Verwaltungsgericht Köln Urteil, 09. Apr. 2014 - 4 K 3448/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Der 1960 geborene Kläger stellte im April 2002 für sich und seine Ehefrau einen Antrag auf Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Darin gab er an, als Kind im Elternhaus von Kindheit an Deutsch und ab dem 12. Lebensjahr Russisch gesprochen zu haben. Er habe die deutsche Sprache von seiner Großmutter mütterlicherseits, von Tanten und Onkeln sowie in der Schule erlernt. Heute spreche er zu Hause häufig Deutsch und häufig Russisch. Er verstehe in deutscher Sprache fast alles und könne ein einfaches Gespräch führen. Mit seinem Aufnahmeantrag legte der Kläger – jeweils in beglaubigter Kopie – einen 1997 ausgestellten Inlandspass vor, in dem er mit deutscher Nationalität eingetragen ist, sowie eine Bescheinigung der Polizeiabteilung der Stadt Satpajew vom 12. März 2002, wonach die Nationalität im Rahmen des durchgeführten allgemeinen Passtauschs nicht geändert worden sei. Der Kläger legte weiterhin eine beglaubigte Kopie seiner Geburtsurkunde mit dem Ausstellungsdatum 17. Dezember 1960 vor, in der seine Mutter mit deutscher Nationalität eingetragen ist; ein Vater ist in der Geburtsurkunde nicht eingetragen.
3Die Mutter des Klägers betrieb zeitgleich ein eigenes Aufnahmeverfahren. Sein älterer Bruder I. B. und sein jüngerer Bruder, der Zeuge X. B. , lebten bereits seit Mitte bzw. Ende der 1990er Jahre als anerkannte Spätaussiedler in Deutschland.
4Am 17. März 2003 wurde der Kläger im Konsularsprechtagsbüro in Karaganda angehört. Dort gab er an, als Kind im Elternhaus Deutsch und Russisch erlernt zu haben. Die deutsche Sprache sei ihm von der Großmutter mütterlicherseits sowie in der Schule vermittelt worden. Außerdem betreibe er seit mehreren Jahren Selbststudium und besuche seit einem Jahr einen Sprachkurs. Als Ergebnis des durchgeführten Sprachtests wurde festgehalten, dass eine Verständigung auf sehr einfachem Niveau mit dem Kläger gerade noch möglich gewesen, ein Gespräch im Sinne eines Dialogs jedoch nicht zustande gekommen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das über die Anhörung gefertigte Protokoll Bezug genommen. Der Kläger legte bei seiner Anhörung ferner seinen 1980 ausgestellten Militärpass vor, in dem er mit deutscher Nationalität geführt wird.
5Der Mutter des Klägers wurde unter dem 16. Juli 2004 ein Aufnahmebescheid erteilt. Mit Schreiben vom gleichen Tag teilte das Bundesverwaltungsamt dem Kläger mit, dass er die Voraussetzungen für eine Aufnahme als Spätaussiedler in eigener Person nicht erfülle, da er den Sprachtest in der deutschen Auslandsvertretung nicht bestanden habe. Er könne jedoch gemäß § 7 Abs. 2 BVFG als Abkömmling in den Aufnahmebescheid seiner Mutter einbezogen werden; seine Ehefrau könne als weitere Familienangehörige gemeinsam mit ihm einreisen und verteilt werden. Sofern der Kläger wegen der getroffenen Einstufung einen Ablehnungsbescheid wünsche, bat das Bundesverwaltungsamt um entsprechende Mitteilung. Der Einbeziehungsbescheid vom 16. Juli 2004 war dem Schreiben beigefügt.
6Der Kläger reiste sodann mit seiner Mutter und seine Ehefrau am 19. Dezember 2004 nach Deutschland ein. Am 10. Februar 2005 beantragte er bei der Stadt Dortmund die Ausstellung einer Bescheinigung als Abkömmling eines Spätaussiedlers nach § 15 Abs. 2 BVFG, die ihm unter dem 19. April 2005 erteilt wurde. In dem Prüfbogen zum Spätaussiedlerstatus vermerkte die Stadt Dortmund unter Verweis auf das Protokoll über die Anhörung des Klägers in Karaganda, dass die Vermittlung bestätigender Merkmale zwar möglich und zumutbar gewesen sei, vom Kläger jedoch nicht habe bewiesen oder glaubhaft gemacht werden können.
7Am 8. Januar 2013 stellte der Kläger beim Bundesverwaltungsamt einen Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung als Spätaussiedler nach § 15 Abs. 1 BVFG.
8Das Bundesverwaltungsamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 6. Mai 2013 ab. Zur Begründung führte es aus: Der Kläger sei im Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts in Deutschland nicht in der Lage gewesen, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen. Anlässlich seiner Anhörung in Karaganda sei ausweislich des Protokolls ein solches Gespräch nicht zustande gekommen. Der Kläger sei damit kein Spätaussiedler.
9Der Kläger legte hiergegen rechtzeitig Widerspruch ein und trug vor: Er verfüge über familiär vermittelte Deutschkenntnisse, die ihn zum Zeitpunkt seiner Übersiedlung nach Deutschland Ende 2004 befähigt hätten, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen. Er habe bis zu seinem 8. Lebensjahr nur schlecht Russisch sprechen können, da zu Hause größtenteils Deutsch gesprochen worden sei. Erst ab der Einschulung habe die russische Sprache größere Bedeutung erlangt. Im Familienkreis sei jedoch bis zum Tod seiner Großmutter im Jahr 1987 weiterhin die deutsche Sprache verwendet worden. Dem Sprachtestprotokoll lasse sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Er habe den größten Teil der an ihn gerichteten Fragen verstanden. Bei einigen Fragen habe er den Sprachtester um Wiederholung gebeten. Dieser habe ihn sofort an die Dolmetscherin verwiesen. Aufgrund eines Missverständnisses habe er sodann auf Russisch gestellte Fragen auf Russisch beantwortet. Dies sei nervositätsbedingt geschehen und führe zu einem verzerrten Bild.
10Das Bundesverwaltungsamt wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2013 unter Wiederholung und Vertiefung der Gründe des Ablehnungsbescheides zurück.
11Der Kläger hat am 5. Juni 2013 Klage erhoben. Er trägt ergänzend vor: Bei seiner Anhörung in Karaganda seien 15 Fragen an ihn gerichtet worden, von denen er 9 in ganzen Sätzen beantwortet habe. Die Antwort auf die Frage „Was arbeiten Sie?“ sei zu Unrecht als falsch bewertet worden. Die Frage „Haben Sie Geschwister?“ werde immer wieder so verstanden, dass nach Schwestern gefragt werde. Es könne daher festgestellt werden, dass ausweislich des Protokolls ein Gespräch mit dem Kläger auf einfachstem Niveau möglich gewesen sei.
12Der Kläger beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 6. Mai 2013 und des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 zu verpflichten, ihm eine Bescheinigung als Spätaussiedler nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG zu erteilen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie nimmt Bezug auf den Inhalt der angegriffenen Bescheide und führt ergänzend aus: Der Kläger verfüge den amtlichen Feststellungen des Sprachtesters zufolge über nur geringe deutsche Sprachkenntnisse. Er habe ein „gebrochenes Deutsch“ mit russischem Akzent gesprochen; ein russlanddeutscher Dialekt sei nicht heraushörbar gewesen. Auch die weiteren Feststellungen, dass der Kläger Fragen mitunter nur mit einzelnen Worten oder Satzfragmenten habe beantworten können und zudem etliche Fragen nicht verstanden habe, würden durch das Wortprotokoll bestätigt.
17Das Gericht hat zu den deutschen Sprachkenntnissen des Klägers im Zeitpunkt seiner Einreise nach Deutschland im Dezember 2004 Beweis erhoben durch Vernehmung des Bruders des Klägers, Herrn X. B. , als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 6. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung als Spätaussiedler nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG nicht zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
21Das Begehren des Klägers, die Beklagte zur Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG zu verpflichten, ist nach der im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts geltenden Rechtslage zu beurteilen.
22BVerwG, Urteil vom 13.9.2007 – 5 C 38.06 -, juris, Rn. 11.
23Anwendung findet daher grundsätzlich das Bundesvertriebenengesetz in der Fassung des 10. Änderungsgesetzes vom 6. September 2013 (BGBl. I 3554), das am 14. September 2013 in Kraft getreten ist.
24Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.11.2013 – 11 A 2423/11 -, juris, Rn. 36.
25Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG stellt das Bundesverwaltungsamt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Die Spätaussiedlereigenschaft setzt nach den §§ 4 Abs. 1, 6 BVFG voraus, dass der Betreffende deutscher Volkszugehöriger ist. Für die nach dem 31. Dezember 1923 Geborenen bestimmt § 6 Abs. 2 BVFG, unter welchen Voraussetzungen sie deutsche Volkszugehörige sind.
26Ob § 6 Abs. 2 BVFG entsprechend dem vorstehend dargelegten Grundsatz in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts geltenden Fassung anzuwenden ist oder (ausnahmsweise) in der zum Zeitpunkt der Wohnsitznahme des Klägers in Deutschland im Dezember 2004 maßgeblichen Fassung anzuwenden sein könnte,
27vgl. zu einer solchen Problematik BVerwG, Urteil vom 13.9.2007 – 5 C 38.06 -, juris, Rn. 16,
28kann dahinstehen. Denn die tatbestandliche Voraussetzung des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG, zur Bestätigung des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können, um die im vorliegenden Verfahren im Kern gestritten wird, beansprucht bereits seit dem am 7. September 2001 in Kraft getretenen Spätaussiedlerstatusgesetz Geltung.
29Die Fähigkeit zum Führen eines einfachen Gesprächs setzt voraus, dass sich der Aufnahmebewerber über einfache Lebenssachverhalte aus dem familiären Bereich, über alltägliche Situationen und Bedürfnisse oder über die Ausübung eines Berufs oder einer Beschäftigung – ohne dass es dabei auf exakte Fachbegriffe ankäme – unterhalten kann. Erforderlich ist zum einen die Fähigkeit zu einem sprachlichen Austausch über die genannten Themen in grundsätzlich ganzen Sätzen, wobei begrenzter Wortschatz und einfacher Satzbau genügen und Fehler in Satzbau, Wortwahl und Aussprache nicht schädlich sind, wenn sie nach Art oder Zahl dem richtigen Verstehen nicht entgegenstehen. Erforderlich ist zum anderen ein einigermaßen flüssiger Austausch in Rede und Gegenrede. Ein durch Nichtverstehen bedingtes Nachfragen, Suchen nach Worten oder stockendes Sprechen, also ein langsameres Verstehen als zwischen in Deutschland aufgewachsenen Personen, steht dem erst entgegen, wenn Rede und Gegenrede so oft oder so weit auseinander liegen, dass von einem Gespräch als mündlicher Interaktion nicht mehr gesprochen werden kann. Nicht ausreichend sind daher das bloße Aneinanderreihen einzelner Worte ohne Satzstruktur oder insgesamt nur stockende Äußerungen; ein nur punktuelles Sich-verständlich-Machen genügt nicht.
30Vgl. BVerwG, Urteile vom 4.9.2003 – 5 C 11.03 –, juris, Rn. 18 ff., und – 5 C 33.02 –, juris, Rn. 17 ff.
31Ein einfaches Gespräch auf Deutsch im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG muss der Aufnahmebewerber jederzeit abrufbar führen können.
32Vgl. nur OVG NRW, Beschlüsse vom 17.2.2006 – 12 A 388/04 -, juris, Rn. 4; vom 26.4.2007 – 12 A 4477/06 -, juris, Rn. 3; vom 31.5.2010 – 12 A 2345/08 -, juris, Rn. 13, und vom 14.7.2010 – 12 A 1400/09 -, juris, Rn. 8.
33Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die Kenntnisse der deutschen Sprache des Klägers diesen zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Einreise nach Deutschland,
34vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunktes in den Fällen, in denen – wie hier – vor Ausreise keine verwaltungsbehördliche Entscheidung über den Aufnahmeantrag ergangen ist, OVG NRW, Urteil vom 20.1.2011 – 12 A 2925/09 –, juris, Rn. 77,
35in die Lage versetzten, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen. Eine vernünftige Zweifel ausschließende Wahrscheinlichkeit,
36vgl. zu diesem Maßstab OVG NRW, Urteil vom 20.1.2011 – 12 A 2925/09 -, juris, Rn. 80 m.w.N.,
37einer zum damaligen Zeitpunkt genügenden Sprachkompetenz besteht nicht.
38Gegen eine genügende Sprachkompetenz des Klägers zum Zeitpunkt seiner Einreise nach Deutschland im Dezember 2004 spricht maßgeblich das Ergebnis seiner Anhörung im Konsularsprechtagsbüro in Karaganda am 17. März 2003. Ausweislich des über diese Anhörung gefertigten Protokolls hat der Kläger etwa die Hälfte der ihm in deutscher Sprache gestellten Fragen nicht bzw. falsch verstanden („Warum musste Ihre Mutter vom Saratowgebiet wegfahren?“, „Haben Sie Geschwister?“, „Wie haben Sie Ihren letzten Geburtstag gefeiert?“, „Wie weit ist es von Sapajew nach Karaganda?“, „Wann haben Sie geheiratet?“, „Erzählen Sie bitte von Ihrer Hochzeitsfeier.“, „Welches Wetter ist im Sommer?“, „Welche Farbe hat mein Hemd?“). Die übrigen Fragen hat er überwiegend lediglich mit einzelnen Worten und Satzfragmenten beantwortet. Die Einschätzung des Sprachtesters, dass eine Verständigung in deutscher Sprache mit dem Kläger auf sehr einfachem Niveau gerade noch möglich war, ein Gespräch mit ihm jedoch nicht geführt werden konnte, ist für das Gericht daher nachvollziehbar. Sie wird auch nicht in Frage gestellt durch den Einwand des Klägers, er habe nervositätsbedingt die von der Dolmetscherin ins Russische übersetzten Fragen auf Russisch beantwortet. Denn den Umstand, dass er ausweislich des Protokolls etwa die Hälfte der ihm in deutscher Sprache gestellten Fragen bereits nicht verstanden hat, vermag der Kläger damit nicht zu widerlegen.
39Zur Überzeugung des Gerichts ist auch nicht feststellbar, dass der Kläger beim Verlassen der Aussiedlungsgebiete über bessere deutsche Sprachkenntnisse verfügte als bei seiner Anhörung in Karaganda. Anhaltspunkte hierfür liefert insbesondere nicht die Zeugenaussage des Bruders des Klägers, X. B. . Der Zeuge hat bekundet, dass er mit seinem Bruder in der Regel Russisch gesprochen habe. Lediglich bei Kleinigkeiten habe er mit ihm auf Deutsch gesprochen bzw. ihn Deutsch sprechen hören. (Erst) heute spreche er mit dem Kläger mehr Deutsch. Beim Ausfüllen der Formulare in Friedland sowie später in Dortmund bei der Beantragung einer Bescheinigung als Abkömmling eines Spätaussiedlers seien er selbst und der dritte Bruder dem Kläger behilflich gewesen.
40Diese Angaben des Zeugen vermögen das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger bei seiner Einreise nach Deutschland in der Lage war, ein einfaches Gespräch auf Deutsch im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG zu führen. Sie bestätigen im Kern vielmehr das Ergebnis der Anhörung des Klägers in Karaganda.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
42Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124a Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor.
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Verwaltungsgericht Köln Urteil, 09. Apr. 2014 - 4 K 3448/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Spätaussiedlern ist die Eingliederung in das berufliche, kulturelle und soziale Leben in der Bundesrepublik Deutschland zu erleichtern. Durch die Spätaussiedlung bedingte Nachteile sind zu mildern.
(2) Die §§ 8, 10 und 11 sind auf den Ehegatten und die Abkömmlinge des Spätaussiedlers, die die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 oder 2 nicht erfüllen, aber die Aussiedlungsgebiete im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen haben, entsprechend anzuwenden. § 5 gilt sinngemäß.
(1) Das Bundesverwaltungsamt stellt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Eine Wiederholung des Gesprächs im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 3 findet hierbei nicht statt. Bei Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, beteiligt das Bundesverwaltungsamt vor Erteilung der Bescheinigung den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst, die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt, wenn dies zur Feststellung von Ausschlussgründen nach § 5 Nr. 1 Buchstabe d und e geboten ist. Die Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung ist für Staatsangehörigkeitsbehörden und alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind. Hält eine Behörde oder Stelle die Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes über die Ausstellung der Bescheinigung nicht für gerechtfertigt, so kann sie nur ihre Änderung oder Aufhebung durch das Bundesverwaltungsamt beantragen.
(2) Das Bundesverwaltungsamt stellt dem in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogenen Ehegatten oder Abkömmling eine Bescheinigung zum Nachweis des Status nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie seiner Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 aus. Eine Bescheinigung nach Absatz 1 kann nur ausgestellt werden, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden ist. Im Übrigen gilt Absatz 1 entsprechend.
(3) Über die Rücknahme und die Ausstellung einer Zweitschrift einer Bescheinigung entscheidet die Ausstellungsbehörde.
(4) Eine Bescheinigung kann mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für ihre Ausstellung gewesen sind, erwirkt worden ist. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Ausstellung der Bescheinigung erfolgen. Hat die Rücknahme einer Bescheinigung nach Absatz 1 auch Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Bescheinigungen nach Absatz 2, so ist für jeden Betroffenen eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist das Maß der Beteiligung des Ehegatten oder Abkömmlings an einer arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Spätaussiedlers gegen die schutzwürdigen Belange des Ehegatten oder Abkömmlings, insbesondere unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen. Der Widerruf einer Bescheinigung ist nicht zulässig.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Das Bundesverwaltungsamt stellt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Eine Wiederholung des Gesprächs im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 3 findet hierbei nicht statt. Bei Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, beteiligt das Bundesverwaltungsamt vor Erteilung der Bescheinigung den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst, die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt, wenn dies zur Feststellung von Ausschlussgründen nach § 5 Nr. 1 Buchstabe d und e geboten ist. Die Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung ist für Staatsangehörigkeitsbehörden und alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind. Hält eine Behörde oder Stelle die Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes über die Ausstellung der Bescheinigung nicht für gerechtfertigt, so kann sie nur ihre Änderung oder Aufhebung durch das Bundesverwaltungsamt beantragen.
(2) Das Bundesverwaltungsamt stellt dem in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogenen Ehegatten oder Abkömmling eine Bescheinigung zum Nachweis des Status nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie seiner Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 aus. Eine Bescheinigung nach Absatz 1 kann nur ausgestellt werden, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden ist. Im Übrigen gilt Absatz 1 entsprechend.
(3) Über die Rücknahme und die Ausstellung einer Zweitschrift einer Bescheinigung entscheidet die Ausstellungsbehörde.
(4) Eine Bescheinigung kann mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für ihre Ausstellung gewesen sind, erwirkt worden ist. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Ausstellung der Bescheinigung erfolgen. Hat die Rücknahme einer Bescheinigung nach Absatz 1 auch Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Bescheinigungen nach Absatz 2, so ist für jeden Betroffenen eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist das Maß der Beteiligung des Ehegatten oder Abkömmlings an einer arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Spätaussiedlers gegen die schutzwürdigen Belange des Ehegatten oder Abkömmlings, insbesondere unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen. Der Widerruf einer Bescheinigung ist nicht zulässig.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 13. April 1975 geborene Klägerin beantragte am 13. November 1992 ihre Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz. Diesen Antrag lehnte das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 19. Februar 1996 im Kern mit der Begründung ab, die deutschen Sprachkenntnisse der Klägerin seien nicht ausreichend, weil sie diese nur in der Schule erworben habe. Das Bundesverwaltungsamt bezog die Klägerin aber in den ihren Eltern am 19. Februar 1996 erteilten Aufnahmebescheid ein.
3Am 7. Juni 1996 wurde die Klägerin zusammen mit ihren Eltern in der Bundesrepublik Deutschland registriert und erhielt am 22. Mai 1997 auf ihren Antrag vom Stadtdirektor der Stadt Bad M.----- eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG als Abkömmling eines Spätaussiedlers. Am 25. Mai 1998 wurde die Klägerin eingebürgert.
4Am 15. April 2004 meldete sich die Klägerin telefonisch bei der Stadt Bad M.-----. Der hierüber aufgenommene Vermerk hat folgenden Wortlaut:
5„Frau E. fragt noch einmal nach ihrer Vertriebeneneigenschaft und Zuordnung nach § 7 Abs. 2 BVFG.
6Ihr wurde mitgeteilt, dass nach Einsicht in die Akte kaum eine Möglichkeit der Umwandlung von § 7 Abs. 2 nach § 4 BVFG gesehen wird, da in der Aufnahmeakte seinerzeit ein Bescheid über die Ablehnung in sehr ausführlicher Form erfolgt sei, wonach sie deutsch in der Schule und nicht zu Hause gelernt habe und dieser Bescheid anhand der seinerzeitigen eigenen Angaben auch so erfolgt sei. Dieser Bescheid war u. a. auch Grundlage für die hiesige Entscheidung.
7Im weiteren Gespräch gab sie auch zu, dass zu Hause kaum Deutsch gesprochen wurde, weil man nicht wollte, dass im Dorf bekannt würde, dass sie Deutsche seien. Erst als sie quasi auf ihren gepackten Koffern gesessen hätten, sei es bekannt geworden.”
8Mit Schreiben vom 7. Juni 2010 wandte sich die Klägerin an das Bundesverwaltungsamt und führte aus: Im damaligen Bescheid habe es geheißen, dass sie die Sprache in der Schule erlernt habe und nicht in der Familie. Im Nachhinein sei ihr immer unklarer geworden, wieso sie eigentlich nicht wie ihre Eltern den Status als Spätaussiedlerin erhalten habe. Mit ihr persönlich sei kein einziges Wort gesprochen worden. Damals sei sie nicht besonders redselig gewesen. Wenn sie die Sprache nicht schon seit Kindheit gehört und in der Familie erlernt hätte, hätte sie nicht alle Amtsgänge selbst erledigen und nach nur einem halben Jahr eine Zusage aus einer PTA-Schule erhalten können. Sie wolle gerne ihren Status ändern lassen.
9Nach einem entsprechenden Hinweis des Bundesverwaltungsamts stellte die Klägerin am 15. Juni 2010 einen „Antrag auf Höherstufung von § 7 nach § 4 Bundesvertriebenengesetz”.
10Diesen Antrag wertete das Bundesverwaltungsamt als Antrag nach § 15 Abs. 1 BVFG, lehnte ihn mit Bescheid vom 5. Juli 2010 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, eine solche Bescheinigung könne nicht mehr ausgestellt werden, da der Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Aufnahmebescheides mit Bescheid vom 19. Februar 1996 abgelehnt worden sei. Daher stehe § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG der Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung entgegen.
11Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 20. Juli 2010 Widerspruch, zu dessen Begründung sie vortrug: Als ihr Antrag am 19. Februar 1996 abgelehnt worden sei, sei die ganze Familie noch in Kasachstan gewesen. Keiner habe richtig gewusst, was das heiße und dass man einen Widerspruch habe erheben können. Bei der Einreise sei mit ihr überhaupt nicht gesprochen worden. Sie sei sozusagen als nichtsverstehender Abkömmling „abgestempelt” worden. Natürlich hätte sie damals sofort etwas unternehmen sollen. Aber sie sei es gewohnt gewesen, anderen nicht „auf die Nerven” zu gehen und sie sei mit dem zufrieden gewesen, was sie gehabt habe. Nun sehe sie es als großen Fehler und versuche deshalb jetzt, 14 Jahre später, etwas zu ändern.
12Mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2010 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch der Klägerin zurück.
13Am 30. August 2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat vorgetragen: Sie könne höher gestuft werden, die Sperrwirkung des § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG sei nur für Ablehnungen eines Aufnahmeantrags ab dem 1. Januar 2005 anwendbar. Außerdem sei die Ablehnung des Aufnahmeantrags nicht bestandskräftig. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe an den Bevollmächtigten ergebe sich nicht aus der Akte. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei fehlerhaft, da sie unzutreffend auf die Möglichkeit verweise, bei einer deutschen Auslandsvertretung Widerspruch zu erheben. Daher gelte die Jahresfrist. Die Klägerin habe bereits bei ihrer Registrierung 1996 eine Höherstufung verlangt, mithin Widerspruch erhoben, über den bis heute nicht entschieden sei. Sie erfülle die Voraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft, insbesondere sei ihr die deutsche Sprache in ausreichendem Umfang innerhalb der Familie vermittelt worden. Alle anderen Familienmitglieder außer ihr und ihrer 1987 geborenen Schwester U. seien als Spätaussiedler anerkannt. Die vor dem 1. Januar 2005 geltende Rechtslage gelte für die vor diesem Datum erteilten Bescheide weiter.
14In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ausgeführt, sie habe bei der Registrierung gesagt, sie verstehe nicht, dass sie nur als Abkömmling einbezogen worden sei, obwohl sie genauso wie ihre Eltern Deutsch spreche.
15Die Klägerin hat beantragt,
16die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 05.07.2010 und des Widerspruchsbescheids vom 03.08.2010 zu verpflichten, der Klägerin eine Spätaussiedlerbescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 BVFG zu erteilen,
17hilfsweise,
18unter Aufhebung des Bescheides vom 19.02.1996 die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin einen Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG zum Zwecke der späteren Erteilung einer Bescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 BVFG zu erteilen.
19Die Beklagte hat beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie hat ergänzend vorgetragen: Der ablehnende Bescheid vom 19. Februar 1996 sei ordnungsgemäß zugestellt worden. Aus dem Verwaltungsvorgang sei weder ersichtlich, dass die Klägerin bei der Registrierung mündlich zur Niederschrift Widerspruch gegen den in Rede stehenden Ablehnungsbescheid erhoben habe, noch sei festgehalten, dass Gründe für eine besondere Härte vorgetragen worden seien oder die bloße Höherstufung beantragt worden sei. Nach den Feststellungen der damals zuständigen Bescheinigungsbehörde sei die Klägerin in ihrer Kindheit in der russischen Sprache erzogen worden. Auch die Bescheinigungsbehörde habe damals mit keinem Wort erwähnt, dass die Klägerin im Jahr 1997 die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG und damit die Höherstufung begehrt habe. Auch aus dem im Jahr 2004 mit der Stadt Bad M.---- geführten Telefonat ergebe sich, dass die Klägerin zu Hause kaum Deutsch gesprochen habe. Dem Anspruch der Klägerin stehe die Sperrwirkung des § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG entgegen.
22Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG stehe die Sperrwirkung des § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG entgegen. Der Hilfsantrag sei unzulässig, weil die Klägerin das erforderliche Verwaltungsverfahren nicht durchgeführt habe.
23Die Klägerin hat gegen das ihr am 10. Oktober 2011 zugestellte Urteil am 27. Oktober 2011 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie vorträgt: Der Ablehnungsbescheid vom 19. Februar 1996 sei schon nicht bestandskräftig geworden. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei fehlerhaft gewesen, soweit auf die Möglichkeit der Widerspruchseinlegung bei einer deutschen Auslandsvertretung hingewiesen worden sei, so dass die Jahresfrist gegolten habe. Bei ihrer Registrierung am 4. Juni 1996 habe sie gesagt, sie verstehe nicht, dass sie nur als Abkömmling einbezogen sei, obwohl sie Deutsch spreche wie ihre Eltern. Daraufhin sei ihr gesagt worden, die Frist für einen Widerspruch sei abgelaufen. Sie sei von diesem förmlichen Rechtsbehelf nur abgehalten worden, weil sie vom Vertreter der Beklagten falsch belehrt worden sei. Ein schriftlicher Widerspruch sei nicht notwendig. Die Beklagte habe sich darauf auch nicht berufen können, weil sie selbst fehlerhaft gearbeitet habe. Die Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG auf Spätaussiedlerbewerber, die vor dem 1. Januar 2005 nach Deutschland eingereist seien, sei verfassungswidrig. Bis zu diesem Zeitpunkt sei eine sogenannte Höherstufung auf der Basis eines Einbeziehungsbescheides unproblematisch möglich gewesen. Nach Erteilung des Einbeziehungsbescheides habe kein Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides bestanden. Sie habe darauf vertrauen können, dass ihr trotz Ablehnung des Aufnahmebescheides eine Spätaussiedlerbescheinigung erteilt werde. Die Spätaussiedlerbescheinigung habe keine konstitutive Wirkung; vielmehr sei der Status als Spätaussiedler schon mit der Aufnahme 1996 entstanden. Dieser Status werde ihr rückwirkend entzogen. § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG beziehe sich nur auf Aufnahme- und Einbeziehungsanträge, die ab dem 1. Januar 2005 gestellt worden seien. Dies ergebe sich aus der Natur der Neuregelung. Zuvor habe ein subjektives Recht der einzubeziehenden Person bestanden; dieses sei auf die Bezugsperson übergegangen. Der Gesetzgeber habe die Einbeziehung so von ihrem ursprünglichen Charakter entfernt, dass die Regelung ab dem 1. Januar 2005 nur für neue Aufnahmeanträge gelten könne. Sollte der Gesetzgeber eine Rückwirkung gewollt haben, liege eine echte Rückwirkung vor. Die Rechtsprechung zur Sperrwirkung übersehe, dass ihr ‑ der Klägerin ‑ zum 1. Januar 2005 das subjektive Recht auf Einbeziehung entzogen worden sei und mit diesem Entzug nicht habe gerechnet werden müssen. Es liege ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG vor, weil der Status als Spätaussiedler zum „Eigentum” gehöre. Der Gesetzgeber sei daher verpflichtet gewesen, die Entziehung dieser Position durch ein Entschädigungsgesetz zu regeln. Die vor dem 1. Januar 2005 erteilten Bescheide blieben gültig; sie würden nicht der neuen Rechtslage unterworfen. Das ergebe sich aus der Verwaltungsvorschrift zu § 100 b Abs. 2 BVFG, die auch für die Verwaltungsgerichte verbindlich sei. Es gebe keinen sachlichen Grund dafür, dass die Person, die vor dem 1. Januar 2005 einbezogen worden sei, nach alter Rechtslage eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG erhalte, während die Person, die eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG erhalten wolle, unter die Sperre und damit die neue Rechtslage fallen solle, obwohl vor dem 1. Januar 2005 ein Aufnahmebescheid überhaupt nicht notwendig gewesen sei. Die Beklagte sei verpflichtet, den Ablehnungsbescheid vom 19. Februar 1996 zurückzunehmen. Damals habe sie mit der Ablehnung des Aufnahmeantrags eine Einbeziehung verbunden. Sie habe nur die Einbeziehung gebraucht, der Aufnahmebescheid sei damals überflüssig gewesen. Dies habe sich zum 1. Januar 2005 geändert. Daher fehle in der Ablehnung des Aufnahmeantrags von 1996 die Begründung, dass sie nicht mehr höher gestuft werden könne, wenn sie den Ablehnungsbescheid bestandskräftig werden lasse. Dieser Hinweis sei bei Annahme einer Rückwirkung des § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG erforderlich. Wer präkludiert werde, müsse vorher hierauf hingewiesen werden. Durch die Sperre ergebe sich der Zwang eines neuen Aufnahmeantrags. Dies könne § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG nicht verbieten. Sie hätte sich gegen die Ablehnung des Aufnahmeantrags gewehrt, wenn sie gewusst hätte, dass sie später nicht über die Einbeziehung hinaus zur Spätaussiedlerin höher gestuft werden könne. Über § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG werde rückwirkend eine Bindungswirkung für Aufnahmebescheide eingeführt, obwohl Aufnahme- und Einbeziehungsbescheide vor dem 1. Januar 2005 nur vorläufige Regelungen getroffen hätten. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2012 – 5 C 23.11 – betreffe eine völlig andere Fallgestaltung. Nach Inkrafttreten des Zehnten BVFG‑Änderungs-gesetzes und der Änderung des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG gehe die Sperre des § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG für sie ins Leere. Sie habe nunmehr einen Anspruch auf Höherstufung zumindest über die Wiederaufnahme des Verfahrens. Sie erfülle auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BVFG. Ihr sei insbesondere als Kind die deutsche Sprache ausreichend vermittelt worden, und sie habe zum Zeitpunkt ihrer Einreise ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen können.
24Die Klägerin beantragt,
25das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des Bundesverwaltungsamts vom 5. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2010 zu verpflichten, der Klägerin eine Spätaussiedlerbescheinigung gemäß § 15 Abs. 1 BVFG auszustellen,
26hilfsweise,
27die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin einen Aufnahmebescheid zum Zwecke einer Spätaussiedlerbescheinigung zu erteilen,
28wiederum hilfsweise,
29auf neuen Antrag der Klägerin wieder einen Aufnahmebescheid zum Zwecke einer Spätaussiedlerbescheinigung zu erteilen und die Beklagte zu verpflichten, den Ablehnungsbescheid vom 19. Februar 1996 zurückzunehmen.
30Die Beklagte beantragt,
31die Berufung zurückzuweisen.
32Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt der Berufungsbegründung entgegen. Das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz tangiere den Statuserwerb der Klägerin nicht mehr, weil auf den Zeitpunkt der Einreise im Jahr 1996 abzustellen sei.
33Einen von der Klägerin am 25. November 2011 gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheides und auf Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 19. Februar 1996 hat das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 14. Februar 2012 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens lägen nicht vor. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 17. Februar 2012 Widerspruch, den das Bundesverwaltungsamt durch Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2012 zurückwies. Insoweit hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Köln ‑ 10 K 3249/12 – erhoben, die noch anhängig ist.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (zwei Hefter) Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe:
36Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
37I. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung als Spätaussiedlerin gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG, weil diesem Begehren § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG entgegensteht. Die Vorschrift stellt neben den in §§ 4, 6 BVFG geregelten materiell-rechtlichen Anforderungen eine zusätzliche Voraussetzung für die Ausstellung einer Bescheinigung als Spätaussiedler nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG auf.
381. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist Rechtsgrundlage für ihr Begehren nicht das Bundesvertriebenengesetz in der vor dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung (d. h. ohne § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG), sondern in der zum Entscheidungszeitpunkt des Senats geltenden Fassung, zuletzt geändert durch das am 14. September 2013 in Kraft getretene Zehnte BVFG-Änderungsgesetz (BGBl. S. 3554).
39Ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 13. September 2007 - 5 C 38.06 -, BVerwGE 129, 265 (266).
40Es gibt insoweit in den §§ 100 ff. BVFG keine Übergangsvorschrift, die eine Fortgeltung der vor dem 1. Januar 2005 geltenden Rechtslage bestimmt.
41Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführte Änderung in § 27 BVFG durch das Zuwanderungsgesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), dass die Einbeziehung in einen Aufnahmebescheid nicht mehr von der einzubeziehenden Person, sondern nur noch von der Bezugsperson beantragt werden kann, ändert nichts daran, dass der Antrag der Klägerin auf Erteilung eines (originären) Aufnahmebescheides bestandskräftig abgelehnt worden ist. § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG sieht einen Aufnahmebescheid für Personen vor, die die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Diese Vorschrift ist durch das Zuwanderungsgesetz nicht geändert worden. Die in der Berufungsbegründung ausführlich dargelegte Auffassung, es sei zwischen einem vor 2005 und einem nach 2004 beantragten Aufnahmebescheid zu unterscheiden mit der Folge, dass für vor dem Jahr 2005 beantragte Bescheide auch die vor 2005 bestehende Rechtslage weitergelte, ist in Wortlaut und Systematik des Bundesvertriebenengesetzes an keiner Stelle angelegt.
42Der Hinweis der Klägerin auf die Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 6. April 2010 zu § 100b des Bundesvertriebenengesetzes (GMBl. S. 637) geht fehl. Eine untergesetzliche Verwaltungsvorschrift kann nicht die Fortgeltung einer aufgehobenen gesetzlichen Regelung anordnen. Aus der Bestimmung, dass vor dem 1. Januar 2005 erteilte Aufnahmebescheide wirksam bleiben, ergibt sich im Übrigen nicht, dass auf diese Aufnahmebescheide insgesamt die vor dem 1. Januar 2005 geltende Fassung des Bundesvertriebenengesetzes anzuwenden ist. Der Inhalt dieser Verwaltungsvorschrift erschöpft sich vielmehr darin, dass vor dem 1. Januar 2005 bestandskräftig gewordene Bescheide nicht widerrufen werden, sondern gültig bleiben.
432. § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG findet auch auf Personen Anwendung, die ‑ wie die Klägerin ‑ vor seinem Inkrafttreten am 1. Januar 2005 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Es liegt jedenfalls dann keine verfassungswidrige Rückwirkung vor, wenn sich ein Vertrauen auf den Fortbestand des vor 2005 geltenden Rechts nicht bilden konnte.
44Vgl. ausführlich OVG NRW, Urteil vom 12. Oktober 2011 ‑ 11 A 747/11 ‑, juris.
45Die Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG im Fall der Klägerin führt nicht zu einer wegen Verstoßes gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) unzulässigen Rückwirkung. Eine echte Rückwirkung liegt vor bei einem nachträglich ändernden Eingriff in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände. Der hierdurch gewährte Vertrauensschutz tritt zurück, wenn sich ausnahmsweise kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte.
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. September 2007 ‑ 5 C 38.06 ‑, BVerwGE 129, 265 (268 f.).
47So liegt der Fall hier, wobei dahinstehen kann, ob hier eine derartige Rückbewirkung von Rechtsfolgen vorliegen kann. Der Klägerin ist zwar durch § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG die vor dem 1. Januar 2005 bestehende Möglichkeit genommen worden, nach Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Einbeziehung in den Aufnahmebescheid ihrer Eltern und der Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG als Abkömmling von Spätaussiedlern zu einem späteren Zeitpunkt noch im Wege der sogenannten Höherstufung eine Bescheinigung als Spätaussiedlerin nach § 15 Abs. 1 BVFG zu erlangen. Bei ihr hat sich jedoch kein Vertrauen auf den Fortbestand dieser Möglichkeit bilden können. Dementsprechend ist ihr entgegen ihrer Auffassung auch keine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Position entzogen worden.
48Die Spätaussiedlereigenschaft setzt nach den §§ 4 Abs. 1, 6 BVFG voraus, dass der Betreffende deutscher Volkszugehöriger ist. Wer die Spätaussiedlereigenschaft auf Grund eines eigenen (originären) Aufnahmebescheides (§ 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG) kraft der bei der Aufenthaltnahme im Bundesgebiet geltenden Rechtslage erworben hat, kann darauf vertrauen, dass sie ihm nicht rückwirkend genommen wird.
49Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. September 2007 ‑ 5 C 38.06 ‑, BVerwGE 129, 265 (270 f.).
50Die Klägerin hatte jedoch ein dahingehendes Vertrauen nicht erworben. Ihre deutsche Volkszugehörigkeit war im bestandskräftig abgeschlossenen Aufnahmeverfahren mit Bescheid vom 19. Februar 1996 verneint worden, so dass ihr nur der Weg über die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid ihrer Eltern verblieb, um in die Bundesrepublik Deutschland einreisen zu können. Sie erfüllte die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 4, 6 BVFG nach einer behördlichen Prüfung zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme im Bundesgebiet also gerade nicht. Ein Vertrauen der Klägerin darauf, dass sie die deutsche Volkszugehörigkeit in einem späteren Verwaltungsverfahren nochmals erfolgreich geltend machen könnte, konnte daher nicht entstehen und ist somit nicht schutzwürdig.
51Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Oktober 2011 ‑ 11 A 747/11 ‑, juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 13. November 2003 ‑ 5 C 14.03 ‑, BVerwGE 119, 188 (190).
52Im Vertriebenenrecht besteht generell kein Vertrauensschutz dahingehend, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen für den Erwerb eines Rechtsstatus nach dem Bundesvertriebenengesetz nicht für die Zukunft modifiziert.
53Vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 29. August 1995 ‑ 9 C 391.94 ‑, BVerwGE 99, 133 (138).
54Die Klägerin hätte unter Berufung auf ihre Einbeziehung in den Aufnahmebescheid ihrer Eltern noch bis zum 31. Dezember 2004 eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG erhalten können. Diese Möglichkeit hat sie nicht genutzt.
553. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG liegen vor. Nach dieser Vorschrift kann eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG nur ausgestellt werden, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden ist. Das Bundesverwaltungsamt hat den von der Klägerin gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheides mit Bescheid vom 19. Februar 1996 bestandskräftig abgelehnt. Selbst wenn für die Erhebung eines Widerspruchs die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO wegen unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung gegolten hätte, ist die ordnungsgemäße Erhebung eines Widerspruchs entsprechend den Formanforderungen des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde innerhalb dieser Frist nicht feststellbar. Der Vortrag der Klägerin, bei der Registrierung am 7. Juni 1996 habe sie gesagt, sie verstehe nicht, dass sie nur als Abkömmling einbezogen worden sei, daraufhin sei ihr gesagt worden, die Frist für einen Widerspruch sei abgelaufen, führt nicht weiter. Diese Behauptung widerspricht zunächst ihrem Vortrag sowohl in der E-Mail vom 19. Mai 2010 als auch in der Widerspruchsbegründung vom 20. Juli 2010, mit ihr sei bei der Einreise nicht gesprochen worden. Unabhängig davon hätte der Hinweis der Behörde, die Widerspruchsfrist sei abgelaufen, auch dann, wenn er sachlich unzutreffend gewesen wäre, nicht zur Folge, dass ein Widerspruch erhoben worden ist oder als erhoben gilt. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. Februar 1996 weder sinnvoll noch erforderlich gewesen wäre. Die Klägerin hätte – wie sie in anderem Zusammenhang selbst vorträgt ‑ zum damaligen Zeitpunkt unmittelbar eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG beantragen können.
56II. Der erste Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Dem geltend gemachten Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides – hier gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG, weil die Klägerin sich im Bundesgebiet aufhält – steht bereits die Bestandskraft des Bescheides des Bundesverwaltungsamts vom 19. Februar 1996 entgegen, mit dem ein erster Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Aufnahmebescheides abgelehnt worden ist. Wie oben dargelegt unterscheidet das Bundesvertriebenengesetz entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zwischen Aufnahmebescheiden, die vor 2005 und nach 2004 erteilt worden sind. Der Bescheid vom 19. Februar 1996 ist bestandskräftig, weil die Klägerin – wie ebenfalls oben dargelegt – einen den Formanforderungen des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO entsprechenden Widerspruch nicht erhoben hat.
57Nach ständiger Rechtsprechung kann ein erneut geltend gemachter Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides nach dem Bundesvertriebenengesetz als Anspruch auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens allein auf § 51 VwVfG gestützt werden.
58Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. August 2012 – 11 A 1810/11 ‑, juris, m. w. N.
59Einen derartigen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens macht die Klägerin im Verfahren 10 K 3249/12 vor dem Verwaltungsgericht Köln geltend. Er ist nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens.
60III. Daraus folgt gleichzeitig, dass auch der zweite Hilfsantrag keinen Erfolg haben kann. Für den von der Klägerin hier geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 19. Februar 1996 gibt es keine Rechtsgrundlage. Der Klägerin steht insoweit nur der Weg über § 51 VwVfG offen. Ein von ihr gestellter Antrag auf Wiederaufgreifen des durch Bescheid vom 19. Februar 1996 abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens ist Gegenstand des Verfahrens 10 K 3249/12 beim Verwaltungsgericht Köln.
61IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
62Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
63Der Senat lässt die Revision zu, weil die Frage, ob § 15 Abs. 2 Satz 2 BVFG der Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG an Personen entgegensteht, die vor dem 1. Januar 2005 mit einem Einbeziehungsbescheid nach Deutschland übergesiedelt sind, von grundsätzlicher Bedeutung und höchstrichterlich nicht geklärt ist.
(1) Das Bundesverwaltungsamt stellt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Eine Wiederholung des Gesprächs im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 3 findet hierbei nicht statt. Bei Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, beteiligt das Bundesverwaltungsamt vor Erteilung der Bescheinigung den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst, die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt, wenn dies zur Feststellung von Ausschlussgründen nach § 5 Nr. 1 Buchstabe d und e geboten ist. Die Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung ist für Staatsangehörigkeitsbehörden und alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind. Hält eine Behörde oder Stelle die Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes über die Ausstellung der Bescheinigung nicht für gerechtfertigt, so kann sie nur ihre Änderung oder Aufhebung durch das Bundesverwaltungsamt beantragen.
(2) Das Bundesverwaltungsamt stellt dem in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogenen Ehegatten oder Abkömmling eine Bescheinigung zum Nachweis des Status nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie seiner Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 aus. Eine Bescheinigung nach Absatz 1 kann nur ausgestellt werden, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden ist. Im Übrigen gilt Absatz 1 entsprechend.
(3) Über die Rücknahme und die Ausstellung einer Zweitschrift einer Bescheinigung entscheidet die Ausstellungsbehörde.
(4) Eine Bescheinigung kann mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für ihre Ausstellung gewesen sind, erwirkt worden ist. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Ausstellung der Bescheinigung erfolgen. Hat die Rücknahme einer Bescheinigung nach Absatz 1 auch Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Bescheinigungen nach Absatz 2, so ist für jeden Betroffenen eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist das Maß der Beteiligung des Ehegatten oder Abkömmlings an einer arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Spätaussiedlers gegen die schutzwürdigen Belange des Ehegatten oder Abkömmlings, insbesondere unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen. Der Widerruf einer Bescheinigung ist nicht zulässig.
(1) Spätaussiedler ist in der Regel ein deutscher Volkszugehöriger, der die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wenn er zuvor
- 1.
seit dem 8. Mai 1945 oder - 2.
nach seiner Vertreibung oder der Vertreibung eines Elternteils seit dem 31. März 1952 oder - 3.
seit seiner Geburt, wenn er vor dem 1. Januar 1993 geboren ist und von einer Person abstammt, die die Stichtagsvoraussetzung des 8. Mai 1945 nach Nummer 1 oder des 31. März 1952 nach Nummer 2 erfüllt, es sei denn, dass Eltern oder Voreltern ihren Wohnsitz erst nach dem 31. März 1952 in die Aussiedlungsgebiete verlegt haben,
(2) Spätaussiedler ist auch ein deutscher Volkszugehöriger aus den Aussiedlungsgebieten des § 1 Abs. 2 Nr. 3 außer den in Absatz 1 genannten Staaten, der die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt und glaubhaft macht, dass er am 31. Dezember 1992 oder danach Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit unterlag.
(3) Der Spätaussiedler ist Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes. Ehegatten oder Abkömmlinge von Spätaussiedlern, die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 in den Aufnahmebescheid einbezogen worden sind, erwerben, sofern die Einbeziehung nicht unwirksam geworden ist, diese Rechtsstellung mit ihrer Aufnahme im Geltungsbereich des Gesetzes.
(1) Deutscher Volkszugehöriger im Sinne dieses Gesetzes ist, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird.
(2) Wer nach dem 31. Dezember 1923 geboren worden ist, ist deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Das Bekenntnis auf andere Weise kann insbesondere durch den Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder durch den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse erbracht werden. Das Bekenntnis zum deutschen Volkstum muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Aufnahmeantrag, in Fällen des § 27 Absatz 1 Satz 2 im Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich dieses Gesetzes, zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können, es sei denn, der Aufnahmebewerber kann diese Fähigkeit wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht besitzen. Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum wird unterstellt, wenn es unterblieben ist, weil es mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden war, jedoch auf Grund der Gesamtumstände der Wille unzweifelhaft ist, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.