Verwaltungsgericht Köln Urteil, 23. Sept. 2014 - 14 K 19/13.A
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistungoder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Der nach eigenen Angaben am 00.00.0000 in Kabul geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger hinduistischen Glaubens. Er reiste im September oder Oktober 2011 noch als Minderjähriger ohne Begleitung in die Bundesrepublik Deutschland ein und hielt sich zunächst bei seinem Cousin auf. Der Cousin wurde am 24. November 2011 als Vormund des Klägers bestellt. Am 9. Dezember 2011 stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Asylantrag. Zur Begründung erklärte der Prozessbevollmächtigte u.a., dass der Kläger wegen der Verfolgung der hinduistischen Minderheit in Afghanistan das Land verlassen habe. Die Familie sei regelmäßig durch Moslems bedroht worden und unter Druck gesetzt worden, zum Islam zu konvertieren.
3Bei seiner persönlichen Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 14. Oktober 2010 gab der Kläger im Wesentlichen an, bei dem Versuch das Land zu verlassen, sei er 2004 von seinen Eltern und Geschwistern getrennt worden. Diese seien nach Pakistan ausgereist. Er habe daher seit 2004 bei seinem Onkel in Kabul gelebt. Er habe in Afghanistan keine Schule besucht, sondern Privatunterricht erhalten. Man habe seinen Onkel unter Druck gesetzt, zum islamischen Glauben zu konvertieren. Der Onkel sei dann angeschossen worden und sei den Verletzungen schließlich erlegen. Kurz darauf habe er das Land per Flugzeug verlassen.
4Mit Bescheid vom 04. Dezember 2012 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab (Ziffer 1) und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flücht-lingseigenschaft (Ziffer 2) noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG vorlägen (Ziffer 3 Satz 1). Zugleich stellte es fest, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliege (Ziffer 3 Satz 2), weil der Kläger bei einer Rückkehr nach Kabul als alleinstehender Minderjähriger ohne Schutz und Unterstützung der Familie in eine ausweglose Lage geraten würde; Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 4 und 5 AufenthG lägen im Übrigen nicht vor. Zur Begründung wird in dem Bescheid u.a. ausgeführt, es bestehe kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Die Zugehörigkeit des Antragstellers zur Glaubensgemeinschaft der Hindus führe nicht zu einer landesweiten Verfolgungsgefahr. Zwar seien nach den Erkenntnisquellen die wenigen in Afghanistan lebenden Hindus und Sikhs von einer allgemeinen gesellschaftlichen Diskriminierung durch die Mehrheitsbevölkerung betroffen, von gezielter Verfolgung durch den Staat oder Dritte könne aber nicht ausgegangen werden. Zwar seien Hindus wie andere Minderheiten häufig Opfer illegaler Landnahme und wagten lediglich in Kabul und Jalalabad ihren Glauben offen zu praktizieren. Andererseits sei aber im April 2010 erstmals seit vielen Jahren wieder eine öffentliche Feier durch die Hindu- und Sikh-Gemeinden erfolgt und ungehindert und friedlich verlaufen. Insgesamt habe sich die Situation der Hindus und Sikhs seit dem Sturz der Taliban verbessert. Den vorhandenen Auskünften lasse sich keine gezielte und systematische gegen die Religionsgemeinschaften der Hindus und Sikhs gerichtete Verfolgungspraxis entnehmen. Es handele sich vielmehr um Repressionen gegen einzelne Mitglieder der Minderheiten. Die Angaben des Antragstellers seien zudem zu vage und unsubstantiiert gewesen, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass es die Aufforderung zur Konversion zum Islam tatsächlich gegeben habe. Trotz seines jugendlichen Alters habe man von dem Antragsteller erwarten können, dass er konkreter und detaillierter vorträgt. Der Vortrag erwecke nicht den Eindruck als habe der Antragsteller das Geschilderte selbst erlebt.
5Der Kläger hat am 21. Dezember 2012 Klage erhoben.
6Mit der Klage verfolgt er sein Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft weiter. Zur Begründung trägt er vor, entgegen der Feststellungen der Beklagten sei von einer Gruppenverfolgung der Hindus wegen ihrer Religionszugehörigkeit auszugehen. Zum Beleg bezieht er sich auf die Urteile des VG Gelsenkirchen (vom 21. Februar 2013 – 5a K 3406/12.A –), des VG Stuttgart (vom 29. Januar 2013 – A 6 K 4443/12) und des VG Gießen (vom 13. April 2012 – 2 K 1864/11.Gl.A–). Die gegenteilige Ansicht des OVG NRW (Urteil vom 19. Juni 2008 – 20 A 4676/06.A –) sei auf Grund der Entscheidung des EuGH (vom 5. September 2012 – C-71/11 –, – C-99/11–) nicht mehr tragbar. Hinsichtlich der Minderheitengruppen hätten sich die ethnischen Spannungen in Afghanistan zuletzt noch verschärft, vor allem weil sich die Zahl der in Afghanistan lebenden Hindus weiter reduziert hätte. Der Kläger sei zudem aber auch individuell vorverfolgt ausgereist. Nach der Flucht der Eltern nach Pakistan habe er mit seiner Tante und seinem Onkel im Elternhaus weitergelebt. Wenige Wochen nach dem Fluchtversuch hätten die Taliban massive Bedrohungen gegen die verbliebene Familie ausgesprochen. Sie hätten den Onkel zum Konvertieren bewegen wollen. Der Onkel habe aus Sorge vor Entführungen den Kläger immer in den Keller geschickt, wenn es an der Tür geklopft habe. Der Kläger habe dann immer in ein Loch mit einem Holzdeckel klettern müssen. Er habe dort so lange sitzen müssen, bis die Taliban wieder verschwunden seien. 2007 oder 2008 sei dann seine Tante gestorben. Im Jahr 2011 habe der Onkel einen Schlepper ausfindig gemacht und diesen auch bezahlt. Bevor sie aber zur Flucht hätten aufbrechen können, hätten die Taliban den Onkel erneut aufgesucht. Der Kläger sei wieder im Keller versteckt worden. Der Onkel habe bei diesem Besuch eine Schussverletzung am Arm davongetragen. Der Onkel, der auch zuckerkrank gewesen sei, sei schließlich in der ersten Jahreshälfte 2011 gestorben. Der Kläger habe den Onkel mit Hilfe der Nachbarn nach den Ritualen der Hindus bestattet. Er sei dann allein in dem Haus zurückgeblieben. Er habe nicht mehr alleine auf die Straße gehen können, um einzukaufen, und sei daher von Nachbarn versorgt worden. Nach dem Tod des Onkels seien die Taliban erneut erschienen und hätten ihm gedroht, dass er seinen Glauben ändern müsse und sie wiederkämen. Nach einigen Wochen seien sie erneut erschienen. Sie hätten versucht, ihn zu schlagen und hätten ihm gedroht, ihn beim nächsten Mal mitzunehmen. Dann sei glücklicherweise eines Tages der Schlepper erschienen, habe ihn mitgenommen und die Flucht nach Deutschland veranlasst.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 4. Dezember 2012 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft des § 3 AsylVfG zuzuerkennen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie nimmt zur Begründung Bezug auf die Gründe des angefochtenen Bescheides.
12Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2014 informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.
13Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe
15Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Klage verhandeln und entscheiden, weil in der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
16Die lediglich auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gemäß § 3 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG)
17Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Demnach muss zunächst eine Verfolgungshandlung gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 AsylVfG durch einen Verfolgungsakteur (§ 3c AsylVfG) vorliegen, die eine Verfolgungsprognose zulässt. Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung solche Handlungen, welche aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Insbesondere sind dabei Verletzungen der absoluten Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, zu berücksichtigen.
18Vgl. EuGH, Urteile vom 7. November 2013 – Rs. C – 199/12 bis 201/12 – X, Y und Z-, Rn. 51, und vom 5. September 2012 – Rs. C - 71/11 und C – 99/11 -Y und Z-, Rn. 53, juris.
19Nach Ziffer 2 kann auch eine Kumulation unterschiedlicher Maßnahmen die Qualität einer Verletzungshandlung haben, wenn der Ausländer davon in ähnlicher Weise betroffen ist wie im Falle einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Ziffer 1. Die nach Ziffer 2 zu berücksichtigende Maßnahmen können Menschenrechtsverletzungen sein, aber auch sonstige Diskriminierungen. Die einzelnen Eingriffshandlungen müssen dabei für sich allein nicht die Qualität einer Menschenrechtsverletzungen aufweisen, in ihrer Gesamtheit aber eine Betroffenheit des Einzelnen bewirken, die der Eingriffsintensität einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen nach Ziffer 1 entspricht.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23/12 –, juris Rn 36.
21Die Verfolgungshandlung muss weiter mit einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylVfG verknüpft sein, § 3a Abs. 3 AsylVfG, und es muss an einem effektiven Schutz im Herkunftsland fehlen (§§ 3d, e AsylVfG). Bzgl. der Verfolgungsgründe ist zu beachten, dass gemäß § 28 Abs. 1a AsylVfG auch Nachfluchtgründe insoweit zu berücksichtigen sind. Abschließend dürfen keine Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG vorliegen.
22Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 3a AsylVfG vorliegt, ist Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifizierungsrichtlinie in der Neufassung vom 13. Dezember 2011 Richtlinie 2011/95/EU -QRL-) ergänzend anzuwenden. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 QRL, der sich mit der Voraussetzung, dass der Antragsteller „tatsächlich Gefahr läuft“, an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zur tatsächlichen Gefahr („real risk“) orientiert,
23vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 Nr. 37201/06 - Saadi - NVwZ 2008, 1330, juris.
24und somit der Sache nach den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit übernimmt.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O., Rn. 19, 32.
26Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O., Rn. 36.
28Zur Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten normiert Art. 4 Abs. 4 QRL eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftendenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 –10 C 5/09 –, juris, Rn. 20 ff. m.w.N.
30Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 – 10 C 24/08 –, juris, Rn. 14.
32Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist daran festzuhalten, dass er dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern hat, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden,
33Vgl. zu Art. 16a GG: BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1989 – 9 B 239/89 –, InfAuslR 1989, 349, vom 26. Oktober 1989 – 9 B 405.89 –, InfAuslR 1990, 38 (39), und vom 3. August 1990 – 9 B 45.90 –, InfAuslR 1990, 344.
34Dies zugrunde gelegt konnte das Gericht auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen, dass der Kläger vor der Ausreise Verfolgungsmaßnahmen i.S.v. § 3 AsylVfG erlitten hat, oder von solchen Verfolgungsmaßnahmen unmittelbar bedroht war. Das Gericht hält das Vorbringen, er sei vor der Ausreise aus Afghanistan konkret durch die Taliban bedroht worden, für nicht glaubhaft. Hinsichtlich seiner Angaben, die Taliban hätten den Onkel und später ihn selbst unter Druck gesetzt, Moslems zu werden, fehlt es an einem detaillierten Vortrag, der den Schluss zulassen würde, dass er das Vorgetragene selbst erlebt hat. Der Vortrag zeichnete sich auch in der mündlichen Verhandlung durch stereotype Aussagen aus. Der Kläger konnte nicht schildern, was konkret bei den Besuchen durch die Taliban im Haus abgelaufen sein soll bzw. was diese konkret verlangt haben. Soweit er vorträgt, er sei zu diesen Anlässen immer im Keller versteckt worden und der Onkel habe ihm im Nachgang von den Besuchen erzählt, ist es dann nicht einleuchtend, dass sein Onkel nicht detaillierter über den Ablauf der Besuche und die Forderungen der Taliban berichtet hat. Zwar war der Kläger in den ersten Jahren nach der Trennung von seinen Eltern noch sehr jung. Allerdings hat ihm sein Onkel angeblich auch erzählt, wer und warum sie aufgesucht wurden und dass die Taliban den Kläger im Haus vermuteten und suchten. Die Aussage die Taliban hätten gewollt, dass sie ihre Religion wechselten ist in diesem Zusammenhang zu detailarm. Insoweit als der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, man habe die Vertreter der Taliban, wenn sie an der Tür geklopft hätten, durch das Fenster sehen können und der Onkel habe ihn dann jedes Mal umgehend in einem Loch im Keller versteckt, ist damit auch kein nachvollziehbarer Geschehensablauf geschildert worden. Angeblich soll der Onkel über das Loch im Keller jedes Mal eine Holzplatte und dann noch einen Teppich gelegt haben. Dieses Vorgehen wäre mit einer gewissen zeitlichen Dauer verbunden gewesen. Dass die Taliban während dieses Vorgangs ungerührt vor der Tür gewartet haben sollen, ist schlechterdings nicht vorstellbar. Zudem ist nicht nachvollziehbar, dass die Taliban jahrelang – nach dem Vortrag des Klägers bereits vor 2007 und bis zur Ausreise 2011 – monatlich bzw. mehrmals im Monat gekommen seien sollen, bis auf Diskussionen oder Streitereien mit dem Onkel aber nicht mehr passiert sein soll. Der Kläger hat erstmalig, erst auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung und daher nicht überzeugend angegeben, die Taliban hätten erklärt, es könne sein, dass sie getötet würden, wenn sie den Glauben nicht wechselten oder das Land verließen. Der Kläger hat auch nicht vortragen können, wie es plötzlich im Jahr 2011 zu der Schussverletzung des Onkels kam und welchen konkreten Hintergrund diese hatte. Da zu diesem Zeitpunkt der Fluchtgedanke schon gefasst und auch bereits ein Schlepper engagiert worden sein soll, hätten sich die Taliban doch - den Vortrag des Klägers als wahr unterstellt - damit zufrieden gegeben, dass der Kläger und sein Onkel ohnehin vorhatten, das Land zu verlassen. Auch nach den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ist schließlich nicht klar, ob der Onkel an der Schussverletzung oder vielmehr an der lange Jahre bestehenden Zuckerkrankheit gestorben ist. Wenn der Kläger dann weiter vorträgt, nach dem Tod des Onkels hätten die Taliban ihn persönlich aufgesucht und unter Druck gesetzt, ist auch dies nicht überzeugend. Woher die Taliban überhaupt wissen konnten, dass der Kläger existiert, wenn er nach eigenem Vortrag bei den Besuchen vorher immer versteckt und daher trotz Suche der Taliban nicht gefunden worden sein soll, ist nicht erkennbar. Es ist auch nicht realistisch, dass der Kläger, der damals gerade einmal 16 Jahre alt war, gegen mehrere Männer, die ihn angeblich schlagen wollten, erfolgreich Widerstand leisten und diese zum Verlassen des Hauses bewegen konnte. Der Umstand, dass die Taliban ohne Weiteres aufgegeben haben und lediglich die Drohung ausgesprochen haben sollen, wiederzukommen, ist ebenfalls wenig überzeugend. Auch die beschriebene Angst, das Haus zu verlassen, weil die Taliban ihn hätten mitnehmen und töten wollen, ist nicht überzeugend. Zwar mag es sein, dass der Kläger, der damals noch sehr jung war, große Angst hatte. Dass diese sich aber alleine auf die Taliban bezog und darauf gerichtet war, dass man ihn als Hindu zum Konvertieren zwingen, mitnehmen und töten würde, ist nicht anzunehmen. Immerhin sollen die Taliban doch ohnehin gewusst haben, wo der Kläger lebte, so dass sie ihn auch von dort aus, wesentlich einfacher als auf offener Straße, hätten verschleppen können. Schließlich waren weder die angebliche Schussverletzung noch das spätere Aufsuchen des Klägers durch die Taliban bestimmend für seine nach eigenen Angaben erst im Mai 2011 erfolgte Ausreise aus Afghanistan. Die Entscheidung, dass er sein Heimatland verlassen soll, soll nach den Angaben des Klägers allein von seinem Onkel unmittelbar nach dem Tod der Tante und damit lange vor der Schussverletzung für ihn getroffen worden sein. Es ist des Weiteren nicht erklärlich, warum der Kläger das Erscheinen der Taliban und deren Forderung nicht bereits bei seiner Anhörung beim Bundesamt vorgetragen hat. Damals hat er sich mit der allgemeinen Aussage begnügt, auf den Onkel und ihn sei Druck ausgeübt worden, damit sie zum Islam konvertierten. Wenn hierzu im Klageverfahren unter Beweisantritt erklärt wird, der Kläger sei zum Zeitpunkt der Anhörung erheblich psychisch belastet gewesen, kann dies die stereotype und oberflächliche Darstellung nicht erklären. Der Kläger war nämlich durchaus in der Lage vom Tod seines Onkels und der Trennung von seinen Eltern zu berichten. Jedenfalls hat auch der Prozessbevollmächtigte bei der Antragstellung sehr oberflächlich und allgemein gehaltenen lediglich vorgetragen, der Kläger habe wegen der Verfolgung als Teil der hinduistische Minderheit das Land verlassen und die Familie sei regelmäßig durch Moslems (sic!) bedroht worden. Da auch im Übrigen Angaben zu den persönlichen Umständen gemacht wurden, ist es bemerkenswert, dass die angeblich regelmäßigen Besuche durch die Taliban und das Versteckt werden im Keller keinen Niederschlag in der Antragsbegründung gefunden haben.
35Unabhängig von dem angeblichen individuellen Schicksal des Klägers, ist nach Ansicht des Gerichts der Flüchtlingsstatus auch nicht deshalb zu gewähren, weil Hindus im hier in Rede stehenden Zeitraum 2011 aufgrund ihrer Religions- oder Volkszugehörigkeit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt gewesen wären. Es ist nicht anzunehmen, dass die Hindus an ihrer Religionsausübung derart gehindert (worden) sind, dass dies einen erheblichen Eingriff in die Religionsfreit bedeuten würde. Zudem konnte auch nicht festgestellt werden, dass eine öffentliche Religionsausübung oder bestimmte Formen hiervon für den Kläger zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig waren und er diese bei seiner Rückkehr nach Afghanistan auszuüben beabsichtigt. Schließlich ergibt sich eine Gruppenverfolgung auch nicht aus der Kumulation von Einschränkungen und Eingriffen in den übrigen Lebensbereichen.
36Die Annahme des Flüchtlingsstatus i.S.d. § 3 AsylVfG setzt voraus, dass dem Betroffenen in eigener Person eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht. Diese Gefahr eigener Verfolgung des Schutzsuchenden kann sich auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines relevanten Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gruppenverfolgung).
37Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1991 – 2 BvR 902/85 u.a. –; BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1989 – 9 C 33/87 –; OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009 – 3 A 627/07.A –, jeweils zitiert nach juris.
38Die für die unmittelbare und mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar. In beiden Fällen setzt die Annahme einer Gruppenverfolgung, wenn nicht Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm bestehen, eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus. Für deren Feststellung ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Güter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und -gebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen oder um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 – 9 C 158/94 –; Urteil vom 18. Juli 2006 – 1 C 15/05 –; OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009 – 3 A 627/07.A –, Urteil vom 22. November 2010 – 9 3287/07.A –; jeweils juris.
40Für die Beurteilung, ob die Verfolgungsdichte die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertigt, müssen Intensität und Anzahl aller Verfolgungshandlungen zur Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden. Allein die Feststellung „zahlreicher“ oder „häufiger“ Eingriffe reicht nicht aus. Denn eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten möglicherweise bereits als bedrohlich erweist, kann bei einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen, weil sie in Bezug auf die Zahl der Gruppenmitglieder nicht ins Gewicht fällt und sich deshalb nicht als Bedrohung der Gruppe darstellt.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009, a.a.O., Urteil vom 22. November 2010 – 9 3287/07.A –, juris.
42Dabei ist dieser abstrakte Maßstab für die erforderliche Verfolgungsdichte auch bei kleinen Gruppen einschlägig; im Einzelfall kann aber eine weitere Quantifizierung der Verfolgungsschläge entbehrlich sein.
43Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 2002 – 1 B 42/02 –; SächsOVG, Urteil vom 26. August 2008 – A 1 B 499/07 –; juris.
44Nach den dargelegten Maßstäben ist die Kammer nach Auswertung der ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen der Ansicht, dass Hindus - jedenfalls zur Zeit der Ausreise des Klägers im Jahr 2011 - keiner sie als Gruppe treffenden nichtstaatlichen Verfolgung ausgesetzt waren.
45So auch für 2006/2007: VG Sigmaringen, Urteil vom 16. März 2006 – A 2 K 10962/05 –; VG Ansbach, Urteil vom 26. November 2007 – AN 11 K 07.30632 – (kein hinreichender Organisationsgrad der Verfolger); für 2008: OVG NRW, Urteil vom 16. Juni 2008 – 20 A 4676/06.A –; VG Hamburg, Urteil vom 10. September 2008 – 5 A 466/06 –; für 2010 VGH Baden Württemberg, Urteil vom 19. September 2013 – A 11 S 689/13 –; für 2011: VG Trier, Urteil vom 2. Februar 2011 - 5 K 977/10.TR -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24. Juli 2014 - 5a K 5809/12.A -; offen gelassen für 2009: VG Köln Urteil vom 19. Februar 2013 - 14 K 2908/11.A -;
46a.A. für das Jahr 2006/2007: VG Wiesbaden, Urteil vom 17. Februar 2006 – 7 E 559/05.A(1) –; VG Minden, Urteil vom 8. Juni 2006 – 9 K 1891/06.A –; VG München, Urteil vom 30. Januar 2007 – M 23 K 06.50875 –(mangels Zentralgewalt); VG Leipzig, Urteil vom 21. März 2007 – 1 A 30746/03.A –; für 2008: SächsOVG Urteil vom 26. August 2008 – A 1 B 499/07 –; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013 – 5a K 3406/12.A –, juris; für 2009: HessVGH, Urteil vom 2. April 2009 – 8 A 1132/07.A –; VG Bremen, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 2 K 2140/05.A –; VG Cottbus, Urteil vom 18. August 2009 – 7 K 268/09.A –; für 2010: VG Stuttgart, Urteil vom 29. Januar 2013 – A 6 K 4443/12 –, (aufgehoben durch VGH Baden Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.); jeweils zitiert nach juris.
47Wie auch der VGH Baden Württemberg,
48vgl. Urteil vom 19. September 2013 – A 11 S 689/13 –, juris,
49geht das Gericht zunächst davon aus, dass eine religiöse Betätigung des hinduistischen Glaubens in Kabul erfolgen kann, ohne dass daran Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3a AsylVfG geknüpft sind.
50Der Begriff der Religion als Verfolgungsgrund gem. § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG umfasst theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten und öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Hierdurch wird auch und insbesondere die Religionsausübung in der Öffentlichkeit geschützt, so dass es den Betroffenen unter Geltung des § 3b AsylVfG nicht mehr zuzumuten ist, öffentlich praktizierten Riten der Glaubensgemeinschaft - etwa Gottesdiensten oder Prozessionen - fernzubleiben, um (staatliche) Sanktionen zu vermeiden.
51Vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012 – verb. Rs. C-71/11 und C-99/11 –; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 201, a.a.O.
52Dabei stellt aber nicht jede Beeinträchtigung der so verstandenen Ausübung der Religionsfreiheit zugleich eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylVfgG dar. Es muss sich um eine schwerwiegende Rechtsverletzung handeln, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt.
53Vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012, a.a.O.
54Zu den Handlungen, die nach der Rechtsprechung des EuGH eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit im Sinne § 3a AsylVfG darstellen können, gehören nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit des Antragstellers, seinen Glauben im privaten Rahmen zu praktizieren, sondern auch solche in seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben. Die Beachtlichkeit einer Verletzungshandlung ist demnach nicht danach zu beurteilen, ob diese in einen Kernbereich der privaten Glaubensbetätigung („forum internum“) oder in einen weiteren Bereich der öffentlichen Glaubensausübung („forum externum“) eingreift.
55Vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O.
56Ein hinreichend schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit setzt schließlich nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr der Verfolgung aussetzt. Vielmehr kann bereits der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung erreichen.
57Vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O.
58Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im § 3a AsylVfG zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab. Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter wie z.B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Als relevanten subjektiven Gesichtspunkt für die Schwere der drohenden Verletzung der Religionsfreiheit ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis in der Öffentlichkeit zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist.
59Vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O.
60Die konkrete Glaubenspraxis muss für den Einzelnen ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Es reicht nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen - jedenfalls im Aufnahmemitgliedstaat - nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben in einer für ihn als verpflichtend empfundenen Weise auszuüben oder hierauf wegen der drohenden Sanktionen zu verzichten.
61Dies vorangestellt ist davon auszugehen, dass der hinduistische Glaube in Kabul - auch öffentlich - gelebt werden kann, ohne dass die Betroffenen eine erheblich relevante Verfolgung befürchten müssen.
62Aufgrund der übereinstimmenden Erkenntnislage und mit der soweit ersichtlich einhelligen Meinung in der Rechtsprechung kann bereits nicht von einer religiös motivierten Verfolgung durch den afghanischen Staat ausgegangen werden.
63Vgl. u.a. explizit HessVGH, Urteil vom 2. April 2009 – 8 A 1132/07.A –, juris; VGH Baden Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013, a.a.O.
64Hindus sind bei ihrer Religionsausübung auch nicht einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure i.S.d. § 3c AsylVfG ausgesetzt. Sie sind insbesondere nicht gezwungen, zur Vermeidung schwerwiegender Eingriffe in die körperliche Integrität in der Öffentlichkeit ein Verhalten zu unterlassen, das als Glaubenszugehörigkeit bzw. -ausübung erkennbar ist. Soweit Beeinträchtigungen durch nichtstaatliche Akteure vorliegen, haben diese nicht die nach § 3a AsylVfG erforderliche Schwere.
65Der hinduistische Glaube ist durch eine vergleichsweise hohe Dynamik geprägt und lässt vielfache unterschiedliche Glaubensbetätigung zu. Zwar sprechen Religionswissenschaftler durchaus von einem monotheistischen Kern des Hinduismus; der „Allerhöchste“, der „Absolute“ manifestiert sich jedoch in zahllosen Gestalten und Aspekten. Von außen betrachtet zeichnet sich der Hinduismus durch eine nahezu unüberblickbare Vielfalt von Göttern und Göttinnen in Menschen- und Tiergestalt aus.
66Vgl. Danesch, Gutachten vom 09. Mai 2007 an VG Oldenburg, S. 2.
67Eine besondere Rolle in der religiösen Praxis spielt die Reinlichkeit in Gestalt verschiedener Waschungen. Wichtig für den religiösen Tagesablauf ist auch die morgendliche Segnung durch den Priester im Tempel mit Anbringung des Segenszeichens. Der Segnungspunkt wird mit roter Pulverfarbe zwischen die Augen getupft. Man bekommt dieses Zeichen nach einer hinduistischen Zeremonie oder zu anderen besonders feierlichen Anlässen; sie sollen Glück und Wohlstand bringen und vor Unglück bewahren und den ganzen Tag getragen werden.
68Vgl. Danesch, Gutachten vom 09. Mai 2007, a.a.O., S. 9.
69Eine besonders wichtige Rolle bei der Wahrung der kulturellen Identität spielen die religiösen Feste. Mehr als tausend verschiedene sind bekannt.
70Vgl. Danesch, Gutachten vom 09. Mai 2007, a.a.O., S. 7.
71Kern der hinduistischen Religion ist zudem die Lehre von der Wiedergeburt, durch welche die Seele oder der Wesenskern des Menschen nach dem Tod in einer immer neuen Existenz reinkarniert wird, bis der Gläubige irgendwann nach einer Kette von unendlich vielen Leben an sein Ziel gelangt, und Erlösung aus diesem Zyklus findet. Wie die nächste Existenz des Gläubigen aussehen wird, hängt von seinem Karma (Schicksal, Handlungen, Tat in diesem Leben) und der Befolgung der Vorschriften des Dharma, des „Rechten Weges“, ab.
72Vgl. Danesch, Gutachten vom 09. Mai 2007, a.a.O., S. 3.
73Eine große Bedeutung für die Glaubensausübung hat die Totenverbrennung. Die korrekte Durchführung sowohl der Verbrennung als auch der anderen Trauerrituale ist dabei wichtig für die weiteren Wiedergeburten des Verstorbenen; Angehörige laden schwere Schuld auf sich, wenn sie die vorgegebenen Regeln verletzen oder nicht vollständig ausführen.
74Vgl. Danesch, Gutachten vom 09. Mai 2007, a.a.O., S. 4.
75Die danach essentiellen Glaubens- und Religionsbetätigungen können Hindus und Sikhs nach den vorhandenen Erkenntnisquellen innerhalb der Tempel und ihrer Wohnbezirke frei ausüben.
76Vgl. International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt, Ziff. V.
77Dabei ist zwar davon auszugehen, dass die von den Taliban zerstörten Tempel nicht wieder aufgebaut worden sind. Dennoch sind Tempel vorhanden, die auch aktiv genutzt werden. Die Zahl der Tempel variiert je nach Erkenntnismittel.
78Vgl. Bundesamt, Situation der Hindus und Sikhs, a.a.O., S. 14; International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt, Ziff. II.
79Die International Organization for Migration (IOM) bestätigt in ihrer Auskunft vom 20. September 2011 gegenüber dem Bundesamt aber, dass es jedenfalls in Kabul zwei „aktive“ Tempel gibt. Bei der Auskunft handelt es sich um eine Antwort auf einen Fragenkatalog des BAMF, der von der IOM zusammen mit Vertretern der hinduistischen Gemeinde vor Ort beantwortet und 2011 überarbeitet wurde.
80Vgl. International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt.
81Nach Aussage der afghanischen Menschenrechtsorganisation AIHRC praktizieren Hindus und Sikhs zumindest in Kabul ihren Glauben auch öffentlich. Im April 2010 hätten sich Hindu- und Sikh-Gemeinden erstmals seit vielen Jahren mit einer öffentlichen Feier zum über 300-jährigen Bestehen der Sikh-Kultur in Afghanistan wieder bemerkbar gemacht. Die Feier in einem Stadtteil von Kabul sei ungehindert und friedlich verlaufen.
82Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13 f.;
83Seit 2006 sind auch keine Fälle religiöser Verfolgung oder Diskrminierung bekannt geworden.
84Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13 f.
85Hinsichtlich der Durchführung von Bestattungsriten teilte das Auswärtige Amt mit, dass es Hindus grundsätzlich gestattet sei, Verstorbene gemäß ihrer religiösen Riten zu bestatten. Dies erfolge in aller Regel ohne Zwischenfälle, da die Verbrennungen innerhalb der Wohn-Compounds stattfänden, in denen die Hindugemeinschaften lebten. Bisweilen kommen es zu Behinderungen oder Störungen von muslimischer Seite. Allerdings hat die afghanische Regierung auf den Streitpunkt Feuerbestattungen reagiert und den Hindus einen für die Feuerbestattungen gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt.
86Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13 f.; International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt, Ziff. V.; Auswärtiges Amt, Lagebericht Februar 2014, S. 11; im Einzelnen und mit vielen weiteren Nachweisen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 52 ff., m.w.N.
87Dies deckt sich mit den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach der Kläger zusammen mit einigen Nachbarn den Leichnam seines Onkels rituell bestattet haben will. Danach haben die Nachbarn und er den Onkel auf einer Trage 20 Minuten zu dem Platz getragen, auf dem die Feuerbestattungen der Hindus regelmäßig stattfinden. Zwar haben sie sich nach Angabe des Klägers beeilt und die Bestattung am frühen Abend durchgeführt; allerdings konnte das Ritual nach Aussage des Klägers ohne Störungen oder Belästigungen von außen stattfinden. Bezeichnend ist auch, dass nach eigenem Bekunden Nachbarn des Klägers, die Moslems gewesen sein sollen, dem Kläger geholfen haben und im Gegensatz zum Kläger selbst den Ort für die Feuerbestattungen kannten.
88Des Weiteren ist, auch davon auszugehen, dass im Fall von Störungen oder Belästigungen der Feuerbestattungen staatliche Hilfe zu erlangen ist, die die Störungen schließlich beheben und die Betroffenen schützen können. Nach Auskunft der IOM ist die Regierung grundsätzlich in der Lage und Willens ist, Hindus im Fall von Übergriffen zu schützen.
89Vgl. International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt, Ziff. VII.; anderslautende Auskunft allgemein zu Minderheiten unter Bezugnahme auf den UNHCR SFH, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 19.
90Dies deckt sich mit den Ausführungen des VGH Baden-Württemberg an, wonach die Polizei Bestattungen begleite, wenn sie zur Hilfe gerufen werde, und auch hinreichenden Schutz vor Belästigungen und Angriffen bieten könne.
91Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 58, 59, m.w.N.
92Demgemäß muss auch dem Hilfsbeweisantrag des Klägers, zu der Tatsache, dass es im Falle einer öffentlichen Religionsausübung zu gewaltsamen Übergriffen kommen würde, der afghanische Staat weder Willens noch in der Lage ist, hiergegen effektiven Schutz einzuholen, eine Auskunft der schweizerischen Flüchtlingshilfe in Bern einzuholen (Ziff. 1.), nicht nachgegangen werden. Liegen nämlich zu einer erheblichen Tatsache bereits amtliche Auskünfte oder gutachtliche Stellungnahmen vor, kann das Gericht von einer erneuten Begutachtung absehen, wenn die bisherigen Erkenntnismittel für die Würdigung ausreichen.
93Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2013 – 10 B 34.12 –, juris.
94Die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens steht gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts. Danach kann das Gericht eine weitere Begutachtung anordnen, wenn es die vorliegenden Auskünfte oder Gutachten ohne Rechtsverstoß für ungenügend erachtet (§ 412 Abs. 1 ZPO). Ungenügend sind Auskünfte und Gutachten insbesondere dann, wenn sie erkennbare Mängel aufweisen, etwa unvollständig, widersprüchlich oder sonst nicht überzeugend sind, wenn das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder wenn der Gutachter erkennbar nicht sachkundig ist bzw. Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen. Das gerichtliche Ermessen kann sich auch dann zu der Pflicht neuerlicher Begutachtung verdichten, wenn durch neuen entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beteiligten oder eigene Ermittlungstätigkeit des Gerichts die Aktualität der vorliegenden Auskünfte zweifelhaft oder wenn sonst das bisherige Beweisergebnis ernsthaft erschüttert wird. Schließlich kann die Erforderlichkeit der Einholung weiterer Auskünfte oder Gutachten auch darauf beruhen, dass die Fragestellung der bisherigen Gutachten sich - aufgrund tatsächlicher Entwicklungen oder wegen einer Rechtsprechungsänderung - als unzureichend erweist.
95Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2013, a.a.O.
96Daran gemessen konnte von einer erneuten Begutachtung abgesehen werden. Bei der Auskunft des IOM vom 20. September 2011 gegenüber dem Bundesamt handelt es sich um eine vergleichsweise aktuelle und erkennbar sachkundige Stellungnahme. Bei der IOM handelt es sich um eine nichtstaatliche, unabhängige Organisation. Die Stellungnahme aus September 2011 wurde zudem mit der lokalen Hindugemeinde vor Ort erarbeitet.
97Es liegen darüber hinaus keine Erkenntnisse dazu vor, dass Hindus in Afghanistan von staatlicher oder nichtstaatlicher Seite gezielt und in größerem Ausmaße hinsichtlich eines Religionswechsels unter Druck gesetzt werden. Soweit es vereinzelte Versuche nicht-staatlicher Akteure gegebenen haben mag,
98vgl. dazu z.B. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24. Juli 2014 – 5a K 5809/12.A –, juris.
99ergeben sich daraus keine Hinweise, dass es sich dabei um ein verbreitetes und systemisches Vorgehen gegen die Hindus handelt. Selbst wenn also eine Auskunft ergeben würde, dass es mitunter zum Versuch kommt, Hindus zum Religionswechsel zu bewegen, kann daraus kein nach den oben beschriebenen Maßstäben erforderlicher gravierender Eingriff in die Religionsfreiheit der Hindus als Gruppe ergeben. Schließlich ist den Erkenntnismitteln einheitlich zu entnehmen, dass Fälle, in denen es tatsächlich zu einer Zwangskonversion gekommen ist, nicht bekannt sind bzw. derartige Versuche nicht bestätigt werden können.
100Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 14.; International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt, Ziff. XV.;
101Dem insoweit gestellten Hilfsbeweisantrag (Ziff. 2) musste daher im Hinblick auf die mangelende Erheblichkeit bzw. die aussagekräftigen und belastbaren, bereits vorhandenen Erkenntnismittel nicht nachgegangen werden.
102Abgesehen davon, dass bereits nicht festgestellt werden konnte, dass danach keine gravierenden Eingriffe in die Glaubensbetätigung anzunehmen sind, konnte auch nicht mit der hierfür erforderlichen Überzeugung festgestellt werden, dass eine öffentliche Religionsausübung oder bestimmte Formen hiervon für den Kläger zur Wahrung seiner religiösen Identität elementar und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sind. Der Kläger hat zwar in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er an den Wochenenden in den Tempel gehe; allerdings hat er ebenfalls erklärt, in den vielen Jahren, die er in Kabul gelebt hat, lediglich zweimal im Tempel gewesen zu sein. Der Kläger hat zudem angegeben, dass er im Tempel auch etwas zu essen bekomme, so dass der Gang in den Tempel zumindest auch der sozialen Beziehungen und der Verpflegung wegen erfolgt. Es fehlt in diesem Zusammenhang an einer substantiierten Darlegung, dass und in welcher Form der Kläger seinen Glauben in seinem Heimatland ausgeübt hat bzw. wie er ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan auszuüben beabsichtigt. Der Einlassung des Klägers ist schließlich nicht zu entnehmen, dass es Bestandteil seiner Glaubensüberzeugung wäre, religiöse Betätigungen öffentlich durchzuführen, die ihn einer tatsächlichen Verfolgungsgefahr aussetzen würden.
103Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 04. Februar 2013 – 13 A 1303/12.A – , und vom 04. März 2013 – 13 A 446/13.A –, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.
104Die im Rahmen der wertenden Gesamtbetrachtung einzubeziehenden Diskriminierungen und allgemeinen Benachteiligungen, die Hindus (und Sikhs) durch staatliche Stellen und von privater Seite erleiden, führen ebenfalls nicht dazu, dass eine Gruppenverfolgung anzunehmen wäre.
105Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.; a.A. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013 – 5a K 3406/12.A –, juris.
106Nach Auswertung der Erkenntnisquellen schließt sich das Gericht abschließend der Auffassung des VGH Baden-Württemberg,
107vgl. Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.,
108an, dass die Situation für Hindus und Sikhs, Ausfluss der allgemeinen Situation in Afghanistan ist, die beschriebenen allgemeinen Missständen allerdings nicht Ergebnis eines gezielten Vorgehens gegen diese Minderheit ist.
109Über die Anzahl der in Afghanistan lebenden Hindus und Sikhs gibt es keine verlässlichen eindeutigen Informationen. Es ist jedoch anzunehmen, dass ihr Anteil bei deutlich unter einem Prozent der Bevölkerung liegt.
110Vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte Februar 2014, S. 11; Stand März 2013, S. 10; Stand Januar 2012, S. 16; Stand Februar 2011, S. 19; Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13.
111Für die danach verschwindend geringe Anzahl der Hindus (und Sikhs) ist anzunehmen, dass sie grundsätzlich in Politik und Ämtern vertreten sind.
112Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Februar 2014, S. 11
113Es ist zudem davon auszugehen, dass sie zwar im Alltag Diskriminierungen und allgemeinen Repressalien durch den Staat und durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind, diese aber keinen Grad erreichen, der die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertigt.
114Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.
115Es liegen – nach wie vor – keine Erkenntnisse dazu vor, dass Hindus bzw. Sikhs allein aufgrund ihrer Volks- bzw. Religionszugehörigkeit oder ihres Erscheinungsbilds Tötungen oder schweren körperlichen Misshandlungen ausgesetzt wären. Es wird zwar regelmäßig berichtet, dass es – wie bei Angehörigen anderer Minderheiten auch – zu wirtschaftlichen und kulturellen Diskriminierungen kommt. Es ist den Erkenntnisquellen aber nicht zu entnehmen, dass es dabei zu Gewalteinwirkungen kommt, die den Schluss zulassen würden, quasi jeder Angehörige der Minderheit sei hiervon ohne das Hinzutreten weiterer Umstände bedroht.
116Vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.
117Letztlich kommt es wohl auch von staatlicher Seite vereinzelt zu Diskriminierungen, zum Beispiel bei der Vergabe von staatlichen Arbeitsplätzen.
118Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13.
119Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts ist jedoch im Vergleich zur Zeit der Taliban-Herrschaft die staatliche Diskriminierung dieser Gruppe deutlich zurückgegangen.
120Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Februar 2014, S. 11
121Weiterhin sollen Berichten zufolge zwar Hindus und Sikhs Opfer illegaler Landnahmen gewesen sein;
122vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Februar 2014, S. 11,
123allerdings galt dies auch für Angehörige anderer Minderheiten.
124Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13.
125Es lässt sich den Erkenntnismitteln ebenfalls nicht entnehmen, dass den Hindus der Zugang zur medizinischen Versorgung verwehrt werden würde. Im Gegenteil sind nach der Auskunft der International Organization for Migration – IOM,
126vgl. Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt,
127die medizinischen Einrichtungen für Hindus zugänglich. Im Übrigen liegt es in der Natur der Sache, dass auch diese Personengruppe von den allgemeinen Defiziten des afghanischen Gesundheitswesens betroffen ist; dies rechtfertigt nicht die Annahme der Gruppenverfolgung.
128Schließlich haben Kinder von Sikhs und Hindus nach den vorliegenden Erkenntnismitteln auch Zugang zu staatlichen Schulen, auch wenn sie dort nach Angaben der afghanischen Menschenrechtsorganisation (AIHRC) oftmals gehänselt werden.
129Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Februar 2014, S. 11.; International Organization for Migration, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt.
130In Ghazni, Helmand und Kabul ist zudem je eine Schule für Sikhs vorhanden, an denen Dari und Paschtu unterrichtet wird.
131Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13.
132Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
133Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
moreResultsText
Annotations
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.
(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.
(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.