Verwaltungsgericht Köln Urteil, 25. Feb. 2014 - 14 K 2512/12.A
Gericht
Tenor
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 22. März 2012 verpflichtet, der Klägerin den Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen.
Die Kosten des Verfahrens, für das keine Gerichtsgebühren erhoben werden, trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die am 00.00.0000 geborene Klägerin ist afghanische Staatsangehörige, tadschikischer Volkszugehörigkeit und schiitischen Glaubens. Sie reiste am 29. Januar 2011 auf dem Landweg über Iran, Türkei und Griechenland in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 7. Februar 2011 die Anerkennung als Asylberechtigte.
3In ihrer Anhörung am 14. Februar 2011 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab die Klägerin an, sie stamme aus Kandahar. Sie haben keine Schule besucht, lediglich zu Hause ein paar Buchstaben gelernt. Seit ihrer Geburt habe sie in Kandahar gelebt. Ihr Mann sei durch eine Bombe der Taliban getötet worden. Einer ihrer Söhne sei in Afghanistan verschollen; zwei weitere Söhne seien mit ihr auf dem Weg nach Deutschland gewesen. Einer dieser Söhne sei auf der Flucht wohl verstorben; dies sei der Mann ihrer Schwiegertochter, die Klägerin im Verfahren 14 K 3634/12.A, gewesen. Der andere Sohn, Kläger im Verfahren 14 K 2890/12.A, heiße K. . Weiter habe sie noch drei Töchter, von denen zwei verheiratet seien und im Iran leben würden. Die älteste Tochter lebe in Afghanistan. Zu ihrem Verfolgungsschicksal befragt erklärte die Klägerin, sie habe Kandahar am 5. September 2010 mit ihren beiden Söhnen und der Schwiegertochter verlassen. Sie sei dann über den Iran und die Türkei nach Griechenland geflohen. Dort habe man sie fotografiert und Fingerabdrücke abgenommen. Mit ihrer Schwiegertochter zusammen sei sie dann mit einem Schiff nach Italien gereist und von dort mit einem Taxi nach Deutschland. Die Einreise sei am 29. Januar 2011 erfolgt. Sie sei ausgereist, weil die Familie Briefe für die Söhne bekommen habe. Insgesamt habe die Familie vier Briefe erhalten. Wegen ihres Sohnes K. habe die Familie einen Brief auf Paschtu erhalten, wonach ihr Sohn sich für Selbstmordanschläge bereithalten solle. Drei Schreiben hätten ihren Sohn S. betroffen, der ja dann auch seit einem Jahr und drei Monaten verschollen sei. Die Briefe seien von der Taliban gewesen. Zehn Tage, nachdem sie das letzte Schreiben bekommen habe, habe sie das Haus abgeschlossen und die Flucht begonnen. Eigene Schwierigkeiten habe sie in Afghanistan nicht gehabt; ihre erwachsenen Kinder seien in Gefahr gewesen. Dann habe es noch Probleme mit ihrer Schwiegertochter und ihrem Sohn gegeben. Der Vater der Schwiegertochter habe diese mit einem älteren Mann verheiraten wollen. Ihre Schwiegertochter habe jedoch ihren Sohn heiraten wollen.
4Mit Bescheid vom 22. März 2012 lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Asylberechtigte ab (Ziffer 1.) und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 2.) sowie Abschiebungsverbote (Ziffer 3.) nicht vorliegen. Die Klägerin wurde zudem unter Androhung ihrer Abschiebung nach Afghanistan aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen. Im Falle der Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens (Ziffer 4.). Der Bescheid wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin mittels Einschreibens am 30. März 2012 zugestellt. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, eine Asylanerkennung scheide bereits aus, weil die Klägerin über den Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Die Flüchtlingseigenschaft könne nicht zuerkannt werden, weil die Klägerin schon nach dem eigenen Vortrag nicht bedroht worden sei. Außerdem würden die Ausreisegründe keine Verfolgungshandlungen darstellen. Anhaltspunkte für Abschiebungsverbote würden nicht bestehen. Insbesondere könne nicht von einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben aufgrund eines bewaffneten Konflikts ausgegangen werden. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor, da die Klägerin bei der Rückkehr bei Verwandten Unterkunft und Unterstützung finden könne.
5Die Klägerin hat am 12. April 2012 Klage erhoben.
6Zur Begründung verweist sie auf ihren Vortrag gegenüber der Beklagten im Rahmen der Anhörung und führt weiter aus, sie habe aus Afghanistan fliehen müssen, da sie einer landesweiten Gefährdung durch die Taliban ausgesetzt gewesen sei. Die Klägerin unterliege als Frau in Afghanistan generell einer geschlechtsspezifischen Verfolgung. Schließlich liege in Kandahar auch ein innerstaatlicher Konflikt vor, der die Klägerin konkret individuell bedrohe. Zwischenzeitlich habe ihre in Afghanistan zurückgebliebene älteste Tochter bestätigt, dass ihr ältester Sohn von der Taliban zunächst entführt und dann getötet worden sei. Zudem leide sie an Krankheiten, die in Afghanistan nicht hinreichend behandelt werden könnten.
7Die Klägerin beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. März 2012 zu verpflichten,
9ihr den Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen,
10hilfsweise der Klägerin subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
11hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie nimmt zur Begründung im Wesentlichen Bezug auf den angefochtenen Bescheid.
15Das Gericht hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2014 informatorisch zu ihren Fluchtgründen angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2014 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht zum Termin erschienen ist, denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-). Die Beklagte ist form- und fristgerecht mit Empfangsbekenntnis geladen worden.
19Die zulässige Klage ist begründet, da die Klägerin einen Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gemäß § 3 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) hat.
20Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 -Genfer Flüchtlingskonvention (GFK)-, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Demnach wird zunächst eine Verfolgungshandlung gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 AsylVfG durch einen Verfolgungsakteur (§ 3c AsylVfG) vorausgesetzt, die eine Verfolgungsprognose zulässt. Gemäß 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung solche Handlungen, welche aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Insbesondere sind dabei Verletzungen der absoluten Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist, zu berücksichtigen.
21Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteile vom 7. November 2013 - Rs. C - 199/12 bis 201/12 -X, Y und Z-, Rn. 51, und vom 5. September 2012 - Rs. C - 71/11 und C - 99/11 -Y und Z-, Rn. 53, zitiert jeweils nach juris.
22Nach Ziffer 2 kann auch eine Kumulation unterschiedlicher Maßnahmen die Qualität einer Verletzungshandlung haben, wenn der Ausländer davon in ähnlicher Weise betroffen ist wie im Falle einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Ziffer 1. Die nach Ziffer 2 zu berücksichtigende Maßnahmen können Menschenrechtsverletzungen sein, aber auch sonstige Diskriminierungen, die für sich allein nicht die Qualität einer Menschenrechtsverletzung aufweisen. Die einzelnen Eingriffshandlungen müssen dabei in ihrer Gesamtheit aber eine Betroffenheit des Einzelnen bewirken, die der Eingriffsintensität einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Ziffer 1 entspricht.
23Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, Rn. 36, zitiert nach juris.
24Die Verfolgungshandlung muss weiter mit einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylVfG verknüpft sein, § 3a Abs. 3 AsylVfG, und es muss an einem effektiven Schutz im Herkunftsland fehlen (§§ 3d, e AsylVfG). Bzgl. der Verfolgungsgründe ist zu beachten, dass gemäß § 28 Abs. 1a AsylVfG auch Nachfluchtgründe insoweit zu berücksichtigen sind. Weiter ist zu berücksichtigen, dass nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 HS 4 AsylVfG eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch vorliegen kann, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft. Abschließend dürfen keine Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG vorliegen.
25Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 3a AsylVfG vorliegt, ist Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifizierungsrichtlinie in der Neufassung vom 13. Dezember 2011 Richtlinie 2011/95/EU -QRL-) ergänzend anzuwenden. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 - 10 C 24.08 -, Rn. 14, m.w.N., zitiert nach juris.
27Gemessen an diesen Kriterien liegen die Voraussetzungen für eine Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylVfG vor. Zwar kann sich die Klägerin nicht i.S.d. Art. 4 Abs. 4 QRL auf eine Vorverfolgung berufen, da selbst bei Wahrunterstellung ihres Vortrags keine flüchtlingsrelevante Verfolgung erkennbar ist. Im Kern trägt sie vor, dass sie geflohen sei, weil eine Gefahr für ihre Söhne und ihre Schwiegertochter bestanden habe. Ein Sohn sollte zwangsrekrutiert werden; der andere Sohn und ihre Schwiegertochter widersetzten sich einer Zwangsheirat durch den Vater der Schwiegertochter. Beide geschilderten Handlungsabläufe lassen jedoch keine Bedrohung der Klägerin erkennen, da sie selbst nicht Ziel der Taliban oder des Vaters war. Eine ggf. bestehende mittelbare Betroffenheit genügt insofern nicht.
28Bei der Klägerin muss jedoch - unabhängig von einer Vorverfolgung - davon ausgegangen, dass bei ihrer Rückkehr nach Afghanistan die Gefährdung einer unmittelbaren geschlechtsspezifischen Bedrohung besteht.
29Dabei geht die Kammer unter Einbeziehung der aktuellen Erkenntnismittel,
30vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4. Juni 2013, S. 12 f.; Fortschrittsbericht Afghanistan der Bundesregierung von Januar 2014, S. 14 zur Rolle der Frauen in der Polizei, S. 27 ff. zur Geltung der Menschenrechte - insbesondere der Frauenrechte-; UNHCR: Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender - zusammenfassende Übersetzung - vom 24. März 2011, S. 7 f. und vom 6. August 2013, S. 54 ff.; Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, S. 15 f.; Amnesty International, Amnesty Report 2013 Afghanistan, S. 3,
31zur Situation von Frauen in der afghanischen Gesellschaft davon aus, dass trotz der Stärkung der Rechte der Frauen in der afghanischen Verfassung und Gesetzgebung Frauen und Mädchen nach wie vor in der afghanischen Gesellschaft sowie von der Polizei und Justiz schwer benachteiligt werden. Seit dem Sturz der Taliban hat es zwar einige deutliche Verbesserungen gegeben, wie etwa einen verbesserten Zugang zur Bildung, Arbeit und medizinischen Versorgung. Gleichwohl ist die Diskriminierung der Frauen in der afghanischen Gesellschaft weit verbreitet. Frauen werden Opfer von Zwangsverheiratung, Vergewaltigung, Entführung, Ehrenmorden und häuslicher Gewalt. Die registrierten Fälle von Gewalttaten gegen Frauen sind gerade seit 2012 stark angestiegen, ebenso die Zahl der Mädchen und Frauen, die wegen sogenannter „moralischer“ Verbrechen festgehalten werden. Allein in der ersten Hälfte des Jahres 2013 wurden offiziell 4.154 Fälle von Gewalt gegen Frauen registriert. Da diese im Schwerpunkt im familiären Umfeld stattfinden, ist von einer deutlich höheren Dunkelziffer auszugehen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass alle Taten den offiziellen Stellen bekannt werden. Eine Verteidigung ihrer Rechte ist in einem Land, in dem die Justiz stark konservativ-traditionell geprägt und überwiegend von männlichen Richtern bestimmt wird, nur in wenigen Fällen möglich. Auch das 2009 verabschiedete Gesetz zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen hat sich bislang noch nicht landesweit durchgesetzt. Dies zeigt die Tatsache, dass dessen landesweite Umsetzung eines der beiden im Tokio-Prozess mit Afghanistan vereinbarten konkreten Ziele im Menschenrechtsbereich ist. Nach islamischem Recht ist eine Frau allein nicht existent, sondern untersteht entweder der Autorität ihres Ehemannes, ihres Bruders oder ihres Vaters bzw. dessen Familie. Für Frauen ist ein alleinstehendes Leben außerhalb des Familienverbandes bisher undenkbar.
32Vgl. auch Urteil der Kammer vom 20. Dezember 2011 - 14 K 4249/10.A -; Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen, Urteil vom 18. Juli 2013 - 5a K 4418/11.A, Rn, 39 ff. m.w.N.; VG München, Urteil vom 27. Juni 2013 - M 1 K 13.30168 -, Rn. 19 ff., zitiert jeweils nach juris.
33Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass jede Frau im Falle einer Rückkehr einer derartigen Verfolgung ausgesetzt wäre. Vielmehr ist im konkreten Einzelfall die individuelle Situation der Frau nach ihrer Stellung und dem regionalen und sozialen, insbesondere familiären Hintergrund zu berücksichtigen. Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung der Kammer und anderer Gerichte,
34vgl. Urteile der Kammer vom 8. Oktober 2013 - 14 K 6985/11.A -, Rn. 61, vom 27. Februar 2013 - 14 K 2177/11.A, Rn. 35, und vom 20. Dezember 2011 - 14 K 4249/10.A -; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (OVG), Beschluss vom 21. Januar 2014 - 9 LA 60/13 -, Rn. 5, jeweils zitiert nach juris,
35sind vor allem alleinstehende Frauen ohne männlichen Schutz (mahram) einer derartigen Gefährdungslage ausgesetzt.
36Zu dieser Gruppe gehört die Klägerin. Sie ist 55 Jahre alt, verwitwet und hat keine männlichen Verwandten mehr in Afghanistan. Im vorliegenden Fall ist insoweit bereits zu berücksichtigen, dass die Klägerin aus Kandahar stammt. Die Provinz Kandahar ist seit jeher eine Hochburg der radikal-islamischen Taliban. Seit ihrem Sturz im Jahr 2001 führen sie insbesondere dort einen blutigen Aufstand gegen die internationalen Truppen und die afghanischen Sicherheitskräfte und haben dort einen enormen gesellschaftlichen Einfluss. Gerade in diesen Gebieten finden die in der Verfassung und Gesetzgebung Afghanistans zumindest formal begründeten Frauenrechte keine Anwendung.
37Vgl. UNHCR: Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender - zusammenfassende Übersetzung - vom 24. März 2011, S. 7 f. und vom 6. August 2013, S. 57, 63; Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, S. 16.
38Die Klägerin hat im Rahmen der Anhörung in der mündlichen Verhandlung überzeugend angegeben, dass sie keine männlichen Verwandten mehr in Afghanistan hat, die sie bei einer Rückkehr beschützen könnten. Dass ihr Ehemann bei einem Bombenanschlag auf einer Hochzeit getötet und ihr ältester Sohn von den Taliban verschleppt wurde, gab die Klägerin sowohl beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung an. Diese Angaben wurden unabhängig davon von ihrem Sohn K. und ihrer Schwiegertochter bestätigt, ohne dass die Kammer Anlass hat, an diesen Aussagen zu zweifeln. Dabei fällt vor allem auf, dass die Klägerin während ihrer Zeit in Deutschland ihre Erkenntnisse über den Verbleib ihres ältesten Sohnes aktualisierte, sobald sie neue Informationen erhalten hatte. So gab sie beim Bundesamt noch an, dieser sei verschollen und vermutlich von den Taliban verschleppt worden. Erst durch einen Brief ihrer in Afghanistan verbliebenen Tochter erfuhr sie vom Tod des Sohnes. Weitere männliche Angehörige sind nicht ersichtlich. Im Rahmen einer möglichst realitätsnahen Beurteilung ihrer Rückkehrsituation,
39vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 21. September 1999 – 9 C 12.99 -, Rn. 10, zitiert nach juris.
40kann auch nicht unterstellt werden, dass die Klägerin gemeinsam mit ihrem Sohn, dem Kläger im Verfahren 14 K 2890/12.A, nach Afghanistan zurückkehrt und dieser dann als alleiniges männliches Familienoberhaupt seine Mutter vor Zugriffen beschützen kann. Zum einen wurde diesem im Parallelverfahren - zwar nicht rechtskräftig - subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG zugesprochen. Zum anderen unterscheidet sich die vorliegende Situation von den bisher in der Rechtsprechung entschiedenen Konstellationen, in denen bei der Rückkehrprognose für eine Frau oder für ein minderjähriges Kind zu berücksichtigen war, dass diese wegen des Familienverbundes nicht ohne den insoweit schutzfähigen Ehemann bzw. Vater in das Heimatland zurückkehren werden.
41Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. August 1993 - 9 C 7.93 -, vom 8. September 1992 - 9 C 8.91 -, und vom 6. März 1990 - 9 C 14.89 -, zitiert jeweils nach juris.
42Die in § 3d AsylVfG genannten Institutionen, namentlich der afghanische Staat sind nicht in der Lage oder willens, der Klägerin Schutz vor der ihr drohenden geschlechtsspezifischen Verfolgung zu bieten. Denn nach den vorliegenden Erkenntnisquellen erlaubt es Frauen insbesondere die unbefriedigende Sicherheitslage in weiten Landesteilen in der Regel nicht, die mit Überwindung der Taliban und ihren frauenverachtenden Vorschriften erwarteten Freiheiten wahrzunehmen. Staatliche Akteure aller drei Gewalten sind häufig nicht in der Lage – oder aufgrund konservativer Wertvorstellungen nicht gewillt –, Frauenrechte zu schützen. Sexual- oder Gewaltverbrechen zur Anzeige zu bringen, hat aufgrund des desolaten Zustandes des Sicherheits- und Rechtssystems wenig Aussicht auf Erfolg. Der Versuch endet u.U. mit der Inhaftierung der Frau, sei es aufgrund unsachgemäßer Anwendung von Beweisvorschriften oder zum Schutz vor der eigenen Familie, die eher die Frau eingesperrt, als ihr Ansehen beschädigt sehen will.
43Vgl. Urteil der Kammer vom 20. Dezember 2011 - 14 K 4249/10.A -.
44Für die Klägerin kommt die Annahme einer inländischen Fluchtalternative nicht in Betracht. Der Verweis auf einen effektiven Schutz in einem anderen Teil des Herkunftslandes (§ 3e AsylVfG) setzt jedenfalls voraus, dass von dem Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil niederlässt. Zur Frage, wann von ihm „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil niederlässt, wird vorausgesetzt, dass der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet ist. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus.
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, Rn. 19 f.; Beschluss vom 14. November 2012 - 10 B 22.12 -, Rn. 9, zitiert jeweils nach juris; Urteil vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 -; Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -.
46Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine alleinstehende Frau in Afghanistan so gut wie keine Möglichkeit hat, Arbeit zu finden und sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dies gilt erst recht für die 55jährige Klägerin, die selbst keine schulische Ausbildung hat und vor ihrer Ausreise auch keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen ist. Die wirtschaftliche Lage in Afghanistan ist so schlecht und die Teuerungsrate so immens, dass für eine alleinstehende Frau, selbst wenn sie gelegentlich Almosen oder finanzielle Unterstützung von eventuell noch existierenden Verwandten bekäme, jedenfalls nicht das Existenzminimum gewährleistet ist.
47Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
48Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11 und 711 der Zivilprozessordnung.
49Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
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Annotations
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.