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Die ohne Durchführung eines Vorverfahrens (vgl. § 11 LHGebG) zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 03.04.2007, mit dem diese den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Studiengebührenpflicht für das Sommersemester 2007 abgelehnt hat, ist rechtswidrig. Der Klägerin steht ein Anspruch auf die beantragte Befreiung zu (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
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Nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 des Landeshochschulgebührengesetzes - LHGebG - in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des Landeshochschulgebührengesetzes und anderer Gesetze vom 19.12.2005 (GBl S. 794, ber. 2006, S. 15) „sollen“ Studierende von der Gebührenpflicht nach § 3 befreit werden, bei denen sich eine Behinderung im Sinne von § 2 SGB IX „erheblich studienerschwerend auswirkt“. Allgemeinen Grundsätzen entsprechend (vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., § 7 Rn. 11) folgt aus der Ausgestaltung der Regelung als „Soll-Vorschrift“, dass der Antragsteller bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen in der Regel von der Studiengebührenpflicht zu befreien ist; lediglich in atypischen Sonderfällen kann die Befreiung nach Ermessen abgelehnt werden (vgl. auch Urt. der Kammer 15.10.2008 - 7 K 1409/07 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 12.03.2009 - 2 S 1229/08 -, juris sowie LTDrucks 13/4858, S. 22, 58).
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Im vorliegenden Fall sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt. Die Klägerin leidet an einer Behinderung im Sinne des § 2 SGB IX, die sich erheblich studienerschwerend auswirkt (im Folgenden unter 1.). Da kein atypischer Ausnahmefall vorliegt, hat die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der Befreiung (im Folgenden unter 2.).
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1. Die Klägerin leidet an einer Behinderung im Sinne des § 2 SBG IX. Nach § 2 Abs.1 S.1 SGB IX liegt eine Behinderung vor, wenn infolge einer dauernden Abweichung der körperlichen Funktionen, der geistigen Fähigkeiten oder der seelischen Gesundheit von dem für das Lebensalter typischen Zustand die Teilhabe des Betreffenden am „Leben in der Gesellschaft“ im generellen Durchschnittsalltag ganz allgemein „beeinträchtigt“ ist. Ausweislich der von ihr vorgelegten ärztlichen Atteste vom 13.03.2007, 16.03.2007, 22.03.2006 und 06.09.2007 leidet die Klägerin an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus und einer schweren rezidivierenden depressiven Störung. Ihre Erkrankung ist verbunden mit Phasen schwerster Antriebsminderung, Apathie und Lethargie sowie ausgeprägten Selbstzweifeln, die zu Suizidgedanken mit Suizidversuch sowie Schnittverletzungen im Sinne von Eigenverletzung geführt haben. Hinzu kommen Konzentrationsstörungen, Beeinträchtigungen im Durchhaltevermögen und in der Belastbarkeit, sowie Bauchschmerzen, Übelkeit, Rückenschmerzen, Herzstechen und ausgeprägte Angstzustände. Die Klägerin befindet sich wegen ihrer Erkrankung seit dem Jahr 2001 in ambulanter, psychotherapeutischer Behandlung; sie war auch mehrfach in stationärer, psychosomatischer Therapie. Aus dem erforderlichen, auch in zeitlicher Hinsicht aufwendigen Therapiebedarf sowie den mit der chronischen Erkrankung verbundenen Symptomen ergibt sich ohne weiteres, dass die Klägerin im Lebensvollzug nicht nur allgemein, sondern schwerwiegend beeinträchtigt ist. Das Vorliegen einer Behinderung im Sinne des § 2 SGB IX wird im Übrigen auch von der Beklagten nicht in Frage gestellt.
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Die Behinderung der Klägerin wirkt sich auch im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LHGebG erheblich studienerschwerend aus. Die Schwelle der „Erheblichkeit“ der Studienerschwernis wird im Gesetz selbst nicht näher konkretisiert. Die Ausfüllung dieses offenen Begriffs soll nach dem Willen des Gesetzgebers unter Zuhilfenahme sozialrechtlicher Maßstäbe und Instrumente (z.B. Feststellung des Behinderungsgrades bzw. der Schwerbehinderteneigenschaft durch die Versorgungsämter, Schwerbehindertenausweis, vgl. §§ 69, 2 Abs. 2 SGB IX) erfolgen. Dabei ist es für den Befund der Erheblichkeit der Studienerschwernis nicht zwingend, dass die Schwerbehinderteneigenschaft festgestellt ist. Die Feststellung eines bestimmten Grades der Schwerbehinderung kann lediglich zu Gunsten des Behinderten eine Beweiserleichterung für den Nachweis der „erheblichen Studienerschwernis“ bewirken (vgl. Urt. der Kammer 15.10.2008, a.a.O.; vgl. auch VG Freiburg, Urt. v. 07.05.2008 - 1 K 1001/07 -, juris). Fehlt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft muss sich die „erheblich studienerschwerende“ Auswirkung der Behinderung - unter Heranziehung ärztlicher Atteste und Gutachten - aus der konkreten Behinderung und den damit verbundenen zeitlichen Nachteilen im Studium im Einzelfall ergeben (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 07.05.2008, a.a.O.).
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Dabei geht die Kammer in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Freiburg (Urt. v. 07.05.2008, a.a.O.) grundsätzlich davon aus, dass die studienerschwerende Auswirkung im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LHGebG einen zeitlichen Nachteil voraussetzt. Dieser kann darin bestehen, dass den behinderten Studierenden das Aufsuchen der Orte der Lehrveranstaltungen, das Aufnehmen des vermittelten Wissens sowie das Wiedergeben und Darstellen von Kenntnissen (u.a. in Lehrveranstaltungen und Prüfungen) sowie die Aneignung und der Nachweis praktischer Fertigkeiten infolge seiner Behinderung mehr Zeit kostet als den durchschnittlich Gesunden. Eine Studienerschwernis liegt aber auch vor, wenn dem behinderten Studierenden insgesamt weniger Zeit zur Verfügung steht als einem gesunden Studierenden, weil er einen Teil des Zeitbudgets, das durchschnittlich gesunden Studierenden normalerweise zur Verfügung steht, für die Kompensation seiner behinderungsbedingten körperlichen, geistigen oder seelischen Mängel oder auch für deren Behandlung und Milderung aufwenden muss (VG Freiburg, Urt. v. 07.05.2008, a.a.O.). Dabei muss die Behinderung tatsächlich nicht zu einer Verlängerung der Studiendauer führen. Vielmehr ist eine Befreiung im Grundsatz auch dann möglich, wenn der Studierende es trotz seiner Behinderung und der damit verbundenen Studienerschwernisse doch noch schafft, sein Studium studienplangemäß durchzuführen, weil er diese Nachteile durch einen weit übermäßigen Arbeitseinsatz und unter Anspannung aller seiner Kräfte gerade noch kompensieren kann (VG Freiburg, Urt. v. 07.05.2008, a.a.O., mit dem überzeugenden Hinweis darauf, dass § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LHGebG im Unterschied zur Vorgängerregelung des § 7 Abs. 2 S. 2 LHGebG a.F. nicht an das Tatbestandsmerkmal der „Studienzeitverlängerung“ anknüpft). Ob die zeitliche Mehrbelastung das Maß der Erheblichkeit überschreitet, ist nach Auffassung der Kammer aufgrund einer wertenden Betrachtung unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (zum Ganzen Urt. der Kammer v. 15.10.2008, a.a.O.).
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Danach ist mit Blick auf die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Unterlagen ohne weiteres davon auszugehen, dass sie infolge ihrer Behinderung/Erkrankung mehr Zeit für ihr Studium bzw. zur Kompensation ihrer behinderungsbedingten Defizite aufwenden muss als ein durchschnittlich gesunder Studierender. Die Kammer hat auch keine Zweifel, dass dieser zeitliche Nachteil die Schwelle der Erheblichkeit überschreitet. In den vorgelegten ärztlichen Unterlagen wird als Hauptdiagnose eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus und eine schwere rezidivierende depressive Störung genannt. Diese chronischen psychischen Störungen sind bei der Klägerin ausweislich der vorgelegten ärztlichen Atteste verbunden mit Phasen schwerster Antriebsminderung, Apathie und Lethargie sowie ausgeprägten Selbstzweifeln, die zu Suizidgedanken mit Suizidversuch sowie Schnittverletzungen im Sinne von Eigenverletzung geführt haben. Hinzu kommen Konzentrationsstörungen, Beeinträchtigungen im Durchhaltevermögen und in der Belastbarkeit, sowie Bauchschmerzen, Übelkeit, Rückenschmerzen, Herzstechen und ausgeprägte Angstzustände. Die Klägerin befindet sich wegen ihrer Erkrankung seit dem Jahr 2001 in ambulanter, psychotherapeutischer Behandlung und war auch mehrfach in stationärer, psychosomatischer Therapie. Die ärztlichen Atteste vom 13.03.2007 und 16.03.2007 bescheinigten darüber hinaus, dass sie durch ihre Erkrankung im Bewältigen ihres Studiums schwerst beeinträchtigt sei. Über Wochen sei es ihr danach nicht möglich gewesen, sich ihrem Jurastudium zuzuwenden; durch ihre Erkrankung sei es zu einer deutlichen Verzögerung des Studienabschlusses gekommen.
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Vor diesem Hintergrund steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin an einer chronischen psychischen Erkrankung leidet, die bereits die Fähigkeit zu rationalem, konzentriertem und effektivem Lernen und Arbeiten und damit eine Grundbedingung des Studierens beeinträchtigt. Da mit Blick auf die fachärztlich diagnostizierte Schwere des Leidens nichts dafür spricht, dass sich diese Beeinträchtigung auf kürzere Phasen beschränkt, geht die Kammer davon aus, dass sich bereits hieraus im Studienalltag signifikante zeitliche Mehrbelastungen ergeben. Wird berücksichtigt, dass der Klägerin das für ihr Studium zustehende Zeitbudget auch durch den erforderlichen Therapieaufwand (Psychotherapie) gekürzt wird und wegen den mit den Grunderkrankungen verbundenen Symptomen weitere zeitliche Nachteile hinzukommen, hat die Kammer keinerlei Zweifel, dass die krankheitsbedingte zeitliche Mehrbelastung den für die Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle erforderlichen Umfang erreicht.
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2. Dass ein atypischer Sonderfall gegeben ist, in dem trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen der Soll-Vorschrift des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LHGebG ausnahmsweise von einer Befreiung abgesehen werden kann, lässt sich nicht feststellen.
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Die Beklagte meint, mit Blick auf die mit der Einführung der Studiengebühr verfolgten Ziele (vgl. hierzu LTDrucks 13/4858, S. 1) sei jedenfalls einem Studierenden, dessen Studiendauer - wie die der Klägerin, die im Sommersemester 2007 im 28. Hochschulsemester studierte - außergewöhnlich lang sei, die Zahlung der Studiengebühr zuzumuten. Im Übrigen sei ein atypischer Fall jedenfalls bei einer festgestellten Studierunfähigkeit anzunehmen. Mit diesem Vorbringen ist indes das Vorliegen eines atypischen Sonderfalls nicht dargetan.
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Die Beklagte zeigt bereits nicht besondere, maßgeblich den Einzelfall der Klägerin betreffende Umstände auf, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, abweichend vom gesetzlichen Regelfall (vgl. LTDrucks 13/4858, S. 22, 58) über die Befreiung nach Ermessen zu entscheiden. Der Sache nach will sie vielmehr - unabhängig vom Einzelfall - bezogen auf die gesamte Gruppe der behinderten Studierenden, deren Hochschulsemesterzahl besonders hoch ist bzw. die studierunfähig sind, die Möglichkeit eröffnen, die Befreiung von der Studiengebühr zu versagen. Eine generelle gebührenrechtliche Schlechterstellung dieser Gruppe - ohne Würdigung im Einzelfall - bedarf nach Ansicht der Kammer jedoch einer abstrakt-generellen Regelung, mithin einer ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers. Sie kann von den Hochschulen nicht dadurch erreicht werden, dass sie im Rahmen der Anwendung der Befreiungsregelung des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LHGebG die Tatsache einer besonders hohen Hochschulsemesterzahl oder einer Studierunfähigkeit generell als „atypischen Fall“ betrachten, der dazu berechtigt, von einer Befreiung nach Ermessen abzusehen (vgl. Urt. der Kammer vom 15.10.2008, a.a.O.).
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§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LHGebG differenziert bei der Befreiung von der Studiengebührenpflicht gerade nicht nach der Studiendauer und schließt eine Befreiung auch nicht dann aus, wenn der Fall einer behinderungsbedingten Studierunfähigkeit vorliegt.
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Eine außergewöhnlich hohe Hochschulsemesterzahl des Studierenden begründet nach Auffassung der Kammer nicht generell - ohne konkrete Würdigung des Einzelfalls - die Annahme eines atypischen Falls. Der Gesetzgeber hat das Problem der Studiengebührenbefreiung bei Langzeitstudierenden gesehen, sich aber bewusst einer Regelung enthalten. So wird in der Gesetzesbegründung (LTDrucks 13/4858, S. 57) unter Bezugnahme auf den Vorschlag der PH Ludwigsburg, die Gebührenbefreiung nur innerhalb der Regelstudienzeit plus vier Semester zu gewähren, ausgeführt: „Eine zeitliche Begrenzung kann in Soll- und Kann-Entscheidungen einfließen.“ Der Gesetzgeber geht mithin davon aus, dass eine überlange Studiendauer zwar in Befreiungsentscheidungen einfließen „kann“, jedoch nicht stets einen atypischen Fall begründet. Der generellen Annahme eines atypischen Falles bei einer außergewöhnlich hohen Hochschulsemesterzahl - ohne Würdigung des Einzelfalles - steht nach Auffassung der Kammer ferner entgegen, dass der Gesetzgeber mit dem Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LHGebG ausdrücklich der objektiven Wertentscheidung des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG Rechnung tragen wollte, die vom Staat die Förderung behinderter Menschen sowie den Abbau von Benachteiligungen in der Gesellschaft verlangt (vgl. LTDrucks 13/4858, S. 22; BVerwG, Urt. v. 05.04.2006 - 9 C 1/05 -, BVerwGE 125, 370; BVerfG, Beschl. v. 28.03.2000 - 1 BvR 1460/99 -, NJW 2000, 2658; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl., Rn. 142, 147). Die generelle Annahme eines atypischen Falles bei einer besonders hohen Hochschulsemesterzahl würde bedeuten, dass die Behinderten, deren Privilegierung die gesetzliche Regelung gerade beabsichtigt, in vielen Fällen nicht von der Gebührenpflicht befreit würden, obwohl ihre hohe Semesterzahl gerade die Folge ihrer Behinderung ist. Grundlage der gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LHGebG ist gerade auch die Erwägung, dass das Studium eines Behinderten im Regelfall länger dauert als das eines Nichtbehinderten, weshalb ein Nachteilsausgleich geboten ist. Das Vorliegen eines atypischen Falles kann daher nach Auffassung der Kammer nicht schon bei einer außergewöhnlich hohen Semesterzahl angenommen werden, sondern nur dann, wenn im Einzelfall objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte hinzutreten, welche es nahelegen, dass die eingetretenen Studienverzögerungen nicht allein auf die Behinderung zurückzuführen, sondern von dem Studierenden selbst zu vertreten sind. In diesem Fall obliegt dem Studierenden die Darlegung tatsächlicher Umstände, die die genannten Anhaltspunkte entkräften.
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Für diese Auslegung spricht, dass der in Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG zum Ausdruck kommende Förderungsauftrag in erster Linie verlangt, Nachteile auszugleichen, die behinderte Menschen aufgrund ihrer jeweiligen körperlichen oder geistigen Verfassung gegenüber nichtbehinderten Menschen erleiden. Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG fordert keine „Überkompensation“ im Sinne einer Entlastung für eingetretene Defizite, die nicht kausal auf die Behinderung zurückzuführen sind, sondern auf sonstigen Umständen beruhen (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 10.11.2008 - 8 K 878/07 -, juris).
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Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die gesetzliche Systematik des Landeshochschulgesetzes. So können Studierende - wie dargelegt - nach § 62 Abs. 3 Nr. 2 LHG von Amts wegen exmatrikuliert werden, wenn eine Abschlussprüfung bis zum Ablauf von 20 Semestern nicht abgelegt worden ist, allerdings nur,
wenn dies von ihnen selbst zu vertreten ist
. Diese Regelung zeigt, dass allein eine besonders hohe Hochschulsemesterzahl nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht genügen soll, um hieran Nachteile für den Studierenden zu knüpfen.
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Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 61 Abs. 1 S. 2 LHG, wonach eine Beurlaubung in der Regel zwei Semester nicht übersteigen soll. Denn anders als die Gebührenbefreiung ist die Beurlaubung bereits ihrem Wesen nach befristet bzw. auf erkennbar vorübergehende Sachverhalte zugeschnitten (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.09.1979 - IX 2919/78 -, juris).
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Entgegen der Auffassung der Beklagten steht auch das in der Begründung des Gesetzes zur Änderung des Landeshochschulgebührengesetzes und anderer Gesetze vom 19.12.2005 (vgl. LTDrucks 13/4858, S. 1) zum Ausdruck kommende Ziel, die Studierenden durch die Studiengebühren zu einem effizienten Studierverhalten und damit kürzeren Studienzeiten anzuhalten, der hier vertretenen Auslegung nicht entgegen. Denn die Versagung einer Befreiung von der Studiengebühr nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LHGebG ist nicht das sachgerechte Mittel, um Studierende zu einem beschleunigten Abschluss ihres Studiums zu bewegen. Für eine Beendigung des Studiums in Fällen überlanger Studiendauer sieht das Landeshochschulgesetz vielmehr das Instrument der Exmatrikulation vor, entweder gemäß § 62 Abs. 3 Nr. 2 LHG, wenn eine Abschlussprüfung bis zum Ablauf von 20 Semestern aus von dem Studierenden selbst zu vertretenden Gründen nicht abgelegt worden ist, oder nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m § 32 Abs. 1 Satz 5 LHG, wenn der Studierende eine nach der Prüfungsordnung erforderliche Prüfungsleistung endgültig nicht bestanden oder den Prüfungsanspruch verloren hat. Diese gesetzliche Regelung wurde im Hinblick auf ihren Zweck, das Studium zeitlich zu begrenzen, ergänzt durch die bis zum 28.02.2009 geltende Vorschrift des § 91 Abs. 11 LHG (GBl. 2005, 1) in der Fassung des Gesetzes vom 3. Dezember 2008 (GBl. S. 435), wonach eine Verlängerung der für die Ablegung einzelner Prüfungsleistungen geltenden Fristen wegen Krankheit oder Behinderung nur in Betracht kam, wenn der Studierende nicht studierunfähig war.
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Das Vorliegen eines atypischen Falles setzt nicht den Nachweis voraus, dass die eingetretenen Studienverzögerungen vom Studierenden zu vertreten sind, sondern lediglich dass objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte gegeben sind, welche ein solches Vertretenmüssen nahelegen. Diese Beweiserleichterung soll den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck bringen, mit der Regelung des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LHGebG eine Verwaltungsvereinfachung zu bewirken (vgl. LTDrucks 13/4858, S. 22 f.).
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Vorliegend sind objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass die lange Studiendauer der Klägerin nicht auf ihre Behinderung zurückzuführen, sondern von ihr zu vertreten ist, nicht erkennbar. Die Klägerin hat vor ihrer Erkrankung zügig studiert und wollte ihr Studium in möglichst kurzer Zeit zum Abschluss bringen. So war sie bereits im Sommersemester 1996, also nach sechs Semestern, scheinfrei und begann anschließend mit der Examensvorbereitung. Zu den Verzögerungen im Studium kam es erst während der Examensvorbereitung, als sich bei der Klägerin erstmals die Symptome ihrer Erkrankung zeigten. Sie selbst sieht den Auslöser für ihre Erkrankung darin, dass sie besonders gute Leistungen erbringen wollte und sich deshalb erheblich unter Druck gesetzt habe.
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Entgegen dem Vortrag der Beklagten ist ein atypischer Fall, der dazu berechtigt, von einer Befreiung nach Ermessen abzusehen, auch nicht wegen einer Studierunfähigkeit der Klägerin begründet. Denn die tatsächlichen Voraussetzungen für eine solche wurden nicht hinreichend nachgewiesen. Im Übrigen spricht gegen eine Anknüpfung an die Studierunfähigkeit, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LHGebG eine Verwaltungsvereinfachung ermöglichen wollte (vgl. LTDrucks 13/4858, S. 22 f.). Die Feststellung der Studierfähigkeit hätte jedoch schwierige Sach- und Wertungsentscheidungen sowie Nachweisprobleme zur Folge. Dementsprechend hat der Gesetzgeber auch bei der Fassung des Landeshochschulgesetzes vom 01.01.2005 (GBl. 2005, 1) in Abkehr von der gesetzlichen Regelung des Universitätsgesetzes - UG - i. d. F. vom 01.02.2000 (GBl. 2000, 208), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 28.05.2003 (GBl. S. 269), hinsichtlich der Voraussetzungen der Exmatrikulation von der Bezugnahme auf die Studierunfähigkeit Abstand genommen. Das Universitätsgesetz i.d.F. vom 01.02.2000 regelte in § 91 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 87 Abs. 2 Nr. 2 UG, dass ein Studierender von Amts wegen exmatrikuliert werden kann, wenn sein Gesundheitszustand ein ordnungsgemäßes Studium ausschließt. Diese gesetzliche Regelung wurde nicht in das Landeshochschulgesetz übernommen. Vielmehr heißt es in § 62 Abs 3 Nr. 2 LHG lediglich, dass Studierende von Amts wegen exmatrikuliert werden können, wenn sie eine Abschlussprüfung bis zum Ablauf von 20 Semestern aus von ihnen selbst zu vertretenden Gründen nicht abgelegt haben. Aus der Begründung des Gesetzesentwurfs (LTDrucks 13/3640, S. 170, 227) ergibt sich, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung der Exmatrikulationsvoraussetzungen ganz bewusst von der Anknüpfung an die Studierunfähigkeit abgesehen hat. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollten in § 62 Abs. 3 LHG „die bisherigen Regelungen von § 91 Abs. 3 UG verschlankt und zusammengefasst“ und die Exmatrikulationsregelungen insgesamt „vereinfacht“ werden. Dies entspricht dem Ziel, das der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LHGebG verfolgte. Aus der bereits genannten gesetzlichen Regelung des § 91 Abs. 11 LHG in der bis zum 28.02.2009 geltenden Fassung, die noch an die Studierunfähigkeit anknüpfte, ergibt sich im Übrigen, dass der Gesetzgeber der Studierunfähigkeit nur noch im prüfungsrechtlichen Zusammenhang, nicht aber im status- oder gebührenrechtlichen Kontext Bedeutung zumessen wollte.
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Da bei der Klägerin somit ein atypischer Fall, in dem ausnahmsweise von der Befreiung abgesehen werden kann, nicht vorlag, ist sie für das Sommersemester 2007 von der Studiengebührenpflicht zu befreien.
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