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Der Rechtsstreit ist gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden, da er keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat.
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Das Gericht konnte trotz des Ausbleibens von Beteiligten entscheiden, da diese in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
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Sie ist zwar verfristet erhoben worden. Jedoch ist dem Kläger von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Klagfrist zu gewähren.
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Die Frist für die Erhebung der Klage richtet sich nach § 74 Abs. 1 1. Var. AsylVfG. Sie beträgt demnach zwei Wochen ab Zustellung des Bescheids. Ausweislich der Postzustellungsurkunde ist der Bescheid am 11.11.2005 zugestellt worden, so dass die Klagfrist in Anwendung von § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 ZPO, §§ 187 ff. BGB mit Ablauf des 25.11.2005 abgelaufen war. Die Klagerhebung am 28.11.2005 erfolgte damit verspätet. Die Zustellung ist mit Hilfe der Zustellungsurkunde, welche eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 ZPO darstellt, auch voll bewiesen. Ein Gegenbeweis ist durch den Kläger nicht angetreten worden. Insbesondere ist der Vermerk auf dem Umschlag des zugestellten Bescheids nicht geeignet, den Gegenbeweis hinsichtlich des Zustellungstages zu erbringen.
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Jedoch ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, § 60 Abs. 1und Abs. 2 VwGO. Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist demjenigen auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Kläger war ohne Verschulden daran gehindert, die Klagfrist des § 74 AsylVfG einzuhalten. Der Kläger ist nämlich durch die Deutsche Post AG mittels des Vermerks auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks fehlerhaft über den Zeitpunkt der erfolgten Zustellung informiert worden. Er hat sich am 12.11.2005 als Zustellungsdatum orientiert und auf dieses Datum bezogen rechtzeitig, nämlich am Montag, den 28.11.2005, Klage erhoben. Für ihn war nicht ersichtlich, dass die Zustellung, welche durch Niederlegung erfolgte, tatsächlich am 11.11.2005 erfolgt ist, so dass es ihm unmöglich war, die richtige Klagfrist zu bestimmen.
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Es ist unschädlich, dass der Kläger keinen ausdrücklichen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt hat. Nach § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO kann das Gericht ohne Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren, wenn die versäumte Rechtshandlung binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt worden ist. Dies ist hier geschehen. Ein Grund, von der Möglichkeit der Gewährung der Wiedereinsetzung trotz Erfüllung aller materiellen Voraussetzungen keinen Gebrauch zu machen, ist für die Kammer nicht ersichtlich.
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Die zulässige Klage ist überwiegend unbegründet. Sie hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit dem Hauptantrag begehrten Verwaltungsakte, so dass deren Ablehnung nicht rechtswidrig war (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter scheitert schon daran, dass er nicht hinreichend hat darlegen können, dass er nicht aus einem so genannten sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.
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Nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylVfG kann sich auf das Asylgrundrecht nicht berufen, wer nach Inkrafttreten dieser Regelungen am 30. Juni 1993 (vgl. Renner, AuslR, 7. Auflage Vorbemerkung AsylVfG, Rn. 18) aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem sicheren Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.
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Hinsichtlich des Nachweises des Reisewegs gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 29.06.1999 - 9 C 36/98 -, BVerwGE 109, 174 ff.) folgendes:
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Auch in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess sind die Beteiligten verpflichtet, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Im Asylverfahren gilt dies in besonderem Maße für den Asylbewerber (vgl. §§ 15, 25 AsylVfG). Gleichwohl ist und bleibt es Aufgabe des Gerichts, von sich aus den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln, dazu von Amts wegen die erforderlichen Sachverhaltsaufklärungen zu betreiben und sich seine eigene Überzeugung zu bilden ( § 86 Abs. 1 Satz 1 , § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ). Die Mitwirkungspflichten der Beteiligten entbinden das Gericht daher grundsätzlich nicht von seiner eigenen Aufklärungspflicht. Eine Verletzung der Mitwirkungspflichten durch die Beteiligten kann allerdings die Anforderungen an die Ermittlungspflicht des Gerichts herabsetzen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht dort ihre Grenze findet, wo das Vorbringen des Klägers keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet. So besteht im Asylrechtsstreit Anlass zu weiterer Sachaufklärung generell dann nicht, wenn der Asylbewerber unter Verletzung der ihn treffenden Mitwirkungspflichten seine guten Gründe für eine ihm drohende politische Verfolgung nicht unter Angabe genauer Einzelheiten schlüssig schildert.
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Ob bei einer vom Asylbewerber behaupteten, aber nicht belegten Einreise auf dem Luftweg weitere Ermittlungen durch das Gericht anzustellen sind, ist eine Frage der Ausübung tatrichterlichen Ermessens im Einzelfall. Ein Anlass zu weiterer Aufklärung ist beispielsweise dann zu verneinen, wenn der Asylbewerber keine nachprüfbaren Angaben zu seiner Einreise gemacht hat und es damit an einem Ansatzpunkt für weitere Ermittlungen fehlt. Macht der Asylbewerber Angaben, so hat das Gericht diese zu berücksichtigen. Es kann in diesem Zusammenhang insbesondere frei würdigen, dass und aus welchen Gründen der Asylbewerber mit falschen Papieren nach Deutschland eingereist ist, dass und warum er - wie im vorliegenden Fall behauptet - Reiseunterlagen, die für die Feststellung seines Reiseweges bedeutsam sind, nach seiner Ankunft in Deutschland aus der Hand gegeben hat und schließlich, dass und weshalb er den Asylantrag nicht bei seiner Einreise an der Grenze, sondern Tage oder Wochen später an einem anderen Ort gestellt hat.
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Im Rahmen seiner Überzeugungsbildung ist das Gericht zwar aus Rechtsgründen nicht daran gehindert, die Angaben des Asylbewerbers auch ohne Beweisaufnahme als wahr anzusehen. Dies gilt insbesondere, wenn sich der Asylbewerber - wie typischerweise bei den Vorgängen im Verfolgerland - in Beweisnot befindet. Es bedarf jedoch keiner weiteren Darlegung, dass gerade in den Fällen, in denen der Asylbewerber die Weggabe wichtiger Beweismittel behauptet, also in den Fällen einer selbst geschaffenen Beweisnot, das Vorbringen besonders kritisch und sorgfältig zu prüfen ist. Den Asylsuchenden trifft insoweit zwar keine Beweisführungspflicht. Das Gericht kann aber bei der Feststellung des Reisewegs die behauptete Weggabe von Beweismitteln wie bei einer Beweisvereitelung zu Lasten des Asylbewerbers würdigen. Dies mag um so näher liegen, je weniger plausibel die Gründe erscheinen, die für das beweiserschwerende Verhalten angeführt werden. So kann etwa das Vorbringen, der Schleuser habe die Dokumente zur Wahrung seiner Interessen - namentlich zum Schutz vor Enttarnung und Bestrafung - wieder an sich genommen, regelmäßig weder erklären, weshalb der Flüchtling nach dem Passieren der Passkontrolle, also gleichsam unter den Augen der deutschen Grenzbehörden, zu seinem Nachteil Beweismittel aus der Hand gegeben hat, noch warum er sich nicht wenigstens ohne Papiere unverzüglich bei der Grenzbehörde im Flughafen gemeldet und dort um den begehrten asylrechtlichen Schutz nachgesucht hat.
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Ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Asylbewerber - wie von ihm behauptet - auf dem Luftweg eingereist ist, kann es gleichzeitig aber auch nicht die Überzeugung gewinnen, dass er auf dem Landweg eingereist ist, und sieht es keinen Ansatzpunkt für eine weitere Aufklärung des Reisewegs, hat es die Nichterweislichkeit der behaupteten Einreise auf dem Luftweg („non liquet") festzustellen und eine Beweislastentscheidung zu treffen. Bleibt der Einreiseweg unaufklärbar, trägt der Asylbewerber die materielle Beweislast für seine Behauptung, ohne Berührung eines sicheren Drittstaats nach Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26 a AsylVfG auf dem Luft- oder Seeweg nach Deutschland eingereist zu sein.
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Unter Anwendung dieser vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze ist der Kläger von einer Berufung auf Art. 16a Abs. 1 GG ausgeschlossen. Der Kläger hat wie auch die übrigen Mitglieder seiner Familie zunächst keine Beweisdokumente zum Einreiseweg vorlegen können. Die Begründung hierfür ist sehr allgemein gehalten. Es ist ihm nicht gelungen, die Einreise auf dem Luftweg in einer Weise detailliert zu schildern, dass ihm allein aufgrund seiner Einlassung geglaubt werden könnte. Die Einlassungen des Klägers und auch seiner Familie zum Verlassen Pakistans mit dem Flugzeug sind zur vollen Überzeugung des Gerichts auswendig gelernte, erfundene Schilderungen. Diese Überzeugung gründet sich darauf, dass die einheitliche Beschreibung, man habe sich in einen Tunnel gesetzt und dann gemerkt, dass es sich dabei um das Flugzeug handele, sich nur so erklären lassen kann. Zwar ist es nach den Grundsätzen der Aussageanalyse regelmäßig als Realkennzeichen zu werten, wenn eine Person ein Geschehen wiedergibt und es bei der wiedergebenden Schilderung deutlich wird, dass der wirkliche Sinnzusammenhang von der Person zunächst nicht richtig verstanden wird. Es handelt sich dabei um das so genannte Unverständnismerkmal (vgl. Bender/Nack, Tatsachenfeststellung vor Gericht, Bd. 1. 2. Aufl. 1995 Rn. 268), Jedoch ist es auffällig, dass hier von mehreren Familienmitgliedern übereinstimmend ein einheitliches Missverstehen der Situation angeben, das sich eigentlich nicht aufdrängt. Dies ist dann ein eindeutiges Indiz dafür, dass hier eine auswendig gelernte Schilderung, die so nicht der Realität entsprungen ist, dargeboten worden ist.
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Im Übrigen gilt es zu bedenken, dass aufgrund des wenig detaillierten Vortrags es selbst bei unterstellter Benutzung eines Flugzeugs zur Ausreise es ebenso wahrscheinlich ist, dass der Kläger und seine Familie in einem sicheren Drittstaat umgestiegen sind und er dort die Möglichkeit gehabt hätte, einen Asylantrag zu stellen wie es eine direkte Einreise in die Bundesrepublik ist. Die Angaben des Klägers und seiner Familie zur Einreise waren im Übrigen so wenig konkret, dass eine weitere Ermittlung des Reisewegs durch das Gericht schon gar nicht möglich ist. Somit bleibt der Reiseweg im Einzelnen letztlich nicht aufklärbar, so dass der Kläger die materielle Beweislast dafür trägt, ohne Berührung eines sicheren Drittstaats eingereist zu sein mit der Folge, dass er keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter haben kann.
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Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG. Dessen Voraussetzungen liegen nicht vor.
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Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Diese Voraussetzungen liegen nach § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG bei sonstigen Ausländern, die im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebietes als ausländische Flüchtlinge i.S. des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind vor. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stellt außer in den Fällen des § 60 Abs. 1 Satz 2 fest, ob die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen (§ 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Die Voraussetzungen für eine Asylanerkennung nach Art. 16 a Abs. 1 GG einerseits und eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG andererseits sind nur teilweise deckungsgleich, soweit es die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut sowie den politischen Charakter der Verfolgung betrifft. Hinsichtlich dieser Kriterien umfasst das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG alle Fallkonstellationen, die auch von Art. 16a Abs. 1 GG erfasst werden. Jedoch gehen die Regelungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowohl hinsichtlich der Verfolgungshandlungen als auch der Verfolgungssubjekte über den Schutz des Grundrechts auf Asyl hinaus. Nach § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG kann eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG von dem Staat (lit. a)), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (lit. b)) oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative (lit. c)). Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG kann eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft.
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Der Kläger ist nicht verfolgt im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG aus Afghanistan ausgereist. Im Falle seiner Rückkehr droht ihm eine solche Verfolgung auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
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Politische Verfolgung liegt vor, wenn dem einzelnen durch seinen Heimatstaat oder durch Maßnahmen Dritter, die diesem Staat zurechenbar sind, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen (z.B. seine Volkszugehörigkeit), gezielt Rechtsgutverletzungen zugefügt werden, die ihn nach ihrer Intensität und Schwere nicht lediglich unerheblich beeinträchtigen, sondern ihn aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschl. v. 10. 07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff.). Staatlichkeit in diesem Sinne stellt ab auf das Vorhandensein einer in sich befriedeten Einheit, die nach innen alle Gegensätze, Konflikte und Auseinandersetzungen durch eine übergreifende Ordnung in der Weise relativiert, dass diese unterhalb der Stufe der Gewaltsamkeit verbleiben und die Existenzmöglichkeit des Einzelnen nicht in Frage stellen, insgesamt also die Friedensordnung nicht aufheben. Dazu dient staatliche Macht. Die Macht, zu schützen, schließt indes die Macht, zu verfolgen, mit ein. Daher hebt die Asylgewährleistung im Grundgesetz ganz auf die Gefahren ab, die aus einem bestimmt gearteten Einsatz verfolgender Staatsgewalt erwachsen; sie will den Einzelnen vor gezielten, an asylerhebliche Merkmale anknüpfenden Rechtsverletzungen schützen, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Darin liegt als Kehrseite beschlossen, dass Schutz vor den Folgen anarchischer Zustände oder der Auflösung der Staatsgewalt nicht durch Art. 16a Abs. 1 GG versprochen ist (BVerfG, Urt. v. 10.08.2000 - 2 BvR 1353/98 -, NVwZ 2000, 1165 ff.). Das Element der "Staatlichkeit" oder "Quasi-Staatlichkeit" von Verfolgung darf nicht losgelöst vom verfassungsrechtlichen Tatbestandsmerkmal des "politisch" Verfolgten betrachtet und nach abstrakten staatstheoretischen Begriffsmerkmalen geprüft werden. Es muss vielmehr in Beziehung gesetzt bleiben zu der Frage, ob eine Maßnahme den Charakter einer politischen Verfolgung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG aufweist, vor der dem davon Betroffenen Schutz gewährt werden soll. Das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass politische Verfolgung von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgeht, der der Verletzte unterworfen ist; politische Verfolgung ist somit grundsätzlich staatliche Verfolgung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10. 07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, a.a.O.). Die Prüfung bestimmter staatstheoretischer Merkmale für die Annahme vorhandener oder neu entstehender Staatlichkeit kann mithin für die Beurteilung, ob Verfolgungsmaßnahmen die Qualität politischer Verfolgung haben, nicht schlechthin konstitutiv, sondern nur - wenn auch in gewichtiger Weise - indiziell sein. Maßgeblich für die Bewertung einer Maßnahme als politische Verfolgung ist, dass der Schutzsuchende einerseits in ein übergreifendes, das Zusammenleben in der konkreten Gemeinschaft durch Befehl und Zwang ordnendes Herrschaftsgefüge eingebunden ist, welches den ihm Unterworfenen in der Regel Schutz gewährt, andererseits aber wegen asylerheblicher Merkmale von diesem Schutz ausgenommen und durch gezielt zugefügte Rechtsverletzungen aus der konkreten Gemeinschaft ausgeschlossen wird, was ihn in eine ausweglose Lage bringt, der er sich nur durch die Flucht entziehen kann (vgl. zum Ganzen BVerfG, Urt. v. 10.08.2000 - 2 BvR 1353/98 -, a.a.O.).
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Aus den Einlassungen des Klägers und seiner Familie kann auf das Vorliegen einer individuellen Verfolgung oder der Gefahr einer solchen Verfolgung im Falle der Rückkehr nicht geschlossen werden. Der Kläger konnte lediglich angeben, einmal von einem ihm nicht näher bekannten Taxifahrer bedroht worden zu sein. Damit ist erforderliche Intensität einer Bedrohung für eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht erreicht. Die Angaben des Klägers zur Frage der Schikane hinsichtlich der Religionsausübung sind sehr allgemein gehalten, so dass die Feststellung einer individuellen Bedrohung in diesem Bereich auch nicht in Betracht kommt.
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Eine Verfolgung kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Gruppenverfolgung der Religionsgemeinschaft der Hindus in Afghanistan in Betracht.
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Das Grundrecht auf Asyl ist ebenso wie das Recht auf Anerkennung als Flüchtling aus § 60 Abs. 1 AufenthG ein Individualrecht. Nur derjenige kann es in Anspruch nehmen, der selbst - in seiner Person - Verfolgung erlitten hat; dabei steht der eingetretenen Verfolgung die unmittelbar drohende Gefahr der Verfolgung gleich. Die Gefahr eigener Verfolgung eines Asylbewerbers kann sich aus gegen den Asylsuchenden selbst gerichteten oder ihm unmittelbar drohenden Maßnahmen des Verfolgers, der ihn bereits im Blick hat, ergeben. Sie kann sich aber auch aus gegen Angehörige einer Gruppe gerichteten Maßnahmen des Verfolgers ergeben, wenn diese Gruppe wegen eines nach § 60 Abs. 1 AufenthG erheblichen Merkmals verfolgt wird, das der Asylsuchende mit deren Angehörigen teilt, und wenn sich dieser nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit in einer mit ihnen vergleichbaren Lage befindet und deshalb seine eigene bisherige Verschonung von ausgrenzenden Rechtsgutbeeinträchtigungen eher zufällig erscheint (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216 ff.; BVerwG, Urt. v. 05.07.1994 - 9 C 158/94 -, BVerwGE 96, 200 ff. m.w.N.). In welchem Maße dies der Fall ist, wird je nach den tatsächlichen Verhältnissen, unter denen sich politische Verfolgung in den Herkunftsländern ereignet, unterschiedlich zu beurteilen sein. Die historische und zeitgeschichtliche Entwicklung lehrt, dass für den Einzelnen die Gefahr, selbst verfolgt zu werden, um so größer und - hinsichtlich ihrer Aktualität - um so unkalkulierbarer ist, je weniger sie von individuellen Umständen abhängt oder geprägt ist und je mehr sie unter Absehung hiervon überwiegend oder ausschließlich an kollektive, dem Einzelnen unverfügbare Merkmale anknüpft. Sieht der Verfolger von individuellen Merkmalen gänzlich ab, weil seine Verfolgung der durch das asylerhebliche Merkmal gekennzeichneten Gruppe als solcher gilt, so kann eine solche Gruppengerichtetheit der Verfolgung dazu führen, dass jedes Mitglied der Gruppe im Verfolgerstaat eigener Verfolgung jederzeit gewärtig sein muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 -, a.a.O). Richtet sich die Verfolgung gegen Gruppen von Menschen, die durch gemeinsame Merkmale wie etwa Rasse, Religion oder politische Überzeugung verbunden sind, so ist in aller Regel davon auszugehen, dass sich diese Verfolgung gegen jeden Angehörigen der verfolgten Gruppe richtet. Ob dies der Fall ist, richtet sich letztlich nach dem inhaltlichen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen und nach dem äußerlich erkennbaren Verhalten des Verfolgerstaates. Angesichts der Vielgestaltigkeit tatsächlicher Erscheinungsformen politischer Einzel- und Gruppenverfolgung kommt es mithin darauf an, wer bei realitätsgerechter Ermittlung und Bewertung des gesamten Verfolgungsgeschehens zum Kreis der gefährdeten Personen zu rechnen ist. Daher sind grundsätzlich bei der Abgrenzung einer kollektiv gefährdeten Gruppe alle Personen einzubeziehen, gegen die der Verfolgerstaat - objektiv gesehen - seine Verfolgung betreibt oder voraussichtlich betreiben wird. Das können sämtliche Träger des dem Verfolgerstaat missliebigen, ihn zur Verfolgung veranlassenden Persönlichkeitsmerkmals, etwa einer bestimmten Ethnie oder Religion sein. Der Verfolger kann aber hiervon wiederum bestimmte Untergruppen ausnehmen, etwa wegen bei ihnen zusätzlich vorhandener Merkmale oder Umstände, beispielsweise eines Merkmals, das sie in seinen Augen „rehabilitiert". Welche zusätzlichen Umstände oder Merkmale in diesem Sinne zur Abgrenzung der verfolgten Gruppe im Einzelnen heranzuziehen sind, ist nach der tatsächlichen Reichweite des Verfolgungsgeschehens zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.1996 - 9 C 171/95 -, BVerwGE 101, 134 ff.).
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Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt eine bestimmte „Verfolgungsdichte" voraus, welche die „Regelvermutung" eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in asylrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungsmaßnahmen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Um zu beurteilen, ob die Verfolgungsdichte die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertigt, müssen Intensität und Anzahl aller Verfolgungshandlungen auch zur Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden. Dies gilt gleichermaßen für die mittelbare wie auch für die unmittelbare Gruppenverfolgung (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.1994 - 9 C 158/94 -, a.a.O.) Erhebliche Unterschiede können sich insoweit aber im Hinblick auf die prinzipielle Überlegenheit staatlicher Machtmittel sowie daraus ergeben, dass die Annahme einer unmittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung voraussetzt, dass mit ihr eigene staatliche Ziele durchgesetzt werden sollen und dass diese Ziele - offen oder verdeckt - von eigenen staatlichen Organen oder durch eigens vom Staat dazu berufene oder doch autorisierte Kräfte durchgesetzt werden können. Im Unterschied zur mittelbaren Gruppenverfolgung kann daher eine unmittelbare staatliche Gruppenverfolgung schon dann anzunehmen sein, wenn zwar „Referenz-" oder Vergleichsfälle durchgeführter Verfolgungsmaßnahmen zum Nachweis einer jedem Gruppenmitglied drohenden „Wiederholungsgefahr" nicht im erforderlichen Umfang oder überhaupt (noch) nicht festgestellt werden können, aber hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm vorliegen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht. Das kann etwa der Fall sein, wenn festgestellt werden kann, dass der Heimatstaat ethnische oder religiöse Minderheiten physisch vernichten oder ausrotten oder aus seinem Staatsgebiet vertreiben will. In derartigen extremen Situationen bedarf es nicht erst der Feststellung einzelner Vernichtungs- oder Vertreibungsschläge, um die beachtliche Wahrscheinlichkeit drohender Verfolgung darzutun. Die allgemeinen Anforderungen an eine hinreichend verlässliche Prognose müssen allerdings auch dann erfüllt sein. „Referenzfälle" politischer Verfolgung sowie ein „Klima allgemeiner moralischer, religiöser oder gesellschaftlicher Verachtung" sind auch dabei gewichtige Indizien für eine gegenwärtige Gefahr Verfolgung (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.1994 - 9 C 158/94 -, a.a.O.).
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Das Vorliegen der erforderlichen Verfolgungsdichte ist zu verneinen. Auch ist kein taugliches Verfolgungssubjekt im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG als Verantwortlicher für die geltend gemachten Verfolgungshandlungen festzustellen.
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Die Lage der Minderheit der Hindus in Afghanistan stellt sich für das Gericht bei Auswertung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel wie folgt dar:
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Dr. Danesch führt in seinem Sachverständigengutachten für das VG Hamburg vom 25.01.2006 unter anderem aus:
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„In Afghanistan lebten während der Zeit des Präsidenten Najibullah - je nach Quelle - zwischen 130.000 bis 200.000 Hindus und Sikhs, d.h. sie waren die größte religiöse Minderheit im Land. Insgesamt leben heute in Afghanistan noch 1.500 - 2.000 Hindus und Sikhs. Nach meiner intensiven Recherche leben in Kabul heute ca. 1.000 -1.300 Hindus und Sikhs. In Kandahar, im „Shekarpour"-Bazar, leben heute ca. 45 Hindu-Familien, etwa 150 bis 200 Personen. Einst existierte hier eine große Hindu und Sikh-Gemeinschaft von mehreren tausend Menschen. Einige der heutigen Bewohner leben in Privathäusern und haben sich nach außen hin vollkommen assimiliert. Der Rest lebt im Tempel unter äußerst provisorischen Bedingungen, die sich von den Lebensverhältnissen in Kabul nicht unterscheiden. In Jalalabad, im Osten des Landes, leben ungefähr 85 Familien (ca. 400 Personen) in einem ehemaligen Schulgebäude der Hindus und Sikhs, um sich gegenseitig zu unterstützen. Auch hier lebten vor Jahren noch mehrere Tausend Hindus und Sikhs, meist Geschäftsleute. In Khost, ebenfalls im Osten Afghanistans, lebten einst 400 Hindu-Familien, eine Gemeinschaft von ca. 2400 bis 3000 Menschen. Heute sind es noch ca. 30 Familien (120-150 Personen), die im Viertel „Kalay-e Hindu" im Zentrum der Stadt leben. Schulen gibt es dort nicht mehr; die Hindu-Kinder werden nur von ihren Eltern in ihrer Religion unterwiesen und wachsen ansonsten als Analphabeten auf, so dass die wenigen verbliebenen Hindus eine Zukunft in den untersten Bereichen der Gesellschaft erwartet. Auch dort haben sich, ähnlich wie in Kabul, alle in den Tempel zurückgezogen und werden derart bedroht und drangsaliert, dass sie sich bewaffnet haben, um sich notfalls zu verteidigen. Viele von ihnen sind in den letzten Jahren in die Hauptstadt geflüchtet. Man kann davon ausgehen, dass diese Hindu-Gemeinde bald nicht mehr existieren wird. In den Städten Ghazni, Gardez und Kunduz im Norden leben insgesamt etwa 100-150 Personen. Nachdem die Regierung Karsai im Dezember 2001 die Macht in Kabul übernahm und den Minderheiten in Afghanistan religiöse Freiheiten und Rechte versprach, veranlasste dies etliche Hindus und Sikhs, die nach Indien geflüchtet waren, zur Rückkehr, in der Hoffnung, gleichberechtigte Bürger Afghanistans zu sein und ihr Eigentum an Häusern und Firmen zurückzubekommen. Gerade diese Rückkehrer wurden aber in jeder Hinsicht enttäuscht, als die religiöse und ethnische Verfolgung sich fortsetzte. Sie flüchteten nun abermals aus dem Land. Nur die Ärmsten der Armen, die nicht über die nötigen Fluchtmittel verfügten, blieben im Lande zurück. ...
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Zunächst möchte ich ausführen, dass die Hindus und Sikhs von der muslimischen Bevölkerung - und auch von der afghanischen Regierung - als Atheisten und Götzendiener betrachtet werden, In den Augen der Muslime sind sie damit „Unreine", weshalb sie auch keine Aufnahme in den für Muslime vorgesehenen Flüchtlingslagern finden können. Als einzige Zufluchtsmöglichkeiten für abgeschobene Hindus bleiben damit nur ihre noch im Lande befindlichen Tempelanlagen. Dort können sie dann ihr Leben in Isolation von der Allgemeinheit fristen. Bereits die Mujahedin hatten die Infrastruktur der Hindu- und Sikh-Gemeinden zerschlagen und den Großteil der einst einflussreichen Minderheit aus dem Land vertrieben. Schon nach 1992 waren bis auf wenige Menschen, die sich eine Flucht aus finanziellen Gründen nicht leisten konnten, praktisch alle afghanischen Hindus und Sikhs geflüchtet. Auch die Taleban betrieben nach ihrer Machtübernahme (Einmarsch in Kabul 1996; Beherrschung praktisch des ganzen Landes ab 1998) gegenüber den wenigen noch im Land verbliebenen Hindus eine äußerst restriktive Politik. Hindus und Sikhs mussten Zeichen an ihrer Kleidung tragen, um sie kenntlich zu machen und besser kontrollieren zu können. Während der Taleban-Herrschaft waren die Hindus und Sikhs sowohl religiös als auch ethnisch motivierter Verfolgung ausgesetzt: zum einen als „Gottlose" und „Götzendiener", die den extrem fundamentalistischen Taleban womöglich noch verhasster waren als den Mujahedin; zum anderen wurden sie von den paschtunischen Taleban, deren politisches Ziel die Wiederherstellung der alten paschtunischen Vorherrschaft in Afghanistan war, auch als ethnische Minderheit diskriminiert. Im ganzen Land waren nur einige hundert Familien verblieben, die weit verstreut lebten und versuchten, sich der afghanischen Bevölkerung anzupassen, um nicht aufzufallen. Speziell in Kandahar wurden Hindus und Sikhs derart drangsaliert, dass sie versuchten, sich zu assimilieren, afghanische Kleidung trugen und Pashtu sprachen. Wenn man heute solche Menschen trifft, kann man verleugnet haben, um ihr Leben zu retten. Bereits an dieser Stelle möchte ich vorwegnehmen, dass sich mit der Vertreibung der Taleban und dem Einsetzen der Karsai-Regierung die Lage der Hindus und Sikhs nicht entscheidend geändert hat. Während meiner jüngsten Reise zwischen dem 10.12. und dem 26.12.2005 habe ich mich intensiv mit der Lebenssituation und politischen Lage der Hindus und Sikhs, besonders in Kabul, beschäftigt. Dabei kam mir zu statten, dass ich die Stadt seit beinahe dreißig Jahren gut kenne und - speziell auf diese Thematik bezogen - den direkten Vergleich zwischen der „Blütezeit" der Hindu-Gemeinden in den 1980er Jahren und ihrer heutigen Lage ziehen kann. Kabul ist eine Stadt, in der traditionell die verschiedenen Ethnien bestimmte Wohnviertel bevorzugen, beispielsweise lebten seit altersher im Westen mehrheitlich afghanische Schiiten. So stellten auch die Hindus und Sikhs in bestimmten Stadtgebieten traditionell die Mehrheit und besaßen dort ihre Tempel und Kultstätten. Viele der materiell gut gestellten Hindus und Sikhs waren Hausbesitzer und betrieben selbstständig größere oder kleinere Firmen oder waren im Handel tätig. Früher fand dort ein reiches kulturelles Leben statt. Die wohlhabenden Gemeinden waren auch in der Lage, eigene Schulen zu betreiben, an denen die junge Generation eine qualifizierte, staatlich anerkannte Ausbildung erhielt.
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Die materiellen Lebensverhältnisse der afghanischen Hindus und Sikhs sind heute dadurch gekennzeichnet, dass ihr Haus- und Grundbesitz enteignet wurde. Ihre einzige Zuflucht sind ihre ehemaligen Tempel in ihren alten Wohngebieten. Im Zuge meiner Recherchen suchte ich daher alle Viertel in der Hauptstadt auf, die traditionell von Hindus bewohnt wurden, wobei ich mich von zwei Hindu-Informanten begleiten ließ. In dem Viertel „Shur Bazar" im Süden Kabuls lebten von der Zeit Zahir Schahs bis zur Najibullah-Ära ca. 35.000 Hindus und Sikhs, die meisten aus der unteren und der Mittelschicht, darunter viele Ladenbesitzer. Heute ist es ein Armenviertel, in dem mehrere hunderttausend Menschen leben, jedoch praktisch keine Hindus und Sikhs mehr. Die Einwohner sind heute Muslime, unter ihnen viele ehemalige Mujahedin. Von der Hindu-Gemeinde ist im Straßenbild nichts mehr zu entdecken. Einst hatte es in diesem Viertel acht größere Tempel gegeben, Diese wollte ich aufsuchen, um festzustellen, ob in den Tempelbezirken noch Hindus lebten. Diese Tempel sind die einzigen Stellen, an die sich ein abgeschobener afghanischer Hindu wenden kann; abgesehen von der einmaligen 12-Dollar-Hilfe der UNO, die er als afghanischer Staatsangehöriger einfordern kann.
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Auf dem Gehweg zu einem der Tempel, der am Ende einer Gasse liegt, wurden wir von mehreren Mujahedin angehalten und angegriffen, da sie glaubten, wir kämen, um Ansprüche auf enteignete Häuser zu erheben. Insbesondere griffen sie meine Begleiter, zwei Hindus, tätlich an, beschimpften sie als Gottlose und verlangten zu wissen, was sie hierzu suchen hätten. Vor ihrem Angriff flüchteten wir in den Tempel, wo ich tatsächlich einige Hindu- und Sikh-Familien antraf. Auch in dem zweiten ehemaligen Tempel des Viertels leben noch wenige Personen. Von diesen Hindus im „Shur Bazar"-Viertel erhielt ich folgende Auskunft: Die ehemaligen Bewohner des Viertels seien fast alle nach Indien, manche auch nach Europa und Übersee geflüchtet. Von den einst acht Hindu-Tempeln sind vier so stark zerschossen, dass sie praktisch nur noch Ruinen darstellen. Trotzdem leben dort noch einige Familien. In zwei weiteren Tempeln leben auch einige Familien; die Mehrzahl der verbliebenen Hindus dieses Viertels konzentriert sich auf die vier Tempel, die ich aufsuchte. Doch auch diese sind durch den Krieg stark zerstört; ein Wiederaufbau hat bisher nicht stattgefunden.
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Die Tempel, in denen die Hindus und Sikhs nun zwangsweise leben, liegen durch die Kriegszerstörungen praktisch in Trümmern und sind völlig zerschossen. Wenige unzerstörte Räume ohne Türen und Fenster und ohne Einrichtung dienen den Bewohnern als Wohn- und Schlafräume, in denen einige zerfetzte Decken und ein paar Kochstellen die gesamte Ausstattung bilden. Besonders Frauen und Kinder sind sichtlich von Krankheiten und Mangelernährung gezeichnet. Man erklärte mir, die Menschen in dem von mir zuerst besuchten Tempel stammten aus der Stadt Khost, wo die Zustände so schlimm seien, dass sie in Kabul Zuflucht gesucht hätten, Die ca. siebzig Kinder, die im Tempel leben, wagen nicht, das Gelände zu verlassen, weil sie außerhalb ihrer Zuflucht von ihren muslimischen Altersgenossen beschimpft und mit Steinen beworfen werden.
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Teilweise leben dort auch verarmte muslimische Flüchtlinge, mit denen die Hindus sich wohl oder übel arrangieren müssen. In ihrer Blütezeit waren die Hindu-Tempel mit ihren prachtvollen Fassaden und ihrer herrlichen Ausstattung geradezu ein Symbol der afghanischen Kultur. Doch während der Jahre der Kämpfe - zwischen den Mujahedin und später während der Belagerung der Taleban - lagen die Tempel ständig in der Schusslinie, so dass ihre Architektur vollkommen zerstört wurde. Heute ist ihre Umgebung dazu noch unbeschreiblich schmutzig und offensichtlich die Abfallhalde der Nachbarschaft. Eine Kanalisation gibt es nicht; wenn es im Winter regnet, watet man dort zwanzig Zentimeter tief in stinkendem Schlamm. Die afghanische Regierung unternimmt nichts zu ihrer Restaurierung. Ich bin überzeugt davon, dass sie in wenigen Jahren nur noch Schutthaufen darstellen werden, die man abträgt, um neue Häuser für muslimische Afghanen zu bauen; dann wird dieses kulturelle Erbe unwiederbringlich verloren sein. In einem der Tempel sprach ich einen Familienvater direkt an und wollte von ihm wissen, wie seine Familie überlebe. Er gab mir folgende Auskunft, die auch für alle anderen Hindus gilt: „Ich hatte einen Gewürzladen im Bazar. Die Mujahedin haben ihn mir weggenommen, mich geschlagen und aus dem Bazar vertrieben. Ich hatte kein Geld, um aus dem Land zu fliehen, und musste hier bleiben. Inzwischen habe ich eine Frau und vier Kinder. Ich wohne in diesen Trümmern." Er zeigte mir einen Raum mit Betonboden, auf sich nur einige zerfetzte Decken, ein Gaskocher und etwas Blechgeschirr befand. Dort lebten sechs Personen. Seine Frau und seine Kinder wagten nicht, den Tempel zu verlassen. Über Tag hockten sie auf dem Hof, um sich in der Sonne zu wärmen. Auf die Frage, ob sie sich bei Nacht - bei Temperaturen bis minus zehn Grad - irgendwie wärmen könnten, lachte er nur. Sie hätten keine Möglichkeit, an Brennmaterial für ein Feuer zu kommen. Für genügend Brennholz müsste er das gesamte Geld, das er als Tagelöhner verdient, ausgeben. Nach dem Dunkelwerden werde trockenes Brot gegessen, und dann versuchten die Bewohner, ohne Licht und Wärme Schlaf zu finden. Auf Nachfrage erklärte er, manchmal finde er Arbeit als Tagelöhner, oft allerdings auch nicht. Wenn, dann verdiene er 100, mit Glück gelegentlich 150 Afghani am Tag (2 bzw. 3 Dollar) - für einen Arbeitstag von zwölf Stunden. Von diesem Geld könne er nur trockenes Brot für seine Kinder kaufen, damit sie wenigstens drei Mal am Tag etwas zu essen bekämen. Ganz selten gebe es Tee, der ein Almosen des Tempels sei. Fleisch, Obst, Gemüse, ja sogar Zucker für den Tee seien inzwischen Fremdwörter für sie. Auch er berichtete, von in- oder ausländischen Hilfsorganisationen hätten sie noch nie etwas gesehen. Seit drei Jahren appellierten die Hindus ständig an die Hilfsorganisationen, bekämen aber stets die Antwort, sie seien noch nicht an der Reihe. Manche gäben ihnen auch die zynische Antwort, sie seien doch Hindus, daher solle Indien ihnen helfen.
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Zusammenfassend ist festzustellen, dass nicht einmal die Versorgung der Hindus und Sikhs mit einem existenziellen Minimum an Lebensmitteln gesichert ist. Weder der Staat noch ausländische Hilfsorganisationen gewähren den Hindus und Sikhs die geringste Unterstützung. Die Tempel versuchen ihre Gemeindemitglieder, durch Mittel aus Almosen zu unterstützen, doch diese sind sehr gering und retten die Bewohner kaum vor dem Verhungern. Offensichtlich ist es die Politik der afghanischen Regierung, das Problem zu ignorieren und darauf zu warten, dass sich die Hindu-Frage sozusagen auf „demographische" Weise von selbst löst, indem die Mischung aus offiziellem Ignorieren, gesellschaftlicher Diskriminierung und kultureller und religiöser Unterdrückung die Hindus zwingt, sich entweder vollkommen anzupassen oder das Land zu verlassen. Wenn diese Entwicklung nicht gestoppt wird, ist wahrscheinlich, dass die Hindus als eigenständige Minderheit in Afghanistan innerhalb weniger Jahre ausgelöscht sein werden. Insgesamt sind die Bedingungen, unter denen die Hindus und Sikh in ihren ehemaligen Tempeln leben, so katastrophal, dass eine Abschiebung in der Tat - so das Kriterium deutscher Gerichte - bedeuten würde, Rückkehrer „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen [auszuliefern]".
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Die Hindus und Sikhs in Afghanistan sind auch einer expliziten Diskriminierung ausgesetzt, die eindeutig zum Ziel hat, sie als religiöse und kulturelle Minderheit innerhalb kürzester Zeit auszulöschen, ihre Schulen sind geschlossen. Hindus berichteten mir, sie hätten sich nach dem Antritt der Regierung Karsai an das Bildungsministerium gewandt und gebeten, wieder eigene Schulen für ihre Kinder einzurichten und mit Finanzen und Lehrern auszustatten; jedoch ohne die geringste Reaktion. Darüber hinaus haben die Hindus und Sikhs keinerlei theoretische oder praktische Möglichkeit, ihren während der Herrschaft der Mujahedin und der Taleban enteigneten Besitz zurück zu erlangen. Um den Hindus und Sikhs ihre Lebensgrundlage zu entziehen, hatten bereits die Mujahedin eine systematische Enteignungspolitik betrieben. Mujahedin- Kommandanten eigneten sich die Firmen, Läden und Privathäuser der Sikhs und Hindus an. Seitdem war es ihnen weder unter der Mujahedin-Herrschaft noch seit dem Amtsantritt der Regierung Karsai möglich, ihr Eigentum zurückzuerhalten. Daher leben heute die wenigen Hindus und Sikhs, die in Afghanistan verblieben sind, so gut wie ausschließlich in den ehemaligen Tempelbezirken ihrer Gemeinden. Sie müssen also ein Leben in der Isolation führen. Über die Enteignungen unmittelbar nach der Machtübernahme der Mujahedin berichteten mir einige alt eingesessene muslimische Händler im Geldbazar „Saray~e Schazdeh", der einst von Hindus dominiert wurden. Als die Mujahedin kamen, überfielen sie den Geldbasar, trieben Hunderte von Hindus zusammen, schlugen sie und konfiszierten ihre Läden und ihr Eigentum. Ihre Geschäfte wurden von Mujahedin übernommen, die dort heute als Händler sitzen und sich als „Ehrenmänner" geben und begreifen. Die Hindus haben keinerlei Aussicht, ihren Besitz zurück zu bekommen. Einige Beispiele sollen belegen, dass - anders, als die Hindus nach dem Amtsantritt der Karsai-Regierung gehofft hatten - auch die heutige Regierung nicht bereit ist, die Enteignungen der Mujahedin- und Taleban-Zeit rückgängig zu machen. Am 11.12.2005 traf ich im Laden eines der Bazarhändler, der mir Auskünfte gegeben hatte, zufällig einen Hindu. Er berichtete mir, sein Haus im Viertel „Ka!a-e Fatullah" sei von dem ehemaligen Handelsminister Mostafa Kazemi konfisziert worden. Er habe sogar gewagt, vor Gericht zu gehen. Gerade heute Morgen sei der Prozess zu Ende gegangen, und das Gericht hätte dem Minister das Haus zugesprochen. Dieser Kazemi war einer der wichtigsten Männer im Kabinett von Karsai und hat noch heute als Parlamentsabgeordneter eine wichtige Position. Dieser Kazemi ist eine so wichtige Person, dass er bei der Petersberg-Konferenz zur Neuordnung Afghanistans im Dezember 2001 wichtige Fäden im Hintergrund zog.
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Ein weiteres Beispiel aus Kabul: Der Sikh Rawinda Singh erklärte mir, er habe ein Haus in Kart-e Parwan besessen. Dieses sei vor zehn Jahren von einem bekannten Mujahedin-Kommandanten aus der Umgebung von Ahmad Schah Masud namens Gajum Somorod beschlagnahmt worden. Ihn und seine Familie habe man aus dem Haus vertrieben, geschlagen und mit dem Tod bedroht. Dieser Gajum sei später durch Kämpfe zwischen den Mujahedin-Fraktionen zu Tode gekommen. Heute lebe dort dessen Bruder, ein wichtiger Mann der Karsai-Regierung. Einmal habe er gewagt, Anspruch auf sein Haus zu erheben; doch der heutige Besitzer habe ihn mit dem Tod bedroht, wenn er noch einmal wagen würde, sein Eigentum zu beanspruchen.
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Einige Hindus erklärten, vor etwa einem Jahr hätten sie eine Delegation, die bei der Regierung vorstellig wurde und die Rückgabe ihres konfiszierten Eigentums verlangte. Doch man schickte sie nur in das Viertel „Shur Bazar" zu den Ältesten der Moscheen, die angeblich darüber entscheiden konnten. Dort jedoch begegneten sie nur bewaffneten Mujahedin, die ihnen mit dem Tod drohten, falls sie nicht verschwänden. In ihrer Religionsausübung werden die Hindus und Sikhs ebenfalls massiv behindert. Nach der Machtübernahme der Mujahedin mussten die Hindus miterleben, wie viele ihrer Tempel entweiht wurden. Beispielsweise benutzten die Mujahedin unter Präsident Rabbani einen Tempel in Kabul lange als militärischen Stützpunkt der „Schoray-e Nezar", des militärischen Arms der „Djamiat-e Islami'-Partei; zur großen Empörung der Hindus, die ihr Gotteshaus entweiht sahen. Bezeichnend, dass heute neben mehreren Hindu-Tempeln große Moscheen stehen. Diese haben ihre Lautsprecher so auf die Hindu-Tempel ausgerichtet, dass diese ständig mit den Gebetsrufen beschallt werden - eine interessante Mischung zwischen Bekehrungsversuch und Psychoterror. Nur noch in dem Tempel von Kart-e Parwan werden noch religiöse Zeremonien durchgeführt, allerdings möglichst verstohlen, um nicht die Aufmerksamkeit der muslimischen Umgebung auf sich zu ziehen, während noch in der Najibullah-Zeit die religiösen Feste öffentlich und mit großem Prunk begangen wurden.
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Die Bewohner von „Kart-e Parwan" berichteten, unter Najibullah hätten sie eine Verbrennungsstätte außerhalb des Stadtgebiets gehabt, im Süden von Kabul im Viertel „
Kalatsche
". Doch die dortige, muslimische Bevölkerung gestatte ihnen heute nicht mehr, ihre Toten dort zu verbrennen. Mehrmals hätten sie dies versucht, doch sie wären geschlagen und von dem Areal vertrieben worden. Auf Beschwerden beim Innenministerium erklärte man den Hindus und Sikhs, sie sollten Polizeischutz für ihre Zeremonien anfordern. Sie mussten jedoch erleben, dass die Polizei nicht auftauchte und sie - unter Mitnahme ihrer toten Angehörigen - vor eine aufgebrachten muslimischen Menge flüchten mussten.
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Da die Regierung ihnen keinen Ersatz zur Verfügung stelle und ihr Anliegen ignoriere, hätten sie sonst nur die Möglichkeit, ihre Toten in Pakistan oder insgeheim irgendwo in Afghanistan zu verbrennen, ein beschwerliches und teures Unternehmen. Daher seien sie darauf angewiesen, ihre Toten im Tempel von Kart-e Parwan zu verbrennen, ein Verfahren, das im Übrigen ihren religiösen Geboten widerspricht. Doch sogar dies sei ihnen offiziell verboten. Die Menschen, die ihnen ihre Häuser geraubt hätten, ließen dies nicht zu. Einer davon sei der ehemalige Verteidigungsminister Fahim. Er habe ihnen gedroht, ihren Tempel zerstören zu lassen, wenn sie noch einmal eine Verbrennung dort abhielten. Nicht einmal diese Zeremonie, die in ihrer Religion von zentraler Bedeutung ist, können die Hindus also in Afghanistan abhalten. Ich suchte die ehemalige Verbrennungsstätte im Süden von Kabul auf und befragte die Anwohner. Diese bestätigten mir die Berichte. Hindus und Sikhs sind also eindeutig religiöser Diskriminierung ausgesetzt, die sie daran hindert, ihre religiösen Riten auszuüben und deren Ge- und Verbote einzuhalten.
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Am bedeutsamsten jedoch für die fortgesetzte Existenz der Hindus und Sikhs als kulturell eigenständige Minderheit und für ihr Überleben in der Zukunft ist jedoch die Politik, die in Afghanistan gegenüber der jungen Generation betrieben wird. Ganz abgesehen von dem humanitären Aspekt des Leidens der Kinder wird hier systematisch versucht, sie von jedem Zugang zu Bildung fernzuhalten. Der Druck auf die Gemeinden geht sogar bis zur Zwangsbekehrung von Kindern. Insgesamt befinden sich in Kabul noch ca. 120 Hindu- und Sikh-Kinder. Sie sind schwer traumatisiert, völlig verängstigt und fürchten sich, das Gelände ihrer Tempel zu verlassen, um nicht von den muslimischen Kindern drangsaliert und geschlagen zu werden. Die Hälfte von ihnen besucht die so genannte Hindu-Schule. Diese ist allerdings nicht staatlich anerkannt; die Kinder werden dort nur in Religion und in ihrer eigenen Sprache unterrichtet. Die Schule hat kaum Einrichtung und Lehrmittel und nur eine einzige Klasse für Kinder von 6 bis 12 Jahren. Die Regierung stellt weder Gelder noch Lehrer. Die Hindu-Gemeinde ist, wie der Schuldirektor erklärte, nicht mehr in der Lage - wie in ihrer Blütezeit unter Najibullah -, aus eigenen Mitteln für die Schulausbildung der Kinder zu sorgen. Für ihr Leben in Afghanistan können die Kinder mit dieser Schulbildung nichts anfangen; in der afghanischen Sprache sind sie dennoch Analphabeten und erlangen keinen Schulabschluss. Diese einzige Schule befindet sich in Kart-e Parwan. Der so genannte Direktor, Otar Singh - der einzige Lehrer - erklärte, vor zweieinhalb Jahren seien einmal Vertreter von zwei NGOs dort gewesen und hätten ihnen zugesagt, beim Erziehungsministerium vorstellig zu werden, damit ihnen geholfen werde. Doch auf Hilfe warteten sie bis heute. „Es ist eine Lüge, wenn die UNO oder andere erzählen, sie hätten uns geholfen", sagte er wörtlich. Seiner Einschätzung nach sei es die Politik der Regierung, die Hindus so unter Druck zu setzen, dass sie entweder das Land verließen, oder die nächste Generation sich vollkommen assimiliere. Damit sei dann für die Afghanen das Problem gelöst. In den letzten zwei Jahren seien seiner Kenntnis nach in Kabul sieben Hindu-Kinder verhungert. Die Kinder in den anderen Vierteln haben nicht einmal Zugang zu dieser Schule, da sie nicht die Möglichkeit haben, den weiten Weg dorthin zurückzulegen. Familien haben auch immer wieder versucht, ihre Kinder in die muslimischen Schulen einzuschulen, um sie nicht als Analphabeten aufwachsen zu lassen. Doch dort wurden sie geschlagen, als Gottlose beschimpft und gezwungen, am Koranunterricht teilzunehmen. Die staatlichen Schulen versuchten ganz offen, sie zum Islam zu bekehren.
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Zusammenfassend lässt sich also zu Ihrer Frage 5 Folgendes festhalten: In der Tat erreicht die religiös motivierte Verfolgung von Hindus und Sikhs im heutigen Afghanistan asylrelevante Intensität. Hindus und Sikhs sind in ihrer Religionsausübung und kulturellen Identität in einem derartigen Ausmaß eingeschränkt, dass ihre Existenz als eigenständige Minderheit akut bedroht ist. Insbesondere muss der häufig getroffenen Einschätzung des Bundesamts widersprochen werden, die Regierung Karsai sei in der Lage oder bereit, Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung zu gewährleisten. An verschiedenen Punkten - keine Zurückerstattung enteigneten Besitzes, Verbot religiöser Zeremonien, Verweigerung der Unterstützung der Gemeinden in ihren Bildungsbestrebungen, Zwangsbekehrungen mit Rückendeckung der staatlichen Justiz usw. -wurde nachgewiesen, dass die Regierung Karsai die Hindu- und Sikh-Minderheit nicht nur nicht schützt, sondern sich aktiv an ihrer Verfolgung beteiligt. Insofern kann man für die Hindu- und Sikh-Minderheit tatsächlich von einer nichtstaatlichen wie einer staatlichen oder zumindest doch staatlich sanktionierten Verfolgung sprechen. Gegen diese und gegen gezielte Diskriminierungen und Behinderungen haben die Hindus keinerlei Möglichkeit, sich zu wehren, weder individuell noch durch Appelle an den Staat oder auf juristischem Wege.“
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Das Auswärtige Amt kommt in seinem Lagebericht vom 24.11.2005 zu folgender Einschätzung (S. 22 f.):
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„Nach offiziellen Schätzungen sind etwa 84 % der afghanischen Bevölkerung sunnitische Muslime, ca. 15 % schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften (wie z. B. Sikhs, Hindus, Christen) machen nicht mehr als einen Prozent der Bevölkerung aus.
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Artikel 2 der neuen afghanischen Verfassung bestimmt in Absatz 1, dass der Islam Staatsreligion Afghanistans ist. Absatz 2 der Vorschrift räumt Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften das Recht ein, im Rahmen der Gesetze ihren Glauben auszuüben und ihre religiösen Bräuche zu pflegen. Somit gibt es in Afghanistan das Recht auf freie Religionswahl und -ausübung. Dieses Recht steht unter einem Gesetzesvorbehalt. Er ist nach Kenntnis der Auswärtigen Amts bislang nicht konkretisiert worden. Am 17.09.2003 hat Präsident Karzai die Einsetzung eines islamischen religiösen Rates (Shura) per Dekret genehmigt. Die Shura, in der Religionsgelehrte aller Provinzen vertreten sein sollen, umfasst rund 2.600 Mitglieder. Die Religionsgelehrten sollen dafür Sorge tragen, dass die Gebote des Islam eingehalten werden und insbesondere auch der Propaganda entgegenwirken, die zum Heiligen Krieg gegen die Übergangsregierung aufruft. Bislang ist dieser Rat lediglich mit der Ausarbeitung einer Resolution in Erscheinung getreten, in der die einflussreichen Religionsgelehrten aufgerufen werden, die Übergangsregierung zu unterstützen. Im Religionsministerium wurde eine Abteilung zur "Überwachung der Einhaltung religiöser Vorschriften" mit fünf Unterabteilungen (Ursprung islamischer Wissenschaften, "Einladung zum Islam und Hinweisung", soziale Reformen, Erkennen von Unglauben sowie "Einladung zum Islam und Hinweisung für Frauen") gegründet. Die Abteilung verfügt nicht über polizeiliche Befugnisse. Leiter der Abteilung ist Sayed Ababas Quasimi, ein im Iran ausgebildeter Islamwissenschaftler, der auch zeitweise Architektur in Hamburg studiert hat. Als Schwerpunkt der Abteilung sieht er die grundlegende Information von Bürgern über Fragen der Hygiene, des Umweltschutzes, des Zusammenlebens in der Familie u. a. wie auch die Rechte und Pflichten in der Gesellschaft auf der Grundlage des Islam. Als Leitlinie wurde zudem die Verhinderung der Diskriminierung von Frauen und Ermutigung zu ihrer Fortbildung und stärkerer Teilnahme an der Gesellschaft genannt. Schlechte finanzielle und Sachausstattung verstärken den Eindruck, dass die Einrichtung der Abteilung kein prioritäres Anliegen der Regierung ist.
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Die früher in Kabul lebende Hindu- und Sikh-Minderheit (zusammen deutlich unter ein Prozent der Bevölkerung) gibt sich gegenwärtig praktisch nicht zu erkennen. Nach Angaben einer indischen Nachrichtenagenturleben etwa 5.000 Hindus und Sikhs in Afghanistan. Nach Auskunft der "Stiftung für Kultur und Zivilgesellschaft", die sehr enge Beziehungen in die afghanische Hindu-Gemeinde unterhält, gibt es gravierende Fälle von Diskriminierung gegen Hindus. Die Handlungen richten sich gegen die Ausübung der religiösen Sitten und Gebräuche der Hindu-Minderheit.
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Hindus werden auch Opfer illegaler Landnahme. Häuser und Grundstücke werden von Kommandeuren und deren bewaffneter Gefolgschaft besetzt. Dem Auswärtigen Amt sind zudem Fälle bekannt, in denen Hindus illegal von einzelnen Kommandeuren aus ihren Häusern vertrieben wurden, bzw. nach ihrer Rückkehr aus dem Ausland nicht ihren rechtmäßigen Grundbesitz erhalten haben. Diese illegale Landnahme geht nicht selten einher mit massiven Einschüchterungen gegen die rechtmäßigen Eigentümer. Hierbei handelt sich allerdings nicht um ein spezifisch gegen Hindus gerichtetes Phänomen. Auch andere Bevölkerungsgruppen sind davon betroffen. Hindu-Rückkehrer kommen häufig nur in den noch existierenden Hindu-Tempeln unter und leben unter äußerst schwierigen Bedingungen. Ursache dafür ist nach Angaben der "Stiftung für Kultur und Zivilgesellschaft" der Umstand, dass die meisten Hindus ihre Häuser und Geschäfte verloren haben. Im Oktober 2005 verlief in Kabul das neuntägige Hindu-Fest Navratna, das in den Tempeln der Stadt gefeiert wurde, nach Meldung der „Hindustan Times Indo-Asian News Service Kabul“ hingegen ohne Zwischenfälle.“
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Ausgehend von diesen Erkenntnissen ist auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers und seiner Familie, die bis Mai 2005 in Afghanistan lebte, eine Gruppenverfolgung von Hindus in Afghanistan nicht festzustellen. Die Lage der Hindus stellt sich zwar in der Tat als dramatisch schlecht dar und ist noch verheerender als die Lage der anderen Afghanen. Jedoch lassen sich nicht genügend gezielte Übergriffe gegen Hindus in Afghanistan feststellen, die asylerheblich wären, um auf eine Verfolgung der gesamten religiösen Minderheit schließen zu können. Der eindrucksvolle Bericht von Dr. Danesch enthält neben aktuellen Schilderungen auch immer wieder Rückgriffe auf die Zeit vor der Machtübernahme der Taliban und auf die Zeit unter den Taliban. Diese Darstellungen sind zwar geeignet, die allgemein ablehnende Haltung der Mehrheit gegenüber den Hindus und Sikhs zu illustrieren. Für die Frage aber, ob augenblicklich eine Gruppenverfolgung festzustellen ist, haben diese „Referenzfälle“ jedoch außer Betracht zu bleiben. Allgemeine Diskriminierungen vermögen eine im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG relevante Verfolgung aufgrund der Religion der Hindus nicht zu begründen. Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Verfolgungshandlung ist, dass die Eingriffe und Beeinträchtigungen eine Schwere und Intensität aufweisen, die die Menschenwürde verletzt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 ua. -, BVerfGE 76, 143 ff.). Dies ist bei einer Gesamtbetrachtung der vorliegenden Erkenntnisse nicht der Fall. Die erbärmlichen Lebensverhältnisse für die Mehrzahl der Hindus ergibt sich daraus, dass sie, als Angehörige einer Glaubensrichtung, die in erschreckender Weise von der afghanischen Gesellschaft ausgegrenzt wird, damit von der Möglichkeit, sich eine menschenwürdige Existenz durch Arbeit zu sichern, ferngehalten wird. Dies ist aber keine gezielte Rechtsgutsverletzung zu Lasten der Gruppe der Hindus. Es ist vielmehr die Kombination von Ausgrenzung und Abgrenzung auf der einen Seite und den allgemein katastrophalen Lebensbedingungen in Afghanistan auf der anderen Seite. Nur diese Kombination führt zu den nicht mehr als menschenwürdig zu bezeichnenden Lebensbedingungen der Hindus, die schon vor 2003 schweren Übergriffen ausgesetzt waren, ohne dass dies damals für jeden Hindu gleich die Gefahr des schlichten Verhungerns bedeutet hätte. Dass den Hindus jegliches „religiöses Existenzminium“ genommen würde, lässt sich trotz der dahingehenden Behauptung in der Stellungnahme von Dr. Danesch nicht feststellen. Einmal sprechen die Angaben des Klägers und seiner Familienangehörigen selbst dagegen. Sie haben nämlich einheitlich angegeben, dass die Verbrennung ihrer Toten, wenn auch nicht am dafür eigentlich vorgesehenen Ort, weiterhin stattfinden könne. Auch spricht der Hinweis des Auswärtigen Amtes, dass das Navratna-Fest öffentlich gefeiert werden konnte, gegen einen Entzug des so genannten religiösen Existenzminimums. Ein Klima allgemeiner moralischer, religiöser oder gesellschaftlicher Verachtung, das auch in erheblichen Maße zu Übergriffen führt, ließe die Durchführung eines solchen Festes wohl nicht zu.
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Ein weiterer Grund, weshalb eine Gruppenverfolgung nicht zu bejahen ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass sich ein Verfolgungssubjekt nicht feststellen lässt, so dass selbst dann, wenn die Verfolgungsintensität entgegen den obigen Ausführungen zu bejahen wäre, die Klage hinsichtlich § 60 Abs. 1 AufenthG keinen Erfolg haben kann. Eine unmittelbare staatliche Verfolgung scheidet nach den tatsächlichen Feststellungen aus. Es ist nicht zu erkennen, dass der afghanische Staat unter Ausnutzung seiner Machtinstrumente gezielt gegen Hindus in Afghanistan vorgehen würde. Auch eine mittelbarer staatliche Verfolgung lässt sich nicht feststellen. Dafür müsste eine Duldung oder gar wohlwollende Unterstützung von Übergriffen gegen Hindus festzustellen sein. Bei Betrachtung der von Dr. Danesch geschilderten Einzelschicksale lässt sich zwar erkennen, dass die Hindus seitens der Regierung nicht im rechtlich gebotenen Maße unterstützt werden. Hilfe gegen bereits vor zehn Jahren erfolgte Enteignungen wird verweigert. Ein gezieltes Untätigbleiben gegen aktuelle Übergriffe lässt sich jedoch nicht als Regelfall erkennen, so dass auch eine mittelbare staatliche Verfolgung nicht bejaht werden kann. Schließlich ist auch eine Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure nicht zu bejahen. Es fehlt hier an einer fest umrissenen Gruppe nichtstaatlicher Akteure. Die nichtstaatlichen Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c) AufenthG bedürfen eines gewissen Organisationsgrades (Wenger, in: Storr u.a., Kommentar zum Zuwanderungsgesetz, 1. Aufl. 2005 § 60 AufenthG Rn. 4). Damit wird einerseits ausgeschlossen, dass spontane Übergriffe Einzelner schon zum Anspruch auf Schutz durch den Aufnahmestaat führen. Andererseits wird mit dieser Auslegung auch erreicht, dass nicht eine pauschale Zurechnung von Gewalttaten zu Lasten ganzer Volksgruppen erfolgt, weil eine Volksgruppe als solche nicht über den erforderlichen Organisationsgrad verfügen kann (VG Sigmaringen, Urt. v. 18.07.2005 - A 2 K 11678/03). Die auch in den sachverständigen Äußerungen nie näher konkretisierten „Teile der moslemischen Bevölkerung“ verfügen nicht über einen gewissen Organisationsgrad. Es handelt sich hier um viele Einzelne, welchen eine Organisation gerade fehlt. Daher scheidet die Annahme einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure auch aus rechtlichen Gründen aus (a.A zur Gruppenverfolgung von Hindus in Afghanistan: VG Wiesbaden, Urt. v. 17.02.2006 7 E 559/05.A(1) -, AuAS 2006, 90 ff.).
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Die Klage ist auch in ihrem zulässigen Hilfsantrag - teilweise - unbegründet. Es bestehen keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Weder besteht für den Kläger die konkrete Gefahr, der Folter unterworfen zu werden (§ 60 Abs. 2 AufenthG), noch droht ihm wegen irgend einer Straftat die Todesstrafe (§ 60 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Nach § 60 Abs. 5 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK darf ein Ausländer nicht in einen Heimatstaat abgeschoben werden, in dem ihm grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Für das Vorliegen eines dieser Abschiebungsverbote ist nichts ersichtlich.
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Die Klage hat allerdings Erfolg, soweit mit ihr die Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird. Dem Kläger droht im Falle seiner Rückkehr eine erhebliche und konkrete Gesundheits- und Lebensgefahr aufgrund der desolaten Versorgungslage der Hindus in Afghanistan.
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Dies ergibt sich zwingend aus dem oben Ausgeführten und aus den angeführten Stellungnahmen. Dem Kläger ist es nicht mehr möglich, als Hindu im Falle seiner Rückkehr seine Existenz zu sichern. Ein Überleben ohne Gesundheitsschädigungen ist ihm aufgrund der desolaten Versorgungslage sehr wahrscheinlich nicht möglich, so dass eine konkrete und erhebliche Gesundheitsgefährdung im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG zu bejahen ist.
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Es handelt sich bei den zurückkehrenden Hindus um eine Bevölkerungsgruppe nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, mit der Folge, dass grundsätzlich eine Entscheidung nach § 60a Abs. 1 AufenthG durch die oberste Landesbehörde vorrangig ist. Hieraus ergibt sich, dass in den Fällen, in denen bei einer allgemeinen Gefahrenlage eine Anordnung nach § 60a Abs.1 AufenthG fehlt, ein Abschiebungshindernis im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur dann bejaht werden kann, wenn die Gefahrenlage landesweit so beschaffen ist, dass jeder von einer Abschiebung Betroffene gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen überantwortet würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - 9 C 9.95 - Buchholz 402.240 Nr. § 53 Nr. 11, Urt. v. 29.03.1996 - 9 C 116.95 -, Buchholz 402.240 § 53 Nr. 31, Urt. v. 19.11 1996 - 1 C 6 95 -. Buchholz 402.240 § 53 Nr. 5). Eine solche Gefahrenlage besteht hier, wie dargestellt, für zurückkehrende Hindus, da für sie nur ein Überlebenskampf in einem Tempel als Möglichkeit bleibt und die drohende Unterernährung schwerste Gesundheitsrisiken zwangsläufig mit sich bringen muss.
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Im Übrigen gilt die Feststellung, dass Rückkehrer im Falle ihrer Abschiebung schwersten Gesundheitsschädigungen überantwortet würden, nicht nur für Angehörige der Religionsgemeinschaft der Hindus. Die Aussage gilt darüber hinaus auch für jeden anderen Rückkehrer, der über keine funktionierende Familienstruktur verfügt, die ihn auffangen könnte. Dies ergibt sich aus den weiteren Ausführungen von Dr. Danesch in seinem Gutachten vom 25.01.2006 (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 16.03.2006 - A 2 K 10688/05). Auch zu dieser Gruppe gehört der Kläger, nachdem seine gesamte Familie derzeit mit ihm in Deutschland weilt und niemand der anderen Familienmitglieder in der Lage ist, in Afghanistan für sich selbst, geschweige denn für andere, zu sorgen. Vielmehr sind die anderen von dem Arbeitseinsatz des Klägers abhängig.
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Die Abschiebungsandrohung erweist sich damit als teilweise rechtswidrig. Sie verletzt den Kläger in eigenen Rechten und ist insoweit aufzuheben, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Ermächtigungsgrundlage für die Abschiebungsandrohung findet sich in den §§ 34 Abs. 1 Satz 1, 38 AsylVfG, 59 AufenthG. Dem Erlass steht das Vorliegen eines Abschiebungsverbot auch nicht entgegen, § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Jedoch darf Afghanistan nicht als Zielstaat der Abschiebung, welche dem Kläger angedroht wird, bezeichnet sein, da zu seinen Gunsten insoweit ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG greift. Auch wenn Afghanistan damit eigentlich als Staat, in den die Abschiebung nicht erfolgen darf, ausdrücklich bezeichnet werden müsste (vgl. § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG), bleibt nach der Aufhebung der Zielstaats die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt (§ 59 Abs. 3 Satz 3 AufenthG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 155 Abs. 1 VwGO. Sie vollzieht das anteilige Unterliegen und Obsiegen der Beteiligten nach. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 83 b Abs. 1 AsylVfG.
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