingenden Wiederaufgreifensgründe vergleichbar sein. Allein der Umstand, dass der rechtskräftig bestätigte Verwaltungsakt - gemessen an den sich aus der aktuellen Rechtsprechung ergebenden Anforderungen - nicht rechtmäßig verfügt werden durfte, genügt hierfür nicht. Dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit kommt nämlich prinzipiell kein größeres Gewicht zu als dem Gebot der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit verdichtet sich das Ermessen der Behörde zugunsten des Betroffenen, wenn das Festhalten an dem rechtskräftig bestätigten Verwaltungsakt schlechthin unerträglich wäre (vgl. zum Vorstehenden Urteile vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 1 C 15.08 - a.a.O. Rn. 24 und - BVerwG 1 C 26.08 - a.a.O. Rn. 19 f., jeweils m.w.N.). Daran gemessen ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte mit Bescheid vom 29. Oktober 2009 ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinn des abgeschlossenen Verfahrens abgelehnt hat.
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Das Bundesvertriebengesetz enthält keine Wertung dahin, dass bei der hier in Rede stehenden Fallgestaltung das Gebot der Rechtssicherheit hinter den Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit zurückzutreten hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus Art. 116 GG nichts Anderes. Das Festhalten an der rechtskräftig bestätigten Ablehnung eines Aufnahmebescheids erweist sich nicht als schlechthin unerträglich. Ob sich die Aufrechterhaltung eines Verwaltungsaktes als schlechthin unerträglich darstellt, hängt von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte ab. Die Ablehnung eines Wiederaufgreifens des Verfahrens ist insbesondere dann schlechthin unerträglich, wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen. Genauso verhält es sich bei offensichtlicher Fehlerhaftigkeit des rechtskräftigen Urteils, mit dem der frühere Verwaltungsakt bestätigt wurde (vgl. Beschluss vom 7. Juli 2004 - BVerwG 6 C 24.03 - BVerwGE 121, 226 <231> m.w.N. und Urteile vom 27. Januar 1994 - BVerwG 2 C 12.92 - BVerwGE 95, 86 <92> sowie vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 1 C 15.08 - a.a.O. Rn. 34 und - BVerwG 1 C 26.08 - a.a.O. Rn. 24). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Nach den den Senat bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Beschluss ist für einen Verstoß gegen Treu und Glauben - etwa durch eine Verletzung der der Behörde gegenüber der Klägerin obliegenden Betreuungspflicht (vgl. Urteil vom 28. Juli 1976 - BVerwG 8 C 90.75 - juris Rn. 29) - nichts ersichtlich. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. Mai 2004 und der dieses bestätigende Beschluss des Oberverwaltungsgerichts erweisen sich auch nicht als offensichtlich fehlerhaft. Das folgt schon daraus, dass sich diese Entscheidungen - wie in dem Urteil des Senats vom 25. Januar 2008 aufgezeigt wird (a.a.O. Rn. 13 und 17) - hinsichtlich der angenommenen Beschränkung des Abstammungsmerkmals auf die Eltern an der Rechtsprechung auch des Bundesverwaltungsgerichts zur früheren Rechtslage orientieren und auf die Gesetzesmaterialien zum Kriegsfolgenbereinigungsgesetz zu berufen vermögen (BTDrucks 12/3212 S. 23).
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Aus den vorstehenden Gründen stand die Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens im Ermessen der Beklagten. Ausweislich der Begründung des Bescheids vom 29. Oktober 2009 war sie sich des ihr von § 51 Abs. 5 VwVfG eingeräumten Ermessenspielraums bewusst. Die Ablehnung des Wiederaufgreifens ist frei von Ermessensfehlern.
(1) Spätaussiedler ist in der Regel ein deutscher Volkszugehöriger, der die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wenn er zuvor
- 1.
seit dem 8. Mai 1945 oder - 2.
nach seiner Vertreibung oder der Vertreibung eines Elternteils seit dem 31. März 1952 oder - 3.
seit seiner Geburt, wenn er vor dem 1. Januar 1993 geboren ist und von einer Person abstammt, die die Stichtagsvoraussetzung des 8. Mai 1945 nach Nummer 1 oder des 31. März 1952 nach Nummer 2 erfüllt, es sei denn, dass Eltern oder Voreltern ihren Wohnsitz erst nach dem 31. März 1952 in die Aussiedlungsgebiete verlegt haben,
(2) Spätaussiedler ist auch ein deutscher Volkszugehöriger aus den Aussiedlungsgebieten des § 1 Abs. 2 Nr. 3 außer den in Absatz 1 genannten Staaten, der die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt und glaubhaft macht, dass er am 31. Dezember 1992 oder danach Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit unterlag.
(3) Der Spätaussiedler ist Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes. Ehegatten oder Abkömmlinge von Spätaussiedlern, die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 in den Aufnahmebescheid einbezogen worden sind, erwerben, sofern die Einbeziehung nicht unwirksam geworden ist, diese Rechtsstellung mit ihrer Aufnahme im Geltungsbereich des Gesetzes.
(1) Deutscher Volkszugehöriger im Sinne dieses Gesetzes ist, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird.
(2) Wer nach dem 31. Dezember 1923 geboren worden ist, ist deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Das Bekenntnis auf andere Weise kann insbesondere durch den Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder durch den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse erbracht werden. Das Bekenntnis zum deutschen Volkstum muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Aufnahmeantrag, in Fällen des § 27 Absatz 1 Satz 2 im Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich dieses Gesetzes, zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können, es sei denn, der Aufnahmebewerber kann diese Fähigkeit wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht besitzen. Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum wird unterstellt, wenn es unterblieben ist, weil es mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden war, jedoch auf Grund der Gesamtumstände der Wille unzweifelhaft ist, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören.
(1) Die Länder nehmen die Spätaussiedler und ihre Ehegatten und Abkömmlinge, soweit sie die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 erfüllen, auf. Das Bundesverwaltungsamt legt das aufnehmende Land fest (Verteilungsverfahren). Bis zu dieser Festlegung werden die Personen vom Bund untergebracht. Spätaussiedler und in den Aufnahmebescheid einbezogene Ehegatten oder Abkömmlinge sind verpflichtet, sich nach der Einreise in den Geltungsbereich des Gesetzes in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Bundes registrieren zu lassen.
(2) Familienangehörige des Spätaussiedlers, die, ohne die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 zu erfüllen, gemeinsam mit dem Spätaussiedler eintreffen, können in das Verteilungsverfahren einbezogen werden.
(3) Die Länder können durch Vereinbarung einen Schlüssel zur Verteilung festlegen. Bis zum Zustandekommen dieser Vereinbarung oder bei deren Wegfall richten sich die Verteilungsquoten für das jeweilige Kalenderjahr nach dem von der Geschäftsstelle der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung im Bundesanzeiger veröffentlichten Schlüssel, der für das vorangegangene Kalenderjahr entsprechend Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl der Länder errechnet worden ist (Königsteiner Schlüssel).
(4) Das Bundesverwaltungsamt hat den Schlüssel einzuhalten. Zu diesem Zweck kann ein von den Wünschen des Spätaussiedlers abweichendes Land zur Aufnahme verpflichtet werden.
(5) Wer abweichend von der Festlegung oder ohne Festlegung des Bundesverwaltungsamtes in einem Land ständigen Aufenthalt nimmt, muss dort nicht aufgenommen werden.
(6) (weggefallen)
(7) § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) gilt nicht für Einrichtungen zur Aufnahme von Spätaussiedlern.
(1) Das Bundesverwaltungsamt stellt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Eine Wiederholung des Gesprächs im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 3 findet hierbei nicht statt. Bei Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, beteiligt das Bundesverwaltungsamt vor Erteilung der Bescheinigung den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst, die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt, wenn dies zur Feststellung von Ausschlussgründen nach § 5 Nr. 1 Buchstabe d und e geboten ist. Die Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung ist für Staatsangehörigkeitsbehörden und alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind. Hält eine Behörde oder Stelle die Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes über die Ausstellung der Bescheinigung nicht für gerechtfertigt, so kann sie nur ihre Änderung oder Aufhebung durch das Bundesverwaltungsamt beantragen.
(2) Das Bundesverwaltungsamt stellt dem in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogenen Ehegatten oder Abkömmling eine Bescheinigung zum Nachweis des Status nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie seiner Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 aus. Eine Bescheinigung nach Absatz 1 kann nur ausgestellt werden, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden ist. Im Übrigen gilt Absatz 1 entsprechend.
(3) Über die Rücknahme und die Ausstellung einer Zweitschrift einer Bescheinigung entscheidet die Ausstellungsbehörde.
(4) Eine Bescheinigung kann mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für ihre Ausstellung gewesen sind, erwirkt worden ist. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Ausstellung der Bescheinigung erfolgen. Hat die Rücknahme einer Bescheinigung nach Absatz 1 auch Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Bescheinigungen nach Absatz 2, so ist für jeden Betroffenen eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist das Maß der Beteiligung des Ehegatten oder Abkömmlings an einer arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Spätaussiedlers gegen die schutzwürdigen Belange des Ehegatten oder Abkömmlings, insbesondere unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen. Der Widerruf einer Bescheinigung ist nicht zulässig.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.