Verwaltungsgericht Köln Urteil, 23. Sept. 2014 - 14 K 19/13.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistungoder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Der nach eigenen Angaben am 00.00.0000 in Kabul geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger hinduistischen Glaubens. Er reiste im September oder Oktober 2011 noch als Minderjähriger ohne Begleitung in die Bundesrepublik Deutschland ein und hielt sich zunächst bei seinem Cousin auf. Der Cousin wurde am 24. November 2011 als Vormund des Klägers bestellt. Am 9. Dezember 2011 stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Asylantrag. Zur Begründung erklärte der Prozessbevollmächtigte u.a., dass der Kläger wegen der Verfolgung der hinduistischen Minderheit in Afghanistan das Land verlassen habe. Die Familie sei regelmäßig durch Moslems bedroht worden und unter Druck gesetzt worden, zum Islam zu konvertieren.
3Bei seiner persönlichen Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 14. Oktober 2010 gab der Kläger im Wesentlichen an, bei dem Versuch das Land zu verlassen, sei er 2004 von seinen Eltern und Geschwistern getrennt worden. Diese seien nach Pakistan ausgereist. Er habe daher seit 2004 bei seinem Onkel in Kabul gelebt. Er habe in Afghanistan keine Schule besucht, sondern Privatunterricht erhalten. Man habe seinen Onkel unter Druck gesetzt, zum islamischen Glauben zu konvertieren. Der Onkel sei dann angeschossen worden und sei den Verletzungen schließlich erlegen. Kurz darauf habe er das Land per Flugzeug verlassen.
4Mit Bescheid vom 04. Dezember 2012 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab (Ziffer 1) und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flücht-lingseigenschaft (Ziffer 2) noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG vorlägen (Ziffer 3 Satz 1). Zugleich stellte es fest, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliege (Ziffer 3 Satz 2), weil der Kläger bei einer Rückkehr nach Kabul als alleinstehender Minderjähriger ohne Schutz und Unterstützung der Familie in eine ausweglose Lage geraten würde; Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 4 und 5 AufenthG lägen im Übrigen nicht vor. Zur Begründung wird in dem Bescheid u.a. ausgeführt, es bestehe kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Die Zugehörigkeit des Antragstellers zur Glaubensgemeinschaft der Hindus führe nicht zu einer landesweiten Verfolgungsgefahr. Zwar seien nach den Erkenntnisquellen die wenigen in Afghanistan lebenden Hindus und Sikhs von einer allgemeinen gesellschaftlichen Diskriminierung durch die Mehrheitsbevölkerung betroffen, von gezielter Verfolgung durch den Staat oder Dritte könne aber nicht ausgegangen werden. Zwar seien Hindus wie andere Minderheiten häufig Opfer illegaler Landnahme und wagten lediglich in Kabul und Jalalabad ihren Glauben offen zu praktizieren. Andererseits sei aber im April 2010 erstmals seit vielen Jahren wieder eine öffentliche Feier durch die Hindu- und Sikh-Gemeinden erfolgt und ungehindert und friedlich verlaufen. Insgesamt habe sich die Situation der Hindus und Sikhs seit dem Sturz der Taliban verbessert. Den vorhandenen Auskünften lasse sich keine gezielte und systematische gegen die Religionsgemeinschaften der Hindus und Sikhs gerichtete Verfolgungspraxis entnehmen. Es handele sich vielmehr um Repressionen gegen einzelne Mitglieder der Minderheiten. Die Angaben des Antragstellers seien zudem zu vage und unsubstantiiert gewesen, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass es die Aufforderung zur Konversion zum Islam tatsächlich gegeben habe. Trotz seines jugendlichen Alters habe man von dem Antragsteller erwarten können, dass er konkreter und detaillierter vorträgt. Der Vortrag erwecke nicht den Eindruck als habe der Antragsteller das Geschilderte selbst erlebt.
5Der Kläger hat am 21. Dezember 2012 Klage erhoben.
6Mit der Klage verfolgt er sein Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft weiter. Zur Begründung trägt er vor, entgegen der Feststellungen der Beklagten sei von einer Gruppenverfolgung der Hindus wegen ihrer Religionszugehörigkeit auszugehen. Zum Beleg bezieht er sich auf die Urteile des VG Gelsenkirchen (vom 21. Februar 2013 – 5a K 3406/12.A –), des VG Stuttgart (vom 29. Januar 2013 – A 6 K 4443/12) und des VG Gießen (vom 13. April 2012 – 2 K 1864/11.Gl.A–). Die gegenteilige Ansicht des OVG NRW (Urteil vom 19. Juni 2008 – 20 A 4676/06.A –) sei auf Grund der Entscheidung des EuGH (vom 5. September 2012 – C-71/11 –, – C-99/11–) nicht mehr tragbar. Hinsichtlich der Minderheitengruppen hätten sich die ethnischen Spannungen in Afghanistan zuletzt noch verschärft, vor allem weil sich die Zahl der in Afghanistan lebenden Hindus weiter reduziert hätte. Der Kläger sei zudem aber auch individuell vorverfolgt ausgereist. Nach der Flucht der Eltern nach Pakistan habe er mit seiner Tante und seinem Onkel im Elternhaus weitergelebt. Wenige Wochen nach dem Fluchtversuch hätten die Taliban massive Bedrohungen gegen die verbliebene Familie ausgesprochen. Sie hätten den Onkel zum Konvertieren bewegen wollen. Der Onkel habe aus Sorge vor Entführungen den Kläger immer in den Keller geschickt, wenn es an der Tür geklopft habe. Der Kläger habe dann immer in ein Loch mit einem Holzdeckel klettern müssen. Er habe dort so lange sitzen müssen, bis die Taliban wieder verschwunden seien. 2007 oder 2008 sei dann seine Tante gestorben. Im Jahr 2011 habe der Onkel einen Schlepper ausfindig gemacht und diesen auch bezahlt. Bevor sie aber zur Flucht hätten aufbrechen können, hätten die Taliban den Onkel erneut aufgesucht. Der Kläger sei wieder im Keller versteckt worden. Der Onkel habe bei diesem Besuch eine Schussverletzung am Arm davongetragen. Der Onkel, der auch zuckerkrank gewesen sei, sei schließlich in der ersten Jahreshälfte 2011 gestorben. Der Kläger habe den Onkel mit Hilfe der Nachbarn nach den Ritualen der Hindus bestattet. Er sei dann allein in dem Haus zurückgeblieben. Er habe nicht mehr alleine auf die Straße gehen können, um einzukaufen, und sei daher von Nachbarn versorgt worden. Nach dem Tod des Onkels seien die Taliban erneut erschienen und hätten ihm gedroht, dass er seinen Glauben ändern müsse und sie wiederkämen. Nach einigen Wochen seien sie erneut erschienen. Sie hätten versucht, ihn zu schlagen und hätten ihm gedroht, ihn beim nächsten Mal mitzunehmen. Dann sei glücklicherweise eines Tages der Schlepper erschienen, habe ihn mitgenommen und die Flucht nach Deutschland veranlasst.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 4. Dezember 2012 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft des § 3 AsylVfG zuzuerkennen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie nimmt zur Begründung Bezug auf die Gründe des angefochtenen Bescheides.
12Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2014 informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.
13Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe
15Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Klage verhandeln und entscheiden, weil in der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
16Die lediglich auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gemäß § 3 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG)
17Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Demnach muss zunächst eine Verfolgungshandlung gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 AsylVfG durch einen Verfolgungsakteur (§ 3c AsylVfG) vorliegen, die eine Verfolgungsprognose zulässt. Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung solche Handlungen, welche aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Insbesondere sind dabei Verletzungen der absoluten Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, zu berücksichtigen.
18Vgl. EuGH, Urteile vom 7. November 2013 – Rs. C – 199/12 bis 201/12 – X, Y und Z-, Rn. 51, und vom 5. September 2012 – Rs. C - 71/11 und C – 99/11 -Y und Z-, Rn. 53, juris.
19Nach Ziffer 2 kann auch eine Kumulation unterschiedlicher Maßnahmen die Qualität einer Verletzungshandlung haben, wenn der Ausländer davon in ähnlicher Weise betroffen ist wie im Falle einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Ziffer 1. Die nach Ziffer 2 zu berücksichtigende Maßnahmen können Menschenrechtsverletzungen sein, aber auch sonstige Diskriminierungen. Die einzelnen Eingriffshandlungen müssen dabei für sich allein nicht die Qualität einer Menschenrechtsverletzungen aufweisen, in ihrer Gesamtheit aber eine Betroffenheit des Einzelnen bewirken, die der Eingriffsintensität einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen nach Ziffer 1 entspricht.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23/12 –, juris Rn 36.
21Die Verfolgungshandlung muss weiter mit einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylVfG verknüpft sein, § 3a Abs. 3 AsylVfG, und es muss an einem effektiven Schutz im Herkunftsland fehlen (§§ 3d, e AsylVfG). Bzgl. der Verfolgungsgründe ist zu beachten, dass gemäß § 28 Abs. 1a AsylVfG auch Nachfluchtgründe insoweit zu berücksichtigen sind. Abschließend dürfen keine Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG vorliegen.
22Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 3a AsylVfG vorliegt, ist Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifizierungsrichtlinie in der Neufassung vom 13. Dezember 2011 Richtlinie 2011/95/EU -QRL-) ergänzend anzuwenden. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 QRL, der sich mit der Voraussetzung, dass der Antragsteller „tatsächlich Gefahr läuft“, an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zur tatsächlichen Gefahr („real risk“) orientiert,
23vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 Nr. 37201/06 - Saadi - NVwZ 2008, 1330, juris.
24und somit der Sache nach den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit übernimmt.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O., Rn. 19, 32.
26Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O., Rn. 36.
28Zur Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten normiert Art. 4 Abs. 4 QRL eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftendenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 –10 C 5/09 –, juris, Rn. 20 ff. m.w.N.
30Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 – 10 C 24/08 –, juris, Rn. 14.
32Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist daran festzuhalten, dass er dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern hat, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden,
33Vgl. zu Art. 16a GG: BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1989 – 9 B 239/89 –, InfAuslR 1989, 349, vom 26. Oktober 1989 – 9 B 405.89 –, InfAuslR 1990, 38 (39), und vom 3. August 1990 – 9 B 45.90 –, InfAuslR 1990, 344.
34Dies zugrunde gelegt konnte das Gericht auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen, dass der Kläger vor der Ausreise Verfolgungsmaßnahmen i.S.v. § 3 AsylVfG erlitten hat, oder von solchen Verfolgungsmaßnahmen unmittelbar bedroht war. Das Gericht hält das Vorbringen, er sei vor der Ausreise aus Afghanistan konkret durch die Taliban bedroht worden, für nicht glaubhaft. Hinsichtlich seiner Angaben, die Taliban hätten den Onkel und später ihn selbst unter Druck gesetzt, Moslems zu werden, fehlt es an einem detaillierten Vortrag, der den Schluss zulassen würde, dass er das Vorgetragene selbst erlebt hat. Der Vortrag zeichnete sich auch in der mündlichen Verhandlung durch stereotype Aussagen aus. Der Kläger konnte nicht schildern, was konkret bei den Besuchen durch die Taliban im Haus abgelaufen sein soll bzw. was diese konkret verlangt haben. Soweit er vorträgt, er sei zu diesen Anlässen immer im Keller versteckt worden und der Onkel habe ihm im Nachgang von den Besuchen erzählt, ist es dann nicht einleuchtend, dass sein Onkel nicht detaillierter über den Ablauf der Besuche und die Forderungen der Taliban berichtet hat. Zwar war der Kläger in den ersten Jahren nach der Trennung von seinen Eltern noch sehr jung. Allerdings hat ihm sein Onkel angeblich auch erzählt, wer und warum sie aufgesucht wurden und dass die Taliban den Kläger im Haus vermuteten und suchten. Die Aussage die Taliban hätten gewollt, dass sie ihre Religion wechselten ist in diesem Zusammenhang zu detailarm. Insoweit als der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, man habe die Vertreter der Taliban, wenn sie an der Tür geklopft hätten, durch das Fenster sehen können und der Onkel habe ihn dann jedes Mal umgehend in einem Loch im Keller versteckt, ist damit auch kein nachvollziehbarer Geschehensablauf geschildert worden. Angeblich soll der Onkel über das Loch im Keller jedes Mal eine Holzplatte und dann noch einen Teppich gelegt haben. Dieses Vorgehen wäre mit einer gewissen zeitlichen Dauer verbunden gewesen. Dass die Taliban während dieses Vorgangs ungerührt vor der Tür gewartet haben sollen, ist schlechterdings nicht vorstellbar. Zudem ist nicht nachvollziehbar, dass die Taliban jahrelang – nach dem Vortrag des Klägers bereits vor 2007 und bis zur Ausreise 2011 – monatlich bzw. mehrmals im Monat gekommen seien sollen, bis auf Diskussionen oder Streitereien mit dem Onkel aber nicht mehr passiert sein soll. Der Kläger hat erstmalig, erst auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung und daher nicht überzeugend angegeben, die Taliban hätten erklärt, es könne sein, dass sie getötet würden, wenn sie den Glauben nicht wechselten oder das Land verließen. Der Kläger hat auch nicht vortragen können, wie es plötzlich im Jahr 2011 zu der Schussverletzung des Onkels kam und welchen konkreten Hintergrund diese hatte. Da zu diesem Zeitpunkt der Fluchtgedanke schon gefasst und auch bereits ein Schlepper engagiert worden sein soll, hätten sich die Taliban doch - den Vortrag des Klägers als wahr unterstellt - damit zufrieden gegeben, dass der Kläger und sein Onkel ohnehin vorhatten, das Land zu verlassen. Auch nach den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ist schließlich nicht klar, ob der Onkel an der Schussverletzung oder vielmehr an der lange Jahre bestehenden Zuckerkrankheit gestorben ist. Wenn der Kläger dann weiter vorträgt, nach dem Tod des Onkels hätten die Taliban ihn persönlich aufgesucht und unter Druck gesetzt, ist auch dies nicht überzeugend. Woher die Taliban überhaupt wissen konnten, dass der Kläger existiert, wenn er nach eigenem Vortrag bei den Besuchen vorher immer versteckt und daher trotz Suche der Taliban nicht gefunden worden sein soll, ist nicht erkennbar. Es ist auch nicht realistisch, dass der Kläger, der damals gerade einmal 16 Jahre alt war, gegen mehrere Männer, die ihn angeblich schlagen wollten, erfolgreich Widerstand leisten und diese zum Verlassen des Hauses bewegen konnte. Der Umstand, dass die Taliban ohne Weiteres aufgegeben haben und lediglich die Drohung ausgesprochen haben sollen, wiederzukommen, ist ebenfalls wenig überzeugend. Auch die beschriebene Angst, das Haus zu verlassen, weil die Taliban ihn hätten mitnehmen und töten wollen, ist nicht überzeugend. Zwar mag es sein, dass der Kläger, der damals noch sehr jung war, große Angst hatte. Dass diese sich aber alleine auf die Taliban bezog und darauf gerichtet war, dass man ihn als Hindu zum Konvertieren zwingen, mitnehmen und töten würde, ist nicht anzunehmen. Immerhin sollen die Taliban doch ohnehin gewusst haben, wo der Kläger lebte, so dass sie ihn auch von dort aus, wesentlich einfacher als auf offener Straße, hätten verschleppen können. Schließlich waren weder die angebliche Schussverletzung noch das spätere Aufsuchen des Klägers durch die Taliban bestimmend für seine nach eigenen Angaben erst im Mai 2011 erfolgte Ausreise aus Afghanistan. Die Entscheidung, dass er sein Heimatland verlassen soll, soll nach den Angaben des Klägers allein von seinem Onkel unmittelbar nach dem Tod der Tante und damit lange vor der Schussverletzung für ihn getroffen worden sein. Es ist des Weiteren nicht erklärlich, warum der Kläger das Erscheinen der Taliban und deren Forderung nicht bereits bei seiner Anhörung beim Bundesamt vorgetragen hat. Damals hat er sich mit der allgemeinen Aussage begnügt, auf den Onkel und ihn sei Druck ausgeübt worden, damit sie zum Islam konvertierten. Wenn hierzu im Klageverfahren unter Beweisantritt erklärt wird, der Kläger sei zum Zeitpunkt der Anhörung erheblich psychisch belastet gewesen, kann dies die stereotype und oberflächliche Darstellung nicht erklären. Der Kläger war nämlich durchaus in der Lage vom Tod seines Onkels und der Trennung von seinen Eltern zu berichten. Jedenfalls hat auch der Prozessbevollmächtigte bei der Antragstellung sehr oberflächlich und allgemein gehaltenen lediglich vorgetragen, der Kläger habe wegen der Verfolgung als Teil der hinduistische Minderheit das Land verlassen und die Familie sei regelmäßig durch Moslems (sic!) bedroht worden. Da auch im Übrigen Angaben zu den persönlichen Umständen gemacht wurden, ist es bemerkenswert, dass die angeblich regelmäßigen Besuche durch die Taliban und das Versteckt werden im Keller keinen Niederschlag in der Antragsbegründung gefunden haben.
35Unabhängig von dem angeblichen individuellen Schicksal des Klägers, ist nach Ansicht des Gerichts der Flüchtlingsstatus auch nicht deshalb zu gewähren, weil Hindus im hier in Rede stehenden Zeitraum 2011 aufgrund ihrer Religions- oder Volkszugehörigkeit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt gewesen wären. Es ist nicht anzunehmen, dass die Hindus an ihrer Religionsausübung derart gehindert (worden) sind, dass dies einen erheblichen Eingriff in die Religionsfreit bedeuten würde. Zudem konnte auch nicht festgestellt werden, dass eine öffentliche Religionsausübung oder bestimmte Formen hiervon für den Kläger zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig waren und er diese bei seiner Rückkehr nach Afghanistan auszuüben beabsichtigt. Schließlich ergibt sich eine Gruppenverfolgung auch nicht aus der Kumulation von Einschränkungen und Eingriffen in den übrigen Lebensbereichen.
36Die Annahme des Flüchtlingsstatus i.S.d. § 3 AsylVfG setzt voraus, dass dem Betroffenen in eigener Person eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht. Diese Gefahr eigener Verfolgung des Schutzsuchenden kann sich auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines relevanten Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gruppenverfolgung).
37Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1991 – 2 BvR 902/85 u.a. –; BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1989 – 9 C 33/87 –; OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009 – 3 A 627/07.A –, jeweils zitiert nach juris.
38Die für die unmittelbare und mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar. In beiden Fällen setzt die Annahme einer Gruppenverfolgung, wenn nicht Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm bestehen, eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus. Für deren Feststellung ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Güter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und -gebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen oder um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 – 9 C 158/94 –; Urteil vom 18. Juli 2006 – 1 C 15/05 –; OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009 – 3 A 627/07.A –, Urteil vom 22. November 2010 – 9 3287/07.A –; jeweils juris.
40Für die Beurteilung, ob die Verfolgungsdichte die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertigt, müssen Intensität und Anzahl aller Verfolgungshandlungen zur Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden. Allein die Feststellung „zahlreicher“ oder „häufiger“ Eingriffe reicht nicht aus. Denn eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten möglicherweise bereits als bedrohlich erweist, kann bei einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen, weil sie in Bezug auf die Zahl der Gruppenmitglieder nicht ins Gewicht fällt und sich deshalb nicht als Bedrohung der Gruppe darstellt.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009, a.a.O., Urteil vom 22. November 2010 – 9 3287/07.A –, juris.
42Dabei ist dieser abstrakte Maßstab für die erforderliche Verfolgungsdichte auch bei kleinen Gruppen einschlägig; im Einzelfall kann aber eine weitere Quantifizierung der Verfolgungsschläge entbehrlich sein.
43Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 2002 – 1 B 42/02 –; SächsOVG, Urteil vom 26. August 2008 – A 1 B 499/07 –; juris.
44Nach den dargelegten Maßstäben ist die Kammer nach Auswertung der ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen der Ansicht, dass Hindus - jedenfalls zur Zeit der Ausreise des Klägers im Jahr 2011 - keiner sie als Gruppe treffenden nichtstaatlichen Verfolgung ausgesetzt waren.
45So auch für 2006/2007: VG Sigmaringen, Urteil vom 16. März 2006 – A 2 K 10962/05 –; VG Ansbach, Urteil vom 26. November 2007 – AN 11 K 07.30632 – (kein hinreichender Organisationsgrad der Verfolger); für 2008: OVG NRW, Urteil vom 16. Juni 2008 – 20 A 4676/06.A –; VG Hamburg, Urteil vom 10. September 2008 – 5 A 466/06 –; für 2010 VGH Baden Württemberg, Urteil vom 19. September 2013 – A 11 S 689/13 –; für 2011: VG Trier, Urteil vom 2. Februar 2011 - 5 K 977/10.TR -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24. Juli 2014 - 5a K 5809/12.A -; offen gelassen für 2009: VG Köln Urteil vom 19. Februar 2013 - 14 K 2908/11.A -;
46a.A. für das Jahr 2006/2007: VG Wiesbaden, Urteil vom 17. Februar 2006 – 7 E 559/05.A(1) –; VG Minden, Urteil vom 8. Juni 2006 – 9 K 1891/06.A –; VG München, Urteil vom 30. Januar 2007 – M 23 K 06.50875 –(mangels Zentralgewalt); VG Leipzig, Urteil vom 21. März 2007 – 1 A 30746/03.A –; für 2008: SächsOVG Urteil vom 26. August 2008 – A 1 B 499/07 –; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013 – 5a K 3406/12.A –, juris; für 2009: HessVGH, Urteil vom 2. April 2009 – 8 A 1132/07.A –; VG Bremen, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 2 K 2140/05.A –; VG Cottbus, Urteil vom 18. August 2009 – 7 K 268/09.A –; für 2010: VG Stuttgart, Urteil vom 29. Januar 2013 – A 6 K 4443/12 –, (aufgehoben durch VGH Baden Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.); jeweils zitiert nach juris.
47Wie auch der VGH Baden Württemberg,
48vgl. Urteil vom 19. September 2013 – A 11 S 689/13 –, juris,
49geht das Gericht zunächst davon aus, dass eine religiöse Betätigung des hinduistischen Glaubens in Kabul erfolgen kann, ohne dass daran Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3a AsylVfG geknüpft sind.
50Der Begriff der Religion als Verfolgungsgrund gem. § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG umfasst theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten und öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Hierdurch wird auch und insbesondere die Religionsausübung in der Öffentlichkeit geschützt, so dass es den Betroffenen unter Geltung des § 3b AsylVfG nicht mehr zuzumuten ist, öffentlich praktizierten Riten der Glaubensgemeinschaft - etwa Gottesdiensten oder Prozessionen - fernzubleiben, um (staatliche) Sanktionen zu vermeiden.
51Vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012 – verb. Rs. C-71/11 und C-99/11 –; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 201, a.a.O.
52Dabei stellt aber nicht jede Beeinträchtigung der so verstandenen Ausübung der Religionsfreiheit zugleich eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylVfgG dar. Es muss sich um eine schwerwiegende Rechtsverletzung handeln, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt.
53Vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012, a.a.O.
54Zu den Handlungen, die nach der Rechtsprechung des EuGH eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit im Sinne § 3a AsylVfG darstellen können, gehören nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit des Antragstellers, seinen Glauben im privaten Rahmen zu praktizieren, sondern auch solche in seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben. Die Beachtlichkeit einer Verletzungshandlung ist demnach nicht danach zu beurteilen, ob diese in einen Kernbereich der privaten Glaubensbetätigung („forum internum“) oder in einen weiteren Bereich der öffentlichen Glaubensausübung („forum externum“) eingreift.
55Vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O.
56Ein hinreichend schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit setzt schließlich nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr der Verfolgung aussetzt. Vielmehr kann bereits der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung erreichen.
57Vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O.
58Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im § 3a AsylVfG zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab. Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter wie z.B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Als relevanten subjektiven Gesichtspunkt für die Schwere der drohenden Verletzung der Religionsfreiheit ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis in der Öffentlichkeit zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist.
59Vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O.
60Die konkrete Glaubenspraxis muss für den Einzelnen ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Es reicht nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen - jedenfalls im Aufnahmemitgliedstaat - nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben in einer für ihn als verpflichtend empfundenen Weise auszuüben oder hierauf wegen der drohenden Sanktionen zu verzichten.
61Dies vorangestellt ist davon auszugehen, dass der hinduistische Glaube in Kabul - auch öffentlich - gelebt werden kann, ohne dass die Betroffenen eine erheblich relevante Verfolgung befürchten müssen.
62Aufgrund der übereinstimmenden Erkenntnislage und mit der soweit ersichtlich einhelligen Meinung in der Rechtsprechung kann bereits nicht von einer religiös motivierten Verfolgung durch den afghanischen Staat ausgegangen werden.
63Vgl. u.a. explizit HessVGH, Urteil vom 2. April 2009 – 8 A 1132/07.A –, juris; VGH Baden Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013, a.a.O.
64Hindus sind bei ihrer Religionsausübung auch nicht einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure i.S.d. § 3c AsylVfG ausgesetzt. Sie sind insbesondere nicht gezwungen, zur Vermeidung schwerwiegender Eingriffe in die körperliche Integrität in der Öffentlichkeit ein Verhalten zu unterlassen, das als Glaubenszugehörigkeit bzw. -ausübung erkennbar ist. Soweit Beeinträchtigungen durch nichtstaatliche Akteure vorliegen, haben diese nicht die nach § 3a AsylVfG erforderliche Schwere.
65Der hinduistische Glaube ist durch eine vergleichsweise hohe Dynamik geprägt und lässt vielfache unterschiedliche Glaubensbetätigung zu. Zwar sprechen Religionswissenschaftler durchaus von einem monotheistischen Kern des Hinduismus; der „Allerhöchste“, der „Absolute“ manifestiert sich jedoch in zahllosen Gestalten und Aspekten. Von außen betrachtet zeichnet sich der Hinduismus durch eine nahezu unüberblickbare Vielfalt von Göttern und Göttinnen in Menschen- und Tiergestalt aus.
66Vgl. Danesch, Gutachten vom 09. Mai 2007 an VG Oldenburg, S. 2.
67Eine besondere Rolle in der religiösen Praxis spielt die Reinlichkeit in Gestalt verschiedener Waschungen. Wichtig für den religiösen Tagesablauf ist auch die morgendliche Segnung durch den Priester im Tempel mit Anbringung des Segenszeichens. Der Segnungspunkt wird mit roter Pulverfarbe zwischen die Augen getupft. Man bekommt dieses Zeichen nach einer hinduistischen Zeremonie oder zu anderen besonders feierlichen Anlässen; sie sollen Glück und Wohlstand bringen und vor Unglück bewahren und den ganzen Tag getragen werden.
68Vgl. Danesch, Gutachten vom 09. Mai 2007, a.a.O., S. 9.
69Eine besonders wichtige Rolle bei der Wahrung der kulturellen Identität spielen die religiösen Feste. Mehr als tausend verschiedene sind bekannt.
70Vgl. Danesch, Gutachten vom 09. Mai 2007, a.a.O., S. 7.
71Kern der hinduistischen Religion ist zudem die Lehre von der Wiedergeburt, durch welche die Seele oder der Wesenskern des Menschen nach dem Tod in einer immer neuen Existenz reinkarniert wird, bis der Gläubige irgendwann nach einer Kette von unendlich vielen Leben an sein Ziel gelangt, und Erlösung aus diesem Zyklus findet. Wie die nächste Existenz des Gläubigen aussehen wird, hängt von seinem Karma (Schicksal, Handlungen, Tat in diesem Leben) und der Befolgung der Vorschriften des Dharma, des „Rechten Weges“, ab.
72Vgl. Danesch, Gutachten vom 09. Mai 2007, a.a.O., S. 3.
73Eine große Bedeutung für die Glaubensausübung hat die Totenverbrennung. Die korrekte Durchführung sowohl der Verbrennung als auch der anderen Trauerrituale ist dabei wichtig für die weiteren Wiedergeburten des Verstorbenen; Angehörige laden schwere Schuld auf sich, wenn sie die vorgegebenen Regeln verletzen oder nicht vollständig ausführen.
74Vgl. Danesch, Gutachten vom 09. Mai 2007, a.a.O., S. 4.
75Die danach essentiellen Glaubens- und Religionsbetätigungen können Hindus und Sikhs nach den vorhandenen Erkenntnisquellen innerhalb der Tempel und ihrer Wohnbezirke frei ausüben.
76Vgl. International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt, Ziff. V.
77Dabei ist zwar davon auszugehen, dass die von den Taliban zerstörten Tempel nicht wieder aufgebaut worden sind. Dennoch sind Tempel vorhanden, die auch aktiv genutzt werden. Die Zahl der Tempel variiert je nach Erkenntnismittel.
78Vgl. Bundesamt, Situation der Hindus und Sikhs, a.a.O., S. 14; International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt, Ziff. II.
79Die International Organization for Migration (IOM) bestätigt in ihrer Auskunft vom 20. September 2011 gegenüber dem Bundesamt aber, dass es jedenfalls in Kabul zwei „aktive“ Tempel gibt. Bei der Auskunft handelt es sich um eine Antwort auf einen Fragenkatalog des BAMF, der von der IOM zusammen mit Vertretern der hinduistischen Gemeinde vor Ort beantwortet und 2011 überarbeitet wurde.
80Vgl. International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt.
81Nach Aussage der afghanischen Menschenrechtsorganisation AIHRC praktizieren Hindus und Sikhs zumindest in Kabul ihren Glauben auch öffentlich. Im April 2010 hätten sich Hindu- und Sikh-Gemeinden erstmals seit vielen Jahren mit einer öffentlichen Feier zum über 300-jährigen Bestehen der Sikh-Kultur in Afghanistan wieder bemerkbar gemacht. Die Feier in einem Stadtteil von Kabul sei ungehindert und friedlich verlaufen.
82Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13 f.;
83Seit 2006 sind auch keine Fälle religiöser Verfolgung oder Diskrminierung bekannt geworden.
84Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13 f.
85Hinsichtlich der Durchführung von Bestattungsriten teilte das Auswärtige Amt mit, dass es Hindus grundsätzlich gestattet sei, Verstorbene gemäß ihrer religiösen Riten zu bestatten. Dies erfolge in aller Regel ohne Zwischenfälle, da die Verbrennungen innerhalb der Wohn-Compounds stattfänden, in denen die Hindugemeinschaften lebten. Bisweilen kommen es zu Behinderungen oder Störungen von muslimischer Seite. Allerdings hat die afghanische Regierung auf den Streitpunkt Feuerbestattungen reagiert und den Hindus einen für die Feuerbestattungen gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt.
86Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13 f.; International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt, Ziff. V.; Auswärtiges Amt, Lagebericht Februar 2014, S. 11; im Einzelnen und mit vielen weiteren Nachweisen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 52 ff., m.w.N.
87Dies deckt sich mit den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach der Kläger zusammen mit einigen Nachbarn den Leichnam seines Onkels rituell bestattet haben will. Danach haben die Nachbarn und er den Onkel auf einer Trage 20 Minuten zu dem Platz getragen, auf dem die Feuerbestattungen der Hindus regelmäßig stattfinden. Zwar haben sie sich nach Angabe des Klägers beeilt und die Bestattung am frühen Abend durchgeführt; allerdings konnte das Ritual nach Aussage des Klägers ohne Störungen oder Belästigungen von außen stattfinden. Bezeichnend ist auch, dass nach eigenem Bekunden Nachbarn des Klägers, die Moslems gewesen sein sollen, dem Kläger geholfen haben und im Gegensatz zum Kläger selbst den Ort für die Feuerbestattungen kannten.
88Des Weiteren ist, auch davon auszugehen, dass im Fall von Störungen oder Belästigungen der Feuerbestattungen staatliche Hilfe zu erlangen ist, die die Störungen schließlich beheben und die Betroffenen schützen können. Nach Auskunft der IOM ist die Regierung grundsätzlich in der Lage und Willens ist, Hindus im Fall von Übergriffen zu schützen.
89Vgl. International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt, Ziff. VII.; anderslautende Auskunft allgemein zu Minderheiten unter Bezugnahme auf den UNHCR SFH, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 19.
90Dies deckt sich mit den Ausführungen des VGH Baden-Württemberg an, wonach die Polizei Bestattungen begleite, wenn sie zur Hilfe gerufen werde, und auch hinreichenden Schutz vor Belästigungen und Angriffen bieten könne.
91Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 58, 59, m.w.N.
92Demgemäß muss auch dem Hilfsbeweisantrag des Klägers, zu der Tatsache, dass es im Falle einer öffentlichen Religionsausübung zu gewaltsamen Übergriffen kommen würde, der afghanische Staat weder Willens noch in der Lage ist, hiergegen effektiven Schutz einzuholen, eine Auskunft der schweizerischen Flüchtlingshilfe in Bern einzuholen (Ziff. 1.), nicht nachgegangen werden. Liegen nämlich zu einer erheblichen Tatsache bereits amtliche Auskünfte oder gutachtliche Stellungnahmen vor, kann das Gericht von einer erneuten Begutachtung absehen, wenn die bisherigen Erkenntnismittel für die Würdigung ausreichen.
93Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2013 – 10 B 34.12 –, juris.
94Die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens steht gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts. Danach kann das Gericht eine weitere Begutachtung anordnen, wenn es die vorliegenden Auskünfte oder Gutachten ohne Rechtsverstoß für ungenügend erachtet (§ 412 Abs. 1 ZPO). Ungenügend sind Auskünfte und Gutachten insbesondere dann, wenn sie erkennbare Mängel aufweisen, etwa unvollständig, widersprüchlich oder sonst nicht überzeugend sind, wenn das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder wenn der Gutachter erkennbar nicht sachkundig ist bzw. Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen. Das gerichtliche Ermessen kann sich auch dann zu der Pflicht neuerlicher Begutachtung verdichten, wenn durch neuen entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beteiligten oder eigene Ermittlungstätigkeit des Gerichts die Aktualität der vorliegenden Auskünfte zweifelhaft oder wenn sonst das bisherige Beweisergebnis ernsthaft erschüttert wird. Schließlich kann die Erforderlichkeit der Einholung weiterer Auskünfte oder Gutachten auch darauf beruhen, dass die Fragestellung der bisherigen Gutachten sich - aufgrund tatsächlicher Entwicklungen oder wegen einer Rechtsprechungsänderung - als unzureichend erweist.
95Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2013, a.a.O.
96Daran gemessen konnte von einer erneuten Begutachtung abgesehen werden. Bei der Auskunft des IOM vom 20. September 2011 gegenüber dem Bundesamt handelt es sich um eine vergleichsweise aktuelle und erkennbar sachkundige Stellungnahme. Bei der IOM handelt es sich um eine nichtstaatliche, unabhängige Organisation. Die Stellungnahme aus September 2011 wurde zudem mit der lokalen Hindugemeinde vor Ort erarbeitet.
97Es liegen darüber hinaus keine Erkenntnisse dazu vor, dass Hindus in Afghanistan von staatlicher oder nichtstaatlicher Seite gezielt und in größerem Ausmaße hinsichtlich eines Religionswechsels unter Druck gesetzt werden. Soweit es vereinzelte Versuche nicht-staatlicher Akteure gegebenen haben mag,
98vgl. dazu z.B. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24. Juli 2014 – 5a K 5809/12.A –, juris.
99ergeben sich daraus keine Hinweise, dass es sich dabei um ein verbreitetes und systemisches Vorgehen gegen die Hindus handelt. Selbst wenn also eine Auskunft ergeben würde, dass es mitunter zum Versuch kommt, Hindus zum Religionswechsel zu bewegen, kann daraus kein nach den oben beschriebenen Maßstäben erforderlicher gravierender Eingriff in die Religionsfreiheit der Hindus als Gruppe ergeben. Schließlich ist den Erkenntnismitteln einheitlich zu entnehmen, dass Fälle, in denen es tatsächlich zu einer Zwangskonversion gekommen ist, nicht bekannt sind bzw. derartige Versuche nicht bestätigt werden können.
100Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 14.; International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt, Ziff. XV.;
101Dem insoweit gestellten Hilfsbeweisantrag (Ziff. 2) musste daher im Hinblick auf die mangelende Erheblichkeit bzw. die aussagekräftigen und belastbaren, bereits vorhandenen Erkenntnismittel nicht nachgegangen werden.
102Abgesehen davon, dass bereits nicht festgestellt werden konnte, dass danach keine gravierenden Eingriffe in die Glaubensbetätigung anzunehmen sind, konnte auch nicht mit der hierfür erforderlichen Überzeugung festgestellt werden, dass eine öffentliche Religionsausübung oder bestimmte Formen hiervon für den Kläger zur Wahrung seiner religiösen Identität elementar und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sind. Der Kläger hat zwar in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er an den Wochenenden in den Tempel gehe; allerdings hat er ebenfalls erklärt, in den vielen Jahren, die er in Kabul gelebt hat, lediglich zweimal im Tempel gewesen zu sein. Der Kläger hat zudem angegeben, dass er im Tempel auch etwas zu essen bekomme, so dass der Gang in den Tempel zumindest auch der sozialen Beziehungen und der Verpflegung wegen erfolgt. Es fehlt in diesem Zusammenhang an einer substantiierten Darlegung, dass und in welcher Form der Kläger seinen Glauben in seinem Heimatland ausgeübt hat bzw. wie er ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan auszuüben beabsichtigt. Der Einlassung des Klägers ist schließlich nicht zu entnehmen, dass es Bestandteil seiner Glaubensüberzeugung wäre, religiöse Betätigungen öffentlich durchzuführen, die ihn einer tatsächlichen Verfolgungsgefahr aussetzen würden.
103Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 04. Februar 2013 – 13 A 1303/12.A – , und vom 04. März 2013 – 13 A 446/13.A –, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.
104Die im Rahmen der wertenden Gesamtbetrachtung einzubeziehenden Diskriminierungen und allgemeinen Benachteiligungen, die Hindus (und Sikhs) durch staatliche Stellen und von privater Seite erleiden, führen ebenfalls nicht dazu, dass eine Gruppenverfolgung anzunehmen wäre.
105Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.; a.A. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013 – 5a K 3406/12.A –, juris.
106Nach Auswertung der Erkenntnisquellen schließt sich das Gericht abschließend der Auffassung des VGH Baden-Württemberg,
107vgl. Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.,
108an, dass die Situation für Hindus und Sikhs, Ausfluss der allgemeinen Situation in Afghanistan ist, die beschriebenen allgemeinen Missständen allerdings nicht Ergebnis eines gezielten Vorgehens gegen diese Minderheit ist.
109Über die Anzahl der in Afghanistan lebenden Hindus und Sikhs gibt es keine verlässlichen eindeutigen Informationen. Es ist jedoch anzunehmen, dass ihr Anteil bei deutlich unter einem Prozent der Bevölkerung liegt.
110Vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte Februar 2014, S. 11; Stand März 2013, S. 10; Stand Januar 2012, S. 16; Stand Februar 2011, S. 19; Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13.
111Für die danach verschwindend geringe Anzahl der Hindus (und Sikhs) ist anzunehmen, dass sie grundsätzlich in Politik und Ämtern vertreten sind.
112Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Februar 2014, S. 11
113Es ist zudem davon auszugehen, dass sie zwar im Alltag Diskriminierungen und allgemeinen Repressalien durch den Staat und durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind, diese aber keinen Grad erreichen, der die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertigt.
114Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.
115Es liegen – nach wie vor – keine Erkenntnisse dazu vor, dass Hindus bzw. Sikhs allein aufgrund ihrer Volks- bzw. Religionszugehörigkeit oder ihres Erscheinungsbilds Tötungen oder schweren körperlichen Misshandlungen ausgesetzt wären. Es wird zwar regelmäßig berichtet, dass es – wie bei Angehörigen anderer Minderheiten auch – zu wirtschaftlichen und kulturellen Diskriminierungen kommt. Es ist den Erkenntnisquellen aber nicht zu entnehmen, dass es dabei zu Gewalteinwirkungen kommt, die den Schluss zulassen würden, quasi jeder Angehörige der Minderheit sei hiervon ohne das Hinzutreten weiterer Umstände bedroht.
116Vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.
117Letztlich kommt es wohl auch von staatlicher Seite vereinzelt zu Diskriminierungen, zum Beispiel bei der Vergabe von staatlichen Arbeitsplätzen.
118Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13.
119Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts ist jedoch im Vergleich zur Zeit der Taliban-Herrschaft die staatliche Diskriminierung dieser Gruppe deutlich zurückgegangen.
120Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Februar 2014, S. 11
121Weiterhin sollen Berichten zufolge zwar Hindus und Sikhs Opfer illegaler Landnahmen gewesen sein;
122vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Februar 2014, S. 11,
123allerdings galt dies auch für Angehörige anderer Minderheiten.
124Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13.
125Es lässt sich den Erkenntnismitteln ebenfalls nicht entnehmen, dass den Hindus der Zugang zur medizinischen Versorgung verwehrt werden würde. Im Gegenteil sind nach der Auskunft der International Organization for Migration – IOM,
126vgl. Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt,
127die medizinischen Einrichtungen für Hindus zugänglich. Im Übrigen liegt es in der Natur der Sache, dass auch diese Personengruppe von den allgemeinen Defiziten des afghanischen Gesundheitswesens betroffen ist; dies rechtfertigt nicht die Annahme der Gruppenverfolgung.
128Schließlich haben Kinder von Sikhs und Hindus nach den vorliegenden Erkenntnismitteln auch Zugang zu staatlichen Schulen, auch wenn sie dort nach Angaben der afghanischen Menschenrechtsorganisation (AIHRC) oftmals gehänselt werden.
129Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Februar 2014, S. 11.; International Organization for Migration, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt.
130In Ghazni, Helmand und Kabul ist zudem je eine Schule für Sikhs vorhanden, an denen Dari und Paschtu unterrichtet wird.
131Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13.
132Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
133Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 23. Sept. 2014 - 14 K 19/13.A
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
Tatbestand
- 1
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Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.
- 2
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Der 1972 geborene Kläger wurde im November 2004 in M. aufgegriffen und beantragte daraufhin Asyl. Zur Begründung gab der Kläger an, er habe sich am bewaffneten Kampf der PKK beteiligt. Im Juni 1991 sei er festgenommen und einen Monat lang von türkischen Sicherheitskräften unter Folter verhört worden. Nach seiner Verurteilung zu zwölfeinhalb Jahren Haft sei er bis Dezember 2000 weiter im Gefängnis gewesen und dann vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Anschließend habe er sich erneut der PKK angeschlossen. Später habe er an deren politischer Linie gezweifelt und sich im Juli 2004 von der PKK getrennt. In der Türkei sei sein Leben trotz des Reuegesetzes gefährdet gewesen, da er keinen Wehrdienst abgeleistet und deswegen gesucht worden sei. Zudem hätten die Sicherheitskräfte erfahren, dass er sich nach seiner Entlassung aus der Haft wieder der PKK angeschlossen habe.
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Der Kläger hat dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) unter anderem die Kopie eines Urteils des Staatssicherheitsgerichts D. vom 24. Januar 1992 übergeben, wonach er u.a. wegen "Mitgliedschaft in der illegalen Organisation PKK" gemäß § 168/2 tStGB zu einer Haftstrafe von 12 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist. Das Auswärtige Amt bestätigte die Echtheit der Urkunden und teilte mit, dass nach dem Kläger in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der PKK gefahndet werde. Sein Bruder habe ausgesagt, dass der Kläger sich nach der Entlassung aus der Strafhaft wieder der PKK angeschlossen habe. Außerdem sei bekannt, dass er sich in einem Ausbildungscamp im Iran aufgehalten habe. Würde er wegen Mitgliedschaft in der PKK zu einer Haftstrafe verurteilt, würde zusätzlich die auf Bewährung ausgesetzte Reststrafe vollstreckt werden.
- 4
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Mit Bescheid vom 28. Juli 2005 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte dem Kläger für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Der Asylantrag sei gemäß § 30 Abs. 4 AsylVfG offensichtlich unbegründet, da der Kläger eine schwere nichtpolitische Straftat begangen und den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider gehandelt habe. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor.
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Im Klageverfahren hat der Kläger seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter nicht weiter verfolgt. Mit Urteil vom 22. November 2005 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtet. Im Berufungsverfahren hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt, der Kläger sei im Bundesgebiet für die Nachfolgeorganisation der PKK, den KONGRA-GEL aktiv und habe im Januar 2005 an einer Aktivistenversammlung in N. teilgenommen. Er habe im Jahr 2006 als Leiter des KONGRA-GEL in Offenbach fungiert und ab diesem Zeitpunkt eine Kontrollfunktion innerhalb des KONGRA-GEL in A. ausgeübt. Der Kläger hat das bestritten.
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Mit Urteil vom 21. Oktober 2008 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger nach Rückkehr in die Türkei gemäß § 314 Abs. 2 tStGB 2005 zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests widerrufen würde. Auch wenn dies politische Verfolgung darstellen sollte, stünde § 3 Abs. 2 AsylVfG der Flüchtlingsanerkennung entgegen. Die terroristischen Taten der PKK seien als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen, stellten schwere nichtpolitische Straftaten dar und stünden in Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen. Der Kläger habe sich daran zumindest "in sonstiger Weise" beteiligt. Selbst wenn für das Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 3 Abs. 2 AsylVfG von dem Ausländer weiterhin eine Gefahr ausgehen müsse, sei das beim Kläger der Fall. Denn er habe sich weder äußerlich von der PKK abgewandt noch innerlich von seiner früheren Verstrickung in den Terror gelöst. Dahinstehen könne, ob § 3 Abs. 2 AsylVfG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung voraussetze, denn der Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung bedeute keine unbillige Härte für den Kläger.
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Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Die Todesstrafe sei in der Türkei vollständig abgeschafft. Wegen der dem Kläger in der Türkei drohenden langjährigen Haftstrafe sei ausgeschlossen, dass er im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einer erheblichen individuellen Gefahr ausgesetzt sei. Ein Abschiebungsverbot ergebe sich auch nicht aus § 60 Abs. 2 AufenthG und § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Zwar greife zugunsten des Klägers, der im Anschluss an seine Festnahme im Juni 1991 Folter erlitten habe, die Beweiserleichterung des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Dennoch sprächen aufgrund der Angaben des Auswärtigen Amtes sowie türkischer Menschenrechtsorganisationen stichhaltige Gründe dagegen, dass er bis zum Abschluss des Strafverfahrens Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten habe. Misshandlungen durch türkische Sicherheitskräfte lägen ganz überwiegend Fälle zugrunde, in denen sich der Betroffene nicht offiziell in Gewahrsam befunden habe; das wäre beim Kläger jedoch der Fall. Angesichts bereits vorhandener Beweise bestünde auch keine Notwendigkeit, durch Folter ein Geständnis zu erzwingen. Schließlich lebten in seiner Heimat zahlreiche Personen, die sich seiner annehmen und ihm bereits bei seiner Ankunft anwaltlichen Beistand verschaffen könnten. Zudem würden die PKK oder andere prokurdische Organisationen das Schicksal des Klägers verfolgen und etwaige Übergriffe auf seine Person publik machen. Ein Schutz durch "Herstellen von Öffentlichkeit" lasse sich zwar nicht während der gesamten Dauer der Strafhaft gewährleisten. Aber auch für diese Zeitspanne sprächen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger, der in einem Gefängnis des Typs F untergebracht würde, Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein würde, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen könnten. Dahinstehen könne, ob das auch für unter dieser Schwelle liegende Maßnahmen gelte, denn derartige Umstände stünden einer Abschiebung des Klägers in die Türkei als Unterzeichnerstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 3 EMRK stehe bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat dessen eigene Verantwortung für die Einhaltung der Konventionsrechte im Vordergrund. Eine Mitverantwortung des abschiebenden Landes bestehe nur, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohten und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht rechtzeitig zu erreichen sei. Diese Voraussetzungen lägen angesichts der Verhältnisse in der Türkei nicht vor. Da sich Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG an Art. 3 EMRK orientiere, beanspruchten diese Grundsätze auch im Rahmen des § 60 Abs. 2 AufenthG Geltung. Stünden im Herkunftsland ausreichende und effektive Möglichkeiten zur Abwehr drohender Gefahren zur Verfügung, benötige der Betreffende keinen internationalen Schutz. Auch § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG greife nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision - beschränkt auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 AufenthG - zugelassen.
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Mit der Revision rügt der Kläger vor allem eine Verletzung des § 60 Abs. 2 AufenthG. Das Berufungsgericht habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Quellen selektiv ausgewertet und zu Lasten des Klägers ohne Aufklärung unterstellt, dass seine Familie einen Rechtsanwalt besorgen könne und die Nachfolgeorganisationen der PKK für ihn Öffentlichkeitsarbeit machen würden. Angesichts der umfassenden Geltung des Art. 3 EMRK reiche die Erkenntnislage nicht aus, um ein Abschiebungshindernis auszuschließen. Insofern werde auch eine Gehörsverletzung gerügt, denn wenn das Gericht zu erkennen gegeben hätte, dass es aus tatsächlichen Gründen für den Kläger keine Gefahr einer Misshandlung sehe, hätte der Kläger dazu weiter vorgetragen und Beweisanträge gestellt. Schließlich sei die Auslegung der in Art. 17 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgründe ungeklärt.
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Innerhalb der bis einschließlich 4. Juni 2009 verlängerten Revisionsbegründungsfrist ist der Begründungsschriftsatz nicht vollständig per Fax eingegangen. Die Bevollmächtigte des Klägers hat Wiedereinsetzung beantragt und zur Begründung Probleme bei der Faxübertragung geltend gemacht.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Berufungsgerichts seien einer Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Nicht ersichtlich sei, warum der Kläger angesichts der tatsächlichen Würdigung des Berufungsgerichts nicht den Schutz seines Heimatlandes durch Anrufung türkischer Gerichte bzw. eine Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Anspruch nehmen könne.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision hat Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), da er bei der Prüfung des in § 60 Abs. 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbots diejenigen erniedrigenden Behandlungsmaßnahmen übergangen hat, die keine irreparablen oder sonst schweren körperlichen und seelischen Folgen hinterlassen. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder in positiver noch in negativer Hinsicht abschließend selbst entscheiden. Daher ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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1. Die Revision ist zulässig. Wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, da seine Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Diese durfte nach mehreren nur teilweise erfolgreichen Versuchen einer Faxübertragung infolge der fernmündlich erteilten unrichtigen Auskunft des Gerichtspförtners, es seien alle Seiten angekommen, davon ausgehen, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz innerhalb der Frist vollständig eingegangen sei.
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2. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die unionsrechtlich vorgezeichneten Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG. Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Beschränkung der Revisionszulassung auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen Streitgegenstand bzw. selbständigen Streitgegenstandsteil (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198
). Die Revisionszulassung kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (vgl. Urteil vom 1. April 1976 - BVerwG 2 C 39.73 - BVerwGE 50, 292 <295>; BGH, Urteil vom 21. September 2006 - I ZR 2/04 - NJW-RR 2007, 182 <183>).
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Für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens, das auf Feststellung der Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zielt, ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz am 15. Oktober 2008 abzustellen. Deshalb sind die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) von Bedeutung, die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten und die Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - berücksichtigen.
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3. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ergänzten Abschiebungsverbot, das bereits in § 53 Abs. 1 AuslG 1990 und § 53 Abs. 4 AuslG 1990 i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685 - EMRK) enthalten war, wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 EMRK orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM(2001) 510 endgültig S. 6, 30).
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Die Vorschriften zum subsidiären Schutz sind im Aufenthaltsgesetz insoweit "überschießend" umgesetzt worden, als die in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Varianten des ernsthaften Schadens in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet worden sind. Denn die in Art. 17 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausschlussgründe greifen nach nationalem Recht gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erst auf einer nachgelagerten Ebene als Versagungsgründe für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Daher kommt es entgegen der Annahme der Revision auf die Interpretation der Ausschlussgründe gemäß Art. 17 der Richtlinie im vorliegenden Fall nicht an.
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Bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG ist der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83 S. 389 - GR-Charta) als verbindlicher Teil des primären Unionsrechts (Art. 6 Abs. 1 EUV) zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Die Vorschrift gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch diese Bestimmung die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen.
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a) Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Prüfung des § 60 Abs. 2 AufenthG in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Kläger vor seiner Ausreise in der Türkei gefoltert worden ist. Dennoch hat das Berufungsgericht seiner Prognose den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht den sog. herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab hinreichender Sicherheit zugrunde gelegt. Es hat aber zugunsten des Klägers die in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltene Beweiserleichterung angewendet (UA Rn. 90). Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
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Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
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Diese Vorschrift greift sowohl bei der Entscheidung über die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz für einen Vorverfolgten (bzw. von Verfolgung unmittelbar Bedrohten) als auch bei der Prüfung der Gewährung subsidiären Schutzes zugunsten desjenigen, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. davon unmittelbar bedroht war. In beiden Varianten des internationalen Schutzes privilegiert sie den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wie er in der deutschen asylrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Das ergibt sich neben dem Wortlaut auch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Denn die Bundesrepublik Deutschland konnte sich mit ihrem Vorschlag, zwischen den unterschiedlichen Prognosemaßstäben der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der hinreichenden Sicherheit zu differenzieren, nicht durchsetzen (vgl. die Beratungsergebnisse der Gruppe "Asyl" vom 25. September 2002, Ratsdokument 12199/02 S. 8 f.). Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind.
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Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (grundlegend BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 - BVerfGE 54, 341 <360 f.>; dem folgend Urteil vom 31. März 1981 - BVerwG 9 C 237.80 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27; stRspr). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - BVerwGE 104, 97 <101 ff.>), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (Urteil vom 27. April 1982 - BVerwG 9 C 308.81 - BVerwGE 65, 250 <252>). Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - a.a.O. S. 99). Diese zum Asylgrundrecht entwickelte Rechtsprechung (zusammenfassend Urteile vom 25. September 1984 - BVerwG 9 C 17.84 - BVerwGE 70, 169 <170 f.> und vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>) wurde auf den Flüchtlingsschutz (Abschiebungsschutz aus politischen Gründen) gemäß § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (Urteil vom 3. November 1992 - BVerwG 9 C 21.92 - BVerwGE 91, 150 <154 f.>), nicht jedoch auf die Abschiebungsverbote des § 53 AuslG 1990 übertragen (vgl. Urteile vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 <330> zu § 53 Abs. 6 AuslG und vom 4. Juni 1996 - BVerwG 9 C 134.95 - InfAuslR 1996, 289 zu § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK).
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Die Richtlinie 2004/83/EG modifiziert diese Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4: Zum einen wird ihr Anwendungsbereich über den Flüchtlingsschutz hinaus auf alle Tatbestände des unionsrechtlich geregelten subsidiären Schutzes ausgeweitet. Sie erfasst demzufolge auch das im vorliegenden Fall zu prüfende Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG. Zum anderen bleibt der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie erlitten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 84 ff. zum Widerruf der Flüchtlingsanerkennung). Der in dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." des Art. 2 Buchst. e der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330
); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 9 C 77.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 stRspr).
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Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 92 ff.). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. Rn. 128 m.w.N.). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG kann im Einzelfall selbst dann widerlegt sein, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde. Dieser Maßstab hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung (mehr).
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b) Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung, ob stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger während der Strafhaft erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein wird, den Maßstab des § 60 Abs. 2 AufenthG auf diejenigen tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen verengt, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen können, zur Verursachung bleibender Schäden geeignet oder aus sonstigen Gründen als gravierend anzusehen sind (UA Rn. 106). Erniedrigende Behandlungsmaßnahmen im Sinne des Art. 3 EMRK, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen, hat es bei der Prognoseerstellung ausdrücklich nicht geprüft (UA Rn. 111). Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof die eigene Verantwortung der Türkei als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention betont und daraus gefolgert, dass sich der Kläger darauf verweisen lassen müsse, seine Rechte gegen diese Arten von Konventionsverletzungen in der Türkei und von der Türkei aus selbst zu verfolgen (UA Rn. 112). Diese Annahme verletzt Bundesrecht.
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Die Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG hat sich nach den unionsrechtlichen Vorgaben - wie oben bereits ausgeführt - an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK zu orientieren. Dieser betont in seinen Entscheidungen zur Verantwortlichkeit eines Vertragsstaates für die mittelbaren Folgen einer Abschiebung, wenn dem Betroffenen im Zielstaat Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, immer wieder den absoluten und ausnahmslosen Schutz des Art. 3 EMRK (EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering - NJW 1990, 2183
; vom 15. November 1996 - Nr. 70/1995/576/662, Chahal - NVwZ 1997, 1093 und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. ). Damit erweist es sich als unvereinbar, den Schutzbereich des Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG zu verengen, und bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat der Konvention erniedrigende Behandlungsmaßnahmen von vornherein auszunehmen, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen. Sonst käme Rechtsschutz durch türkische Gerichte oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu spät und könnte eine bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht ungeschehen machen. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG gilt mithin uneingeschränkt auch bei der Abschiebung in einen Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention.
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Der Verwaltungsgerichtshof beruft sich für seine Auffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 (nunmehr: § 60 Abs. 5 AufenthG) i.V.m. Art. 3 EMRK. Der damals für die Feststellung von Abschiebungshindernissen durch das Bundesamt zuständige 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat entschieden, dass eine Mitverantwortung des abschiebenden Vertragsstaates, den menschenrechtlichen Mindeststandard in einem anderen Signatarstaat als Zielstaat der Abschiebung zu wahren, nur dann besteht, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohen und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen ist (Urteil vom 7. Dezember 2004 - BVerwG 1 C 14.04 - BVerwGE 122, 271 <277>). Dieser Rechtssatz schränkt jedoch nicht den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ein. Vielmehr werden - insbesondere mit Blick auf die von dem damaligen Kläger angeführten Haftbedingungen in der Türkei - nur Maßnahmen erfasst, die erst durch Zeitablauf oder Wiederholung in den Tatbestand einer erniedrigenden Behandlung und damit den Schutzbereich des Art. 3 EMRK hineinwachsen. Nur in derartigen Fällen kann der Betroffene auf Rechtsschutz im Abschiebezielstaat oder durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwiesen werden.
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4. Das Berufungsgericht hat die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG geprüft und aus tatsächlichen Gründen abgelehnt (UA Rn. 86 f.). Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.
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5. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder zugunsten noch zulasten des Klägers abschließend entscheiden. Die Sache ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Damit bedarf es keiner Entscheidung über die Gehörsrüge. Der Senat bemerkt aber dazu, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung verstoßen hat. Denn grundsätzlich ist ein Gericht nicht verpflichtet, die abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern (Beschlüsse vom 21. Januar 2000 - BVerwG 9 B 614.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 46 und vom 26. November 2001 - BVerwG 1 B 347.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52; stRspr). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. Urteil vom 10. April 1991 - BVerwG 8 C 106.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235). Dafür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich, da der Kläger selbst in der Berufungsbegründung zur Gefahr der Folter in der Türkei vorgetragen hatte.
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Der Verwaltungsgerichtshof wird in dem neuen Berufungsverfahren die Prognose, ob die konkrete Gefahr besteht, dass der Kläger in der Türkei der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen wird, auf aktueller tatsächlicher Grundlage erneut stellen müssen. Dabei besteht auch Gelegenheit, dem Vorbringen des Klägers weiter nachzugehen, dass die ihn belastende Aussage seines Bruders die Gefahr von Folter nicht ausschließe. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände im Rahmen der tatsächlichen Feststellung, ob die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG widerlegt ist, kann das Berufungsgericht auch der Tatsache Bedeutung beimessen, dass die Türkei als Abschiebezielstaat ein Vertragsstaat der Konvention ist, der sich verpflichtet hat, die darin garantierten Rechte und Grundsätze zu achten. Die Berücksichtigung dieses Umstands im Rahmen der Prognose entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (Entscheidungen vom 7. Oktober 2004 - Nr. 33743/03, Dragan - NVwZ 2005, 1043 <1045> und vom 15. Dezember 2009 - Nr. 43212/05, Kaplan -
) und ist durch Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG mit dem darin enthaltenen Kriterium ausreichender Schutzgewährleistung abgedeckt.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
Tenor
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass in der Person des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG bezüglich Afghanistans begründet ist.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14.10.2005 wird in seiner Nr. 3 und in Nr. 4, soweit dort die Worte „nach Afghanistan“ verwendet werden, aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt 5/6 der Kosten des Verfahrens, die Beklagte trägt 1/6 der Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. November 2012 verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen sowie ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 2. Juli 1994 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger hinduistischer Volks- und Religionszugehörigkeit.
3Er hat sich bis zu seiner Ausreise in Kabul aufgehalten, wo seine Eltern noch leben. Sein Vater brachte ihn in einem Auto nach Pakistan, wo er nach fünf Tagen per Flugzeug zu dem Landeort geflogen sei. Von dort sei er noch ca. sechs Stunden mit dem Zug nach F. zu seiner Tante gefahren. In Deutschland stellte er am 6. Juni 2011 einen Asylantrag.
4Bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ‑ Bundesamt ‑ am 7. September 2011 in Bielefeld gab der Kläger an, dass er nicht zur Schule gehen und nicht rausgehen durfte. 10 Tage vor seiner Ausreise hätten ihn die Taliban entführt; sie hätten ihn zu einem Moslem machen wollen. Mit ihm zusammen seien noch weitere Jugendliche mitgenommen worden. Sie hätten von seiner Familie Geld verlangt, sein Vater habe aber kein Geld gehabt. Als sie von seinem Vater kein Geld bekommen konnten, hätte sie ihn, den Kläger, geschlagen und getreten und anschließend fortgejagt. Er habe große Angst gehabt und habe sein Haus, nachdem er dorthin zurück gelangt war, nicht mehr verlassen. Sein Vater habe dann seine Ausreise organisiert.
5Mit Bescheid vom 19. November 2012, als Einschreiben zur Post gegeben am 23. November 2012, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab und verneinte die Voraussetzungen der Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft. Ferner stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes ‑ AufenthG ‑ nicht vorlägen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bunderepublik innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Im Falle der nicht fristgerechten Ausreise würde der Kläger nach Afghanistan oder in einen anderen Staat abgeschoben, in den er ausreisen dürfte oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei.
6Der Kläger hat am 10. Dezember 2012 Klage erhoben. Zur Begründung macht er geltend, dass er von den Taliban entführt worden sei, weil er Hindu sei und als wohlhabend gegolten habe, weil seine Familie ein Textilgeschäft betrieben habe. Diese Bedrohung durch die landesweit agierenden Taliban sei dem afghanischen Staat zuzurechnen, da dieser nicht in der Lage sei, die Bevölkerung vor den Angehörigen dieser Organisation zu schützen. Da der Kläger in das Visier der Taliban geraten sei, sei eine erneute Verfolgung wahrscheinlich.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. November 2012 zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen sowie dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,hilfsweise,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. November 2012 zu Nrn. 3. und 4. zu verpflichten, festzustellen, dass dem Kläger subsidiärer Schutz zu gewähren ist,
10äußerst hilfsweise,die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. November 2012 zu Nrn. 3. und 4. zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.
11Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides.
14Mit Beschluss vom 25. Oktober 2013 hat die Kammer dem Berichterstatter den Rechtsstreit als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage hat in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG - maßgeblichen Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung Erfolg. Sie ist insgesamt zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. November 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da er einen Anspruch auf die begehrten Verpflichtungen hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑.
181. Der Kläger hat einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes ‑ GG ‑.
19Dieser Anspruch ist nicht bereits gemäß Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a Abs. 1 Sätze 1 und 2 AsylVfG ausgeschlossen. Danach kann sich ein Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist ist, nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen. Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in der Anlage I zum Asylverfahrensgesetz bezeichneten Staaten (§ 26a Abs. 2 AsylVfG).
20Der Kläger ist nach seinen Angaben, die das Gericht nicht widerlegen kann, auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach der letzten Landung ist der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, mit dem Zug nach F. gefahren, ohne auf dem Wege dorthin eine Staatsgrenze überschritten zu haben. Damit ist er nicht über einen sicheren Drittstaat eingereist.
21Die Voraussetzungen für eine Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG liegen vor.
22Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt in diesem Sinne ist derjenige, dessen Leib, Leben oder persönliche Freiheit in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, an seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen (sog. asylerhebliche Merkmale), gefährdet oder verletzt werden. Es muss sich um gezielte Rechtsverletzungen handeln, die den Einzelnen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Ob eine in diesem Sinne spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmales erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der objektiv erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen. Die Verfolgungsmaßnahme kann dem Einzelnen oder einer durch ein asylerhebliches Merkmal gekennzeichneten Gruppe – und dort allen Gruppenmitgliedern oder dem Einzelnen wegen seiner Gruppenzugehörigkeit – gelten.
23Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 ff., vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, BVerfGE 80, 315 (333 ff.) und 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85, 515 u. 1827/89 -, BVerfGE 83, 216 ff. = InfAuslR 1991, 200 ff.; Bergmann/Dienelt/Röseler, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, Art. 16a GG RdNrn. 40 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, RdNrn. 1625 f., 1629 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 12 ff., 52 ff.
24Politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist dabei grundsätzlich staatliche Verfolgung. Die Verfolgung muss daher von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgehen, der der Verletzte unterworfen ist („unmittelbare staatliche Verfolgung“). Asylrechtsrelevante Verfolgung kann allerdings auch von Vereinigungen ausgehen, die Machtbefugnisse und Einflüsse in einem Umfang ausüben, die letztendlich hoheitlicher Gewaltausübung entsprechen („quasi-staatliche“ oder „staatsähnliche“ Stellung). Darüber hinaus kommen auch Verfolgungsmaßnahmen Dritter als politische Verfolgung in Betracht, wenn sie dem jeweiligen Staat zuzurechnen sind („mittelbare staatliche Verfolgung“). Eine von nichtstaatlicher Seite, also insbesondere von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen, ausgehende Verfolgung wird dabei dem Staat zugerechnet, wenn er die Verfolgung billigt oder fördert, ferner, wenn er nicht willens oder – trotz vorhandener Gebietsgewalt – nicht in der Lage ist, die Betroffenen gegen Übergriffe zu schützen.
25Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. März 1995 - 9 B 747.94 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 177; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 34 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1627 f.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 21 ff.
26Da das Asylgrundrecht darauf gerichtet ist, dem vor politischer Verfolgung Flüchtenden Zuflucht und Schutz zu gewähren, setzt es ferner grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus („Vorverfolgung“). Nachfluchtgründe können demgemäß nur eingeschränkt Berücksichtigung finden, vgl. § 28 Abs. 1 AsylVfG.
27Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, a.a.O., und vom 1. Dezember 1993 - 2 BvR 1119/93 -; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 49 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1634 f.
28Selbst bei Vorliegen sämtlicher der vorgenannten Voraussetzungen ist der Anspruch auf Schutzgewährung nach Art. 16a Abs. 1 GG allerdings ausgeschlossen, wenn dem Asylbewerber eine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht. Zumutbar ist eine Fluchtalternative, wenn der Asylsuchende an dem betreffenden Ort verfolgungssicher ist und ihm dort auch ansonsten keine Gefahren drohen. Insbesondere muss dort sein wirtschaftliches Existenzminium gewährleistet sein. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Nicht mehr zumutbar ist die Fluchtalternative demgegenüber dann, wenn der Asylsuchende an dem verfolgungssicheren Ort bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums.
29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2002 - 1 B 128.02, 1 PKH 24.02 -, InfAuslR 2002, 455 f.; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 66 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1641 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 60 ff.
30Die vom Gericht anzustellenden Prognoseerwägungen haben sich dabei an folgenden Maßstäben zu orientieren: Hat der Asylsuchende das Schicksal politischer Verfolgung schon einmal erlitten, besteht Anspruch auf Asyl bereits dann, wenn an seiner Sicherheit vor erneut einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernstliche Zweifel bestehen, d. h. die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung nicht ganz entfernt erscheint („herabgestufter Prognosemaßstab“). Ist der Asylbewerber hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen Anspruch auf Anerkennung nur, wenn ihm auf Grund asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht („gewöhnlicher Prognosemaßstab“). Dazu reicht es nicht aus, wenn eine Verfolgung nur im Bereich des Möglichen liegt; vielmehr müssen bei zusammenfassender Bewertung des zur Prüfung gestellten Sachverhalts die für eine landesweite politische Verfolgung bei Rückkehr sprechenden Umstände ein größeres Gewicht als die dagegen sprechenden Tatsachen besitzen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände die Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Dabei ist die Schwere des befürchteten Eingriffs in die Betrachtung einzubeziehen.
31Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 467, 992/86 -, BVerfGE 76, 143, 167, und vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/87 u. a. -, BVerfGE 80, 315, 333 ff.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 9 C 60.89 -, BVerwGE 87, 52 (53); Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1636 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 67 ff.
32Die asylbegründenden Tatsachen müssen zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Für den Nachweis des individuellen Schicksals in der Heimat, aus dem der Asylbewerber seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet, genügt wegen der häufig bestehenden sachtypischen Beweisschwierigkeiten in der Regel eine Glaubhaftmachung. Dazu reicht auch in tatsächlich zweifelhaften Fällen ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit aus, der Zweifeln schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Insoweit kommt naturgemäß dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers besondere Bedeutung zu. Der Asylbewerber ist gehalten, seine Gründe für das Vorliegen einer politischen Verfolgung schlüssig mit genauen Einzelheiten vorzutragen. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine substantiierte, im Wesentlichen widerspruchsfreie und nicht wechselnde Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch zu tragen.
33Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. März 1983, - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 § 28 AuslG, Nr. 44, vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, InfAuslR 1985, 244 (245 f.), und vom 12. November 1985 - 9 C 27.85 -, InfAuslR 1986, 79, sowie Beschlüsse vom 21. Juli 1989 - 9 B 239.89 -, NVwZ 1990, 171, und vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, NVwZ-RR 1990, 379 (380).
34Gemessen an diesen Vorgaben ist im vorliegenden Fall eine politische Verfolgung der Kläger im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG festzustellen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter aufgrund einer Verfolgung wegen seiner Religionszugehörigkeit bzw. Rasse zu. Der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe (vgl. zu diesem Begriff auch § 3b Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG). Das Gericht ist aufgrund des gesamten Akteninhalts und seines Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt dass der Kläger Afghanistan im März 2010 als individuell vorverfolgte Person verlassen hat. Ihm kommt daher der herabgestufte Prognosemaßstab zugute, die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung erscheint aufgrund der Vorverfolgung nicht ganz entfernt.
35Namentlich geht das Gericht davon aus, dass Angehörige der Taliban ihn wegen seiner hinduistischen Religionszugehörigkeit und Ethnie entführt haben, um von seinen Vater Geld zu erpressen sowie den Kläger zu einem Moslem zu machen. Ihnen war bekannt, dass der Kläger und sein Vater Hindus waren und dass sein Vater Besitzer eines Textilgeschäfts war. Da der bei seiner Entführung darüber hinaus mit Gewehrkolben geschlagen und getreten wurde, hatten die Übergriffe auch eine asylerhebliche Intensität.
36Die Angaben zu diesem den Fluchtentschluss auslösenden Geschehen decken sich mit den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen zur Situation der Hindus in Afghanistan. Insofern wird übereinstimmend von entsprechenden Übergriffen auf das Eigentum von Hindus – wie anderen Minderheiten – berichtet.
37Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Afghanischen Republik Afghanistan (im Folgenden AA, Lagebericht), Stand Februar 2008, Ziff. II. 1.4.1., S. 15, sowie Stand Januar 2009, Ziff. II. 1.4.2.; vgl. auch noch Stand Februar 2014, S. 11, sowie BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, S. 13 m.w.N.
38Die erlittenen Maßnahmen knüpften auch zielgerichtet an der hinduistischen Religionszugehörigkeit und Ethnie des Klägers an. Die Handlungen waren objektiv darauf gerichtet, in dem Sinne, dass die Übergriffe gerade aufgrund der Zugehörigkeit zu der Minderheit der Hindus erfolgten. Jedenfalls führte gerade die Religionszugehörigkeit zu einer besonderen Schutzlosigkeit, die den Kläger als Opfer prädestiniert hat. Denn insofern geht das Gericht davon aus, dass dem Kläger gerade aufgrund seiner anerkennungsrelevanten Merkmale kein hinreichender Schutz vor diesen Handlungen zur Verfügung gestanden hat. Staatlichen Schutz zu suchen, war von vornherein aussichtslos. Das Gericht geht aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen davon aus, dass die Akteure, die Schutz vor Verfolgung bieten könnten, diesen der Gruppe der Hindus in Afghanistan zum Zeitpunkt der fluchtauslösenden Ereignisse nicht wirksam gewähren konnten.
39Vgl. dazu ausführlich Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013 – 5a K 3406/12.A –, nrwe.de-Dokument (rechtskräftig), auch zu einer im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblichen Gruppenverfolgung von Hindus in Afghanistan.
40Es ist deshalb verständlich, dass der Kläger nach diesen Vorfällen das Haus bis zu seiner Ausreise nicht mehr verlassen hat. Der Kläger hat sich angesichts seiner persönlichen Situation während dieser Zeit jedenfalls in einer latenten Gefährdungslage befunden, also in einer Lage schwebender Bedrohung, die jederzeit auch aus geringfügigem Anlass plötzlich in eine konkrete und auch relevante Verfolgung umschlagen konnte.
41Vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 - 9 C 56/88 –, Juris-Dokument.
42Im Hinblick auf den durch die erlittene Vorverfolgung herabgestuften Prognosemaßstab erscheint die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung nicht ganz entfernt. Es sprechen vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Auskunftslage keine stichhaltigen Gründe dagegen, dass der Kläger erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
43Zunächst ist der für die Gefahr einer erneuten Verfolgung erforderliche innere Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und im Falle einer Rückkehr zu befürchtender Verfolgung nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall anzunehmen. Die Ursache für die Übergriffe war und ist für die Vorverfolger wie die potentiellen Verfolger dieselbe, nämlich die Zugehörigkeit des Klägers zur Minderheit der Hindus. Es ist auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass der Kläger erneute an seine Ethnie bzw. Religionszugehörigkeit anknüpfende Verfolgung erleben muss. Der Kläger ist schon aufgrund seines Äußeren als Hindu leicht zu erkennen. Zwar mag sich die Lage der Hindus in vergangenen Jahren tendenziell etwas verbessert haben. So trauten sich Hindus und Sikhs im April 2010 erstmals seit vielen Jahren wieder, sich mit einer öffentlichen Feier zum über 300-jährigen Bestehen der Sikh-Kultur in Afghanistan bemerkbar zu machen. Die Feier in einem Stadtteil von Kabul verlief Medienberichten zufolge, die die Botschaft für belastbar hält, ungehindert und friedlich.
44Vgl. AA, Lagebericht, Stand Januar 2012, Ziff. II 1.4.2., S. 17; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, Ziff. 2.3.3, S. 13.
45Ein solcher Einzelfall reicht ebenso wenig zur Verneinung der Gefahr einer erneuten Verfolgung aus, wie die wohl mittlerweile erfolgte Zurverfügungstellung eines Ortes für Feuerbestattungen. Vielmehr werden weiterhin ein generelles Klima gesellschaftlicher wie kultureller Diskriminierung sowie tatsächliche Übergriffe gegenüber Hindus beschrieben.
46Vgl. AA, Lageberichte, Stand Januar 2012, Ziff. II 1.4.2., S. 17 und Stand März 2013 Ziff. II 1.4.2., S. 10; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, Ziff. 2.3.3, S. 14 unter Bezugnahme auf den International Religious Freedom Report 2010 des U.S.-Außenministeriums; SFH, Afghanistan – Update Die aktuelle Sicherheitslage – v. 3. September 2012 -, S. 18; IOM, Antwort an BAMF v. 20. September 2011, Ziff. IV, V.
47Angesichts der Einschüchterungen durch die muslimische Mehrheitsbevölkerung ist nach wie vor nicht erkennbar, dass es ihnen möglich wäre, ihre Religion – außerhalb ihrer Wohnbezirke – frei zu praktizieren. Insbesondere sind auch weiterhin keine strukturellen Verbesserungen zu erkennen. So wurden die durch die Taliban zerstörten Tempel immer noch nicht wieder aufgebaut.
48IOM, Antwort an BAMF v. 20. September 2011, Ziff. III, V; SFH, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 3. September 2012, S. 18.
49Auch die Angaben zur Frage des tatsächlichen effektiven Schutzes durch den afghanischen Staat divergieren weiterhin in erheblichem Maße,
50vgl. einerseits SFH, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 3. September 2012, S. 18: „Religiöse Minderheiten erhalten von der afghanischen Regierung keinen Schutz“ sowie BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, Ziff. 2.3.2, S. 14 das unter Bezugnahme auf den International Religious Freedom Report 2010 des U.S.-Außenministeriums feststellt: „Übergriffe erfolgten nicht systematisch, jedoch würde die Regierung wenig unternehmen, um die Bedingungen zu verbessern.“ und andererseits IOM, Antwort an BAMF v. 20. September 2011, Ziff. VII: „Die Regierung ist grundsätzlich in der Lage und willens, Hindus im Falle von Übergriffen zu schützen.“,
51so dass die Tatsache, dass es nicht zu mehr Übergriffen kommt, immer noch im Wesentlichen auf die grundsätzlichen Vermeidungsstrategien der Betroffenen zurückzuführen ist.
52Dieser Einschätzung durch die Kammer entspricht, dass auf Grundlage der verfügbaren Erkenntnisquellen aktuell in der Rechtsprechung teilweise sogar weiterhin die Situation einer Gruppenverfolgung angenommen wird.
53Vgl. VG Frankfurt, Urt. v. 11. Februar 2010 - 7 K 746/09.F.A. - und VG Kassel, Urt. v. 27. Juli 2010 - 3 K 103/09.KS.A - für 2010; VG Gießen, Urt. v. 13. April 2012 - 2 K 1864/11.Gl.A - für 2012; a.A. VG Trier, Urt. v. 2. Februar 2001 - 5 K 977/10.TR - für 2011, jeweils zit. nach juris.
54Diese Bedrohung durch die Taliban ist auch dem afghanischen Staat zuzurechnen, da dieser Staat nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen selbst in Kabul, wo der afghanische Staat Gebietsgewalt hat, nicht in der Lage ist, seine Bevölkerung vor Angehörigen dieser landesweit tätigen Organisation zu schützen (mittelbare staatliche Verfolgung, vgl. oben).
55Eine Anerkennung als Flüchtling ist schließlich auch nicht etwa aufgrund einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgeschlossen. Dies setzt voraus, dass in einem Teil des Herkunftslandes für den Betroffenen keine begründete Furcht vor Verfolgung und auch sonst keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, sodass vernünftiger Weise die Rückkehr in diesen Landesteil erwartet werden kann.
56Vgl. BVerwG, Beschl. v. 21. Mai 2003 -1 B 298.02 -, Urt. v. 1. Februar 2007 - 1 C 24.06 - und v. 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 -, jeweils zit. nach juris.
57Da sich die vorliegenden Erkenntnisse sowieso im Wesentlichen auf Kabul und damit auf den in Fällen wie hier einzig denkbaren Ort einer inländischen Fluchtalternative beziehen und – wie hier – von einer Verfolgung auszugehen ist, kann vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass der Kläger nach Kabul zurückkehrt. Eine Rückkehr in einen anderen Landesteil ist von vornherein nicht als zumutbare Alternative anzusehen.
582. Der Kläger hat weiterhin einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG.
59Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG genießt ein Ausländer den Schutz als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (dazu im Einzelnen § 3b AsylVfG) außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Ausnahmsweise ausgeschlossen ist dieser Flüchtlingsschutz in den Fällen des § 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG und des § 60 Abs. 8 des Aufenthaltsgesetzes ‑ AufenthG ‑.
60Als Verfolgung gelten gemäß § 3a AsylVfG Handlungen, die auf Grund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen bzw. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist, § 3a Abs. 1 AsylVfG. Die grundlegenden Menschenrechte in diesem Sinne sind insbesondere die Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (Folter, Sklaverei und Leibeigenschaft, keine Strafe ohne Gesetz). Als Verfolgung können unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt gelten, aber auch gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, ebenso unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, ebenso die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, ebenso Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die den Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 2 AsylVfG ausschließen, sowie Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
61Ausgehen kann die Verfolgung gemäß § 3b AsylVfG von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, einschließlich internationaler Organisationen, erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
62Schutz vor Verfolgung muss nach § 3d Abs. 2 AsylVfG wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn der Staat oder die Parteien bzw. Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Interner Schutz schließt dabei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, und zwar dann, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung im vorbeschriebenen Sinne hat und der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3e Abs. 1 AsylVfG. Ob ein solch interner Schutz besteht, ist unter Heranziehung der Vorgaben des § 3e Abs. 2 AsylVfG zu prüfen.
63Schließlich muss zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen, § 3a Abs. 3 AsylVfG.
64Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 337, S. 9-26) - sog. Qualifikationsrichtlinie - RL 2011/95/EG privilegiert dabei den von ihm erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab.
65Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 7. September 2010 - 10 C 11.09 -, vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, und vom 1. Juni 2011 - 10 C 10.10 u. 10 C 25.10 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -; OVG Saarland, Urteil vom 16. September 2011 - 3 A 352/09 -; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 4 LB 5/11 -.
66Im Übrigen folgt aus den in Art. 4 RL 2011/95/EG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu muss er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine Verfolgung droht.
67Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 RL 2004/83/EU: OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -.
68Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ansonsten weitgehend deckungsgleich mit dem des Asylgrundrechts, bei dessen Auslegung sich das Bundesverfassungsgericht schon bisher an der Genfer Flüchtlingskonvention orientiert hat. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geht allerdings über Art. 16a Abs. 1 GG u. a. insofern hinaus, als es auch dann eingreift, wenn Asyl etwa nach § 26a Abs. 1 Satz 1 oder § 27 AsylVfG ausgeschlossen ist.
69Dies zugrunde gelegt sind deshalb aus den Gründen zu 1. auch die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Fall des Klägers erfüllt.
703. Nach alledem war daher der Klage mit dem Hauptantrag stattzugeben. Auf die Hilfsanträge kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an.
71Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
72Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.
(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.
(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. November 2012 verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen sowie ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 2. Juli 1994 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger hinduistischer Volks- und Religionszugehörigkeit.
3Er hat sich bis zu seiner Ausreise in Kabul aufgehalten, wo seine Eltern noch leben. Sein Vater brachte ihn in einem Auto nach Pakistan, wo er nach fünf Tagen per Flugzeug zu dem Landeort geflogen sei. Von dort sei er noch ca. sechs Stunden mit dem Zug nach F. zu seiner Tante gefahren. In Deutschland stellte er am 6. Juni 2011 einen Asylantrag.
4Bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ‑ Bundesamt ‑ am 7. September 2011 in Bielefeld gab der Kläger an, dass er nicht zur Schule gehen und nicht rausgehen durfte. 10 Tage vor seiner Ausreise hätten ihn die Taliban entführt; sie hätten ihn zu einem Moslem machen wollen. Mit ihm zusammen seien noch weitere Jugendliche mitgenommen worden. Sie hätten von seiner Familie Geld verlangt, sein Vater habe aber kein Geld gehabt. Als sie von seinem Vater kein Geld bekommen konnten, hätte sie ihn, den Kläger, geschlagen und getreten und anschließend fortgejagt. Er habe große Angst gehabt und habe sein Haus, nachdem er dorthin zurück gelangt war, nicht mehr verlassen. Sein Vater habe dann seine Ausreise organisiert.
5Mit Bescheid vom 19. November 2012, als Einschreiben zur Post gegeben am 23. November 2012, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab und verneinte die Voraussetzungen der Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft. Ferner stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes ‑ AufenthG ‑ nicht vorlägen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bunderepublik innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Im Falle der nicht fristgerechten Ausreise würde der Kläger nach Afghanistan oder in einen anderen Staat abgeschoben, in den er ausreisen dürfte oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei.
6Der Kläger hat am 10. Dezember 2012 Klage erhoben. Zur Begründung macht er geltend, dass er von den Taliban entführt worden sei, weil er Hindu sei und als wohlhabend gegolten habe, weil seine Familie ein Textilgeschäft betrieben habe. Diese Bedrohung durch die landesweit agierenden Taliban sei dem afghanischen Staat zuzurechnen, da dieser nicht in der Lage sei, die Bevölkerung vor den Angehörigen dieser Organisation zu schützen. Da der Kläger in das Visier der Taliban geraten sei, sei eine erneute Verfolgung wahrscheinlich.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. November 2012 zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen sowie dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,hilfsweise,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. November 2012 zu Nrn. 3. und 4. zu verpflichten, festzustellen, dass dem Kläger subsidiärer Schutz zu gewähren ist,
10äußerst hilfsweise,die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. November 2012 zu Nrn. 3. und 4. zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.
11Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides.
14Mit Beschluss vom 25. Oktober 2013 hat die Kammer dem Berichterstatter den Rechtsstreit als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage hat in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG - maßgeblichen Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung Erfolg. Sie ist insgesamt zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. November 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da er einen Anspruch auf die begehrten Verpflichtungen hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑.
181. Der Kläger hat einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes ‑ GG ‑.
19Dieser Anspruch ist nicht bereits gemäß Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a Abs. 1 Sätze 1 und 2 AsylVfG ausgeschlossen. Danach kann sich ein Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist ist, nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen. Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in der Anlage I zum Asylverfahrensgesetz bezeichneten Staaten (§ 26a Abs. 2 AsylVfG).
20Der Kläger ist nach seinen Angaben, die das Gericht nicht widerlegen kann, auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach der letzten Landung ist der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, mit dem Zug nach F. gefahren, ohne auf dem Wege dorthin eine Staatsgrenze überschritten zu haben. Damit ist er nicht über einen sicheren Drittstaat eingereist.
21Die Voraussetzungen für eine Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG liegen vor.
22Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt in diesem Sinne ist derjenige, dessen Leib, Leben oder persönliche Freiheit in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, an seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen (sog. asylerhebliche Merkmale), gefährdet oder verletzt werden. Es muss sich um gezielte Rechtsverletzungen handeln, die den Einzelnen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Ob eine in diesem Sinne spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmales erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der objektiv erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen. Die Verfolgungsmaßnahme kann dem Einzelnen oder einer durch ein asylerhebliches Merkmal gekennzeichneten Gruppe – und dort allen Gruppenmitgliedern oder dem Einzelnen wegen seiner Gruppenzugehörigkeit – gelten.
23Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 ff., vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, BVerfGE 80, 315 (333 ff.) und 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85, 515 u. 1827/89 -, BVerfGE 83, 216 ff. = InfAuslR 1991, 200 ff.; Bergmann/Dienelt/Röseler, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, Art. 16a GG RdNrn. 40 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, RdNrn. 1625 f., 1629 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 12 ff., 52 ff.
24Politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist dabei grundsätzlich staatliche Verfolgung. Die Verfolgung muss daher von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgehen, der der Verletzte unterworfen ist („unmittelbare staatliche Verfolgung“). Asylrechtsrelevante Verfolgung kann allerdings auch von Vereinigungen ausgehen, die Machtbefugnisse und Einflüsse in einem Umfang ausüben, die letztendlich hoheitlicher Gewaltausübung entsprechen („quasi-staatliche“ oder „staatsähnliche“ Stellung). Darüber hinaus kommen auch Verfolgungsmaßnahmen Dritter als politische Verfolgung in Betracht, wenn sie dem jeweiligen Staat zuzurechnen sind („mittelbare staatliche Verfolgung“). Eine von nichtstaatlicher Seite, also insbesondere von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen, ausgehende Verfolgung wird dabei dem Staat zugerechnet, wenn er die Verfolgung billigt oder fördert, ferner, wenn er nicht willens oder – trotz vorhandener Gebietsgewalt – nicht in der Lage ist, die Betroffenen gegen Übergriffe zu schützen.
25Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. März 1995 - 9 B 747.94 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 177; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 34 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1627 f.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 21 ff.
26Da das Asylgrundrecht darauf gerichtet ist, dem vor politischer Verfolgung Flüchtenden Zuflucht und Schutz zu gewähren, setzt es ferner grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus („Vorverfolgung“). Nachfluchtgründe können demgemäß nur eingeschränkt Berücksichtigung finden, vgl. § 28 Abs. 1 AsylVfG.
27Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, a.a.O., und vom 1. Dezember 1993 - 2 BvR 1119/93 -; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 49 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1634 f.
28Selbst bei Vorliegen sämtlicher der vorgenannten Voraussetzungen ist der Anspruch auf Schutzgewährung nach Art. 16a Abs. 1 GG allerdings ausgeschlossen, wenn dem Asylbewerber eine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht. Zumutbar ist eine Fluchtalternative, wenn der Asylsuchende an dem betreffenden Ort verfolgungssicher ist und ihm dort auch ansonsten keine Gefahren drohen. Insbesondere muss dort sein wirtschaftliches Existenzminium gewährleistet sein. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Nicht mehr zumutbar ist die Fluchtalternative demgegenüber dann, wenn der Asylsuchende an dem verfolgungssicheren Ort bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums.
29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2002 - 1 B 128.02, 1 PKH 24.02 -, InfAuslR 2002, 455 f.; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 66 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1641 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 60 ff.
30Die vom Gericht anzustellenden Prognoseerwägungen haben sich dabei an folgenden Maßstäben zu orientieren: Hat der Asylsuchende das Schicksal politischer Verfolgung schon einmal erlitten, besteht Anspruch auf Asyl bereits dann, wenn an seiner Sicherheit vor erneut einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernstliche Zweifel bestehen, d. h. die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung nicht ganz entfernt erscheint („herabgestufter Prognosemaßstab“). Ist der Asylbewerber hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen Anspruch auf Anerkennung nur, wenn ihm auf Grund asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht („gewöhnlicher Prognosemaßstab“). Dazu reicht es nicht aus, wenn eine Verfolgung nur im Bereich des Möglichen liegt; vielmehr müssen bei zusammenfassender Bewertung des zur Prüfung gestellten Sachverhalts die für eine landesweite politische Verfolgung bei Rückkehr sprechenden Umstände ein größeres Gewicht als die dagegen sprechenden Tatsachen besitzen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände die Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Dabei ist die Schwere des befürchteten Eingriffs in die Betrachtung einzubeziehen.
31Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 467, 992/86 -, BVerfGE 76, 143, 167, und vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/87 u. a. -, BVerfGE 80, 315, 333 ff.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 9 C 60.89 -, BVerwGE 87, 52 (53); Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1636 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 67 ff.
32Die asylbegründenden Tatsachen müssen zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Für den Nachweis des individuellen Schicksals in der Heimat, aus dem der Asylbewerber seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet, genügt wegen der häufig bestehenden sachtypischen Beweisschwierigkeiten in der Regel eine Glaubhaftmachung. Dazu reicht auch in tatsächlich zweifelhaften Fällen ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit aus, der Zweifeln schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Insoweit kommt naturgemäß dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers besondere Bedeutung zu. Der Asylbewerber ist gehalten, seine Gründe für das Vorliegen einer politischen Verfolgung schlüssig mit genauen Einzelheiten vorzutragen. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine substantiierte, im Wesentlichen widerspruchsfreie und nicht wechselnde Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch zu tragen.
33Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. März 1983, - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 § 28 AuslG, Nr. 44, vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, InfAuslR 1985, 244 (245 f.), und vom 12. November 1985 - 9 C 27.85 -, InfAuslR 1986, 79, sowie Beschlüsse vom 21. Juli 1989 - 9 B 239.89 -, NVwZ 1990, 171, und vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, NVwZ-RR 1990, 379 (380).
34Gemessen an diesen Vorgaben ist im vorliegenden Fall eine politische Verfolgung der Kläger im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG festzustellen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter aufgrund einer Verfolgung wegen seiner Religionszugehörigkeit bzw. Rasse zu. Der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe (vgl. zu diesem Begriff auch § 3b Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG). Das Gericht ist aufgrund des gesamten Akteninhalts und seines Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt dass der Kläger Afghanistan im März 2010 als individuell vorverfolgte Person verlassen hat. Ihm kommt daher der herabgestufte Prognosemaßstab zugute, die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung erscheint aufgrund der Vorverfolgung nicht ganz entfernt.
35Namentlich geht das Gericht davon aus, dass Angehörige der Taliban ihn wegen seiner hinduistischen Religionszugehörigkeit und Ethnie entführt haben, um von seinen Vater Geld zu erpressen sowie den Kläger zu einem Moslem zu machen. Ihnen war bekannt, dass der Kläger und sein Vater Hindus waren und dass sein Vater Besitzer eines Textilgeschäfts war. Da der bei seiner Entführung darüber hinaus mit Gewehrkolben geschlagen und getreten wurde, hatten die Übergriffe auch eine asylerhebliche Intensität.
36Die Angaben zu diesem den Fluchtentschluss auslösenden Geschehen decken sich mit den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen zur Situation der Hindus in Afghanistan. Insofern wird übereinstimmend von entsprechenden Übergriffen auf das Eigentum von Hindus – wie anderen Minderheiten – berichtet.
37Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Afghanischen Republik Afghanistan (im Folgenden AA, Lagebericht), Stand Februar 2008, Ziff. II. 1.4.1., S. 15, sowie Stand Januar 2009, Ziff. II. 1.4.2.; vgl. auch noch Stand Februar 2014, S. 11, sowie BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, S. 13 m.w.N.
38Die erlittenen Maßnahmen knüpften auch zielgerichtet an der hinduistischen Religionszugehörigkeit und Ethnie des Klägers an. Die Handlungen waren objektiv darauf gerichtet, in dem Sinne, dass die Übergriffe gerade aufgrund der Zugehörigkeit zu der Minderheit der Hindus erfolgten. Jedenfalls führte gerade die Religionszugehörigkeit zu einer besonderen Schutzlosigkeit, die den Kläger als Opfer prädestiniert hat. Denn insofern geht das Gericht davon aus, dass dem Kläger gerade aufgrund seiner anerkennungsrelevanten Merkmale kein hinreichender Schutz vor diesen Handlungen zur Verfügung gestanden hat. Staatlichen Schutz zu suchen, war von vornherein aussichtslos. Das Gericht geht aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen davon aus, dass die Akteure, die Schutz vor Verfolgung bieten könnten, diesen der Gruppe der Hindus in Afghanistan zum Zeitpunkt der fluchtauslösenden Ereignisse nicht wirksam gewähren konnten.
39Vgl. dazu ausführlich Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013 – 5a K 3406/12.A –, nrwe.de-Dokument (rechtskräftig), auch zu einer im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblichen Gruppenverfolgung von Hindus in Afghanistan.
40Es ist deshalb verständlich, dass der Kläger nach diesen Vorfällen das Haus bis zu seiner Ausreise nicht mehr verlassen hat. Der Kläger hat sich angesichts seiner persönlichen Situation während dieser Zeit jedenfalls in einer latenten Gefährdungslage befunden, also in einer Lage schwebender Bedrohung, die jederzeit auch aus geringfügigem Anlass plötzlich in eine konkrete und auch relevante Verfolgung umschlagen konnte.
41Vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 - 9 C 56/88 –, Juris-Dokument.
42Im Hinblick auf den durch die erlittene Vorverfolgung herabgestuften Prognosemaßstab erscheint die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung nicht ganz entfernt. Es sprechen vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Auskunftslage keine stichhaltigen Gründe dagegen, dass der Kläger erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
43Zunächst ist der für die Gefahr einer erneuten Verfolgung erforderliche innere Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und im Falle einer Rückkehr zu befürchtender Verfolgung nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall anzunehmen. Die Ursache für die Übergriffe war und ist für die Vorverfolger wie die potentiellen Verfolger dieselbe, nämlich die Zugehörigkeit des Klägers zur Minderheit der Hindus. Es ist auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass der Kläger erneute an seine Ethnie bzw. Religionszugehörigkeit anknüpfende Verfolgung erleben muss. Der Kläger ist schon aufgrund seines Äußeren als Hindu leicht zu erkennen. Zwar mag sich die Lage der Hindus in vergangenen Jahren tendenziell etwas verbessert haben. So trauten sich Hindus und Sikhs im April 2010 erstmals seit vielen Jahren wieder, sich mit einer öffentlichen Feier zum über 300-jährigen Bestehen der Sikh-Kultur in Afghanistan bemerkbar zu machen. Die Feier in einem Stadtteil von Kabul verlief Medienberichten zufolge, die die Botschaft für belastbar hält, ungehindert und friedlich.
44Vgl. AA, Lagebericht, Stand Januar 2012, Ziff. II 1.4.2., S. 17; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, Ziff. 2.3.3, S. 13.
45Ein solcher Einzelfall reicht ebenso wenig zur Verneinung der Gefahr einer erneuten Verfolgung aus, wie die wohl mittlerweile erfolgte Zurverfügungstellung eines Ortes für Feuerbestattungen. Vielmehr werden weiterhin ein generelles Klima gesellschaftlicher wie kultureller Diskriminierung sowie tatsächliche Übergriffe gegenüber Hindus beschrieben.
46Vgl. AA, Lageberichte, Stand Januar 2012, Ziff. II 1.4.2., S. 17 und Stand März 2013 Ziff. II 1.4.2., S. 10; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, Ziff. 2.3.3, S. 14 unter Bezugnahme auf den International Religious Freedom Report 2010 des U.S.-Außenministeriums; SFH, Afghanistan – Update Die aktuelle Sicherheitslage – v. 3. September 2012 -, S. 18; IOM, Antwort an BAMF v. 20. September 2011, Ziff. IV, V.
47Angesichts der Einschüchterungen durch die muslimische Mehrheitsbevölkerung ist nach wie vor nicht erkennbar, dass es ihnen möglich wäre, ihre Religion – außerhalb ihrer Wohnbezirke – frei zu praktizieren. Insbesondere sind auch weiterhin keine strukturellen Verbesserungen zu erkennen. So wurden die durch die Taliban zerstörten Tempel immer noch nicht wieder aufgebaut.
48IOM, Antwort an BAMF v. 20. September 2011, Ziff. III, V; SFH, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 3. September 2012, S. 18.
49Auch die Angaben zur Frage des tatsächlichen effektiven Schutzes durch den afghanischen Staat divergieren weiterhin in erheblichem Maße,
50vgl. einerseits SFH, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 3. September 2012, S. 18: „Religiöse Minderheiten erhalten von der afghanischen Regierung keinen Schutz“ sowie BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, Ziff. 2.3.2, S. 14 das unter Bezugnahme auf den International Religious Freedom Report 2010 des U.S.-Außenministeriums feststellt: „Übergriffe erfolgten nicht systematisch, jedoch würde die Regierung wenig unternehmen, um die Bedingungen zu verbessern.“ und andererseits IOM, Antwort an BAMF v. 20. September 2011, Ziff. VII: „Die Regierung ist grundsätzlich in der Lage und willens, Hindus im Falle von Übergriffen zu schützen.“,
51so dass die Tatsache, dass es nicht zu mehr Übergriffen kommt, immer noch im Wesentlichen auf die grundsätzlichen Vermeidungsstrategien der Betroffenen zurückzuführen ist.
52Dieser Einschätzung durch die Kammer entspricht, dass auf Grundlage der verfügbaren Erkenntnisquellen aktuell in der Rechtsprechung teilweise sogar weiterhin die Situation einer Gruppenverfolgung angenommen wird.
53Vgl. VG Frankfurt, Urt. v. 11. Februar 2010 - 7 K 746/09.F.A. - und VG Kassel, Urt. v. 27. Juli 2010 - 3 K 103/09.KS.A - für 2010; VG Gießen, Urt. v. 13. April 2012 - 2 K 1864/11.Gl.A - für 2012; a.A. VG Trier, Urt. v. 2. Februar 2001 - 5 K 977/10.TR - für 2011, jeweils zit. nach juris.
54Diese Bedrohung durch die Taliban ist auch dem afghanischen Staat zuzurechnen, da dieser Staat nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen selbst in Kabul, wo der afghanische Staat Gebietsgewalt hat, nicht in der Lage ist, seine Bevölkerung vor Angehörigen dieser landesweit tätigen Organisation zu schützen (mittelbare staatliche Verfolgung, vgl. oben).
55Eine Anerkennung als Flüchtling ist schließlich auch nicht etwa aufgrund einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgeschlossen. Dies setzt voraus, dass in einem Teil des Herkunftslandes für den Betroffenen keine begründete Furcht vor Verfolgung und auch sonst keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, sodass vernünftiger Weise die Rückkehr in diesen Landesteil erwartet werden kann.
56Vgl. BVerwG, Beschl. v. 21. Mai 2003 -1 B 298.02 -, Urt. v. 1. Februar 2007 - 1 C 24.06 - und v. 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 -, jeweils zit. nach juris.
57Da sich die vorliegenden Erkenntnisse sowieso im Wesentlichen auf Kabul und damit auf den in Fällen wie hier einzig denkbaren Ort einer inländischen Fluchtalternative beziehen und – wie hier – von einer Verfolgung auszugehen ist, kann vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass der Kläger nach Kabul zurückkehrt. Eine Rückkehr in einen anderen Landesteil ist von vornherein nicht als zumutbare Alternative anzusehen.
582. Der Kläger hat weiterhin einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG.
59Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG genießt ein Ausländer den Schutz als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (dazu im Einzelnen § 3b AsylVfG) außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Ausnahmsweise ausgeschlossen ist dieser Flüchtlingsschutz in den Fällen des § 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG und des § 60 Abs. 8 des Aufenthaltsgesetzes ‑ AufenthG ‑.
60Als Verfolgung gelten gemäß § 3a AsylVfG Handlungen, die auf Grund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen bzw. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist, § 3a Abs. 1 AsylVfG. Die grundlegenden Menschenrechte in diesem Sinne sind insbesondere die Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (Folter, Sklaverei und Leibeigenschaft, keine Strafe ohne Gesetz). Als Verfolgung können unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt gelten, aber auch gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, ebenso unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, ebenso die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, ebenso Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die den Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 2 AsylVfG ausschließen, sowie Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
61Ausgehen kann die Verfolgung gemäß § 3b AsylVfG von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, einschließlich internationaler Organisationen, erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
62Schutz vor Verfolgung muss nach § 3d Abs. 2 AsylVfG wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn der Staat oder die Parteien bzw. Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Interner Schutz schließt dabei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, und zwar dann, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung im vorbeschriebenen Sinne hat und der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3e Abs. 1 AsylVfG. Ob ein solch interner Schutz besteht, ist unter Heranziehung der Vorgaben des § 3e Abs. 2 AsylVfG zu prüfen.
63Schließlich muss zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen, § 3a Abs. 3 AsylVfG.
64Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 337, S. 9-26) - sog. Qualifikationsrichtlinie - RL 2011/95/EG privilegiert dabei den von ihm erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab.
65Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 7. September 2010 - 10 C 11.09 -, vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, und vom 1. Juni 2011 - 10 C 10.10 u. 10 C 25.10 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -; OVG Saarland, Urteil vom 16. September 2011 - 3 A 352/09 -; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 4 LB 5/11 -.
66Im Übrigen folgt aus den in Art. 4 RL 2011/95/EG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu muss er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine Verfolgung droht.
67Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 RL 2004/83/EU: OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -.
68Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ansonsten weitgehend deckungsgleich mit dem des Asylgrundrechts, bei dessen Auslegung sich das Bundesverfassungsgericht schon bisher an der Genfer Flüchtlingskonvention orientiert hat. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geht allerdings über Art. 16a Abs. 1 GG u. a. insofern hinaus, als es auch dann eingreift, wenn Asyl etwa nach § 26a Abs. 1 Satz 1 oder § 27 AsylVfG ausgeschlossen ist.
69Dies zugrunde gelegt sind deshalb aus den Gründen zu 1. auch die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Fall des Klägers erfüllt.
703. Nach alledem war daher der Klage mit dem Hauptantrag stattzugeben. Auf die Hilfsanträge kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an.
71Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
72Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.