Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 20. Aug. 2015 - 5a K 4515/13.A
Tenor
Soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, wird das Verfahren eingestellt.
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung von Ziffer 3. und vollständiger Aufhebung von Ziffer 4. des Bescheides vom 5. September 2013 verpflichtet, in Ansehung der Person der Kläger ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen 5/6 der Kosten des Verfahrens, die Beklagte 1/6. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am °°. Dezember 19°° in L. geborenen Kläger zu 1. und die am °°. August 19°° geborene Klägerin zu 2. sind afghanischer Staatsangehörigkeit hinduistischer Volkszugehörigkeit und Glaubens. Sie heirateten im Tempel von L. am °°. Februar 20°°. Der am °°. August 20°° geborene Kläger zu 3. ist ihr gemeinsamer Sohn.
3Die Kläger verließen L. im April 2013 und reisten auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie stellten am 17. April 2013 einen Asylantrag, zu deren Begründung sie bei der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 7. Mai 2013 vortrugen, als Hindus seien sie in L. nicht willkommen gewesen. Dort lebten überwiegend Moslems, die die Hindus als „Kafer“ – Ungläubige – bezeichneten. Die Moslems wollten die Hindus bekehren und sprächen ihnen die Ehre ab. Sie dürften die Frauen nicht unbedeckt lassen, die Männer dürften sich nicht rasieren. Auch die Feuerbestattung würde ihnen versagt. Die Eltern des Klägers zu 1. lebten in I. . In Afghanistan lebten jedoch die Eltern der Klägerin zu 2. sowie der Schwager des Klägers zu 1.
4Der Kläger zu 1. erklärte zu seinem Verfolgungsschicksal, er habe in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet und dort frische Lebensmittel verkauft. Auch Moslems seien Kunden gewesen. Eines Tages habe ein Moslem, etwa 17 oder 18 Jahre alt, das Geschäft betreten und etwas gegessen. Dieser habe ihn gefragt, ob ein er „Lala“ – die paschtunische Bezeichnung für Hindu – sei. Dies habe er bejaht. Dann habe er ihn gefragt, warum er nicht zu einem anderen Glauben übergetreten sei. Er habe entgegnet, er sei ein stolzer Hindu. Auf dem Weg nach Hause habe ihn dieser Mann von einem Motorrad aus mit einem anderen Mann angegriffen. Sie hätten ihn geschlagen, mit einem klappbaren Rasiermesser im Gesicht verletzt und eine Schnittwunde zugefügt. Das sei Mitte 2012 geschehen. Auch danach sei er immer wieder bedroht worden, unter anderem damit, dass seine Schwester verschleppt werde. Aus diesem Grund habe er sie mit einem Unbekannten verheiratet. Das seien nicht die einzigen Probleme gewesen, die er dort erlitten habe. Die Hindus würden diskriminiert. Sie würden geschlagen und dürften keine Schule besuchen. Im Dorf seien zwei Hindufrauen verschleppt worden. Die eine sei nicht lebend zurückgekehrt, die andere noch immer verschwunden. Die Klägerin zu 2. trug im Wesentlichen vor, das Haus nicht habe verlassen zu können. Wenn sie das Haus verlassen habe, sei ihr das Leben schwer gemacht und sie bespuckt worden. Ihr Mann sei bedroht und geschlagen worden.
5Das Bundesamt lehnte den Asylantrag der Kläger durch Bescheid vom 5. September 2013 ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzes sowie Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen und forderte die Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte ihnen das Bundesamt die Abschiebung nach Afghanistan oder einen anderen zur Aufnahme bereiten Staat an. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, eine Einreise auf dem Luftweg hätten die Kläger nicht glaubhaft gemacht, was aufgrund der Drittstaatenregelung zu ihren Lasten gehe. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft komme nicht in Betracht, da der Kläger zu 1. unglaubwürdig sei. Sein Vorbringen sei oberflächlich und undetailliert gewesen, so dass nicht davon habe ausgegangen werden können, dass ein reales Geschehen wiedergegeben worden sei. Im Übrigen ändere sich bei der Wahrunterstellung des Vorbringens nichts an der rechtlichen Bewertung. Die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Hindus führe nicht zu einer landesweiten Verfolgungsgefahr.
6Gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 5. September 20123 haben die Kläger am 19. September 2013 Klage erhoben, zu deren Begründung sie vortragen: Ihnen drohe unabhängig von der Frage der Vorverfolgung eine religiös motivierte Verfolgung in Afghanistan, die von der muslimischen Bevölkerungsmehrheit ausgehe. Hindus seien der allgegenwärtigen Gefahr ausgesetzt, Opfer von Übergriffen der muslimischen Bevölkerung zu werden. Darüber hinaus lägen im Einzelfall über die Zugehörigkeit zum Hinduismus gefahrerhöhende Momente vor. Der Kläger zu 1. sei konkreten Übergriffen ausgesetzt gewesen. Die Klägerin zu 2. sei schwanger. Eine Familie mit zwei Kleinkindern könne auch nicht auf die inländische Fluchtalternative Kabul verwiesen werden.
7In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger die Klage, soweit sie auf die Anerkennung als Asylberechtigte gerichtet war, zurückgenommen.
8Im Übrigen beantragen die Kläger,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,hilfsweise,die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 zu verpflichten, ihnen subsidiären Schutz zu gewähren,äußerst hilfsweise,die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 zu verpflichten, festzustellen, dass in ihrer Person ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
10Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
11die Klage abzuweisen.
12Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15Der Einzelrichter ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO zuständig, nachdem ihm der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 28. Mai 2014 übertragen worden ist. Dieser konnte trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, da die Beklagte in der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen wurde, dass im Falle eines Ausbleibens eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt werden kann.
16Soweit die Klage zurückgenommen wurde, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
17Im Übrigen hat die Klage teilweise Erfolg. Sie ist zulässig, aber nur teilweise – in Bezug auf den zweiten Hilfsantrag – begründet.
18Der Bescheid des Bundesamtes vom 5. September 2013 ist rechtswidrig, soweit unter Ziffer 3. ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt, die Kläger unter Ziffer 4. zur Ausreise aufgefordert und ihnen die Abschiebung nach Afghanistan angedroht worden ist. Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
19Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Insoweit muss es sich um Gefahren handeln, die den einzelnen Ausländer in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen. Erfasst werden auch dabei nur zielstaatsbezogene Gefahren.
20Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, „allgemein“ ausgesetzt ist, sind demgegenüber nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bei Abschiebestopp-Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Insoweit entfaltet § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG grundsätzlich eine gewisse Sperrwirkung. Das Gleiche gilt in den Fällen, in denen aufgrund einer ausländerrechtlichen Erlasslage außerhalb des Anwendungsbereichs von § 60a AufenthG oder aufgrund einer aus individuellen Gründen erteilten Duldung für den Ausländer ein gleichwertiger Schutz vor Abschiebung – wie z.B. in den Fällen des § 58 Abs. 1a) AufenthG – tatsächlich besteht.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 – 10 C 13.12 –, bverwg.de, Rn 15 ff. m.w.N.
22Diese Sperrwirkung greift aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise nicht, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ würde.
23Vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Juli 2001 - 1 C 2.01 -, BVerwGE 114, 379, vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, NVwZ 2011, 48, und vom 29. September 2011 - 10 C24.10 -, NVwZ 2012, 451.
24Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung.
25Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Januar 2013 - 13 A 2635/12.A - und - 13 A 2673/12.A - sowie vom 13. Februar 2013 - 13 A 1524/12.A -.
26Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen.
27Vgl. BayVGH, Urteile vom 8. November 2012 - 13a B 11.30465 - und - 13a B 11.30391 -.
28Angesichts dessen geht das Gericht auf der Grundlage der Erkenntnisquellen, die ihm zur Verfügung stehen, davon aus, dass trotz der nach wie vor teilweise äußerst schlechten allgemeinen Versorgungslage jedenfalls in Kabul nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jeder Rückkehrer aus Europa den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung nach Kabul erleiden müsste. Dies entspricht auch der obergerichtlichen Rechtsprechung.
29Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. August 2014 – 13 A 2998/11.A –, juris Rn. 250 ff.; Urteil vom 19. Juni 2008 - 20 A 4676/06.A - und Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 20 A 964/10.A -; vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 21. März 2012 - 8 A 11048/10 - und - 8 A 11050/10 -; BayVGH, Urteil vom 3. Februar 2011 - 13a B 10.30394 -; OVG Schleswig, Urteil vom 10. Dezember 2008 - 2 LB 23/08 -; dem hat sich auch der VGH Baden-Württemberg unter Aufgabe der Senatsrechtsprechung in den Urteilen vom 14. Mai 2009 - A 11 S 610/08 - und 9. Juni 2009 - A 11 S 477/09 - (beide aufgehoben und zurückverwiesen durch BVerwG, Urteile vom 8. September 2011 - 10 C 16.10 - und - 10 C 14.10 -) angeschlossen, vgl. Urteile vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 - sowie vom 27. April 2012 - A 11 S 3079/11 - und - A 11 S 3392/11 -.
30Zwar herrscht nach den vorliegenden Erkenntnisquellen in Kabul ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum und ein Zugang zu sauberem Wasser sowie bezahlbarem Strom ist nicht überall gewährleistet. Infolgedessen sehen sich zahllose Menschen gezwungen, in prekären Unterkünften wie Lehmhütten, Zelten oder alten beschädigten Gebäuden zu hausen. Bei alledem ist die Kriminalität und Gefahr, Opfer von Überfällen zu werden, hoch. Soziale Sicherungssysteme bestehen nicht und die allgemeine medizinische Versorgung ist schlecht. Andererseits hat sich in vielen Stadtteilen Kabuls, zumal im Stadtzentrum, die Lage seit 2009 – etwa mit Blick auf die Stromversorgung, die Eröffnung von Geschäften und die Etablierung einer Müllabfuhr und eines Mindestmaßes an Ordnung überhaupt – durchaus verbessert.
31Vgl. etwa Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 406, 408 ff., mit weiteren Nachw.; s. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, mit Hinweis auf u. a. auf Kermani, Die Zeit vom 5. Januar 2012, 11 ff.; siehe auch Danesch, Auskunft an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof v. 3. September 2013.
32Erkenntnisquellen, die in signifikanter Weise den Hungertod von Rückkehrern in Kabul dokumentieren, liegen allerdings nicht vor.
33Ebenso UNHCR, Gutachten an OVG Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011, S. 10 f.
34Auch der Bericht von amnesty international zur Lage der Binnenflüchtlinge aus Februar 2012,
35„Die Flucht vor dem Krieg führt ins Elend – Die Not der Binnenflüchtlinge in Afghanistan“, zit. nach ACCORD, Anfragebeantwortung vom 1. Juni 2012 zur Situation von Minderjährigen ohne familiäre Anknüpfungspunkte bei Rückkehr,
36enthält keine Hinweise darauf, dass praktisch jeder mittellose Rückkehrer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod durch Verhungern oder Erfrieren mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeliefert werden würde. Zwar sind gemäß der Einschätzung von amnesty international die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern von Kabul aufgrund des Mangels an Wohnungen, Lebensmitteln und Heizmaterial für Familien im Allgemeinen und kleine Kinder im Besonderen humanitär kritisch. Reguläre Arbeitsangebote für die Menschen in diesen Slums seien rar, viele Männer und Jungen könnten aber als Lastenträger arbeiten und damit 600 bis 750 Afghanis (13 bis 16 US-Dollar) pro Woche verdienen.
37Vgl. hierzu auch BayVGH, Beschluss vom 26. Oktober 2012 - 13a ZB 12.30108 -.
38Bei alledem ist und bleibt das ökonomische Überleben in Afghanistan auch und gerade von der familiären Unterstützung abhängig. Die Rückkehrsituation, die ein Rückkehrer in Kabul vorfindet, wird daher auch davon mitbestimmt, ob er sich auf familiäre oder sonstige verwandtschaftliche Strukturen verlassen kann, oder ob er auf sich allein gestellt ist. Je stärker noch die soziale Verwurzelung des Rückkehrers oder je besser seine Vertrautheit mit den Lebensverhältnissen ist, desto leichter und besser kann er sich in die jetzige Situation in Afghanistan wieder eingliedern und dort jedenfalls ein Überleben sichern.
39Vgl. VG Augsburg, Urteil vom 23. Januar 2013 - Au 6 K 12.30234 -; ebenso VG Würzburg, Urteil vom 26. September 2012 - W 2 K 11.30396 -.
40Unter Berücksichtigung all dessen ergibt eine Gesamtschau der aktuellen Auskünfte, dass vor allem für alleinstehende, aus dem europäischen Ausland zurückkehrende und arbeitsfähige Männer aus der Bevölkerungsmehrheit ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen in Kabul die Möglichkeit besteht, als Tagelöhner zumindest ein kümmerliches Einkommen am Rande des Existenzminimums zu sichern.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 – www.berwg.de; BayVGH, Urteile vom 8. November 2012 - 13a B 11.30391 - und - 13a B 11.30465 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. März 2012 - 8 A 11050/10 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -; OVG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2010 - 20 A 964/10.A -; OVG Schleswig, Urteil vom 10. Dezember 2008 - 2 LB 23/08 -.
42Andererseits kann sich nach Auffassung des Gerichts selbst für Kabul für besonders schutzbedürftige Rückkehrer wie minderjährige, alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien mit minderjährigen Kindern und Personen, die aufgrund besonderer persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen, durchaus eine extreme Gefahrenlage ergeben, die nach den aufgezeigten Maßstäben ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zur Folge hat.
43Vgl. etwa aus der Rechtsprechung des VG Augsburg: Urteile vom 23. Januar 2013 - Au 6 K 12.30234 - (Rückkehrgefahren wegen langjährigen Aufenthalts im Iran und Schussverletzung); vom 23. Januar 2013 - Au 6 K 12.30233 - (jugendliches Alter; gesamtes Leben im Iran verbracht); vom 23. Januar 2013 - Au 6 K 12.30232 - (Rückkehrgefahren für junge Frau); vom 9. Januar 2013 - Au 6 K 12.30127 - (Gefahren bei Rückkehr eines Minderjährigen nach Kabul); vom 26. Oktober 2012 - Au 6 K 11.30425 - (keine eigenständige Sicherung des Existenzminimums für Minderjährigen), vom 11. Oktober 2012 - Au 6 K 12.30100 - (18-jährig, in schlechter psychischen Verfassung und ohne Erfahrungen im Berufsleben), vom 10. Oktober 2012 - Au 6 K 11.30359 - (alleinstehende, ältere Frau); vom 13. März 2012 - Au 6 K 11.30402 - (Rückkehr angesichts des Alters, 63 und 59 Jahre, und des Gesundheitszustandes nicht zumutbar), vom 11. Januar 2012 - Au 6 K 11.30309 - (vierköpfige Familie mit zwei Kindern im Alter von zwölf und vierzehn Jahren), vom 24. November 2011 - Au 6 K 11.30222 - (Familienverband mit vier kleinen Kindern) und vom 16. Juni 2011 - Au 6 K 11.30153 - (Familie mit zwei Kindern).
44Es ist zudem zu beachten, dass Familienangehörige wegen des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 GG nur gemeinsam mit ihren Kindern und ihrem Ehepartner nach Afghanistan zurückkehren können. Daher sind bei der Beantwortung der Frage, ob das Existenzminimum am Zufluchtsort gewährleistet sein wird, alle Familienmitglieder gemeinsam in den Blick zu nehmen.
45Vgl. VG Augsburg, Urteil vom 24. Mai 2012 - Au 6 K 11.30369 -, juris; vgl. auch Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 5. Juni 2013 - 2 BvR 586/13 -, juris.
46Nach diesen Maßgaben ist in den Personen der Kläger ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anzunehmen. Eine Familie mit – zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung – zwei Kleinkindern zählt im vorliegenden Einzelfall zur Gruppe besonders schutzbedürftiger Rückkehrer. Hinzu kommt, dass sie als Hindus in Afghanistan einer ausgrenzten Minderheit angehören und dadurch zusätzlicher Diskriminierung ausgesetzt sind, wie sie in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen haben. Dieser Umstand deckt sich mit der Kammerrechtsprechung,
47vgl. Urteil vom 24. Juli 2014 – 5a K 5809/12.A –, juris,
48und den Erkenntnissen zur Lage der Hindus und Sikhs in Afghanistan.
49Vgl. zuletzt: „Verfolgt und diskriminiert – Sikhs und Hindus in Afghanistan“, TAZ vom 12. Juni 2015; Schweizerische Flüchtlingshilfe, aktuelle Lage afghanischer Hindus – Auskunft SFH-Länderanalyse vom 13. September 2007.
50Die Kammer hat in der Vergangenheit für die Jahre 2007/2008 eine Gruppenverfolgung der Sikhs und Hindus in Afghanistan angenommen,
51vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013 – 5a K 3406/12 –, juris für den Zeitraum von 2007 und 2008; Übersicht über die Rechtsprechung bei VG Köln, Urteil vom 23. September 2014 – 14 K 19/13.A –, juris Rn. 44.
52Das Gewicht der Diskriminierung gegenüber den Hindus und Sikhs in Afghanistan kommt auch darin zum Ausdruck, dass sich ihre Anzahl im Jahre 2013 nach Feststellung obergerichtlicher Rechtsprechung auf insgesamt rund 3000 reduziert hat,
53vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013 – A 11 S 689/13 –, juris Rn. 73 f.; vgl. auch Seite 5 des angefochtenen Bescheides vom 5. September 2013.
54Wegen des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht § 34 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG der unter Ziffer 4. verfügten Abschiebungsandrohung entgegen, so dass diese ebenfalls aufzuheben war.
55Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
56Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG, auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus und auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
57Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG besteht nicht. Der Einzelrichter folgt, soweit darin eine Gruppenverfolgung der Sikhs und Hindus in Afghanistan abgelehnt wird, gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG den Ausführungen der Beklagten im Bescheid des Bundesamtes vom 5. September 2013 und sieht von einer weiteren Darstellung ab. Ergänzend ist auszuführen: Der Kläger zu 1. hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, es gebe in seiner Heimatstadt L. zwei Hindu- und einen Sikh-Tempel. Der Besuch dieser Tempel sei jederzeit möglich. Die Totenverbrennung, die religiöser Brauch der Hindus sei, sei etwa vier Autostunden von L. entfernt in der Stadt U. möglich. U. sei eine Hochburg der Taliban. Wenn demnach selbst in einer Zone unter dem Einfluss der Taliban die im Islam verpönte Totenverbrennung durchgeführt werden kann, spricht dies für eine deutliche Verbesserung der Lage der Hindus und Sikhs im Hinblick auf auch öffentliche religiöse Betätigungen. Dieser Schluss wird untermauert von weiteren Erkenntnissen zur Lage der Sikhs in Afghanistan. Zum 300-jährigen Bestehen der Sikh-Kultur im April 2010 wurde in Kabul öffentlich gefeiert. Die Feier verlief ungehindert und friedlich. Vor dem Hintergrund der Schilderungen des Klägers kann nun nicht mehr nur von einem „positiven Einzelfall“,
58so noch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013 – 5a K 3406/12.A –, juris Rn. 134 ff.,
59gesprochen werden, sondern ist Ausdruck einer grundlegend verbesserten Situation.
60Vgl. insoweit auch: OVG NRW, Beschluss vom 4. März 2013 – 13 A 446/13 –, juris Rn. 12; eine Gruppenverfolgung der Hindus in Afghanistan verneinend: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013 – A 11 S 689/13 –, juris (2. Leitsatz)
61Eine individuelle Verfolgung der Kläger, die eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach sich zöge, liegt ebenfalls nicht vor. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - Genfer Flüchtlingskonvention -, wenn er sich (Nr. 1) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 2) außerhalb des Landes befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. In den Fällen der §§ 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG ist der Flüchtlingsschutz dagegen ausgeschlossen.
62Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylVfG Handlungen, die (Nr. 1) auf Grund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere die Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist oder (Nr. 2) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist. Nach § 3 Abs. 2 AsylVfG gelten unter anderem als Verfolgungshandlung (Nr. 1) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, (Nr. 2) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, (Nr. 3) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, (Nr. 4) die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, (Nr. 5) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die den Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 2 AsylVfG ausschließen, (Nr. 6) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
63Ausgehen kann die Verfolgung gemäß § 3c AsylVfG (Nr. 1) von dem Staat, (Nr. 2) von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder (Nr. 3) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
64Nach § 3d Abs. 2 AsylVfG muss der Schutz vor Verfolgung wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Nach Satz 2 ist generell ein solcher Schutz gewährleistet, wenn der Staat oder die Parteien bzw. Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Interner Schutz schließt dabei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, und zwar dann, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung im vorbeschriebenen Sinne hat und der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3e Abs. 1 AsylVfG.
65Schließlich muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylVfG zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
66Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 337, S. 9-26) - sog. Qualifikationsrichtlinie - privilegiert dabei den von ihm erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab.
67Vgl. zur wortgleichen Vorgängerregelung in Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG: BVerwG, Urteile vom 7. September 2010 - 10 C 11.09 -, vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, und vom 1. Juni 2011 - 10 C 10.10 u. 10 C 25.10 -; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -; OVG Thüringen, Urteil vom 28. November 2013 – 2 KO 185/09 -; OVG Saarland, Urteil vom 16. September 2011 - 3 A 352/09 -; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 4 LB 5/11 -, jeweils zitiert nach juris.
68Im Übrigen folgt aus den in Art. 4 RL 2011/95/EG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Klägers, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu muss er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine Verfolgung droht.
69Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 RL 2004/83/EU: OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -, zitiert nach juris.
70Dies zugrunde gelegt, liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mangels Verfolgungshandlung nicht vor. Der Kläger zu 1. hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, zwei Männer hätten das Lebensmittelgeschäft, in dem er gearbeitet habe, betreten und ihn aufgefordert, zum Islam überzutreten. Später hätten sie ihn geschlagen und mit einem Messer an der rechten Backe verletzt. Einige Zeit später hätten sie ihn erneut aufgesucht, ihn gewürgt, mit einem Messer am Hals verletzt und ihm mitgeteilt, dies sei die letzte Warnung, um zum Islam überzutreten. Außerdem sei das Haus der Kläger mit Steinen beworfen worden. Diese Geschehnisse als wahr unterstellt, überschreiten sie nicht die dargelegte asylerhebliche Schwelle der schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG). Es handelt sich bei den Taten, die der Kläger zu 1. erlitten hat – die Narben an Hals und rechter Wange hat er in der mündlichen Verhandlung vorgezeigt –, um Straftaten, nach nationalen Maßstäben um gefährliche Körperverletzungen, nicht jedoch um Handlungen, die unter die Artikel 2 (Recht auf Leben), 3 (Verbot der Folter), 4 Absatz 1 (Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft) und 7 (keine Strafe ohne Gesetz) EMRK fallen und damit nicht von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG erfasst werden.
71Die geschilderten Erlebnisse erreichen auch keine Qualität, dass sie kumulativ die Schwelle des § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG erreichen. Soweit der Kläger zu 1. ausgeführt hat, sein Haus sei mit Steinen beworfen, er sei wiederholt von Muslimen bespuckt und von der muslimischen Bevölkerungsmehrheit wiederholt zum Wechsel der Religion gedrängt worden, erreichen diese Handlungen auch unter Berücksichtigung der bereits erörterten Diskriminierungshandlungen zum Nachteil der Sikhs und Hindus nicht kumulativ die Intensität einer asylerheblichen Verfolgungshandlung.
72Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG, wonach von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen ist, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Voraussetzungen hierfür sind, weil den Klägern bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen Situation keine erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt drohen, nicht erfüllt. Insoweit folgt der Einzelrichter den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Bescheides, auf den gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG verwiesen wird. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Auch insoweit folgt der Einzelrichter den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Bescheides, auf den gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG verwiesen wird.
73Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1, 2 VwGO. Die Kostenquotelung orientiert sich am Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni 2009 – 10 B 60/08 – juris Rn. 9, und entspricht der Kammerpraxis,
74vgl. Urteil vom 6. März 2015 – 5a K 3397/14 –, juris.
75Gerichtskosten werden nach § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 20. Aug. 2015 - 5a K 4515/13.A
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 20. Aug. 2015 - 5a K 4515/13.A zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn
- 1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.
(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.
(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.
(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer
- 1.
unerlaubt eingereist ist, - 2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder - 3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer
- 1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet, - 2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist, - 3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist, - 4.
mittellos ist, - 5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt, - 6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder - 7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.
(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.
(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.
(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.
(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.
(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.
(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.
(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16. November 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am 5. November 1980 in der afghanischen Provinz Logar geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, tadschikischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Bis zu seiner - eigenen Angabe zufolge - im Mai 2010 erfolgten Ausreise aus Afghanistan lebte der Kläger ledig in dem Dorf Shah Mazar nahe der Stadt Baraki Rajan im Bezirk Baraki Barak in der Provinz Logar. Dort bewirtschaftete er nach Abschluss seiner Schullaufbahn nach der zehnten Klasse der Mittelschule ein eigenes Landstück, auf dem er Getreide und Gemüse anbaute. Diese Erzeugnisse verkaufte er in einem eigenen Geschäft und bestritt von dem Erlös seinen Lebensunterhalt.
3Der Kläger ist am 8. August 2010 nach dreimonatiger Reise auf dem Landweg nach Deutschland eingereist. Hier beantragte er noch am 8. August 2010 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
4Am 13. August 2010 und am 23. August 2010 wurde der Kläger vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) angehört, wo er u.a. folgende Angaben machte: Nach dem Tod seiner Eltern habe er gemeinsam mit seinem Bruder bei einer Schwester seines Vaters gelebt. Vor eineinhalb Jahren seien die Taliban in sein Dorf gekommen. Darunter sei auch sein Onkel gewesen, der eine Art Gruppenführer bei den Taliban sei. Sie hätten ihn und seinen Bruder aufgefordert, sich ihnen anzuschließen und in den Jihad zu ziehen. Dem sei seine Tante erfolgreich entgegengetreten. Nach deren Tod vor ungefähr sechs Monaten habe sein Onkel ihn und seinen Bruder gewaltsam mitgenommen. Beide hätten zwei Monate bei den Taliban verbracht. Von dort aus hätten sowohl er als auch sein Bruder die Polizei verständigt, die ihnen ihre Hilfe versagt hätte. Gleichwohl habe der Anruf seines Bruders dazu geführt, dass eine Gruppe Taliban festgenommen worden sei. In der Folgezeit hätten die Taliban ihn und seinen Bruder als Reaktion auf den mutmaßlichen Verrat geschlagen und in unterschiedliche Räume eingesperrt. Sein Bruder sei hingerichtet worden. Er selber sei - nach drei Tagen im Gefängnis - freigekommen, als es ihm gelungen sei, einen befreundeten Wärter zu bestechen.
5Mit Bescheid vom 24. August 2010 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, weil dieser auf dem Landweg und damit zwangsläufig über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik eingereist sei. Gleichzeitig stellte es unter Hinweis auf die fehlende Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen. Ferner enthält der Bescheid die Feststellung, dass Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht gegeben sind (Ziffer 3). Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, die Todesstrafe oder eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines bestehenden internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts drohe. Ebenso wenig sei erkennbar, dass der Kläger in Afghanistan einer erheblichen individuellen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt sei. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, andernfalls er nach Afghanistan oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat abgeschoben werde.
6Der Kläger hat am 9. September 2010 Klage erhoben, zu deren Begründung er sein Vorbringen vor dem Bundesamt wiederholt und vertieft und ergänzend u.a. Folgendes vorgetragen hat: In seiner Heimatprovinz Logar finde ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zwischen der afghanischen Regierung/ISAF/NATO einerseits und den Taliban und anderen aufständischen Kräften andererseits statt. Die hiervon gegen die Zivilbevölkerung ausgehenden Akte willkürlicher Gewalt erreichten ein so hohes Niveau, dass alle Zivilpersonen, die sich in der Provinz aufhielten, ernsthaft und konkret an Leib und Leben bedroht seien. Die Taliban führten in Logar einen Partisanenkrieg. Er befürchte, von ihnen zwangsrekrutiert zu werden. Effektiver Schutz gegen die Taliban sei in Afghanistan landesweit nicht gewährleistet. Da er die Taliban verraten habe, müsse er damit rechnen, an jedem Ort Afghanistans von ihnen ausfindig gemacht zu werden. Zudem habe er dort keine Verwandten und könne deswegen nicht auf die Unterstützung eines funktionsfähigen Familienverbandes zählen. Er verfüge auch über keinerlei Geldmittel, Besitz oder Eigentum, mit deren Hilfe er sich unterhalten könnte. Für alleinstehende, arbeitsfähige, männliche afghanische Staatsangehörige, die unfreiwillig aus Deutschland nach Afghanistan zurückkehrten, seien - auch in Kabul - kaum legale Erwerbsmöglichkeiten gegeben. Deswegen komme weder Kabul noch ein anderer Ort in Afghanistan für ihn als interne Schutzalternative in Betracht.
7Der Kläger hat - sinngemäß - beantragt,
8den Bescheid des Bundesamts vom 24. August 2010 aufzuheben, die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG (a.F.) i.V.m. Art. 13 RL 2004/83/EG zuzuerkennen,
9hilfsweise
10die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 24. August 2010 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 S. 2 AufenthG (a.F.) i.V.m. den Voraussetzungen von Art. 15 lit. a), b) und c) RL 2004/83/EG hinsichtlich Afghanistan vorliegen,
11äußerst hilfsweise
12die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 24. August 2010 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (a.F.) hinsichtlich Afghanistan vorliegen.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. November 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Eine Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter scheide aus, weil dieser über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik eingereist sei. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weil er keine Verfolgung in Anknüpfung an ein flüchtlingsschutzrelevantes Merkmal befürchten müsse. Abschiebungsverbote seien ebenfalls nicht gegeben. Dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2, Abs. 2, 3 und 5 AufenthG nicht erfüllt seien, liege auf der Hand. Eben so wenig liege ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor, denn die Schilderungen des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal seien unglaubhaft.
16Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat mit Beschluss vom 25. März 2013 zugelassenen Berufung, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Klageverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend weist er darauf hin, dass in seiner Heimatprovinz Logar, die für die Taliban das Einfallstor in die Hauptstadt Kabul sei, weiterhin ein innerstaatlicher Konflikt herrsche, der durch intensivierte Aktivitäten gegen Aufständische, einschließlich Bombenangriffe durch ISAF/NATO aus der Luft, wahllose Anschläge regierungsfeindlicher Elemente und regionaler Kriegsherren sowie illegale Landbesetzungen, Enteignungen, religiöse Konflikte, Konflikte über die Benutzung von Weideland zwischen bewaffneten afghanischen Gruppierungen sowie unzureichende Reaktionen der Zentralregierung gekennzeichnet sei. In den südlichen und östlichen Provinzen gebe es mittlerweise offenen Krieg zwischen ISAF/NATO und den Taliban. Dabei werde die große Zahl ziviler Kollateralschäden billigend in Kauf genommen. Die Gefahrenlage betreffe praktisch die gesamte Bevölkerung von Logar. Die Provinz sei schon seit Jahren in den Händen der Taliban und der Hezb-e-Islami, die in weiten Teilen faktisch die Macht ausübten. Auch das Haqqani-Netzwerk habe großen Einfluss. Dementsprechend handele es sich um eine religiös sehr konservative, von Paschtunen dominierte Provinz. Verstöße gegen die von den Taliban definierten „islamischen Sitten“ würden nach Maßgabe der Scharia hart bestraft. Junge Männer müssten damit rechnen, zwangsrekrutiert zu werden. Jeder, der in Verdacht gerate, mit den staatlichen afghanischen Stellen, den NATO-Truppen oder der CIA zusammenzuarbeiten, werde liquidiert. Die Taliban und die Gruppe Hezb-e-Islami hätten illegale Checkpoints an den Straßen eingerichtet. Dort komme es immer wieder zu Übergriffen wie Sprengstoffanschlägen und Entführungen.
17Die Lebensverhältnisse in Afghanistan seien inzwischen so verheerend, dass ein alleinstehender Rückkehrer, der nicht mit der Aufnahme in eine funktionierende Familien- oder Stammesstruktur rechnen könne, keinerlei Aussicht hätte, sich aus eigener Kraft eine Existenz zu schaffen. Amnesty International habe in einem Gutachten vom 20. Dezember 2010 festgestellt, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan erneut dramatisch verschlechtert habe.
18Zudem lägen in seiner Person gefahrerhöhende Umstände vor, die sich aus seiner tadschikischen Volkszugehörigkeit, der stattgefundenen Verfolgung durch seinen Onkel und der Hinrichtung seines Bruders ergäben.
19Der Kläger beantragt, die Frage, ob die Definition des Grades willkürlicher Gewalt bzw. der notwendigen Gefährdungsdichte seitens des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - mit Art. 15 lit. c) RL 2004/83/EG bzw. Art. 15 lit. c) RL 2011/95/EU vereinbar ist, dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) zur Entscheidung vorzulegen. Weiterhin beantragt er, den Rechtsstreit dem EuGH zur Klärung der Rechtsfrage vorzulegen, ob bei der Feststellung des Niveaus der willkürlichen Gewalt ohne gefahrerhöhende persönliche Umstände nur die Zahl der Todesfälle und Verletzungen bei der Zivilbevölkerung zugrunde gelegt werden dürfe bzw. müsse oder darüber hinaus auch die Zahl seelisch verletzter Personen mit ernsthaften seelischen Traumata, die Zahl der Vergewaltigungen oder sexuellen Gewaltakte gegen Frauen und Männer bzw. Kinder, die Zahl willkürlicher Festnahmen und Inhaftierungen, die Zahl der (auch drohenden) Zwangsrekrutierungen, die Anzahl der Binnenvertriebenen im Land, die erhebliche Dunkelziffer betreffend alle Zahlen und die humanitäre Situation zu berücksichtigen seien. Der Maßstab, den das Bundesverwaltungsgericht für die Gefährdungsdichte anlege, sei zu eng und nicht mit dem großzügigeren Maßstab, den der EuGH für die Annahme einer individuellen Bedrohung zugrunde lege, zu vereinbaren. Das gelte auch deswegen, weil durch dieses Erfordernis keine zusätzliche Hürde errichtet und keine Verschärfung der Beweislast habe eingeführt werden sollen. Es sei umstritten, ob die vom Bundesverwaltungsgericht geforderte statistische Ermittlung eines Gefährdungsquotienten mit der Qualifikationsrichtlinie vereinbar sei. Ungeachtet dessen, dass die verfügbaren Statistiken nicht aussagekräftig seien, müssten bei der Feststellung des Grades willkürlicher Gewalt neben der Zahl der Getöteten und Verletzten weitere Zahlen in den Blick genommen werden. Ferner beantragt er, den Rechtsstreit dem EuGH zur Klärung der Frage vorzulegen, ob die inländische Schutzalternative des Art. 8 RL 2004/83/EG bzw. nach Art. 8 RL 2011/95/EU voraussetzt, dass am Ort der inländischen Schutzalternative ein normales Leben mit Zugang zu Nahrung, Wasser, Unterkunft und medizinischer Versorgung unter Beachtung der individuellen Bedürfnisse und ein normales Leben mit mehr als dem bloßen Existenzminimum ohne ein Leben in Not und mit Entbehrungen auf Dauer gewährleistet, also sichergestellt ist, und die Garantie der Achtung der grundlegenden Menschenrechte des Betroffenen ein ausreichendes Maß an Stabilität und effektiven staatlichen und zivilen Schutzstrukturen, die auf Dauer effektiven Schutz vermitteln, gewährleistet.
20Die Kläger beantragt,
21das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16. November 2011 teilweise zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamts vom 24. August 2010 zu verpflichten, ihn gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG als subsidiär Schutzberechtigten anzuerkennen,
22hilfsweise,
23festzustellen, dass hinsichtlich seiner Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Die Beteiligten sind mit der Ladung auf die dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel hingewiesen worden. Der Senat hat den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung zu den Gründen seiner Ausreise angehört und den Beteiligten eine aktualisierte Erkenntnismittelliste ausgehändigt.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamts Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die nur hinsichtlich der Anerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 AsylVfG) und der Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungshindernisses gemäß
30§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG eingelegte Berufung hat keinen Erfolg.
31Sie ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der ablehnende Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er hat weder einen Anspruch auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nrn. 1, 2, 3 AsylVfG (1) noch auf die Feststellung eines in seiner Person begründeten nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (2).
32Für die Entscheidung über die Berufung ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende Sach- und Rechtslage maßgebend. Das ist hier die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9; im Folgenden: QRL II) vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) am 1. Dezember 2013 geltende Fassung des Aufenthalts- und des Asylverfahrensgesetzes. Eine Änderung des Streitgegenstandes ist durch diese Neufassung nicht eingetreten.
33Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2014 - 9 A 2561/10.A -, juris, Rn. 26 ff.; Sächsisches OVG, Urteil vom 29. April 2014 A - 4 A 104/14 -, juris, Rn. 16.
34Die erstinstanzlich geltend gemachten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) entsprechen dem nunmehrigen Antrag auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nrn.1, 2, 3 AsylVfG. In § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote, mit denen Art. 15 der Richtline 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304/12; im Folgenden: QRL I) umgesetzt und durch normative Verknüpfung mit § 4 Abs. 1 AsylVfG zusammengefasst worden war (BT-Drucks. 17/13063, S. 25). Die Regelungen sind - von der im Zuge der Neuregelung vorgenommenen terminologischen Umbenennung des Schutzstatus abgesehen - gleichlautend und materiell-rechtlich inhaltsgleich.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Januar 2014 - 9 A 2564/10.A -, juris, Rn. 28 ff.
36§ 60 Abs. 7 Satz 1 AsylVfG ist durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 nicht geändert worden (BT-Drucks. 17/13063, S.14).
37(1) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter, weil die Voraussetzungen der §§ 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, 4 Abs. 1 AsylVfG nicht vorliegen. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylVfG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Diese Bestimmung nimmt - wie bisher § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) - die Vorgaben des Art. 15 QRL I bzw. des gleichlautenden Art. 15 QRL II auf. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, wobei nach Satz 2 als solcher gilt 1. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, 2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder 3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Für die Feststellung der darin enthaltenen Abschiebungsverbote gelten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG die §§ 3c bis 3e AsylVfG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über Verfolgungs- und Schutzakteure und über internen Schutz auch auf diese Abschiebungsverbote - wie bisher schon - für anwendbar erklärt. Subsidiären Schutz kann nur beanspruchen, wem mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG bzw. Art. 15 QRL II droht. Das ergibt sich nun unmittelbar aus dem in Art. 2 lit. f) QRL II - der Definition des Begriffs „Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ - enthaltenen Tatbestandsmerkmal „… tatsächlich Gefahr liefe…“. Der darin zum Ausdruck kommende Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) ab.
38Vgl. EGMR (GK), Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06 (Saadi/Italien) -, NVwZ 2008, 1330 (1331), Rn. 125, 128; BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, juris, Rn. 20.
39(a) Der Kläger begründet sein auf die Gewährung subsidiären Schutzes gerichtetes Begehren - im Ergebnis ohne Erfolg - schwerpunktmäßig damit, dass ihm in Afghanistan ein ernsthafter Schaden in Form einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts drohe. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG - auf den dieses Vorbringen abzielt - ist die gleichlautende Umsetzung von Art. 15 lit. c) QRL II.
40(aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu Art. 15 lit. c) QRL I, die aufgrund der unveränderten Übernahme der Regelung in Art. 15 lit. c) QRL II übertragbar ist, ist der Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ein der Richtlinie eigener, autonomer Begriff, der im humanitären Völkerrecht keine unmittelbare Entsprechung findet. Denn anders als im humanitären Völkerrecht habe der Unionsgesetzgeber den Betroffenen nicht nur bei internationalen bewaffneten Konflikten und bewaffneten Konflikten, die keinen internationalen Charakter aufweisen, subsidiären Schutz gewähren wollen, sondern auch bei innerstaatlichen bewaffneten Konflikten, wenn bei diesen Konflikten willkürliche Gewalt eingesetzt werde. Das humanitäre Völkerrecht und die Regelung des subsidiären Schutzes verfolgten unterschiedliche Ziele und führten klar voneinander getrennte Schutzmechanismen ein. Mangels einer in der Richtlinie enthaltenen Begriffsbestimmung sei der Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts entsprechend seinem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen, wobei zu berücksichtigen sei, in welchem Zusammenhang er verwendet werde und welche Ziele mit der Regelung verfolgt würden, zu der er gehöre.
41Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 20 ff. m.w.N.
42Nach diesen Grundsätzen interpretiert der EuGH den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts als eine Situation, in der die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder in der zwei oder mehrere bewaffnete Truppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzung, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist.
43Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 35.
44Abweichend davon legt das Bundesverwaltungsgericht den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im humanitären Völkerrecht aus, die sich insbesondere aus den vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht vom 12. August 1949 (GFK) einschließlich der Zusatzprotokolle I und II vom 8. Juni 1977 - hier einschlägig: Art. 1 ZP II - zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte - ergibt, und zieht ergänzend das Völkerstrafrecht, insbesondere die Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs heran. Jedenfalls dann, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Ziffer 2 ZP II erfüllt seien, also bei inneren Unruhen und Spannungen, zu denen Tumulte, vereinzelt auftretenden Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen zählten, scheide die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 lit. c) QRL I aus. Der Konflikt müsse ein bestimmtes Maß an Dauerhaftigkeit und Intensität aufweisen. Damit würde den unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes andererseits hinreichend Rechnung getragen.
45Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, 22 f. und vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, juris, Rn. 22 ff.
46Zur Anwendung dieses Auslegungsmaßstabs hat das Bundesverwaltungsgericht einschränkend angemerkt, dass die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts jedenfalls dort ihre Grenze finde, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für Zivilpersonen, die in ihrem Herkunftsstaat von willkürlicher Gewalt in bewaffneten Konflikten bedroht seien, entgegenstehe. Mit Blick auf diesen Zweck setze das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 lit. c) der Richtlinie nicht zwingend voraus, dass die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreicht haben müssten, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach GFK und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich sei. Vielmehr könne es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage seien, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen werde. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben müsse, was andererseits nicht bedeute, dass das Vorliegen eines dieser Merkmale bei der Gesamtwürdigung nicht als Indiz für die Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts von Bedeutung sein könne. Damit würde den unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes andererseits hinreichend Rechnung getragen.
47Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 23 f.
48Beide Auslegungsmaßstäbe dürften überwiegend zu gleichen Ergebnissen führen. Hier spricht nach der aktuellen Erkenntnislage Vieles dafür, dass in der insoweit maßgebenden Heimatregion des Klägers, der Provinz Logar, nach beiden Interpretationen ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG herrscht.
49Vgl. einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in der Provinz Logar bejahend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25. August 2011 - 8 A 1657/10.A -, juris, Rn. 70.
50Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben. Sie ist nicht entscheidungserheblich, weil der Kläger im Rahmen dieses Konflikts jedenfalls keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist.
51(bb) Nach der Interpretation des Senats der zu diesem Tatbestandsmerkmal ergangenen Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich die individuelle Bedrohung - ungeachtet des Umstandes, der sie ausgelöst hat - im Ausgangspunkt nach dem in dem betreffenden Gebiet feststellbaren Niveau willkürlicher Gewalt, während die jeweiligen Ursachen der individuellen Bedrohung (nur) im Zusammenhang mit dessen graduellen Abstufungen maßgebend sind.
52Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - juris, Rn. 33; EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 30 ff.
53Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Im Ausnahmefall kann sie durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat.
54Gefahrerhöhende persönliche Umstände sind solche, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Hierzu zählen auch persönliche Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen und ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
56Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes "allgemein" ausgesetzt ist, stellen demgegenüber normalerweise keine individuelle Bedrohung dar (vgl. insoweit auch Erwägungsgrund 26 QRL I und Erwägungsgrund 35 QRL II). Eine Ausnahme davon gilt nur bei besonderer Verdichtung einer allgemeinen Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein.
57Vgl. EuGH, Urteile vom 17. Februar 2009 - Rs. C 465/07 (Elgafaji) -, juris, Rn. 35 und 39, und vom 30. Januar 2014 - Rs. C 285/12 (Diakité) -, juris, Rn. 30; BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 32 und vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, juris, Rn. 19.
58Erforderlich ist eine Situation mit Ausnahmecharakter,
59vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C- 465/07 (Elgafaji) -, juris, Rn. 38; BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 32,
60und damit eine individuell besonders exponierte Gefahrenlage.
61Diese unterscheidet sich von einer durch persönliche gefahrerhöhende Umstände begründeten ernsthaften individuellen Bedrohung, die gleichermaßen die Feststellung eines hohen Niveaus willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung erfordert,
62vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33,
63lediglich in gradueller Hinsicht.
64Dies hat der EuGH dahin präzisiert, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen müsse, damit ein Ausländer Anspruch auf subsidiären Schutz habe, um so geringer sein werde, je mehr er möglicherweise zu belegen vermöge, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen sei.
65Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C- 465/07 (Elgafaji) -, juris, Rn. 39; BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 -10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
66Ausgehend hiervon sind, unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, erforderlich.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
68Dabei sind neben völkerrechtswidrigen auch andere nicht zielgerichtete Gewaltakte zu berücksichtigen, weil eine Beschränkung auf gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßende Gewaltakte, zu denen etwa unvorhersehbare Kollateralschäden nicht zählen würden, nicht mit dem Sinn und Zweck des Art. 15 lit. c) der Richtlinie vereinbar wäre.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 -10 C 4.09 - juris, Rn. 34.
70Neben der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte ist eine wertende Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Anzahl der Opfer und der Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) vorzunehmen, bei der auch die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden können.
71Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 -10 C 4.09 -, juris, Rn. 33.
72Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann.
73Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 -10 C 13.10 -, juris, Rn. 23.
74Der Senat sieht davon ab, die Fragen,
75ob die Definition des Grades willkürlicher Gewalt bzw. der notwendigen Gefährdungsdichte seitens des BVerwG in seinem Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - mit Art. 15 lit. c) QRL I und QRL II vereinbar ist
76und
77ob bei der Feststellung des Niveaus der willkürlichen Gewalt ohne gefahrerhöhende persönliche Umstände nur die Zahl der Todesfälle und Verletzten bei der Zivilbevölkerung zugrunde gelegt werden darf bzw.muss oder darüber hinaus auch die Zahl seelisch verletzter Personen mit ernsthaften Traumata, die Zahl der Vergewaltigungen oder sexuellen Gewalt gegen Frauen und Männer bzw. Kinder, die Zahl der willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, die Zahl der (auch drohenden) Zwangsrekrutierungen, die Anzahl der Binnenvertriebenen im Land, die erhebliche Dunkelziffer und die humanitäre Situation zu berücksichtigen sind,
78entsprechend der Anregung des Klägers dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV vorzulegen. Eine Verpflichtung zur Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nicht, weil die Entscheidung mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die Rechtsmittel im Sinne des Art. 267 Abs. 3 AEUV ist,
79vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11-, juris, Rn. 32 m.w.N.,
80angefochten werden kann. Der Senat sieht auch keinen weiteren Klärungsbedarf, insbesondere keinen Anhalt dafür, dass das für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach der Entscheidung des BVerwG vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - erforderliche Niveau willkürlicher Gewalt nicht mit Art. 15 lit. c) QRL I vereinbar ist, zumal sich das BVerwG auf die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung des EuGH bezieht. Hinsichtlich der weiteren Frage sieht der Senat bereits deswegen keinen Klärungsbedarf, weil auch nach der Rechtsprechung des BVerwG neben der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist,
81vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, juris, Rn. 33, und vom 17. November 2011 -10 C 13.10 -, juris, Rn. 23,
82mit der die Berücksichtigung qualitativer Gesichtspunkte einhergeht.
83Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird.
84Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 - 10 C 9.08 -, juris, Rn. 17, unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 (Elgafaji) -.
85Ein Abweichen von der Regel kann jedenfalls nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylVfG ihm Schutz gewähren soll. Kommt die Herkunftsregion des Ausländers als Zielort einer Rückführung wegen der ihm dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 QRL II bzw. § 3e AsylVfG auf eine andere Region des Landes verwiesen werden.
86Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. November 2012 -10 B 22.12 -, juris, Rn. 7.
87Gemessen daran fehlt es an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers. Gefahrerhöhende Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der geltend gemachten Möglichkeit einer Zwangsrekrutierung. Ausgehend von den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen zu Zwangsrekrutierungen in Afghanistan,
88vgl. EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Rekrutierungsstrategien der Taliban, Juli 2012; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 45 f., Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014 vom 31. März 2014, S. 12; UNHCR, UNHCR-Stellungnahme zu Fragen der potentiellen Rückkehrgefährdung von jungen männlichen afghanischen Staatsangehörigen vom 31. August 2013, S. 3; Dr. Mostafa Danesch, Auskunft an den Hess.VGH vom 3. September 2013, S. 3 f., und an das Nds.OVG vom 30. April 2013; ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Zwangsrekrutierung junger Afghanen durch die Taliban,
89besteht im Falle des Klägers keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass er dort ernsthaft befürchten müsste - insbesondere durch die Taliban -, zwangsrekrutiert zu werden. Den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013 lässt sich insoweit entnehmen, dass regierungsfeindliche Kräfte in Gebieten, die ihrer tatsächlichen Kontrolle unterliegen, verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern nutzten, einschließlich Rekrutierungsmaßnahmen auf der Grundlage von Zwang. Traditionell habe in Kriegszeiten die Mobilisierung in Form von „lashkar" stattgefunden, ein Brauch, bei dem jeder Haushalt einen Mann im wehrfähigen Alter beisteuerte. Regierungsfeindliche Kräfte wendeten in Gebieten, die sie tatsächlich kontrollierten, sowie in Siedlungen von Binnenvertriebenen Drohungen und Einschüchterung an, um auf diese Weise Kämpfer für
90ihren Aufstand zu rekrutieren. Personen, die sich einer Rekrutierung widersetzten, seien danach gefährdet, der Spionage für die Regierung angeklagt
91und getötet oder bestraft zu werden.
92vgl. UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 45 f.
93Der Bericht enthält weder Informationen zur Häufigkeit solcher Zwangsrekrutierungen noch zu deren regionaler Verteilung und zum Profil bevorzugter Rekruten innerhalb der unüberschaubar großen Gruppe wehrfähiger Männer. Auch in den übrigen Auskünften und Berichten wird hierüber keine Aussage getroffen.
94Der Sachverständige Dr. Mostafa Danesch hat sich in seinen Stellungnahmen vom 30. April 2013 an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht und vom 3. September 2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof dahin geäußert, dass die Taliban „nicht selten" junge Männer zwangsrekrutiert hätten. In den drei Fällen, in denen ihm bekannte, nach Kabul abgeschobene oder als sog. Binnenflüchtlinge von Taliban „behelligte" Männer hätten zwangsrekrutiert werden sollen, hätten diese aber jeweils Gelegenheit gehabt, sich den befürchteten Zwangsmaßnahmen zu entziehen. Von der Tötung junger Männer durch Taliban im Zusammenhang mit geplanten Zwangsrekrutierungen in Kabul habe er nur gerüchteweise Kenntnis erlangt. Aus diesen Angaben lässt sich kein tragfähiger Erkenntnisgewinn ziehen. Sie sind vage und beruhen erkennbar nicht auf einer gesicherten Tatsachengrundlage.
95Andererseits ist der Umstand, dass weder der Sachverständige noch der UNHCR über weitergehende spezifische Informationen verfügen, als Hinweis darauf zu werten, dass es sich bei der Zwangsrekrutierung erwachsener Männer nicht um ein hervorstechendes Merkmal des in Afghanistan herrschenden Konflikts, sondern eher um ein Randphänomen handelt. Hierfür spricht auch der im Juli 2012 veröffentlichte Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (European Asylum Support Office - EASO -), in dem die Rekrutierungsstrategien der Taliban unter Auswertung unterschiedlicher UN-, NGO-, Regierungs- und Medienquellen sowie Aussagen der Taliban beleuchtet werden. Aus deren Gesamtschau ergibt sich, dass Zwangsrekrutierungen durch die Taliban - entgegen dem Vorbringen des Klägers - in Afghanistan nicht an der Tagesordnung sind, sondern gegenwärtig allenfalls in Einzelfällen vorkommen. Für die Taliban besteht keine Notwendigkeit, auf diese Praxis zurückzugreifen, weil sie über eine ausreichende Zahl von Freiwilligen verfügen. Ursächlich hierfür sind einerseits die demographische Situation in Afghanistan, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung nicht älter als 19 Jahre ist und andererseits die wirtschaftliche und berufliche Perspektivlosigkeit, der junge Menschen dort ausgesetzt sind. Daneben werden die hohe Akzeptanz und der für die Taliban unverzichtbare Rückhalt in der lokalen Bevölkerung als Ursachen dafür genannt, weshalb es nur selten zu Zwangsrekrutierungen kommt. Soweit nach dem Bericht des EASO verschiedene Quellen von Zwangsrekrutierungen berichten, haben sich diese in Flüchtlingscamps bzw. in Regionen, die sich unter vollständiger Kontrolle der Taliban befunden haben, ereignet. Aus dem Bericht ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es dazu häufig gekommen ist bzw. dass davon eine große Zahl von Personen betroffen war. In der Provinz Logar, in der der Kläger beheimatet ist, sind nach den Recherchen des EASO keine Fälle bekannt geworden, in denen bei der Rekrutierung Zwang oder Gewalt ausgeübt worden sind.
96Vgl. EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Rekrutierungsstrategien der Taliban, Juli 2012, S. 26 ff., 44.
97Überdies dürften Zwangsrekrutierungen mit Blick auf die vorhersehbar eingeschränkte Motivation und Zuverlässigkeit der Rekruten vielfach wenig zielführend sein. Dafür, dass die fehlende Dokumentation der Häufigkeit von Zwangsrekrutierungen Erwachsener gleichzeitig ein Indiz für die Seltenheit solcher Vorfälle ist, spricht außerdem, dass es entsprechende Erhebungen über die Zahl von Zwangsrekrutierungen bei Kindern gibt.
98Vgl. United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA), Annual Report 2013, Protection of civilians in armed conflict, S. 59; AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014 vom 31. März 2014, S. 12; ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Zwangsrekrutierung junger Afghanen durch die Taliban.
99Das verbleibende Restrisiko, als wehrfähiger Mann zwangsweise von einer Konfliktpartei - hier den Taliban - rekrutiert zu werden, ist insbesondere im Falle des Klägers als gering zu bewerten und begründet deswegen keinen seiner Person innewohnenden gefahrerhöhenden Umstand. Denn der Kläger gilt mit fast 34 Jahren - gemessen an afghanischen Verhältnissen - nicht mehr als junger Mann. Deswegen und aufgrund seiner tadschikischen Volkszugehörigkeit gehört er für die Taliban, die ihre Kämpfer in einer von Paschtunen dominierten Provinz wie Logar bevorzugt aus dem paschtunischen Teil der Bevölkerung rekrutieren dürften,
100vgl. zur Rekrutierung unterschiedlicher Ethnien EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Rekrutierungsstrategien der Taliban, Juli 2012, S. 37 f,
101für die Nachwuchsgewinnung wenig interessanten Personenkreis.
102Der Senat lehnt die in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträge zu Ziffern 6, 7, 9, 10, 11, 12 aus dem Schriftsatz vom 25. August 2014, die auf eine Beweiserhebung zum Umfang und zur Häufigkeit von Zwangsrekrutierungen in Afghanistan bzw. Logar durch Beiziehung weiterer Berichte und Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. Mostafa Danesch abzielen, ab. Die Bestimmung von Art und Zahl einzuholender Gutachten und Auskünfte steht im Ermessen des Gerichts.
103Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 1999 - 9 B 81.99 -, juris, Rn. 13.
104Die Notwendigkeit der beantragten Beweiserhebung drängt sich nicht auf. Die dem Senat vorliegenden und dem Kläger mit der Ladung bekannt gemachten Erkenntnisse und die weiteren zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnisse genügen zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage unter den verfahrensrelevanten Gesichtspunkten, insbesondere zu in Afghanistan stattfindenden Zwangsrekrutierungen. Von der u.a. beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Herrn Dr. Mostafa Danesch verspricht sich der Senat im Übrigen angesichts des Inhalts von dessen Stellungnahmen vom 30. April 2013 an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht und vom 3. September 2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zu diesem Thema keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn.
105Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang gleichzeitig dessen Vernehmung als sachverständiger Zeuge beantragt hat, braucht der Senat diesem Antrag nicht nachgehen, weil er unsubstantiiert ist.
106Vgl. zur Ablehnung von Beweisanträge wegen fehlender Substantiiertheit Lang, in: Sodann/Ziekow, 4. Auflage, § 98, Rn. 32 m.w.N.
107Die Beweiserhebung durch sachverständigen Zeugen richtet sich nach den Vorschriften über den Zeugenbeweis (§ 98 VwGO i. V. m. § 414 ZPO). Der sachverständige Zeuge ist danach (auch) ein Zeuge, der sein Wissen von bestimmten vergangenen Tatsachen oder Zuständen bekundet, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war und die er nur kraft dieser besonderen Sachkunde ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtensauftrag wahrgenommen hat.
108Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 -, juris, Rn.15.
109Ein zulässiger Antrag auf Vernehmung eines sachverständigen Zeugen setzt einerseits die Darlegung von dessen besonderer Sachkunde sowie derjenigen Tatsachen voraus, die er kraft dieser Sachkunde wahrgenommen haben soll.
110Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2000 - 9 B 519.99 -, juris, Rn. 11,18.
111Daran fehlt es hier. Der Kläger hat weder dargelegt, worin die besondere Sachkunde von Dr. Mostafa Danesch in Bezug auf das Beweisthema konkret besteht, noch, welche eigenen Wahrnehmungen dieser zu Zwangsrekrutierungen in Afghanistan bzw. Logar oder im Hinblick die behauptete Rekrutierungspraxis der Taliban gemacht hat. Aus den dem Senat vorliegenden Gutachten von Dr. Mostafa Danesch geht im Übrigen hervor, dass dieser hierzu jedenfalls nicht in der empirischen Ausdehnung, wie sie durch die Beweisanträge vorgegeben ist, über eigene Wahrnehmungen verfügt.
112Eine von der Einschätzung einer allenfalls geringfügigen Zwangsrekrutierungsgefahr abweichende Risikobewertung für den Kläger ergibt sich auch nicht aus den von ihm geschilderten Vorfluchtereignissen. Das Vorbringen zu seinem Verfolgungsschicksal, das in erster Linie darauf abzielt, zu vermitteln, dass er in besonderer Weise ins Visier in Logar ansässiger Taliban geraten ist, ist unglaubhaft. Die Angaben, die er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt dazu gemacht hat, sind in hohem Maße detailarm und unplausibel und können von daher nicht als erlebnisbasiert bewertet werden. Nichts anderes gilt für die Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. In ihrer Zusammenschau ergeben sämtliche seiner Angaben das Bild eines nur fragmentarischen Berichts, der keinen ausreichenden Bezug zu einem realen Geschehen zulässt. Hinzu kommen zahlreiche Widersprüche, Unstimmigkeiten und Auffälligkeiten im Aussageverhalten des Klägers, die dafür sprechen, dass er sein Verfolgungsschicksal frei erfunden hat.
113Das gilt zunächst mit Bezug auf die Hintergründe und Umstände seiner angeblichen Entführung durch seinen Onkel. Hierzu hat der Kläger beim Bundesamt zunächst angegeben, seine Tante, die ihn großgezogen habe, habe zu Lebzeiten Übergriffe des Onkels, der ihr jüngerer Bruder gewesen sei, verhindern können. In diesem Zusammenhang hat der Kläger sinngemäß beantragt, Beweis über die mitunter starke Position afghanischer Frauen innerhalb der Familie zu erheben. Unvereinbar damit hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, sein Onkel habe ihn und seinen Bruder zunächst nicht mitnehmen können, weil beide der altersbedingt kranken Tante hätten helfen müssen. Dass diese sich dem Bemühen des Onkels, den Kläger und seinen Bruder für die Taliban zu gewinnen, aktiv entgegen gesetzt habe, hat er demgegenüber mit keinem Wort erwähnt.
114Im Zusammenhang mit seiner angeblich anschließenden Entführung ist der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt - obgleich es sich dabei um ein besonders einschneidendes und von daher einprägsames Ereignis gehandelt haben dürfte – auf keinerlei situationstypische Details eingegangen. Seine Schilderungen beschränken sich im Wesentlichen darauf, dass sein Onkel ihn und seinen Bruder nach dem Tod der Tante mit Gewalt mitgenommen habe, sie in den folgenden zwei Monaten bei den Taliban geblieben seien und dort Gewalt geherrscht habe. Dabei bleiben sämtliche die Situation prägenden Begleitumstände offen. So ist beispielsweise unklar geblieben, wie sich die Entführungssituation konkret abgespielt hat. Der Kläger hat auch nicht erwähnt, wohin sein Bruder und er von den Taliban verbracht worden sind, wie sie dort gelebt und mit was sie sich während ihres zweimonatigen Aufenthalts bei den Taliban beschäftigt haben.
115In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger aufgefordert worden, seine Erlebnisse im Zusammenhang mit der vermeintlichen Entführung möglichst detailliert zu schildern. Dabei ist es ihm nicht gelungen, das mit seinen bisherigen Schilderungen nur rudimentär skizzierte Handlungsgerüst anzureichern. Er war nicht nur nicht in der Lage, die Entführungssituation anschaulich im Zusammenhang darzustellen, sondern hat auch auf gezielte Nachfrage zu Einzelaspekten nahezu keine Details preisgegeben. Seine Darstellung dieses Handlungsabschnitts beschränkte sich trotz mehrfacher Nachfrage und ausreichender Gelegenheit zur Stellungnahme darauf, dass sein Onkel eine Woche nach dem Tod seiner Tante bewaffnet und mit einer Gruppe Taliban gekommen sei und ihn und seinen Bruder mitgenommen habe.
116Ebenso einsilbig und detailarm waren die Ausführungen des Klägers zu seinem Aufenthalt bei den Taliban. Erst auf Nachfrage, wie er und sein Bruder die Zeit dort verbracht hätten, hat er - erneut ohne dabei auf irgendwelche Einzelheiten dazu einzugehen - erklärt, sie seien an der Waffe ausgebildet worden. Sein Hinweis darauf, dass an diesem Ort Menschen getötet und Kinder zu Selbstmordattentätern gemacht worden seien, fügte sich demgegenüber nicht nahtlos in den Kontext seiner übrigen Schilderungen ein und war angesichts fehlender Begleitinformationen, insbesondere zum Aufenthaltsort, auch nicht zuzuordnen. Der Senat betrachtet es - auch angesichts der gleichbleibenden Stimmungslage des Klägers - als näherliegend, dass er das Geschilderte nicht erlebt, sondern erfunden hat, um die Situation aus asyltaktischen Gründen besonderes dramatisch erscheinen zu lassen. Ein vergleichbares Aussageverhalten hat der Kläger gezeigt, als er nach Abschluss seiner Befragung - ebenfalls außerhalb des Kontextes und ohne erkennbare Veranlassung - auf Narben in seinem Gesicht und an seinem rechten Bein hingewiesen hat, die von Schlägen mit einem Gewehrkolben bzw. nach kurz darauf korrigierter Darstellung von Bajonettstichen während der Zeit seiner Gefangenschaft herrühren sollen. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen gegenüber seiner Aussage vor dem Bundesamt gesteigert und schon deswegen unglaubhaft ist, zielt es ebenfalls darauf ab, durch Hervorhebung besonderer Brutalität Aufmerksamkeit zu erregen, um so von der Detailarmut und Widersprüchlichkeit des restlichen Vorbringens abzulenken.
117Letztere spiegelt sich auch in der Schilderung des Klägers zu seinem angeblichen Verrat an den Taliban wieder. Während er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt noch erklärt hatte, er selbst habe mit seinem Mobiltelefon die Polizei angerufen, hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, sein Bruder habe in seiner Gegenwart die Polizei verständigt. Sofern er diese Angabe an anderer Stelle erneut modifiziert hat, liegt darin ein weiteres Indiz für ihre fehlende Glaubhaftigkeit. Das gilt auch bezogen auf die Angaben des Klägers zur Hinrichtung seines Bruders. Diese hat er beim Bundesamt und bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eher beiläufig erwähnt, während er die Schilderung jeglicher Details zu den Begleitumständen oder seiner eigenen emotionalen Verfassung unter Hinweis darauf, diese nicht schildern zu können, vermieden hat. Im Kontext seines weiteren Aussageverhaltens wertet der Senat dies - zumal es in seinem Fall für den Befund einer Traumatisierung weder substantiierten Vortrag noch greifbaren Anhalt gibt - als Hinweis darauf, dass die Schilderungen des Klägers, der unverständlicherweise die Erinnerung an das Geburtsdatum seines Bruders verloren hat, auch insoweit nicht der Wahrheit entsprechen. Zwar hat sich der Kläger bei Erwähnung der Hinrichtung seines Bruders für einen kurzen Moment die Augen gerieben. Dies konnte aber angesichts seiner darauf innerhalb kürzester Zeit wieder völlig unverändert und gleichmütig wirkenden Stimmungslage nicht als Geste authentischer Ergriffenheit gewertet werden.
118Dem Kläger ist es zudem nicht gelungen, seine emotionale Verfassung während seiner Zeit bei den Taliban nachvollziehbar darzulegen. Bezeichnenderweise hat er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt auf die Frage, wie sich die Zeit im Gewahrsam für ihn angefühlt habe, kein Gefühl, sondern eine Erwartung benannt. Angesichts der Einprägsamkeit der geschilderten Situation gibt es für einen derartigen emotionalen Gedächnisverlust keine plausible Erklärung. Vielmehr dürfte die Situation plötzlichen Eingesperrtseins heftige Angstgefühle oder Fluchtreflexe auslösen, die auch nach längerer Zeit zumindest kognitiv noch reproduzierbar sind. Deren Ausprägung mag zwar je nach Persönlichkeitsstruktur unterschiedlich sein, ihr Fehlen ist aber angesichts der vom Kläger geschilderten besonderen Bedrohungssituation nicht nachzuempfinden und spricht deshalb dafür, dass seine Schilderungen nicht zutreffen. Ein weiteres Indiz dafür ist seine ebenfalls spärliche Erinnerung an die tatsächlichen Umstände des Gewahrsams. Hierzu hat er lediglich erklärt, er habe Hunger gehabt und sei auch geschlagen worden. Ein derartiges Abflachen des Erinnerungsniveaus ist weder mit dem Bildungsstand des Klägers noch anders als damit zu erklären, dass er auch insoweit gelogen hat. Hierzu passt, dass er in der mündlichen Verhandlung überhaupt nicht mehr auf diesen Gesichtspunkt eingegangen ist.
119Unabhängig davon ist seine Aussage unter zahlreichen weiteren Aspekten nicht stimmig und lebensfremd. Seine angebliche Flucht aus der Gefangenschaft der Taliban und das Gelingen seiner anschließenden Ausreise aus Afghanistan beruhen auf einer höchst unwahrscheinlichen Häufung und Verkettung von Zufällen, die zudem jeweils genau zum passenden Zeitpunkt eingetreten sind. Diese Aneinanderreihung von Zufällen nimmt ihren Lauf mit der angeblichen Freundschaft zu seinem Wächter. Dass dieser Wächter dem Kläger - ungeachtet der damit für ihn selbst verbundenen Gefahren - zur Flucht verholfen haben soll, ist realitätsfern. Weder die angebliche Freundschaft, zu deren Entstehung und Tiefe die Angaben des Klägers noch nicht einmal Rückschlüsse zulassen, noch die erwähnte Gegenleistung sind ein nachvollziehbares Motiv dafür, dass der Wärter sich den mit der Freilassung des Klägers einhergehenden, im Zweifel für ihn selbst lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt haben soll.
120Dass es dem Kläger unmittelbar im Anschluss an seine Flucht - nach seinen Angaben beim Bundesamt praktisch über Nacht und nach denen in der mündlichen Verhandlung innerhalb von zwei Tagen - gelungen ist, unentdeckt von seinem Onkel, verwandte oder befreundete Käufer zu finden, die ihm für die Übertragung eines Bruchteils seines Landstücks ohne zeitliche Verzögerung passend die für die Ausreise erforderliche Summe von 9.000 Dollar zur Verfügung gestellt haben sollen, überschreitet ebenfalls ein Maß an zufälligen Fügungen, das der Senat noch zu glauben bereit ist.
121Da der Vortrag des Klägers danach in wesentlichen Punkten unzutreffend und in nicht auflösbarer Weise widersprüchlich ist, lehnt der Senat seine hilfsweise gestellten Beweisanträge zu Ziffern 1 bis 5 aus dem Schriftsatz vom 25. August 2014 ab.
122Vgl. zur Möglichkeit der Ablehnung von Beweisanträgen aus diesem Grund BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1994 - 2 BvR 1183/92 -, juris, Rn. 18; BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 1998 - 9 B 10.98 -, juris, Rn. 6.
123Es besteht auch kein durch die Erkenntnislage begründeter Anhalt oder substantiierter Vortrag dafür, dass sich die tadschikische Volkszugehörigkeit des Klägers gefahrerhöhend auswirkt. In der Provinz Logar leben mehrheitlich Paschtunen (60 %) und Tadschiken sowie eine kleine Minderheit schiitischer Hazara.
124vgl. Dr. Mostafa Danesch, Stellungnahme vom 7. Oktober 2010 an den Hess.VGH zur Situation in der Provinz Logar, S. 4.
125Wenngleich die Paschtunen dieses Gebiet traditionell dominiert haben, ist nichts dafür bekannt, dass Tadschiken dort häufiger als andere Volksgruppen Opfer von sicherheitsrelevanten Vorfällen werden, die in Zusammenhang mit konfliktbedingten Kampfhandlungen oder Attentaten stehen. Hierzu passt, dass es nach dem Sturz der Taliban nur noch sehr wenige Fälle ethnisch motivierter Gewalt gab.
126Vgl. Congressional Research Service, Afghanistan: Politics, Elections and Government Performance, vom 28. Juli 2014, S. 2.
127Der Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe - Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage - vom 30. September 2013 enthält eine umfangreiche Auflistung der speziell durch staatliche, nicht staatliche und internationale Akteure gefährdeten Personengruppen (S. 15 ff.). Der Kläger gehört keiner dieser Personengruppen an.
128Ebenso wenig besteht in Logar eine exponierte allgemeine Gefahrenlage, die durch ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bzw. des EuGH gekennzeichnet ist. Dies ergibt sich im Einzelnen aus der Auswertung folgender Erkenntnisse:
129Logar ist eine der 34 Provinzen im östlichen Teil Afghanistans, deren Hauptstadt Pul-i-Alam ist. Logar grenzt südlich an die Provinz Kabul, ist zudem den Provinzen Nangarhar, Paktia, Kabul, Wardak und Ghazni benachbart und verfügt im Osten über eine schmale Grenze zu Pakistan. Die Provinz umfasst ein Gebiet von knapp 4.000 Quadratkilometern. Die Einwohnerzahl liegt aktuellen Schätzungen der Zentralen Organisation für Statistik der Islamischen Republik Afghanistan zufolge bei 379.400.
130Vgl. Central Statistics Organization, Afghanistan Statistical Yearbook 2013/2014, S. 3 und 5 f.,
131abrufbar unter http://cso.gov.af/en.
132Logar ist in sieben Bezirke unterteilt. Der Bezirk Baraki Barak, dem der Kläger entstammt, liegt angrenzend an Wardak im Westen der Provinz. Dort leben variierenden Schätzungen zufolge ungefähr 85.200 Menschen.
133Vgl. Ministry of Rural Rehabilitation and Development (MRRD), National Area Based Development, Logar Provincial Profile, abrufbar unter: "Logar Provincial Profile". MRRD. 2013-07-27. Retrieved 2013-08-17.
134Logar gilt als Einfallstor aufständischer Oppositioneller in die Hauptstadt Kabul.
135Vgl. FAZ vom 15. Oktober 2013 „Gouverneur von Logar getötet“; Dr. Mostafa Danesch, Stellungnahme vom 7. Oktober 2010 an den Hess.VGH zur Situation in der Provinz Logar, S. 4.
136Seit etwa 2008 liegt die Provinz im Wesentlichen in den Händen der Taliban und der Hezb-e-Islami, deren Anführer Gulbuddin Hekmatyar ist und die ungeachtet gelegentlicher Konfrontationen mit den Taliban ideologisch und politisch verbunden sind. Auch das von Jalaluddin Haqqani gegründete Haqqani-Netzwerk, von dem davon ausgegangen wird, das es al-Quaida näher steht, hat großen Einfluss in der Provinz. Bedingt durch diese Machtverteilung wurden in der Vergangenheit in Logar weniger Anschläge durch oppositionelle Gruppierungen verübt, als in den südlichen und östlichen Grenzprovinzen.
137Vgl. Auskunft von Amnesty International vom 20. Dezember 2010 an den Hess.VGH, S. 2; mit Hintergrundinformationen zu den einzelnen Gruppierungen, ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation:ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul, letzte Aktualisierung 24. Juli 2014
138http://www.ecoi.net/news/188769::afghanistan/101.allgemeine-sicherheitslage-in-afghanistan-chronologie-fuer-kabul.htm.
139Den genannten extremistischen regierungsfeindlichen Gruppierungen dient die Provinz als strategisches Aufmarschgebiet, von dem aus sie ihre Anschläge auf bedeutsame Ziele in Kabul vorbereiten und starten. Den Feststellungen des Gutachters Dr. Mostafa Danesch vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zufolge fanden zu dieser Zeit in Logar täglich Partisanenkämpfe der Taliban gegen die afghanische Armee und die NATO-Truppen statt, die umgekehrt massiv die Stellungen der Taliban angriffen (S. 5). Aktuellere Erkenntnisse sprechen nicht dafür, dass sich diese Situation in der Zwischenzeit grundlegend verbessert bzw. beruhigt hat. Nach den Feststellungen der Organisation Afghanistan NGO Safety Office (ANSO) haben sich die südliche, die südöstliche und die östliche Region zunehmend zu einem zusammenhängenden Kampfgebiet entwickelt.
140Vgl. ANSO, Quaterly Data Report, Q. 2 2012, S. 1.
141In den Fortschrittsberichten der Bundesregierung für Afghanistan ist seit Dezember 2011 fortlaufend eine erhebliche Bedrohungslage für Logar ausgewiesen.
142Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht Afghanistan zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages (im Folgenden: Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht), jeweils Stand: Dezember 2011, Juni 2012, November 2012, Januar 2014 (S. 9) und zuletzt Juni 2014 (S. 17).
143Im aktuellsten Bericht wird dies - wie bereits in dem vorangegangenen Bericht -dahingehend ausgeführt, dass in den ländlichen - vorwiegend paschtunisch geprägten - Gebieten im Osten und Süden eine „überwiegend nicht“ oder in einigen wenigen Distrikten sogar eine „nicht kontrollierbare“ Sicherheitslage herrsche (S. 16). An der in dem Bericht ebenfalls enthaltenen graphischen Darstellung anhand einer Karte des Staatsgebiets von Afghanistan (S. 17), auf der die regionale Bedrohungslage nach den jedenfalls nicht grundlegend davon abweichenden Einstufungen der NATO unterschiedlich farblich markiert ist, wird deutlich, dass letzteres nicht die Provinz Logar, sondern die Provinzen Kunar, Khowat sowie Teile der Provinzen Ghazni, Paktika und Paktia betrifft.
144Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang eingewendet hat, die in den Berichten der Bundesregierung ausgewiesenen Zahlen sicherheitsrelevanter Zwischenfälle seien fehlerhaft und nachträglich um 10 % nach oben korrigiert worden, trifft dieser Einwand zu, greift aber nicht durch. Denn die getroffene Bewertung der Sicherheitslage berücksichtigt diesen Aspekt. Die Bundesregierung hat in ihrem Fortschrittsbericht von Juni 2013 auf das Erfordernis nachträglicher Korrekturen der statistisch erfassten sicherheitsrelevanten Zwischenfälle hingewiesen. Da deren Erfassung mittlerweise durch die ANSF erfolge, könne sie nicht auf Verlässlichkeit überprüft werden. Infolgedessen bestehe eine nur eingeschränkte Verifizierbarkeit und Verlässlichkeit, was dazu führe, dass diesem Zahlenwert bei der Bewertung der Sicherheitslage nur geringe Aussagekraft beigemessen werde.
145Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsberichte Juni 2013, S. 7 f.; Januar 2014, S. 9; Juni 2014, S. 16.
146Das kommt auch in der der vorgenommenen Kategorisierung der Sicherheitslage zugrunde liegende Bewertungsmethodik zum Ausdruck. Diese orientiert sich an einer Reihe von quantitativen und qualitativen Indikatoren. Hierzu wurden für eine variable Bewertungsmatrix drei Kategorien (Bedrohung, Schutz und Perzeption der Sicherheitslage) festgelegt und zusätzlich mehrere nachgeordnete Einflüsse definiert (politische Institutionen, Sozioökonomie oder externe Einflüsse), die je nach Verfügbarkeit der Erkenntnisse und Ausprägung der Wirkung auf die Sicherheitslage berücksichtigt worden sind. Als „überwiegend nicht kontrollierbar“ - wie für Logar festgestellt - gilt die Sicherheitslage eines Raumes nach diesen Bewertungsmaßstäben dann, wenn bestehende Bedrohungen eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungs- und Handlungsfreiheit der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und der Vertreter der internationalen Gemeinschaft darstellen, kurzfristig keine Verbesserung der Sicherheitslage zu erwarten ist und die Autorität der afghanischen Verwaltungs- und Regierungsstrukturen in Frage steht.
147Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, Anhang, S. 28.
148Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Organisation ANSO die Sicherheitslage in Logar nicht gleichermaßen prekär einzuschätzen scheint. In ihrem Bericht für das erste Quartal 2013 ordnet sie Logar bezogen auf die dortige Sicherheitslage (nur) der mittleren von insgesamt fünf Kategorien zu, deren Bezeichnung „moderately insecure“ lautet.
149Vgl. ANSO, Quaterly Data Report, Q. 1 2013 vom 30. April 2013, S. 11.
150Diese Bewertung steht unter anderem in Verbindung mit der in diesem Bericht für die einzelnen Provinzen Afghanistans für das jeweils erste Quartal der Jahre 2011 bis 2013 aufgeführten Dichte von Vorfällen, an denen bewaffnete oppositionelle Gruppierungen beteiligt waren. Danach haben sich derartige Vorfälle in Logar in diesem Zeitraum um 25 % reduziert. Logar gehörte damit zu den insgesamt acht Provinzen, in denen Vorfälle dieser Art abgenommen haben, während die Vorfallsdichte in sechs weiteren Provinzen weitgehend gleichbleibend war und in den verbleibenden zwanzig Provinzen - zum Teil erheblich - angestiegen ist. Nach einem Bericht des Institute for the Study of War (ISW) gelten innerhalb Logars der Hauptstadtbezirk Pul-i-Alam als der Unruhigste und die Bezirke Kharwar und Muhammad Agha ebenfalls als problematisch. Der Bezirk Baraki Barak, dem der Kläger entstammt, ist dort nicht aufgeführt.
151Vgl. ISW, Regional Command East, Overview, Province Logar, abrufbar unter: https://www.understandingwar.org/region/regional-command-east.
152Das quantitative Kernkriterium für die zu treffende Gefahrenprognose ist die in der maßgebenden Region - hier Logar - zu verzeichnende Zahl ziviler Opfer. Diese dokumentiert die Politische Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan UNAMA (United Nations Assistence Mission in Afghanistan), die hierzu im Auftrag des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in halbjährlichem Turnus aktualisierte Berichte erstellt. Dabei ist die Methodik, der Ermittlung und Auswertung folgen, zu Beginn der jeweiligen Berichte beschrieben. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.
153Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict vom 1. Juli 2014, S. 1.
154Aus einer Zusammenschau des Jahresberichts für das Jahr 2013 und des aktuellen Zwischenberichts von Juli 2014 ergibt sich, dass im Zeitraum von Januar 2009 bis Juni 2014 im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan 42.024 Zivilisten konfliktbedingt zu Schaden gekommen sind, von denen 15.628 getötet und 26.396 verletzt worden sind. Davon entfallen 1.564 getötete und 3.289 verletzte zivile Opfer auf den Zeitraum zwischen Januar 2014 und Juni 2014. Weder die Berichte von UNAMA noch die übrigen dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen enthalten eine weitere (vollständige) Aufschlüsselung nach Provinzen. Deren statistische Aussagekraft wäre auch fragwürdig. Denn Vieles spricht dafür, dass die damit einhergehende Maßstabsverkleinerung nicht auf eine Präzisierung, sondern - jedenfalls im Kontext einer längeren zeitlichen Entwicklung betrachtet - auf eine Verzerrung der abgebildeten Realität hinauslaufen würde. Aus diesem Grund bedarf es auch insoweit keiner weiteren Sachverhaltsermittlung.
155Ungeachtet dessen steht das Fehlen einer derartigen Aufschlüsselung der Bewertung, dass der Kläger bei Rückkehr nach Logar als Zivilperson keiner aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt resultierenden besonders exponierten Gefahrensituation ausgesetzt sein würde, nicht entgegen. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel erlauben eine - wenngleich nicht mathematisch genaue - annähernde Zuordnung der von UNAMA ermittelten Opferzahlen für die Provinz Logar, die jedenfalls die Feststellung trägt, dass das dortige Niveau willkürlicher Gewalt für den Kläger keine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG, Art. 15 lit. c QRL II begründet.
156Hierfür sind folgende Überlegungen maßgebend: Dem aktuellsten Fortschrittsbericht der Bundesregierung zufolge, dessen Ergebnis insoweit im Wesentlichen den vorangehenden Berichten entspricht, ist die Sicherheitslage in weiteren 13 der insgesamt 34 afghanischen Provinzen vergleichbar mit der in der Provinz Logar bzw. brisanter als dort. Dies sind die Provinz Farah mit 490.600 Einwohnern, die Provinz Ghazni mit 1.188.600 Einwohnern, die Provinz Helmand mit 894.200 Einwohnern, die Provinz Kandahar mit 1.175.800 Einwohnern, die Provinz Khost mit 556.000 Einwohnern, die Provinz Kunar mit 436.000 Einwohnern, die Provinz Laghman mit 431.200 Einwohnern, die Provinz Nangarhar mit 1.462.600 Einwohnern, die Provinz Nuristan mit 143.200 Einwohnern, die Provinz Paktia mit 534.000 Einwohnern, die Provinz Paktika mit 420.700 Einwohnern, die Provinz Uruzgan mit 374.100 und die Provinz Zabul mit 294.100 Einwohnern. Diese Zahlen sind dem Jahrbuch 2013/2014 der Zentralen Organisation für Statistik der Islamischen Republik Afghanistan entnommen.
157Vgl. Central Statistics Organization, Afghanistan Statistical Yearbook 2013-2014, S. 3 und 5 f.
158abrufbar unter http://cso.gov.af/en.
159Sie beruhen, da die letzte Volkszählung in Afghanistan im Jahr 1979 stattgefunden hat, auf Schätzungen, denen die Annahme eines jährlichen Bevölkerungswachstums von 2,03 % seit 1979 zugrunde liegt.
160Vgl. National Risk and Vulnerability Assessment 2011-2012, Afghanistan Living Conditions Survey, S. 8.
161Insgesamt leben in den aufgeführten dreizehn Provinzen danach rund 8,4 Millionen Menschen. Ausgehend von der entsprechenden Übersicht in dem letzten Bericht von ANSO ist darüber hinaus für die Provinzen Badghis (479.800 Einwohner), Faryab (964.600 Einwohner), Herat (1.816.100 Einwohner), Kunduz (972.200 Einwohner), Nimroz (159.300 Einwohner) und Wardak (577.100 Einwohner) und von einer Sicherheitslage auszugehen, die der in Logar entspricht. Diese Provinzen hinzugerechnet, ergibt sich eine Einwohnerzahl von rund 13,4 Millionen.
162Vgl. ANSO, Quaterly Data Report, Q. 1 2013, S. 11.
163Selbst dann, wenn man die zuletzt genannten Provinzen vollständig außer Betracht lässt und die Einwohnerzahl von Logar (379.400) nur ins Verhältnis zur Gesamteinwohnerzahl der zuerst genannten 13 Provinzen setzt, die sich zuzüglich der Einwohner von Logar auf 8.780.500 beläuft, macht der auf Logar entfallende Anteil ziviler Opfer rund 4,3 % aus. Angesichts der vergleichbaren, zum Teil sogar problematischeren Sicherheitslage in jenen Provinzen bildet dieser Anteil einen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Anzahl der zivilen Opfer in Logar. Hervorzuheben ist, dass dieser Berechnung, deren Ergebnis die tatsächliche Situation nur annähernd im Sinne einer Eingrenzung wiedergibt, die für den Kläger günstigste Betrachtungsweise zugrunde liegt. Denn dabei wird unterstellt, dass sich die Zahl der zivilen Opfer ausschließlich auf 14 Provinzen Afghanistans verteilt, in denen lediglich gut 1/4 der Gesamtbevölkerung beheimatet ist. Dass der Anteil ziviler Opfer für Logar mit 4,3 % tatsächlich zu hoch liegen dürfte, ergibt sich daneben aus der Verteilung der von bewaffneten oppositionellen Gruppierungen verursachten Vorfälle. Diese ist zwar nicht deckungsgleich mit der Verteilung der zivilen Opfer. Wegen der jedenfalls in Teilbereichen bestehenden Korrelation lässt sie aber zumindest gewisse Rückschlüsse darauf zu. Den Ermittlungen von ANSO zufolge haben sich im jeweils ersten Quartal der Jahre 2011, 2012 und 2013 in ganz Afghanistan 6.886 Vorfälle dieser Art ereignet. Davon entfallen nur 58 Vorfälle und damit ein die angenommene Opferquote von 4,3 % deutlich unterschreitender Bruchteil von 0,84 % auf die Provinz Logar. Andererseits ist dieser Aufstellung zu entnehmen, dass diejenigen Provinzen, die dem aktuellsten Update-Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe für Afghanistan zufolge am meisten umkämpft waren, nämlich Kandahar, Nangarhar, Helmand, Khost, Kunar und Ghazni durchgehend die höchste Vorfallsdichte aufgewiesen haben.
164Vgl. ANSO, Quaterly Data Report Q. 1 2013, S. 10; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage vom 30. September 2013, S. 10.
165Daran wird deutlich, dass der ermittelte Anteil von 4,3 % den tatsächlichen Gefährdungsquotienten zwar nur annäherungsweise wiederspiegeln mag, jedoch angesichts der zugunsten des Klägers einbezogenen Sicherheitsüberlegungen zumindest nicht darüber hinausgeht.
166Bezogen auf die von UNAMA für den Zeitraum von Januar 2009 bis Juni 2014 ermittelte Gesamtzahl von 42.024 Toten und Verletzten zivilen Opfer ergibt sich für Logar - bei Annahme dieses Anteils - die Zahl von 1.807 getöteten und verwundeten Zivilisten. Selbst wenn man diese Zahl zur angemessenen Berücksichtigung der insoweit hohen Dunkelziffer mit drei multipliziert,
167so Auskunft Dr. Mostafa Danesch an den Hess. VGH vom 3. September 2013, S. 11,
168ergibt sich daraus, in Bezug zur Einwohnerzahl von Logar (379.400) gesetzt, für einen Zeitraum von einem Jahr lediglich eine Opferquote von 0,26 % (1807: 5,5 Jahre x 3 x 100 : 379.400) bzw. von 0,33 % (4853 x 2 = 9706; davon 4,3 % entspricht 417; 417 x 3 x 100 : 379.400), wenn man isoliert die Opferzahlen für Afghanistan aus dem Jahr 2014 hochrechnet.
169Vgl. dazu Hess.VGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - 8 A 119/12.A -, juris, Rn. 40, 43 und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26. Februar 2014 - A 11 S 2519/12 -, juris, wo für die Berechnungen im Ausgangspunkt ebenfalls von einem Jahreszeitraum ausgegangen wird.
170Beides sind bereits für sich genommen zu geringe Werte, um für den Kläger, bei dem keine gefahrerhöhenden persönlichen Merkmale vorliegen, ausnahmsweise die Individualisierung einer allgemeinen konfliktbedingten Gefahr annehmen zu können. Hinzu kommt, dass dieser Prozentsatz - neben den bereits genannten Aspekten - noch aus anderen Gründen nach unten zu korrigieren ist. Die von UNAMA ermittelte Gesamtzahl der zivilen Opfer dürfte zu einem nicht unerheblichen Teil Personen mit erhöhten Gefährdungspotentialen betroffen haben. Das liegt für den von UNAMA mit 9 % ermittelten Anteil gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Organisationen nahe. Hinzu kommen dürfte ein nicht näher quantifizierbarer Anteil der durch Selbstmordattentate, komplexe Angriffe und provisorische Sprengsätze hervorgerufenen Opfer, die im Zeitraum von Januar bis Juni 2014 insgesamt einen Anteil von 42 % ausgemacht haben.
171Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict vom 1. Juli 2014, S. 6.
172Dies hängt damit zusammen, dass aller Wahrscheinlichkeit nach - bedingt durch die strategische Auswahl der Anschlagsziele - bestimmte Berufsgruppen, wie z.B. die Mitarbeiter staatlicher Organisationen, in besonderer Weise betroffen waren. Dass die deswegen vorzunehmende Korrektur auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse nicht exakt bezifferbar ist, ist angesichts des Umstandes, dass der ermittelte Gefährdungswert schon als solcher nicht ausreicht, um eine individuelle Bedrohung zu begründen, nicht entscheidend.
173Dieser Bewertung stehen auch nicht bereits gegenwärtig absehbare zukünftige Entwicklungen entgegen. Der Umstand, dass die Zahl der zivilen Opfer im Jahr 2013 und in der ersten Hälfte des Jahres 2014 im Vergleich zum Jahr 2012 gestiegen ist, ist angesichts der Kürze dieses Zeitraums und vergleichbar hoher Opferzahlen im Jahr 2011 (noch) kein aussagekräftiges Indiz für eine Fortentwicklung des Anstiegs der Opferzahlen. Ebenso wenig kann diese Prognose anhand der diesem Anstieg zugrunde liegenden Ursachen getroffen werden. Diese liegen einerseits in der vermehrten Nutzung provisorischer Brand- und Sprengvorrichtungen (sogenannte IEDs) und ergeben sich andererseits daraus, dass eine größere Zahl von Zivilsten den Folgen von Bodengefechten zum Opfer gefallen ist. Insgesamt sind auf diese beiden Ursachen nach den Feststellungen von UNAMA im Zeitraum von Januar 2014 bis Juni 2014 69 % der zivilen Opfer zurückzuführen.
174Vgl. UNAMA, Afghanistan Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict vom 1. Juli 2014, S. 6.
175In diesem Zusammenhang hat UNAMA darauf hingewiesen, dass der Anstieg
176der zivilen Opfer durch Kreuzfeuer und Bodengefechte einer veränderten Dynamik des Konflikts geschuldet sei, in dem nun Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und den Afghan National Security Forces (ANSF) vermehrt in Wohngebieten stattfänden. Als Ursache hierfür vermutet UNAMA die Schließung von 86 ISAF-Militärstützpunkten in der zweiten Hälfte des Jahres 2013. Für die erste Jahreshälfte 2014 ergebe sich daraus ein direkter Zusammenhang zum Anstieg der zivilen Opfer, insbesondere zu solchen, die bei Bodengefechten zu Schaden gekommen seien. In der Vergangenheit hätte die Präsenz der ISAF-Truppen regierungsfeindliche Gruppierungen häufig davon abgehalten, in dichter besiedelte Gebiete vorzudringen. Dieser Zusammenhang ist zwar plausibel, er erlaubt aber keine auch nur annähernd zuverlässige Prognose dahin, wie sich die Zahl der zivilen Opfer zukünftig nach Beendigung des ISAF-Einsatzes Ende des Jahres 2014 entwickeln wird. Insbesondere besteht gegenwärtig keine tragfähige Tatsachengrundlage für die Prognose, dass die Anzahl der zivilen Opfer in der hier maßgebenden Region in einem Umfang ansteigen könnte, der - unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen - für jede Zivilperson zu einer Individualisierung der allgemeinen konfliktbedingten Gefahrenlage führen würde. Zwar ist mit dem Ende des ISAF-Einsatzes die Gefahr des Erstarkens regierungsfeindlicher extremistischer Gruppierungen und einer damit einhergehenden Ausweitung der Kampfhandlungen verbunden. Es ist aber weder sicher noch überwiegend wahrscheinlich, sondern offen, ob und vor allem in welcher Form und in welchem Umfang sich diese Gefahr realisieren wird. Das gilt insbesondere angesichts der zugesagten Finanzierungshilfen zur Unterstützung der Funktionsfähigkeit der ANSF und der ins Auge gefassten ISAF-Folgemission „Resolute Support Mission“ mit einem personellen Gesamtumfang von 8.000 bis 12.000 Soldaten, deren Aufgabe schwerpunktmäßig in der Ausbildung, Beratung und Unterstützung der ANSF liegen soll.
177Vgl. dazu im Einzelnen: Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 18 f.
178Ein sprunghafter Anstieg der Opferzahlen aufgrund des gesteigerten Einsatzes von improvisierten Spreng- und Brandvorrichtungen ist derzeit ebenfalls nicht absehbar. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang zudem, dass von Anschlägen dieser Art in besonderem Maße die südlichen und südöstlichen Provinzen Afghanistans betroffen waren und weniger die Region, der der Kläger entstammt.
179Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict, vom 1. Juli 2014, S. 14.
180Hinzu kommt, dass der Anstieg der zivilen Opfer zuletzt auch auf eine vermehrte Betroffenheit von Frauen und Kindern - und damit einer Risikogruppe, der der Kläger nicht angehört - zurückgeht.
181Vgl. UNAMA, Afghanistan, Midyear Report 2014, Protection of Civilians in Armed Conflict, vom 1. Juli 2014, S. 3; ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul, letzte Aktualisierung 24. Juli 2014 http://www.ecoi.net/news/188769::afghanistan/101.allgemeine-sicherheitslage-in-afghanistan-chronologie-fuer-kabul.htm.
182Daneben geben weder die medizinische Versorgungslage in Logar noch Binnenflüchtlingsbewegungen Veranlassung zu einer anderen Bewertung. Die medizinische Versorgung in Afghanistan hat sich in den letzten zehn Jahren, insbesondere im Bereich der Grundversorgung, erheblich verbessert, fällt jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Im vergangenen Jahrzehnt ist die Lebenserwartung in Afghanistan um 18 Jahre angestiegen. Defizite in der medizinischen Versorgung ergeben sich trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin aus der unzureichenden Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber dem Mangel an Ärzten und gut qualifiziertem Personal (insbesondere Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine Person qualifizierten medizinischen Personals gegenüber. Die regionalen Unterschiede sind auch hier erheblich, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen.
183Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2014, S. 20 f.; umfassend zu den Entwicklungen des Gesundheitssystems: National Risk and Vulnerability Assessment 2011-2012, Afghanistan Living Conditions Survey, S. 83 ff.
184Diese Mängel sind - ohne die sich daraus ergebenden Folgeprobleme bagatellisieren zu wollen - schwerwiegend; sie erreichen aber gerade unter Berücksichtigung der im letzten Jahrzehnt kontinuierlich stattgefundenen Verbesserung der Gesundheitsversorgung nicht den Grad an Brisanz, der erforderlich wäre, um die getroffene Gefährdungsprognose in Frage zu stellen.
185Das gilt auch mit Bezug auf die Situation in der Provinz Logar, in der die gesundheitliche Grundversorgung gewährleistet ist. Im Jahr 2011 gab es dort 43 Gesundheitseinrichtungen, darunter sechs mobile Kliniken, 25 Grundversorgungszentren, zwei Bezirkskrankenhäuser und ein Provinzkrankenhaus mit 150 Betten. Die Gesundheitsversorgung wird durch vom afghanischen Gesundheitsministerium angestellte Ärzte und Krankenschwestern sichergestellt. Deren - jeweils erheblich gestiegene - Zahl lag im Jahr 2011 bei 57 Ärzten und 127 Krankenschwestern. Daneben gibt es in Logar 199 Apotheken.
186Vgl. MRRD, National Area Based Development Program, 1.2 Current state of Development in the Province E. Health; einige der mobile Gesundheitsstationen sind von der Bundesregierung finanziert worden, Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 26.
187Angesichts dessen bestehen keine Anzeichen dafür, dass die medizinische Versorgung in Logar hinter dem landesweiten Durchschnitt zurückbleibt.
188Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse bieten desweiteren keinen Ansatz für eine hervorzuhebende Anzahl von Binnenflüchtlingen aus Logar, die erheblich von den die dortige Sicherheitslage prägenden Faktoren abweicht und deswegen Hinweis auf eine besonders exponierte Gefahrenlage sein könnte. Der landesweite Anstieg der konfliktbedingt Binnenvertriebenen im Zeitraum von Ende 2012 bis Ende Juni 2013 von 486.000 auf 574.327 kann zwar allgemein als Ausdruck einer Verschärfung des Konflikts bezogen auf das gesamte Staatsgebiet Afghanistans angesehen werden.
189Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 30. September 2013, S. 22; UNHCR, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013, S. 30 f.
190Daraus lässt sich aber weder etwas über die regionale Verteilung der Flüchtlingsströme herleiten noch über die fluchtauslösenden Ursachen, die bei Bestehen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vielfältiger Natur - etwa religiöser Art sein können und nicht zwingend damit in Zusammenhang stehen müssen. Die Dimension des Anstiegs der landesweit Binnenvertriebenen erreicht auch für sich genommen keinen Grad, der es rechtfertigt, für die Provinz Logar von einer besonders exponierten Gefahrenlage auszugehen. Relativierend ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass das internationale Engagement für Entwicklung und Wiederaufbau fortgesetzt wird und zudem - zeitweise umfangreiche - gegenläufige Migrationsbewegungen stattfinden. Trotz schlechter wirtschaftlicher Perspektiven sind allein im Jahr 2012 98.609 Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt.
191Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 30. September 2013, S. 21 f.
192Die vorliegenden Erkenntnisse zur Sicherheitslage in Logar sind aktuell. Sie beruhen auf zuverlässigen Quellen und beinhalten hinreichende Informationen zur Beurteilung der verfahrensrelevanten Gesichtspunkte. Der Senat lehnt deswegen die auf Einholung bzw. Beiziehung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. Mostafa Danesch gerichteten Hilfsbeweisanträge des Klägers (Ziffern 7, 8, 13) ab. Sollte der Kläger mit dem Antrag unter Ziffer 8 - was daraus bereits nicht hinreichend deutlich hervorgeht - darüber hinaus unter Beweis gestellt haben wollen, dass die Taliban in der Lage sind, in Kabul Mordaktionen durchzuführen, kann dies als wahr unterstellt werden, so dass auch diesem Antrag nicht nachgegangen werden muss.
193Soweit der Kläger hinsichtlich der Hilfsbeweisanträge zu Ziffern 7, 8 und 13 gleichzeitig die Vernehmung des sachverständigen Zeugen Dr. Mostafa Danesch beantragt hat, ist dieser Antrag bereits deswegen abzulehnen , weil er unsubstantiiert ist. Der Kläger hat weder dargelegt, worin die besondere Sachkunde von Dr. Mostafa Danesch in Bezug auf das Beweisthema konkret besteht, noch, welche eigenen Wahrnehmungen dieser zur Binnenflüchtlingssituation in Afghanistan und zur Sicherheitslage in Logar gemacht hat. Dass er als Einzelperson eigene Wahrnehmungen, in dem durch das Beweisthema vorgegebenen Umfang gemacht haben soll, erscheint abgesehen davon auch ausgeschlossen.
194Der Beweisantrag unter Ziffer 14 wird ebenfalls abgelehnt. Die darin unter Beweis gestellte Tatsache kann in dieser Undifferenziertheit als wahr unterstellt werden, ohne dass sich dadurch etwas an der Bewertung ändert, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Logar nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder seiner Unversehrtheit droht. Die Feststellung, dass 40 % der Bevölkerung in Afghanistan aufgrund der bewaffneten Auseinandersetzungen schwer traumatisiert ist, ist für die im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 3 AsylVfG zu treffende Gefahrenprognose nicht entscheidend. Sie besagt für sich genommen nichts darüber, wie sich die Situation in der insoweit maßgebenden Heimatprovinz des Klägers darstellt. Insbesondere fehlt ihr aber jegliche Aussagekraft dazu, zu welchem Zeitpunkt die jeweiligen Traumata ausgelöst worden sind. Angesichts der bereits jahrzehntelang andauernden bewaffneten Auseinandersetzungen in Afghanistan lässt die Annahme, dass dadurch 40 % der Bevölkerung traumatisiert worden sind, nicht den Rückschluss zu, dass die aktuelle Gewaltsituation, die für die Gefährdungsprognose vorrangig in den Blick zu nehmen ist, für diese Traumatisierungsquote ursächlich ist. Angesichts dessen hat der Senat auch erhebliche Zweifel, ob die Traumatisierungsdichte in der Bevölkerung hierfür ein eigenständiges und taugliches Kriterium sein kann. Als Ausdruck einer langjährigen Entwicklung mag daraus für Vergangenheit etwas abzuleiten sein. Die gegenwärtige Gefährdungssituation lässt sich anhand dieses Kriteriums indes nicht zuverlässig abbilden. Das gilt auch deswegen, weil der Anteil traumatisierter Menschen - anders als bei den übrigen Bewertungsparametern - keinem ständigen Wechsel unterliegt, anhand dessen sich aktuelle Entwicklungen genau ablesen lassen. Problematisch erscheint außerdem, dass mit der Zugrundelegung bestimmter Traumatisierungsquoten eine Nivellierung unterschiedlicher Risikoprofile einhergeht. So dürfte etwa das Risiko von Frauen, in Zeiten bewaffneter Auseinandersetzungen Opfer sexuell motivierter Gewalt zu werden und infolgedessen ein Trauma zu erleiden, höher sein als das von Männern. Mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit der Einzelne bei Rückkehr in sein Heimatland befürchten muss, künftig seelisch verletzt zu werden, lässt sich deswegen zuverlässiger anhand der übrigen, die objektiven Gefährdungslage bestimmenden Faktoren abschätzen.
195(b) Subsidiären Schutz kann der Kläger auch nicht auf der Grundlage von § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG beanspruchen, der Art. 15 lit. b) QRL II entspricht, und wonach ein ernsthafter Schaden auch dann droht, wenn die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung droht. Der Wortlaut der Vorschrift ist an Art. 3 EMRK angelehnt. Die Rechtsprechung des EGMR zu diesem Konventionsgrundrecht ist daher bei der Auslegung dieser Bestimmung zu berücksichtigen.
196Vgl. noch zu § 60 Abs. 2 AufenthG BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 22.
197Im Fall des Klägers bestehen mit Blick auf die fehlende Glaubhaftigkeit der Schilderungen zu seinem Verfolgungsschicksal keine stichhaltigen Gründe dafür, dass ihm in Afghanistan Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne der Rechtsprechung des EGMR droht.
198Dass der Kläger ungeachtet des von ihm geschilderten Verfolgungsschicksals in Afghanistan in erheblicher Weise Gefahr läuft, zwangsrekrutiert zu werden, ist aus den vorstehenden Gründen, auf die insoweit verwiesen wird, ebenfalls nicht ersichtlich.
199Soweit unzureichende Lebensbedingungen, eine mangelhafte medizinische Versorgung oder eine allgemeine Gewaltsituation wie Bürgerkriegslagen, innere Unruhen und bewaffnete Konflikte im Heimatland des Ausländers einen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG begründen können, gilt dies nur unter exzeptionellen Umständen. Nach der Rechtsprechung des EGMR erstreckt sich der Schutz nach Art. 3 EMRK nicht auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen. Andererseits erfordert die grundlegende Bedeutung dieses Konventionsgrundrechts seiner Auffassung nach eine gewisse Flexibilität. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind.
200Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 25.
201Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts ist dies bezogen auf die allgemeine Lage in Afghanistan nicht der Fall.
202Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 23 ff., EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09 (Husseini) -, juris, Rn. 84.
203Der Senat sieht - auch auf der Grundlage seiner eigenen tatrichterlichen Feststellungen - keine Veranlassung, hiervon abzuweichen.
204(c) Ebenso wenig steht § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG, durch den Art. 15 lit. a) QRL II gleichlautend umgesetzt worden ist, einer Abschiebung des Klägers entgegen. Danach ist einem Ausländer subsidiärer Schutz zu gewähren, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorbringt, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden wegen der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe droht. Hierfür ist nach dem Vorbringen des Klägers nichts ersichtlich. Insbesondere ergibt sich eine solche Gefahr nicht aus möglichen Vergeltungsschlägen der Taliban anlässlich des mutmaßlichen Verrats durch den Kläger. Denn insoweit ist sein Vorbringen, wie oben ausgeführt, bereits unglaubhaft. Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG nur die staatliche Todesstrafe erfasst oder darüber hinaus auch die durch nichtstaatliche Gruppierungen verhängte Todesstrafe, kann daher offen bleiben.
205(d) Unabhängig davon, dass bereits die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylVfG nicht erfüllt sind, schließt Kabul als interne Schutzalternative gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylVfG einen Anspruch des Klägers auf die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter aus. Hierbei handelt es sich um die - früher in § 60 Abs. 11 AufenthG a.F. enthaltene - Umsetzung des Art. 8 QRL I bzw. jetzt Art. 8 QRL II. Nach § 3e Abs. 1 AsylVfG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylVfG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind nach Absatz 2 die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 QRL II zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf der Grundlage genauer und aktueller Informationen aus relevanten Quellen zu berücksichtigen.
206Die Frage, wann von dem Ausländer „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, hat das Bundesverwaltungsgericht dahin präzisiert, dass dieser Zumutbarkeitsmaßstab über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinausgehe.
207Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 -, juris, Rn. 35, und vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 20.
208Dem schließt sich der Senat an,
209Vgl. ebenso Hess.VGH, Urteil vom 25. August 2011 - 8 A 1657/10.A -, juris, Rn. 91; VGH Bad.Württ., Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, juris, Rn. 30.
210und sieht angesichts dessen von einer Vorlage an den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV hinsichtlich der Frage zu den für eine interne Schutzalternative im Sinne des Art. 8 QRL I bzw. QRL II zugrunde zu legenden Anforderungen ab, zumal keine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht.
211Nach den vorstehend genannten Grundsätzen bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen eine zumutbare Schutzalternative etwa dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor, ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Ein verfolgungssicherer Ort, an dem selbst das Existenzminimum nur durch derartiges kriminelles Handeln erlangt werden kann, bietet keinen internen Schutz.
212Vgl. VGH Bad.Württ., Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, juris, Rn. 30.
213Gemessen daran kann der Kläger auf Kabul als interne Schutzalternative verwiesen werden.
214Das gilt mit Blick auf die dortige Sicherheits- und Versorgungslage gleichermaßen. Eine Zusammenschau der dem Senat vorliegenden Erkenntnisse lässt diese Bewertung zu. Das gilt ungeachtet dessen, dass es für Teilaspekte der Tatsachengrundlage, auf der sie basiert, keine statistischen Erhebungen gibt.
215Vgl. zum Fehlen genauer Zahlen für Kabul, Auskunft Dr. Danesch an den Hess.VGH vom 8. Januar 2014; Auskunft des Auswärtigen Amtes an den Hess.VGH vom 2. Juli 2014.
216Die vorliegenden Erkenntnisse stimmen darin überein, dass die Sicherheitslage in Kabul im gesamtafghanischen Vergleich relativ stabil ist. In der Hauptstadt leben Schätzungen der Central Statistics Organization im statistischen Jahrbuch 2013/2014 zufolge 3.435.000 Menschen.
217Vgl. Central Statistics Organization, Afghanistan Statistical Yearbook 2013-2014, S. 3 und 5 f.
218abrufbar unter http://cso.gov.af/en.
219Andere Quellen gehen sogar von 4,5 Millionen Einwohnern aus.
220Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 408.
221In den Fortschrittsberichten der Bundesregierung ist die Bedrohungslage in Kabul seit Juli 2011 unter Zugrundelegung der Kriterien der NATO,
222vgl. zu diesen Kriterien: Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Dezember 2010, S. 12,
223- mit Ausnahme eines vergleichsweise geringen Gebietsanteils in der Westprovinz, in dem sie zeitweise als „erheblich“ eingestuft worden ist - als „mittel“ bewertet.
224Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsberichte Afghanistan Juli 2011, S. 7, Dezember 2011, S.16, Juni 2012, S. 8, November 2012, S. 10, Januar 2014, S. 9 und Juni 2014, S. 17.
225Hiermit korrespondierend wird die Sicherheitslage in Kabul trotz einiger medienwirksamer Anschläge und häufiger Hinweise auf Anschlagsplanungen als „überwiegend kontrollierbar“ eingeschätzt, wobei darunter eine Situation verstanden wird, in der bestehende Bedrohungen eine nur geringe Beeinträchtigung der Bewegungs- und Handlungsfreiheit der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und der Vertreter der internationalen Gemeinschaft darstellen. Dies kann eine räumlich und zeitlich eng begrenzte Verschlechterung der Sicherheitslage einschließen. Ferner ist diese Situation dadurch gekennzeichnet, dass die Autorität der afghanischen Verwaltungs- und Regierungsstrukturen nicht nachhaltig in Frage steht.
226Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 16, 28.
227Diese Einschätzung der Sicherheitslage steht in Einklang mit der Anzahl der für Kabul dokumentierten Vorfälle, die durch bewaffnete oppositionelle Gruppierungen veranlasst wurden. Nach den Feststellungen von ANSO hat es in den jeweils ersten Quartalen der Jahre 2011, 2012, 2013 in Kabul insgesamt 36 derartige Vorfälle gegeben. Bei 6.886 für diese Zeiträume für das gesamte Staatsgebiet von Afghanistan registrierten Vorfällen entspricht das einem Anteil von 0,52 %. Die Bundesregierung hat unabhängig davon im Jahr 2011 eine entsprechend geringe Quote sicherheitsrelevanter Zwischenfälle von ebenfalls 0,5 % für Kabul festgestellt.
228Vgl. ANSO, Quaterly Data Report Q. 1 2013, S. 10; Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht Juli 2011, S. 6.
229Besonderes Gewicht gewinnt dies in Relation dazu betrachtet, dass in der Hauptstadt Kabul rund 10 % der Gesamtbevölkerung Afghanistans leben. Soweit die dortige Sicherheitslage in dem aktuellsten Bericht von ANSO im Gegensatz zu Vorberichten als „Deteriorating“ eingestuft worden ist, kann dies nicht als Anknüpfungspunkt dafür genommen werden, dass sich die Situation dort allmählich zuspitzen würde. Einerseits handelt es sich dabei um die zweitniedrigste von fünf Gefährdungsstufen, andererseits ist diese Bewertung offenbar dem Umstand geschuldet, dass für das erste Quartal 2012 lediglich zwei Vorfälle dokumentiert sind, für das erste Quartal 2013 hingegen zwölf und hieraus eine 500 %ige Steigerung resultiert, die angesichts der vergleichsweise geringen Ausgangsbasis und vor dem Hintergrund, dass für das vorangegangene, bei dem prozentualen Vergleich nicht betrachtete erste Quartal 2011 22 Vorfälle verzeichnet worden sind, wenig Aussagekraft hat.
230Auch aktuellste Erkenntnisse sprechen nicht für eine grundlegende Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul. Der am 24. Juli 2014 aktualisierte Bericht der Organisation ACCORD,
231vgl. ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: ecoi.net-Themendossier zu Afghanistan: Allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan & Chronologie für Kabul, letzte Aktualisierung 24. Juli 2014 http://www.ecoi.net/news/188769::afghanistan/101.allgemeine-sicherheitslage-in-afghanistan-chronologie-fuer-kabul.htm,
232enthält hierzu unter Bezugnahme auf unterschiedliche Quellen folgende Informationen: In Kabul hätten sich eine Reihe von Selbstmordanschlägen ereignet, die das Leben der Bevölkerung beeinträchtigten. Abgesehen von Selbstmordanschlägen und einer steigenden Kriminalitätsrate sei Kabul allerdings sicherer und mehr unter Kontrolle als andere Orte in Afghanistan. Die Taliban-Zellen agierten dort weiterhin, wobei ihre Netzwerke anscheinend immer stärker würden. Abgesehen von sporadischen Raketenangriffen auf die Hauptstadt liege ihr Fokus auf Angriffen, die möglichst nah am Zentrum der Macht verübt werden sollten. Die Taliban bevorzugten daher sporadische, öffentlichkeitswirksame Angriffe, sogenannte „highprofile attacks“, durch die ein Gefühl von Unsicherheit hervorgerufen werden solle.
233In dem aktuellsten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ist dies dahin präzisiert, dass sich die Angriffe der Taliban primär gegen Personen mit einem „hohen Profil“ wie Dolmetscher, Auftragnehmer und Lieferanten des Militärs und hochrangige Regierungsbeamte richteten. Bedingt dadurch komme es in Kabul häufiger zu gezielten Tötungen als in vollständig von den Taliban kontrollierten Gebieten. Für bekannte Personen bestehe dort ein größeres Risiko, angegriffen zu werden als in anderen Städten. Ziel der Taliban sei nicht die physische Kontrolle über Kabul; im Fokus stehe vielmehr die Ausübung psychologischen Einflusses.
234Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Sicherheit in Kabul, vom 22. Juli 2014, S. 5 ff.
235Nach den Feststellungen von ACCORD scheint es, als seien die Taliban demgegenüber nicht daran interessiert, relativ machtlose Personen zu verletzen. Ihre Taktik sei vielmehr zu zeigen, dass die Aufständischen überall im Land zuschlagen und selbst den „Stahlring“ der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte überwinden könnten. Dies ziele anscheinend darauf ab, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und möglicher „Geldgeber“ zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und den afghanischen Streitkräften zu verbreiten. Es sei eine Zunahme großer Angriffe in der afghanischen Hauptstadt prognostiziert worden. Gleichwohl seien sich - einem Bericht des norwegischen Herkunftsländerinformationszentrums Landinfo aus Januar 2014 zufolge - verschiedene Quellen bei Gesprächen in Kabul im Oktober 2013 einig gewesen, dass die Regierung, die afghanische Nationalarmee und die afghanische Nationalpolizei die Lage in Kabul relativ gut unter Kontrolle hätten. Entwicklungen, auf Basis derer die Situation in Kabul als instabil bezeichnet werden könnte, seien nicht erkennbar. Sie sei allerdings hinsichtlich des Risikos konfliktbezogener, gewalttätiger Vorfälle durch Unvorhersehbarkeit geprägt.
236Soweit sich danach bei einer aktuell als stabil eingeschätzten Sicherheitslage in Kabul die besorgniserregende Entwicklung eines Erstarkens der Taliban abzuzeichnen scheint, ist einerseits zu sehen, dass die Aussagekraft dieser Prognose durch die tatsächliche Entwicklung bestimmt wird, in deren Licht sie zu sehen ist. Andererseits ist von Bedeutung, dass nicht die erhöhte mediale Aufmerksamkeit, die einzelnen Anschlägen zu Teil wird, das ausschlaggebende Kriterium für die Bewertung der Sicherheitslage in Kabul ist. Vielmehr ist dies in erster Linie die Wahrscheinlichkeit, die für eine Zivilpersonen besteht, einem solchen Anschlag zum Opfer zu fallen. Das gilt jedenfalls dann, wenn deren Sicherheit - wie derzeit in Kabul - durch einzelne gezielte Anschläge und nicht durch flächendeckendere und vielgestaltigere Destabilisierungsmaßnahmen gefährdet ist. Diese Wahrscheinlichkeit wird durch die Exponiertheit des Anschlagsziels nur insoweit mitbestimmt, als dort üblicherweise auch Zivilisten anzutreffen sind und richtet sich - den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts zufolge - maßgebend nach dem Verhältnis von Einwohnerzahl und zivilen Opfern.
237Sie ist auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse für Kabul zu geringfügig, um auch jenseits einer Extremgefahr annehmen zu können, dass es dem Kläger nicht zumutbar sei, sich dort niederzulassen. Für den Zeitraum zwischen 2007 und 2013 sind von der NGO iMMAP Sicherheitsvorfälle in der Provinz Kabul dokumentiert, bei denen über 1.200 afghanische Zivilisten getötet oder verletzt wurden.
238Vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Sicherheit in Kabul; vom 22. Juli 2014, S. 7 unter Hinweis auf den Bericht von iMMAP vom 16. April 2014.
239Das entspricht bezogen auf einen Jahreszeitraum rund 200 zivilen Opfern provinzweit. Anhand dessen und der Ergebnisse des zitierten Berichts von ACCORD, in dem die sicherheitsrelevanten Ereignisse, die sich zwischen Januar 2013 und Juli 2014 in Kabul ereignet haben, insbesondere auf der Grundlage der Artikel von Radio Free Europe/Radio Liberty, BBC und Agence France Press chronologisch aufgeführt sind, lässt sich der Umfang, in dem die Zivilbevölkerung im Zusammenhang mit Anschlägen in Kabul Schaden genommen hat, jedenfalls für die hier zu treffende Zumutbarkeitsprognose hinreichend genau abschätzen.
240Für das erste Quartal 2013 sind sieben - zum Teil vereitelte - Anschläge dokumentiert, bei denen insgesamt 34 Zivilisten und weitere 38 Personen verletzt und - abgesehen von mehreren getöteten Wachleuten, Polizisten und Soldaten - neun Personen getötet wurden. Angriffsziele waren u.a. das Gebäude des afghanischen Geheimdienstes, die Zentrale der Verkehrspolizei und das afghanische Verteidigungsministerium.
241Für das zweite Quartal sind acht Angriffe, u.a. auf den Kabuler Flughafen und den Obersten Gerichtshof, mit insgesamt rund 46 Todesopfern - darunter drei Sicherheitsleute und zwei US-Soldaten - und 59 Verletzten zuzüglich mehrerer Dutzend Verletzter bei einem am 16. Mai 2013 von der Hezb-e-Islami verübten Anschlag genannt, wobei aus dem Bericht nicht hervorgeht, dass diese Zahlen nur Zivilpersonen einschließen.
242Im dritten Quartal 2013 waren drei - überwiegend durch die Taliban verübte -Anschläge zu verzeichnen. Dabei kamen mindestens sieben Personen zu Tode, weitere drei Zivilisten wurden verletzt.
243Für das vierte Quartal 2013 sind neun Angriffe, darunter ein mittels Raketen bzw. Granaten verübter Anschlag auf die amerikanische Botschaft, aufgeführt, bei denen sieben Zivilisten und 13 weitere Personen - darunter drei Soldaten - getötet und sechs Zivilisten, weitere 23 Personen und mehrere Soldaten und Polizisten verletzt worden sein sollen.
244Für das erste Quartal 2014 sind zwölf Anschläge dokumentiert, die bereits zum Teil in Zusammenhang mit den am 5. April 2014 stattgefundenen Präsidentschaftswahlen gebracht werden können. 46 Personen wurden getötet - wobei unklar ist, in welchem Umfang es sich dabei um Zivilpersonen gehandelt hat. Es wurden 58 Personen, zwei Polizisten und vier Wachmänner verletzt.
245Im zweiten Quartal 2014 - vermutlich im Zusammenhang mit den Stichwahlen am 14. Juni 2014 - kam es vor allem zu gezielten Angriffen, u.a. auf den Präsidentschaftskandidaten Abdullah Abdullah und ein weibliches Parlamentsmitglied. Außerdem ereigneten sich am Morgen der Wahl einige Raketenangriffe, u.a. in der Nähe des Kabuler Flughafens, bei denen niemand zu Schaden gekommen sein soll. Dem Bericht lässt sich entnehmen, dass im zweiten Quartal siebzehn Personen - darunter sechs Polizisten und ein Soldat - getötet und 25 Personen - zuzüglich „mehrerer“ weiterer Personen bei dem Anschlag am 21. Juni 2014 - verletzt worden sind. Im Juli 2014 kam es erneut zu Angriffen auf den Kabuler Flughafen, bei denen jeweils niemand getötet oder verletzt wurde. Insgesamt waren im Juli 2014 vier Tote und mehr als 15 Verletzte zu verzeichnen.
246Aus der Zusammenschau dieser Vorfälle geht zwar hervor, dass die Taliban und vergleichbare extremistische Gruppierungen weiterhin in der Lage sind, in den Hochsicherheitszonen Kabuls komplexe Anschläge durchzuführen,
247vgl. ebenso: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, vom 30. September 2013, S. 11,
248ihr Erstarken lässt sich indes nicht daran ablesen. Das ergibt sich aus dem Vergleich mit der von ANSO für Kabul registrierten Anschlagsdichte in den jeweils ersten Quartalen der Jahre 2011, 2012 und 2013, die bei durchschnittlich 12 Anschlägen pro Quartal lag. Der Umstand, dass der Sachverständige Dr. Mostafa Danesch in seinem Gutachten an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 3. September 2013 im Wesentlichen die gleichen Vorfälle benennt, spricht dafür, dass die Aufstellung von ACCORD überwiegend vollständig ist. Nach den Ergebnissen dieser Aufstellung sind von den - zumindest - rund 3,4 Millionen Einwohnern Kabuls in den vergangenen anderthalb Jahren ungefähr 400 Zivilpersonen durch Anschläge zu Schaden gekommen. Dabei erscheinen diese Zahlen angesichts der Feststellung von ANSO, dass auf Kabul nur rund 0,5 % der registrierten Anschläge entfallen, bei 42.024 von UNAMA für den gesamten Zeitraum von Januar 2009 bis Juni 2014 dokumentierten zivilen Opfern eher zu hoch.
249Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass sich gerade in Kabul aufgrund der dort vermehrt eingesetzten Taktik von „high profile attacks“ unter den Opfern eine Vielzahl von Personen mit - insbesondere berufsbedingt - gefahrerhöhenden Umständen finden dürfte. Aber selbst dann, wenn man im Ausgangspunkt eine Zahl von rund 267 zivilen Opfern im Jahr (2/3 von 400 in der Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Juli 2014) zugrundelegt und diese zum Ausgleich statistischer Ungenauigkeiten bzw. Unvollständigkeiten und zur angemessenen Berücksichtigung von Dunkelziffern aus Sicherheitsgründen mit drei multipliziert ergibt sich eine nur 0,023 %ige (267 x 3 x 100 : 3.435.000) und damit im Promillebereich liegende Wahrscheinlichkeit, in Kabul als Zivilperson Opfer eines Anschlages zu werden. Diese ist zu gering, um die Feststellung zu rechtfertigen, dass es dem Kläger nicht zumutbar wäre, sich in Kabul niederzulassen. Dabei ist dem Senat klar, dass dieser Anteil den tatsächlichen Gefährdungsquotienten nicht exakt abbildet. Er ist aber insoweit aussagekräftig, als, soweit der Berechnung fiktionale Faktoren zugrunde liegen, jeweils die für den Kläger günstigste Betrachtungsweise gewählt worden ist.
250Auch mit Blick auf die humanitäre Lage kann der Kläger auf Kabul als interne Schutzalternative verwiesen werden, wenngleich diese in wesentlichen Teilbereichen nach wie vor stark defizitär ist. Die Hauptursachen dafür sind Wohnraumknappheit, eine nur begrenzt funktionsfähige Trinkwasserversorgung, der Anstieg der Lebenshaltungskosten und eine problematische Arbeitsmarktsituation.
251Die Wohnraumsituation ist von steigenden Immobilienpreisen, demographischem Druck und einer allgemeinen „Knappheit an Wohnraum in gutem Zustand“ geprägt. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum hat sich daher in Kabul zu einem der gravierendsten sozialen Probleme entwickelt. Geschätzte 70 % der Bevölkerung leben innerhalb Kabuls bzw. in der Umgebung in sogenannten informellen Siedlungen. Darunter findet sich ein Großteil ehemaliger Kriegsflüchtlinge, die aus Pakistan und dem Iran zurückgekehrt sind, sowie Binnen- und Wirtschaftsflüchtlinge aus anderen Provinzen Afghanistans. Bei diesen Siedlungen handelt es sich um prekäre Unterkünfte wie Lehmhütten, Zelte oder alte beschädigte Gebäude. Das Leben dort ist häufig von schlechten hygienischen Verhältnissen und Trinkwassermangel gekennzeichnet. Die Bewohner dieser Siedlungen erhalten keine staatliche Unterstützung.
252Vgl. Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, 408 ff.
253Nach dem zuletzt zitierten Bericht sind die Lebenshaltungskosten in Kabul in den vergangenen Jahren um 30 % bis 50 % gestiegen. In der gesamten Provinz Kabul leben laut Weltbank und afghanischem Wirtschaftsministerium 23,1 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze.
254Vgl. Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, 408 ff.
255Insofern stellt sich die Situation dort verglichen mit dem gesamtafghanischen Durchschnitt (36 %) etwas günstiger dar. Ähnliches gilt für grundlegende Infrastruktureinrichtungen.
256Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2013, S. 19.
257Über die genaue Arbeitslosenquote in Kabul liegen keine Erkenntnisse vor. Aufgrund der strukturellen Prägung des dortigen Arbeitsmarkts dürften hierüber auch keine zuverlässigen Erhebungen zu erreichen sein, weshalb der Senat von weiteren Ermittlungen hierzu absieht. Grundsätzlich ist es so, dass urbane Gebiete wie Kabul im Vergleich zum ländlichen Raum von einer niedrigeren Partizipation am Arbeitsmarkt und höherer Arbeitslosigkeit geprägt sind, da in der Stadt, anders als in der Landwirtschaft, die Teilnahme von Frauen, Jugendlichen und älteren Personen an Erwerbstätigkeiten geringer ausfällt. Mit rund 80 % machen in urbanen Gebieten selbstständige Beschäftigungsformen - wobei hierunter dem Einzelhandel die wichtigste Rolle zufällt - den weitaus größten Teil der Erwerbsaktivitäten aus.
258Vgl. Daisuke Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, 409 ff.
259Es ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Situation zwischenzeitlich durchgreifend verändert hat. Insbesondere bei einer dramatischen Verschlechterung der Situation für erhebliche Teile der Bevölkerung wäre davon auszugehen, dass dies durch die hierzu berufenen Stellen dokumentiert wäre. Zwar wird in den aktuellsten Berichten auf Schwierigkeiten hingewiesen, die sich aus der demographischen Entwicklung, dem gegenwärtig zu verzeichnenden Einbruch des Wirtschaftswachstums und infrastrukturellen Defiziten in Teilbereichen ergeben.
260Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2014, S. 19; Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 23 f.
261Andererseits weist die Bundesregierung in ihrem aktuellsten Bericht auf die deutlichen Fortschritte beim Wiederaufbau des Landes, etwa die Verdoppelung des Bruttoinlandsprodukts und allgemeine Verbesserungen der Versorgungslage, der Schaffung einer Infrastruktur und rechtsstaatlicher Strukturen hin, ohne Kabul von dieser Entwicklung auszunehmen. Aus dem Bericht geht im Übrigen hervor, dass das internationale Engagement für Entwicklung und Wiederaufbau fortgesetzt wird. Speziell im Bereich Kabul plant bzw. unterstützt die Bundesregierung Projekte im Zusammenhang mit der Abwasserentsorgung und der Wiederherstellung bzw. des Neubaus des Wasserversorgungssystems.
262Vgl. Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 26.
263Dass sich die humanitäre Situation in Kabul zuletzt verschlechtert hat, geht auch nicht aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Mostafa Danesch an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 3. September 2013 hervor. Dies enthält nur ausschnittsweise Feststellungen zur humanitären Lage in Kabul, nämlich zu den Lebensumständen in den dortigen Flüchtlingslagern, in denen seinen Feststellungen zufolge 35.000 Menschen leben. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die desolaten Verhältnisse, die dort herrschen, repräsentativ für das gesamte Stadtgebiet von Kabul sind.
264Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die humanitäre Lage in Kabul weiterhin äußerst schwierig ist. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Verelendungsrisiko einzelner Bevölkerungsgruppen stark voneinander abweicht. Jedenfalls für den Kläger als gesunden, arbeitsfähigen, alleinstehenden Mann besteht es allenfalls in geringfügigem Maße, denn es ist davon auszugehen, dass er seinen Lebensunterhalt nach einer Wiedereingliederungsphase auch ohne familiären Rückhalt zumindest auf einem - nach westlichen Maßstäben - niedrigen Niveau wird sicherstellen können.
265Der Kläger trägt keine Unterhaltslasten, muss nur für sich selbst sorgen und ist im Ausgangspunkt schon deswegen einem geringeren Armutsrisiko ausgesetzt.
266Die Beziehung zwischen Haushaltsgröße und Armutsrisiko ist für Afghanistan statistisch belegt. Danach steigt das Armutsrisiko ab einer Haushaltsgröße von drei Personen (11 %) bis zu einer Haushaltsgröße von neun Personen (über 40 %) kontinuierlich und liegt bei einer Haushaltsgröße von 15 Personen sogar bei über 45 %. Für eine alleinstehende Person bewegt es sich demgegenüber nur im Bereich zwischen 10 % und 15 %.
267Vgl. Summary of the national risk and vulnerability assessment, 2007/8, A profile of Afghanistan, Main Report, S. 59.
268Hinzu kommt, dass der Kläger über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die in Afghanistan nicht selbstverständlich sind und es ihm dort erleichtern dürften, eine Erwerbsgrundlage zu finden. Er hat eine abgeschlossene Schulausbildung und kann - anders als 70 % aller Afghanen - lesen und schreiben. Der Kläger spricht dari, paschtu, urdu, persisch und etwas deutsch. Dass die in Deutschland gemachten Erfahrungen und erworbenen Sprachkenntnisse seine Erwerbsperspektive in seiner Heimat begünstigen, ist wahrscheinlich. Außerdem ist aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Landwirt davon auszugehen, dass er über Kenntnisse und Fertigkeiten im Zusammenhang mit dem Anbau und der selbstständigen Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte verfügt. Vor dem Hintergrund, dass der selbstständige Einzelhandel als Erwerbssektor in Kabul eine bedeutende Rolle spielt, spricht Vieles dafür, dass der Kläger eine Erwerbstätigkeit in diesem Bereich finden und an seine früheren Erfahrungen anknüpfen können wird.
269Vgl. dazu Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, wonach das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden kann, S. 9.
270(2) Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht dem Kläger nicht zu. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Annahme einer "konkreten Gefahr" im Sinne dieser Vorschrift genügt nicht die bloße Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die geschützten Rechtsgüter zu werden. Vielmehr ist insoweit wie im Asylrecht der Maßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Zudem ergibt sich aus dem Element der "Konkretheit" der Gefahr für "diesen" Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer auf den Einzelfall bezogenen, individuell bestimmten und erheblichen, also auch alsbald nach der Rückkehr eintretenden Gefährdungssituation. Schließlich muss es sich um Gefahren handeln, die dem Ausländer landesweit drohen, denen er sich also nicht durch Ausweichen in sichere Gebiete seines Herkunftslandes entziehen kann.
271Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 (330), sowie Beschlüsse vom 18. Juli 2001 - 1 B 71.01 -, Buchholz 402. 240 § 53 AuslG Nr. 46, und vom 4. Februar 2004 - 1 B 291.03 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 75.
272Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Afghanistan erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.
273Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
274Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 24/10 -, juris, Rn. 20.
275Ausgehend davon ist nicht feststellbar, dass für den Kläger in Afghanistan bei Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG besteht.
276Dass ihm individuelle Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - vor allem gezielte Angriffe durch die Taliban - drohen, ist mit Blick auf die fehlende Glaubhaftigkeit des von ihm geschilderten Verfolgungsschicksals nicht feststellbar. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen zu § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG Bezug genommen.
277Es besteht auch keine hohe oder auch nur beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in seine Heimatprovinz Logar mit einer extremen Gefahrenlage, die ihrer Dimension nach geeignet wäre, die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AsylVfG zu durchbrechen, konfrontiert wäre.
278Von einer derartigen Gefahr kann zunächst nicht unter dem Gesichtspunkt eines besonders zugespitzten Sicherheitsrisikos in Logar ausgegangen werden. Dies ergibt sich aus den Ausführungen zu § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG zur konfliktbedingten Gefährdungsprognose für den Kläger, die an dieser Stelle übertragbar sind.
279Dass der Kläger in Logar aus anderen, nicht konfliktbedingten Gründen - etwa wegen einer dort herrschender ausufernder Kriminalität - einem besonderen Sicherheitsrisiko ausgesetzt sein könnte, ist nicht substantiiert vorgetragen und ergibt sich auch nicht aus den vorliegenden Erkenntnissen.
280Ebenso wenig lässt sich eine Extremgefahr aus der allgemeinen Versorgungslage in Logar herleiten. Davon, dass der Kläger dort alsbald nach Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit insbesondere infolge von Mangelernährung oder Obdachlosigkeit dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde, kann nach aktueller Erkenntnislage nicht ausgegangen werden. Ausgangspunkt dieser Bewertung sind zunächst allgemeine Aspekte der Entwicklung der humanitären Situation in Afghanistan.
281Die Bewertung Afghanistans im Human Development Index (HDI) hat sich aufgrund der erheblichen und anhaltenden Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft kontinuierlich verbessert. Gleichwohl ist Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt und belegt mit 175 von 187 einen sehr niedrigen Rang im Index. Obwohl sich Afghanistan in fast allen Bereichen positiv entwickelt hat, besteht weiterhin beträchtlicher Entwicklungsbedarf. Rund 36 % der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Im Winter 2012/13 waren über zwei Millionen Menschen durch Unterernährung, Krankheit und Kälte gefährdet. Die Analphabetenrate in Afghanistan liegt bei 70 %. 90 % der Frauen und 70 % der Männer haben keinen Schulabschluss. Während nur 15,7 % der über 15- jährigen Frauen in Afghanistan berufstätig sind, sind es bei den Männern 80,3 %. Die wichtigste Einkommensquelle für die Bevölkerung bleibt die Landwirtschaft. Afghanistan verfügt über eine geringe, aber wachsende Anzahl gut ausgebildeter Arbeitskräfte. Nach aktueller Erkenntnislage leiden 34 % der afghanischen Gesamtbevölkerung unter Lebensmittelknappheit und 43 % haben keinen gesicherten Zugang zu Trinkwasser. Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Angesichts zahlreicher Naturkatastrophen reagiert das World Food Programme das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen und extremen Kälteeinbruch. Außerhalb der Provinzhauptstädte fehlt es vielerorts an grundlegender Infrastruktur für Transport, Energie und Trinkwasser. Die Möglichkeiten des afghanischen Staates, die Bedürfnisse seiner Bevölkerung zu erfüllen, geraten zusätzlich durch ein starkes Bevölkerungswachstum unter Druck. Infolge dessen ist absehbar, dass künftig jährlich 400.000 junge Afghanen auf den Arbeitsmarkt strömen. Im Jahr 2013 ist die Wirtschaft - nach einer Dekade starken Wachstums - nur um vergleichsweise schwache 3 % gewachsen. Die zukünftige Entwicklung ist nicht sicher vorhersehbar. Denkbar ist einerseits, dass das - durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähte - Preis- und Lohniveau und eine stärkere Abwertung der afghanischen Währung zu einer gestärkten Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte im Exportgeschäft führen könnten, andererseits besteht die Gefahr, dass sich eine Destabilisierung des Landes und seiner Institutionen volkswirtschaftlich ungünstig auswirkt. Die medizinische Versorgung in Afghanistan hat sich, wie bereits ausgeführt, ungeachtet fortbestehender Defizite insbesondere im Bereich der Grundversorgung in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert.
282Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan vom 31. März 2014, Stand: Februar 2014, S. 19 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage, 30. September 2013, S. 20; UNHCR, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, vom 6. August 2013, S. 29 f.
283Daran wird deutlich, dass große Teile der afghanischen Zivilbevölkerung immer noch unter schwierigsten Bedingungen leben und in vielfältiger Weise mit ständigem Mangel konfrontiert sind. Trotz der fortbestehenden schwerwiegenden Defizite der humanitären Situation, deren Leidtragende in erster Linie Kinder und erst an letzter Stelle gesunde arbeitsfähige Männer sein dürften, fallen bei der zu treffenden Bewertung auch die zwischenzeitlich insoweit erzielten Fortschritte ins Gewicht.
284Vgl. dazu Die Bundesregierung, Fortschrittsbericht, Juni 2014, S. 23 f.
285Aussagekräftig ist dabei vor allem der Umstand, dass die Lebenserwartung im letzten Jahrzehnt um 18 Jahre gestiegen ist.
286Vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand: Februar 2014, vom 31. März 2014, S. 20 f.
287Dabei handelt es sich neben dem Bruttoinlandsprodukt und der Erwerbstätigen- und Analphabetenrate um einen Entwicklungsindikator, der Auskunft über den wirtschaftlichen und sozialen Stand eines Landes gibt. Aus der Lebenserwartung lassen sich Anhaltspunkte zu Ernährungssituation, Gesundheitswesen, hygienischen Verhältnissen und körperlicher Arbeit gewinnen.
288Vgl.http://de.wikipedia.org/wiki/
289Entwicklungsindikator.
290Ihr deutlicher Anstieg in Afghanistan kann daher zumindest als Indiz für eine Verbesserung der humanitären Gesamtsituation gewertet werden.
291Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Versorgungslage in Logar schlechter als im gesamtafghanischen Durchschnitt ist. Sie stellt sich den hierzu vorliegenden Erkenntnissen zufolge wie folgt dar: Logar ist eine vorwiegend ländlich geprägte Region. Nach den statistischen Angaben des Ministry of Rural Rehabilitation and Development (MRRD) können dort 40 % aller Haushalte ihre Grundversorgung mit Nahrungsmitteln durchgehend sicherstellen, bei 23 % der Haushalte treten insoweit selten (1 bis 3 Mal im Jahr) und bei 22 % der Haushalte manchmal (3 bis 6 Mal im Jahr) Schwierigkeiten auf. Für 15 % der Haushalte handelt es sich dabei um ein häufiges oder ständiges Problem. Die Versorgung mit Trinkwasser ist in Logar überwiegend gewährleistet. 69 % aller Haushalte haben innerhalb ihres Dorfes Zugang zu Trinkwasser. Für 29 % der Haushalte ist Trinkwasser in weniger als einer Stunde erreichbar. Durchschnittlich 32,3 % der Haushalte haben Zugang zu Elektrizität. Die Verkehrsinfrastruktur in Logar ist vergleichsweise gut; 78 % der Straßen sind alljährlich befahrbar. Eine medizinische Grundversorgung ist dort ebenfalls gewährleistet. Insoweit wird Bezug auf die vorangehenden Ausführungen genommen. Die Provinz profitiert in unterschiedlicher Weise von Entwicklungshilfemaßnahmen. Insgesamt fünf UN-Organisationen sind vor Ort in Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekte eingebunden. In den Bezirken Muhammad Agha und Pul-i-Alam ist beispielsweise das World Food Programme stationiert. Im Jahr 2011 wurden 20 % der Bevölkerung Logars mit Lebensmitteln unterstützt.
292Vgl. MRRD, National Area Based Development Program, Logar Province Profile.
293Überdies wurden in Logar 52 unterschiedliche Infrastrukturprojekte im Rahmen des National Data Based Development Program - einer gemeinsamen Initiative des United Nations Development Program und des MRRD - initiiert, von denen bereits große Teil der Bevölkerung Logars profitiert haben.
294Vgl. MRRD, National Area Based Development Program; UNDP, Project summary, Reducing rural poverty and building access to basic services, Updated: April 2014.
295Für die Annahme, dass der Kläger in Logar einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt sein würde, besteht angesichts dieser Gesamtsituation keine tragfähige Tatsachengrundlage. Dafür, dass er nach mittlerweile fünfjähriger Abwesenheit als Rückkehrer einem gegenüber dem Rest der Zivilbevölkerung besonders hohen Verelendungsrisiko ausgesetzt sein könnte, spricht jedenfalls (schon) keine beachtliche und damit erst recht keine hohe Wahrscheinlichkeit. Daraus mögen zwar zunächst erhebliche Wiedereingliederungsschwierigkeiten resultieren, von denen der Kläger - das Fehlen eines Familienverbandes zu seinen Gunsten unterstellt - verstärkt betroffen ist. Diese relativieren sich aber dadurch, dass er ihnen als alleinstehender gesunder Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen mit abgeschlossener Schulbildung und Berufserfahrung in den Bereichen Einzelhandel und Landwirtschaft ein vergleichsweise günstiges Risikoprofil entgegenzusetzen hat, durch das ihm die Erwirtschaftung eines Existenzminimums erleichtert ist.
296Vgl. dazu Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, S. 9.
297Hierzu wird auf die vorstehenden Ausführungen zur internen Schutzalternative im Zusammenhang mit einem Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes verwiesen. Danach ist davon auszugehen, dass der Kläger auch ohne Vermögen und familiären Rückhalt zumindest sein Existenzminimum wird sicherstellen können, indem er sich in Logar beispielsweise (zunächst) als Tagelöhner in der Landwirtschaft verdingt.
298Vgl. dazu Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, wonach das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden kann, S. 9.
299Ergänzend wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass nach der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Karin Lutze vom 8. Juni 2011 unter den registrierten 3.000 Rückkehrern im Zeitraum der vorangegangenen zehn Jahre keine Todesfälle infolge von Hunger oder Unterernährung bekannt geworden sind.
300Vgl. Dr. Karin Lutze, Gutachterliche Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 8. Juni 2011, S. 12.
301Unabhängig davon kann der Kläger auch deswegen keinen nationalen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beanspruchen, weil er sich auf Kabul als inländische Fluchtalternative verweisen lassen muss. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen zu Kabul als interner Schutzalternative (§ 3e AsylVfG) im Zusammenhang mit der Zuerkennung subsidiären Schutzes verwiesen, die die Feststellung, dass dem Kläger in Kabul keine Extremgefahr droht, mittragen.
302Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; das Verfahren ist nach § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.
303Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
304Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2007 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verpflichtet wird festzustellen, dass im Falle des Klägers ein unionsrechtlich begründetes Abschiebungsverbot (hier: § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) vorliegt.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der im Jahre 1981 in der Provinz Ghazni geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Nachdem er nach eigenen Angaben am 11. Februar 2003 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war, beantragte er am 25. Februar 2003, als Asylberechtigter anerkannt zu werden. Zur Begründung seines Asylbegehrens führte er im Wesentlichen aus, er habe insgesamt sechs Jahre lang in seinem Heimatland die Schule besucht, wovon er sich drei Jahre lang an einer Koranschule aufgehalten habe. Nach seinem Schulbesuch habe er bei seinem Vater in der Landwirtschaft gearbeitet. Sein Heimatland habe er bereits drei Jahre vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verlassen. Dabei habe er sich eineinhalb Jahre nach seiner Ausreise in Teheran aufgehalten. Sein jüngerer Bruder habe im Zeitpunkt der Anhörung noch in Afghanistan gelebt.
- 2
Sein Vater sei im Jahre 1998 von den Taliban festgenommen worden und eineinhalb Monate inhaftiert gewesen. Etwa drei bis vier Monate nach seiner Freilassung sei er verstorben. Der Vater sei Mitglied der Wahdat-e Islami und deshalb in der Region bekannt gewesen. Nachdem es immer häufiger zu Auseinandersetzungen mit Taliban und Paschtunen gekommen sei, habe der Kläger sein Heimatland verlassen. Bei einem Granatangriff habe er etwas abbekommen und sei verletzt worden. Zurückkehren könne er nicht, da es in Afghanistan keine Sicherheit und Ordnung gebe.
- 3
Mit Bescheid vom 6. September 2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass in seinem Fall die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG nicht vorliegen. Sie forderte den Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland auf und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an. Auf die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht Koblenz (2 K 3189/04.KO) mit Urteil vom 10. Mai 2005 die von der Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung wegen eines Zustellungsmangels auf und wies die Klage im Übrigen ab.
- 4
Den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (6 A 10819/05.OVG) mit Beschluss vom 22. Juni 2005 ab. Unter dem 24. August 2006 erließ die Beklagte gegen den Kläger erneut eine Abschiebungsandrohung mit dem Zielstaat Afghanistan.
- 5
Am 16. November 2006 beantragte der Kläger, in seinem Falle ein weiteres Asylverfahren durchzuführen. Hierzu berief er sich darauf, dass sein Vater von den Taliban geschlagen und gefoltert worden sowie einige Tage nach seiner Freilassung den Folgen der Folter erlegen sei. Er selbst sei gezwungen gewesen, sein Heimatland zu verlassen, da die Taliban der Erzfeind seines Volkes seien. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan müsse er damit rechnen, von den Taliban getötet zu werden, da sein Vater Mitglied der Wahdat-Partei gewesen sei.
- 6
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2006 lehnte die Beklagte die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie die Abänderung ihrer zu § 53 AuslG getroffenen Feststellungen ab.
- 7
Am 11. Januar 2007 hat der Kläger Klage erhoben, wobei er ergänzend ausgeführt hat, dass seine Eltern und ein Bruder verstorben seien. Der in seiner Anhörung erwähnte Bruder halte sich bei einer Tante im Iran auf. Nachdem der Kläger seinen Antrag in der mündlichen Verhandlung des Gerichts vom 11. April 2007 darauf beschränkt hat, die Beklagte zu verpflichten, ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, hat das Verwaltungsgericht in seinem aufgrund der mündlichen Verhandlung ergangenen Urteil eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten ausgesprochen. Es hat hierzu dargelegt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen der dort bestehenden schlechten Versorgungslage in eine lebensbedrohliche Bedrängnis geriete und damit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.
- 8
Zur Begründung der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung hat die Beklagte ausgeführt, dass im Falle des Klägers keine extreme Gefahrenlage bei verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG anzunehmen sei. Bei einer Rückkehr könne eine aus der allgemeinen Lage resultierende Gefahr für Leib und Leben zwar nicht völlig ausgeschlossen werden. Jedenfalls im Raum Kabul sei die Sicherheits- und Versorgungslage aber nicht so schlecht, dass der Kläger bei einer Rückkehr gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schweren Verletzungen ausgeliefert würde. Insbesondere bestünden keine Anzeichen für eine Hungerkatastrophe. Vor dem Hintergrund der persönlichen Lebenssituation des Klägers als junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann sei davon auszugehen, dass er im Raum Kabul eine vergleichsweise stabile Existenzgrundlage finden werde.
- 9
Der Kläger hat darauf verwiesen, dass er aus der Provinz Ghazni stamme, die unter der Kontrolle der Taliban stehe. Dort müsse er wegen seines langjährigen Aufenthalts im Westen und seiner auch äußerlich erkennbaren Volkszugehörigkeit sowie seiner schiitischen Religionszugehörigkeit mit Übergriffen durch die Taliban rechnen. Vor diesem Hintergrund sei ihm auch ein Ausweichen nach Kabul nicht zumutbar. Am Zufluchtsort müsse eine hinreichende Sicherheit vor Verfolgung bestehen und zumindest das Existenzminimum gewährleistet sein. Dies sei indessen angesichts der sozialen Lage in Kabul nicht der Fall. Vielmehr sei auch in Kabul für eine mittellose Person ohne intakten Familienverband die Gefahr des Todes durch Unterernährung gegeben. Von dem Fortbestand intakter Familien- und Stammesstrukturen in Kabul könne indessen nicht ausgegangen werden. In der Herkunftsregion des Klägers bestehe ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, der zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit führe. Ein Ausweichen in einen anderen Landesteil sei ihm nicht zumutbar. Er verfüge auch nicht über eine besondere Schul- oder Berufsausbildung, die ihn in besonderer Weise für den Arbeitsmarkt in Afghanistan qualifizierte.
- 10
Mit aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2008 ergangenem Urteil hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass im Falle des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliege. Der Kläger sei bei seiner Rückkehr nach Afghanistan mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen allgemeinen Gefahr in dem Sinne ausgesetzt, dass er gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Er wäre nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu sichern. Die Versorgungssituation werde auch nicht durch Unterstützungsmaßnahmen der afghanischen Regierung oder internationaler Organisationen verbessert. Wegen der zu erwartenden Mangelernährung, die ausschließlich aus Brot und Tee bestehe, werde der Kläger zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten. Da die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorlägen, erübrige sich eine Entscheidung darüber, ob auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gegeben seien.
- 11
Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 29. Juni 2010 (− 10 C 10/09 −, BVerwGE 137, 226) die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
- 12
Im weiteren Verfahren führt die Beklagte ergänzend aus, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht vorlägen. Hinsichtlich seiner Herkunft aus dem Dorf S. in der Provinz Ghazni sei nicht von dem Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts auszugehen. Die Annahme einer individuellen Gefährdung, die allein auf den Umstand eines bewaffneten Konfliktes abstelle, erfordere eine Gefahrendichte, wie sie vergleichbar bei der Verfolgungsdichte im Hinblick auf eine Gruppenverfolgung angenommen werde. Von einer derartigen Verfolgungsdichte könne indes angesichts der Opferzahlen in der Provinz Ghazni nicht ausgegangen werden. Zudem wäre dem Kläger ein Ausweichen nach Kabul zuzumuten.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2007 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass vorrangig das Vorliegen eines unionsrechtlichen Abschiebungshindernisses (Art. 15 QRL) festgestellt wird,
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hilfsweise,
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1. den Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Klärung der Rechtsfrage vorzulegen, ob die Definition des Grades willkürlicher Gewalt bzw. der notwendigen Gefährdungsdichte seitens des Bundesverwaltungsgerichtes in seinem Urteil vom 27. Februar 2010 – 10 C 4.09 – mit Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG vereinbar ist,
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2. den Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Klärung der Frage vorzulegen, ob die inländische Schutzalternative des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG voraussetzt, dass dort ein normales Leben mit Zugang zu Nahrung, Wasser, Unterkunft und medizinischer Versorgung unter Beachtung der individuellen Bedürfnisse gewährleistet, also sichergestellt ist und ein normales Leben ohne unangemessene Härte mit Garantie der Achtung der grundlegenden Menschenrechtsstandards, einem gewissen Maß an Stabilität und effektiven staatlichen Strukturen und zivilen Schutzstrukturen, die effektiven Schutz vermitteln, und ein normales Leben mit mehr als dem bloßen Existenzminimum ohne ein Leben in Not und mit Entbehrungen auf Dauer gewährleistet, also sichergestellt ist,
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3. Beweis zu erheben zu der Tatsache, dass junge Männer zwischen ca. 14 und 40 Jahren in Ghazni von Zwangsrekrutierungen durch die Taliban betroffen sind und im Falle der Weigerung mit ihrer Erschießung rechnen müssen, sowie zu der Tatsache, dass junge Männer, die sich jahrelang im Westen aufgehalten haben, unvermeidlich zu erkennen und wegen einer pauschal vermuteten Gegnerschaft zu den Taliban oder einer Spitzeltätigkeit für den Westen an Leib und Leben gefährdet sind, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und sachverständiges Zeugnis des Herrn Dr. M. D.,
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4. zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger nicht in der Lage ist bzw. es ihm sehr schwer fällt, zeitliche Einordnungen vorzunehmen, und er auch nicht in der Lage ist bzw. es ihm sehr schwer fällt, bei Schilderungen der Vergangenheit sein Alter richtig einzuschätzen, ein medizinisch-psychologisches Sachverständigengutachten einzuholen.
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Er legt ergänzend dar, dass er von Taliban angegriffen worden sei. Zudem sei es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Paschtunen und Hazara gekommen. Im Hinblick auf das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts habe das nationale Recht das einschränkende Merkmal der „willkürlichen Gewalt“ nicht übernommen. Abgesehen davon werde in seinem Falle auch dieses Merkmal erfüllt. Er sei bei einer Rückkehr infolge willkürlicher Gewalt einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt. In Afghanistan könne es jederzeit zu Attentaten, Bombenanschlägen und bewaffneten Auseinandersetzungen kommen. Die Sicherheitslage habe sich ständig weiter verschlechtert. Dies gelte insbesondere für vorher als sicher eingeschätzte Regionen. Das Risiko des Einzelnen, Opfer entsprechender Auseinandersetzungen zu werden, sei überall akut. Was die Gefahrendichte in seiner Herkunftsregion angehe, so müsse berücksichtigt werden, dass im Distrikt Nuwar lediglich 81.000 Menschen lebten. Die Taliban gewännen immer stärker die Oberhand. Sie beherrschten die Provinz Ghazni. Die Hazara stünden dabei in besonderem Maße im Blickfeld der Taliban. Anknüpfungspunkt hierfür seien ethnische und religiöse Gründe. Hieraus ergebe sich auch eine besondere Gefährdung für ihn. Zudem müsse er bei einer Rückkehr mit Zwangsrekrutierung und Folter rechnen. Ein Ausweichen nach Kabul komme nicht in Betracht, da er dort über keine Verwandten verfüge und in der Stadt völlig fremd sei.
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In seiner Anhörung durch den Berichterstatter am 16. Februar 2011 hat der Kläger ergänzend dargelegt, dass er vor seiner Ausreise im Ort A. S. gelebt habe. Nach dem Tod seiner Eltern sei er zu einem Freund seines Vaters in diesen Ort gezogen. Zu der Familie dieses Freundes habe er bis 2006 Kontakt gehalten. Zu diesem Zeitpunkt habe die Familie im Iran gelebt. Sein Vater habe gegen die Taliban gekämpft. Er habe der Hazara-Partei Hezb-i Wahdat angehört. Das Haus der Familie sei bei den Auseinandersetzungen mit den Taliban beschädigt worden. Wegen der Darlegungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2012 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Frau Dr. Marie Luise Ternes als Sachverständige zur Frage der gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch eine Mangelernährung sowie durch Einholung von Sachverständigengutachten des UNHCR, von Frau Dr. K. L. und durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes zur Einschätzung der Lage in Afghanistan im Hinblick auf das Vorliegen bewaffneter Auseinandersetzungen in der Provinz Ghazni und zur Versorgungslage im Land. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze, auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung bleibt erfolglos.
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Die Klage ist begründet, soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots auf der Grundlage des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG begehrt. Insoweit ist der Entscheidungsausspruch des Verwaltungsgerichtes klarzustellen.
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1. Bei der Entscheidung des Senates war § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG neben dem nationalen Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, zu dessen Feststellung das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet hat, Gegenstand des Verfahrens.
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Die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote, zu denen neben § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gehört und deren Grundlagen sich aus Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie – ergeben, sind mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der europäischen Union - Richtlinienumsetzungsgesetz - (BGBl. I 2007, 1970) im August 2007 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Ablehnungsbescheid der Beklagten – wie hier − sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote erfasst und der Kläger die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote in sein Verfahren einbezogen hat. Die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote bilden einen eigenständigen, vorrangig vor den nationalen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 4/09 ─, BVerwGE 136, 360 und juris Rn. 16; Urteil vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226 und juris, Rn. 6).
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2. Ist hiernach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites, so liegen jedenfalls insoweit auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG vor.
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Das dem gerichtlichen Verfahren zugrundeliegende Verwaltungsverfahren der Beklagten betraf einen Asylfolgeantrag. Soweit im ursprünglichen Asylverfahren bereits eine Feststellung zu Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG getroffen worden ist, kommt hiernach eine erneute Prüfung der entsprechenden Abschiebungsverbote nur unter den Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens in Betracht (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2000 - 9 C 41.99 -, BVerwGE 111, 77 und juris, Rn. 9). Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens setzt nach § 51 Abs. 1 VwVfG voraus, dass
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1. sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2. neue Beweismittel vorliegen, die eine den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden oder
3. Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der ZPO gegeben sind.
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Im Falle des Klägers ist von einer zu seinen Gunsten geänderten Sach- und Rechtslage auszugehen. Einerseits ist von einer Änderung der Rechtslage auszugehen, die sich für den Kläger als günstig erweist. Hierzu ist darauf abzustellen, dass in seinem Verfahren nunmehr die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote nach der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen sind und hierbei insbesondere nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts relevant werden kann. Zudem liegt jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Senates, der nach § 77 Abs. 1 AsylVfG auch für die Beurteilung des Vorliegens eines Wiederaufgreifensgrundes maßgeblich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2008 – 2 BvR 1262/07 −, juris Rn. 15; OVG Hamburg, Urteil vom 16. Juni 2006 – 5 Bf 302/Q.3.A −, juris), zur Ausfüllung dieses Tatbestandes eine zugunsten des Klägers veränderte Sachlage vor. Eine derartige Änderung ist bei asylrechtlichen Dauersachverhalten dann anzunehmen, wenn eine qualitativ neue Bewertung angezeigt und möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2008, a.a.O., Bergmann, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, § 71 AsylVfG Rn. 24). Hinsichtlich der Situation in der Herkunftsregion des Klägers, der Provinz Ghazni, ist eine qualitative Veränderung im Hinblick auf die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes darin zu sehen, dass in diesem Gebiet eine sowohl absolut wie auch gemessen an der Bevölkerungszahl von gut 1 Mio. Einwohner hohe Zahl sicherheitsrelevanter Zwischenfälle festzustellen ist (vgl. Auswärtiges Amt, Amtliche Auskunft an das OVG Rheinland-Pfalz vom 1. November 2011). Die Zahl der Angriffe Aufständischer belief sich im Jahr 2010 auf 1.540 (D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich – Schweiz, Sicherheitslage in Ghazni und Nangarhar, März 2011) und nahm gegenüber dem Vorjahr um 234 % zu (UNHCR, Auskunft an das OVG Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011) Hiernach ist aber eine erhebliche Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten, die eine neue inhaltliche Bewertung seines Anspruchs auf Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes als möglich erscheinen lässt.
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3. Im Falle des Klägers liegen die Voraussetzungen für die Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auch vor. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
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a. Für die Herkunftsregion des Klägers, die Provinz Ghazni, ist derzeit von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Sinne dieser Vorschrift auszugehen.
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aa. Anknüpfungspunkt für die Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist dessen Bedeutung im humanitären Völkerrecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198 und juris, Rn. 19 ff.). Das Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll II) vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1637), definiert in Art. 1 den innerstaatlichen Konflikt als bewaffneten Konflikt, der im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfindet, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes der Hohen Vertragspartei ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll anzuwenden vermögen. Nach Art. 1 Abs. 2 des Zusatzprotokolls II findet dieses keine Anwendung auf Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen.
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Erreicht eine Auseinandersetzung im innerstaatlichen Bereich einen Grad, der zwischen den beiden im Zusatzprotokoll angesprochenen Ausgestaltungen eines Konfliktes liegt, so scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes nicht von vorneherein aus. Voraussetzung ist allerdings, dass die Auseinandersetzung ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit ausweist. Typische Beispiele hierfür sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008, a.a.O. und juris, Rn. 22; Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 23). Wie der Vorschrift des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG zu entnehmen ist, liegt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt auch dann vor, wenn er lediglich einen Teil des Staatsgebietes erfasst. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie enthält Regelungen über die Erfordernisse internen Schutzes im Herkunftsland. Beschränkt sich ein bewaffneter Konflikt auf einzelne Landesteile, so kommt eine individuelle Bedrohung in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Klägers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008, a.a.O. und juris, Rn. 25; Urteil vom 14. Juli 2009 - 10 C 9.08 -, BVerwGE 134, 188 und juris, Rn. 17).
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bb. Anknüpfend an diese Kriterien ist für die Herkunftsregion des Klägers, die Provinz Ghazni, vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes auszugehen. In der Provinz kommt es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und ISAF- Streitkräften auf der einen und militärisch organisierten oppositionellen Gruppierungen auf der anderen Seite, die sich in Dauerhaftigkeit und Intensität von den allgemeinen Verhältnissen in Afghanistan deutlich abheben und die für die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts aufgezeigte Schwelle überschreiten.
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Die Sicherheitslage in Afghanistan ist insgesamt dadurch gekennzeichnet, dass es landesweit in unterschiedlicher Intensität zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen afghanischen Regierungstruppen und der unter Führung der NATO operierenden internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) auf der einen sowie den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen auf der anderen Seite kommt. Das Land ist durch eine andauernde Instabilität geprägt. Insgesamt ist in den Jahren 2010 und 2011 eine Verschlechterung der Sicherheitslage festzustellen. Die Zahl der Anschläge hat sich im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 65 % erhöht. Während nach wie vor ein Schwerpunkt der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Land in den südlichen und südöstlichen Regionen festzustellen ist, lässt sich gleichzeitig eine stärkere geografische Verteilung entsprechender Vorfälle konstatieren (vgl. UNHCR, Auskunft vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; ders., Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylbewerber vom 21. März 2011; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Die für das Jahr 2010 genannte Zahl getöteter Zivilpersonen schwankt in einzelnen Quellen zwischen 2.428 (amnesty international, Report 2011 Afghanistan vom 18. August 2011) und 2.777 (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Landesweit ist im ersten Halbjahr 2011 ein Anstieg der Zahl der getöteten Zivilisten um 15 % festzustellen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Für das gesamte Jahr 2011 wird eine Zahl von 3021 ziviler Todesopfer genannt (United Nations Assistance Mission in Afghanistan – UNAMA, Annual Report 2011, Februar 2012), so dass erneut von einem beträchtlichen Anstieg auszugehen ist.
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Gegenüber dieser allgemeinen Ausgangslage in Afghanistan erreicht der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungstruppen sowie den ISAF-Kräften in der Provinz Ghazni in den letzten Jahren eine besondere Intensität. Wie bereits dargelegt, gehört die Provinz zu den unsichersten Regionen Afghanistans Die Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in der Provinz haben im Jahr 2010 binnen Jahresfrist um 234 % zugenommen und damit einen Wert erreicht, der sogar die Zahl entsprechender Vorfälle in den seit Jahren schwerst umkämpften Provinzen Helmand und Kandahar übersteigt (UNHCR, Auskunft an das OVG Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Auch im Jahre 2011 hat die Zahl der Angriffe regierungsfeindlicher Organisationen auf hohem Niveau verharrt und eine Steigerung auf 1679 erfahren, die nur von der Zahl entsprechender Übergriffe in der Provinz Helmand übertroffen wird (The Afghanistan NGO Safety Office – ANSO, Quaterly Data Report IV/2011, Januar 2012). Nach Einschätzung des UNHCR ist die Lage in Ghazni aufgrund der hohen Zahl von zivilen Todesopfern, der Häufigkeit sicherheitsrelevanter Zwischenfälle und der Anzahl von Personen, die aufgrund des bewaffneten Konflikts vertrieben wurden, in Teilen der Provinz als eine Situation allgemeiner Gewalt anzusehen. Durch das Vorgehen der ISAF zur Aufstandsbekämpfung ist unmittelbar keine Stabilisierung der Lage eingetreten. Vielmehr ist es, nachdem die ISAF-Einheiten im Distrikt Nuwar ab Januar 2011 verstärkt Operationen gegen Aufständische unternommen haben, in der Provinz zu Unruhen gekommen (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylbewerber vom 21. März 2011). Insgesamt kommt es hiernach zu fortdauernden bewaffneten Auseinandersetzungen von hoher Intensität. Nach der Auskunftslage ist es nicht möglich, hinsichtlich der Verhältnisse innerhalb der Provinz Ghazni konkrete Daten für einzelne Distrikte zu ermitteln (vgl. UNHCR, Auskunft an das OVG Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011), so dass von einem sich über die gesamte Provinz erstreckenden innerstaatlichen bewaffneten Konflikt auszugehen ist.
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b. Von diesem bewaffneten Konflikt in der Provinz Ghazni geht allerdings kein so hoher Grad willkürlicher Gewalt aus, dass jeder in die Region Zurückkehrende allein durch seine Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein.
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Da der Kläger jedoch vor seiner Ausreise aus Afghanistan nach Überzeugung des Senates bereits einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben durch einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ausgesetzt war, greift zu seinen Gunsten die Vermutung des nach § 60 Abs. 11 AufenthG anwendbaren Art. 4 Abs. 4 Qualifikationsrichtlinie, wonach dies ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Stichhaltige Gründe, mit denen diese Vermutung entkräftet werden könnte, sind nicht ersichtlich.
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aa. Hinsichtlich der Situation in der Provinz Ghazni kann nicht von einer so hohen Gefahrendichte im Hinblick auf den dort bestehenden innerstaatlichen Konflikt ausgegangen werden, dass sich aus der allgemeinen Lage bereits eine individuelle ernsthafte Bedrohung für jede Person ergibt, die sich dort aufhält.
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(1) Was eine sich im Rahmen einer allgemeinen Gefahrenlage bestehende Bedrohung angeht, so ist § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zunächst richtlinienkonform dahin auszulegen, dass diese Vorschrift bei Vorliegen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie, der durch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in nationales Recht umgesetzt wurde, keine Sperrwirkung entfaltet. Der Betroffene muss sich bei einer allgemeinen Gefahr nicht mit der in § 60 a Abs. 1 AufenthG vorgesehenen Aussetzung der Abschiebung zufriedengeben, da ihm nach Art. 24 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. und juris, Rn. 31).
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Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit dann anzunehmen, wenn der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein. Mit einer solchen Auslegung wird dem Erwägungsgrund 26 der Qualifikationsrichtlinie Rechnung getragen, wonach Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen. Hiernach verlangt eine dennoch erfolgende Berücksichtigung eine Ausnahmesituation mit einem hohen Gefahrengrad. Hingegen kann der zur Gewährung subsidiären Schutzes erforderliche Grad willkürlicher Gewalt umso geringer sein, je mehr der Betroffene zu belegen vermag, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation innewohnenden Umstände in besonderem Maße hierdurch betroffen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 (Rechtssache C-465/07 Elgafaji, Rn. 35 bis 39).
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Für die Annahme einer entsprechenden Bedrohung ist dabei auch nach nationalem Recht erforderlich, dass sie durch willkürliche Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes ausgelöst wird. Das entsprechende Tatbestandsmerkmal von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie ist auch Bestandteil der gesetzlichen Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG geworden. Wie sich der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz entnehmen lässt (BT-Drs. 16/5065, S. 187), war es Absicht des Gesetzgebers, den Tatbestand des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie und damit auch das Erfordernis willkürlicher Gewalt in vollem Umfang in nationales Recht umzusetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 32). Von willkürlicher Gewalt ist auszugehen, wenn sich die in Frage stehende Gewalt auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009, Rn. 34).
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Hiernach ist dann ein besonders hohes Maß willkürlicher Gewalt erforderlich, wenn keine persönlichen gefahrerhöhenden Umstände vorliegen. Liegen solche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu den gefahrerhöhenden Umständen gehören solche persönlichen Besonderheiten, die den Rückkehrer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, wie etwa eine berufliche Verpflichtung, sich in Gefahrennähe aufzuhalten. Hierzu können aber auch persönliche Umstände gerechnet werden, wie etwa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Ethnie, aufgrund derer der Betroffene zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33; Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 13/10 −, juris Rn. 18). Bei der Feststellung, ob eine entsprechende individuelle erhebliche Gefahr gegeben ist, ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits erforderlich, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden. Weiterhin bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen bei der Zivilbevölkerung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33). Die entsprechende Gefahr muss dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O. juris Rn. 20). Was die im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigende quantitative Beurteilung angeht, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. November 2011 (- 10 C 13/10 -, juris Rn. 22 f.) das Risiko, bei innerstaatlichen Auseinandersetzungen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 800 verletzt oder getötet zu werden, als für die Annahme einer individuellen Gefahr keinesfalls hinreichend angesehen.
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(2) Trotz der insgesamt kritischen Situation in der Provinz Ghazni ist anhand dieser Kriterien nicht von einer solchen Gefahrendichte auszugehen, dass jede Zivilperson, die aus dem Ausland zurückkehrt allein durch ihre Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.
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Die Provinz Ghazni weist eine Einwohnerzahl von etwa 1,1 Mio. Menschen auf. Ihre Bevölkerungsdichte beträgt 49 Einwohner pro km² (vgl. D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich - Schweiz, Sicherheitslage in Ghazni und Nangarhar, März 2011). Die Zahl der Angriffe Aufständischer belief sich im Jahr 2010 auf 1.540, womit Ghazni die Provinz in Afghanistan war, in der sich die meisten Angriffe ereigneten. 2009 ereigneten sich lediglich 461 Angriffe (vgl. D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich - Schweiz, Sicherheitslage in Ghazni und Nangarhar, März 2011). Für 2011 ist von 1679 Vorfällen dieser Art auszugehen (ANSO, Quaterly Data Report, 4/2011, Januar 2012). Was die Zahl der Todesopfer angeht, so liegen keine allein auf Ghazni beschränkten Zahlen vor. Indessen wird die Zahl der zivilen Todesopfer in den vier südöstlichen Provinzen Ghazni, Paktia, Paktika und Khost mit 513 für das Jahr 2010 angegeben (vgl. Auskunft des UNHCR an das OVG Rheinland-Pfalz vom 11. November 2010). Alle vier Provinzen zusammengenommen weisen eine Einwohnerzahl von etwa 2,6 Mio. auf (Paktia: 550.000 - Militärgeschichtliches Forschungsamt, Stellungnahme aus 2009, Paktia und Kundus; Paktika: 438.000 - Wikipedia; Khost: 546.000 - Wikipedia). Die Zahl der Verletzten lässt sich nicht unmittelbar ermitteln. Allerdings zeigt sich, dass in Afghanistan insgesamt bei innerstaatlichen bewaffneten Auseinandersetzungen in den Jahren 2009 bis 2011 der Anteil der Verletzten etwa das 1 ½-fache der Zahl der Todesopfer betrug (UNAMA, Annual Report 2011, Februar 2012). Hiernach dürfte die Gesamtzahl der Opfer in den vier Provinzen auf weniger als 1.500 einzuschätzen sein.
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Für die Lage in Ghazni bedeutet dies, dass zwar eine hohe Zahl von Anschlägen festzustellen ist. Statistisch entfällt etwa ein Anschlag auf 700 Einwohner. Allerdings führt nicht jeder Anschlag zu Opfern in der Zivilbevölkerung. Vielmehr entfällt in den vier südöstlichen Provinzen ein Todesfall in der Zivilbevölkerung auf etwa 5.000 Einwohner. Die Wahrscheinlichkeit, als Toter oder Verletzter Opfer eines bewaffneten Konflikts zu werden, trifft einen von etwa 1.800 Einwohnern. Auch die vergleichsweise dünne Besiedlung Ghaznis trägt dazu bei, dass das Risiko des Einzelnen, von einem Vorfall betroffen zu werden, geringer ausgeprägt ist als im großstädtischen Bereich.
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Angesichts dieser Gesamtsituation wirkt es sich auch nicht zugunsten der Betroffenen aus, dass die medizinische Versorgungslage in Afghanistan – insbesondere in ländlichen Bereichen − weiterhin als unzureichend angesehen werden muss und ein Zugang zu Gesundheitseinrichtungen nicht gewährleistet ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Januar 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 23. August 2011). Vielmehr lässt sich schon allein anhand der Gefahrendichte feststellen, dass sich nicht für jeden Rückkehrer allein wegen seines Aufenthaltes in der Provinz eine ernsthafte individuelle Bedrohung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris Rn. 23).
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bb. Dem Kläger kommt indessen die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie zugute. Denn er war vor seiner Ausreise aus Afghanistan unmittelbar als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung von Leib und Leben im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt.
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(1) Nach der gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG bei der Feststellung von Abschiebungsverboten zu berücksichtigenden Regelung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie ist die Tatsache, dass ein Betroffener bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist oder dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Betroffene erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
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Mit dieser Bestimmung bleibt der Wahrscheinlichkeitsmaßstab für die Annahme einer drohenden Beeinträchtigung durch den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt unverändert. Zugunsten des Betroffenen ist indessen von einer widerleglichen Vermutung auszugehen, dass er bei einer Rückkehr in sein Heimatland in vergleichbarer Weise mit Verfolgung oder dem Eintritt eines ernsthaften Schadens zu rechnen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, BVerwGE 136, 377 und juris, Rn. 22 f.).
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(2) Nach der im Kern glaubhaften Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 21. März 2012 war er in seinem Heimatdorf im Jahre 1998 unmittelbar davon bedroht, durch einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in seiner körperlichen Unversehrtheit oder seinem Leben ernsthaft beeinträchtigt zu werden. Hierzu führte er an, dass das Dorf, in dem er gelebt habe, im Jahre 1998 von den Taliban angegriffen worden sei. Absicht der Taliban sei es damals gewesen, den Stamm der Hazara zu vernichten. Der Angriff sei so verlaufen, dass zunächst das Artilleriefeuer in benachbarten Dörfern zu hören gewesen sei. Hierauf seien Frauen und Kinder in umliegende Berghöhlen verbracht worden. Auch er habe zu den Personen gehört, die das Dorf verlassen hätten. Die Ortschaft sei von den Taliban mit Raketenwerfern beschossen worden. Durch den Angriff sei etwa die Hälfte des Ortes beschädigt worden. Die Taliban hätten das Dorf eingenommen. Es seien auch zahlreiche Männer aus dem Dorf bei diesem Angriff ums Leben gekommen. Er habe daraufhin unter Mithilfe eines Freundes seines Vaters den Entschluss gefasst, Afghanistan zu verlassen. Hierzu habe er sich nach diesem Vorfall noch etwa fünf bis sechs Monate in Afghanistan aufgehalten.
- 56
Der Kläger schilderte insoweit in plastischer Weise und nachvollziehbar einen Lebenssachverhalt, den er im Kern während seines gesamten Asylverfahrens, seit dem Jahre 2003 entsprechend wiedergegeben hatte. Schon in seiner ersten Anhörung durch die Beklagte war die Rede davon, dass es nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1998 zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Hazara auf der einen und Paschtunen sowie den Taliban auf der anderen Seite gekommen sei und dass er unmittelbar von einem Granatangriff betroffen gewesen sei. Auch in seiner gerichtlichen Anhörung vom 16. Februar 2011 gab er an, dass sein Heimatort von den Taliban mit Granaten und Artillerie beschossen worden sei. Er selbst habe eine Verletzung an der Hüfte durch eine Granate erlitten. Auch das Haus der Familie sei bei dem Granatangriff beschädigt worden. Insgesamt war der Darstellung des Klägers die lebensnahe Schilderung des Ablaufs eines Artillerieangriffs aus Sicht eines Betroffenen zu entnehmen.
- 57
Die Angaben finden im Übrigen ihre Bestätigung durch die vom Gericht zur Frage einer innerstaatlichen bewaffneten Auseinandersetzung eingeholten Auskünfte. So führte das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 1. November 2011 aus, dass die Provinz Ghazni im Januar 1995 von den Taliban erobert worden sei. Nachdem diese seit Mitte 1996 nahezu landesweit die Regierungsgewalt übernommen gehabt hätten, hätten sie 1997 damit begonnen, die westlichen, südlichen und östlichen Zugänge zum Hazara-Gebiet, dem Hazaryat, zu blockieren. Dies habe 1998/1999 zu einer Hungersnot geführt, die auch die von Hazara bewohnten Teile der Provinz Ghazni betroffen habe. Dabei sei es zu teils heftigen Kämpfen zwischen Taliban und bewaffneten Hazara-Gruppierungen gekommen. Auch die Heimatregion des Klägers sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Schauplatz derartiger bewaffneter Auseinandersetzungen gewesen. Genaue Opferzahlen könnten nicht genannt werden, jedoch sei die Bevölkerungsgruppe der Hazara in besonderer Weise von diesen Auseinandersetzungen tangiert gewesen. Eine entsprechende Schilderung der Verhältnisse findet sich auch in der Auskunft des UNHCR vom 11. November 2011. Auch hierin wird darauf hingewiesen, dass es in den Jahren 1998 bis 2000 zu schweren Auseinandersetzungen zwischen den Taliban und der Nordallianz gekommen sei, zu der auch die wesentlich von Hazara getragene Partei Hezb-e Wahdat gehört habe. Folge hiervon seien auch Opfer unter der Zivilbevölkerung gewesen. Bei der Eroberung der Stadt Mazar-i Sharif sei es im August 1998 beispielsweise zu Massentötungen von etwa 4.000 Zivilisten, vorwiegend Angehörige der Volksgruppe der Hazara, gekommen. Die Volksgruppe der Hazara sei in den Jahren 1998 bis Anfang 2001, insbesondere was ihre männlichen Angehörigen angeht, das Ziel systematischer Tötungen gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt sei die Kontrolle über die Region zwischen Taliban und Hezb-e Wahdat ständig gewechselt. Hiernach ist aber davon auszugehen, dass die Hazara-Gebiete und insbesondere die Herkunftsregion des Klägers Schauplatz eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gewesen sind. Hierbei spricht bereits die Darstellung in den zitierten Auskünften dafür, dass sich insoweit eine Gefahrendichte ergab, aus der bereits auf eine individuelle ernsthafte Bedrohung der Bewohner des Gebietes geschlossen werden kann. Jedenfalls lässt sich der Darstellung des Klägers zu seinem individuellen Schicksal entnehmen, dass er im Rahmen dieses Konfliktes einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt war, so dass insoweit eine Vorverfolgung angenommen werden kann.
- 58
(3) Hinsichtlich der bei dem Kläger vor seiner Ausreise aus Afghanistan festzustellenden Vorschädigung kann auch ein innerer Zusammenhang zu der befürchteten zukünftigen Beeinträchtigung festgestellt werden (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 31; Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 21; Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris, Rn. 21). Ein derartiger Zusammenhang kann dann nicht mehr angenommen werden, wenn der vor der Ausreise erlittene oder damals drohende Schaden keinerlei Verknüpfung mehr zu der befürchteten künftigen Schädigung aufweist oder wenn die Vorschädigung ohne Einfluss auf den späteren Entschluss zum Verlassen des Heimatlandes gewesen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1997 - 9 C 9.96 -, BVerwGE 104, 97 und juris, Rn. 16).
- 59
Im Falle des Klägers besteht ein derartiger Zusammenhang. Die derzeitigen bewaffneten Auseinandersetzungen gehen maßgeblich von den Taliban aus, so dass die Grundkonstellation des Konflikts aus den Jahren 1998 bis 2000 im Wesentlichen erhalten geblieben ist (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das OVG Rheinland-Pfalz vom 1. November 2011). Auch in zeitlicher Hinsicht bestand ein innerer Zusammenhang zwischen der Vorschädigung des Klägers und seiner Ausreise. Nach seiner glaubhaften Darstellung in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger unmittelbar nach dem Raketenangriff sein Heimatdorf mit der Absicht verlassen, aus Afghanistan auszureisen.
- 60
cc. Greift hiernach im Falle des Klägers die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie, so sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die diese Vermutung widerlegen könnten. Weder aus der Schilderung seines Verfolgungsschicksals noch aus den nach der Auskunftslage bestehenden allgemeinen Verhältnissen in seiner Heimatregion lassen sich stichhaltige Gründe dafür entnehmen, dass er bei einer Rückkehr in seine Herkunftsregion keiner ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt wäre. Schon allein aufgrund der hohen Anzahl der Vorfälle in der Region Ghazni kann eine derartige Gefährdung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
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c. Schließlich steht dem Kläger bei seiner Rückkehr nach Afghanistan auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.
- 62
aa. Nach § 60 Abs. 11 AufenthG findet auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie Anwendung. Diese Vorschrift bestimmt in ihrem Absatz 1, dass internationaler Schutz versagt werden kann, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Neben der Notwendigkeit, den entsprechenden Landesteil erreichen zu können unterliegt der Zumutbarkeitserwägung des Art. 8 Abs. 2 Qualifikationsrichtlinie das Erfordernis, dass der Betroffene in dem verfolgungsfreien Landesteil eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet und dort das Existenzminimum gewährleistet ist. Dabei ist bei fehlender Existenzgrundlage nicht darauf abzustellen, ob die Lebensverhältnisse im Herkunftsgebiet insgesamt als schlecht zu beurteilen sind. Maßgeblich sind hierfür die allgemeinen Gegebenheiten im Zufluchtsgebiet sowie die persönlichen Umstände des Betroffenen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 - in BVerwGE 131, 186 und juris, Rn. 32).Das wirtschaftliche Existenzminimum ist in der Regel dann gewährleistet, wenn es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und der Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten erlangt werden kann (BVerwG, Urteil vom 01. Februar 2007 - 1 C 24/06 -, NVwZ 2007, 590 und juris Rn. 11). Die Anforderungen an die Sicherung des Existenzminimums gehen damit deutlich über die Vermeidung existenzieller Notlagen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinaus.
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bb. Geht man insoweit davon aus, dass die Hauptstadt Kabul nicht von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen ist (vgl. VGH BW, Urteil vom 06. März 2012 – A 11 S 3177/11), so kann indessen nicht festgestellt werden, dass für den Kläger dort das Existenzminimum gewährleistet ist.
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Afghanistan ist durch eine problematische wirtschaftliche Situation geprägt, die zu einer schwierigen Versorgungslage führt. Es ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die verbreitete Armut führt landesweit nach wie vor vielfach zu Mangelernährung. Staatliche soziale Sicherungssysteme existieren praktisch nicht. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien- und Stammesverbänden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012). Erwerbsmöglichkeiten sind für einen Großteil der Bevölkerung nur eingeschränkt vorhanden. Die Arbeitslosenrate liegt bei etwa 40 %. Selbst nicht arbeitslose Afghanen erzielen durch ihre Arbeit nur in 13,5 % der Fälle regelmäßige Einkünfte. Etwa 80 % der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig. Unproblematisch ist die Situation lediglich für hochqualifizierte Kräfte wie Ingenieure, Finanz- und Verwaltungsfachleute. Wesentlich für die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit sicherzustellen, kommt es auf die Einbindung des Betroffenen in den erweiterten Familien- oder Bekanntenkreis an, der auch das soziale Sicherheitsnetz begründet (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 31. Oktober 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; UNHCR, Auskunft vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Dr. K. L., Stellungnahme vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011).
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Im Bereich Kabul besteht im Wesentlichen die Möglichkeit, als Bauarbeiter tätig zu werden (vgl. Auskunft von Dr. B. G. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 31. August 2008). Während sich die Arbeitsmarktsituation in den Provinzen deutlich ungünstiger darstellt als in Kabul, drängt andererseits eine zunehmende Zahl von Binnenvertriebenen sowie Zuwanderern aus anderen Landesteilen in die Hauptstadt. Zudem ist im Raum Kabul ein starker Anstieg der Lebenshaltungskosten zu verzeichnen. Hinzu kommt, dass erschwinglicher Wohnraum in Kabul vielfach nicht zur Verfügung steht (vgl. Dr. B. G., Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 31. August 2008; UNHCR, Auskunft vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Dr. K. L., Stellungnahme vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz).
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Im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers wird man angesichts dieser Ausgangssituation nicht annehmen können, dass sein Existenzminimum bei einer Rückkehr nach Kabul sichergestellt ist. Ihm fehlt die erforderliche Qualifikation, um eine Arbeitsstelle zu finden, die seinen Lebensunterhalt dauerhaft gewährleistet. Hiernach wird er voraussichtlich darauf angewiesen sein, sich als Tagelöhner zu verdingen (vgl. Gutachten von P. R. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 15. Januar 2008). Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Kabul ist nicht gewährleistet, dass es ihm gelingt, mit seiner Erwerbstätigkeit das für seinen Lebensunterhalt unbedingt Notwendige jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten dauerhaft zu erwirtschaften. Auch ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt durch Zuwendungen von Verwandten oder die Unterstützung seines Clans bestreiten kann. Staatliche Hilfen oder die Versorgung durch Nichtregierungsorganisationen stehen als verlässliche Grundlage für die Beschaffung des zum Leben Notwendigen ebenfalls nicht in erforderlichem Umfang zur Verfügung. Hiernach kann dahinstehen, inwieweit die gemäß Art. 8 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigenden allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftslandes möglicherweise oberhalb der Schwelle des Existenzminimums den Zumutbarkeitsmaßstab prägen (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008, a.a.O. und juris, Rn. 35 m.w.N.).
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Liegen hiernach die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vor, so erübrigt sich das Eingehen auf ein nationales Abschiebungsverbot in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und Satz 3 AufenthG, das gegenüber den unionsrechtlichen Abschiebungsverboten subsidiär ist.
- 68
Dringt der Kläger insgesamt mit seinem Begehren im Berufungsverfahren durch, so bedurfte es keiner Entscheidung über seine hilfsweise gestellten Vorlage- und Beweisanträge.
- 69
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
- 70
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten bestimmt sich nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
- 71
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der hierfür in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der am … in Mazar-i Sharif geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit. Er begehrt die Verpflichtung der Beklagten zu der Feststellung, dass in seinem Fall die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 AufenthG vorliegen.
- 2
Nachdem er nach eigenen Angaben am 31. März 2004 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war, beantragte er unter dem 7. April 2004, als Asylberechtigter anerkannt zu werden.
- 3
Zur Begründung seines Asylbegehrens führte er in seiner Anhörung vom 20. April 2004 an, dass er gemeinsam mit seiner Schwester und seiner Mutter in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Sein Vater sei etwa eine Woche vor der Ausreise verstorben. Der Kläger habe die Koranschule besucht und danach im Geschäft des Vaters mitgearbeitet. Dieser sei Teppichhändler gewesen. Die Familie habe sich in einer guten wirtschaftlichen Lage befunden. Vor der Ausreise habe sein Vater allerdings etwa 60.000 Dollar Schulden gehabt. Die Gläubiger hätten die Familie bedroht. Grund für die Schulden sei gewesen, dass drei Ladungen Teppiche auf dem Weg nach Pakistan gestohlen worden seien. Ein Freund seines Vaters habe die Ausreise organisiert. Hierzu habe der Kläger aus dem Haus der Familie Geld geholt, das dort versteckt gewesen sei. An den Schlepper habe die Familie 20.000 Dollar bezahlt. Die Verwandten des Klägers lebten in Deutschland oder der Türkei.
- 4
Mit Bescheid vom 15. November 2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass in seinem Fall die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 sowie des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Sie forderte den Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland auf und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an.
- 5
Am 1. Dezember 2005 hat der Kläger Klage erhoben, die er auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschränkt hat.
- 6
Mit Urteil vom 19. Dezember 2006 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen und den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2005 insoweit aufgehoben, als er dieser Feststellung entgegensteht. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland wegen der dortigen unzureichenden Versorgungslage einer extremen Gefahr ausgesetzt wäre.
- 7
Zur Begründung ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung hat die Beklagte angeführt, dass die vom Verwaltungsgericht angenommene extreme Gefahrenlage nicht vorliege. Die Sicherheits- und Versorgungslage insbesondere im Raum Kabul sei nicht derart schlecht, dass der Kläger bei einer Rückkehr dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Für einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann wie den Kläger sei davon auszugehen, dass er im Raum Kabul eine vergleichsweise stabile Existenz sichern könne.
- 8
Der Kläger ist der Berufung unter Verweis auf die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils entgegengetreten.
- 9
Mit Urteil vom 6. Mai 2008 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in hinreichender zeitlicher Nähe in einen unausweichlich lebensbedrohlichen Zustand geraten würde. Er könne seinen Lebensunterhalt weder aus eigener Kraft noch durch Zuwendungen Dritter bestreiten. Auch ein Zugang zu medizinischer Versorgung sei nahezu ausgeschlossen. Insoweit gerate er zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen.
- 10
Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 29. Juni 2010 – 10 C 9.09 − die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
- 11
Die Beklagte führt im weiteren Verfahren ergänzend aus, dass im Falle des Klägers auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG anzuerkennen sei. Im Herkunftsgebiet des Klägers, dem Bereich um die Stadt Mazar-i Sharif könne nicht von dem Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgegangen werden. Zudem sei angesichts der Strukturen in der afghanischen Gesellschaft damit zu rechnen, dass der Kläger Unterstützung durch einen Stammes- oder Familienverband finden werde.
- 12
Die Beklagte beantragt,
- 13
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 19. Dezember 2006 die Klage insgesamt abzuweisen.
- 14
Der Kläger beantragt,
- 15
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass vorrangig das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungshindernisses festgestellt wird.
- 16
Er ist der Auffassung, dass die eingeholten Gutachten die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 6. Mai 2008 bestätigten. Er laufe Gefahr, bei einer Rückkehr in sein Heimatland an Mangelernährung zu sterben.
- 17
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten der Sachverständigen P. R., Dr. B. G. sowie Dr. K. L. und durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
- 18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakte sowie die in das Verfahren eigeführten Erkenntnismittel verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
- 19
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
- 20
Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen.
- 21
Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zu, noch sind in seinem Fall die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben.
- 22
1. In die Entscheidung des Senates waren – worauf bereits das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil hingewiesen hat – die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG vorrangig vor dem Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, zu dessen Feststellung das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet hat, einzubeziehen.
- 23
Die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote, zu denen neben § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gehört und deren Grundlagen sich aus Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie – ergeben, sind mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union - Richtlinienumsetzungsgesetz - (BGBl. I 2007, 1970) im August 2007 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Ablehnungsbescheid der Beklagten – wie hier − sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote erfasst und der Kläger die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote in sein Verfahren einbezogen hat. Die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote bilden einen eigenständigen, vorrangig vor den nationalen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 4/09 ─, BVerwGE 136, 360 und juris, Rn. 16; Urteil vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226 und juris, Rn. 6).
- 24
2. Im Falle des Klägers liegen indessen die Voraussetzungen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nicht vor.
- 25
a. Was die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 oder 3 AufenthG angeht, so hat sich der Kläger nicht hierauf berufen. Es ergeben sich auch ansonsten keine Hinweise darauf, dass er bei seiner Rückkehr der Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sowie der Gefahr der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Soweit er die Befürchtung geäußert hat, er könne von den Gläubigern seines Vaters misshandelt werden, kann es – ungeachtet der Frage, wie derartige Übergriffe Privater rechtlich einzuordnen sind – nicht als beachtlich wahrscheinlich angesehen werden, dass der Aufenthaltsort des Klägers bei einer Rückkehr von diesen Personen ermittelt und er von ihnen aufgegriffen werden kann.
- 26
b. Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegen nicht vor.
- 27
aa. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
- 28
Im Falle des Klägers kann dahinstehen, ob in seiner Herkunftsregion, der Provinz Balkh, ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Denn jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass er infolge eines solchen Konfliktes einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre. Eine mögliche bewaffnete Auseinandersetzung erreicht in der Provinz Balkh keine solche Gefahrendichte, dass sich aus der allgemeinen Lage bereits eine individuelle ernsthafte Bedrohung für jede Person ergibt, die sich dort aufhält.
- 29
bb. Was eine sich im Rahmen einer allgemeinen Gefahrenlage bestehende Bedrohung angeht, so ist § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zunächst richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der bei Vorliegen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie, der durch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in nationales Recht umgesetzt wurde, keine Sperrwirkung entfaltet. Der Betroffene muss sich bei einer allgemeinen Gefahr nicht mit der in § 60 a Abs. 1 AufenthG vorgesehenen Aussetzung der Abschiebung zufriedengeben, da ihm nach Art. 24 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 191 und juris, Rn. 31).
- 30
cc. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit dann anzunehmen, wenn der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein. Mit einer solchen Auslegung wird dem Erwägungsgrund 26 der Qualifikationsrichtlinie Rechnung getragen, wonach Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen. Hiernach verlangt eine dennoch erfolgende Berücksichtigung eine Ausnahmesituation mit einem hohen Gefahrengrad. Hingegen kann der zur Gewährung subsidiären Schutzes erforderliche Grad willkürlicher Gewalt umso geringer sein, je mehr der Betroffene zu belegen vermag, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation innewohnenden Umstände in besonderem Maße hierdurch betroffen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rechtssache C-465/07 Elgafaji, Rn. 35 bis 39).
- 31
Für die Annahme einer entsprechenden Bedrohung ist dabei auch nach nationalem Recht erforderlich, dass sie durch willkürliche Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes ausgelöst wird. Das entsprechende Tatbestandsmerkmal von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie ist auch Bestandteil der gesetzlichen Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG geworden. Wie sich der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz entnehmen lässt (BT-Drs. 16/5065, S. 187), war es Absicht des Gesetzgebers, den Tatbestand des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie und damit auch das Erfordernis willkürlicher Gewalt in vollem Umfang in nationales Recht umzusetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 32). Von willkürlicher Gewalt ist auszugehen, wenn sich die in Frage stehende Gewalt auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009, a.a.O., Rn. 34).
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Hiernach ist dann ein besonders hohes Maß willkürlicher Gewalt erforderlich, wenn keine persönlichen gefahrerhöhenden Umstände vorliegen. Liegen solche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu den gefahrerhöhenden Umständen gehören solche persönlichen Besonderheiten, die den Rückkehrer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, wie etwa eine berufliche Verpflichtung sich in Gefahrennähe aufzuhalten. Hierzu können aber auch persönliche Umstände gerechnet werden, wie etwa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Ethnie, aufgrund derer der Betroffene zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33; Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 13/10 −, juris Rn. 18). Beschränkt sich ein bewaffneter Konflikt auf einzelne Landesteile, so kommt eine individuelle Bedrohung in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Betroffenen erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren muss. Bei der Feststellung, ob eine entsprechende individuelle erhebliche Gefahr gegeben ist, ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, erforderlich, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden. Weiterhin bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen bei der Zivilbevölkerung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33). Die entsprechende Gefahr muss dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris Rn. 20). Was die im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigende quantitative Beurteilung angeht, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. November 2011 (- 10 C 13/10 -, juris Rn. 22 f.) das Risiko, bei innerstaatlichen Auseinandersetzungen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 800 verletzt oder getötet zu werden, als für die Annahme einer individuellen Gefahr keinesfalls hinreichend angesehen.
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dd. Nach diesen Kriterien ist der Kläger aufgrund der allgemeinen Situation in seiner Herkunftsprovinz keiner individuellen Bedrohung ausgesetzt.
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Die Sicherheitslage in Afghanistan ist insgesamt dadurch gekennzeichnet, dass es landesweit in unterschiedlicher Intensität zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen afghanischen Regierungstruppen und der unter Führung der NATO operierenden internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) auf der einen sowie den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen auf der anderen Seite kommt. Das Land ist durch eine andauernde Instabilität geprägt. Insgesamt ist in den Jahren 2010 und 2011 eine Verschlechterung der Sicherheitslage festzustellen. Die Zahl der Anschläge hat sich im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 65 % erhöht. Während nach wie vor ein Schwerpunkt der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Land in den südlichen und südöstlichen Regionen festzustellen ist, lässt sich gleichzeitig eine stärkere geografische Verteilung entsprechender Vorfälle konstatieren (vgl. UNHCR, Gutachten vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; ders., Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylbewerber vom 21. März 2011; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Die für das Jahr 2010 genannte Zahl getöteter Zivilpersonen schwankt in einzelnen Quellen zwischen 2.428 (amnesty international, Report 2011 Afghanistan vom 18. August 2011) und 2.777 (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Landesweit ist im 1. Halbjahr 2011 ein Anstieg der Zahl der getöteten Zivilsten um 15 % festzustellen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Für das gesamte Jahr 2011 wird eine Zahl von 3021 ziviler Todesopfer genannt (United Nations Assistance Mission in Afghanistan – UNAMA, Annual Report 2011, Februar 2012), so dass erneut von einem beträchtlichen Anstieg auszugehen ist. Die Zahl der im Land insgesamt gemeldeten Angriffe bewaffneter oppositioneller Gruppierungen belief sich im Jahr 2011 auf 13.983 (The Afghanistan NGO Safety Office – ANSO, Quaterly Data Report Q.4 2011, Januar 2012).
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Demgegenüber zeigt sich in der Provinz Balkh durch die Anwesenheit internationaler Organisationen und Militärs ein vergleichsweise sicheres Umfeld. Als problematisch hat sich in den vergangenen Jahren eher die hohe Kriminalitätsrate erwiesen. Die Situation in dieser Region wird als vergleichsweise friedlich eingeschätzt. Sie gehört zu den Provinzen, die in den zurückliegenden Jahren vom Konflikt am wenigsten betroffen waren (D-A-CH Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich – Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010). War in den Jahren 2009 und 2010 im Verantwortungsbereich des Regionalkommandos Nord, zu dem auch die Provinz Balkh gehört und das in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif seinen Sitz hat, ein signifikanter Anstieg der Auseinandersetzungen festzustellen, kam es im ersten Halbjahr 2011 wieder zu einem Rückgang der Übergriffe um 50 %. Dabei ist es den afghanischen Sicherheitskräften und den ISAF-Einheiten gelungen, in den Regionen Kundus und Nord-Baghlan die regierungsfeindlichen Kräfte weitgehend aus ihren traditionellen Hochburgen zu verdrängen. Auch in den nordwestlichen Provinzen und damit in Balkh konnten – wenn auch nicht in diesem Ausmaß − militärische Fortschritte erzielt werden (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012). Mit diesem Vorgehen dürfte auch der seit 2008 feststellbaren und als problematisch angesehenen Infiltration des Nordens Afghanistans durch regierungsfeindliche Gruppierungen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011) entgegengewirkt worden sein. In der Provinz Balkh ereigneten sich im Jahr 2010 183 Angriffe oppositioneller bewaffneter Gruppierungen. Diese Anzahl ging im Jahr 2011 auf 144 zurück (ANSO, Quarterly Data Report, 4/2011, Januar 2012).
- 36
Bei einer Bevölkerungszahl in der Provinz von 1,2 Mio. Einwohnern, die sich auf 17.000 km² erstreckt (71 Einwohner pro km²; vgl.: D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich − Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010), entfiel bei 144 registrierten Anschlägen oppositioneller Gruppierungen ein solcher Vorfall auf etwa 8300 Einwohner. Demgegenüber ereignet sich in Afghanistan insgesamt bei etwa 31 Mio. Einwohnern und 13.983 Übergriffen landesweit (ANSO, Quarterly Data Report, 4/2011, Januar 2012) ein Angriff je 2.200 Einwohner. Wenngleich auf die Region bezogene Opferzahlen nicht ersichtlich sind, so kann doch aus der allgemeinen Einschätzung der Sicherheitslage und der vergleichsweise niedrigen Zahl der Anschläge geschlossen werden, dass nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht, in einen derartigen Vorfall als Zivilperson einbezogen zu werden und damit einer ernsthaften Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.
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Angesichts dieser Gesamtsituation wirkt es sich auch nicht zugunsten des Klägers aus, dass die medizinische Versorgungslage in Afghanistan – insbesondere in ländlichen Bereichen − weiterhin als unzureichend angesehen werden muss und ein Zugang zu Gesundheitseinrichtungen nicht gewährleistet ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Januar 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 23. August 2011). Vielmehr lässt sich schon allein anhand der Gefahrendichte feststellen, dass sich nicht für jeden Rückkehrer allein wegen seines Aufenthaltes in der Provinz eine ernsthafte individuelle Bedrohung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ergibt, so dass es insoweit nicht mehr entscheidend darauf ankommt, ob die Folgen einer Verletzung durch eine schnelle und wirksame medizinische Behandlung gemindert werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris Rn. 23).
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ee. Besondere persönliche Umstände, die sich gefahrerhöhend auswirkten, sind im Falle des Klägers ebenfalls nicht ersichtlich. Er gehört in seiner Heimatregion der Bevölkerungsmehrheit der Tadschiken an. Soweit der Kläger in seinem Asylverfahren darauf verwiesen hat, dass die Familie von den Gläubigern seines Vaters bedroht worden sei, steht dieser Vorfall in keinem Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und den Sicherheitskräften sowie den ISAF-Einheiten.
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3. Kann hiernach auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht festgestellt werden, so gilt dies gleichermaßen für das gegenüber den unionsrechtlichen Abschiebungsverboten nachrangig zu prüfende nationale Abschiebungsverbot in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und Satz 3 AufenthG.
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a. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach Satz 3 dieser Regelung sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Der Kläger beruft sich indessen im Wesentlichen gerade auf die allgemein ungünstigen Verhältnisse in seinem Heimatland. Bei diesen der Bevölkerung allgemein drohenden Gefahren gilt nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG jedoch der Vorrang einer politischen Leitentscheidung im Wege einer generellen Aussetzung der Abschiebung. Soweit der Kläger daneben auf die Gefahr abstellt, Opfer der Gläubiger seines Vaters zu werden, fehlt es bereits an hinreichenden Anhaltspunkten, dass er als dessen Sohn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von diesen Personen ausfindig gemacht werden kann.
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Die nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bestehende Sperrwirkung ist allerdings im Wege der verfassungskonformen Auslegung dann einzuschränken, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr in sein Heimatland eine extreme Gefahrenlage dergestalt zu gewärtigen hätte, dass er gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt sein würde und die obersten Landesbehörden von der nach § 60 a Abs. 1 AufenthG bestehenden Ermächtigung, die Abschiebung auszusetzen, keinen Gebrauch gemacht haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 und juris, Rn. 14; Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 5.01 -, BVerwGE 115, 1 und juris, Rn. 16; Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 24.10 - juris, Rn. 19). Die Gefahrenlage muss landesweit bestehen (VGH BW, Urteil vom 14. Mai 2009 - A 11 S 610/08 -, juris, Rn. 20).
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Was die für die Abweichung von der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG erforderliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahr angeht, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes von einem gegenüber dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die extremen Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Zudem müssen sich die Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011, a.a.O., juris, Rn. 15).
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b. Im Falle des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anforderungen an das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage bei einer Rückkehr nach Afghanistan erfüllt sind.
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Jedenfalls bei einer Rückkehr nach Kabul ist nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit mit seinem alsbaldigen Tod oder schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu rechnen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass Afghanistan durch eine problematische wirtschaftliche Situation geprägt ist, die zu einer schwierigen Versorgungslage führt. Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die verbreitete Armut führt landesweit nach wie vor vielfach zu Mangelernährung. Im Jahr 2011 war die Getreideernte nach überdurchschnittlichen Ernten in den Jahren 2009 und 2010 wieder signifikant niedriger als in den Vorjahren. Staatliche soziale Sicherungssysteme existieren praktisch nicht. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien- und Stammesverbänden. Der IWF rechnet indessen für das laufende afghanische Fiskaljahr mit einem Wachstum von 8 % des Bruttoinlandsproduktes außerhalb des Landwirtschaftssektors. Langfristig rechnen Experten bis zum Jahr 2030 mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungsrate von 5 % (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012), so dass sich mittelfristig die Perspektive einer Besserung der Verhältnisse ergibt. Erwerbsmöglichkeiten sind für einen Großteil der Bevölkerung nur eingeschränkt vorhanden. Die Arbeitslosenrate liegt bei etwa 40 %. Etwa 80 % der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig. Selbst nicht arbeitslose Afghanen erzielen durch ihre Arbeit nur in 13,5 % der Fälle regelmäßige Einkünfte. Unproblematisch ist die Situation lediglich für hochqualifizierte Kräfte wie Ingenieure, Finanz- und Verwaltungsfachleute. Für die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit sicherzustellen, kommt es wesentlich auf die Einbindung des Betroffenen in den erweiterten Familien- oder Bekanntenkreis an, der auch das soziale Sicherheitsnetz begründet (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 31. Oktober 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; UNHCR, Auskunft vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Dr. L., Stellungnahme vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011 -).
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Dem Kläger droht indes auch vor dem Hintergrund der geschilderten allgemeinen Lage in der Hauptstadt Kabul keine extreme Gefahrenlage. Die Lage dort ist durch eine positive Wirtschaftsentwicklung geprägt. Dies führt allerdings dazu, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt wegen der steigenden Zahl der Binnenvertriebenen und der wirtschaftlichen Migration aus anderen Landesteilen weiter verschärft. Weitere Folge dieser starken Zuwanderung aus anderen Landesteilen ist, dass die Lebenshaltungskosten und damit die Kosten für eine Unterkunft bedeutend höher liegen als in anderen Landesteilen (vgl. Gutachterliche Stellungnahme von Dr. K. L. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 09. Juni 2011; Gutachten des UNHCR an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011).
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Als unwahrscheinlich ist zudem die Option anzusehen, dass der Kläger nach seiner Rückkehr eine Arbeitsstelle findet, die seinen Lebensunterhalt dauerhaft gewährleistet. Vielmehr wird er voraussichtlich darauf angewiesen sein, sich als Tagelöhner zu verdingen (vgl. Gutachten von P. R. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 15. Januar 2008). Grundlage hierfür ist insbesondere der Bauboom in der Hauptstadt, der die entsprechenden Möglichkeiten erheblich ausgeweitet hat. Bei der Arbeitssuche kommt überdies der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppierung in der Hauptstadt, da diese multiethnisch und kosmopolitisch geprägt ist, keine so große Bedeutung zu, wie es in der Provinz der Fall ist (Gutachten von Dr. B. G. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 31. August 2008). Insoweit wird der Kläger nicht in gleichem Maße auf die Unterstützung durch seinen Stammes- oder Familienclan angewiesen sein, wie dies in anderen Regionen seines Heimatlandes der Fall wäre.
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Was die Möglichkeit angeht, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, so ist in seinem Falle weiterhin zu berücksichtigen, dass er alleinstehend ist und daher nicht in der Verantwortung steht, den Unterhalt von Ehefrau oder Kindern gleichfalls sicherzustellen. Hiernach ist aber bereits nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland ohne Unterstützung durch Familien- oder Stammesangehörige nicht in der Lage wäre, durch eine - wenn auch unregelmäßige - Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zumindest in bescheidenem Umfang durch eine Tagelöhnertätigkeit zu erzielen (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 31. Oktober 2011). Insoweit ergibt sich auch keine ernstliche Verschlechterung der Situation dadurch, dass er sich längere Zeit, nämlich seit dem Jahre 2004, außerhalb seines Heimatlandes aufgehalten hat. Selbst wenn sich hieraus eine Erschwernis bei der Arbeitssuche ergeben sollte (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG RP vom 31. Oktober 2011), so besteht jedoch keine Einschränkung der Eignung für einfache körperliche Tätigkeiten. Insoweit sind es gerade junge, kräftige Männer, die am ehesten die Chance haben, sich auf dem Arbeitsmarkt für Tätigkeiten durchzusetzen, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt ist (vgl. Gutachten von Dr. Mostafa Danesch an den HessVGH vom 07. Oktober 2010 – Logar). Was den Kläger angeht, kommt hinzu, dass er vor seiner Ausreise im Teppichhandel seines Vaters mitgeholfen und dadurch Erfahrungen im Wirtschaftsleben seines Heimatlandes erworben hat.
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Auch die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass der Kläger als alleinstehender junger Mann bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Zwar ist in Afghanistan etwa ein Drittel der Bevölkerung von Mangelernährung betroffen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass den Betroffenen keine ausreichende Nahrung für ein gesundes und aktives Leben zur Verfügung steht (Stellungnahme des UNHCR vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz). Dies bedeutet indessen nicht, dass bei diesem Bevölkerungsanteil bereits gesundheitliche Beeinträchtigungen in erheblichem Ausmaß eingetreten sind. Vielmehr wird damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass bei etwa einem Drittel der afghanischen Bevölkerung die Gefahr gesundheitlicher Beeinträchtigung durch Mangelernährung besteht. Die von Frau Dr. T. in der mündlichen Verhandlung vom 06. Mai 2008 geschilderten Folgen der Mangelernährung können in einem solchen Fall eintreten; sie sind aber nicht zwingend. Hinzu kommt, dass es auch bei der Gefahr von Armut und Mangelernährung demographische Risikogruppen gibt. Bei der Definition der Begriffe der absoluten Armut (1 Dollar und weniger pro Tag), von der etwa 36 % der Afghanen betroffen sind, und des Lebens knapp über der Armutsgrenze (2 bis 3 Dollar), das 37 % der afghanischen Bevölkerung führen, wird auf die Verhältnisse einer sechs- bis achtköpfigen Großfamilie abgestellt (vgl. Gutachten von Dr. M. D. an den Hessischen VGH vom 07. Oktober 2010 – Logar). Dies bestätigt aber die Annahme, dass gerade nicht junge, alleinstehende Männer, sondern eher Familien mit mehreren Kindern in besonderem Maße in Afghanistan existentiell gefährdet sind.
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Da der Kläger nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ernsthafter gesundheitlicher Beeinträchtigungen ausgesetzt ist, kann bei ihm, der keine Vorerkrankungen dargelegt hat, auch nicht mit einer alsbald nach der Rückkehr drohenden extremen Gefahrenlage allein wegen der – insbesondere in ländlichen Bereichen – unzureichenden medizinischen Versorgungslage in Afghanistan (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Januar 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 23. August 2011) gerechnet werden.
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Insgesamt kann hiernach zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger in seinem Heimatland in eine ernsthafte Gefahrenlage gerät, für deren alsbald nach der Rückkehr erfolgenden Eintritt spricht aber keine hohe Wahrscheinlichkeit.
- 51
Die Ansicht, dass für junge, männliche afghanische Staatsangehörige, die beruflich nicht besonders qualifiziert sind und nicht auf den Rückhalt von Familie oder Bekannten zurückgreifen können, in Kabul keine extreme Gefahrensituation besteht, wird von der überwiegenden Zahl der Obergerichte geteilt (vgl. VGH BW, Urteil vom 06. März 2012 – A 11 S 610/08 −; BayVGH, Urteil vom 03. Februar 2011 – 13a B 10.30394 −, juris Rn. 37; OVG NW, Urteil vom 19. Juni 2008 – 20 A 4676/06.A −, juris Rn. 68 und Beschluss vom 26. Oktober 2010 – 20 A 964/10.A −, juris Rn. 7; OVG SH, Urteil vom 10. Dezember 2008 – 2 LB 23/08 −, juris Rn. 34; a.A. wohl: HessVGH, Urteil vom 25.08.2011 – 8 A 1659/10.A −, Juris Rn. 93 ).
- 52
Was einen möglichen Aufenthalt des Klägers in Kabul angeht, so liegen auch in diesem Bereich die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht vor. Ausweislich des Lageberichtes des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012 kann die Sicherheitslage in Kabul weiterhin als stabil angesehen werden. Zwar hätten sich seit Januar 2011 in der Hauptstadt mehrere spektakuläre Selbstmordanschläge ereignet. Zuvor sei es allerdings über einen Zeitraum von fast 18 Monaten hinweg zu praktisch keinerlei Anschlägen gekommen. Es handelte sich um einzelne spektakuläre Anschläge auf exponierte Ziele (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Insgesamt waren 71 Tote in der Zivilbevölkerung Kabuls zu verzeichnen, wovon 67 Personen Opfer von sechs Selbstmordanschlägen wurden (vgl. UNAMA, Afghanistan, Annual Report 2011, Februar 2012). Diese Umstände sprechen bereits dagegen, in Kabul einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt anzunehmen (vgl. VGH BW, Urteil vom 06. März 2012 – A 11 S 3177/11 −). Jedenfalls ergibt sich aber keine erhebliche Gefahr für jeden Rückkehrer, Opfer einer bewaffneten Auseinandersetzung zu werden. Bei einer Gesamteinwohnerzahl von etwa 3,5 bis 4,5 Mio. Menschen (D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich – Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010) und einer Konzentration der Übergriffe auf wenige Vorfälle fehlt es an der erforderlichen Gefahrendichte.
- 53
Die von der Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG.
- 54
Soweit der Kläger sich mit Schriftsatz vom 01. April 2012 an den Senat gewandt hat, bestand kein Anlass, erneut in eine mündliche Verhandlung einzutreten, da er seinen bisherigen Vortrag lediglich konkretisiert hat.
- 55
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
- 56
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. 708 ff. ZPO.
- 57
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. September 2007 - A 6 K 4738/07 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. September 2011 - A 8 K 744/10 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gesamten - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
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Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. Oktober 2011 - A 6 K 1088/11 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
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Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2008 - A 11 K 521/06 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gesamten - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der am … in Mazar-i Sharif geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit. Er begehrt die Verpflichtung der Beklagten zu der Feststellung, dass in seinem Fall die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 AufenthG vorliegen.
- 2
Nachdem er nach eigenen Angaben am 31. März 2004 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war, beantragte er unter dem 7. April 2004, als Asylberechtigter anerkannt zu werden.
- 3
Zur Begründung seines Asylbegehrens führte er in seiner Anhörung vom 20. April 2004 an, dass er gemeinsam mit seiner Schwester und seiner Mutter in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Sein Vater sei etwa eine Woche vor der Ausreise verstorben. Der Kläger habe die Koranschule besucht und danach im Geschäft des Vaters mitgearbeitet. Dieser sei Teppichhändler gewesen. Die Familie habe sich in einer guten wirtschaftlichen Lage befunden. Vor der Ausreise habe sein Vater allerdings etwa 60.000 Dollar Schulden gehabt. Die Gläubiger hätten die Familie bedroht. Grund für die Schulden sei gewesen, dass drei Ladungen Teppiche auf dem Weg nach Pakistan gestohlen worden seien. Ein Freund seines Vaters habe die Ausreise organisiert. Hierzu habe der Kläger aus dem Haus der Familie Geld geholt, das dort versteckt gewesen sei. An den Schlepper habe die Familie 20.000 Dollar bezahlt. Die Verwandten des Klägers lebten in Deutschland oder der Türkei.
- 4
Mit Bescheid vom 15. November 2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass in seinem Fall die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 sowie des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Sie forderte den Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland auf und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an.
- 5
Am 1. Dezember 2005 hat der Kläger Klage erhoben, die er auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschränkt hat.
- 6
Mit Urteil vom 19. Dezember 2006 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen und den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2005 insoweit aufgehoben, als er dieser Feststellung entgegensteht. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland wegen der dortigen unzureichenden Versorgungslage einer extremen Gefahr ausgesetzt wäre.
- 7
Zur Begründung ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung hat die Beklagte angeführt, dass die vom Verwaltungsgericht angenommene extreme Gefahrenlage nicht vorliege. Die Sicherheits- und Versorgungslage insbesondere im Raum Kabul sei nicht derart schlecht, dass der Kläger bei einer Rückkehr dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Für einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann wie den Kläger sei davon auszugehen, dass er im Raum Kabul eine vergleichsweise stabile Existenz sichern könne.
- 8
Der Kläger ist der Berufung unter Verweis auf die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils entgegengetreten.
- 9
Mit Urteil vom 6. Mai 2008 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in hinreichender zeitlicher Nähe in einen unausweichlich lebensbedrohlichen Zustand geraten würde. Er könne seinen Lebensunterhalt weder aus eigener Kraft noch durch Zuwendungen Dritter bestreiten. Auch ein Zugang zu medizinischer Versorgung sei nahezu ausgeschlossen. Insoweit gerate er zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen.
- 10
Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 29. Juni 2010 – 10 C 9.09 − die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
- 11
Die Beklagte führt im weiteren Verfahren ergänzend aus, dass im Falle des Klägers auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG anzuerkennen sei. Im Herkunftsgebiet des Klägers, dem Bereich um die Stadt Mazar-i Sharif könne nicht von dem Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgegangen werden. Zudem sei angesichts der Strukturen in der afghanischen Gesellschaft damit zu rechnen, dass der Kläger Unterstützung durch einen Stammes- oder Familienverband finden werde.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 19. Dezember 2006 die Klage insgesamt abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass vorrangig das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungshindernisses festgestellt wird.
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Er ist der Auffassung, dass die eingeholten Gutachten die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 6. Mai 2008 bestätigten. Er laufe Gefahr, bei einer Rückkehr in sein Heimatland an Mangelernährung zu sterben.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten der Sachverständigen P. R., Dr. B. G. sowie Dr. K. L. und durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakte sowie die in das Verfahren eigeführten Erkenntnismittel verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung hat Erfolg.
- 20
Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen.
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Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zu, noch sind in seinem Fall die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben.
- 22
1. In die Entscheidung des Senates waren – worauf bereits das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil hingewiesen hat – die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG vorrangig vor dem Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, zu dessen Feststellung das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet hat, einzubeziehen.
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Die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote, zu denen neben § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gehört und deren Grundlagen sich aus Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie – ergeben, sind mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union - Richtlinienumsetzungsgesetz - (BGBl. I 2007, 1970) im August 2007 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Ablehnungsbescheid der Beklagten – wie hier − sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote erfasst und der Kläger die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote in sein Verfahren einbezogen hat. Die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote bilden einen eigenständigen, vorrangig vor den nationalen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 4/09 ─, BVerwGE 136, 360 und juris, Rn. 16; Urteil vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226 und juris, Rn. 6).
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2. Im Falle des Klägers liegen indessen die Voraussetzungen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nicht vor.
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a. Was die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 oder 3 AufenthG angeht, so hat sich der Kläger nicht hierauf berufen. Es ergeben sich auch ansonsten keine Hinweise darauf, dass er bei seiner Rückkehr der Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sowie der Gefahr der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Soweit er die Befürchtung geäußert hat, er könne von den Gläubigern seines Vaters misshandelt werden, kann es – ungeachtet der Frage, wie derartige Übergriffe Privater rechtlich einzuordnen sind – nicht als beachtlich wahrscheinlich angesehen werden, dass der Aufenthaltsort des Klägers bei einer Rückkehr von diesen Personen ermittelt und er von ihnen aufgegriffen werden kann.
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b. Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegen nicht vor.
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aa. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
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Im Falle des Klägers kann dahinstehen, ob in seiner Herkunftsregion, der Provinz Balkh, ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Denn jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass er infolge eines solchen Konfliktes einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre. Eine mögliche bewaffnete Auseinandersetzung erreicht in der Provinz Balkh keine solche Gefahrendichte, dass sich aus der allgemeinen Lage bereits eine individuelle ernsthafte Bedrohung für jede Person ergibt, die sich dort aufhält.
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bb. Was eine sich im Rahmen einer allgemeinen Gefahrenlage bestehende Bedrohung angeht, so ist § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zunächst richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der bei Vorliegen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie, der durch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in nationales Recht umgesetzt wurde, keine Sperrwirkung entfaltet. Der Betroffene muss sich bei einer allgemeinen Gefahr nicht mit der in § 60 a Abs. 1 AufenthG vorgesehenen Aussetzung der Abschiebung zufriedengeben, da ihm nach Art. 24 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 191 und juris, Rn. 31).
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cc. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit dann anzunehmen, wenn der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein. Mit einer solchen Auslegung wird dem Erwägungsgrund 26 der Qualifikationsrichtlinie Rechnung getragen, wonach Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen. Hiernach verlangt eine dennoch erfolgende Berücksichtigung eine Ausnahmesituation mit einem hohen Gefahrengrad. Hingegen kann der zur Gewährung subsidiären Schutzes erforderliche Grad willkürlicher Gewalt umso geringer sein, je mehr der Betroffene zu belegen vermag, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation innewohnenden Umstände in besonderem Maße hierdurch betroffen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rechtssache C-465/07 Elgafaji, Rn. 35 bis 39).
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Für die Annahme einer entsprechenden Bedrohung ist dabei auch nach nationalem Recht erforderlich, dass sie durch willkürliche Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes ausgelöst wird. Das entsprechende Tatbestandsmerkmal von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie ist auch Bestandteil der gesetzlichen Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG geworden. Wie sich der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz entnehmen lässt (BT-Drs. 16/5065, S. 187), war es Absicht des Gesetzgebers, den Tatbestand des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie und damit auch das Erfordernis willkürlicher Gewalt in vollem Umfang in nationales Recht umzusetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 32). Von willkürlicher Gewalt ist auszugehen, wenn sich die in Frage stehende Gewalt auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009, a.a.O., Rn. 34).
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Hiernach ist dann ein besonders hohes Maß willkürlicher Gewalt erforderlich, wenn keine persönlichen gefahrerhöhenden Umstände vorliegen. Liegen solche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu den gefahrerhöhenden Umständen gehören solche persönlichen Besonderheiten, die den Rückkehrer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, wie etwa eine berufliche Verpflichtung sich in Gefahrennähe aufzuhalten. Hierzu können aber auch persönliche Umstände gerechnet werden, wie etwa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Ethnie, aufgrund derer der Betroffene zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33; Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 13/10 −, juris Rn. 18). Beschränkt sich ein bewaffneter Konflikt auf einzelne Landesteile, so kommt eine individuelle Bedrohung in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Betroffenen erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren muss. Bei der Feststellung, ob eine entsprechende individuelle erhebliche Gefahr gegeben ist, ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, erforderlich, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden. Weiterhin bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen bei der Zivilbevölkerung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33). Die entsprechende Gefahr muss dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris Rn. 20). Was die im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigende quantitative Beurteilung angeht, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. November 2011 (- 10 C 13/10 -, juris Rn. 22 f.) das Risiko, bei innerstaatlichen Auseinandersetzungen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 800 verletzt oder getötet zu werden, als für die Annahme einer individuellen Gefahr keinesfalls hinreichend angesehen.
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dd. Nach diesen Kriterien ist der Kläger aufgrund der allgemeinen Situation in seiner Herkunftsprovinz keiner individuellen Bedrohung ausgesetzt.
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Die Sicherheitslage in Afghanistan ist insgesamt dadurch gekennzeichnet, dass es landesweit in unterschiedlicher Intensität zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen afghanischen Regierungstruppen und der unter Führung der NATO operierenden internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) auf der einen sowie den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen auf der anderen Seite kommt. Das Land ist durch eine andauernde Instabilität geprägt. Insgesamt ist in den Jahren 2010 und 2011 eine Verschlechterung der Sicherheitslage festzustellen. Die Zahl der Anschläge hat sich im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 65 % erhöht. Während nach wie vor ein Schwerpunkt der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Land in den südlichen und südöstlichen Regionen festzustellen ist, lässt sich gleichzeitig eine stärkere geografische Verteilung entsprechender Vorfälle konstatieren (vgl. UNHCR, Gutachten vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; ders., Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylbewerber vom 21. März 2011; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Die für das Jahr 2010 genannte Zahl getöteter Zivilpersonen schwankt in einzelnen Quellen zwischen 2.428 (amnesty international, Report 2011 Afghanistan vom 18. August 2011) und 2.777 (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Landesweit ist im 1. Halbjahr 2011 ein Anstieg der Zahl der getöteten Zivilsten um 15 % festzustellen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Für das gesamte Jahr 2011 wird eine Zahl von 3021 ziviler Todesopfer genannt (United Nations Assistance Mission in Afghanistan – UNAMA, Annual Report 2011, Februar 2012), so dass erneut von einem beträchtlichen Anstieg auszugehen ist. Die Zahl der im Land insgesamt gemeldeten Angriffe bewaffneter oppositioneller Gruppierungen belief sich im Jahr 2011 auf 13.983 (The Afghanistan NGO Safety Office – ANSO, Quaterly Data Report Q.4 2011, Januar 2012).
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Demgegenüber zeigt sich in der Provinz Balkh durch die Anwesenheit internationaler Organisationen und Militärs ein vergleichsweise sicheres Umfeld. Als problematisch hat sich in den vergangenen Jahren eher die hohe Kriminalitätsrate erwiesen. Die Situation in dieser Region wird als vergleichsweise friedlich eingeschätzt. Sie gehört zu den Provinzen, die in den zurückliegenden Jahren vom Konflikt am wenigsten betroffen waren (D-A-CH Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich – Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010). War in den Jahren 2009 und 2010 im Verantwortungsbereich des Regionalkommandos Nord, zu dem auch die Provinz Balkh gehört und das in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif seinen Sitz hat, ein signifikanter Anstieg der Auseinandersetzungen festzustellen, kam es im ersten Halbjahr 2011 wieder zu einem Rückgang der Übergriffe um 50 %. Dabei ist es den afghanischen Sicherheitskräften und den ISAF-Einheiten gelungen, in den Regionen Kundus und Nord-Baghlan die regierungsfeindlichen Kräfte weitgehend aus ihren traditionellen Hochburgen zu verdrängen. Auch in den nordwestlichen Provinzen und damit in Balkh konnten – wenn auch nicht in diesem Ausmaß − militärische Fortschritte erzielt werden (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012). Mit diesem Vorgehen dürfte auch der seit 2008 feststellbaren und als problematisch angesehenen Infiltration des Nordens Afghanistans durch regierungsfeindliche Gruppierungen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011) entgegengewirkt worden sein. In der Provinz Balkh ereigneten sich im Jahr 2010 183 Angriffe oppositioneller bewaffneter Gruppierungen. Diese Anzahl ging im Jahr 2011 auf 144 zurück (ANSO, Quarterly Data Report, 4/2011, Januar 2012).
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Bei einer Bevölkerungszahl in der Provinz von 1,2 Mio. Einwohnern, die sich auf 17.000 km² erstreckt (71 Einwohner pro km²; vgl.: D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich − Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010), entfiel bei 144 registrierten Anschlägen oppositioneller Gruppierungen ein solcher Vorfall auf etwa 8300 Einwohner. Demgegenüber ereignet sich in Afghanistan insgesamt bei etwa 31 Mio. Einwohnern und 13.983 Übergriffen landesweit (ANSO, Quarterly Data Report, 4/2011, Januar 2012) ein Angriff je 2.200 Einwohner. Wenngleich auf die Region bezogene Opferzahlen nicht ersichtlich sind, so kann doch aus der allgemeinen Einschätzung der Sicherheitslage und der vergleichsweise niedrigen Zahl der Anschläge geschlossen werden, dass nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht, in einen derartigen Vorfall als Zivilperson einbezogen zu werden und damit einer ernsthaften Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.
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Angesichts dieser Gesamtsituation wirkt es sich auch nicht zugunsten des Klägers aus, dass die medizinische Versorgungslage in Afghanistan – insbesondere in ländlichen Bereichen − weiterhin als unzureichend angesehen werden muss und ein Zugang zu Gesundheitseinrichtungen nicht gewährleistet ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Januar 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 23. August 2011). Vielmehr lässt sich schon allein anhand der Gefahrendichte feststellen, dass sich nicht für jeden Rückkehrer allein wegen seines Aufenthaltes in der Provinz eine ernsthafte individuelle Bedrohung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ergibt, so dass es insoweit nicht mehr entscheidend darauf ankommt, ob die Folgen einer Verletzung durch eine schnelle und wirksame medizinische Behandlung gemindert werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris Rn. 23).
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ee. Besondere persönliche Umstände, die sich gefahrerhöhend auswirkten, sind im Falle des Klägers ebenfalls nicht ersichtlich. Er gehört in seiner Heimatregion der Bevölkerungsmehrheit der Tadschiken an. Soweit der Kläger in seinem Asylverfahren darauf verwiesen hat, dass die Familie von den Gläubigern seines Vaters bedroht worden sei, steht dieser Vorfall in keinem Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und den Sicherheitskräften sowie den ISAF-Einheiten.
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3. Kann hiernach auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht festgestellt werden, so gilt dies gleichermaßen für das gegenüber den unionsrechtlichen Abschiebungsverboten nachrangig zu prüfende nationale Abschiebungsverbot in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und Satz 3 AufenthG.
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a. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach Satz 3 dieser Regelung sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Der Kläger beruft sich indessen im Wesentlichen gerade auf die allgemein ungünstigen Verhältnisse in seinem Heimatland. Bei diesen der Bevölkerung allgemein drohenden Gefahren gilt nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG jedoch der Vorrang einer politischen Leitentscheidung im Wege einer generellen Aussetzung der Abschiebung. Soweit der Kläger daneben auf die Gefahr abstellt, Opfer der Gläubiger seines Vaters zu werden, fehlt es bereits an hinreichenden Anhaltspunkten, dass er als dessen Sohn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von diesen Personen ausfindig gemacht werden kann.
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Die nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bestehende Sperrwirkung ist allerdings im Wege der verfassungskonformen Auslegung dann einzuschränken, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr in sein Heimatland eine extreme Gefahrenlage dergestalt zu gewärtigen hätte, dass er gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt sein würde und die obersten Landesbehörden von der nach § 60 a Abs. 1 AufenthG bestehenden Ermächtigung, die Abschiebung auszusetzen, keinen Gebrauch gemacht haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 und juris, Rn. 14; Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 5.01 -, BVerwGE 115, 1 und juris, Rn. 16; Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 24.10 - juris, Rn. 19). Die Gefahrenlage muss landesweit bestehen (VGH BW, Urteil vom 14. Mai 2009 - A 11 S 610/08 -, juris, Rn. 20).
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Was die für die Abweichung von der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG erforderliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahr angeht, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes von einem gegenüber dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die extremen Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Zudem müssen sich die Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011, a.a.O., juris, Rn. 15).
- 43
b. Im Falle des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anforderungen an das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage bei einer Rückkehr nach Afghanistan erfüllt sind.
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Jedenfalls bei einer Rückkehr nach Kabul ist nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit mit seinem alsbaldigen Tod oder schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu rechnen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass Afghanistan durch eine problematische wirtschaftliche Situation geprägt ist, die zu einer schwierigen Versorgungslage führt. Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die verbreitete Armut führt landesweit nach wie vor vielfach zu Mangelernährung. Im Jahr 2011 war die Getreideernte nach überdurchschnittlichen Ernten in den Jahren 2009 und 2010 wieder signifikant niedriger als in den Vorjahren. Staatliche soziale Sicherungssysteme existieren praktisch nicht. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien- und Stammesverbänden. Der IWF rechnet indessen für das laufende afghanische Fiskaljahr mit einem Wachstum von 8 % des Bruttoinlandsproduktes außerhalb des Landwirtschaftssektors. Langfristig rechnen Experten bis zum Jahr 2030 mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungsrate von 5 % (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012), so dass sich mittelfristig die Perspektive einer Besserung der Verhältnisse ergibt. Erwerbsmöglichkeiten sind für einen Großteil der Bevölkerung nur eingeschränkt vorhanden. Die Arbeitslosenrate liegt bei etwa 40 %. Etwa 80 % der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig. Selbst nicht arbeitslose Afghanen erzielen durch ihre Arbeit nur in 13,5 % der Fälle regelmäßige Einkünfte. Unproblematisch ist die Situation lediglich für hochqualifizierte Kräfte wie Ingenieure, Finanz- und Verwaltungsfachleute. Für die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit sicherzustellen, kommt es wesentlich auf die Einbindung des Betroffenen in den erweiterten Familien- oder Bekanntenkreis an, der auch das soziale Sicherheitsnetz begründet (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 31. Oktober 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; UNHCR, Auskunft vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Dr. L., Stellungnahme vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011 -).
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Dem Kläger droht indes auch vor dem Hintergrund der geschilderten allgemeinen Lage in der Hauptstadt Kabul keine extreme Gefahrenlage. Die Lage dort ist durch eine positive Wirtschaftsentwicklung geprägt. Dies führt allerdings dazu, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt wegen der steigenden Zahl der Binnenvertriebenen und der wirtschaftlichen Migration aus anderen Landesteilen weiter verschärft. Weitere Folge dieser starken Zuwanderung aus anderen Landesteilen ist, dass die Lebenshaltungskosten und damit die Kosten für eine Unterkunft bedeutend höher liegen als in anderen Landesteilen (vgl. Gutachterliche Stellungnahme von Dr. K. L. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 09. Juni 2011; Gutachten des UNHCR an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011).
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Als unwahrscheinlich ist zudem die Option anzusehen, dass der Kläger nach seiner Rückkehr eine Arbeitsstelle findet, die seinen Lebensunterhalt dauerhaft gewährleistet. Vielmehr wird er voraussichtlich darauf angewiesen sein, sich als Tagelöhner zu verdingen (vgl. Gutachten von P. R. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 15. Januar 2008). Grundlage hierfür ist insbesondere der Bauboom in der Hauptstadt, der die entsprechenden Möglichkeiten erheblich ausgeweitet hat. Bei der Arbeitssuche kommt überdies der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppierung in der Hauptstadt, da diese multiethnisch und kosmopolitisch geprägt ist, keine so große Bedeutung zu, wie es in der Provinz der Fall ist (Gutachten von Dr. B. G. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 31. August 2008). Insoweit wird der Kläger nicht in gleichem Maße auf die Unterstützung durch seinen Stammes- oder Familienclan angewiesen sein, wie dies in anderen Regionen seines Heimatlandes der Fall wäre.
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Was die Möglichkeit angeht, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, so ist in seinem Falle weiterhin zu berücksichtigen, dass er alleinstehend ist und daher nicht in der Verantwortung steht, den Unterhalt von Ehefrau oder Kindern gleichfalls sicherzustellen. Hiernach ist aber bereits nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland ohne Unterstützung durch Familien- oder Stammesangehörige nicht in der Lage wäre, durch eine - wenn auch unregelmäßige - Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zumindest in bescheidenem Umfang durch eine Tagelöhnertätigkeit zu erzielen (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 31. Oktober 2011). Insoweit ergibt sich auch keine ernstliche Verschlechterung der Situation dadurch, dass er sich längere Zeit, nämlich seit dem Jahre 2004, außerhalb seines Heimatlandes aufgehalten hat. Selbst wenn sich hieraus eine Erschwernis bei der Arbeitssuche ergeben sollte (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG RP vom 31. Oktober 2011), so besteht jedoch keine Einschränkung der Eignung für einfache körperliche Tätigkeiten. Insoweit sind es gerade junge, kräftige Männer, die am ehesten die Chance haben, sich auf dem Arbeitsmarkt für Tätigkeiten durchzusetzen, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt ist (vgl. Gutachten von Dr. Mostafa Danesch an den HessVGH vom 07. Oktober 2010 – Logar). Was den Kläger angeht, kommt hinzu, dass er vor seiner Ausreise im Teppichhandel seines Vaters mitgeholfen und dadurch Erfahrungen im Wirtschaftsleben seines Heimatlandes erworben hat.
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Auch die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass der Kläger als alleinstehender junger Mann bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Zwar ist in Afghanistan etwa ein Drittel der Bevölkerung von Mangelernährung betroffen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass den Betroffenen keine ausreichende Nahrung für ein gesundes und aktives Leben zur Verfügung steht (Stellungnahme des UNHCR vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz). Dies bedeutet indessen nicht, dass bei diesem Bevölkerungsanteil bereits gesundheitliche Beeinträchtigungen in erheblichem Ausmaß eingetreten sind. Vielmehr wird damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass bei etwa einem Drittel der afghanischen Bevölkerung die Gefahr gesundheitlicher Beeinträchtigung durch Mangelernährung besteht. Die von Frau Dr. T. in der mündlichen Verhandlung vom 06. Mai 2008 geschilderten Folgen der Mangelernährung können in einem solchen Fall eintreten; sie sind aber nicht zwingend. Hinzu kommt, dass es auch bei der Gefahr von Armut und Mangelernährung demographische Risikogruppen gibt. Bei der Definition der Begriffe der absoluten Armut (1 Dollar und weniger pro Tag), von der etwa 36 % der Afghanen betroffen sind, und des Lebens knapp über der Armutsgrenze (2 bis 3 Dollar), das 37 % der afghanischen Bevölkerung führen, wird auf die Verhältnisse einer sechs- bis achtköpfigen Großfamilie abgestellt (vgl. Gutachten von Dr. M. D. an den Hessischen VGH vom 07. Oktober 2010 – Logar). Dies bestätigt aber die Annahme, dass gerade nicht junge, alleinstehende Männer, sondern eher Familien mit mehreren Kindern in besonderem Maße in Afghanistan existentiell gefährdet sind.
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Da der Kläger nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ernsthafter gesundheitlicher Beeinträchtigungen ausgesetzt ist, kann bei ihm, der keine Vorerkrankungen dargelegt hat, auch nicht mit einer alsbald nach der Rückkehr drohenden extremen Gefahrenlage allein wegen der – insbesondere in ländlichen Bereichen – unzureichenden medizinischen Versorgungslage in Afghanistan (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Januar 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 23. August 2011) gerechnet werden.
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Insgesamt kann hiernach zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger in seinem Heimatland in eine ernsthafte Gefahrenlage gerät, für deren alsbald nach der Rückkehr erfolgenden Eintritt spricht aber keine hohe Wahrscheinlichkeit.
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Die Ansicht, dass für junge, männliche afghanische Staatsangehörige, die beruflich nicht besonders qualifiziert sind und nicht auf den Rückhalt von Familie oder Bekannten zurückgreifen können, in Kabul keine extreme Gefahrensituation besteht, wird von der überwiegenden Zahl der Obergerichte geteilt (vgl. VGH BW, Urteil vom 06. März 2012 – A 11 S 610/08 −; BayVGH, Urteil vom 03. Februar 2011 – 13a B 10.30394 −, juris Rn. 37; OVG NW, Urteil vom 19. Juni 2008 – 20 A 4676/06.A −, juris Rn. 68 und Beschluss vom 26. Oktober 2010 – 20 A 964/10.A −, juris Rn. 7; OVG SH, Urteil vom 10. Dezember 2008 – 2 LB 23/08 −, juris Rn. 34; a.A. wohl: HessVGH, Urteil vom 25.08.2011 – 8 A 1659/10.A −, Juris Rn. 93 ).
- 52
Was einen möglichen Aufenthalt des Klägers in Kabul angeht, so liegen auch in diesem Bereich die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht vor. Ausweislich des Lageberichtes des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012 kann die Sicherheitslage in Kabul weiterhin als stabil angesehen werden. Zwar hätten sich seit Januar 2011 in der Hauptstadt mehrere spektakuläre Selbstmordanschläge ereignet. Zuvor sei es allerdings über einen Zeitraum von fast 18 Monaten hinweg zu praktisch keinerlei Anschlägen gekommen. Es handelte sich um einzelne spektakuläre Anschläge auf exponierte Ziele (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Insgesamt waren 71 Tote in der Zivilbevölkerung Kabuls zu verzeichnen, wovon 67 Personen Opfer von sechs Selbstmordanschlägen wurden (vgl. UNAMA, Afghanistan, Annual Report 2011, Februar 2012). Diese Umstände sprechen bereits dagegen, in Kabul einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt anzunehmen (vgl. VGH BW, Urteil vom 06. März 2012 – A 11 S 3177/11 −). Jedenfalls ergibt sich aber keine erhebliche Gefahr für jeden Rückkehrer, Opfer einer bewaffneten Auseinandersetzung zu werden. Bei einer Gesamteinwohnerzahl von etwa 3,5 bis 4,5 Mio. Menschen (D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich – Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010) und einer Konzentration der Übergriffe auf wenige Vorfälle fehlt es an der erforderlichen Gefahrendichte.
- 53
Die von der Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG.
- 54
Soweit der Kläger sich mit Schriftsatz vom 01. April 2012 an den Senat gewandt hat, bestand kein Anlass, erneut in eine mündliche Verhandlung einzutreten, da er seinen bisherigen Vortrag lediglich konkretisiert hat.
- 55
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
- 56
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. 708 ff. ZPO.
- 57
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2008 - A 11 K 521/06 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gesamten - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. November 2012 verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen sowie ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 2. Juli 1994 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger hinduistischer Volks- und Religionszugehörigkeit.
3Er hat sich bis zu seiner Ausreise in Kabul aufgehalten, wo seine Eltern noch leben. Sein Vater brachte ihn in einem Auto nach Pakistan, wo er nach fünf Tagen per Flugzeug zu dem Landeort geflogen sei. Von dort sei er noch ca. sechs Stunden mit dem Zug nach F. zu seiner Tante gefahren. In Deutschland stellte er am 6. Juni 2011 einen Asylantrag.
4Bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ‑ Bundesamt ‑ am 7. September 2011 in Bielefeld gab der Kläger an, dass er nicht zur Schule gehen und nicht rausgehen durfte. 10 Tage vor seiner Ausreise hätten ihn die Taliban entführt; sie hätten ihn zu einem Moslem machen wollen. Mit ihm zusammen seien noch weitere Jugendliche mitgenommen worden. Sie hätten von seiner Familie Geld verlangt, sein Vater habe aber kein Geld gehabt. Als sie von seinem Vater kein Geld bekommen konnten, hätte sie ihn, den Kläger, geschlagen und getreten und anschließend fortgejagt. Er habe große Angst gehabt und habe sein Haus, nachdem er dorthin zurück gelangt war, nicht mehr verlassen. Sein Vater habe dann seine Ausreise organisiert.
5Mit Bescheid vom 19. November 2012, als Einschreiben zur Post gegeben am 23. November 2012, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab und verneinte die Voraussetzungen der Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft. Ferner stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes ‑ AufenthG ‑ nicht vorlägen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bunderepublik innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Im Falle der nicht fristgerechten Ausreise würde der Kläger nach Afghanistan oder in einen anderen Staat abgeschoben, in den er ausreisen dürfte oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei.
6Der Kläger hat am 10. Dezember 2012 Klage erhoben. Zur Begründung macht er geltend, dass er von den Taliban entführt worden sei, weil er Hindu sei und als wohlhabend gegolten habe, weil seine Familie ein Textilgeschäft betrieben habe. Diese Bedrohung durch die landesweit agierenden Taliban sei dem afghanischen Staat zuzurechnen, da dieser nicht in der Lage sei, die Bevölkerung vor den Angehörigen dieser Organisation zu schützen. Da der Kläger in das Visier der Taliban geraten sei, sei eine erneute Verfolgung wahrscheinlich.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. November 2012 zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen sowie dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,hilfsweise,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. November 2012 zu Nrn. 3. und 4. zu verpflichten, festzustellen, dass dem Kläger subsidiärer Schutz zu gewähren ist,
10äußerst hilfsweise,die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. November 2012 zu Nrn. 3. und 4. zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.
11Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides.
14Mit Beschluss vom 25. Oktober 2013 hat die Kammer dem Berichterstatter den Rechtsstreit als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage hat in dem nach § 77 Abs. 1 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG - maßgeblichen Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung Erfolg. Sie ist insgesamt zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. November 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da er einen Anspruch auf die begehrten Verpflichtungen hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑.
181. Der Kläger hat einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes ‑ GG ‑.
19Dieser Anspruch ist nicht bereits gemäß Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a Abs. 1 Sätze 1 und 2 AsylVfG ausgeschlossen. Danach kann sich ein Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist ist, nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen. Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in der Anlage I zum Asylverfahrensgesetz bezeichneten Staaten (§ 26a Abs. 2 AsylVfG).
20Der Kläger ist nach seinen Angaben, die das Gericht nicht widerlegen kann, auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach der letzten Landung ist der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, mit dem Zug nach F. gefahren, ohne auf dem Wege dorthin eine Staatsgrenze überschritten zu haben. Damit ist er nicht über einen sicheren Drittstaat eingereist.
21Die Voraussetzungen für eine Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG liegen vor.
22Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt in diesem Sinne ist derjenige, dessen Leib, Leben oder persönliche Freiheit in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, an seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen (sog. asylerhebliche Merkmale), gefährdet oder verletzt werden. Es muss sich um gezielte Rechtsverletzungen handeln, die den Einzelnen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Ob eine in diesem Sinne spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmales erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der objektiv erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen. Die Verfolgungsmaßnahme kann dem Einzelnen oder einer durch ein asylerhebliches Merkmal gekennzeichneten Gruppe – und dort allen Gruppenmitgliedern oder dem Einzelnen wegen seiner Gruppenzugehörigkeit – gelten.
23Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 ff., vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, BVerfGE 80, 315 (333 ff.) und 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85, 515 u. 1827/89 -, BVerfGE 83, 216 ff. = InfAuslR 1991, 200 ff.; Bergmann/Dienelt/Röseler, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, Art. 16a GG RdNrn. 40 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, RdNrn. 1625 f., 1629 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 12 ff., 52 ff.
24Politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist dabei grundsätzlich staatliche Verfolgung. Die Verfolgung muss daher von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgehen, der der Verletzte unterworfen ist („unmittelbare staatliche Verfolgung“). Asylrechtsrelevante Verfolgung kann allerdings auch von Vereinigungen ausgehen, die Machtbefugnisse und Einflüsse in einem Umfang ausüben, die letztendlich hoheitlicher Gewaltausübung entsprechen („quasi-staatliche“ oder „staatsähnliche“ Stellung). Darüber hinaus kommen auch Verfolgungsmaßnahmen Dritter als politische Verfolgung in Betracht, wenn sie dem jeweiligen Staat zuzurechnen sind („mittelbare staatliche Verfolgung“). Eine von nichtstaatlicher Seite, also insbesondere von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen, ausgehende Verfolgung wird dabei dem Staat zugerechnet, wenn er die Verfolgung billigt oder fördert, ferner, wenn er nicht willens oder – trotz vorhandener Gebietsgewalt – nicht in der Lage ist, die Betroffenen gegen Übergriffe zu schützen.
25Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. März 1995 - 9 B 747.94 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 177; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 34 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1627 f.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 21 ff.
26Da das Asylgrundrecht darauf gerichtet ist, dem vor politischer Verfolgung Flüchtenden Zuflucht und Schutz zu gewähren, setzt es ferner grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus („Vorverfolgung“). Nachfluchtgründe können demgemäß nur eingeschränkt Berücksichtigung finden, vgl. § 28 Abs. 1 AsylVfG.
27Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, a.a.O., und vom 1. Dezember 1993 - 2 BvR 1119/93 -; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 49 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1634 f.
28Selbst bei Vorliegen sämtlicher der vorgenannten Voraussetzungen ist der Anspruch auf Schutzgewährung nach Art. 16a Abs. 1 GG allerdings ausgeschlossen, wenn dem Asylbewerber eine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht. Zumutbar ist eine Fluchtalternative, wenn der Asylsuchende an dem betreffenden Ort verfolgungssicher ist und ihm dort auch ansonsten keine Gefahren drohen. Insbesondere muss dort sein wirtschaftliches Existenzminium gewährleistet sein. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Nicht mehr zumutbar ist die Fluchtalternative demgegenüber dann, wenn der Asylsuchende an dem verfolgungssicheren Ort bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums.
29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2002 - 1 B 128.02, 1 PKH 24.02 -, InfAuslR 2002, 455 f.; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 66 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1641 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 60 ff.
30Die vom Gericht anzustellenden Prognoseerwägungen haben sich dabei an folgenden Maßstäben zu orientieren: Hat der Asylsuchende das Schicksal politischer Verfolgung schon einmal erlitten, besteht Anspruch auf Asyl bereits dann, wenn an seiner Sicherheit vor erneut einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernstliche Zweifel bestehen, d. h. die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung nicht ganz entfernt erscheint („herabgestufter Prognosemaßstab“). Ist der Asylbewerber hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen Anspruch auf Anerkennung nur, wenn ihm auf Grund asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht („gewöhnlicher Prognosemaßstab“). Dazu reicht es nicht aus, wenn eine Verfolgung nur im Bereich des Möglichen liegt; vielmehr müssen bei zusammenfassender Bewertung des zur Prüfung gestellten Sachverhalts die für eine landesweite politische Verfolgung bei Rückkehr sprechenden Umstände ein größeres Gewicht als die dagegen sprechenden Tatsachen besitzen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände die Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Dabei ist die Schwere des befürchteten Eingriffs in die Betrachtung einzubeziehen.
31Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 467, 992/86 -, BVerfGE 76, 143, 167, und vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/87 u. a. -, BVerfGE 80, 315, 333 ff.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 9 C 60.89 -, BVerwGE 87, 52 (53); Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1636 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 67 ff.
32Die asylbegründenden Tatsachen müssen zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Für den Nachweis des individuellen Schicksals in der Heimat, aus dem der Asylbewerber seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet, genügt wegen der häufig bestehenden sachtypischen Beweisschwierigkeiten in der Regel eine Glaubhaftmachung. Dazu reicht auch in tatsächlich zweifelhaften Fällen ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit aus, der Zweifeln schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Insoweit kommt naturgemäß dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers besondere Bedeutung zu. Der Asylbewerber ist gehalten, seine Gründe für das Vorliegen einer politischen Verfolgung schlüssig mit genauen Einzelheiten vorzutragen. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine substantiierte, im Wesentlichen widerspruchsfreie und nicht wechselnde Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch zu tragen.
33Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. März 1983, - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 § 28 AuslG, Nr. 44, vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, InfAuslR 1985, 244 (245 f.), und vom 12. November 1985 - 9 C 27.85 -, InfAuslR 1986, 79, sowie Beschlüsse vom 21. Juli 1989 - 9 B 239.89 -, NVwZ 1990, 171, und vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, NVwZ-RR 1990, 379 (380).
34Gemessen an diesen Vorgaben ist im vorliegenden Fall eine politische Verfolgung der Kläger im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG festzustellen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter aufgrund einer Verfolgung wegen seiner Religionszugehörigkeit bzw. Rasse zu. Der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe (vgl. zu diesem Begriff auch § 3b Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG). Das Gericht ist aufgrund des gesamten Akteninhalts und seines Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt dass der Kläger Afghanistan im März 2010 als individuell vorverfolgte Person verlassen hat. Ihm kommt daher der herabgestufte Prognosemaßstab zugute, die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung erscheint aufgrund der Vorverfolgung nicht ganz entfernt.
35Namentlich geht das Gericht davon aus, dass Angehörige der Taliban ihn wegen seiner hinduistischen Religionszugehörigkeit und Ethnie entführt haben, um von seinen Vater Geld zu erpressen sowie den Kläger zu einem Moslem zu machen. Ihnen war bekannt, dass der Kläger und sein Vater Hindus waren und dass sein Vater Besitzer eines Textilgeschäfts war. Da der bei seiner Entführung darüber hinaus mit Gewehrkolben geschlagen und getreten wurde, hatten die Übergriffe auch eine asylerhebliche Intensität.
36Die Angaben zu diesem den Fluchtentschluss auslösenden Geschehen decken sich mit den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen zur Situation der Hindus in Afghanistan. Insofern wird übereinstimmend von entsprechenden Übergriffen auf das Eigentum von Hindus – wie anderen Minderheiten – berichtet.
37Vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Afghanischen Republik Afghanistan (im Folgenden AA, Lagebericht), Stand Februar 2008, Ziff. II. 1.4.1., S. 15, sowie Stand Januar 2009, Ziff. II. 1.4.2.; vgl. auch noch Stand Februar 2014, S. 11, sowie BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, S. 13 m.w.N.
38Die erlittenen Maßnahmen knüpften auch zielgerichtet an der hinduistischen Religionszugehörigkeit und Ethnie des Klägers an. Die Handlungen waren objektiv darauf gerichtet, in dem Sinne, dass die Übergriffe gerade aufgrund der Zugehörigkeit zu der Minderheit der Hindus erfolgten. Jedenfalls führte gerade die Religionszugehörigkeit zu einer besonderen Schutzlosigkeit, die den Kläger als Opfer prädestiniert hat. Denn insofern geht das Gericht davon aus, dass dem Kläger gerade aufgrund seiner anerkennungsrelevanten Merkmale kein hinreichender Schutz vor diesen Handlungen zur Verfügung gestanden hat. Staatlichen Schutz zu suchen, war von vornherein aussichtslos. Das Gericht geht aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen davon aus, dass die Akteure, die Schutz vor Verfolgung bieten könnten, diesen der Gruppe der Hindus in Afghanistan zum Zeitpunkt der fluchtauslösenden Ereignisse nicht wirksam gewähren konnten.
39Vgl. dazu ausführlich Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013 – 5a K 3406/12.A –, nrwe.de-Dokument (rechtskräftig), auch zu einer im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblichen Gruppenverfolgung von Hindus in Afghanistan.
40Es ist deshalb verständlich, dass der Kläger nach diesen Vorfällen das Haus bis zu seiner Ausreise nicht mehr verlassen hat. Der Kläger hat sich angesichts seiner persönlichen Situation während dieser Zeit jedenfalls in einer latenten Gefährdungslage befunden, also in einer Lage schwebender Bedrohung, die jederzeit auch aus geringfügigem Anlass plötzlich in eine konkrete und auch relevante Verfolgung umschlagen konnte.
41Vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 - 9 C 56/88 –, Juris-Dokument.
42Im Hinblick auf den durch die erlittene Vorverfolgung herabgestuften Prognosemaßstab erscheint die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung nicht ganz entfernt. Es sprechen vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Auskunftslage keine stichhaltigen Gründe dagegen, dass der Kläger erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
43Zunächst ist der für die Gefahr einer erneuten Verfolgung erforderliche innere Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und im Falle einer Rückkehr zu befürchtender Verfolgung nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall anzunehmen. Die Ursache für die Übergriffe war und ist für die Vorverfolger wie die potentiellen Verfolger dieselbe, nämlich die Zugehörigkeit des Klägers zur Minderheit der Hindus. Es ist auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass der Kläger erneute an seine Ethnie bzw. Religionszugehörigkeit anknüpfende Verfolgung erleben muss. Der Kläger ist schon aufgrund seines Äußeren als Hindu leicht zu erkennen. Zwar mag sich die Lage der Hindus in vergangenen Jahren tendenziell etwas verbessert haben. So trauten sich Hindus und Sikhs im April 2010 erstmals seit vielen Jahren wieder, sich mit einer öffentlichen Feier zum über 300-jährigen Bestehen der Sikh-Kultur in Afghanistan bemerkbar zu machen. Die Feier in einem Stadtteil von Kabul verlief Medienberichten zufolge, die die Botschaft für belastbar hält, ungehindert und friedlich.
44Vgl. AA, Lagebericht, Stand Januar 2012, Ziff. II 1.4.2., S. 17; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, Ziff. 2.3.3, S. 13.
45Ein solcher Einzelfall reicht ebenso wenig zur Verneinung der Gefahr einer erneuten Verfolgung aus, wie die wohl mittlerweile erfolgte Zurverfügungstellung eines Ortes für Feuerbestattungen. Vielmehr werden weiterhin ein generelles Klima gesellschaftlicher wie kultureller Diskriminierung sowie tatsächliche Übergriffe gegenüber Hindus beschrieben.
46Vgl. AA, Lageberichte, Stand Januar 2012, Ziff. II 1.4.2., S. 17 und Stand März 2013 Ziff. II 1.4.2., S. 10; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, Ziff. 2.3.3, S. 14 unter Bezugnahme auf den International Religious Freedom Report 2010 des U.S.-Außenministeriums; SFH, Afghanistan – Update Die aktuelle Sicherheitslage – v. 3. September 2012 -, S. 18; IOM, Antwort an BAMF v. 20. September 2011, Ziff. IV, V.
47Angesichts der Einschüchterungen durch die muslimische Mehrheitsbevölkerung ist nach wie vor nicht erkennbar, dass es ihnen möglich wäre, ihre Religion – außerhalb ihrer Wohnbezirke – frei zu praktizieren. Insbesondere sind auch weiterhin keine strukturellen Verbesserungen zu erkennen. So wurden die durch die Taliban zerstörten Tempel immer noch nicht wieder aufgebaut.
48IOM, Antwort an BAMF v. 20. September 2011, Ziff. III, V; SFH, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 3. September 2012, S. 18.
49Auch die Angaben zur Frage des tatsächlichen effektiven Schutzes durch den afghanischen Staat divergieren weiterhin in erheblichem Maße,
50vgl. einerseits SFH, Afghanistan: Update, Die aktuelle Sicherheitslage v. 3. September 2012, S. 18: „Religiöse Minderheiten erhalten von der afghanischen Regierung keinen Schutz“ sowie BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011, Ziff. 2.3.2, S. 14 das unter Bezugnahme auf den International Religious Freedom Report 2010 des U.S.-Außenministeriums feststellt: „Übergriffe erfolgten nicht systematisch, jedoch würde die Regierung wenig unternehmen, um die Bedingungen zu verbessern.“ und andererseits IOM, Antwort an BAMF v. 20. September 2011, Ziff. VII: „Die Regierung ist grundsätzlich in der Lage und willens, Hindus im Falle von Übergriffen zu schützen.“,
51so dass die Tatsache, dass es nicht zu mehr Übergriffen kommt, immer noch im Wesentlichen auf die grundsätzlichen Vermeidungsstrategien der Betroffenen zurückzuführen ist.
52Dieser Einschätzung durch die Kammer entspricht, dass auf Grundlage der verfügbaren Erkenntnisquellen aktuell in der Rechtsprechung teilweise sogar weiterhin die Situation einer Gruppenverfolgung angenommen wird.
53Vgl. VG Frankfurt, Urt. v. 11. Februar 2010 - 7 K 746/09.F.A. - und VG Kassel, Urt. v. 27. Juli 2010 - 3 K 103/09.KS.A - für 2010; VG Gießen, Urt. v. 13. April 2012 - 2 K 1864/11.Gl.A - für 2012; a.A. VG Trier, Urt. v. 2. Februar 2001 - 5 K 977/10.TR - für 2011, jeweils zit. nach juris.
54Diese Bedrohung durch die Taliban ist auch dem afghanischen Staat zuzurechnen, da dieser Staat nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen selbst in Kabul, wo der afghanische Staat Gebietsgewalt hat, nicht in der Lage ist, seine Bevölkerung vor Angehörigen dieser landesweit tätigen Organisation zu schützen (mittelbare staatliche Verfolgung, vgl. oben).
55Eine Anerkennung als Flüchtling ist schließlich auch nicht etwa aufgrund einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgeschlossen. Dies setzt voraus, dass in einem Teil des Herkunftslandes für den Betroffenen keine begründete Furcht vor Verfolgung und auch sonst keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, sodass vernünftiger Weise die Rückkehr in diesen Landesteil erwartet werden kann.
56Vgl. BVerwG, Beschl. v. 21. Mai 2003 -1 B 298.02 -, Urt. v. 1. Februar 2007 - 1 C 24.06 - und v. 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 -, jeweils zit. nach juris.
57Da sich die vorliegenden Erkenntnisse sowieso im Wesentlichen auf Kabul und damit auf den in Fällen wie hier einzig denkbaren Ort einer inländischen Fluchtalternative beziehen und – wie hier – von einer Verfolgung auszugehen ist, kann vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass der Kläger nach Kabul zurückkehrt. Eine Rückkehr in einen anderen Landesteil ist von vornherein nicht als zumutbare Alternative anzusehen.
582. Der Kläger hat weiterhin einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG.
59Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG genießt ein Ausländer den Schutz als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (dazu im Einzelnen § 3b AsylVfG) außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Ausnahmsweise ausgeschlossen ist dieser Flüchtlingsschutz in den Fällen des § 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG und des § 60 Abs. 8 des Aufenthaltsgesetzes ‑ AufenthG ‑.
60Als Verfolgung gelten gemäß § 3a AsylVfG Handlungen, die auf Grund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen bzw. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist, § 3a Abs. 1 AsylVfG. Die grundlegenden Menschenrechte in diesem Sinne sind insbesondere die Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (Folter, Sklaverei und Leibeigenschaft, keine Strafe ohne Gesetz). Als Verfolgung können unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt gelten, aber auch gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, ebenso unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, ebenso die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, ebenso Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die den Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 2 AsylVfG ausschließen, sowie Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
61Ausgehen kann die Verfolgung gemäß § 3b AsylVfG von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, einschließlich internationaler Organisationen, erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
62Schutz vor Verfolgung muss nach § 3d Abs. 2 AsylVfG wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn der Staat oder die Parteien bzw. Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Interner Schutz schließt dabei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, und zwar dann, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung im vorbeschriebenen Sinne hat und der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3e Abs. 1 AsylVfG. Ob ein solch interner Schutz besteht, ist unter Heranziehung der Vorgaben des § 3e Abs. 2 AsylVfG zu prüfen.
63Schließlich muss zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen, § 3a Abs. 3 AsylVfG.
64Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 337, S. 9-26) - sog. Qualifikationsrichtlinie - RL 2011/95/EG privilegiert dabei den von ihm erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab.
65Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 7. September 2010 - 10 C 11.09 -, vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, und vom 1. Juni 2011 - 10 C 10.10 u. 10 C 25.10 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -; OVG Saarland, Urteil vom 16. September 2011 - 3 A 352/09 -; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 4 LB 5/11 -.
66Im Übrigen folgt aus den in Art. 4 RL 2011/95/EG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu muss er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine Verfolgung droht.
67Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 RL 2004/83/EU: OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -.
68Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ansonsten weitgehend deckungsgleich mit dem des Asylgrundrechts, bei dessen Auslegung sich das Bundesverfassungsgericht schon bisher an der Genfer Flüchtlingskonvention orientiert hat. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geht allerdings über Art. 16a Abs. 1 GG u. a. insofern hinaus, als es auch dann eingreift, wenn Asyl etwa nach § 26a Abs. 1 Satz 1 oder § 27 AsylVfG ausgeschlossen ist.
69Dies zugrunde gelegt sind deshalb aus den Gründen zu 1. auch die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Fall des Klägers erfüllt.
703. Nach alledem war daher der Klage mit dem Hauptantrag stattzugeben. Auf die Hilfsanträge kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an.
71Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
72Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistungoder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Der nach eigenen Angaben am 00.00.0000 in Kabul geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger hinduistischen Glaubens. Er reiste im September oder Oktober 2011 noch als Minderjähriger ohne Begleitung in die Bundesrepublik Deutschland ein und hielt sich zunächst bei seinem Cousin auf. Der Cousin wurde am 24. November 2011 als Vormund des Klägers bestellt. Am 9. Dezember 2011 stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers einen Asylantrag. Zur Begründung erklärte der Prozessbevollmächtigte u.a., dass der Kläger wegen der Verfolgung der hinduistischen Minderheit in Afghanistan das Land verlassen habe. Die Familie sei regelmäßig durch Moslems bedroht worden und unter Druck gesetzt worden, zum Islam zu konvertieren.
3Bei seiner persönlichen Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 14. Oktober 2010 gab der Kläger im Wesentlichen an, bei dem Versuch das Land zu verlassen, sei er 2004 von seinen Eltern und Geschwistern getrennt worden. Diese seien nach Pakistan ausgereist. Er habe daher seit 2004 bei seinem Onkel in Kabul gelebt. Er habe in Afghanistan keine Schule besucht, sondern Privatunterricht erhalten. Man habe seinen Onkel unter Druck gesetzt, zum islamischen Glauben zu konvertieren. Der Onkel sei dann angeschossen worden und sei den Verletzungen schließlich erlegen. Kurz darauf habe er das Land per Flugzeug verlassen.
4Mit Bescheid vom 04. Dezember 2012 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab (Ziffer 1) und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flücht-lingseigenschaft (Ziffer 2) noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG vorlägen (Ziffer 3 Satz 1). Zugleich stellte es fest, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliege (Ziffer 3 Satz 2), weil der Kläger bei einer Rückkehr nach Kabul als alleinstehender Minderjähriger ohne Schutz und Unterstützung der Familie in eine ausweglose Lage geraten würde; Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 4 und 5 AufenthG lägen im Übrigen nicht vor. Zur Begründung wird in dem Bescheid u.a. ausgeführt, es bestehe kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Die Zugehörigkeit des Antragstellers zur Glaubensgemeinschaft der Hindus führe nicht zu einer landesweiten Verfolgungsgefahr. Zwar seien nach den Erkenntnisquellen die wenigen in Afghanistan lebenden Hindus und Sikhs von einer allgemeinen gesellschaftlichen Diskriminierung durch die Mehrheitsbevölkerung betroffen, von gezielter Verfolgung durch den Staat oder Dritte könne aber nicht ausgegangen werden. Zwar seien Hindus wie andere Minderheiten häufig Opfer illegaler Landnahme und wagten lediglich in Kabul und Jalalabad ihren Glauben offen zu praktizieren. Andererseits sei aber im April 2010 erstmals seit vielen Jahren wieder eine öffentliche Feier durch die Hindu- und Sikh-Gemeinden erfolgt und ungehindert und friedlich verlaufen. Insgesamt habe sich die Situation der Hindus und Sikhs seit dem Sturz der Taliban verbessert. Den vorhandenen Auskünften lasse sich keine gezielte und systematische gegen die Religionsgemeinschaften der Hindus und Sikhs gerichtete Verfolgungspraxis entnehmen. Es handele sich vielmehr um Repressionen gegen einzelne Mitglieder der Minderheiten. Die Angaben des Antragstellers seien zudem zu vage und unsubstantiiert gewesen, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass es die Aufforderung zur Konversion zum Islam tatsächlich gegeben habe. Trotz seines jugendlichen Alters habe man von dem Antragsteller erwarten können, dass er konkreter und detaillierter vorträgt. Der Vortrag erwecke nicht den Eindruck als habe der Antragsteller das Geschilderte selbst erlebt.
5Der Kläger hat am 21. Dezember 2012 Klage erhoben.
6Mit der Klage verfolgt er sein Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft weiter. Zur Begründung trägt er vor, entgegen der Feststellungen der Beklagten sei von einer Gruppenverfolgung der Hindus wegen ihrer Religionszugehörigkeit auszugehen. Zum Beleg bezieht er sich auf die Urteile des VG Gelsenkirchen (vom 21. Februar 2013 – 5a K 3406/12.A –), des VG Stuttgart (vom 29. Januar 2013 – A 6 K 4443/12) und des VG Gießen (vom 13. April 2012 – 2 K 1864/11.Gl.A–). Die gegenteilige Ansicht des OVG NRW (Urteil vom 19. Juni 2008 – 20 A 4676/06.A –) sei auf Grund der Entscheidung des EuGH (vom 5. September 2012 – C-71/11 –, – C-99/11–) nicht mehr tragbar. Hinsichtlich der Minderheitengruppen hätten sich die ethnischen Spannungen in Afghanistan zuletzt noch verschärft, vor allem weil sich die Zahl der in Afghanistan lebenden Hindus weiter reduziert hätte. Der Kläger sei zudem aber auch individuell vorverfolgt ausgereist. Nach der Flucht der Eltern nach Pakistan habe er mit seiner Tante und seinem Onkel im Elternhaus weitergelebt. Wenige Wochen nach dem Fluchtversuch hätten die Taliban massive Bedrohungen gegen die verbliebene Familie ausgesprochen. Sie hätten den Onkel zum Konvertieren bewegen wollen. Der Onkel habe aus Sorge vor Entführungen den Kläger immer in den Keller geschickt, wenn es an der Tür geklopft habe. Der Kläger habe dann immer in ein Loch mit einem Holzdeckel klettern müssen. Er habe dort so lange sitzen müssen, bis die Taliban wieder verschwunden seien. 2007 oder 2008 sei dann seine Tante gestorben. Im Jahr 2011 habe der Onkel einen Schlepper ausfindig gemacht und diesen auch bezahlt. Bevor sie aber zur Flucht hätten aufbrechen können, hätten die Taliban den Onkel erneut aufgesucht. Der Kläger sei wieder im Keller versteckt worden. Der Onkel habe bei diesem Besuch eine Schussverletzung am Arm davongetragen. Der Onkel, der auch zuckerkrank gewesen sei, sei schließlich in der ersten Jahreshälfte 2011 gestorben. Der Kläger habe den Onkel mit Hilfe der Nachbarn nach den Ritualen der Hindus bestattet. Er sei dann allein in dem Haus zurückgeblieben. Er habe nicht mehr alleine auf die Straße gehen können, um einzukaufen, und sei daher von Nachbarn versorgt worden. Nach dem Tod des Onkels seien die Taliban erneut erschienen und hätten ihm gedroht, dass er seinen Glauben ändern müsse und sie wiederkämen. Nach einigen Wochen seien sie erneut erschienen. Sie hätten versucht, ihn zu schlagen und hätten ihm gedroht, ihn beim nächsten Mal mitzunehmen. Dann sei glücklicherweise eines Tages der Schlepper erschienen, habe ihn mitgenommen und die Flucht nach Deutschland veranlasst.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 4. Dezember 2012 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft des § 3 AsylVfG zuzuerkennen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie nimmt zur Begründung Bezug auf die Gründe des angefochtenen Bescheides.
12Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2014 informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.
13Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe
15Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Klage verhandeln und entscheiden, weil in der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
16Die lediglich auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gemäß § 3 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG)
17Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Demnach muss zunächst eine Verfolgungshandlung gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 AsylVfG durch einen Verfolgungsakteur (§ 3c AsylVfG) vorliegen, die eine Verfolgungsprognose zulässt. Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung solche Handlungen, welche aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Insbesondere sind dabei Verletzungen der absoluten Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, zu berücksichtigen.
18Vgl. EuGH, Urteile vom 7. November 2013 – Rs. C – 199/12 bis 201/12 – X, Y und Z-, Rn. 51, und vom 5. September 2012 – Rs. C - 71/11 und C – 99/11 -Y und Z-, Rn. 53, juris.
19Nach Ziffer 2 kann auch eine Kumulation unterschiedlicher Maßnahmen die Qualität einer Verletzungshandlung haben, wenn der Ausländer davon in ähnlicher Weise betroffen ist wie im Falle einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Ziffer 1. Die nach Ziffer 2 zu berücksichtigende Maßnahmen können Menschenrechtsverletzungen sein, aber auch sonstige Diskriminierungen. Die einzelnen Eingriffshandlungen müssen dabei für sich allein nicht die Qualität einer Menschenrechtsverletzungen aufweisen, in ihrer Gesamtheit aber eine Betroffenheit des Einzelnen bewirken, die der Eingriffsintensität einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen nach Ziffer 1 entspricht.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23/12 –, juris Rn 36.
21Die Verfolgungshandlung muss weiter mit einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylVfG verknüpft sein, § 3a Abs. 3 AsylVfG, und es muss an einem effektiven Schutz im Herkunftsland fehlen (§§ 3d, e AsylVfG). Bzgl. der Verfolgungsgründe ist zu beachten, dass gemäß § 28 Abs. 1a AsylVfG auch Nachfluchtgründe insoweit zu berücksichtigen sind. Abschließend dürfen keine Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG vorliegen.
22Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 3a AsylVfG vorliegt, ist Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifizierungsrichtlinie in der Neufassung vom 13. Dezember 2011 Richtlinie 2011/95/EU -QRL-) ergänzend anzuwenden. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 QRL, der sich mit der Voraussetzung, dass der Antragsteller „tatsächlich Gefahr läuft“, an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zur tatsächlichen Gefahr („real risk“) orientiert,
23vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 Nr. 37201/06 - Saadi - NVwZ 2008, 1330, juris.
24und somit der Sache nach den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit übernimmt.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O., Rn. 19, 32.
26Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O., Rn. 36.
28Zur Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten normiert Art. 4 Abs. 4 QRL eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftendenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 –10 C 5/09 –, juris, Rn. 20 ff. m.w.N.
30Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 – 10 C 24/08 –, juris, Rn. 14.
32Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist daran festzuhalten, dass er dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern hat, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden,
33Vgl. zu Art. 16a GG: BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1989 – 9 B 239/89 –, InfAuslR 1989, 349, vom 26. Oktober 1989 – 9 B 405.89 –, InfAuslR 1990, 38 (39), und vom 3. August 1990 – 9 B 45.90 –, InfAuslR 1990, 344.
34Dies zugrunde gelegt konnte das Gericht auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen, dass der Kläger vor der Ausreise Verfolgungsmaßnahmen i.S.v. § 3 AsylVfG erlitten hat, oder von solchen Verfolgungsmaßnahmen unmittelbar bedroht war. Das Gericht hält das Vorbringen, er sei vor der Ausreise aus Afghanistan konkret durch die Taliban bedroht worden, für nicht glaubhaft. Hinsichtlich seiner Angaben, die Taliban hätten den Onkel und später ihn selbst unter Druck gesetzt, Moslems zu werden, fehlt es an einem detaillierten Vortrag, der den Schluss zulassen würde, dass er das Vorgetragene selbst erlebt hat. Der Vortrag zeichnete sich auch in der mündlichen Verhandlung durch stereotype Aussagen aus. Der Kläger konnte nicht schildern, was konkret bei den Besuchen durch die Taliban im Haus abgelaufen sein soll bzw. was diese konkret verlangt haben. Soweit er vorträgt, er sei zu diesen Anlässen immer im Keller versteckt worden und der Onkel habe ihm im Nachgang von den Besuchen erzählt, ist es dann nicht einleuchtend, dass sein Onkel nicht detaillierter über den Ablauf der Besuche und die Forderungen der Taliban berichtet hat. Zwar war der Kläger in den ersten Jahren nach der Trennung von seinen Eltern noch sehr jung. Allerdings hat ihm sein Onkel angeblich auch erzählt, wer und warum sie aufgesucht wurden und dass die Taliban den Kläger im Haus vermuteten und suchten. Die Aussage die Taliban hätten gewollt, dass sie ihre Religion wechselten ist in diesem Zusammenhang zu detailarm. Insoweit als der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, man habe die Vertreter der Taliban, wenn sie an der Tür geklopft hätten, durch das Fenster sehen können und der Onkel habe ihn dann jedes Mal umgehend in einem Loch im Keller versteckt, ist damit auch kein nachvollziehbarer Geschehensablauf geschildert worden. Angeblich soll der Onkel über das Loch im Keller jedes Mal eine Holzplatte und dann noch einen Teppich gelegt haben. Dieses Vorgehen wäre mit einer gewissen zeitlichen Dauer verbunden gewesen. Dass die Taliban während dieses Vorgangs ungerührt vor der Tür gewartet haben sollen, ist schlechterdings nicht vorstellbar. Zudem ist nicht nachvollziehbar, dass die Taliban jahrelang – nach dem Vortrag des Klägers bereits vor 2007 und bis zur Ausreise 2011 – monatlich bzw. mehrmals im Monat gekommen seien sollen, bis auf Diskussionen oder Streitereien mit dem Onkel aber nicht mehr passiert sein soll. Der Kläger hat erstmalig, erst auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung und daher nicht überzeugend angegeben, die Taliban hätten erklärt, es könne sein, dass sie getötet würden, wenn sie den Glauben nicht wechselten oder das Land verließen. Der Kläger hat auch nicht vortragen können, wie es plötzlich im Jahr 2011 zu der Schussverletzung des Onkels kam und welchen konkreten Hintergrund diese hatte. Da zu diesem Zeitpunkt der Fluchtgedanke schon gefasst und auch bereits ein Schlepper engagiert worden sein soll, hätten sich die Taliban doch - den Vortrag des Klägers als wahr unterstellt - damit zufrieden gegeben, dass der Kläger und sein Onkel ohnehin vorhatten, das Land zu verlassen. Auch nach den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ist schließlich nicht klar, ob der Onkel an der Schussverletzung oder vielmehr an der lange Jahre bestehenden Zuckerkrankheit gestorben ist. Wenn der Kläger dann weiter vorträgt, nach dem Tod des Onkels hätten die Taliban ihn persönlich aufgesucht und unter Druck gesetzt, ist auch dies nicht überzeugend. Woher die Taliban überhaupt wissen konnten, dass der Kläger existiert, wenn er nach eigenem Vortrag bei den Besuchen vorher immer versteckt und daher trotz Suche der Taliban nicht gefunden worden sein soll, ist nicht erkennbar. Es ist auch nicht realistisch, dass der Kläger, der damals gerade einmal 16 Jahre alt war, gegen mehrere Männer, die ihn angeblich schlagen wollten, erfolgreich Widerstand leisten und diese zum Verlassen des Hauses bewegen konnte. Der Umstand, dass die Taliban ohne Weiteres aufgegeben haben und lediglich die Drohung ausgesprochen haben sollen, wiederzukommen, ist ebenfalls wenig überzeugend. Auch die beschriebene Angst, das Haus zu verlassen, weil die Taliban ihn hätten mitnehmen und töten wollen, ist nicht überzeugend. Zwar mag es sein, dass der Kläger, der damals noch sehr jung war, große Angst hatte. Dass diese sich aber alleine auf die Taliban bezog und darauf gerichtet war, dass man ihn als Hindu zum Konvertieren zwingen, mitnehmen und töten würde, ist nicht anzunehmen. Immerhin sollen die Taliban doch ohnehin gewusst haben, wo der Kläger lebte, so dass sie ihn auch von dort aus, wesentlich einfacher als auf offener Straße, hätten verschleppen können. Schließlich waren weder die angebliche Schussverletzung noch das spätere Aufsuchen des Klägers durch die Taliban bestimmend für seine nach eigenen Angaben erst im Mai 2011 erfolgte Ausreise aus Afghanistan. Die Entscheidung, dass er sein Heimatland verlassen soll, soll nach den Angaben des Klägers allein von seinem Onkel unmittelbar nach dem Tod der Tante und damit lange vor der Schussverletzung für ihn getroffen worden sein. Es ist des Weiteren nicht erklärlich, warum der Kläger das Erscheinen der Taliban und deren Forderung nicht bereits bei seiner Anhörung beim Bundesamt vorgetragen hat. Damals hat er sich mit der allgemeinen Aussage begnügt, auf den Onkel und ihn sei Druck ausgeübt worden, damit sie zum Islam konvertierten. Wenn hierzu im Klageverfahren unter Beweisantritt erklärt wird, der Kläger sei zum Zeitpunkt der Anhörung erheblich psychisch belastet gewesen, kann dies die stereotype und oberflächliche Darstellung nicht erklären. Der Kläger war nämlich durchaus in der Lage vom Tod seines Onkels und der Trennung von seinen Eltern zu berichten. Jedenfalls hat auch der Prozessbevollmächtigte bei der Antragstellung sehr oberflächlich und allgemein gehaltenen lediglich vorgetragen, der Kläger habe wegen der Verfolgung als Teil der hinduistische Minderheit das Land verlassen und die Familie sei regelmäßig durch Moslems (sic!) bedroht worden. Da auch im Übrigen Angaben zu den persönlichen Umständen gemacht wurden, ist es bemerkenswert, dass die angeblich regelmäßigen Besuche durch die Taliban und das Versteckt werden im Keller keinen Niederschlag in der Antragsbegründung gefunden haben.
35Unabhängig von dem angeblichen individuellen Schicksal des Klägers, ist nach Ansicht des Gerichts der Flüchtlingsstatus auch nicht deshalb zu gewähren, weil Hindus im hier in Rede stehenden Zeitraum 2011 aufgrund ihrer Religions- oder Volkszugehörigkeit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt gewesen wären. Es ist nicht anzunehmen, dass die Hindus an ihrer Religionsausübung derart gehindert (worden) sind, dass dies einen erheblichen Eingriff in die Religionsfreit bedeuten würde. Zudem konnte auch nicht festgestellt werden, dass eine öffentliche Religionsausübung oder bestimmte Formen hiervon für den Kläger zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig waren und er diese bei seiner Rückkehr nach Afghanistan auszuüben beabsichtigt. Schließlich ergibt sich eine Gruppenverfolgung auch nicht aus der Kumulation von Einschränkungen und Eingriffen in den übrigen Lebensbereichen.
36Die Annahme des Flüchtlingsstatus i.S.d. § 3 AsylVfG setzt voraus, dass dem Betroffenen in eigener Person eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht. Diese Gefahr eigener Verfolgung des Schutzsuchenden kann sich auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines relevanten Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gruppenverfolgung).
37Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1991 – 2 BvR 902/85 u.a. –; BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1989 – 9 C 33/87 –; OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009 – 3 A 627/07.A –, jeweils zitiert nach juris.
38Die für die unmittelbare und mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar. In beiden Fällen setzt die Annahme einer Gruppenverfolgung, wenn nicht Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm bestehen, eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus. Für deren Feststellung ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Güter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und -gebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen oder um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 – 9 C 158/94 –; Urteil vom 18. Juli 2006 – 1 C 15/05 –; OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009 – 3 A 627/07.A –, Urteil vom 22. November 2010 – 9 3287/07.A –; jeweils juris.
40Für die Beurteilung, ob die Verfolgungsdichte die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertigt, müssen Intensität und Anzahl aller Verfolgungshandlungen zur Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden. Allein die Feststellung „zahlreicher“ oder „häufiger“ Eingriffe reicht nicht aus. Denn eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten möglicherweise bereits als bedrohlich erweist, kann bei einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen, weil sie in Bezug auf die Zahl der Gruppenmitglieder nicht ins Gewicht fällt und sich deshalb nicht als Bedrohung der Gruppe darstellt.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 29. April 2009, a.a.O., Urteil vom 22. November 2010 – 9 3287/07.A –, juris.
42Dabei ist dieser abstrakte Maßstab für die erforderliche Verfolgungsdichte auch bei kleinen Gruppen einschlägig; im Einzelfall kann aber eine weitere Quantifizierung der Verfolgungsschläge entbehrlich sein.
43Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 2002 – 1 B 42/02 –; SächsOVG, Urteil vom 26. August 2008 – A 1 B 499/07 –; juris.
44Nach den dargelegten Maßstäben ist die Kammer nach Auswertung der ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen der Ansicht, dass Hindus - jedenfalls zur Zeit der Ausreise des Klägers im Jahr 2011 - keiner sie als Gruppe treffenden nichtstaatlichen Verfolgung ausgesetzt waren.
45So auch für 2006/2007: VG Sigmaringen, Urteil vom 16. März 2006 – A 2 K 10962/05 –; VG Ansbach, Urteil vom 26. November 2007 – AN 11 K 07.30632 – (kein hinreichender Organisationsgrad der Verfolger); für 2008: OVG NRW, Urteil vom 16. Juni 2008 – 20 A 4676/06.A –; VG Hamburg, Urteil vom 10. September 2008 – 5 A 466/06 –; für 2010 VGH Baden Württemberg, Urteil vom 19. September 2013 – A 11 S 689/13 –; für 2011: VG Trier, Urteil vom 2. Februar 2011 - 5 K 977/10.TR -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24. Juli 2014 - 5a K 5809/12.A -; offen gelassen für 2009: VG Köln Urteil vom 19. Februar 2013 - 14 K 2908/11.A -;
46a.A. für das Jahr 2006/2007: VG Wiesbaden, Urteil vom 17. Februar 2006 – 7 E 559/05.A(1) –; VG Minden, Urteil vom 8. Juni 2006 – 9 K 1891/06.A –; VG München, Urteil vom 30. Januar 2007 – M 23 K 06.50875 –(mangels Zentralgewalt); VG Leipzig, Urteil vom 21. März 2007 – 1 A 30746/03.A –; für 2008: SächsOVG Urteil vom 26. August 2008 – A 1 B 499/07 –; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013 – 5a K 3406/12.A –, juris; für 2009: HessVGH, Urteil vom 2. April 2009 – 8 A 1132/07.A –; VG Bremen, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 2 K 2140/05.A –; VG Cottbus, Urteil vom 18. August 2009 – 7 K 268/09.A –; für 2010: VG Stuttgart, Urteil vom 29. Januar 2013 – A 6 K 4443/12 –, (aufgehoben durch VGH Baden Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.); jeweils zitiert nach juris.
47Wie auch der VGH Baden Württemberg,
48vgl. Urteil vom 19. September 2013 – A 11 S 689/13 –, juris,
49geht das Gericht zunächst davon aus, dass eine religiöse Betätigung des hinduistischen Glaubens in Kabul erfolgen kann, ohne dass daran Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3a AsylVfG geknüpft sind.
50Der Begriff der Religion als Verfolgungsgrund gem. § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG umfasst theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten und öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Hierdurch wird auch und insbesondere die Religionsausübung in der Öffentlichkeit geschützt, so dass es den Betroffenen unter Geltung des § 3b AsylVfG nicht mehr zuzumuten ist, öffentlich praktizierten Riten der Glaubensgemeinschaft - etwa Gottesdiensten oder Prozessionen - fernzubleiben, um (staatliche) Sanktionen zu vermeiden.
51Vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012 – verb. Rs. C-71/11 und C-99/11 –; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 201, a.a.O.
52Dabei stellt aber nicht jede Beeinträchtigung der so verstandenen Ausübung der Religionsfreiheit zugleich eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylVfgG dar. Es muss sich um eine schwerwiegende Rechtsverletzung handeln, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt.
53Vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012, a.a.O.
54Zu den Handlungen, die nach der Rechtsprechung des EuGH eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit im Sinne § 3a AsylVfG darstellen können, gehören nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit des Antragstellers, seinen Glauben im privaten Rahmen zu praktizieren, sondern auch solche in seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben. Die Beachtlichkeit einer Verletzungshandlung ist demnach nicht danach zu beurteilen, ob diese in einen Kernbereich der privaten Glaubensbetätigung („forum internum“) oder in einen weiteren Bereich der öffentlichen Glaubensausübung („forum externum“) eingreift.
55Vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O.
56Ein hinreichend schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit setzt schließlich nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr der Verfolgung aussetzt. Vielmehr kann bereits der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung erreichen.
57Vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O.
58Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im § 3a AsylVfG zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab. Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter wie z.B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Als relevanten subjektiven Gesichtspunkt für die Schwere der drohenden Verletzung der Religionsfreiheit ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis in der Öffentlichkeit zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist.
59Vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013, a.a.O.
60Die konkrete Glaubenspraxis muss für den Einzelnen ein zentrales Element seiner religiösen Identität und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sein. Es reicht nicht aus, dass der Asylbewerber eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen - jedenfalls im Aufnahmemitgliedstaat - nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde. Maßgeblich für die Schwere der Verletzung der religiösen Identität ist die Intensität des Drucks auf die Willensentscheidung des Betroffenen, seinen Glauben in einer für ihn als verpflichtend empfundenen Weise auszuüben oder hierauf wegen der drohenden Sanktionen zu verzichten.
61Dies vorangestellt ist davon auszugehen, dass der hinduistische Glaube in Kabul - auch öffentlich - gelebt werden kann, ohne dass die Betroffenen eine erheblich relevante Verfolgung befürchten müssen.
62Aufgrund der übereinstimmenden Erkenntnislage und mit der soweit ersichtlich einhelligen Meinung in der Rechtsprechung kann bereits nicht von einer religiös motivierten Verfolgung durch den afghanischen Staat ausgegangen werden.
63Vgl. u.a. explizit HessVGH, Urteil vom 2. April 2009 – 8 A 1132/07.A –, juris; VGH Baden Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013, a.a.O.
64Hindus sind bei ihrer Religionsausübung auch nicht einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure i.S.d. § 3c AsylVfG ausgesetzt. Sie sind insbesondere nicht gezwungen, zur Vermeidung schwerwiegender Eingriffe in die körperliche Integrität in der Öffentlichkeit ein Verhalten zu unterlassen, das als Glaubenszugehörigkeit bzw. -ausübung erkennbar ist. Soweit Beeinträchtigungen durch nichtstaatliche Akteure vorliegen, haben diese nicht die nach § 3a AsylVfG erforderliche Schwere.
65Der hinduistische Glaube ist durch eine vergleichsweise hohe Dynamik geprägt und lässt vielfache unterschiedliche Glaubensbetätigung zu. Zwar sprechen Religionswissenschaftler durchaus von einem monotheistischen Kern des Hinduismus; der „Allerhöchste“, der „Absolute“ manifestiert sich jedoch in zahllosen Gestalten und Aspekten. Von außen betrachtet zeichnet sich der Hinduismus durch eine nahezu unüberblickbare Vielfalt von Göttern und Göttinnen in Menschen- und Tiergestalt aus.
66Vgl. Danesch, Gutachten vom 09. Mai 2007 an VG Oldenburg, S. 2.
67Eine besondere Rolle in der religiösen Praxis spielt die Reinlichkeit in Gestalt verschiedener Waschungen. Wichtig für den religiösen Tagesablauf ist auch die morgendliche Segnung durch den Priester im Tempel mit Anbringung des Segenszeichens. Der Segnungspunkt wird mit roter Pulverfarbe zwischen die Augen getupft. Man bekommt dieses Zeichen nach einer hinduistischen Zeremonie oder zu anderen besonders feierlichen Anlässen; sie sollen Glück und Wohlstand bringen und vor Unglück bewahren und den ganzen Tag getragen werden.
68Vgl. Danesch, Gutachten vom 09. Mai 2007, a.a.O., S. 9.
69Eine besonders wichtige Rolle bei der Wahrung der kulturellen Identität spielen die religiösen Feste. Mehr als tausend verschiedene sind bekannt.
70Vgl. Danesch, Gutachten vom 09. Mai 2007, a.a.O., S. 7.
71Kern der hinduistischen Religion ist zudem die Lehre von der Wiedergeburt, durch welche die Seele oder der Wesenskern des Menschen nach dem Tod in einer immer neuen Existenz reinkarniert wird, bis der Gläubige irgendwann nach einer Kette von unendlich vielen Leben an sein Ziel gelangt, und Erlösung aus diesem Zyklus findet. Wie die nächste Existenz des Gläubigen aussehen wird, hängt von seinem Karma (Schicksal, Handlungen, Tat in diesem Leben) und der Befolgung der Vorschriften des Dharma, des „Rechten Weges“, ab.
72Vgl. Danesch, Gutachten vom 09. Mai 2007, a.a.O., S. 3.
73Eine große Bedeutung für die Glaubensausübung hat die Totenverbrennung. Die korrekte Durchführung sowohl der Verbrennung als auch der anderen Trauerrituale ist dabei wichtig für die weiteren Wiedergeburten des Verstorbenen; Angehörige laden schwere Schuld auf sich, wenn sie die vorgegebenen Regeln verletzen oder nicht vollständig ausführen.
74Vgl. Danesch, Gutachten vom 09. Mai 2007, a.a.O., S. 4.
75Die danach essentiellen Glaubens- und Religionsbetätigungen können Hindus und Sikhs nach den vorhandenen Erkenntnisquellen innerhalb der Tempel und ihrer Wohnbezirke frei ausüben.
76Vgl. International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt, Ziff. V.
77Dabei ist zwar davon auszugehen, dass die von den Taliban zerstörten Tempel nicht wieder aufgebaut worden sind. Dennoch sind Tempel vorhanden, die auch aktiv genutzt werden. Die Zahl der Tempel variiert je nach Erkenntnismittel.
78Vgl. Bundesamt, Situation der Hindus und Sikhs, a.a.O., S. 14; International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt, Ziff. II.
79Die International Organization for Migration (IOM) bestätigt in ihrer Auskunft vom 20. September 2011 gegenüber dem Bundesamt aber, dass es jedenfalls in Kabul zwei „aktive“ Tempel gibt. Bei der Auskunft handelt es sich um eine Antwort auf einen Fragenkatalog des BAMF, der von der IOM zusammen mit Vertretern der hinduistischen Gemeinde vor Ort beantwortet und 2011 überarbeitet wurde.
80Vgl. International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt.
81Nach Aussage der afghanischen Menschenrechtsorganisation AIHRC praktizieren Hindus und Sikhs zumindest in Kabul ihren Glauben auch öffentlich. Im April 2010 hätten sich Hindu- und Sikh-Gemeinden erstmals seit vielen Jahren mit einer öffentlichen Feier zum über 300-jährigen Bestehen der Sikh-Kultur in Afghanistan wieder bemerkbar gemacht. Die Feier in einem Stadtteil von Kabul sei ungehindert und friedlich verlaufen.
82Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13 f.;
83Seit 2006 sind auch keine Fälle religiöser Verfolgung oder Diskrminierung bekannt geworden.
84Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13 f.
85Hinsichtlich der Durchführung von Bestattungsriten teilte das Auswärtige Amt mit, dass es Hindus grundsätzlich gestattet sei, Verstorbene gemäß ihrer religiösen Riten zu bestatten. Dies erfolge in aller Regel ohne Zwischenfälle, da die Verbrennungen innerhalb der Wohn-Compounds stattfänden, in denen die Hindugemeinschaften lebten. Bisweilen kommen es zu Behinderungen oder Störungen von muslimischer Seite. Allerdings hat die afghanische Regierung auf den Streitpunkt Feuerbestattungen reagiert und den Hindus einen für die Feuerbestattungen gewidmeten Ort zur Verfügung gestellt.
86Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13 f.; International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt, Ziff. V.; Auswärtiges Amt, Lagebericht Februar 2014, S. 11; im Einzelnen und mit vielen weiteren Nachweisen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 52 ff., m.w.N.
87Dies deckt sich mit den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach der Kläger zusammen mit einigen Nachbarn den Leichnam seines Onkels rituell bestattet haben will. Danach haben die Nachbarn und er den Onkel auf einer Trage 20 Minuten zu dem Platz getragen, auf dem die Feuerbestattungen der Hindus regelmäßig stattfinden. Zwar haben sie sich nach Angabe des Klägers beeilt und die Bestattung am frühen Abend durchgeführt; allerdings konnte das Ritual nach Aussage des Klägers ohne Störungen oder Belästigungen von außen stattfinden. Bezeichnend ist auch, dass nach eigenem Bekunden Nachbarn des Klägers, die Moslems gewesen sein sollen, dem Kläger geholfen haben und im Gegensatz zum Kläger selbst den Ort für die Feuerbestattungen kannten.
88Des Weiteren ist, auch davon auszugehen, dass im Fall von Störungen oder Belästigungen der Feuerbestattungen staatliche Hilfe zu erlangen ist, die die Störungen schließlich beheben und die Betroffenen schützen können. Nach Auskunft der IOM ist die Regierung grundsätzlich in der Lage und Willens ist, Hindus im Fall von Übergriffen zu schützen.
89Vgl. International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt, Ziff. VII.; anderslautende Auskunft allgemein zu Minderheiten unter Bezugnahme auf den UNHCR SFH, Afghanistan: Update vom 30. September 2013, S. 19.
90Dies deckt sich mit den Ausführungen des VGH Baden-Württemberg an, wonach die Polizei Bestattungen begleite, wenn sie zur Hilfe gerufen werde, und auch hinreichenden Schutz vor Belästigungen und Angriffen bieten könne.
91Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O., Rn. 58, 59, m.w.N.
92Demgemäß muss auch dem Hilfsbeweisantrag des Klägers, zu der Tatsache, dass es im Falle einer öffentlichen Religionsausübung zu gewaltsamen Übergriffen kommen würde, der afghanische Staat weder Willens noch in der Lage ist, hiergegen effektiven Schutz einzuholen, eine Auskunft der schweizerischen Flüchtlingshilfe in Bern einzuholen (Ziff. 1.), nicht nachgegangen werden. Liegen nämlich zu einer erheblichen Tatsache bereits amtliche Auskünfte oder gutachtliche Stellungnahmen vor, kann das Gericht von einer erneuten Begutachtung absehen, wenn die bisherigen Erkenntnismittel für die Würdigung ausreichen.
93Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2013 – 10 B 34.12 –, juris.
94Die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens steht gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts. Danach kann das Gericht eine weitere Begutachtung anordnen, wenn es die vorliegenden Auskünfte oder Gutachten ohne Rechtsverstoß für ungenügend erachtet (§ 412 Abs. 1 ZPO). Ungenügend sind Auskünfte und Gutachten insbesondere dann, wenn sie erkennbare Mängel aufweisen, etwa unvollständig, widersprüchlich oder sonst nicht überzeugend sind, wenn das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder wenn der Gutachter erkennbar nicht sachkundig ist bzw. Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen. Das gerichtliche Ermessen kann sich auch dann zu der Pflicht neuerlicher Begutachtung verdichten, wenn durch neuen entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beteiligten oder eigene Ermittlungstätigkeit des Gerichts die Aktualität der vorliegenden Auskünfte zweifelhaft oder wenn sonst das bisherige Beweisergebnis ernsthaft erschüttert wird. Schließlich kann die Erforderlichkeit der Einholung weiterer Auskünfte oder Gutachten auch darauf beruhen, dass die Fragestellung der bisherigen Gutachten sich - aufgrund tatsächlicher Entwicklungen oder wegen einer Rechtsprechungsänderung - als unzureichend erweist.
95Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. März 2013, a.a.O.
96Daran gemessen konnte von einer erneuten Begutachtung abgesehen werden. Bei der Auskunft des IOM vom 20. September 2011 gegenüber dem Bundesamt handelt es sich um eine vergleichsweise aktuelle und erkennbar sachkundige Stellungnahme. Bei der IOM handelt es sich um eine nichtstaatliche, unabhängige Organisation. Die Stellungnahme aus September 2011 wurde zudem mit der lokalen Hindugemeinde vor Ort erarbeitet.
97Es liegen darüber hinaus keine Erkenntnisse dazu vor, dass Hindus in Afghanistan von staatlicher oder nichtstaatlicher Seite gezielt und in größerem Ausmaße hinsichtlich eines Religionswechsels unter Druck gesetzt werden. Soweit es vereinzelte Versuche nicht-staatlicher Akteure gegebenen haben mag,
98vgl. dazu z.B. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24. Juli 2014 – 5a K 5809/12.A –, juris.
99ergeben sich daraus keine Hinweise, dass es sich dabei um ein verbreitetes und systemisches Vorgehen gegen die Hindus handelt. Selbst wenn also eine Auskunft ergeben würde, dass es mitunter zum Versuch kommt, Hindus zum Religionswechsel zu bewegen, kann daraus kein nach den oben beschriebenen Maßstäben erforderlicher gravierender Eingriff in die Religionsfreiheit der Hindus als Gruppe ergeben. Schließlich ist den Erkenntnismitteln einheitlich zu entnehmen, dass Fälle, in denen es tatsächlich zu einer Zwangskonversion gekommen ist, nicht bekannt sind bzw. derartige Versuche nicht bestätigt werden können.
100Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 14.; International Organization for Migration – IOM –, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt, Ziff. XV.;
101Dem insoweit gestellten Hilfsbeweisantrag (Ziff. 2) musste daher im Hinblick auf die mangelende Erheblichkeit bzw. die aussagekräftigen und belastbaren, bereits vorhandenen Erkenntnismittel nicht nachgegangen werden.
102Abgesehen davon, dass bereits nicht festgestellt werden konnte, dass danach keine gravierenden Eingriffe in die Glaubensbetätigung anzunehmen sind, konnte auch nicht mit der hierfür erforderlichen Überzeugung festgestellt werden, dass eine öffentliche Religionsausübung oder bestimmte Formen hiervon für den Kläger zur Wahrung seiner religiösen Identität elementar und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sind. Der Kläger hat zwar in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er an den Wochenenden in den Tempel gehe; allerdings hat er ebenfalls erklärt, in den vielen Jahren, die er in Kabul gelebt hat, lediglich zweimal im Tempel gewesen zu sein. Der Kläger hat zudem angegeben, dass er im Tempel auch etwas zu essen bekomme, so dass der Gang in den Tempel zumindest auch der sozialen Beziehungen und der Verpflegung wegen erfolgt. Es fehlt in diesem Zusammenhang an einer substantiierten Darlegung, dass und in welcher Form der Kläger seinen Glauben in seinem Heimatland ausgeübt hat bzw. wie er ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan auszuüben beabsichtigt. Der Einlassung des Klägers ist schließlich nicht zu entnehmen, dass es Bestandteil seiner Glaubensüberzeugung wäre, religiöse Betätigungen öffentlich durchzuführen, die ihn einer tatsächlichen Verfolgungsgefahr aussetzen würden.
103Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 04. Februar 2013 – 13 A 1303/12.A – , und vom 04. März 2013 – 13 A 446/13.A –, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.
104Die im Rahmen der wertenden Gesamtbetrachtung einzubeziehenden Diskriminierungen und allgemeinen Benachteiligungen, die Hindus (und Sikhs) durch staatliche Stellen und von privater Seite erleiden, führen ebenfalls nicht dazu, dass eine Gruppenverfolgung anzunehmen wäre.
105Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.; a.A. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. Februar 2013 – 5a K 3406/12.A –, juris.
106Nach Auswertung der Erkenntnisquellen schließt sich das Gericht abschließend der Auffassung des VGH Baden-Württemberg,
107vgl. Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.,
108an, dass die Situation für Hindus und Sikhs, Ausfluss der allgemeinen Situation in Afghanistan ist, die beschriebenen allgemeinen Missständen allerdings nicht Ergebnis eines gezielten Vorgehens gegen diese Minderheit ist.
109Über die Anzahl der in Afghanistan lebenden Hindus und Sikhs gibt es keine verlässlichen eindeutigen Informationen. Es ist jedoch anzunehmen, dass ihr Anteil bei deutlich unter einem Prozent der Bevölkerung liegt.
110Vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte Februar 2014, S. 11; Stand März 2013, S. 10; Stand Januar 2012, S. 16; Stand Februar 2011, S. 19; Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13.
111Für die danach verschwindend geringe Anzahl der Hindus (und Sikhs) ist anzunehmen, dass sie grundsätzlich in Politik und Ämtern vertreten sind.
112Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Februar 2014, S. 11
113Es ist zudem davon auszugehen, dass sie zwar im Alltag Diskriminierungen und allgemeinen Repressalien durch den Staat und durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind, diese aber keinen Grad erreichen, der die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertigt.
114Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.
115Es liegen – nach wie vor – keine Erkenntnisse dazu vor, dass Hindus bzw. Sikhs allein aufgrund ihrer Volks- bzw. Religionszugehörigkeit oder ihres Erscheinungsbilds Tötungen oder schweren körperlichen Misshandlungen ausgesetzt wären. Es wird zwar regelmäßig berichtet, dass es – wie bei Angehörigen anderer Minderheiten auch – zu wirtschaftlichen und kulturellen Diskriminierungen kommt. Es ist den Erkenntnisquellen aber nicht zu entnehmen, dass es dabei zu Gewalteinwirkungen kommt, die den Schluss zulassen würden, quasi jeder Angehörige der Minderheit sei hiervon ohne das Hinzutreten weiterer Umstände bedroht.
116Vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2013, a.a.O.
117Letztlich kommt es wohl auch von staatlicher Seite vereinzelt zu Diskriminierungen, zum Beispiel bei der Vergabe von staatlichen Arbeitsplätzen.
118Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13.
119Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts ist jedoch im Vergleich zur Zeit der Taliban-Herrschaft die staatliche Diskriminierung dieser Gruppe deutlich zurückgegangen.
120Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Februar 2014, S. 11
121Weiterhin sollen Berichten zufolge zwar Hindus und Sikhs Opfer illegaler Landnahmen gewesen sein;
122vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Februar 2014, S. 11,
123allerdings galt dies auch für Angehörige anderer Minderheiten.
124Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13.
125Es lässt sich den Erkenntnismitteln ebenfalls nicht entnehmen, dass den Hindus der Zugang zur medizinischen Versorgung verwehrt werden würde. Im Gegenteil sind nach der Auskunft der International Organization for Migration – IOM,
126vgl. Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt,
127die medizinischen Einrichtungen für Hindus zugänglich. Im Übrigen liegt es in der Natur der Sache, dass auch diese Personengruppe von den allgemeinen Defiziten des afghanischen Gesundheitswesens betroffen ist; dies rechtfertigt nicht die Annahme der Gruppenverfolgung.
128Schließlich haben Kinder von Sikhs und Hindus nach den vorliegenden Erkenntnismitteln auch Zugang zu staatlichen Schulen, auch wenn sie dort nach Angaben der afghanischen Menschenrechtsorganisation (AIHRC) oftmals gehänselt werden.
129Vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Februar 2014, S. 11.; International Organization for Migration, Auskunft vom 20. September 2011 an das Bundesamt.
130In Ghazni, Helmand und Kabul ist zudem je eine Schule für Sikhs vorhanden, an denen Dari und Paschtu unterrichtet wird.
131Vgl. Bundesamt, Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011 – Abschnitt Afghanistan – S. 13.
132Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
133Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 19.4.2007 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich des Irak vorliegt,
hilfsweise,
festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hinsichtlich des Irak vorliegen.
die Klage abzuweisen.
„Zusammenfassend führten starke Ängste, Schwindel und Panikattacken mit sich aufdrängenden Suizidphantasien zur stationären Aufnahme. Im medizinischen Diagnosemodell wäre eine schwere depressive Episode (ICD-10: F32.2) bei V.a. posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F42.1) zu beschreiben. Auf psychosozialer Ebene schien vor allem die schwierige Lebenssituation und die ständig im Hintergrund drohende Abschiebung in den Irak zu der aktuellen Symptomatik geführt zu haben.“
unter Abänderung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. März 2008 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 645/07 - die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19. April 2007 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,
hilfsweise,
festzustellen, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG vorliegen,
weiter hilfsweise,
festzustellen, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf den Irak vorliegen.
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 29.5.2008 - 10 C 11.07 -, BVerwGE 131, 186 ff.; zur Vorgängerregelung des § 51 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 18.2.1992 - 9 C 59.91 -, DÖV 1992, 582 f., zur Deckungsgleichheit von Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG mit dem Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention: BVerwG, Urteil vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 u.a. -, NVwZ 1994, 500 ff.
hierzu BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff.; BVerwG, Urteil vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200 ff.; siehe in diesem Zusammenhang auch Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL -).
vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315
vgl. BVerwG, Urteile vom 1.6.2011 - 10 C 10.10 und 10 C 25.10, vom 27.4.2010 - BVerwG 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -, siehe auch EuGH, Urteil vom 2.3.2010, Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a., OVG Münster, Urteil vom 17.8.2010 - 8 A 4063/06.A -, jeweils zitiert nach juris.
vgl. BVerwG, Urteile vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 - m.w.N., zitiert nach juris.
vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 24.08 - m.w.N., zitiert nach juris.
vgl. BVerwG, Entscheidungen vom 21.7.1989 - 9 B 239.89 -, vom 16.4.1985 - 9 C 109.84 - und vom 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, jeweils zitiert nach juris.
vgl. hierzu Urteil des Senats vom 1.6.2011 – 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris.
hierzu etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe - SFH - vom 27.1.2006, Zur Gefährdung von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei; Deutsches Orient-Institut - DOI - an VG München vom 1.9.2006 (2112 al/br.) zu Az. M 9 K 05.50273; EZKS, Stellungnahmen an VG Köln vom 17.12.2004 im Falle des Sohnes eines Einsatzleiters einer Sonderstreife in Mossul, der mit dem Geheimdienst zusammengearbeitet hatte, sowie Urteil des Senats vom 1.6.2011 – 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris.
vgl. hierzu bereits Urteile des Senats vom 29.9.2006 - 3 R 6/06 -und vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 - dokumentiert bei juris, letzteres betreffend einen sunnitischen Kurden aus Mossul.
hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216 ff.
hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 -, vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 - und vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, jeweils zitiert nach juris,
hierzu etwa BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 - und vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, jeweils zitiert nach juris.
hierzu etwa BVerwG, Entscheidungen vom 21.2.2009, a.a.O. und vom 23.12.2002 - 1 B 42.02 -, zu syrisch-orthodoxen Christen in Tur Abdin, zitiert nach juris.
BVerwG, Urteil vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, zitiert nach juris.
– 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris
vgl. Urteil des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris.
hierzu etwa BAMF, Dokumentation Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010; BAMF, Briefing Notes vom 27.12.2010; Schweizerischen Flüchtlingshilfe (im Folgenden SFH) Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak - Update vom 5.11.2009 -; UNHCR, Positionspapier zum Schutzbedarf irakischer Asylbewerber und zu den Möglichkeiten der Rückkehr irakischer Staatsangehöriger in Sicherheit und Würde vom 13.5.2009 und Stellungnahme vom 16.9.2009 an den Hessischen VGH; ai-Report 2010, Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; EZKS, Stellungnahme an VG München vom 20.1.2009 zu Az. M 4 K 08.50041 u.a..
- 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris,
vom 28.11.2010 vom 11.4.2010,
hierzu etwa BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010; Bundesasylamt (Österreich), Bericht Irak, Die Sicherheitslage in Bagdad vom 26.1.2011
- 3 A 429/08 - und - 3 A 451/08 - , dokumentiert bei juris
vgl. BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010.
vgl. hierzu BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte von Juni 2011.
hierzu BAMF, Briefing Notes vom 7.3.2011, FR und taz vom 21.1.2011, FAZ vom 21. und 25.1.2011, NZZ vom 28.1.2011 und FR vom 14.2.2011, SZ vom 14.2.2011; zu den bisherigen Gesamtopferzahlen ferner BAMF, Briefing Notes vom 17.1.2011, vom 14.3.2011, vom 4.4.2011, vom 11.4.2011, NZZ vom 12.4.2011, FAZ vom 13.4.2011, NZZ vom 18. und 19.4.2011, FAZ vom 30.4. und 6.5.2011.
hierzu BAMF, Briefing Notes vom 4.7.2011.
vgl. hierzu BAMF, Briefing Notes vom 11.7.2011.
vgl. Lagebericht Irak des Auswärtigen Amtes vom 28.11.2010
- H. Siamend - vom 22.3.2007 an VG Magdeburg zu Az. 4 A 190/04 MD und vom 24.11.2007 an VG Karlsruhe zu Az. A 3 K 10823/05
vgl. etwa OVG Münster, Urteil vom 29.10.2009, a.a.O., VGH Mannheim, Urteil vom 25.3.2010 - A 2 S 364/09 - und Beschluss vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10; VGH München, Beschlüsse vom 14.7.2011 - 20 B 10.30316 - und vom 5.7.2011 - 20 B 10.30312 -, jeweils im Falle eines sunnitischen Kurden aus der Region Tamim/Kirkuk sowie Urteil vom 21.1.2010 - 13a B 08.30285 - im Falle eines kurdischen Volkszugehörigen sunnitischer Religionszugehörigkeit aus Mossul, jeweils zitiert nach juris.
II.
zur Prüfungsfolge von unionsrechtlichem und nationalem Abschiebungsschutz etwa BVerwG, Urteil vom 29.6.2010 - 10 C 10.09 -, zitiert nach juris.
vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198 und vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 -, juris,
vom 17.2.2009 - C-465/07 -, EuGRZ 2009, 111
vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O..
vgl. EuGH, Urteil vom 17.2.2009, a.a.O..
ebenso offen gelassen zum Vorliegen eines landesweiten Konflikts im Irak etwa: VGH München, Urteil vom 24.3.2011 - 20 B 10.30021 -, OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A - und VGH Mannheim, Urteil vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10 - und auch OVG Lüneburg, Urteil vom 13.4.2011 - 13 LB 66/07 – sowie Urteil des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris.
vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O.; OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010, a.a.O..
- 3 A 429/08 - und 3 A 451/08 - , jeweils dokumentiert bei juris
vgl. Lageberichte vom 28.11.2010 und vom 11.4.2010
vgl. BAMF, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, von Juni 2011 und von Januar 2010
zur Verfolgungs- und Gefährdungssituation i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vgl. etwa etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 13.4.2011 - 13 LB 66/07 - im Falle eines aus der Provinz Dohuk stammenden Kurden; VGH Mannheim, Urteil vom 25.3.2010 - A 2 S 364/09 - (implizit) im Falle eines Kurden aus Kirkuk.
III.
hierzu Huber, AufenthG, § 60 Rdnr. 105 m.w.N..
vgl. etwa OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.1.2006 - 1 LB 22/05 -, zitiert nach juris,
hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - u.a.; vom 23.8.2006 - 1 B 60.06 -, Urteil vom 8.112.1998 - 9 C 4.98 - u.a., sowie grundlegend bereits BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 199 zu der nahezu wortgleichen Bestimmung des § 53 Abs. 6 AuslG, zitiert nach juris.
vgl. auch hier BVerwG, Entscheidungen vom 29.6.2010 - 10 C 9.09 und 10 C 10.09 - und vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 -, zitiert nach juris.
- 3 A 429/08 – und – 3 A 451/08 -, dokumentiert bei juris,
vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak vom 5.11.2009, UNHCR an Hess.VGH vom 16.9.2009
vgl. zu letzterem UNHCR: Iraq Refuges Returns fell from in 2010 vom 28.1.2011; siehe in diesem Zusammenhang auch Urteile des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 und 3 A 451/08 -.
vgl. etwa Entscheidungen vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 -, vom 29.7.1999 - 9 C 2.99 - und vom 25.11.1997 - 9 C 58/96 - und vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, jeweils zitiert nach juris
vgl. hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 23.7.2007 - 10 B 85/07 -, vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 - und vom 18.7.2006 - 1 C 16.05 -, jeweils zitiert nach juris.
Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 16.05 -, a.a.O.
vgl. Beschlüsse vom 29.4.2005 - BVerwG 1 B 119.04 - und Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, jeweils zitiert nach juris,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.2.1995 - BVerwG 1 B 205.93 -.
vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, Beschluss vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 -, jeweils zitiert nach juris..
vgl. hierzu etwa Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010: Die Behandlung von PTSD in Erbil vom 10.3.2010, ferner Bericht vom 10.7.2007: Die sozioökonomische Situation in den von der KRG verwalteten Provinzen; GIGA an VG Düsseldorf vom 10.5.2007 zu Az.: 16 K 5213/06.A -; DOI an VG Saarlouis vom 6.3.2006 zu Az.: 2 K 1/06.A; EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006 zu Az.: AN 9 K 04.32341 -,
hierzu insbesondere SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010 unter Berufung auf einen Bericht der WHO
hierzu etwa EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006 zu Az.: AN 9 K 04.32341 u.a., Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010.
vgl. etwa Botschaft BRD an VG Ansbach vom 20.5.2010 zu Az.: AN 9 K 09.30128
Auskunft des (Vertrauensarztes des) Generalkonsulats Erbil vom 29.4.2010 an VG Bayreuth zu Az.: B 3 K 30045
vgl. EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006, a.a.O.
Gründe
I.
hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 29.5.2008 - 10 C 11.07 -, BVerwGE 131, 186 ff.; zur Vorgängerregelung des § 51 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 18.2.1992 - 9 C 59.91 -, DÖV 1992, 582 f., zur Deckungsgleichheit von Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG mit dem Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention: BVerwG, Urteil vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 u.a. -, NVwZ 1994, 500 ff.
hierzu BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff.; BVerwG, Urteil vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200 ff.; siehe in diesem Zusammenhang auch Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL -).
vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315
vgl. BVerwG, Urteile vom 1.6.2011 - 10 C 10.10 und 10 C 25.10, vom 27.4.2010 - BVerwG 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -, siehe auch EuGH, Urteil vom 2.3.2010, Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a., OVG Münster, Urteil vom 17.8.2010 - 8 A 4063/06.A -, jeweils zitiert nach juris.
vgl. BVerwG, Urteile vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 - m.w.N., zitiert nach juris.
vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 24.08 - m.w.N., zitiert nach juris.
vgl. BVerwG, Entscheidungen vom 21.7.1989 - 9 B 239.89 -, vom 16.4.1985 - 9 C 109.84 - und vom 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, jeweils zitiert nach juris.
vgl. hierzu Urteil des Senats vom 1.6.2011 – 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris.
hierzu etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe - SFH - vom 27.1.2006, Zur Gefährdung von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei; Deutsches Orient-Institut - DOI - an VG München vom 1.9.2006 (2112 al/br.) zu Az. M 9 K 05.50273; EZKS, Stellungnahmen an VG Köln vom 17.12.2004 im Falle des Sohnes eines Einsatzleiters einer Sonderstreife in Mossul, der mit dem Geheimdienst zusammengearbeitet hatte, sowie Urteil des Senats vom 1.6.2011 – 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris.
vgl. hierzu bereits Urteile des Senats vom 29.9.2006 - 3 R 6/06 -und vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 - dokumentiert bei juris, letzteres betreffend einen sunnitischen Kurden aus Mossul.
hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216 ff.
hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 -, vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 - und vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, jeweils zitiert nach juris,
hierzu etwa BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 - und vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, jeweils zitiert nach juris.
hierzu etwa BVerwG, Entscheidungen vom 21.2.2009, a.a.O. und vom 23.12.2002 - 1 B 42.02 -, zu syrisch-orthodoxen Christen in Tur Abdin, zitiert nach juris.
BVerwG, Urteil vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, zitiert nach juris.
– 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris
vgl. Urteil des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris.
hierzu etwa BAMF, Dokumentation Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010; BAMF, Briefing Notes vom 27.12.2010; Schweizerischen Flüchtlingshilfe (im Folgenden SFH) Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak - Update vom 5.11.2009 -; UNHCR, Positionspapier zum Schutzbedarf irakischer Asylbewerber und zu den Möglichkeiten der Rückkehr irakischer Staatsangehöriger in Sicherheit und Würde vom 13.5.2009 und Stellungnahme vom 16.9.2009 an den Hessischen VGH; ai-Report 2010, Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; EZKS, Stellungnahme an VG München vom 20.1.2009 zu Az. M 4 K 08.50041 u.a..
- 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris,
vom 28.11.2010 vom 11.4.2010,
hierzu etwa BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010; Bundesasylamt (Österreich), Bericht Irak, Die Sicherheitslage in Bagdad vom 26.1.2011
- 3 A 429/08 - und - 3 A 451/08 - , dokumentiert bei juris
vgl. BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010.
vgl. hierzu BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte von Juni 2011.
hierzu BAMF, Briefing Notes vom 7.3.2011, FR und taz vom 21.1.2011, FAZ vom 21. und 25.1.2011, NZZ vom 28.1.2011 und FR vom 14.2.2011, SZ vom 14.2.2011; zu den bisherigen Gesamtopferzahlen ferner BAMF, Briefing Notes vom 17.1.2011, vom 14.3.2011, vom 4.4.2011, vom 11.4.2011, NZZ vom 12.4.2011, FAZ vom 13.4.2011, NZZ vom 18. und 19.4.2011, FAZ vom 30.4. und 6.5.2011.
hierzu BAMF, Briefing Notes vom 4.7.2011.
vgl. hierzu BAMF, Briefing Notes vom 11.7.2011.
vgl. Lagebericht Irak des Auswärtigen Amtes vom 28.11.2010
- H. Siamend - vom 22.3.2007 an VG Magdeburg zu Az. 4 A 190/04 MD und vom 24.11.2007 an VG Karlsruhe zu Az. A 3 K 10823/05
vgl. etwa OVG Münster, Urteil vom 29.10.2009, a.a.O., VGH Mannheim, Urteil vom 25.3.2010 - A 2 S 364/09 - und Beschluss vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10; VGH München, Beschlüsse vom 14.7.2011 - 20 B 10.30316 - und vom 5.7.2011 - 20 B 10.30312 -, jeweils im Falle eines sunnitischen Kurden aus der Region Tamim/Kirkuk sowie Urteil vom 21.1.2010 - 13a B 08.30285 - im Falle eines kurdischen Volkszugehörigen sunnitischer Religionszugehörigkeit aus Mossul, jeweils zitiert nach juris.
II.
zur Prüfungsfolge von unionsrechtlichem und nationalem Abschiebungsschutz etwa BVerwG, Urteil vom 29.6.2010 - 10 C 10.09 -, zitiert nach juris.
vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198 und vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 -, juris,
vom 17.2.2009 - C-465/07 -, EuGRZ 2009, 111
vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O..
vgl. EuGH, Urteil vom 17.2.2009, a.a.O..
ebenso offen gelassen zum Vorliegen eines landesweiten Konflikts im Irak etwa: VGH München, Urteil vom 24.3.2011 - 20 B 10.30021 -, OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A - und VGH Mannheim, Urteil vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10 - und auch OVG Lüneburg, Urteil vom 13.4.2011 - 13 LB 66/07 – sowie Urteil des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris.
vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O.; OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010, a.a.O..
- 3 A 429/08 - und 3 A 451/08 - , jeweils dokumentiert bei juris
vgl. Lageberichte vom 28.11.2010 und vom 11.4.2010
vgl. BAMF, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, von Juni 2011 und von Januar 2010
zur Verfolgungs- und Gefährdungssituation i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vgl. etwa etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 13.4.2011 - 13 LB 66/07 - im Falle eines aus der Provinz Dohuk stammenden Kurden; VGH Mannheim, Urteil vom 25.3.2010 - A 2 S 364/09 - (implizit) im Falle eines Kurden aus Kirkuk.
III.
hierzu Huber, AufenthG, § 60 Rdnr. 105 m.w.N..
vgl. etwa OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.1.2006 - 1 LB 22/05 -, zitiert nach juris,
hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - u.a.; vom 23.8.2006 - 1 B 60.06 -, Urteil vom 8.112.1998 - 9 C 4.98 - u.a., sowie grundlegend bereits BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 199 zu der nahezu wortgleichen Bestimmung des § 53 Abs. 6 AuslG, zitiert nach juris.
vgl. auch hier BVerwG, Entscheidungen vom 29.6.2010 - 10 C 9.09 und 10 C 10.09 - und vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 -, zitiert nach juris.
- 3 A 429/08 – und – 3 A 451/08 -, dokumentiert bei juris,
vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak vom 5.11.2009, UNHCR an Hess.VGH vom 16.9.2009
vgl. zu letzterem UNHCR: Iraq Refuges Returns fell from in 2010 vom 28.1.2011; siehe in diesem Zusammenhang auch Urteile des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 und 3 A 451/08 -.
vgl. etwa Entscheidungen vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 -, vom 29.7.1999 - 9 C 2.99 - und vom 25.11.1997 - 9 C 58/96 - und vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, jeweils zitiert nach juris
vgl. hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 23.7.2007 - 10 B 85/07 -, vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 - und vom 18.7.2006 - 1 C 16.05 -, jeweils zitiert nach juris.
Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 16.05 -, a.a.O.
vgl. Beschlüsse vom 29.4.2005 - BVerwG 1 B 119.04 - und Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, jeweils zitiert nach juris,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.2.1995 - BVerwG 1 B 205.93 -.
vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, Beschluss vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 -, jeweils zitiert nach juris..
vgl. hierzu etwa Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010: Die Behandlung von PTSD in Erbil vom 10.3.2010, ferner Bericht vom 10.7.2007: Die sozioökonomische Situation in den von der KRG verwalteten Provinzen; GIGA an VG Düsseldorf vom 10.5.2007 zu Az.: 16 K 5213/06.A -; DOI an VG Saarlouis vom 6.3.2006 zu Az.: 2 K 1/06.A; EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006 zu Az.: AN 9 K 04.32341 -,
hierzu insbesondere SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010 unter Berufung auf einen Bericht der WHO
hierzu etwa EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006 zu Az.: AN 9 K 04.32341 u.a., Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010.
vgl. etwa Botschaft BRD an VG Ansbach vom 20.5.2010 zu Az.: AN 9 K 09.30128
Auskunft des (Vertrauensarztes des) Generalkonsulats Erbil vom 29.4.2010 an VG Bayreuth zu Az.: B 3 K 30045
vgl. EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006, a.a.O.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.