Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 21. Mai 2014 - 9 E 1523/14

bei uns veröffentlicht am21.05.2014

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 21. März 2014 (9 K 1522/14) gegen den Bescheid vom 27. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2014 wird angeordnet, soweit sie die Einziehung des Reisepasses betreffen und, soweit die Einziehung des Personalausweises betroffen ist, wiederhergestellt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 EURO festgesetzt.

4. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt XXX bewilligt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Einziehung ihres Personalausweises und ihres Reisepasses.

2

Die Antragstellerin wurde am XXX 1999 in Hamburg als Tochter der ghanaischen Staatsangehörigen A, geb. XXX geboren. Als Vater wurde zunächst der deutsche Staatsangehörige und damalige Ehemann von Frau A, Herr B, in die Geburtsurkunde der Antragstellerin eingetragen. Sie erhielt daraufhin am XXX 1999 erstmalig einen deutschen Kinderausweis. Frau A ist seit dem 25. Mai 2009 im Besitz einer Niederlassungserlaubnis, ihre weiteren Kinder (XXX, geboren am XXX; XXX, geboren am XXX; XXX, geboren am XXX) sind deutsche Staatsangehörige.

3

Mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 27. Februar 2001, welches am XXX 2001 rechtskräftig geworden ist, stellte das Amtsgericht fest, dass die Antragstellerin kein Kind des Klägers in diesem Verfahren, Herrn B, ist.

4

Am XXX 2004 erhielt die Antragstellerin einen Reisepass, am XXX 2009 nochmals einen Personalausweis sowie einen Reisepass, welche beide bis zum XXX 2016 gültig sind.

5

Nachdem die Antragsgegnerin von dem Urteil des Antragsgerichts Hamburg Kenntnis erlangt hatte, forderte sie die Mutter der Antragstellerin erstmals mit Schreiben vom 10. Dezember 2012 zur Abgabe der 2009 ausgestellten Identitätspapiere auf. Zur Begründung führte sie aus, dass die Antragstellerin aufgrund des Urteils vom 27. Februar 2001 nicht im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit sei.

6

Mit Bescheid vom 27. Januar 2014 ordnete die Antragsgegnerin sodann die Einziehung des Reisepasses (Nr. XXX) sowie des Personalausweises (Nr. XXX) an. Die Antragsgegnerin setzte der Antragstellerin eine Frist zur Abgabe der Identitätspapiere bis zum 10. Februar 2014 und ordnete gleichzeitig die sofortige Vollziehung der Einziehung des Reisepasses an.

7

Zur Begründung führte sie aus, dass nach dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 27. Februar 2001 feststehe, dass der deutsche Staatsangehörige B nicht der Vater der Antragstellerin sei. Somit hätte die Antragstellerin nicht die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) durch Geburt erworben, da es keinen deutschen Elternteil gebe. Die Antragstellerin sei vielmehr ausschließlich ghanaische Staatsangehörige. Sowohl der Reisepass als auch der Personalausweis seien einzuziehen, da sie eine fehlerhafte Eintragung, nämlich diejenige bezüglich der Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 Nr. 10 des Passgesetzes (PassG) bzw. nach § 5 Abs. 2 Nr. 10 des Personalausweisgesetzes (PAuswG), enthielten. Die Einziehung des Reisepasses richte sich nach §§ 11, 12 PassG, die des Personalausweises nach §§ 28, 29 PAuswG.

8

Das nach § 12 PassG sowie nach § 29 PAuswG vorgesehene Ermessen sei aufgrund überwiegender öffentlicher Interessen dahingehend reduziert, dass die Identitätspapiere einzuziehen seien. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass durch die fortgesetzte Nutzung der Papiere, die eine fehlerhafte Eintragung bezüglich der deutschen Staatsangehörigkeit enthielten, rechtswidrige aufenthalts- und sozialrechtliche Verwaltungsakte verursacht werden könnten. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei dadurch begründet, dass der durch die unzutreffende Eintragung der Staatsangehörigkeit im Reisepass begründete Rechtsschein zwingend zu beseitigen sei.

9

Hiergegen erhob die Antragstellerin am 4. Februar 2014 Widerspruch und beantragte gleichzeitig die Anordnung dessen aufschiebender Wirkung. Zur Begründung führte sie aus, dass die Antragstellerin aufgrund ihres Alters von 15 Jahren und des Umstandes, dass sie von ihrer Geburt an in Deutschland gelebt habe und hier aufgewachsen sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urt. v. 17.12.2013, 1 BvL 6/10, juris) die deutsche Staatsangehörigkeit nicht verloren habe. Zu berücksichtigen sei dabei insbesondere, dass die Antragsgegnerin den Pass der Antragstellerin mehrmals verlängert habe. Dieser Umstand bedinge auch, dass die Voraussetzung der besonderen Eilbedürftigkeit und somit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Einziehung des Reisepasses nicht gegeben seien.

10

Nach vorheriger Anhörung wies die Antragsgegnerin den Wiederspruch mit Bescheid vom 13. März 2014 zurück und ordnete die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 27. Januar 2014 an. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, dass die deutsche Staatsangehörigkeit der Antragstellerin auf Grundlage der Feststellung des Amtsgerichts nach § 1599 Abs. 1 BGB entfallen sei. Dies stelle keine unzulässige Entziehung der Staatsangehörigkeit dar, da die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Entscheidung erst ein Jahr und 11 Monate alt gewesen sei. Die durch die Antragstellerin zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar. Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 3 Abs. 2 StAG komme nicht in Betracht, da die Antragstellerin die Behandlung als Deutsche zu vertreten habe. Es sei ihr zuzurechnen, dass ihre Mutter das Urteil des Amtsgerichts vom 27. Februar 2001 der Antragsgegnerin nicht zur Kenntnis gegeben habe, obwohl sie wusste und wissen musste, dass sie dazu verpflichtet war.

11

Am 21. März 2014 hat die Antragstellerin hiergegen Klage erhoben (9K 1522/14) und den Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gestellt.

12

Zur Begründung gibt sie ergänzend an, dass nach der zuvor zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter Berücksichtigung der Gesamtumstände eine unzulässige Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit vorliege. Für die Frage des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit Minderjähriger sei auf den Blickwinkel des betroffenen Kindes abzustellen. Die Belastungswirkungen des Verlustes der Staatsangehörigkeit nähmen mit zunehmendem Alter des Kindes zu. Für die Frage, ob ein unzulässiger Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit vorliege sei auch zu berücksichtigen, ob das Kind selbst auf den Verlust Einfluss nehmen könne oder nicht. Angesichts des Alters der Antragstellerin, deren Integration in die deutsche Gesellschaft sowie das deutsche Bildungssystems und des Umstandes, dass sie bereits seit 15 Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft innehabe, liege ein unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff vor.

13

Darüber hinaus seien auch die Voraussetzungen des Staatsangehörigkeitserwerbs nach § 3 Abs. 2 StAG gegeben. Die Antragstellerin sei über 12 Jahre hinweg als Deutsche behandelt worden und habe dies auch nicht zu vertreten. Das Vertretenmüssen nach § 3 Abs. 2 StAG umfasse ausschließlich das Verhalten des Betroffenen selbst, eine Zurechnung des Verhaltens des gesetzlichen Vertreters widerspreche dem Wortlaut der Norm.

14

II. Der zulässige Antrag hat auch in der Sache Erfolg.

15

1. Der gemäß § 88 VwGO sinngemäß als Antrag auf teilweise Anordnung und teilweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage verstandene Antrag ist nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig. Insbesondere ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 VwGO statthaft, da die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Einziehung des Personalausweises gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 30 PAuswG entfällt und die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Einziehung des Reisepasses gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet hat.

16

2. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.

17

a) Die Antragsgegnerin hat zwar voraussichtlich in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO noch genügenden Weise das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung begründet. Es hängt von der Art des jeweiligen Verwaltungsaktes, d.h. von der Auslegung seiner Ermächtigungsgrundlage nach ihrem Sinn und Zweck und ihrer Bedeutung im jeweiligen Regelungsbereich ab, wie ausführlich und auf die konkreten Merkmale des jeweiligen Einzelfalls bezogen die Sofortvollzugsanordnung begründet werden muss, um den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zu genügen (OVG Hamburg, Beschl. v. 10.06.2008, 4 Bs 49/08, nicht veröffentlicht, m.w.N.).

18

Der Wertung des § 30 PassG ist zu entnehmen, dass die sofortige Einziehung von Identitätspapieren grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegt. Da nicht erkennbar ist, warum die gesetzliche Wertung im Falle der Einziehung eines Passes eine andere sein sollte, ist auch im Anwendungsbereich des § 12 PassG regelmäßig davon auszugehen, dass der Zweck der Einziehung eine sofortige Vollziehung notwendig macht. Der pauschalisierende Hinweis in den angegriffenen Bescheiden auf den zu beseitigenden unrichtigen Rechtsschein der deutschen Staatsangehörigkeit erfüllt daher zumindest die formalen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Angesichts der an sich systemwidrigen sofortigen Vollziehbarkeit der Einziehung eines Personalausweises nach § 30 PAuswG (vgl. hierzu Hornung/Möller, PassG, Personalausweisgesetz, 1. Auflage 2011, § 30 PAuswG, Rn. 1), konnte die Antragsgegnerin auch trotz der regelmäßig für vorübergehende Maßnahmen gesetzlich vorgesehen Sicherstellung nach § 13 PassG, § 29 Abs. 2 PAuswG, die Einziehung der Papiere unter Begründung der Notwendigkeit der sofortigen Vollziehbarkeit anordnen.

19

b) Bei der in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Einziehung der Identitätspapiere mit dem Interesse der Antragstellerin, bis zum Abschluss des Klagverfahrens im Besitz dieser Ausweise zu bleiben, überwiegt aber letzteres. Die in einem Eilverfahren nur mögliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt nämlich, dass die Klage voraussichtlich Erfolg haben wird da die angegriffenen Verwaltungsakte voraussichtlich rechtswidrig sind und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzen. Ein besonderes Vollziehungsinteresse ist daher gleichfalls nicht gegeben.

20

Die voraussichtliche Rechtswidrigkeit der Einziehungsverfügung nach § 28 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 10 PAuswG und des Reisepasses nach § 12 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 2, § 4 Abs. 1 Nr. 10 PassG ergibt sich daraus, dass die Eintragung der deutschen Staatsangehörigkeit sich als richtig erweisen dürfte. Die Antragstellerin dürfte zwar zunächst durch das Urteil des Amtsgerichts Hamburg die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, diese aber nach § 3 Abs. 2 StAG wiedererworben haben.

21

aa) Nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 PAuswG, § 12 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 2 PassG kann ein Ausweis bei Unrichtigkeit einer Eintragung eingezogen werden, eine solche Eintragung ist die Staatsangehörigkeit (§ 5 Abs. 2 Nr.10 PAuswG, § 4 Abs. 1 Nr. 10 PassG). Die Eintragung der deutschen Staatsangehörigkeit der Antragstellerin dürfte sich aber als richtig erweisen.

22

Die Antragstellerin hat als Tochter der ghanaischen Staatsangehörigen Frau A und des deutschen Staatsangehörigen Herrn B durch die Geburt am XXX 1999 in Hamburg zunächst gemäß § 4 Abs. 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStG) in der Fassung vom 16.12.1997 (BGBl. I, S. 2942) die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Durch das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 27. Februar 2001 hat sie diese zunächst rückwirkend zum Zeitpunkt ihrer Geburt wieder verloren. Das Urteil über die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft des deutschen Staatsangehörigen, von dem allein die Antragstellerin die deutsche Staatsangehörigkeit ableitete, führt zum rückwirkenden Verlust der Staatsangehörigkeit, ohne dass es eines weiteren Verwaltungsaktes oder einer gesonderten Feststellung bedarf ( vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2006, 2 BvR 696/04, juris; OVG Hamburg, Beschl. v. 10.2.2004, 3 Bf 238/03, juris). Da die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Feststellung erst 1 Jahr und 11 Monate alt war, begründet die gerichtliche Entscheidung auch keine nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG unzulässige Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit. Soweit Kindern durch gerichtliche Vaterschaftsanfechtung der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit droht, stellt dies nämlich dann keine Entziehung nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG dar, wenn sie im Zeitpunkt der Entscheidung in einem Alter sind, in dem sie typischerweise noch kein Bewusstsein der eigenen Staatsangehörigkeit haben entwickeln können (BVerfG, a.a.O.). So liegt es bei der 1999 geborenen Antragstellerin im Zeitpunkt der Entscheidung im Februar 2001. Dass die möglichen Folgen des Urteils sie in Form der Einziehung der Ausweise zu einem Zeitpunkt treffen, in dem sie nunmehr 15 Jahre alt ist, ändert zunächst nichts daran, dass die Entscheidung ursprünglich zum rückwirkenden Entfallen der deutschen Staatsangehörigkeit geführt hat.

23

bb) Die Antragstellerin dürfte die deutsche Staatsangehörigkeit aber gemäß § 3 Abs. 2 StAG dadurch wiedererworben haben, dass sie seit 12 Jahren durch deutsche Stellen als deutsche Staatsangehörige behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 StAG unterfallen auch diejenigen Personen, die zuvor deutsche Staatsangehörige waren und diese Staatsangehörigkeit wieder verloren haben ab dem Zeitpunkt, ab dem der Verlust der Staatsangehörigkeit eintritt (Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, GK-StAG, Stand 2013, § 3 Rn. 19 m.w.N.). In die Zeit der zwölfjährigen Behandlung als deutsche Staatsangehörige fallen auch diejenigen Zeiten, die vor Inkrafttreten der Regelung des § 3 Abs. 2 StAG am 28. August 2007 liegen. Voraussetzung ist lediglich, dass die Behandlung als deutsche Staatsangehörige im Zeitpunkt des Inkrafttretens im Jahr 2007 noch andauerte (VGH Mannheim, Beschl. v. 29.5.2008, 13 S 1137/08, juris). Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 StAG wird als Deutscher insbesondere behandelt, wem ein deutscher Personalausweis oder Pass ausgestellt wurde.

24

Beide Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Antragstellerin wurde mit der erstmaligen Erteilung eines Kinderausweises am XXX 1999 ein Ausweis im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 StAG ausgestellt. In der Folge erhielt die Antragstellerin im Jahr 2004 sowie letztmalig am XXX 2009 einen deutschen Personalausweis sowie einen Reisepass, sie wurde daher über 12 Jahre hinweg durch die Erteilung deutscher Ausweise als Deutsche behandelt. Diese Behandlung wurde auch nicht durch das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 27. Februar 2001 unterbrochen, da das Gericht nicht, auch nicht summarisch (vgl. hierzu GK-StAG, § 3 Rn.41) die deutsche Staatsangehörigkeit der Antragstellerin überprüfte, sondern Gegenstand des Verfahrens ausschließlich die Frage der Vaterschaft von Herrn B war.

25

Die Antragstellerin hat die Behandlung als deutsche Staatsangehörige auch nicht zu vertreten. Ein Vertretenmüssen im Sinne des § 3 Abs. 2 StAG setzt voraus, dass die Behandlung als deutscher Staatsangehöriger auf Umständen beruht, die dem Verantwortungsbereich des Betroffenen zuzurechnen sind. Dies ist dann der Fall, wenn der Betroffene wissentlich auf die Umstände eingewirkt hat, die deutsche Stellen dazu veranlasst haben, ihn bisher als deutschen Staatsangehörigen zu behandeln. Hierzu zählen das Täuschen über oder das Verschweigen relevanter Tatsachen (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 3 Abs. 2 StAG, BT Drs. 16/5065, S. 227). Das Unterlassen der Offenbarung relevanter Tatsachen schließt dann den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 3 Abs. 2 StAG aus, wenn der Betroffene entweder unvollständige Angaben auf Anfragen der zuständigen Stellen macht, oder sich ihm die staatsangehörigkeitsrechtliche Erheblichkeit nachträglich eingetretener Umstände aufdrängen muss und er daher zur Offenbarung dieser Tatsachen verpflichtet ist (vgl. GK- StAG, § 3 Rn.51). Kenntnisse des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts können von dem Betroffenen in der Regel nicht erwartet werden (vgl. hierzu auch Punkt 3.2. der vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 19. Oktober 2007 zum Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970)).

26

Die Antragstellerin selbst hat weder aktiv über ihre Staatsangehörigkeit getäuscht, noch kann ihr als Minderjähriger der Umstand, dass sie selbst das Urteil des Amtsgerichts Hamburg den zuständigen Behörden gegenüber nicht angegeben hat, vorgeworfen werden.

27

Die Antragstellerin hat die Behandlung als deutsche Staatsangehörige auch nicht deshalb zu vertreten, weil ihr das Verhalten ihrer Mutter als ihrer gesetzlichen Vertreterin nach dem Grundsatz des § 278 BGB zuzurechnen wäre und ihre Mutter verpflichtet gewesen wäre, die Antragsgegnerin auf das Urteil des Amtsgerichts Hamburg hinzuweisen. Dem steht bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich bereits entgegen, dass eine solche Verpflichtung der Mutter der Antragstellerin nicht bestand. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass es sich ihr nach dem vorstehend dargestellten Maßstab nicht aufdrängen musste, dass das Urteil des Amtsgerichts die Staatsangehörigkeit ihrer Tochter beeinflussen konnte. Denn das Urteil erging auf Betreiben des vorgeblichen Vaters der Antragstellerin und somit standen ersichtlich familien- und unterhaltsrechtliche Fragen im Vordergrund. Diese Wertung wird auch dadurch verstärkt, dass etwa die Mitteilungen für die Zivilgerichte (Anordnung für die Mitteilungen in Zivilsachen, MiZi vom 1. Juni 1998) keine Mitteilungsverpflichtung in Vaterschaftsanerkennungssachen gegenüber den Meldebehörden vorsehen. Auch der nunmehr eingefügte § 87 Abs. 6 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), der eine Mitteilungsverpflichtung der Familiengerichte ausschließlich im Fall der Behördenanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB vorsieht, verdeutlicht, dass eine unmittelbar aufenthalts- und staatsangehörigkeitsrelevante Bedeutung nur den familiengerichtlichen Urteilen nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB zugesprochen wird.

28

Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass gerade die Mitteilungspflichten nach § 87 Abs. 6 AufenthG sowie die Regelungen der Mitteilungen in Zivilsachen verdeutlichen, dass der Austausch über Behördenentscheidungen grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Staates und nicht des Betroffenen fällt (so auch VG Stade, Urt. v. 27.8.2009, 1 A 560/09). Das Verschweigen eines familiengerichtlichen Urteils ist darüber hinaus auch wertungsmäßig nicht den Sachverhalten gleichzusetzen, welche der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung, die beispielhaft das Verschweigen der Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit anführt (BT Drs. 16/5065, S.227), als Fälle des Vertretenmüssens vor Augen hatte.

29

Schließlich haben auch die weiteren, später geborenen Kinder von Frau A nach § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und entsprechende Identitätspapiere erhalten, so dass ein Vertrauen darauf, dass auch die Antragstellerin weiter die deutsche Staatsangehörigkeit hat, nachvollziehbar erscheint. Dass Frau A trotz Nachfrage seitens der Antragsgegnerin das Urteil des Amtsgerichts Hamburg verschwiegen und somit eine wissentliche Täuschung vorgenommen hätte, ist nicht ersichtlich.

30

Selbst wenn Frau A verpflichtet gewesen wäre, die Antragsgegnerin auf das Urteil vom 27. Februar 2001 hinzuweisen, wäre der Antragstellerin das Verhalten ihrer Mutter auch nicht zuzurechnen. Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Norm (vgl. auch GK- StAG, § 3, Rn.56). Danach erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit, wer die Behandlung als deutscher Staatsangehöriger nicht zu vertreten hat. Auch die Gesetzesbegründung stellt darauf ab, dass ein Vertretenmüssen nur dann vorliegt, wenn „jemand jedoch wissentlich auf die Umstände eingewirkt hat, die deutsche Stellen dazu veranlasst haben, ihn bisher als deutschen Staatsangehörigen zu behandeln“ (BT Drs. 16/5065, S.227). Dies entspricht darüber hinaus auch der Wertung des Bundesverfassungsgerichts, welches eine Zurechnung des Verhaltens der Eltern in Angelegenheiten der Staatsangehörigkeit ihrer Kinder nur in sehr begrenztem Umfang zulässt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.12.2013, 1 BvL 6/10, juris Rn.39, 80). Gleichfalls spricht neben dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 StAG für eine restriktive Auslegung des Begriffs des Vertretenmüssens auch, dass der Gesetzgeber in § 35 Abs. 5 Satz 2 StAG in Umsetzung verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass die persönliche Beteiligung an einer zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führenden Handlung ebenso von besonderer Bedeutung ist, wie das Kindeswohl. Sowohl das Wohl der Antragstellerin, welche nunmehr in einem Alter ist, in welchem sie nach der Rechtsprechung des BVerfG ein Bewusstsein für die deutsche Staatsangehörigkeit entwickelt hat (BVerfG, Beschl. v. 24.10.2006, 2 BvR 696/04) als auch die besondere Bedeutung persönlichen Fehlverhaltens sprechen daher dafür, ihr das Verhalten ihrer Mutter nicht zuzurechnen.

III.

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

32

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. 52 Abs. 2 GKG.

33

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe folgt aus § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 21. Mai 2014 - 9 E 1523/14

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2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl. 2001 II S. 810) besitzt.
Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wird in dem Geburtenregister, in dem die Geburt des Kindes beurkundet ist, eingetragen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften über das Verfahren zur Eintragung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit nach Satz 1 zu erlassen.

(4) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird nicht nach Absatz 1 erworben bei Geburt im Ausland, wenn der deutsche Elternteil nach dem 31. Dezember 1999 im Ausland geboren wurde und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, das Kind würde sonst staatenlos. Die Rechtsfolge nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Kindes ein Antrag nach § 36 des Personenstandsgesetzes auf Beurkundung der Geburt im Geburtenregister gestellt wird; zur Fristwahrung genügt es auch, wenn der Antrag in dieser Frist bei der zuständigen Auslandsvertretung eingeht. Sind beide Elternteile deutsche Staatsangehörige, so tritt die Rechtsfolge des Satzes 1 nur ein, wenn beide die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Für den Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes und nach § 15 ist die Rechtsfolge nach Satz 1 unbeachtlich.

(5) Absatz 4 Satz 1 gilt nicht

1.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, der die deutsche Staatsangehörigkeit nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 erworben hat, und
2.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, wenn dieser ohne den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit einen Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 gehabt hätte.

(1) Ausweise sind nach einheitlichen Mustern auszustellen.

(2) Der Personalausweis enthält neben der Angabe der ausstellenden Behörde, dem Tag der Ausstellung, dem letzten Tag der Gültigkeitsdauer, der Zugangsnummer und den in Absatz 4 Satz 2 genannten Daten ausschließlich folgende sichtbar aufgebrachte Angaben über den Ausweisinhaber:

1.
Familienname und Geburtsname,
2.
Vornamen,
3.
Doktorgrad,
4.
Tag und Ort der Geburt,
5.
Lichtbild,
6.
Unterschrift,
7.
Größe,
8.
Farbe der Augen,
9.
Anschrift; hat der Ausweisinhaber keine Wohnung in Deutschland, kann die Angabe „keine Wohnung in Deutschland“ eingetragen werden,
10.
Staatsangehörigkeit,
11.
Seriennummer und
12.
Ordensname, Künstlername.

(3) Der vorläufige Personalausweis enthält die in Absatz 2 Nr. 1 bis 12 und die in Absatz 4 Satz 2 genannten Angaben sowie die Angabe der ausstellenden Behörde, den Tag der Ausstellung und den letzten Tag der Gültigkeitsdauer.

(3a) Der Ersatz-Personalausweis enthält die in Absatz 2 Nummer 1 bis 12 und die in Absatz 4 Satz 2 genannten Angaben sowie die Angabe der ausstellenden Behörde, den Tag der Ausstellung, den letzten Tag der Gültigkeitsdauer und den Vermerk, dass der Ersatz-Personalausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt. Abweichend von Absatz 2 Nummer 9 ist die Eintragung „keine Wohnung in Deutschland“ nicht zulässig.

(4) Ausweise haben einen Bereich für das automatisierte Auslesen. Dieser darf ausschließlich die folgenden sichtbar aufgedruckten Angaben enthalten:

1.
Abkürzungen
a)
„IDD“ für Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland,
b)
„ITD“ für vorläufigen Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland oder
c)
„IXD“ für Ersatz-Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland,
2.
Familienname,
3.
Vornamen,
4.
Seriennummer,
5.
Abkürzung „D“ für deutsche Staatsangehörigkeit,
6.
Tag der Geburt,
7.
letzter Tag der Gültigkeitsdauer,
7a.
Versionsnummer des Ausweismusters,
8.
Prüfziffern und
9.
Leerstellen.
Bei einer Identitätsüberprüfung nach § 17 darf auch die aufgedruckte Zugangsnummer automatisiert gelesen werden.

(5) Der Personalausweis enthält ein elektronisches Speicher- und Verarbeitungsmedium, auf dem folgende Daten gespeichert werden:

1.
die Daten nach Absatz 2 Nummer 1 bis 5, 9, 10 und 12,
1a.
der im amtlichen Gemeindeverzeichnis verwendete eindeutige Gemeindeschlüssel,
2.
die Daten des maschinenlesbaren Bereichs nach Absatz 4 Satz 2 und
3.
die Fingerabdrücke nach Absatz 9, die Bezeichnung der erfassten Finger, die Angaben zur Qualität der Abdrücke.

(5a) Zur Einrichtung eines elektronischen Identitätsnachweises nach § 10a Absatz 1 Satz 1 dürfen auf einem elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium in einem mobilen Endgerät folgende Daten gespeichert werden:

1.
die Daten nach Absatz 2 Nummer 1 bis 4, 9, 10 und 12,
2.
die Dokumentenart,
3.
der letzte Tag der Gültigkeitsdauer des elektronischen Identitätsnachweises,
4.
die Abkürzung „D“ für Bundesrepublik Deutschland und
5.
der im amtlichen Gemeindeverzeichnis verwendete eindeutige Gemeindeschlüssel.

(6) Die gespeicherten Daten sind gegen unbefugtes Verändern, Löschen und Auslesen zu sichern.

(7) Abweichend von Absatz 5 erhalten Kinder, solange sie noch nicht sechs Jahre alt sind, einen Personalausweis mit einem elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium, auf dem nur das Lichtbild und die Daten des maschinenlesbaren Bereichs nach Absatz 4 Satz 2 gespeichert sind.

(8) Die Seriennummer, die Prüfziffern, das Sperrkennwort und Sperrmerkmale dürfen keine Daten über die Person des Ausweisinhabers oder Hinweise auf solche Daten enthalten.

(9) Die auf Grund der Verordnung (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben (ABl. L 188 vom 12.7.2019, S. 67), auf dem elektronischen Speichermedium zu speichernden zwei Fingerabdrücke der antragstellenden Person werden in Form des flachen Abdrucks des linken und rechten Zeigefingers im elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium des Personalausweises gespeichert. Bei Fehlen eines Zeigefingers, ungenügender Qualität des Fingerabdrucks oder Verletzungen der Fingerkuppe wird ersatzweise der flache Abdruck entweder des Daumens, des Mittelfingers oder des Ringfingers gespeichert. Fingerabdrücke sind nicht zu speichern, wenn die Abnahme der Fingerabdrücke aus medizinischen Gründen, die nicht nur vorübergehender Art sind, unmöglich ist.

(10) Die im elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium des Personalausweises oder eines mobilen Endgeräts gespeicherten Daten ermöglichen auch die Funktion des elektronischen Identitätsnachweises nach § 18.

(1) Ein Ausweis ist ungültig, wenn

1.
er eine einwandfreie Feststellung der Identität des Ausweisinhabers nicht zulässt oder verändert worden ist,
2.
Eintragungen nach diesem Gesetz fehlen oder – mit Ausnahme der Angaben über die Anschrift oder Größe – unzutreffend sind,
3.
die Gültigkeitsdauer abgelaufen ist oder
4.
gegen den Ausweisinhaber eine Anordnung im Sinne des § 6a Absatz 2 ergangen ist und er den Geltungsbereich dieses Gesetzes verlassen hat.

(2) Eine Personalausweisbehörde hat einen Ausweis für ungültig zu erklären, wenn die Voraussetzungen für seine Erteilung nicht vorgelegen haben oder nachträglich weggefallen sind.

(3) Störungen der Funktionsfähigkeit des elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmediums berühren nicht die Gültigkeit des Personalausweises.

(1) Ein nach § 28 Abs. 1 oder Abs. 2 ungültiger Ausweis kann eingezogen werden.

(2) Ein Ausweis kann sichergestellt werden, wenn

1.
eine Person ihn unberechtigt besitzt oder
2.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für eine Einziehung nach Absatz 1 vorliegen, oder
3.
eine Entziehung im Sinne des § 6a Absatz 2 ergangen ist oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein Entziehungsgrund im Sinne des § 6a Absatz 2 vorliegt.

(3) Eine Sicherstellung oder Einziehung ist schriftlich zu bestätigen.

Tenor

§ 1600 Absatz 1 Nummer 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 313) und Artikel 229 § 16 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 313) verstoßen gegen Artikel 16 Absatz 1, gegen Artikel 6 Absatz 2 Satz 1, gegen Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 und gegen Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes und sind nichtig.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Regeln zur sogenannten Behördenanfechtung, welche die Vaterschaft und die durch Vaterschaftsanerkennung begründete deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes rückwirkend entfallen lässt, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

I.

2

1. Das in § 1600 ff. BGB geregelte Recht der Vaterschaftsanfechtung wurde im Jahr 2008 um die hier zu überprüfenden Regeln zur Behördenanfechtung ergänzt. Hintergrund war der Eindruck des Gesetzgebers, dass das im Familienrecht gezielt voraussetzungsarm ausgestaltete Instrument der Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) in bestimmten Konstellationen zur Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts genutzt wird. Die Regelungen der Vaterschaftsanerkennung lassen es zu, die Vaterschaft für ein ausländisches Kind anzuerkennen, um beim Kind den automatischen Abstammungserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 oder 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (im Folgenden: StAG) herbeizuführen und so mittels Familiennachzugs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet, im Folgenden: AufenthG) ein Aufenthaltsrecht des ausländischen Elternteils zu begründen oder zu stärken (vgl. BTDrucks 16/3291, insbesondere S. 1 f., 9 und 11).

3

2. a) Die Anfechtungsberechtigung der Behörde und die materiellen Anfechtungsvoraussetzungen sind in § 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 und 4 BGB geregelt:

4

§ 1600 BGB

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

[…]

5. die zuständige Behörde (anfechtungsberechtigte Behörde) in den Fällen des § 1592 Nr. 2.

(3) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 5 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden.

(4) Eine sozial-familiäre Beziehung nach den Absätzen 2 und 3 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

5

b) Die Anfechtungsfristen und der Beginn der Anfechtungsfrist sind in § 1600b BGB geregelt:

6

§ 1600b BGB

(1) Die Vaterschaft kann binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen; das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2 erste Alternative hindert den Lauf der Frist nicht.

(1a) Im Fall des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 kann die Vaterschaft binnen eines Jahres gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt, wenn die anfechtungsberechtigte Behörde von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ihr Anfechtungsrecht vorliegen. Die Anfechtung ist spätestens nach Ablauf von fünf Jahren seit der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft für ein im Bundesgebiet geborenes Kind ausgeschlossen; ansonsten spätestens fünf Jahre nach der Einreise des Kindes.

(2) Die Frist beginnt nicht vor der Geburt des Kindes und nicht, bevor die Anerkennung wirksam geworden ist.

7

c) Die Überleitungsvorschrift lautet:

8

Art. 229 § 16 EGBGB

Im Fall der Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beginnt die Frist für die Anfechtung gemäß § 1600b Abs. 1a des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht vor dem 1. Juni 2008.

II.

9

Die zu überprüfenden Regelungen sind Teil des Abstammungsrechts (§§ 1591 ff. BGB), das die rechtliche Zugehörigkeit eines Kindes zu seinen Eltern regelt.

10

1. Nach § 1592 BGB ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist (Nr. 1), der die Vaterschaft anerkannt hat (Nr. 2) oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde (Nr. 3). Eine behördliche Anfechtung der Vaterschaft kommt nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nur in Betracht, wenn die Vaterschaft durch Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB begründet wurde. Die Anerkennung begründet die Vaterschaft mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Geburt (vgl. Rauscher, in: Staudinger BGB, 2011, §§ 1589-1600d, § 1594, Rn. 9; Schmidt-Recla, in: Soergel BGB, Band 19/1, 13. Aufl. 2012, § 1594, Rn. 14; Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 8, 6. Aufl. 2012, § 1594, Rn. 16). Materiellrechtliche Voraussetzung der Vaterschaftsanerkennung ist nach § 1594 Abs. 2 BGB lediglich, dass nicht die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Die Anerkennung ist ansonsten nach §§ 1595 ff. BGB nur an formelle Anforderungen, insbesondere an die Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB) geknüpft. Die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung hängt nicht von der biologischen Abstammung des Kindes ab. Auch eine im Wissen um die fehlende biologische Vaterschaft erfolgte Anerkennung ist wirksam. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, einem Kind durch Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit zu verschaffen, um aufenthaltsrechtliche Vorteile für das Kind und den ausländischen Elternteil zu begründen (s.u., III.1.).

11

2. Die hier zu überprüfenden Regelungen über die behördliche Anfechtung der Vaterschaft ergänzen bereits bestehende Anfechtungsmöglichkeiten. Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BGB kann eine rechtliche Vaterschaft, die auf der Ehe des Mannes mit der Kindesmutter oder einer Vaterschaftsanerkennung beruht - die mithin ohne Rücksicht auf die biologischen Abstammungsverhältnisse entstanden ist - mit dem Argument angefochten werden, der rechtliche Vater sei nicht der biologische Vater des Kindes. Anfechtungsberechtigt sind nach heutiger Rechtslage der rechtliche Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB), der mutmaßliche biologische Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB), die Mutter (§ 1600 Abs. 1 Nr. 3 BGB), das Kind (§ 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB) und nunmehr die zuständige Behörde (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB).

12

Im Fall der Behördenanfechtung setzt die Anfechtung voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und dass durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB).

13

Die Voraussetzungen der Behördenanfechtung sind im Wesentlichen der Regelung der Anfechtung durch den mutmaßlichen biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) nachgebildet, beziehungsweise mit dieser zusammengefasst (§ 1600 Abs. 3 und Abs. 4 BGB). Der Gesetzgeber hatte früher im Interesse des Kindes und der rechtlich-sozialen Familie ein Anfechtungsrecht des mutmaßlichen biologischen Vaters wiederholt abgelehnt (vgl. BTDrucks V/2370, S. 32; BTDrucks 13/4899, S. 57 f.). Das Bundesverfassungsgericht entschied jedoch im Jahr 2003, es verstoße gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, dem biologischen, aber nicht rechtlichen Vater eines Kindes ausnahmslos das Anfechtungsrecht zu verweigern (BVerfGE 108, 82 ff.). Daraufhin wurde im Jahr 2004 die Anfechtungsmöglichkeit des mutmaßlichen biologischen Vaters in § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB eingeführt, wobei der Gesetzgeber allerdings dem Bestand einer sozial gelebten Eltern-Kind-Beziehung mit dem rechtlichen Vater den Vorrang gegenüber der rechtlichen Zuordnung des Kindes zum biologischen Vater einräumte. Männer, die eidesstattlich versichern, der Kindesmutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, können die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes nur anfechten, wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater keine "sozial-familiäre Beziehung" besteht (§ 1600 Abs. 2 BGB). Dieses negative Tatbestandsmerkmal wurde später bei der hier zur Prüfung gestellten Regelung der Behördenanfechtung aufgegriffen (§ 1600 Abs. 3 BGB) und ist in § 1600 Abs. 4 BGB für beide Fälle einheitlich konkretisiert.

III.

14

Da die Behördenanfechtung letztlich darauf gerichtet ist, die Umgehung gesetzlicher Bedingungen des Aufenthaltsrechts durch eine Vaterschaftsanerkennung zu verhindern, richten sich die Voraussetzungen (1.) und Folgen (2.) der Behördenanfechtung auch nach dem Aufenthalts- und dem Staatsangehörigkeitsrecht.

15

1. Die anfechtungsberechtigte Behörde kann die Vaterschaft gerichtlich anfechten, wenn durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt eines Beteiligten geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt, wenn "für das Kind oder einen Elternteil ein ausländerrechtlicher Vorteil entstanden ist" (BTDrucks 16/3291, S. 14). Ein solcher Vorteil entsteht durch die Vaterschaftsanerkennung, wenn das Kind auf diese Weise die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt und damit auch einem Elternteil einen günstigeren Aufenthaltsstatus vermittelt. Praktisch stehen dabei zwei Konstellationen im Vordergrund: Erkennt ein deutscher Mann die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter an, erwirbt das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 1 StAG) und damit die Berechtigung zum Aufenthalt in Deutschland. Für die Kindesmutter ergibt sich ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Auch wenn ein ausländischer Mann mit unbefristetem Aufenthaltsrecht, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, die Vaterschaft für das Kind einer ausländischen Staatsangehörigen anerkennt, erwirbt das Kind über den Vater die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 3 StAG). Die Kindesmutter hat wiederum einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.

16

2. Hat die Vaterschaftsanfechtungsklage Erfolg, entfallen die durch die Vaterschaftsanerkennung begründete Staatsangehörigkeit des Kindes und das Aufenthaltsrecht der Mutter. Mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung über das Nichtbestehen der Vaterschaft fallen rückwirkend auf den Tag der Geburt des Kindes sowohl die bisherige Vaterschaftszuordnung als auch die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes weg. Der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanfechtung ist zwar nicht ausdrücklich geregelt. Er wird aber aus der generellen Anknüpfung des Abstammungserwerbs der Staatsangehörigkeit an das familienrechtliche Abstammungsrecht abgeleitet. Abstammungsrechtlich fällt die Vaterschaft bei erfolgreicher Anfechtung nach ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte rückwirkend weg (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2012 - XII ZR 194/09 -, NJW 2012, S. 852;stRspr). Mit dem rückwirkenden Wegfall der Vaterschaft entfällt nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ex tunc auch die nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 StAG auf Abstammung gründende deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes. Denn bei rückwirkendem Wegfall der Vaterschaft haben bei nachträglicher Betrachtung auch die Voraussetzungen für den auf die Abstammung gestützten Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes nie vorgelegen (vgl. nur VG Düsseldorf, Urteil vom 10. September 1985 - 17 K 10.419/85 -, NJW 1986, S. 676; VG Gießen, Urteil vom 8. November 1999 - 10 E 960/99 -, juris, Rn. 14; OVG Hamburg, Beschluss vom 10. Februar 2004 - 3 Bf 238/03 -, NVwZ-RR 2005, S. 212 <213>; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. Oktober 2004 - 2 M 441/04 -, juris, Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 31. Juli 2007 - 18 A 2065/06 -, juris, Rn. 8; Bay. VGH, Beschluss vom 11. September 2007 - 5 CS 07.1921 -, juris, Rn. 3). Mit dem Wegfall der Staatsangehörigkeit des Kindes verliert nicht nur dieses sein mit der Staatsangehörigkeit verbundenes Aufenthaltsrecht, vielmehr entfällt auch das Aufenthaltsrecht seiner Mutter, das die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes voraussetzt (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG). Gerade dies ist der Zweck der Behördenanfechtung.

IV.

17

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Inneres, focht mit ihrer Klage gegen den Beklagten zu 1) des Ausgangsverfahrens, ein minderjähriges Kind, und den Beklagten zu 2), den Mann, der die Vaterschaft für den Beklagten zu 1) anerkannt hat, dessen Vaterschaft an, indem sie beim Amtsgericht Hamburg-Altona beantragte festzustellen, dass der Beklagte zu 2) nicht der Vater des Beklagten zu 1) ist.

18

Der Beklagte zu 1) wurde 2005 in Deutschland geboren. Seine Mutter ist vietnamesische Staatsangehörige und war im Zeitpunkt der Geburt mit einem Vietnamesen verheiratet, von dem sie später geschieden wurde. Das Kind besaß ebenfalls die vietnamesische Staatsangehörigkeit. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet war unerlaubt, der seiner Mutter geduldet. Der Beklagte zu 2) ist deutscher Staatsangehöriger. Er erkannte bereits vor der Geburt des Kindes die Vaterschaft durch notarielle Urkunde an. Die Kindesmutter und der damalige Ehemann der Kindesmutter stimmten der Vaterschaftsanerkennung zu. Mit Rechtskraft des Scheidungsurteils wurde die Anerkennung gemäß § 1599 Abs. 2 BGB wirksam.

19

Weil der Beklagte zu 2) deutscher Staatsangehöriger ist, erwarb das Kind durch die Vaterschaftsanerkennung nach § 4 Abs. 1 StAG ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit. Zum Zweck des Zusammenlebens mit ihrem deutschen Kind wurde der Mutter des Beklagten zu 1) eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erteilt.

20

Bei einer Befragung des Beklagten zu 2) vor der Ausländerbehörde der Stadtverwaltung über das Kennenlernen der Kindesmutter erklärte er zunächst seine Bereitschaft zu einem Vaterschaftstest, widerrief diese aber in einem späteren Schreiben. Er hatte und hat mit dem Kind und dessen Mutter keine gemeinsame Wohnung. Ein gerichtlich eingeholtes Abstammungsgutachten ergab, dass er nicht der biologische Vater des Kindes ist.

21

2. Mit Beschluss vom 15. April 2010 hat das Amtsgericht das Verfahren gegen die Beklagten zu 1) und 2) ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

22

Die Frage sei entscheidungserheblich, da die Klage abzuweisen sei, wenn die Vorschriften verfassungswidrig wären. Aus einfachrechtlicher Sicht lägen die Voraussetzungen einer Behördenanfechtung vor. Der Beklagte zu 2) habe die Vaterschaft für das Kind zwar bereits 2005 anerkannt. Der zum 1. Juni 2008 eingeführte § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB finde aber gemäß Art. 229 § 16 EGBGB auch auf Altfälle Anwendung. Zwischen den Beklagten zu 1) und zu 2) habe keine sozial-familiäre Beziehung im Zeitpunkt der Anerkennung bestanden und durch die Anerkennung seien die rechtlichen Voraussetzungen für den erlaubten Aufenthalt des Kindes und der Kindesmutter geschaffen worden.

23

§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB sei verfassungswidrig. Die Normen verstießen wegen unzulässiger Rückwirkung gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Bei der Neueinführung der Anfechtungsberechtigung auch für Altfälle handle es sich um eine unzulässige echte Rückwirkung, die aber auch als unechte Rückwirkung nicht zu rechtfertigen sei, weil bereits die Einführung der Behördenanfechtung selbst wegen der damit verbundenen Grundrechtsverletzungen verfassungswidrig sei. Insbesondere sei nicht belegt, dass die Einführung eines Anfechtungsrechts der Behörde erforderlich gewesen sei. Das Interesse des Gesetzgebers, missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen entgegenzuwirken, um Verbleibensrechte von Ausländern und damit verbundene sozialstaatliche Belastungen der Allgemeinheit zu verhindern, habe zwar grundsätzlich einen hohen Stellenwert. Dieser relativiere sich jedoch, weil die vorgelegte statistische Erhebung nicht belege, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung handele und binationale Verbindungen und ausländische Familien unter einen Generalverdacht gestellt würden. Dem stehe das Vertrauen des anerkannten Kindes auf die mit der Abstammung verbundenen unterhalts-, erb-, steuer- und sozialrechtlichen Folgen sowie insbesondere das Vertrauen auf die Auswirkungen auf sein Statusrecht gegenüber. Das Kind sei insbesondere in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 5 GG verletzt. Kinder, die während einer bestehenden Ehe geboren würden, seien von dem behördlichen Anfechtungsrecht nicht betroffen, obwohl insbesondere bei einer Scheinehe anzunehmen sei, dass das Kindschaftsverhältnis ebenfalls missbräuchlich herbeigeführt worden sei. Die Ungleichbehandlung sei dabei jedenfalls mittelbar an das Merkmal der Unehelichkeit geknüpft. Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich.

24

3. In ihren schriftlichen Stellungnahmen vertreten die Bundesregierung wie auch die Freie und Hansestadt Hamburg als Klägerin des Ausgangsverfahrens die Auffassung, die Vorschrift des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Hingegen halten der Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V., der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., das Deutsche Rote Kreuz e.V. und das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V. die Regelungen für verfassungswidrig. Der Deutsche Familiengerichtstag e.V. hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung, soweit die Anfechtung ältere Kinder betreffen kann, hält die Regelungen im Übrigen aber für verfassungsgemäß.

B.

25

Die Regelungen über die Behördenanfechtung (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB und Art. 229 § 16 EGBGB) sind verfassungswidrig. Sie verstoßen gegen Art. 16 Abs. 1 GG (I.), gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (II.), gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (III.) und gegen Art. 6 Abs. 1 GG (IV.). Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG liegt hingegen nicht vor (V.).

I.

26

Die Regelung der behördlichen Vaterschaftsanfechtung verstößt in ihrer konkreten Ausgestaltung gegen Art. 16 Abs. 1 GG, weil sie in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes herbeiführt. Durch die Vaterschaftsanfechtung wird in die durch Art. 16 Abs. 1 GG geschützte (1.) Staatsangehörigkeit des Kindes eingegriffen (2.). Der Grundrechtseingriff ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Art. 16 Abs. 1 GG unterscheidet zwischen der Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) und einem sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG) und stellt an beide Verlustformen unterschiedliche verfassungsrechtliche Anforderungen. Die Entziehung ist nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ausnahmslos verboten. Im Gegensatz dazu kann ein sonstiger Verlust der Staatsangehörigkeit nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG unter Umständen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. In ihrer konkreten Ausgestaltung sind die Regelungen über die Behördenanfechtung als nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit anzusehen (3.), weil der Staatsangehörigkeitsverlust durch die Betroffenen nicht oder nicht in zumutbarer Weise beeinflussbar war. Zwar wäre es angesichts der Umstände eines Staatsangehörigkeitserwerbs durch anfechtbare Vaterschaftsanerkennung denkbar, den Kindern die hierbei bestehenden Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern zuzurechnen (3.a) und b)). Der Staatsangehörigkeitsverlust entzieht sich jedoch auch dem Einfluss der Eltern, soweit die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die vor Inkrafttreten der zu überprüfenden Normen erfolgten (3.c)). Darüber hinaus ist eine Beeinflussung des Staatsangehörigkeitsverlusts durch Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung nicht zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung nicht gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt (3.d)). Dessen ungeachtet genügen die Regelungen auch nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG an einen sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit (4.), weil sie keine Möglichkeit bieten zu berücksichtigen, ob das Kind staatenlos wird (4.a)) und weil es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Staatsangehörigkeitsverlusts (4.b)) sowie an einer angemessenen Fristen- und Altersregelung fehlt, die verhindern könnte, dass auch ältere Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit über einen längeren Zeitraum besessen haben, diese noch verlieren können (4.c)).

27

1. Art. 16 Abs. 1 GG schützt vor dem Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit. Dieser Schutz kommt auch Kindern zu, die die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 oder 3 StAG aufgrund einer Vaterschaftsanerkennung erworben haben. Dem verfassungsrechtlichen Schutz der Staatsangehörigkeit steht nicht entgegen, dass die den Staatsangehörigkeitserwerb auslösende Vaterschaft behördlicher Anfechtung unterliegt. Die gerichtliche Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft, an die der Geburtserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes geknüpft ist, beseitigt eine zuvor bestehende deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes und nicht etwa nur den Schein einer solchen. Nach § 1592 Nr. 2 BGB ist der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, Vater dieses Kindes. Bis zur Rechtskraft eines auf Anfechtung hin ergehenden Urteils, in dem das Nichtbestehen der Vaterschaft festgestellt wird, besteht im Rechtssinne die Vaterschaft dieses Mannes. Die durch Anerkennung erworbene Vaterschaft ist eine rechtlich vollwertige Vaterschaft, keine bloße Scheinvaterschaft. Schon deshalb ist auch die nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 oder 3 StAG von ihr abgeleitete deutsche Staatsangehörigkeit keine bloße Scheinstaatsangehörigkeit (vgl. BVerfGK 9, 381 <383 f.> entsprechend zur Vaterschaftsanfechtung durch den rechtlichen Vater nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Am verfassungsrechtlichen Schutz der zwischenzeitlich bestehenden deutschen Staatsangehörigkeit ändert auch der Umstand nichts, dass der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanfechtung einfachrechtlich als anfängliche Unwirksamkeit der Vaterschaft und Staatsangehörigkeit konstruiert wird und damit rückwirkend entfällt. Es handelt sich insoweit lediglich um eine Regelungstechnik zur nachträglichen Korrektur eines bestimmten Ergebnisses, das die zwischenzeitlich Realität gewordene rechtliche Anerkennung von Vaterschaft beziehungsweise Staatsangehörigkeit nicht ungeschehen und ihre Schutzwürdigkeit nicht automatisch hinfällig macht (vgl. BVerfGE 116, 24 <46>).

28

2. Eine erfolgreiche Behördenanfechtung der Vaterschaft greift in die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG ein. Die Vaterschaftsanfechtung führt beim betroffenen Kind zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, wenn das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit allein von dem Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, also dem bisherigen rechtlichen Vater, ableitet. Zwar verhält sich das von der Behörde durch die Vaterschaftsanfechtung erwirkte familiengerichtliche Urteil ausdrücklich allein zur Vaterschaft. Mit dem nach ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte rückwirkenden Wegfall der Vaterschaft tritt jedoch, ohne dass dies gesetzlich ausdrücklich geregelt wäre, nach ebenfalls gefestigter Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte automatisch auch der Verlust der Staatsangehörigkeit ein (s.o., A.III.2.), der an Art. 16 Abs. 1 GG zu messen ist. Der Senat legt seiner Beurteilung regelmäßig die Auslegung der zu prüfenden Vorschrift nach der Auffassung des vorlegenden Gerichts zugrunde. Dieses geht hier davon aus, dass bereits die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 BGB einen Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes herbeiführen kann. Obwohl sich diese Rechtsfolge nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm ergibt, geht der Senat angesichts der nicht unvertretbaren Ansicht des Gerichts in seiner Prüfung ebenfalls von dieser Annahme aus.

29

Ein Eingriff in Art. 16 Abs. 1 GG ist auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Verlust der Staatsangehörigkeit nur eine ungewollte Nebenfolge der behördlichen Vaterschaftsanfechtung wäre. Abgesehen davon, dass eine solche Einordnung der Behördenanfechtung nicht ihren Eingriffscharakter nähme, trifft sie auch in der Sache nicht zu; die Beseitigung der Staatsangehörigkeit des Kindes ist das eigentliche Ziel der Maßnahme, da die aufenthaltsrechtlichen Vorteile für den anderen Elternteil, die damit beseitigt werden sollen, gerade aus dem Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes resultieren.

30

3. Der Grundrechtseingriff ist verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, weil die Regelungen über die Behördenanfechtung als absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen sind.

31

Eine Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ist "jede Verlustzufügung, die die - für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame - Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung der Verlässlichkeit und Gleichheit des Zugehörigkeitsstatus liegt insbesondere in jeder Verlustzufügung, die der Betroffene nicht oder nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann" (BVerfGE 116, 24 <44> m.w.N.).

32

Die Regelung über die Behördenanfechtung ist als verfassungswidrige Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) anzusehen, weil die Betroffenen den Staatsangehörigkeitsverlust teils gar nicht, teils nicht in zumutbarer Weise beeinflussen können: Die Kinder selbst können den Staatsangehörigkeitsverlust ohnehin nicht selbst beeinflussen (a). Angesichts der Umstände eines Staatsangehörigkeitserwerbs durch anfechtbare Vaterschaftsanerkennung käme in Betracht, den Kindern die hierbei bestehenden Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern zuzurechnen (b). Die Eltern hatten jedoch selbst keinen Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust, soweit die Regelungen auf Vaterschaften angewendet werden, die vor Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB anerkannt wurden (c). Außerdem ist den Eltern die Wahrnehmung ihrer Einflussnahmemöglichkeit nicht zumutbar, soweit die Vaterschaftsanerkennung nicht gerade darauf zielt, durch den Abstammungserwerb der Staatsangehörigkeit des Kindes (§ 4 Abs. 1 und 3 StAG) aufenthaltsrechtliche Vorteile zu erlangen (d).

33

a) Die betroffenen Kinder können den infolge der Behördenanfechtung eintretenden Verlust der Staatsangehörigkeit nicht selbst beeinflussen. Die Vaterschaftsanfechtung liegt in der Hand der Behörde und des Gerichts. Der Staatsangehörigkeitsverlust vollzieht sich nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichteautomatisch. Ob die Voraussetzungen für eine Behördenanfechtung vorliegen, ist durch das Kind nicht nennenswert beeinflussbar. Auch der durch die Vaterschaftsanerkennung vermittelte Staatsangehörigkeitserwerb selbst, den rückgängig zu machen das eigentliche Ziel der Behördenanfechtung ist, entzieht sich regelmäßig dem Einfluss des Kindes. Die Vaterschaftsanerkennung liegt in den Händen der Eltern, der Staatsangehörigkeitserwerb vollzieht sich infolge der Vaterschaftsanerkennung automatisch von Gesetzes wegen.

34

b) Grundsätzlich kommt in Betracht, den Kindern Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern (aa) zuzurechnen (bb).

35

aa) Auch die Eltern können den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes nicht direkt beeinflussen, der bei erfolgreicher Behördenanfechtung automatisch eintritt.

36

Der Vorwurf einer nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verbotenen Entziehung der Staatsangehörigkeit lässt sich auch nicht schon mit dem Hinweis ausräumen, die Eltern hätten zur Vermeidung des Staatsangehörigkeitsverlusts bereits auf den Staatsangehörigkeitserwerb verzichten können.

37

Besondere Umstände des Staatsangehörigkeitserwerbs können es allerdings erlauben, den Einfluss auf den Erwerbsvorgang ausnahmsweise auch als Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust zu werten (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Tragen die Betroffenen bereits beim Erwerb Verantwortung für eine spezifische Instabilität der Staatsangehörigkeit, hatten sie die Situation, die schließlich zum Verlust der Staatsangehörigkeit führt, in der eigenen Hand, so dass der Verlust als beeinflussbar gelten kann (vgl. Kämmerer, in: Bonner Kommentar, August 2005, Art. 16 Rn. 51; Masing, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 16 Rn. 74). Eine solche Instabilität kann daraus resultieren, dass die Art und Weise des Staatsangehörigkeitserwerbs rechtlich missbilligt ist und der Gesetzgeber Regelungen getroffen hat, nach denen der rechtlich missbilligte Staatsangehörigkeitserwerb rückgängig gemacht werden kann. Führen die Betroffenen unter diesen Voraussetzungen den Erwerb einer rechtlich bemakelten Staatsangehörigkeit herbei, tragen sie Verantwortung für deren Instabilität und müssen sich dies als Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust zurechnen lassen.

38

In den Fällen der Behördenanfechtung ist die Einflussmöglichkeit der Eltern danach darin zu sehen, dass sie auf die Anerkennung einer nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB anfechtbaren Vaterschaft verzichten und damit vermeiden können, dass eine Situation entsteht, die später zum Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes führt (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Die Beteiligten bereits zum Verzicht auf eine im Sinne von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB bemakelte Vaterschaftsanerkennung zu bewegen, ist letztlich auch Ziel der gesetzlichen Einräumung einer behördlichen Anfechtungsbefugnis. Die Zumutbarkeit eines solchen Verzichts bedarf allerdings gesonderter Betrachtung (s.u., d)).

39

bb) Soweit ein mittelbarer Einfluss der Eltern auf den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes besteht, kann er diesem unter bestimmten Bedingungen zugerechnet werden. Dann ist der Staatsangehörigkeitsverlust als durch das Kind beeinflussbar zu werten und eine unzulässige Entziehung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG auszuschließen (vgl. BVerfGE 116, 24 <60>). Zwar muss das Kind so mit dem Staatsangehörigkeitsverlust eine schwerwiegende Folge des Handelns seiner Eltern tragen, auf das es tatsächlich keinen eigenen Einfluss hat. Sinn und Zweck des Verbots der Entziehung der Staatsangehörigkeit lassen eine Zurechnung des Elternverhaltens gleichwohl zu. Dem durch das Entziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG bezweckten Schutz vor willkürlicher Instrumentalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ist bereits dadurch Rechnung getragen, dass der Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes von den Eltern beeinflusst werden kann und damit der freien Verfügung des Staates entzogen ist. Der Wegfall der Staatsangehörigkeit entspringt dann nicht einem einseitigen Willensakt des Staates, sondern ist Folge der von den Eltern herbeigeführten anfechtbaren Vaterschaftsanerkennung (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Dass das Kind keinen eigenen Einfluss auf den Verlust der Staatsangehörigkeit nehmen kann, darf indessen bei der verfassungsrechtlichen Würdigung eines Staatsangehörigkeitsverlusts nicht unbeachtet bleiben. Dies wird in der Prüfung am Maßstab des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG berücksichtigt.

40

Ob eine Zurechnung elterlichen Verhaltens in den Fällen der Behördenanfechtung altersunabhängig und damit auch bei größeren, zunehmend eigenständigen Kindern möglich ist, bedarf hier keiner Entscheidung, da es im Ergebnis teilweise bereits an der Einflussnahmemöglichkeit der Eltern (s.u., c)), beziehungsweise an der Zumutbarkeit fehlt, die bestehende Einflussmöglichkeit zu nutzen (s.u., d)).

41

c) An der Möglichkeit der Eltern, den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes dadurch zu beeinflussen, dass sie auf eine Vaterschaftsanerkennung verzichten, wenn die zur Behördenanfechtung berechtigenden Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB vorliegen, fehlt es, soweit die Anfechtung gemäß Art. 229 § 16 EGBGB Fälle erfasst, in denen die Vaterschaftsanerkennung und damit der Staatsangehörigkeitserwerb vor Inkrafttreten des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB am 1. Juni 2008 erfolgten - das heißt zu einem Zeitpunkt, in dem die zur Nichtigkeit des Staatsangehörigkeitserwerbs führende Anfechtungsregelung noch nicht existierte. Eine den Entziehungstatbestand des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ausschließende Einflussmöglichkeit der Eltern ist insoweit mangels Vorhersehbarkeit zu verneinen.

42

aa) Wird eine Regelung, welche die Staatsangehörigkeit entfallen lässt, nachträglich in Kraft gesetzt, so ist dies als verbotene Entziehung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen. Die Betroffenen haben nur dann Einfluss auf den Verlust der Staatsangehörigkeit, wenn sie im Zeitpunkt ihres Handelns wissen oder wenigstens wissen können, dass sie damit die Voraussetzungen für den Verlust der Staatsangehörigkeit schaffen. Zur Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus gehört auch die Vorhersehbarkeit eines Verlusts und damit ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Bereich der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verlustregelungen (BVerfGE 116, 24 <45>).

43

Erfolgte die Anerkennung einer nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB anfechtbaren Vaterschaft vor Inkrafttreten des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB, konnten die Eltern nicht wissen, dass sie mit dieser Vaterschaftsanerkennung zugleich die Voraussetzung des späteren Verlusts schaffen, weil es die Möglichkeit der Behördenanfechtung zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab. Die betroffenen Eltern durften bis zur Einführung der Behördenanfechtung davon ausgehen, dass die Vaterschaftsanerkennung unabhängig vom damit verfolgten Zweck wirksam war und die Grundlage für den Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes bildete. Die Vaterschaftsanerkennung schafft eine vollgültige, mit allen Rechten und Pflichten verbundene Vaterschaft, auch wenn weder ein biologisches Abstammungsverhältnis noch eine sozial-familiäre Beziehung zwischen anerkennendem Vater und Kind existieren. Erst mit dem Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB konnte die zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken erfolgende Vaterschaftsanerkennung angefochten und damit die deutsche Staatsangehörigkeit rückwirkend zum Wegfall gebracht werden. Erst seitdem können die Eltern durch Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung den späteren Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes durch Behördenanfechtung bewusst verhindern. Bis dahin mussten sie hingegen nicht mit einer Vaterschaftsanfechtung durch die Behörde rechnen.

44

bb) Ob Art. 229 § 16 EGBGB gegen das Rückwirkungsverbot verstößt, bedarf darüber hinaus keiner Entscheidung.

45

d) Soweit die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die nach Inkrafttreten der zu überprüfenden Normen erfolgten, waren die Anfechtung und der dadurch vermittelte Staatsangehörigkeitsverlust zwar vorhersehbar und konnten von den Eltern durch den Verzicht auf Vaterschaftsanerkennung beeinflusst werden. Einen Staatsangehörigkeitsverlust durch den Verzicht auf eine behördlich anfechtbare Vaterschaftsanerkennung zu beeinflussen, ist jedoch nicht ohne Weiteres zumutbar.

46

Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist nur dann zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt (aa). Die in § 1600 Abs. 3 und Abs. 4 BGB geregelten Anfechtungsvoraussetzungen sind jedoch so weit formuliert, dass sie nicht hinreichend genau allein solche Vaterschaftsanerkennungen erfassen (bb). Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist den Betroffenen in diesen Fällen auch nicht deshalb zuzumuten, weil dem Gesetzgeber keine andere Möglichkeit der Regelung der Behördenanfechtung zur Verfügung stünde und das Interesse an der Behördenanfechtung eindeutig die Interessen derjenigen überwöge, die auf eine, nicht der Umgehung gesetzlicher Aufenthaltsvoraussetzungen dienende, anfechtbare Vaterschaftsanerkennung verzichten müssten (cc).

47

aa) Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist nur dann zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Erlangung eines besseren Aufenthaltsstatus unter Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen zielt. Andernfalls kann den Eltern ein Verzicht nicht zugemutet werden, weil ihnen damit eine Form familienrechtlicher Statusbegründung genommen würde, die allen anderen Paaren in gleicher Lage ohne Weiteres offen steht.

48

(1) Nach dem Recht der Vaterschaftsanerkennung ist diese für ein rechtlich vaterloses Kind mit Zustimmung der Mutter unabhängig von der biologischen Vaterschaft ohne jede weitere Voraussetzung möglich. Der Gesetzgeber hat die Vaterschaftsanerkennung der autonomen Entscheidung der Eltern überlassen und hat gerade dies bei der Einführung von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nochmals bekräftigt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 1 und 11). Er hat darauf verzichtet, die Gründe für eine konkrete Anerkennung zu erforschen oder zu reglementieren. Die Betroffenen können eine Vaterschaft durch Anerkennung aus beliebigen Motiven herbeiführen; das gilt auch dann, wenn sie damit rechnen oder sogar wissen, dass der Anerkennende nicht biologischer Vater des Kindes ist. Die Regelung statuiert keine rechtliche Erwartung, auf bestimmte Vaterschaftsanerkennungen zu verzichten.

49

(2) Demgegenüber verlangt die hier zur Prüfung gestellte Regelung den Betroffenen ab, unter den Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, wenn sie nicht später den anfechtungsbedingten Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes riskieren wollen. Betroffen sind nur binationale und ausländische Paare, von denen mindestens ein Elternteil keinen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt, weil die Anfechtung nach § 1600 Abs. 3 BGB erfordert, dass durch die Vaterschaftsanerkennung objektiv aufenthaltsrechtliche Vorteile geschaffen werden.

50

(3) Es ist den Betroffenen nicht ohne Weiteres zumutbar, auf eine allen anderen Paaren offenstehende Vaterschaftsanerkennung nur deshalb zu verzichten, weil ein Elternteil weder die deutsche Staatsangehörigkeit noch einen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt.

51

(a) Zumutbar ist allerdings, unter den in § 1600 Abs. 3 BGB genannten Voraussetzungen auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, soweit diese gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt. Wollen die Mutter und der Anerkennungswillige mit der Vaterschaftsanerkennung gerade die Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils schaffen, bedienen sie sich des familienrechtlichen Instruments der Vaterschaftsanerkennung, um aufenthaltsrechtliche Vorteile herbeizuführen, die das Aufenthaltsrecht an und für sich nicht gewährt. Dass § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nun diesen fachrechtlich nicht vorgesehenen Weg, Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsrecht zu erwerben, beschränkt, dient der Verwirklichung der Steuerungsziele des Staatsangehörigkeits- und des Aufenthaltsrechts. Auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, die gerade darauf zielt, aufenthaltsrechtliche Vorteile zu erlangen, die das einschlägige Fachrecht zulässigerweise nicht gewährt, ist zumutbar, zumal die in diesem Fall schwachen familiären Interessen an der Vaterschaft das Anfechtungsinteresse nicht überwinden könnten.

52

(b) Erfolgt die Vaterschaftsanerkennung hingegen nicht gezielt gerade zur Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts, rechtfertigen es das staatsangehörigkeits- und das aufenthaltsrechtliche Gesetzesziel der Regelungen zur Behördenanfechtung nicht, den Betroffenen zuzumuten, auf die vom Gesetzgeber ansonsten ohne Ansehung der Motive eingeräumte Möglichkeit der Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, die allen anderen Paaren in genau gleicher Lage offensteht.

53

bb) Kann demnach der Verlust der Staatsangehörigkeit nur dann als rechtfertigungsfähiger Verlust, nicht aber als strikt verbotene Entziehung angesehen werden, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts zielt, muss die Möglichkeit der Behördenanfechtung auf die Fälle spezifisch aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennungen begrenzt bleiben. Diese Begrenzung vermögen die vom Gesetzgeber gewählten Anfechtungsvoraussetzungen nicht hinreichend zuverlässig zu leisten.

54

(1) Zwar darf sich der Gesetzgeber bei der Statuierung der Voraussetzungen für die behördliche Anfechtung einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaft aus Praktikabilitätsgründen objektiver Merkmale bedienen, die eine entsprechende subjektive Motivlage beispielhaft und widerlegbar indizieren können. Objektive Anhaltspunkte könnten neben einem Geständnis der Eltern etwa sein, dass der anerkennende Vater bereits mehrfach Kinder verschiedener ausländischer Mütter anerkannt hat oder dass eine Geldzahlung anlässlich der Vaterschaftsanerkennung bekannt wird (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 16).

55

(2) Die objektiv gefassten Anfechtungsvoraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen jedoch nicht.

56

(a) Nach § 1600 Abs. 3 BGB setzt die Behördenanfechtung voraus, dass zwischen Kind und Anerkennendem nicht zu bestimmten Zeitpunkten eine sozial-familiäre Beziehung besteht oder bestanden hat und dass durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt geschaffen werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat das Gericht im Falle fehlender biologischer Vaterschaft das Nichtbestehen der Vaterschaft festzustellen, ohne dass es weitere Belege dafür verlangen müsste oder auch nur dürfte, dass die Vaterschaftsanerkennung tatsächlich gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielte. Dies wird beim Fehlen einer sozial-familiären Beziehung vielmehr unwiderlegbar unterstellt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 14).

57

(b) Die objektiv formulierten Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB sind als Anhaltspunkte für eine spezifisch aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung nicht hinreichend aussagekräftig.

58

(aa) Die Voraussetzung der Schaffung von Einreise- oder Aufenthaltsvoraussetzungen ist für sich genommen nicht zu einer den Anforderungen von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG genügenden Eingrenzung der Anfechtungsfälle geeignet, weil sie alle Fälle der Vaterschaftsanerkennung einbezieht, in denen die Mutter einen ungesicherten Aufenthaltsstatus hatte. Dass die Vaterschaftsanerkennung in diesen Fällen generell gerade zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken erfolgt, ist weder im Gesetzgebungsverfahren dargelegt worden noch sind dafür sonst Anhaltspunkte erkennbar.

59

(bb) Auch das Fehleneiner sozial-familiären Beziehung zwischen Vater und Kind ist kein zuverlässiger Indikator dafür, dass eine, den Aufenthaltsstatus der Beteiligten objektiv verbessernde, Vaterschaftsanerkennung gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile zielt. Nach § 1600 Abs. 4 BGB besteht eine sozial-familiäre Beziehung, wenn der Vater zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat, was in der Regel der Fall ist, wenn der Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Die erste Alternative scheidet hier schon deshalb aus, weil die Eltern in Fällen der Vaterschaftsanerkennung in aller Regel nicht miteinander verheiratet sind. Die zweite Alternative fasst die sozial-familiäre Beziehung zu eng, als dass deren Fehlen bereits die aufenthaltsrechtliche Motivlage indizieren könnte (vgl. Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>; Grün, FuR 2007, S. 12 <13>; Helms, StAZ 2007, S. 69 <73>). Das Erfordernis einer häuslichen Gemeinschaft ist streng und geht deutlich über das Maß an sozialen Vater-Kind-Kontakten hinaus, das ansonsten zwischen nichtehelichen Kindern und ihren Vätern praktisch üblich ist. So kam eine im Gesetzgebungsverfahren zum Kindschaftsrechts-Reformgesetz von 1998 in Auftrag gegebene Untersuchung zur Lebenslage nichtehelicher Kinder zu dem Ergebnis, dass nur knapp ein Viertel aller unverheirateten Eltern in einer häuslichen Gemeinschaft lebten; demgegenüber lebten etwa drei Viertel aller Väter nichtehelicher Kinder nicht mit diesen im selben Haushalt (vgl. BTDrucks 13/4899, S. 50). Das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft ist damit kein zuverlässiger Indikator einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung (vgl. Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>).

60

Dabei wird nicht verkannt, dass in Fallkonstellationen, in denen keine häusliche Gemeinschaft zwischen Vater und Kind begründet wird, Vaterschaftsanerkennungen zu einem gewissen Anteil tatsächlich gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile zielen werden. Gleichwohl eröffnet der generalisierende Schluss vom Fehlen häuslicher Gemeinschaft auf die aufenthaltsrechtliche Motivlage zu weitgehende Anfechtungsmöglichkeiten, die durch Verzicht auf die Vaterschaftsanerkennung zu vermeiden den Betroffenen nicht zuzumuten ist (s.u., cc)).

61

(3) Freilich könnte § 1600 Abs. 4 Satz 2 BGB als nicht abschließende Aufzählung von Beispielen verstanden werden. Dann wäre davon auszugehen, dass auch in anderen als den dort genannten Fällen der Ehe und der häuslichen Gemeinschaft eine tatsächliche Verantwortungsübernahme - und damit eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB - vorliegen kann. Der Schutz der durch Anerkennung begründeten rechtlichen Vater-Kind-Beziehung vor behördlicher Anfechtung reichte dann weiter.

62

Dem Wortlaut ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Regelvermutungen die denkbaren Fälle einer sozial-familiären Gemeinschaft abschließend bezeichnen oder lediglich als Beispiele gedacht sind. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien sollte die Aufzählung nicht abschließend sein. Dort heißt es, neben dem gesetzlichen Regelfall der häuslichen Gemeinschaft könne der Vater tatsächliche Verantwortung auch übernehmen, indem er "typische Elternrechte und -pflichten" wahrnimmt, etwa regelmäßigen Umgang mit dem Kind, Betreuung und Erziehung des Kindes oder die Leistung von Unterhalt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 13). Darüber hinaus verweist die Begründung des Regierungsentwurfs in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Oktober 2005 - 2 BvR 1001/04 -, FamRZ 2006, S. 187 <188>), in der festgestellt wurde, eine verantwortungsvoll gelebte Eltern-Kind-Gemeinschaft lasse sich nicht allein quantitativ etwa nach Daten und Uhrzeiten des persönlichen Kontakts oder genauem Inhalt der einzelnen Betreuungshandlungen bestimmen. Die Entwicklung eines Kindes werde nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 13 f.).

63

Auch im Fachschrifttum wird im Rahmen der Behördenanfechtung eine weite Auslegung des negativen Tatbestandsmerkmals der sozial-familiären Beziehung befürwortet, weil es allein darum gehe, die Missbrauchsfälle herauszufiltern (vgl. Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 8, 6. Aufl. 2012, § 1600 Rn. 21; Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>). An einer sozial-familiären Beziehung fehle es nicht automatisch dann schon, wenn keine persönlichen Kontakte zwischen dem Anerkennenden und dem Kind bestünden. Ein Mangel an persönlichem Kontakt könne durchaus auf Umständen beruhen, auf die der Anerkennende keinen Einfluss habe, so etwa wenn tatsächliche Umstände (z.B. eine große räumliche Distanz zwischen Kind und Anerkennendem, Erkrankungen des Anerkennenden oder des Kindes oder die Verbüßung einer Strafhaft) das persönliche Zusammentreffen nicht möglich machten (vgl. Grün, FuR 2007, S. 12 f.; ders., FPR 2011, S. 382 <383 f.>).

64

(4) Die verfassungsrechtlichen Defizite der Norm lassen sich jedoch angesichts der Gesetzessystematik nicht durch Auslegung beheben.

65

Die sozial-familiäre Beziehung ist zugleich negatives Tatbestandsmerkmal der bereits im Jahr 2004 eingeführten Vaterschaftsanfechtung durch den biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Der Gesetzgeber hatte bei der Regelung der Anfechtung durch den biologischen Vater mit der Aufnahme dieses Negativmerkmals (§ 1600 Abs. 2 BGB) im Wesentlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der bestehenden rechtlichen Familie umgesetzt (vgl. BVerfGE 108, 82). Für die Behördenanfechtung wurde das Kriterium später in diesen anderen Zusammenhang schlicht übernommen (§ 1600 Abs. 3 BGB). Die sozial-familiäre Beziehung ist dabei für beide Anfechtungskonstellationen einheitlich in § 1600 Abs. 4 BGB definiert. Die Doppelfunktion des negativen Tatbestandsmerkmals der sozial-familiären Beziehung lässt es hier im Ergebnis nicht zu, dieses Tatbestandsmerkmal im Zusammenhang mit der Behördenanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB den Erfordernissen des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG gemäß weit auszulegen, weil dasselbe Tatbestandsmerkmal im Rahmen der Anfechtung durch den mutmaßlichen biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) aus verfassungsrechtlichen Gründen eng auszulegen ist.

66

Das negative Tatbestandsmerkmal der sozial-familiären Beziehung steht in den beiden Anfechtungskonstellationen in unterschiedlichem Kontext und hat bei der Anfechtung durch den biologischen Vater eine völlig andere Funktion als bei der Anfechtung durch die Behörde (vgl. van Els, FPR 2011, S. 380 <381>; Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Grün, FuR 2007, S. 12 <13>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>; Helms, StAZ 2007, S. 69 <72 f.>).

67

Bei der Anfechtung durch den biologischen Vater soll die bestehende Vaterschaft des rechtlichen Vaters durch die des biologischen Vaters ersetzt werden. Das Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung zum rechtlichen Vater dient im Interesse des Kindes dem Schutz der bestehenden sozialen Familie (vgl. BVerfGE 108, 82 <109 f.>). Der Schutzbedarf ist jedoch begrenzt, weil das Kind nicht vaterlos wird, sondern den biologischen Vater als rechtlichen Vater erhält, woran das Kind ein eigenes Interesse hat, das das Interesse an der Erhaltung der rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung zum bisherigen Vater überwiegen kann. Um die Anfechtung nicht übermäßig zu erschweren, ist mit der sozial-familiären Beziehung ein negatives Tatbestandsmerkmal gewählt, das der Anfechtung durch den biologischen Vater Raum gewährt und diese nur dann scheitern lässt, wenn Kind und rechtlicher Vater tatsächlich gemeinsam ein soziales Familienleben führen, welches durch die rechtliche Neuordnung der Vaterschaft gestört würde. Bei der Behördenanfechtung hingegen soll eine rechtliche Vater-Kind-Zuordnung im öffentlichen Interesse aufgehoben werden, ohne dass für die Feststellung einer neuen, biologisch zutreffenden Vaterschaft Sorge getragen wäre. Die Anfechtung dient - anders als im Fall der Anfechtung durch den biologischen Vater - nicht dem Schutz der Grundrechte der Betroffenen, sondern der Durchsetzung staatsangehörigkeits- und aufenthaltsrechtlicher Steuerungsziele. Durch die Behördenanfechtung wird weder ein Vater in sein Recht gesetzt noch hat das Kind hierdurch Vorteile. Vielmehr verliert es neben der deutschen Staatsangehörigkeit ersatzlos einen rechtlich vollwertigen Elternteil.

68

Demgemäß kommt dem Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung bei der Behördenanfechtung eine andere Funktion zu als bei der Anfechtung durch den biologischen Vater. Während es bei der Anfechtung durch die Behörde vor allem dazu dient, eine gerade aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung zu identifizieren, geht es bei der Anfechtung durch den biologischen Vater nur darum, festzustellen, ob der Anfechtung eine verfassungsrechtlich schützenswerte, sozial gehaltvolle Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater entgegensteht.

69

Verfassungsrechtlich unzulässig wäre es, das für beide Anfechtungskonstellationen relevante Tatbestandsmerkmal der sozial-familiären Beziehung, das in § 1600 Abs. 4 BGB eine einheitliche Definition erfahren hat, je nach Kontext unterschiedlich auszulegen, indem man es als Voraussetzung der Behördenanfechtung weit interpretierte, ihm aber bei der Anfechtung durch den biologischen Vater eine enge Bedeutung beilegte (kritisch Helms, StAZ 2007, S. 69<73>). Ein und dasselbe, durch eine Norm einheitlich definierte Tatbestandsmerkmal kann hier nicht, je nachdem, mit welcher Anfechtungsnorm es in Verbindung gebracht wird, einmal eng und einmal weit interpretiert werden. Angesichts der erheblichen Grundrechtseingriffe, die mit der Vaterschaftsanfechtung in beiden Fällen verbunden sind, wäre dies unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten der Normverständlichkeit nicht zu akzeptieren.

70

cc) Es ist den Betroffenen auch nicht deshalb zuzumuten, bereits im Fall des Fehlens einer sozial-familiären Beziehung im engeren Sinne auf die Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, weil sich das behördliche Anfechtungsrecht mangels äußerer Unterscheidbarkeit gerade aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennungen von anderen Vaterschaftsanerkennungen nur auf diese Weise durchsetzen ließe und das Interesse an der Vaterschaftsanerkennung hinter dem Anfechtungsinteresse zurücktreten müsste. Es ist nicht ausgeschlossen, treffgenauere Kriterien als das Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung zu verwenden (s.o., bb)(1)). Selbst wenn diese nicht alle Fälle aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennung vollständig erfassen sollten, wäre das hinnehmbar, zumal eine besondere Dringlichkeit, aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennungen zu bekämpfen, nicht erkennbar geworden ist.

71

So konnte die für den Zeitraum vom 1. April 2003 bis 31. März 2004 erhobene Zahl von 1.694 Aufenthaltstiteln, die an unverheiratete ausländische Mütter eines deutschen Kindes erteilt wurden, die im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig waren, nach eigener Einschätzung der Bundesregierung "nicht belegen, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen handelt" (BTDrucks 16/3291, S. 11). Es ist wahrscheinlich, dass ein ganz erheblicher Anteil der Fälle keine Anfechtungsfälle waren, denn in die Erhebung waren insbesondere auch die Fälle einbezogen, in denen die biologische Vaterschaft oder aber wenigstens eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Vater und Kind bestand, mithin reguläre Vaterschaftsanerkennungen, auf die die Behördenanfechtung nicht zielt und die sie auch nicht erfasst.

72

Dass sich die Vaterschaftsanerkennung praktisch nicht zum extensiv genutzten Instrument der Aufenthaltssicherung unter Umgehung aufenthaltsrechtlicher Voraussetzungen entwickelt hat, dürfte nicht zuletzt darauf beruhen, dass die anerkennenden Väter ein erhebliches Risiko eingehen, dauerhaft unterhaltsrechtlich belangt zu werden. Die Vaterschaftsanerkennung führt zur rechtlich vollgültigen Vaterschaft. Mit ihr ist auch und gerade im Fall fehlender häuslicher Gemeinschaft eine unter Umständen lang währende Pflicht zur Zahlung von Kindesunterhalt verbunden, die gegebenenfalls staatlich durchsetzbar ist. Mittellosigkeit schützt den Vater allenfalls begrenzt vor dieser Zahlungspflicht. Der Vater eines minderjährigen Kindes ist gemäß § 1601, § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigert unterhaltspflichtig und deshalb verpflichtet, alle Anstrengungen zu unternehmen, um Unterhalt zahlen zu können. Dies zwingt den Unterhaltspflichtigen zur Übernahme jeder ihm zumutbaren Arbeit, wobei zur Sicherung des Unterhalts minderjähriger Kinder auch Aushilfs- und Gelegenheitsarbeiten zumutbar sind und ein Orts- und Berufswechsel verlangt werden kann. Unterlässt es der Unterhaltsverpflichtete, einer ihm möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit nachzugehen, werden ihm auch fiktiv erzielbare Einkünfte zugerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 -, juris, Rn. 20 ff.; stRspr).

73

Im Übrigen stehen dem Staat auch jenseits des familiengerichtlichen Unterhaltsverfahrens des unterhaltsberechtigten Kindes Mittel zur Verfügung, die Unterhaltspflichten durchzusetzen und so indirekt Druck gegen eine Praxis aufenthaltsrechtlich motivierter Gefälligkeitsanerkennungen zu entfalten. Die Verletzung der Unterhaltspflicht ist nach § 170 StGB strafbewehrt. Zudem haben die Sozialbehörden im Fall der Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch das Kind Mittel an der Hand, die unterhaltsrechtlichen Folgen einer Vaterschaftsanerkennung spürbar werden zu lassen, indem sie die auf sie übergehenden Unterhaltsforderungen gegenüber dem Anerkennenden durchsetzen.

74

4. Die zu überprüfenden Normen verstoßen darüber hinaus gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie genügen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG an einen sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit stellt, weil sie keine Möglichkeit bieten, zu berücksichtigen, ob das Kind staatenlos wird (a), weil es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Staatsangehörigkeitsverlusts fehlt (b) und weil keine angemessene Fristen- und Altersregelung getroffen wurde, die verhindern könnte, dass auch ältere Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit über einen längeren Zeitraum besessen haben, diese noch verlieren (c).

75

a) § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB ist insofern verfassungswidrig, als dem über die Anfechtung entscheidenden Gericht weder aufgegeben noch ermöglicht ist, Rücksicht darauf zu nehmen, ob das betroffene Kind infolge der Behördenanfechtung staatenlos wird. Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG darf der Verlust der Staatsangehörigkeit gegen den Willen der Betroffenen nur dann eintreten, wenn diese dadurch nicht staatenlos werden. Weil der Verlust der Staatsangehörigkeit im Fall der Behördenanfechtung in aller Regel gegen den Willen des betroffenen Kindes eintritt, hätte der Gesetzgeber eine Vorkehrung für den Fall der Staatenlosigkeit treffen müssen. Für eine verfassungskonforme Auslegung bietet der Wortlaut keinen Anknüpfungspunkt.

76

aa) Es ist nicht auszuschließen, dass Kinder infolge der Behördenanfechtung staatenlos werden. Welche Auswirkungen der Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit für die weitere Staatsangehörigkeit des Kindes hat, bestimmt sich nach ausländischem Staatsangehörigkeitsrecht. Das deutsche Recht kann Erwerb, Fortbestand oder Wiederaufleben der mütterlich vermittelten ausländischen Staatsangehörigkeit nicht steuern.

77

bb) Eine Rechtfertigung der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit kommt nicht in Betracht. Der Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG sieht abgesehen vom Willenskriterium keine weitere Einschränkung des Verbots der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit vor; das Staatenlosigkeitsverbot ist strikt formuliert.

78

Zwar wurde eine Inkaufnahme der Staatenlosigkeit im Fall der Rücknahme einer durch bewusst falsche Angaben erwirkten rechtswidrigen Einbürgerung für verfassungsrechtlich zulässig gehalten (vgl. BVerfGE 116, 24 <45 ff.>). Wegen des strikt formulierten Verbots des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ist jedoch bei einer Weiterung der für den Rücknahmefall angestellten Rechtfertigungsüberlegungen auf andere Konstellationen äußerste Zurückhaltung geboten. In der hier zu beurteilenden Konstellation greifen die zur Rücknahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung angestellten Erwägungen jedenfalls nicht. Dort stand im Zentrum, dass sich die Betroffenen über die Rechtsordnung hinweggesetzt und durch willentliche Täuschung eine rechtswidrige Einbürgerung erreicht haben. Im Fall der Behördenanfechtung liegen die Dinge anders.

79

Durch die Vaterschaftsanerkennung haben sich die Eltern weder über die Rechtsordnung hinweggesetzt, noch haben sie irgendjemanden über irgendetwas getäuscht, noch haben sie eine rechtswidrige Entscheidung herbeigeführt. Wegen der geringen Voraussetzungen, die das deutsche Abstammungsrecht an eine Vaterschaftsanerkennung stellt, welche insbesondere keine biologische Vaterschaft erfordert, gibt es nichts, worüber die Eltern täuschen könnten. Von einer rechtlichen Missbilligung des Staatsangehörigkeitserwerbs durch Vaterschaftsanerkennung kann ohnehin allenfalls bei Vaterschaftsanerkennungen die Rede sein, die nach Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB erfolgten. Auch dann ist die Bemakelung der durch Vaterschaftsanerkennung erlangten Staatsangehörigkeit jedoch mit einer durch rechtswidriges Verhalten oder Täuschung erschlichenen Einbürgerung nicht vergleichbar und rechtfertigt nicht die Überwindung des Verbots der Herbeiführung von Staatenlosigkeit. In dieser Konstellation setzte sich die deutsche Rechtsordnung durch eine Inkaufnahme der Staatenlosigkeit auch in Widerspruch zu völkerrechtlichen Bestimmungen zur Staatenlosigkeit (Art. 8 Abs. 1 und 2 der Konvention zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961, BGBl II 1977, S. 598, United Nations, Treaty Series, vol. 989, p. 175; Art. 7 Abs. 3 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit vom 6. November 1997, BGBl II 2004, S. 579; BGBl II 2006, S. 1351,United Nations, Treaty Series, vol. 2135, p. 215).

80

Vor allem aber treten hier der Verlust der Staatsangehörigkeit und damit gegebenenfalls die Staatenlosigkeit beim Kind ein, das selbst an der Erlangung der Staatsangehörigkeit nicht aktiv beteiligt war. Anders als bei der Abgrenzung von Entziehung und Verlust der Staatsangehörigkeit (s.o., 3.b)bb)) ist es angesichts des klaren Verbots der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit hier nicht möglich, dem Kind ein Verhalten der Eltern zuzurechnen.

81

b) Darüber hinaus liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts vor. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt zur Legitimierung eines unfreiwilligen Verlusts der Staatsangehörigkeit eine gesetzliche Grundlage (vgl. BVerfGE 116, 24 <52 ff.>). Dabei gebietet Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, den Verlust der Staatsangehörigkeit so bestimmt zu regeln, dass die für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit nicht beeinträchtigt wird (vgl. BVerfGE 116, 24 <61>). Dem genügen die Regelungen über die Behördenanfechtung nicht, weil der Umstand, dass die Staatsangehörigkeit infolge der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft wegfällt, nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Damit liegt zugleich ein Verstoß gegen das Zitiergebot vor (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG).

82

Die familienrechtlichen Vorschriften zur Behördenanfechtung zielen zwar ersichtlich darauf, die durch Vaterschaftsanerkennung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes zu Fall zu bringen, um so die nicht gewollten aufenthaltsrechtlichen Folgen der Vaterschaftsanerkennung zu beseitigen. Jedoch regeln sie die Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit des Kindes nicht ausdrücklich. Auch im Staatsangehörigkeitsrecht findet sich keine gesetzliche Regelung, die den Verlust der Staatsangehörigkeit infolge der die Vaterschaft beendenden Behördenanfechtung anordnet. In der Aufzählung der Verlustgründe (§ 17 Abs. 1 StAG) ist diese Verlustform nicht enthalten. Der Wegfall ergibt sich vielmehr aus der Anwendung zweier ungeschriebener Rechtsregeln, an die § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB unausgesprochen anknüpft. Zugrunde liegen erstens die Annahme der Rückwirkung der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung auf den Zeitpunkt der Geburt und zweitens die Annahme, dass das Staatsangehörigkeitsrecht in vollem Umfang den familienrechtlichen Abstammungsvorschriften folgt, so dass die staatsangehörigkeitsrechtlichen Erwerbsvoraussetzungen einheitlich mit der Vaterschaft rückwirkend entfallen (s.o., A.III.2.). Der Gesetzgeber hat dies vorausgesetzt, jedoch nicht klar erkennbar geregelt.

83

Zwar hat die staatsangehörigkeitsrechtliche Folge der behördlichen Vaterschaftsanfechtung im Februar 2009 mittelbar Niederschlag im Gesetz gefunden, indem der Gesetzgeber in § 17 Abs. 2 und 3 StAG für den Staatsangehörigkeitsverlust drittbetroffener Kinder eine Altersgrenze festgesetzt und dabei die Behördenanfechtung ausdrücklich von der Geltung dieser Altersgrenze ausgenommen hat. Diese Bestimmung impliziert, dass die Behördenanfechtung zum Verlust der Staatsangehörigkeit führt. Den strengen Anforderungen, die der Gesetzesvorbehalt an die Regelung der Staatsangehörigkeit stellt, genügt diese nur mittelbare Regelung jedoch nicht.

84

c) Die Regelung verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie verfolgt zwar einen legitimen Zweck, genügt jedoch nicht den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Die Regelung zielt legitimer Weise auf die Effektivierung der gesetzlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts, deren zielgerichtete Umgehung im Wege einer Vaterschaftsanerkennung verhindert werden soll (s.o.,3.d)aa)(3)(a)). Angesichts des Gewichts des Staatsangehörigkeitsverlusts (aa), das mit Alter und Dauer der Inhaberschaft der deutschen Staatsangehörigkeit steigt (bb), und verbleibender Zweifel an der Dringlichkeit des mit der Behördenanfechtung verfolgten Ziels (cc) ist die konkrete Ausgestaltung der Behördenanfechtung jedoch unverhältnismäßig im engeren Sinne, weil es an einer angemessenen Fristen- und Altersregelung fehlt (dd). Das gilt auch für Fälle, in denen die Vaterschaftsanerkennung tatsächlich zur Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts erfolgte. Sofern die Anfechtung Vaterschaftsanerkennungen erfasst, die nicht gerade zum Zweck der Umgehung des Aufenthaltsrechts erfolgten, sind sie ohnehin verfassungswidrig, weil sie gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen (s.o., 3.d)).

85

aa) Die staatliche Herbeiführung des Staatsangehörigkeitsverlusts ist aus Sicht des betroffenen Kindes ein gravierender Grundrechtseingriff. Die deutsche Staatsangehörigkeit ermöglicht dem Kind den weiteren Verbleib in Deutschland und die gleichberechtigte Teilhabe an Gütern und Rechten und damit die volle Teilnahme am gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik. Mit dem Wegfall der Staatsangehörigkeit entschwinden Lebenschancen, auf die sich das Kind je nach Alter eingerichtet hat (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306> m.w.N.). Dabei fällt auch ins Gewicht, dass Kinder von der Behördenanfechtung als Außenstehende betroffen sind, die an dem bemakelten Staatsangehörigkeitserwerb nicht beteiligt waren und darum mit der Vaterschaftsanfechtung die Folgen des Handelns ihrer Eltern tragen müssen.

86

bb) Die Belastungswirkung des mit dem Staatsangehörigkeitsverlust durch Behördenanfechtung verbundenen Grundrechtseingriffs nimmt mit dem Alter des betroffenen Kindes und mit der Zeitspanne zu, während der das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit innehatte. Mit dem altersgemäß steigenden Bewusstsein seiner Staatsangehörigkeit wächst das Vertrauen des Kindes auf den Bestand der Staatsangehörigkeit und der mit der deutschen Staatsangehörigkeit verbundenen faktischen und rechtlichen Folgen. Neben dem Alter erhöht auch die Dauer der Inhaberschaft der deutschen Staatsangehörigkeit die Belastungswirkung ihres Entfallens. Je länger sich ein Kind auf ein Leben in Deutschland eingerichtet und sich, insbesondere durch Teilhabe am deutschen Bildungssystem, in die deutsche Gesellschaft integriert hat, umso gravierender ist der mit dem Staatsangehörigkeitsverlust verbundene Grundrechtseingriff (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>).

87

cc) Auf der anderen Seite ist ungeachtet der legitimen Zielsetzung der Behördenanfechtung eine konkrete Dringlichkeit, in Umgehungsabsicht erfolgte Vaterschaftsanerkennungen zu bekämpfen, nicht erkennbar (s.o., 3.d)cc)).

88

dd) Wegen der erheblichen Belastungswirkung des Staatsangehörigkeitsverlusts, die mit dem Alter des Kindes und mit der Dauer der Staatsangehörigkeit steigt, sind dem Staatsangehörigkeitsverlust jenseits des relativ frühen Kindesalters zeitliche Grenzen zu setzen. Dass damit nicht jede zu Umgehungszwecken erfolgte Vaterschaftsanerkennung im Wege der Behördenanfechtung rückgängig gemacht werden kann, ist auch angesichts der Zweifel an deren Dringlichkeit hinnehmbar.

89

(1) Dem Vertrauen von Kindern in den Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit ist durch spezifische Regelungen Rechnung zu tragen, die die Möglichkeit des Staatsangehörigkeitsverlusts einschränken (vgl. BVerfGE 116, 24 <60>). Dementsprechend hat der Gesetzgeber Altersgrenzen für den Verlust der Staatsangehörigkeit bei Kindern geschaffen. Nach der Regelung in § 17 Abs. 2 und 3 Satz 1 StAG berühren Entscheidungen nach anderen Gesetzen, die den rückwirkenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit Dritter zur Folge hätten, nicht die deutsche Staatsangehörigkeit von Kindern, die mindestens fünf Jahre alt sind. Exemplarisch nennt § 17 Abs. 3 StAG die Rücknahme der Einbürgerung oder einer Niederlassungserlaubnis der Eltern sowie die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft. Zur Begründung führte die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren aus, sie wolle Kinder, die am nachträglichen Wegfall der Erwerbsvoraussetzungen für ihre Staatsangehörigkeit nicht beteiligt sind, gegen einen automatischen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit schützen. Man gehe aber davon aus, dass ein Kind bis zum Alter von fünf Jahren noch kein eigenes Bewusstsein von seiner Staatsangehörigkeit und kein eigenes Vertrauen auf deren Bestand habe (vgl. BTDrucks 16/10528, S. 6 f.).

90

(2) Die damit geschaffene absolute Altersgrenze von fünf Jahren gilt jedoch nach § 17 Abs. 3 Satz 2 StAG nicht für den Wegfall der Staatsangehörigkeit nach einer Behördenanfechtung. Der Gesetzgeber verweist zur Begründung des Verzichts auf ein Alterskriterium bei der Behördenanfechtung auf den seiner Ansicht nach ausreichenden Schutz dieser Kinder durch die in § 1600b Abs. 1a Satz 3 BGB enthaltene Anfechtungsfrist von fünf Jahren nach Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung oder Einreise des Kindes in das Bundesgebiet (vgl. BTDrucks 16/10528, S. 7).

91

Die Staatsangehörigkeit kann jedoch durch Behördenanfechtung auch bei einem älteren Kind verloren gehen, das die deutsche Staatsangehörigkeit über einen langen Zeitraum innehatte. Zwar schließt § 1600b Abs. 1a BGB den Staatsangehörigkeitsverlust bei älteren Kindern in den Fällen aus, in denen eine Vaterschaftsanerkennung in zeitlicher Nähe zur Geburt des Kindes erfolgte. Die Behördenanfechtung trifft gleichwohl auch ältere Kinder. Zum einen ist die Behördenanfechtung auch in Fällen möglich, in denen die Vaterschaftsanerkennung in vorgerücktem Kindesalter erfolgte. Zum anderen wird durch die Ausschlussfrist des § 1600b Abs. 1a Satz 3, 2. Alt. BGB die Behördenanfechtung auch solcher Vaterschaftsanerkennungen ermöglicht, die bereits vor Jahren wirksam wurden, sofern das Kind erst deutlich später in die Bundesrepublik einreist. Aufgrund der langen Anfechtungsfrist von fünf Jahren trifft die Behördenanfechtung zudem auch (ältere) Kinder, die bereits seit vielen Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit innehatten und demgemäß als Deutsche gelebt haben. Es kommt hinzu, dass die Fünfjahresfrist auf die Anfechtung bezogen ist und nicht auf die Rechtskraft des das Nichtbestehen der Vaterschaft feststellenden Urteils, die nochmals Jahre später eintreten kann.

92

(3) Soweit die Behördenanfechtung wegen der altersunabhängigen Fünfjahresfrist ältere Kinder trifft, deren Staatsangehörigkeitserwerb möglicherweise schon viele Jahre zurückliegt, so dass sie bereits ein Bewusstsein für ihre Staatsangehörigkeit und die damit verbundenen Folgen entwickelt haben und in für die Entfaltung ihrer Persönlichkeit entscheidenden Jahren davon ausgingen, deutsche Staatsangehörige zu sein, ist die Regelung übermäßig hart, zumal die betroffenen Kinder zur Bemakelung ihres Staatsangehörigkeitserwerbs nicht selbst beigetragen haben. Nach der Einschätzung und Wertung des Gesetzgebers setzt das Bewusstsein für die eigene Staatsangehörigkeit bei Kindern ein, die älter sind als fünf Jahre. Verfassungsrechtlich ist auch für die Behördenanfechtung für Kinder, die älter als fünf Jahre sind, eine deutliche Verkürzung der Anfechtungsfrist geboten.

II.

93

Die Regelungen über die Behördenanfechtung verstoßen gegen das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Elternrecht.

94

1. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt als Grundlage und Kern des Elternrechts auch den Bestand der Elternschaft. Die Behördenanfechtung betrifft das Bestandsinteresse des Vaters wie auch das ebenfalls geschützte (vgl. BVerfGE 38, 241 <252>) Interesse der Mutter am Fortbestand einer zuvor willentlich begründeten gemeinsamen Elternschaft.

95

Eine verfassungsrechtlich geschützte Elternschaft besteht auch dann, wenn die Vaterschaft durch Anerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB begründet wurde und der Anerkennende - wie in § 1600 Abs. 3 BGB vorausgesetzt - weder der biologische Vater des Kindes ist noch eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind begründet hat. Die durch Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB erlangte Vaterstellung macht den anerkennenden Mann unabhängig von den biologischen Abstammungsverhältnissen zugleich zum Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, ohne dass es auf die Begründung einer sozial-familiären Beziehung ankäme. Freilich hängt die Intensität des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Schutzes davon ab, ob die rechtliche Vaterschaft auch sozial gelebt wird.

96

2. Die Behördenanfechtung beendet die rechtliche Vaterschaft rückwirkend gegen den Willen der Familienmitglieder (s.o., A.III.2.) und greift so in das Bestandsinteresse beider Eltern ein.

97

3. Der Eingriff ist nicht zu rechtfertigen, weil er unverhältnismäßig ist.

98

a) Das Elterngrundrecht enthält keinen allgemeinen Gesetzesvorbehalt. Eine Beschränkung des Elterngrundrechts kann indessen aufgrund verfassungsimmanenter Schranken erfolgen. Die Behördenanfechtung dient der Durchsetzung aufenthaltsrechtlicher Steuerungszwecke und verfolgt damit ein legitimes Ziel (s.o., I.3.d)aa)(3)(a)), das eine verfassungsimmanente Schranke des Elterngrundrechts bildet. Zwar erteilt das Grundgesetz dem Gesetzgeber nicht ausdrücklich den Auftrag, den Zuzug ausländischer Staatsangehöriger zu regeln. Die Eröffnung beziehungsweise Verwehrung von Zuzugsmöglichkeiten berührt das Gemeinwesen jedoch im Kern und bedarf darum rechtlicher Steuerung.

99

b) Zielte die Vaterschaftsanerkennung gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile, ist die Schutzwürdigkeit der Elternposition gering. Der Eingriff durch eine behördliche Anfechtung ist insoweit angesichts ihrer legitimen Zwecksetzung verhältnismäßig. Soweit die Behördenanfechtung hingegen nach den zu breit formulierten Voraussetzungen des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB Vaterschaften erfasst, die nicht zur Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts anerkannt wurden (s.o., I.3.d)bb)), ist sie nicht vom Gesetzeszweck getragen und ist darum im Hinblick auf das Elterngrundrecht unverhältnismäßig.

III.

100

Die überprüften Regelungen verstoßen gegen das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Recht des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung.

101

1. Kinder, denen ein eigenes Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit zukommt (Art. 2 Abs. 1 GG), bedürfen des Schutzes und der Hilfe, um sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln zu können. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verleiht dem Kind darum ein Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Februar 2013 - 1 BvL 1/11 und 1 BvR 31 BvR 3247/09 -, juris, Rn. 41 ff.) und schützt Kinder zugleich dagegen, durch staatliche Maßnahmen von der spezifisch elterlichen Hinwendung abgeschnitten zu werden.

102

2. Ist die behördliche Anfechtungsklage erfolgreich, entfällt rückwirkend auf den Tag der Geburt des Kindes die bisherige Vaterschaftszuordnung. Dem Kind wird mit der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtungsklage durch eine staatliche Behörde der rechtliche Vater genommen. Dies greift in das Recht des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung ein.

103

3. Der Eingriff in das Recht des Kindes ist unverhältnismäßig, sofern die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die nicht zur Umgehung des Aufenthaltsrechts erfolgt sind (s.o., I.3.d)bb)). Wurde die Vaterschaftsanerkennung hingegen allein zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken vorgenommen, ist der soziale Gehalt der Vaterschaft für das Kind typischerweise nicht hoch. Dass der Gesetzgeber demgegenüber dem Interesse an der Durchsetzung aufenthaltsrechtlicher Zielsetzungen den Vorrang gegeben hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

IV.

104

Ein - nur in Teilen durch verfassungskonforme Auslegung zu vermeidender - Verstoß gegen das allgemeine Familiengrundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG liegt vor, weil die Regelung ein tatsächlich bestehendes Familienleben im Rahmen des Anfechtungsverfahrens nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB unnötig mit behördlichen und gerichtlichen Ausforschungen belastet.

105

1. Belastungen resultieren aus der Abstammungsklärung. Die erfolgreiche Behördenanfechtung setzt wie alle anderen Formen der Vaterschaftsanfechtung voraus, dass der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, nicht der biologische Vater des Kindes ist. Daher muss die Abstammung des Kindes im Rahmen des Anfechtungsverfahrens geklärt werden. Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, dass diese Abstammungsklärung erst dann erfolgen dürfte, wenn sichergestellt ist, dass die sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen. Eltern und Kinder könnten sich der Abstammungsklärung folglich auch dann unterziehen müssen, wenn die Behördenanfechtung schließlich an den sonstigen Voraussetzungen scheitert. Obwohl die Behördenanfechtung dann im Ergebnis wegen des Bestehens einer sozial-familiären Beziehung erfolglos bleibt, greift bereits die Abstammungsklärung an sich in das Recht des Kindes und der Eltern aus Art. 6 Abs. 1 GG ein. Denn falls eine sozial-familiäre Beziehung zum Vater besteht, belastet die Durchführung des familiengerichtlichen Anfechtungsverfahrens, in dem die gesamte familiäre Situation einer staatlichen Prüfung unterzogen und die biologische Vaterschaft in Frage gestellt wird, die soziale Beziehung zwischen den Betroffenen. Die Belastung ist besonders groß, wenn sich bei der Abstammungsklärung herausstellt, dass der rechtliche Vater trotz sozial-familiärer Beziehung nicht biologischer Vater des Kindes ist (vgl. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, August 2005, S. 378).

106

Insoweit stehen die vorgelegten Regelungen einer verfassungskonformen Anwendung jedoch nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat nicht geregelt, in welcher Reihenfolge das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen zu klären ist. Wegen der familiären Auswirkungen der Abstammungsklärung kann es zur Vermeidung unnötiger Eingriffe in das Familiengrundrecht geboten sein, die Abstammungsklärung erst dann herbeizuführen, wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt ist, dass die sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen. Ist hingegen absehbar, dass die Klärung der sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen für die Betroffenen - etwa wegen der Breitenwirkung der dafür erforderlichen Ermittlungen - ungleich belastender ist, kann es umgekehrt geboten sein, zuerst die Abstammungsklärung vorzunehmen. Die Regelungen zur Behördenanfechtung lassen die Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte zu.

107

2. Indessen setzt die Beeinträchtigung des Familienlebens durch die mit einem Anfechtungsverfahren verbundene Ausforschung nicht erst mit der gerichtlichen Abstammungsklärung ein. Vielmehr belasten schon die vorausgehenden behördlichen Ermittlungen die sozialen Beziehungen der Familie, weil sie die Beteiligten bereits mit dem Verdacht des fehlenden biologischen Abstammungsverhältnisses zwischen Vater und Kind und mit der Gefahr einer Auflösung der rechtlichen Vater-Kind-Beziehung konfrontieren und weil sie unter Umständen Details des Familienlebens ausleuchten und damit dessen unbeschwerte Fortführung hemmen. Die behördlichen Ermittlungen nehmen den Beteiligten Gewissheit und Vertrauen in ihre familiären Beziehungen, indem sie deren tatsächliche und rechtliche Grundlagen in Frage stellen. Dies kann selbst dann der Fall sein, wenn zwischen Vater und Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht, denn die behördliche Infragestellung der Vaterschaft belastet auch die familiäre Beziehung zwischen Mutter und Kind.

108

Die Belastungen sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt, sofern die Maßnahmen der Anfechtung einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung dienen. Grundsätzlich ist auch hinzunehmen, dass in die behördlichen Ermittlungen Familien einbezogen werden, bei denen die behördlichen Aufklärungen am Ende ergeben, dass die Voraussetzungen für eine Vaterschaftsanfechtung nicht vorliegen. Eben dies kann sich unter Umständen erst durch behördliche Nachforschung erweisen.

109

Verfassungsrechtlich nicht hinzunehmen ist jedoch, dass die in § 1600 Abs. 4 BGB unnötig weit gefassten Anfechtungsvoraussetzungen nicht verheiratete, ausländische oder binationale Elternpaare, die keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, generell dem Verdacht aussetzen, die Vaterschaftsanerkennung allein aus aufenthaltsrechtlichen Gründen vorgenommen zu haben und deren Familienleben damit ohne Weiteres mit behördlichen Nachforschungen belasten (vgl. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, August 2005, S. 378). Auch wegen Art. 6 Abs. 1 GG wäre insoweit eine präzisere Fassung der Anfechtungsvoraussetzungen verfassungsrechtlich geboten.

V.

110

Die Regelungen verstoßen nicht gegen Art. 6 Abs. 5 GG.

111

Art. 6 Abs. 5 GG setzt als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes und als Schutznorm zugunsten nichtehelicher Kinder der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit Grenzen (vgl. BVerfGE 84, 168 <184 f.>). Auch eine mittelbare Schlechterstellung nichtehelicher Kinder im Verhältnis zu ehelichen Kindern ist durch Art. 6 Abs. 5 GG verboten (vgl. BVerfGE 118, 45 <62> m.w.N.). Eine ungleiche Behandlung nichtehelicher Kinder, die sich als Benachteiligung gegenüber ehelichen Kindern auswirkt, bedarf stets einer überzeugenden Begründung (vgl. BVerfGE 84, 168 <185>).

112

Die Behördenanfechtung kann nur bei nichtehelichen Kindern zur Anwendung kommen und benachteiligt diese daher mittelbar (1.). Dies lässt sich jedoch rechtfertigen (2.).

113

1. Die Regelungen über die Behördenanfechtung bewirken mittelbar eine Benachteiligung nichtehelicher Kinder. Der Gesetzgeber hat die rechtliche Vaterschaft kraft Anerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB), nicht aber die rechtliche Vaterschaft kraft Ehe (§ 1592 Nr. 1 BGB) behördlicher Anfechtung unterworfen, obwohl auch im Fall der auf Ehe beruhenden Vaterschaft eine lediglich rechtliche Vaterschaft ohne biologische Abstammungsbeziehung vorliegen kann, die unter Umständen - ähnlich wie die Vaterschaftsanerkennung - einen besseren Aufenthaltsstatus vermittelt. Die Behördenanfechtung im Fall der Vaterschaftsanerkennung knüpft zwar nicht an das Merkmal der Nichtehelichkeit des Kindes an. Praktisch trifft sie jedoch gerade die nichtehelichen Kinder und führt so zu einer (mittelbaren) Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder rechtlicher Väter gegenüber ehelichen Kindern von rechtlichen Vätern. Zwar sieht das Gesetz in § 1314 Abs. 2 Nr. 5, § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch die Möglichkeit eines behördlichen Antrags auf Aufhebung einer zu Aufenthaltszwecken geschlossenen Ehe vor. Die Aufhebung der Ehe führt jedoch nicht zur Beendigung der Vaterschaft eines in der Ehe geborenen Kindes, obwohl das Kind auch hier - wie im Fall der Behördenanfechtung - dem ausländischen Elternteil weiterhin über § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG einen besseren Aufenthaltsstatus vermitteln kann. Eine Anfechtung der durch eine zu Aufenthaltszwecken geschlossenen Ehe begründeten Vaterschaft sieht das Gesetz nicht vor, und zwar auch dann nicht, wenn die Ehe gemäß § 1313, § 1314 Abs. 2 Nr. 5, § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgehoben wurde.

114

2. Die Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder, deren rechtliches Verhältnis zum Vater auf Anerkennung beruht (§ 1592 Nr. 2 BGB) und ehelicher Kinder, deren rechtliches Verhältnis zum Vater auf der Ehe der Mutter beruht (§ 1592 Nr. 1 BGB), ist gerechtfertigt.

115

Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gezwungen, behördliches Einschreiten in allen Konstellationen allein rechtlicher Vater-Kind-Beziehungen anzuordnen, die den Beteiligten aufenthaltsrechtliche Vorteile bringen. Vielmehr steht ihm ein politischer Spielraum zu, sich auf Konstellationen zu beschränken, in denen er besonderen Handlungsbedarf sieht. Offenbar hat der Gesetzgeber den Handlungsbedarf bei einer durch Aufenthaltsehe begründeten Vaterschaft für geringer gehalten als bei auf Anerkennung beruhender Vaterschaft. Dabei ist der Gesetzgeber auch bezüglich aufenthaltsrechtlich motivierter Ehen nicht untätig geblieben, sondern hat, wie gesehen, die Aufenthaltsehe behördlicher Aufhebung unterworfen. Freilich hat er darauf verzichtet, auch die durch diese aufgehobene Ehe vermittelte Vaterschaft für Kinder des ausländischen Elternteils der Anfechtung zu unterwerfen.

116

Dass der Gesetzgeber sich darauf konzentriert hat, die Aufhebung der Aufenthaltsehe zu ermöglichen, nicht aber dadurch etwa vermittelte Vaterschaften aufheben wollte, ist hinreichend plausibel und darum verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die auf einer Ehe beruhende Vaterschaft hat im Vergleich zur durch Anerkennung begründeten Vaterschaft quantitativ ein deutlich geringeres Potenzial, anderen Personen einen besseren Aufenthaltsstatus zu vermitteln: Ein Mann kann in Deutschland gleichzeitig nur mit einer Frau die Ehe eingehen; er kann aber jederzeit für zahlreiche Kinder die Vaterschaft anerkennen. Zudem kann im Wege der Ehe nur künftig auf die Welt kommenden Kindern die Vaterschaft vermittelt werden, wohingegen die Anerkennung der Vaterschaft auch für früher geborene Kinder möglich ist. Ein einzelner Mann kann darum mittels Vaterschaftsanerkennung sehr viel mehr Personen zu einer aufenthaltsrechtlich vorteilhaften Position verhelfen als ihm durch Eingehung einer Ehe möglich wäre.

(1) § 1592 Nr. 1 und 2 und § 1593 gelten nicht, wenn auf Grund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist.

(2) § 1592 Nr. 1 und § 1593 gelten auch nicht, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses die Vaterschaft anerkennt; § 1594 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Neben den nach den §§ 1595 und 1596 notwendigen Erklärungen bedarf die Anerkennung der Zustimmung des Mannes, der im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist; für diese Zustimmung gelten § 1594 Abs. 3 und 4, § 1596 Abs. 1 Satz 1 bis 3, Abs. 3 und 4, § 1597 Abs. 1 und 2 und § 1598 Abs. 1 entsprechend. Die Anerkennung wird frühestens mit Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses wirksam.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird erworben

1.
durch Geburt (§ 4),
2.
durch Erklärung (§ 5),
3.
durch Annahme als Kind (§ 6),
4.
durch Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 oder 2 des Bundesvertriebenengesetzes7),
5.
durch Einbürgerung (§§ 8 bis 16, 40b und 40c).

(2) Die Staatsangehörigkeit erwirbt auch, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Als deutscher Staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem bei Behandlung als Staatsangehöriger der Erwerb der Staatsangehörigkeit angenommen wurde. Er erstreckt sich auf Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von dem nach Satz 1 Begünstigten ableiten.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Anordnung, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt (§ 6 Abs. 7), gegen die Entziehung des Ausweises und die Ausstellung eines Ersatz-Personalausweises (§ 6a), gegen die Aufhebung der Berechtigung (§ 21 Abs. 5), gegen die Einziehung (§ 29 Abs. 1) und gegen die Sicherstellung des Ausweises (§ 29 Abs. 2) haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Anordnung, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt (§ 6 Abs. 7), gegen die Entziehung des Ausweises und die Ausstellung eines Ersatz-Personalausweises (§ 6a), gegen die Aufhebung der Berechtigung (§ 21 Abs. 5), gegen die Einziehung (§ 29 Abs. 1) und gegen die Sicherstellung des Ausweises (§ 29 Abs. 2) haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Ein nach § 28 Abs. 1 oder Abs. 2 ungültiger Ausweis kann eingezogen werden.

(2) Ein Ausweis kann sichergestellt werden, wenn

1.
eine Person ihn unberechtigt besitzt oder
2.
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für eine Einziehung nach Absatz 1 vorliegen, oder
3.
eine Entziehung im Sinne des § 6a Absatz 2 ergangen ist oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein Entziehungsgrund im Sinne des § 6a Absatz 2 vorliegt.

(3) Eine Sicherstellung oder Einziehung ist schriftlich zu bestätigen.

(1) Ein Ausweis ist ungültig, wenn

1.
er eine einwandfreie Feststellung der Identität des Ausweisinhabers nicht zulässt oder verändert worden ist,
2.
Eintragungen nach diesem Gesetz fehlen oder – mit Ausnahme der Angaben über die Anschrift oder Größe – unzutreffend sind,
3.
die Gültigkeitsdauer abgelaufen ist oder
4.
gegen den Ausweisinhaber eine Anordnung im Sinne des § 6a Absatz 2 ergangen ist und er den Geltungsbereich dieses Gesetzes verlassen hat.

(2) Eine Personalausweisbehörde hat einen Ausweis für ungültig zu erklären, wenn die Voraussetzungen für seine Erteilung nicht vorgelegen haben oder nachträglich weggefallen sind.

(3) Störungen der Funktionsfähigkeit des elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmediums berühren nicht die Gültigkeit des Personalausweises.

(1) Ausweise sind nach einheitlichen Mustern auszustellen.

(2) Der Personalausweis enthält neben der Angabe der ausstellenden Behörde, dem Tag der Ausstellung, dem letzten Tag der Gültigkeitsdauer, der Zugangsnummer und den in Absatz 4 Satz 2 genannten Daten ausschließlich folgende sichtbar aufgebrachte Angaben über den Ausweisinhaber:

1.
Familienname und Geburtsname,
2.
Vornamen,
3.
Doktorgrad,
4.
Tag und Ort der Geburt,
5.
Lichtbild,
6.
Unterschrift,
7.
Größe,
8.
Farbe der Augen,
9.
Anschrift; hat der Ausweisinhaber keine Wohnung in Deutschland, kann die Angabe „keine Wohnung in Deutschland“ eingetragen werden,
10.
Staatsangehörigkeit,
11.
Seriennummer und
12.
Ordensname, Künstlername.

(3) Der vorläufige Personalausweis enthält die in Absatz 2 Nr. 1 bis 12 und die in Absatz 4 Satz 2 genannten Angaben sowie die Angabe der ausstellenden Behörde, den Tag der Ausstellung und den letzten Tag der Gültigkeitsdauer.

(3a) Der Ersatz-Personalausweis enthält die in Absatz 2 Nummer 1 bis 12 und die in Absatz 4 Satz 2 genannten Angaben sowie die Angabe der ausstellenden Behörde, den Tag der Ausstellung, den letzten Tag der Gültigkeitsdauer und den Vermerk, dass der Ersatz-Personalausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt. Abweichend von Absatz 2 Nummer 9 ist die Eintragung „keine Wohnung in Deutschland“ nicht zulässig.

(4) Ausweise haben einen Bereich für das automatisierte Auslesen. Dieser darf ausschließlich die folgenden sichtbar aufgedruckten Angaben enthalten:

1.
Abkürzungen
a)
„IDD“ für Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland,
b)
„ITD“ für vorläufigen Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland oder
c)
„IXD“ für Ersatz-Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland,
2.
Familienname,
3.
Vornamen,
4.
Seriennummer,
5.
Abkürzung „D“ für deutsche Staatsangehörigkeit,
6.
Tag der Geburt,
7.
letzter Tag der Gültigkeitsdauer,
7a.
Versionsnummer des Ausweismusters,
8.
Prüfziffern und
9.
Leerstellen.
Bei einer Identitätsüberprüfung nach § 17 darf auch die aufgedruckte Zugangsnummer automatisiert gelesen werden.

(5) Der Personalausweis enthält ein elektronisches Speicher- und Verarbeitungsmedium, auf dem folgende Daten gespeichert werden:

1.
die Daten nach Absatz 2 Nummer 1 bis 5, 9, 10 und 12,
1a.
der im amtlichen Gemeindeverzeichnis verwendete eindeutige Gemeindeschlüssel,
2.
die Daten des maschinenlesbaren Bereichs nach Absatz 4 Satz 2 und
3.
die Fingerabdrücke nach Absatz 9, die Bezeichnung der erfassten Finger, die Angaben zur Qualität der Abdrücke.

(5a) Zur Einrichtung eines elektronischen Identitätsnachweises nach § 10a Absatz 1 Satz 1 dürfen auf einem elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium in einem mobilen Endgerät folgende Daten gespeichert werden:

1.
die Daten nach Absatz 2 Nummer 1 bis 4, 9, 10 und 12,
2.
die Dokumentenart,
3.
der letzte Tag der Gültigkeitsdauer des elektronischen Identitätsnachweises,
4.
die Abkürzung „D“ für Bundesrepublik Deutschland und
5.
der im amtlichen Gemeindeverzeichnis verwendete eindeutige Gemeindeschlüssel.

(6) Die gespeicherten Daten sind gegen unbefugtes Verändern, Löschen und Auslesen zu sichern.

(7) Abweichend von Absatz 5 erhalten Kinder, solange sie noch nicht sechs Jahre alt sind, einen Personalausweis mit einem elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium, auf dem nur das Lichtbild und die Daten des maschinenlesbaren Bereichs nach Absatz 4 Satz 2 gespeichert sind.

(8) Die Seriennummer, die Prüfziffern, das Sperrkennwort und Sperrmerkmale dürfen keine Daten über die Person des Ausweisinhabers oder Hinweise auf solche Daten enthalten.

(9) Die auf Grund der Verordnung (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben (ABl. L 188 vom 12.7.2019, S. 67), auf dem elektronischen Speichermedium zu speichernden zwei Fingerabdrücke der antragstellenden Person werden in Form des flachen Abdrucks des linken und rechten Zeigefingers im elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium des Personalausweises gespeichert. Bei Fehlen eines Zeigefingers, ungenügender Qualität des Fingerabdrucks oder Verletzungen der Fingerkuppe wird ersatzweise der flache Abdruck entweder des Daumens, des Mittelfingers oder des Ringfingers gespeichert. Fingerabdrücke sind nicht zu speichern, wenn die Abnahme der Fingerabdrücke aus medizinischen Gründen, die nicht nur vorübergehender Art sind, unmöglich ist.

(10) Die im elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium des Personalausweises oder eines mobilen Endgeräts gespeicherten Daten ermöglichen auch die Funktion des elektronischen Identitätsnachweises nach § 18.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird erworben

1.
durch Geburt (§ 4),
2.
durch Erklärung (§ 5),
3.
durch Annahme als Kind (§ 6),
4.
durch Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 oder 2 des Bundesvertriebenengesetzes7),
5.
durch Einbürgerung (§§ 8 bis 16, 40b und 40c).

(2) Die Staatsangehörigkeit erwirbt auch, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Als deutscher Staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem bei Behandlung als Staatsangehöriger der Erwerb der Staatsangehörigkeit angenommen wurde. Er erstreckt sich auf Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von dem nach Satz 1 Begünstigten ableiten.

(1) Ein Ausweis ist ungültig, wenn

1.
er eine einwandfreie Feststellung der Identität des Ausweisinhabers nicht zulässt oder verändert worden ist,
2.
Eintragungen nach diesem Gesetz fehlen oder – mit Ausnahme der Angaben über die Anschrift oder Größe – unzutreffend sind,
3.
die Gültigkeitsdauer abgelaufen ist oder
4.
gegen den Ausweisinhaber eine Anordnung im Sinne des § 6a Absatz 2 ergangen ist und er den Geltungsbereich dieses Gesetzes verlassen hat.

(2) Eine Personalausweisbehörde hat einen Ausweis für ungültig zu erklären, wenn die Voraussetzungen für seine Erteilung nicht vorgelegen haben oder nachträglich weggefallen sind.

(3) Störungen der Funktionsfähigkeit des elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmediums berühren nicht die Gültigkeit des Personalausweises.

(1) Ausweise sind nach einheitlichen Mustern auszustellen.

(2) Der Personalausweis enthält neben der Angabe der ausstellenden Behörde, dem Tag der Ausstellung, dem letzten Tag der Gültigkeitsdauer, der Zugangsnummer und den in Absatz 4 Satz 2 genannten Daten ausschließlich folgende sichtbar aufgebrachte Angaben über den Ausweisinhaber:

1.
Familienname und Geburtsname,
2.
Vornamen,
3.
Doktorgrad,
4.
Tag und Ort der Geburt,
5.
Lichtbild,
6.
Unterschrift,
7.
Größe,
8.
Farbe der Augen,
9.
Anschrift; hat der Ausweisinhaber keine Wohnung in Deutschland, kann die Angabe „keine Wohnung in Deutschland“ eingetragen werden,
10.
Staatsangehörigkeit,
11.
Seriennummer und
12.
Ordensname, Künstlername.

(3) Der vorläufige Personalausweis enthält die in Absatz 2 Nr. 1 bis 12 und die in Absatz 4 Satz 2 genannten Angaben sowie die Angabe der ausstellenden Behörde, den Tag der Ausstellung und den letzten Tag der Gültigkeitsdauer.

(3a) Der Ersatz-Personalausweis enthält die in Absatz 2 Nummer 1 bis 12 und die in Absatz 4 Satz 2 genannten Angaben sowie die Angabe der ausstellenden Behörde, den Tag der Ausstellung, den letzten Tag der Gültigkeitsdauer und den Vermerk, dass der Ersatz-Personalausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt. Abweichend von Absatz 2 Nummer 9 ist die Eintragung „keine Wohnung in Deutschland“ nicht zulässig.

(4) Ausweise haben einen Bereich für das automatisierte Auslesen. Dieser darf ausschließlich die folgenden sichtbar aufgedruckten Angaben enthalten:

1.
Abkürzungen
a)
„IDD“ für Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland,
b)
„ITD“ für vorläufigen Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland oder
c)
„IXD“ für Ersatz-Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland,
2.
Familienname,
3.
Vornamen,
4.
Seriennummer,
5.
Abkürzung „D“ für deutsche Staatsangehörigkeit,
6.
Tag der Geburt,
7.
letzter Tag der Gültigkeitsdauer,
7a.
Versionsnummer des Ausweismusters,
8.
Prüfziffern und
9.
Leerstellen.
Bei einer Identitätsüberprüfung nach § 17 darf auch die aufgedruckte Zugangsnummer automatisiert gelesen werden.

(5) Der Personalausweis enthält ein elektronisches Speicher- und Verarbeitungsmedium, auf dem folgende Daten gespeichert werden:

1.
die Daten nach Absatz 2 Nummer 1 bis 5, 9, 10 und 12,
1a.
der im amtlichen Gemeindeverzeichnis verwendete eindeutige Gemeindeschlüssel,
2.
die Daten des maschinenlesbaren Bereichs nach Absatz 4 Satz 2 und
3.
die Fingerabdrücke nach Absatz 9, die Bezeichnung der erfassten Finger, die Angaben zur Qualität der Abdrücke.

(5a) Zur Einrichtung eines elektronischen Identitätsnachweises nach § 10a Absatz 1 Satz 1 dürfen auf einem elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium in einem mobilen Endgerät folgende Daten gespeichert werden:

1.
die Daten nach Absatz 2 Nummer 1 bis 4, 9, 10 und 12,
2.
die Dokumentenart,
3.
der letzte Tag der Gültigkeitsdauer des elektronischen Identitätsnachweises,
4.
die Abkürzung „D“ für Bundesrepublik Deutschland und
5.
der im amtlichen Gemeindeverzeichnis verwendete eindeutige Gemeindeschlüssel.

(6) Die gespeicherten Daten sind gegen unbefugtes Verändern, Löschen und Auslesen zu sichern.

(7) Abweichend von Absatz 5 erhalten Kinder, solange sie noch nicht sechs Jahre alt sind, einen Personalausweis mit einem elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium, auf dem nur das Lichtbild und die Daten des maschinenlesbaren Bereichs nach Absatz 4 Satz 2 gespeichert sind.

(8) Die Seriennummer, die Prüfziffern, das Sperrkennwort und Sperrmerkmale dürfen keine Daten über die Person des Ausweisinhabers oder Hinweise auf solche Daten enthalten.

(9) Die auf Grund der Verordnung (EU) 2019/1157 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Erhöhung der Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern und der Aufenthaltsdokumente, die Unionsbürgern und deren Familienangehörigen ausgestellt werden, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben (ABl. L 188 vom 12.7.2019, S. 67), auf dem elektronischen Speichermedium zu speichernden zwei Fingerabdrücke der antragstellenden Person werden in Form des flachen Abdrucks des linken und rechten Zeigefingers im elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium des Personalausweises gespeichert. Bei Fehlen eines Zeigefingers, ungenügender Qualität des Fingerabdrucks oder Verletzungen der Fingerkuppe wird ersatzweise der flache Abdruck entweder des Daumens, des Mittelfingers oder des Ringfingers gespeichert. Fingerabdrücke sind nicht zu speichern, wenn die Abnahme der Fingerabdrücke aus medizinischen Gründen, die nicht nur vorübergehender Art sind, unmöglich ist.

(10) Die im elektronischen Speicher- und Verarbeitungsmedium des Personalausweises oder eines mobilen Endgeräts gespeicherten Daten ermöglichen auch die Funktion des elektronischen Identitätsnachweises nach § 18.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird erworben

1.
durch Geburt (§ 4),
2.
durch Erklärung (§ 5),
3.
durch Annahme als Kind (§ 6),
4.
durch Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 oder 2 des Bundesvertriebenengesetzes7),
5.
durch Einbürgerung (§§ 8 bis 16, 40b und 40c).

(2) Die Staatsangehörigkeit erwirbt auch, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Als deutscher Staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem bei Behandlung als Staatsangehöriger der Erwerb der Staatsangehörigkeit angenommen wurde. Er erstreckt sich auf Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von dem nach Satz 1 Begünstigten ableiten.

Tenor

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 9. April 2008 - 6 K 587/08 - werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerden sind zulässig; sie sind insbesondere rechtzeitig eingelegt (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und begründet worden (siehe § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO).
Die Beschwerden haben jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil die dargelegten Gründe, die den Prüfungsauftrag des Senats nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO begrenzen (siehe VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.4.2002 - 7 S 653/02 -, NVwZ 2002, 883), es nicht rechtfertigen, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern. Es hat vielmehr die Anträge der Antragsteller auf Abänderung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 14.8.2007 - 13 S 1455/07 - und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 29.5.2007 - 6 K 1327/07 - gemäß § 80 Abs. 7 VwGO zu Recht abgelehnt. Das private Interesse der Antragsteller an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die mit Bescheid vom 21.3.2007 unter Nr. 2 verfügte Anordnung, ihre Ausweise über die Rechtsstellung als Deutsche zurückzugeben, tritt nach wie vor hinter das entgegenstehende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Anordnung zurück. Auch unter Berücksichtigung der im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO vorgetragenen Gesichtspunkte ist davon auszugehen, dass die Widersprüche der Antragsteller keine Aussicht auf Erfolg haben.
Die Antragsteller haben sich zur Begründung ihres Abänderungsantrags nach § 80 Abs. 7 VwGO auf die mit Wirkung zum 28.8.2007 (Art. 5 Nr. 2 lit. b des Gesetzes vom 19.8.2007, BGBl. I S. 1970) neu eingefügte Vorschrift des § 3 Abs. 2 StAG berufen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift erwirbt derjenige die deutsche Staatsangehörigkeit, der seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Als deutscher Staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde (Satz 2). Der Erwerb der Staatsangehörigkeit erstreckt sich auf Abkömmlinge, die ihre Staatsangehörigkeit von dem nach Satz 1 Begünstigten ableiten (Satz 4).
Das Verwaltungsgericht hat die Anträge der Antragsteller abgelehnt, weil der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG voraussetze, dass der Betroffene im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift am 28.8.2007 von den Behörden noch als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden sei. Dies sei bei den Antragstellern jedenfalls deshalb nicht der Fall gewesen, weil ihre Anträge auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises mit Verfügung vom 21.3.2007 abgelehnt worden seien. Auch als Abkömmlinge könnten sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG erwerben, weil die Großmutter und der Vater des Antragstellers zu Ziff. 1 bereits 1995 bzw. 1998 verstorben seien.
Mit ihren Beschwerden machen die Antragsteller geltend, die Großmutter und der Vater des Antragstellers zu Ziff. 1 seien mehr als zwölf Jahre lang von den Behörden als deutsche Staatsangehörige behandelt worden. Zwar sei nur seiner Großmutter ein Personalausweis ausgestellt worden. Es ergebe sich jedoch aus der hier anzuwendenden Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums des Landes Baden-Württemberg, dass Personen, welche die Voraussetzungen für eine Eintragung in die Deutsche Volksliste erfüllt hätten, als deutsche Staatsangehörige angesehen worden seien. Insoweit komme es nicht auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes oder den Tod der Bezugspersonen an. Alle Personen im Sinne des „§ 1 f Staatsangehörigkeitsgesetz“ seien seit 1955 von den Behörden als Deutsche angesehen worden. Außerdem hätten die Antragsteller als Abkömmlinge eines Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit Aufnahme gefunden. Schließlich werde Besetzungsrüge erhoben; es werde gebeten, die Eigenschaft des entscheidenden Richters als Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG nachzuweisen.
Die vorgetragenen Gesichtspunkte stellen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage.
1. Auch nach der Überzeugung des Senats trifft die von den Antragstellern angegriffene Ansicht des Verwaltungsgerichts zu, wonach der Staatsangehörigkeitserwerb nach § 3 Abs. 2 StAG voraussetzt, dass der Betreffende noch im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift am 28.8.2007 von den Behörden als deutscher Staatsangehöriger angesehen worden ist, die Behandlung als deutscher Staatsangehöriger also bis zu diesem Zeitpunkt angedauert hat. Dies folgt bereits aus dem Gesetzeswortlaut („ seit zwölf Jahren“). Diese Auslegung entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers. Wie aus der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union hervorgeht, sollen durch § 3 Abs. 2 StAG die Fälle erfasst werden, in denen zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung bereits seit mindestens zwölf Jahren eine Behandlung als deutscher Staatsangehöriger stattgefunden hat (BT-Drucks. 224/07, S. 430); hiervon gehen im übrigen auch die Vorläufigen Anwendungshinweise Baden-Württembergs (Stand Dezember 2007, Nr. 3.2) aus.
2. Aber selbst wenn man dem rechtlichen Ausgangspunkt der Antragsteller folgen wollte, wonach es ausreichend ist, wenn der Begünstigte oder die „stammberechtigten“ Personen, von denen er seine Staatsangehörigkeit ableiten möchte, irgendwann in der Vergangenheit für mindestens zwölf Jahre als deutsche Staatsangehörige angesehen worden sind, hat hier eine „Ersitzung“ der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Antragsteller nach § 3 Abs. 2 StAG nicht stattgefunden.
a) In Bezug auf die erst 2001 eingereisten Antragsteller selbst ist nicht ersichtlich, dass sie zwölf Jahre lang von deutschen Behörden als deutsche Staatsangehörige behandelt worden sein könnten. Zwar sind die Antragsteller zu Ziff. 1 und 3 mit Einbeziehungsbescheid des Bundesverwaltungsamts vom 10.2.1995 als Abkömmlinge in den Aufnahmebescheid der Großmutter des Antragstellers zu Ziff. 1 einbezogen worden. Darin liegt indes offenkundig keine Behandlung als deutsche Staatsangehörige, die mit der in § 3 Abs. 2 Satz 2 StAG beispielhaft genannten Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises, Reisepasses oder Personalausweises vergleichbar wäre. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid erfolgte nicht aufgrund einer Überprüfung des Staatsangehörigkeit des Betroffenen; Voraussetzung war allein, dass es sich um Abkömmlinge von Personen handelte, die nach dem Verlassen der Aussiedlungsgebiete die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllten (§ 27 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BVFG i.d.F. vom 2.6.1993). Ob die Antragsteller nach ihrer im Jahr 2001 erfolgten Einreise in das Bundesgebiet dort von den Behörden als deutsche Staatsangehörige behandelt worden sind, kann dahinstehen, weil insoweit die Zwölf-Jahres-Frist des § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG offensichtlich nicht erfüllt sein kann.
10 
b) Aber auch ein abgeleiteter Erwerb nach § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG kommt hier nicht in Betracht. Die Antragsteller haben keinen Sachverhalt vorgetragen, aus dem sich ergibt, dass die Großmutter oder der Vater des Antragstellers zu Ziff. 1 zwölf Jahre lang als deutsche Staatsangehörige behandelt worden sind. Wie die Antragssteller selbst vorbringen, hat der Vater des Antragstellers zu Ziff. 1 niemals einen deutschen Personalausweis erhalten. Auch sonst ist nicht ersichtlich, dass er von deutschen Behörden als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist. Die Großmutter des Antragstellers zu Ziff. 1 hat zwar nach dem Vortrag der Antragsteller - wohl nach ihrer im Jahr 1995 erfolgten Einreise in das Bundesgebiet - einen Personalausweis ausgestellt bekommen. Auch insoweit kann aber die Zwölf-Jahres-Frist des § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG offensichtlich nicht erfüllt sein, denn die Großmutter des Antragstellers ist schon wenige Monate nach der Einreise ins Bundesgebiet verstorben.
11 
3. Soweit sich die Antragsteller darauf berufen, § 3 Abs. 2 StAG sei in ihrem Fall anwendbar, weil die deutschen Volkszugehörigen aus der Ukraine, welche die Voraussetzungen für eine Eintragung in die Deutsche Volksliste erfüllt hätten, seit 1955 - und damit seit mehr als zwölf Jahren - generell von den Behörden als deutsche Staatsangehörige behandelt worden seien, verkennen sie den Regelungsbereich des § 3 Abs. 2 StAG. Diese Vorschrift soll nach ihrem erkennbaren Wortlaut nicht die Fälle umfassen, in denen - wie hier nach dem Vortrag der Antragsteller - in langjähriger Verwaltungspraxis (zu Unrecht) davon ausgegangen worden ist, die Angehörigen einer bestimmten Personengruppe seien deutsche Staatsangehörige. Vielmehr handelt es sich um eine Vorschrift, die ein im konkreten Einzelfall gewährtes Vertrauen voraussetzt. Schon § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG stellt auf den konkreten Einzelfall ab. Dies ergibt sich insbesondere aus dem zweiten Halbsatz, wonach der Erwerb der Staatsangehörigkeit voraussetzt, dass der Betroffene die Behandlung als deutscher Staatsangehöriger nicht zu vertreten hat. Diese Bezugnahme auf das Verhalten des Einzelnen ergäbe keinen Sinn, wenn der Gesetzgeber - wie die Antragsteller meinen - beabsichtigt haben sollte, den Erwerb der Staatsangehörigkeit ganzen Personengruppen generell zukommen zu lassen. Besonders deutlich wird diese Bezugnahme des Gesetzgebers auf das jeweilige individuelle Einzelschicksal auch durch die Formulierung in Satz 2. Danach wird insbesondere als deutscher Staatsangehöriger behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis verliehen worden ist. Hieraus („insbesondere“) folgt zwar zunächst, dass eine Behandlung als deutscher Staatsangehöriger auch auf andere Weise als durch die Erteilung der beispielhaft genannten Dokumente erfolgen kann. Weitergehend wird aus dieser Formulierung aber auch deutlich, dass sie letztlich dem Vertrauensschutz im Einzelfall dient, der nach der im Wortlaut zum Ausdruck kommenden Vorstellung des Gesetzgebers erst dann entsteht, wenn jemand in eigener Person von den Behörden als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist. Allein eine allgemeine jahrelange (fehlerhafte) Verwaltungspraxis in anderen Fällen genügt hingegen nicht. Wie sich aus den Sätzen 1 und 2 des § 3 Abs. 2 StAG ergibt, ist vielmehr die Schaffung eines konkreten Vertrauenstatbestands durch deutsche Behörden im jeweiligen konkreten Einzelfall erforderlich.
12 
4. Soweit die Antragsteller ohne nähere Begründung geltend machen, sie seien deutsche Staatsangehörige, weil sie als Abkömmlinge eines Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit Aufnahme gefunden hätten, handelt es sich um kein neues Vorbringen. Daher kann diesbezüglich auf die ausführlichen Ausführungen in dem Senatsbeschluss vom 14.8.2007 - 13 S 1455/07 - Bezug genommen werden.
13 
5. Wie dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller aus anderen Verfahren bekannt ist, sieht der Senat schließlich keinen Anlass, auf die - erkennbar unsubstantiierte und rechtsmissbräuchliche - Besetzungsrüge näher einzugehen (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 11.10.2007 - 13 S 2214/07 -).
14 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
15 
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
16 
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird erworben

1.
durch Geburt (§ 4),
2.
durch Erklärung (§ 5),
3.
durch Annahme als Kind (§ 6),
4.
durch Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 oder 2 des Bundesvertriebenengesetzes7),
5.
durch Einbürgerung (§§ 8 bis 16, 40b und 40c).

(2) Die Staatsangehörigkeit erwirbt auch, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Als deutscher Staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem bei Behandlung als Staatsangehöriger der Erwerb der Staatsangehörigkeit angenommen wurde. Er erstreckt sich auf Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von dem nach Satz 1 Begünstigten ableiten.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(1) Öffentliche Stellen mit Ausnahme von Schulen sowie Bildungs- und Erziehungseinrichtungen haben ihnen bekannt gewordene Umstände den in § 86 Satz 1 genannten Stellen auf Ersuchen mitzuteilen, soweit dies für die dort genannten Zwecke erforderlich ist.

(2) Öffentliche Stellen im Sinne von Absatz 1 haben unverzüglich die zuständige Ausländerbehörde zu unterrichten, wenn sie im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben Kenntnis erlangen von

1.
dem Aufenthalt eines Ausländers, der keinen erforderlichen Aufenthaltstitel besitzt und dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
2.
dem Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung,
2a.
der Inanspruchnahme oder Beantragung von Sozialleistungen durch einen Ausländer, für sich selbst, seine Familienangehörigen oder für sonstige Haushaltsangehörige in den Fällen des § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 oder Satz 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch oder in den Fällen des § 23 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 oder 3, Satz 3, 6 oder 7 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder
3.
einem sonstigen Ausweisungsgrund;
in den Fällen der Nummern 1 und 2 und sonstiger nach diesem Gesetz strafbarer Handlungen kann statt der Ausländerbehörde die zuständige Polizeibehörde unterrichtet werden, wenn eine der in § 71 Abs. 5 bezeichneten Maßnahmen in Betracht kommt; die Polizeibehörde unterrichtet unverzüglich die Ausländerbehörde. Öffentliche Stellen sollen unverzüglich die zuständige Ausländerbehörde unterrichten, wenn sie im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben Kenntnis erlangen von einer besonderen Integrationsbedürftigkeit im Sinne einer nach § 43 Abs. 4 erlassenen Rechtsverordnung. Die für Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zuständigen Stellen sind über die in Satz 1 geregelten Tatbestände hinaus verpflichtet, der Ausländerbehörde mitzuteilen, wenn ein Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 3 oder 4 für sich oder seine Familienangehörigen entsprechende Leistungen beantragt. Die Auslandsvertretungen übermitteln der zuständigen Ausländerbehörde personenbezogene Daten eines Ausländers, die geeignet sind, dessen Identität oder Staatsangehörigkeit festzustellen, wenn sie davon Kenntnis erlangen, dass die Daten für die Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht gegenüber dem Ausländer gegenwärtig von Bedeutung sein können.

(3) Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration ist nach den Absätzen 1 und 2 zu Mitteilungen über einen diesem Personenkreis angehörenden Ausländer nur verpflichtet, soweit dadurch die Erfüllung der eigenen Aufgaben nicht gefährdet wird. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung bestimmen, dass Ausländerbeauftragte des Landes und Ausländerbeauftragte von Gemeinden nach den Absätzen 1 und 2 zu Mitteilungen über einen Ausländer, der sich rechtmäßig in dem Land oder der Gemeinde aufhält oder der sich bis zum Erlass eines die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendenden Verwaltungsaktes rechtmäßig dort aufgehalten hat, nur nach Maßgabe des Satzes 1 verpflichtet sind.

(4) Die für die Einleitung und Durchführung eines Straf- oder eines Bußgeldverfahrens zuständigen Stellen haben die zuständige Ausländerbehörde unverzüglich über die Einleitung des Strafverfahrens sowie die Erledigung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bei der Staatsanwaltschaft, bei Gericht oder bei der für die Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeit zuständigen Verwaltungsbehörde unter Angabe der gesetzlichen Vorschriften zu unterrichten. Satz 1 gilt entsprechend bei Strafverfahren für die Erhebung der öffentlichen Klage sowie den Erlass und die Aufhebung eines Haftbefehls, solange dies nicht den Untersuchungszweck gefährdet. Satz 1 gilt entsprechend für die Einleitung eines Auslieferungsverfahrens gegen einen Ausländer. Satz 1 gilt nicht für Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit, die nur mit einer Geldbuße bis zu eintausend Euro geahndet werden kann, sowie für Verfahren wegen einer Zuwiderhandlung im Sinne des § 24 des Straßenverkehrsgesetzes oder wegen einer fahrlässigen Zuwiderhandlung im Sinne des § 24a des Straßenverkehrsgesetzes. Die Zeugenschutzdienststelle unterrichtet die zuständige Ausländerbehörde unverzüglich über Beginn und Ende des Zeugenschutzes für einen Ausländer.

(5) Die nach § 72 Abs. 6 zu beteiligenden Stellen haben den Ausländerbehörden

1.
von Amts wegen Umstände mitzuteilen, die einen Widerruf eines nach § 25 Abs. 4a oder 4b erteilten Aufenthaltstitels oder die Verkürzung oder Aufhebung einer nach § 59 Absatz 7 gewährten Ausreisefrist rechtfertigen und
2.
von Amts wegen Angaben zur zuständigen Stelle oder zum Übergang der Zuständigkeit mitzuteilen, sofern in einem Strafverfahren eine Beteiligung nach § 72 Abs. 6 erfolgte oder eine Mitteilung nach Nummer 1 gemacht wurde.

(6) Öffentliche Stellen sowie private Träger, die über staatlich finanzierte rückkehr- und reintegrationsfördernde Maßnahmen entscheiden, haben nach § 86a Absatz 1 erhobene Daten an die zuständige Ausländerbehörde zu übermitteln, soweit dies für die in § 86a genannten Zwecke erforderlich ist.

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,
2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,
3.
die Mutter und
4.
das Kind.

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

(1) Öffentliche Stellen mit Ausnahme von Schulen sowie Bildungs- und Erziehungseinrichtungen haben ihnen bekannt gewordene Umstände den in § 86 Satz 1 genannten Stellen auf Ersuchen mitzuteilen, soweit dies für die dort genannten Zwecke erforderlich ist.

(2) Öffentliche Stellen im Sinne von Absatz 1 haben unverzüglich die zuständige Ausländerbehörde zu unterrichten, wenn sie im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben Kenntnis erlangen von

1.
dem Aufenthalt eines Ausländers, der keinen erforderlichen Aufenthaltstitel besitzt und dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
2.
dem Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung,
2a.
der Inanspruchnahme oder Beantragung von Sozialleistungen durch einen Ausländer, für sich selbst, seine Familienangehörigen oder für sonstige Haushaltsangehörige in den Fällen des § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 oder Satz 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch oder in den Fällen des § 23 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 oder 3, Satz 3, 6 oder 7 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder
3.
einem sonstigen Ausweisungsgrund;
in den Fällen der Nummern 1 und 2 und sonstiger nach diesem Gesetz strafbarer Handlungen kann statt der Ausländerbehörde die zuständige Polizeibehörde unterrichtet werden, wenn eine der in § 71 Abs. 5 bezeichneten Maßnahmen in Betracht kommt; die Polizeibehörde unterrichtet unverzüglich die Ausländerbehörde. Öffentliche Stellen sollen unverzüglich die zuständige Ausländerbehörde unterrichten, wenn sie im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben Kenntnis erlangen von einer besonderen Integrationsbedürftigkeit im Sinne einer nach § 43 Abs. 4 erlassenen Rechtsverordnung. Die für Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zuständigen Stellen sind über die in Satz 1 geregelten Tatbestände hinaus verpflichtet, der Ausländerbehörde mitzuteilen, wenn ein Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 3 oder 4 für sich oder seine Familienangehörigen entsprechende Leistungen beantragt. Die Auslandsvertretungen übermitteln der zuständigen Ausländerbehörde personenbezogene Daten eines Ausländers, die geeignet sind, dessen Identität oder Staatsangehörigkeit festzustellen, wenn sie davon Kenntnis erlangen, dass die Daten für die Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht gegenüber dem Ausländer gegenwärtig von Bedeutung sein können.

(3) Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration ist nach den Absätzen 1 und 2 zu Mitteilungen über einen diesem Personenkreis angehörenden Ausländer nur verpflichtet, soweit dadurch die Erfüllung der eigenen Aufgaben nicht gefährdet wird. Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung bestimmen, dass Ausländerbeauftragte des Landes und Ausländerbeauftragte von Gemeinden nach den Absätzen 1 und 2 zu Mitteilungen über einen Ausländer, der sich rechtmäßig in dem Land oder der Gemeinde aufhält oder der sich bis zum Erlass eines die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendenden Verwaltungsaktes rechtmäßig dort aufgehalten hat, nur nach Maßgabe des Satzes 1 verpflichtet sind.

(4) Die für die Einleitung und Durchführung eines Straf- oder eines Bußgeldverfahrens zuständigen Stellen haben die zuständige Ausländerbehörde unverzüglich über die Einleitung des Strafverfahrens sowie die Erledigung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bei der Staatsanwaltschaft, bei Gericht oder bei der für die Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeit zuständigen Verwaltungsbehörde unter Angabe der gesetzlichen Vorschriften zu unterrichten. Satz 1 gilt entsprechend bei Strafverfahren für die Erhebung der öffentlichen Klage sowie den Erlass und die Aufhebung eines Haftbefehls, solange dies nicht den Untersuchungszweck gefährdet. Satz 1 gilt entsprechend für die Einleitung eines Auslieferungsverfahrens gegen einen Ausländer. Satz 1 gilt nicht für Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit, die nur mit einer Geldbuße bis zu eintausend Euro geahndet werden kann, sowie für Verfahren wegen einer Zuwiderhandlung im Sinne des § 24 des Straßenverkehrsgesetzes oder wegen einer fahrlässigen Zuwiderhandlung im Sinne des § 24a des Straßenverkehrsgesetzes. Die Zeugenschutzdienststelle unterrichtet die zuständige Ausländerbehörde unverzüglich über Beginn und Ende des Zeugenschutzes für einen Ausländer.

(5) Die nach § 72 Abs. 6 zu beteiligenden Stellen haben den Ausländerbehörden

1.
von Amts wegen Umstände mitzuteilen, die einen Widerruf eines nach § 25 Abs. 4a oder 4b erteilten Aufenthaltstitels oder die Verkürzung oder Aufhebung einer nach § 59 Absatz 7 gewährten Ausreisefrist rechtfertigen und
2.
von Amts wegen Angaben zur zuständigen Stelle oder zum Übergang der Zuständigkeit mitzuteilen, sofern in einem Strafverfahren eine Beteiligung nach § 72 Abs. 6 erfolgte oder eine Mitteilung nach Nummer 1 gemacht wurde.

(6) Öffentliche Stellen sowie private Träger, die über staatlich finanzierte rückkehr- und reintegrationsfördernde Maßnahmen entscheiden, haben nach § 86a Absatz 1 erhobene Daten an die zuständige Ausländerbehörde zu übermitteln, soweit dies für die in § 86a genannten Zwecke erforderlich ist.

(1) Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft; die Anerkennungserklärung muß abgegeben oder das Feststellungsverfahren muß eingeleitet sein, bevor das Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Ein Kind, das im Inland aufgefunden wird (Findelkind), gilt bis zum Beweis des Gegenteils als Kind eines Deutschen. Satz 1 ist auf ein vertraulich geborenes Kind nach § 25 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes entsprechend anzuwenden.

(3) Durch die Geburt im Inland erwirbt ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil

1.
seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl. 2001 II S. 810) besitzt.
Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wird in dem Geburtenregister, in dem die Geburt des Kindes beurkundet ist, eingetragen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften über das Verfahren zur Eintragung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit nach Satz 1 zu erlassen.

(4) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird nicht nach Absatz 1 erworben bei Geburt im Ausland, wenn der deutsche Elternteil nach dem 31. Dezember 1999 im Ausland geboren wurde und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, das Kind würde sonst staatenlos. Die Rechtsfolge nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Kindes ein Antrag nach § 36 des Personenstandsgesetzes auf Beurkundung der Geburt im Geburtenregister gestellt wird; zur Fristwahrung genügt es auch, wenn der Antrag in dieser Frist bei der zuständigen Auslandsvertretung eingeht. Sind beide Elternteile deutsche Staatsangehörige, so tritt die Rechtsfolge des Satzes 1 nur ein, wenn beide die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Für den Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes und nach § 15 ist die Rechtsfolge nach Satz 1 unbeachtlich.

(5) Absatz 4 Satz 1 gilt nicht

1.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, der die deutsche Staatsangehörigkeit nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 erworben hat, und
2.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, wenn dieser ohne den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit einen Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 gehabt hätte.

Tenor

§ 1600 Absatz 1 Nummer 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 313) und Artikel 229 § 16 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 313) verstoßen gegen Artikel 16 Absatz 1, gegen Artikel 6 Absatz 2 Satz 1, gegen Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 und gegen Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes und sind nichtig.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Regeln zur sogenannten Behördenanfechtung, welche die Vaterschaft und die durch Vaterschaftsanerkennung begründete deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes rückwirkend entfallen lässt, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

I.

2

1. Das in § 1600 ff. BGB geregelte Recht der Vaterschaftsanfechtung wurde im Jahr 2008 um die hier zu überprüfenden Regeln zur Behördenanfechtung ergänzt. Hintergrund war der Eindruck des Gesetzgebers, dass das im Familienrecht gezielt voraussetzungsarm ausgestaltete Instrument der Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) in bestimmten Konstellationen zur Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts genutzt wird. Die Regelungen der Vaterschaftsanerkennung lassen es zu, die Vaterschaft für ein ausländisches Kind anzuerkennen, um beim Kind den automatischen Abstammungserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 oder 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (im Folgenden: StAG) herbeizuführen und so mittels Familiennachzugs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet, im Folgenden: AufenthG) ein Aufenthaltsrecht des ausländischen Elternteils zu begründen oder zu stärken (vgl. BTDrucks 16/3291, insbesondere S. 1 f., 9 und 11).

3

2. a) Die Anfechtungsberechtigung der Behörde und die materiellen Anfechtungsvoraussetzungen sind in § 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 und 4 BGB geregelt:

4

§ 1600 BGB

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

[…]

5. die zuständige Behörde (anfechtungsberechtigte Behörde) in den Fällen des § 1592 Nr. 2.

(3) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 5 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden.

(4) Eine sozial-familiäre Beziehung nach den Absätzen 2 und 3 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

5

b) Die Anfechtungsfristen und der Beginn der Anfechtungsfrist sind in § 1600b BGB geregelt:

6

§ 1600b BGB

(1) Die Vaterschaft kann binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen; das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2 erste Alternative hindert den Lauf der Frist nicht.

(1a) Im Fall des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 kann die Vaterschaft binnen eines Jahres gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt, wenn die anfechtungsberechtigte Behörde von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ihr Anfechtungsrecht vorliegen. Die Anfechtung ist spätestens nach Ablauf von fünf Jahren seit der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft für ein im Bundesgebiet geborenes Kind ausgeschlossen; ansonsten spätestens fünf Jahre nach der Einreise des Kindes.

(2) Die Frist beginnt nicht vor der Geburt des Kindes und nicht, bevor die Anerkennung wirksam geworden ist.

7

c) Die Überleitungsvorschrift lautet:

8

Art. 229 § 16 EGBGB

Im Fall der Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beginnt die Frist für die Anfechtung gemäß § 1600b Abs. 1a des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht vor dem 1. Juni 2008.

II.

9

Die zu überprüfenden Regelungen sind Teil des Abstammungsrechts (§§ 1591 ff. BGB), das die rechtliche Zugehörigkeit eines Kindes zu seinen Eltern regelt.

10

1. Nach § 1592 BGB ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist (Nr. 1), der die Vaterschaft anerkannt hat (Nr. 2) oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde (Nr. 3). Eine behördliche Anfechtung der Vaterschaft kommt nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nur in Betracht, wenn die Vaterschaft durch Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB begründet wurde. Die Anerkennung begründet die Vaterschaft mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Geburt (vgl. Rauscher, in: Staudinger BGB, 2011, §§ 1589-1600d, § 1594, Rn. 9; Schmidt-Recla, in: Soergel BGB, Band 19/1, 13. Aufl. 2012, § 1594, Rn. 14; Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 8, 6. Aufl. 2012, § 1594, Rn. 16). Materiellrechtliche Voraussetzung der Vaterschaftsanerkennung ist nach § 1594 Abs. 2 BGB lediglich, dass nicht die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Die Anerkennung ist ansonsten nach §§ 1595 ff. BGB nur an formelle Anforderungen, insbesondere an die Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB) geknüpft. Die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung hängt nicht von der biologischen Abstammung des Kindes ab. Auch eine im Wissen um die fehlende biologische Vaterschaft erfolgte Anerkennung ist wirksam. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, einem Kind durch Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit zu verschaffen, um aufenthaltsrechtliche Vorteile für das Kind und den ausländischen Elternteil zu begründen (s.u., III.1.).

11

2. Die hier zu überprüfenden Regelungen über die behördliche Anfechtung der Vaterschaft ergänzen bereits bestehende Anfechtungsmöglichkeiten. Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BGB kann eine rechtliche Vaterschaft, die auf der Ehe des Mannes mit der Kindesmutter oder einer Vaterschaftsanerkennung beruht - die mithin ohne Rücksicht auf die biologischen Abstammungsverhältnisse entstanden ist - mit dem Argument angefochten werden, der rechtliche Vater sei nicht der biologische Vater des Kindes. Anfechtungsberechtigt sind nach heutiger Rechtslage der rechtliche Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB), der mutmaßliche biologische Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB), die Mutter (§ 1600 Abs. 1 Nr. 3 BGB), das Kind (§ 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB) und nunmehr die zuständige Behörde (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB).

12

Im Fall der Behördenanfechtung setzt die Anfechtung voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und dass durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB).

13

Die Voraussetzungen der Behördenanfechtung sind im Wesentlichen der Regelung der Anfechtung durch den mutmaßlichen biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) nachgebildet, beziehungsweise mit dieser zusammengefasst (§ 1600 Abs. 3 und Abs. 4 BGB). Der Gesetzgeber hatte früher im Interesse des Kindes und der rechtlich-sozialen Familie ein Anfechtungsrecht des mutmaßlichen biologischen Vaters wiederholt abgelehnt (vgl. BTDrucks V/2370, S. 32; BTDrucks 13/4899, S. 57 f.). Das Bundesverfassungsgericht entschied jedoch im Jahr 2003, es verstoße gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, dem biologischen, aber nicht rechtlichen Vater eines Kindes ausnahmslos das Anfechtungsrecht zu verweigern (BVerfGE 108, 82 ff.). Daraufhin wurde im Jahr 2004 die Anfechtungsmöglichkeit des mutmaßlichen biologischen Vaters in § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB eingeführt, wobei der Gesetzgeber allerdings dem Bestand einer sozial gelebten Eltern-Kind-Beziehung mit dem rechtlichen Vater den Vorrang gegenüber der rechtlichen Zuordnung des Kindes zum biologischen Vater einräumte. Männer, die eidesstattlich versichern, der Kindesmutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, können die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes nur anfechten, wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater keine "sozial-familiäre Beziehung" besteht (§ 1600 Abs. 2 BGB). Dieses negative Tatbestandsmerkmal wurde später bei der hier zur Prüfung gestellten Regelung der Behördenanfechtung aufgegriffen (§ 1600 Abs. 3 BGB) und ist in § 1600 Abs. 4 BGB für beide Fälle einheitlich konkretisiert.

III.

14

Da die Behördenanfechtung letztlich darauf gerichtet ist, die Umgehung gesetzlicher Bedingungen des Aufenthaltsrechts durch eine Vaterschaftsanerkennung zu verhindern, richten sich die Voraussetzungen (1.) und Folgen (2.) der Behördenanfechtung auch nach dem Aufenthalts- und dem Staatsangehörigkeitsrecht.

15

1. Die anfechtungsberechtigte Behörde kann die Vaterschaft gerichtlich anfechten, wenn durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt eines Beteiligten geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt, wenn "für das Kind oder einen Elternteil ein ausländerrechtlicher Vorteil entstanden ist" (BTDrucks 16/3291, S. 14). Ein solcher Vorteil entsteht durch die Vaterschaftsanerkennung, wenn das Kind auf diese Weise die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt und damit auch einem Elternteil einen günstigeren Aufenthaltsstatus vermittelt. Praktisch stehen dabei zwei Konstellationen im Vordergrund: Erkennt ein deutscher Mann die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter an, erwirbt das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 1 StAG) und damit die Berechtigung zum Aufenthalt in Deutschland. Für die Kindesmutter ergibt sich ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Auch wenn ein ausländischer Mann mit unbefristetem Aufenthaltsrecht, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, die Vaterschaft für das Kind einer ausländischen Staatsangehörigen anerkennt, erwirbt das Kind über den Vater die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 3 StAG). Die Kindesmutter hat wiederum einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.

16

2. Hat die Vaterschaftsanfechtungsklage Erfolg, entfallen die durch die Vaterschaftsanerkennung begründete Staatsangehörigkeit des Kindes und das Aufenthaltsrecht der Mutter. Mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung über das Nichtbestehen der Vaterschaft fallen rückwirkend auf den Tag der Geburt des Kindes sowohl die bisherige Vaterschaftszuordnung als auch die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes weg. Der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanfechtung ist zwar nicht ausdrücklich geregelt. Er wird aber aus der generellen Anknüpfung des Abstammungserwerbs der Staatsangehörigkeit an das familienrechtliche Abstammungsrecht abgeleitet. Abstammungsrechtlich fällt die Vaterschaft bei erfolgreicher Anfechtung nach ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte rückwirkend weg (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2012 - XII ZR 194/09 -, NJW 2012, S. 852;stRspr). Mit dem rückwirkenden Wegfall der Vaterschaft entfällt nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ex tunc auch die nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 StAG auf Abstammung gründende deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes. Denn bei rückwirkendem Wegfall der Vaterschaft haben bei nachträglicher Betrachtung auch die Voraussetzungen für den auf die Abstammung gestützten Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes nie vorgelegen (vgl. nur VG Düsseldorf, Urteil vom 10. September 1985 - 17 K 10.419/85 -, NJW 1986, S. 676; VG Gießen, Urteil vom 8. November 1999 - 10 E 960/99 -, juris, Rn. 14; OVG Hamburg, Beschluss vom 10. Februar 2004 - 3 Bf 238/03 -, NVwZ-RR 2005, S. 212 <213>; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. Oktober 2004 - 2 M 441/04 -, juris, Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 31. Juli 2007 - 18 A 2065/06 -, juris, Rn. 8; Bay. VGH, Beschluss vom 11. September 2007 - 5 CS 07.1921 -, juris, Rn. 3). Mit dem Wegfall der Staatsangehörigkeit des Kindes verliert nicht nur dieses sein mit der Staatsangehörigkeit verbundenes Aufenthaltsrecht, vielmehr entfällt auch das Aufenthaltsrecht seiner Mutter, das die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes voraussetzt (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG). Gerade dies ist der Zweck der Behördenanfechtung.

IV.

17

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Inneres, focht mit ihrer Klage gegen den Beklagten zu 1) des Ausgangsverfahrens, ein minderjähriges Kind, und den Beklagten zu 2), den Mann, der die Vaterschaft für den Beklagten zu 1) anerkannt hat, dessen Vaterschaft an, indem sie beim Amtsgericht Hamburg-Altona beantragte festzustellen, dass der Beklagte zu 2) nicht der Vater des Beklagten zu 1) ist.

18

Der Beklagte zu 1) wurde 2005 in Deutschland geboren. Seine Mutter ist vietnamesische Staatsangehörige und war im Zeitpunkt der Geburt mit einem Vietnamesen verheiratet, von dem sie später geschieden wurde. Das Kind besaß ebenfalls die vietnamesische Staatsangehörigkeit. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet war unerlaubt, der seiner Mutter geduldet. Der Beklagte zu 2) ist deutscher Staatsangehöriger. Er erkannte bereits vor der Geburt des Kindes die Vaterschaft durch notarielle Urkunde an. Die Kindesmutter und der damalige Ehemann der Kindesmutter stimmten der Vaterschaftsanerkennung zu. Mit Rechtskraft des Scheidungsurteils wurde die Anerkennung gemäß § 1599 Abs. 2 BGB wirksam.

19

Weil der Beklagte zu 2) deutscher Staatsangehöriger ist, erwarb das Kind durch die Vaterschaftsanerkennung nach § 4 Abs. 1 StAG ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit. Zum Zweck des Zusammenlebens mit ihrem deutschen Kind wurde der Mutter des Beklagten zu 1) eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erteilt.

20

Bei einer Befragung des Beklagten zu 2) vor der Ausländerbehörde der Stadtverwaltung über das Kennenlernen der Kindesmutter erklärte er zunächst seine Bereitschaft zu einem Vaterschaftstest, widerrief diese aber in einem späteren Schreiben. Er hatte und hat mit dem Kind und dessen Mutter keine gemeinsame Wohnung. Ein gerichtlich eingeholtes Abstammungsgutachten ergab, dass er nicht der biologische Vater des Kindes ist.

21

2. Mit Beschluss vom 15. April 2010 hat das Amtsgericht das Verfahren gegen die Beklagten zu 1) und 2) ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

22

Die Frage sei entscheidungserheblich, da die Klage abzuweisen sei, wenn die Vorschriften verfassungswidrig wären. Aus einfachrechtlicher Sicht lägen die Voraussetzungen einer Behördenanfechtung vor. Der Beklagte zu 2) habe die Vaterschaft für das Kind zwar bereits 2005 anerkannt. Der zum 1. Juni 2008 eingeführte § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB finde aber gemäß Art. 229 § 16 EGBGB auch auf Altfälle Anwendung. Zwischen den Beklagten zu 1) und zu 2) habe keine sozial-familiäre Beziehung im Zeitpunkt der Anerkennung bestanden und durch die Anerkennung seien die rechtlichen Voraussetzungen für den erlaubten Aufenthalt des Kindes und der Kindesmutter geschaffen worden.

23

§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB sei verfassungswidrig. Die Normen verstießen wegen unzulässiger Rückwirkung gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Bei der Neueinführung der Anfechtungsberechtigung auch für Altfälle handle es sich um eine unzulässige echte Rückwirkung, die aber auch als unechte Rückwirkung nicht zu rechtfertigen sei, weil bereits die Einführung der Behördenanfechtung selbst wegen der damit verbundenen Grundrechtsverletzungen verfassungswidrig sei. Insbesondere sei nicht belegt, dass die Einführung eines Anfechtungsrechts der Behörde erforderlich gewesen sei. Das Interesse des Gesetzgebers, missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen entgegenzuwirken, um Verbleibensrechte von Ausländern und damit verbundene sozialstaatliche Belastungen der Allgemeinheit zu verhindern, habe zwar grundsätzlich einen hohen Stellenwert. Dieser relativiere sich jedoch, weil die vorgelegte statistische Erhebung nicht belege, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung handele und binationale Verbindungen und ausländische Familien unter einen Generalverdacht gestellt würden. Dem stehe das Vertrauen des anerkannten Kindes auf die mit der Abstammung verbundenen unterhalts-, erb-, steuer- und sozialrechtlichen Folgen sowie insbesondere das Vertrauen auf die Auswirkungen auf sein Statusrecht gegenüber. Das Kind sei insbesondere in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 5 GG verletzt. Kinder, die während einer bestehenden Ehe geboren würden, seien von dem behördlichen Anfechtungsrecht nicht betroffen, obwohl insbesondere bei einer Scheinehe anzunehmen sei, dass das Kindschaftsverhältnis ebenfalls missbräuchlich herbeigeführt worden sei. Die Ungleichbehandlung sei dabei jedenfalls mittelbar an das Merkmal der Unehelichkeit geknüpft. Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich.

24

3. In ihren schriftlichen Stellungnahmen vertreten die Bundesregierung wie auch die Freie und Hansestadt Hamburg als Klägerin des Ausgangsverfahrens die Auffassung, die Vorschrift des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Hingegen halten der Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V., der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., das Deutsche Rote Kreuz e.V. und das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V. die Regelungen für verfassungswidrig. Der Deutsche Familiengerichtstag e.V. hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung, soweit die Anfechtung ältere Kinder betreffen kann, hält die Regelungen im Übrigen aber für verfassungsgemäß.

B.

25

Die Regelungen über die Behördenanfechtung (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB und Art. 229 § 16 EGBGB) sind verfassungswidrig. Sie verstoßen gegen Art. 16 Abs. 1 GG (I.), gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (II.), gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (III.) und gegen Art. 6 Abs. 1 GG (IV.). Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG liegt hingegen nicht vor (V.).

I.

26

Die Regelung der behördlichen Vaterschaftsanfechtung verstößt in ihrer konkreten Ausgestaltung gegen Art. 16 Abs. 1 GG, weil sie in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes herbeiführt. Durch die Vaterschaftsanfechtung wird in die durch Art. 16 Abs. 1 GG geschützte (1.) Staatsangehörigkeit des Kindes eingegriffen (2.). Der Grundrechtseingriff ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Art. 16 Abs. 1 GG unterscheidet zwischen der Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) und einem sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG) und stellt an beide Verlustformen unterschiedliche verfassungsrechtliche Anforderungen. Die Entziehung ist nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ausnahmslos verboten. Im Gegensatz dazu kann ein sonstiger Verlust der Staatsangehörigkeit nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG unter Umständen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. In ihrer konkreten Ausgestaltung sind die Regelungen über die Behördenanfechtung als nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit anzusehen (3.), weil der Staatsangehörigkeitsverlust durch die Betroffenen nicht oder nicht in zumutbarer Weise beeinflussbar war. Zwar wäre es angesichts der Umstände eines Staatsangehörigkeitserwerbs durch anfechtbare Vaterschaftsanerkennung denkbar, den Kindern die hierbei bestehenden Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern zuzurechnen (3.a) und b)). Der Staatsangehörigkeitsverlust entzieht sich jedoch auch dem Einfluss der Eltern, soweit die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die vor Inkrafttreten der zu überprüfenden Normen erfolgten (3.c)). Darüber hinaus ist eine Beeinflussung des Staatsangehörigkeitsverlusts durch Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung nicht zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung nicht gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt (3.d)). Dessen ungeachtet genügen die Regelungen auch nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG an einen sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit (4.), weil sie keine Möglichkeit bieten zu berücksichtigen, ob das Kind staatenlos wird (4.a)) und weil es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Staatsangehörigkeitsverlusts (4.b)) sowie an einer angemessenen Fristen- und Altersregelung fehlt, die verhindern könnte, dass auch ältere Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit über einen längeren Zeitraum besessen haben, diese noch verlieren können (4.c)).

27

1. Art. 16 Abs. 1 GG schützt vor dem Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit. Dieser Schutz kommt auch Kindern zu, die die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 oder 3 StAG aufgrund einer Vaterschaftsanerkennung erworben haben. Dem verfassungsrechtlichen Schutz der Staatsangehörigkeit steht nicht entgegen, dass die den Staatsangehörigkeitserwerb auslösende Vaterschaft behördlicher Anfechtung unterliegt. Die gerichtliche Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft, an die der Geburtserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes geknüpft ist, beseitigt eine zuvor bestehende deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes und nicht etwa nur den Schein einer solchen. Nach § 1592 Nr. 2 BGB ist der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, Vater dieses Kindes. Bis zur Rechtskraft eines auf Anfechtung hin ergehenden Urteils, in dem das Nichtbestehen der Vaterschaft festgestellt wird, besteht im Rechtssinne die Vaterschaft dieses Mannes. Die durch Anerkennung erworbene Vaterschaft ist eine rechtlich vollwertige Vaterschaft, keine bloße Scheinvaterschaft. Schon deshalb ist auch die nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 oder 3 StAG von ihr abgeleitete deutsche Staatsangehörigkeit keine bloße Scheinstaatsangehörigkeit (vgl. BVerfGK 9, 381 <383 f.> entsprechend zur Vaterschaftsanfechtung durch den rechtlichen Vater nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Am verfassungsrechtlichen Schutz der zwischenzeitlich bestehenden deutschen Staatsangehörigkeit ändert auch der Umstand nichts, dass der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanfechtung einfachrechtlich als anfängliche Unwirksamkeit der Vaterschaft und Staatsangehörigkeit konstruiert wird und damit rückwirkend entfällt. Es handelt sich insoweit lediglich um eine Regelungstechnik zur nachträglichen Korrektur eines bestimmten Ergebnisses, das die zwischenzeitlich Realität gewordene rechtliche Anerkennung von Vaterschaft beziehungsweise Staatsangehörigkeit nicht ungeschehen und ihre Schutzwürdigkeit nicht automatisch hinfällig macht (vgl. BVerfGE 116, 24 <46>).

28

2. Eine erfolgreiche Behördenanfechtung der Vaterschaft greift in die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG ein. Die Vaterschaftsanfechtung führt beim betroffenen Kind zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, wenn das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit allein von dem Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, also dem bisherigen rechtlichen Vater, ableitet. Zwar verhält sich das von der Behörde durch die Vaterschaftsanfechtung erwirkte familiengerichtliche Urteil ausdrücklich allein zur Vaterschaft. Mit dem nach ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte rückwirkenden Wegfall der Vaterschaft tritt jedoch, ohne dass dies gesetzlich ausdrücklich geregelt wäre, nach ebenfalls gefestigter Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte automatisch auch der Verlust der Staatsangehörigkeit ein (s.o., A.III.2.), der an Art. 16 Abs. 1 GG zu messen ist. Der Senat legt seiner Beurteilung regelmäßig die Auslegung der zu prüfenden Vorschrift nach der Auffassung des vorlegenden Gerichts zugrunde. Dieses geht hier davon aus, dass bereits die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 BGB einen Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes herbeiführen kann. Obwohl sich diese Rechtsfolge nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm ergibt, geht der Senat angesichts der nicht unvertretbaren Ansicht des Gerichts in seiner Prüfung ebenfalls von dieser Annahme aus.

29

Ein Eingriff in Art. 16 Abs. 1 GG ist auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Verlust der Staatsangehörigkeit nur eine ungewollte Nebenfolge der behördlichen Vaterschaftsanfechtung wäre. Abgesehen davon, dass eine solche Einordnung der Behördenanfechtung nicht ihren Eingriffscharakter nähme, trifft sie auch in der Sache nicht zu; die Beseitigung der Staatsangehörigkeit des Kindes ist das eigentliche Ziel der Maßnahme, da die aufenthaltsrechtlichen Vorteile für den anderen Elternteil, die damit beseitigt werden sollen, gerade aus dem Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes resultieren.

30

3. Der Grundrechtseingriff ist verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, weil die Regelungen über die Behördenanfechtung als absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen sind.

31

Eine Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ist "jede Verlustzufügung, die die - für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame - Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung der Verlässlichkeit und Gleichheit des Zugehörigkeitsstatus liegt insbesondere in jeder Verlustzufügung, die der Betroffene nicht oder nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann" (BVerfGE 116, 24 <44> m.w.N.).

32

Die Regelung über die Behördenanfechtung ist als verfassungswidrige Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) anzusehen, weil die Betroffenen den Staatsangehörigkeitsverlust teils gar nicht, teils nicht in zumutbarer Weise beeinflussen können: Die Kinder selbst können den Staatsangehörigkeitsverlust ohnehin nicht selbst beeinflussen (a). Angesichts der Umstände eines Staatsangehörigkeitserwerbs durch anfechtbare Vaterschaftsanerkennung käme in Betracht, den Kindern die hierbei bestehenden Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern zuzurechnen (b). Die Eltern hatten jedoch selbst keinen Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust, soweit die Regelungen auf Vaterschaften angewendet werden, die vor Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB anerkannt wurden (c). Außerdem ist den Eltern die Wahrnehmung ihrer Einflussnahmemöglichkeit nicht zumutbar, soweit die Vaterschaftsanerkennung nicht gerade darauf zielt, durch den Abstammungserwerb der Staatsangehörigkeit des Kindes (§ 4 Abs. 1 und 3 StAG) aufenthaltsrechtliche Vorteile zu erlangen (d).

33

a) Die betroffenen Kinder können den infolge der Behördenanfechtung eintretenden Verlust der Staatsangehörigkeit nicht selbst beeinflussen. Die Vaterschaftsanfechtung liegt in der Hand der Behörde und des Gerichts. Der Staatsangehörigkeitsverlust vollzieht sich nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichteautomatisch. Ob die Voraussetzungen für eine Behördenanfechtung vorliegen, ist durch das Kind nicht nennenswert beeinflussbar. Auch der durch die Vaterschaftsanerkennung vermittelte Staatsangehörigkeitserwerb selbst, den rückgängig zu machen das eigentliche Ziel der Behördenanfechtung ist, entzieht sich regelmäßig dem Einfluss des Kindes. Die Vaterschaftsanerkennung liegt in den Händen der Eltern, der Staatsangehörigkeitserwerb vollzieht sich infolge der Vaterschaftsanerkennung automatisch von Gesetzes wegen.

34

b) Grundsätzlich kommt in Betracht, den Kindern Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern (aa) zuzurechnen (bb).

35

aa) Auch die Eltern können den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes nicht direkt beeinflussen, der bei erfolgreicher Behördenanfechtung automatisch eintritt.

36

Der Vorwurf einer nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verbotenen Entziehung der Staatsangehörigkeit lässt sich auch nicht schon mit dem Hinweis ausräumen, die Eltern hätten zur Vermeidung des Staatsangehörigkeitsverlusts bereits auf den Staatsangehörigkeitserwerb verzichten können.

37

Besondere Umstände des Staatsangehörigkeitserwerbs können es allerdings erlauben, den Einfluss auf den Erwerbsvorgang ausnahmsweise auch als Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust zu werten (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Tragen die Betroffenen bereits beim Erwerb Verantwortung für eine spezifische Instabilität der Staatsangehörigkeit, hatten sie die Situation, die schließlich zum Verlust der Staatsangehörigkeit führt, in der eigenen Hand, so dass der Verlust als beeinflussbar gelten kann (vgl. Kämmerer, in: Bonner Kommentar, August 2005, Art. 16 Rn. 51; Masing, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 16 Rn. 74). Eine solche Instabilität kann daraus resultieren, dass die Art und Weise des Staatsangehörigkeitserwerbs rechtlich missbilligt ist und der Gesetzgeber Regelungen getroffen hat, nach denen der rechtlich missbilligte Staatsangehörigkeitserwerb rückgängig gemacht werden kann. Führen die Betroffenen unter diesen Voraussetzungen den Erwerb einer rechtlich bemakelten Staatsangehörigkeit herbei, tragen sie Verantwortung für deren Instabilität und müssen sich dies als Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust zurechnen lassen.

38

In den Fällen der Behördenanfechtung ist die Einflussmöglichkeit der Eltern danach darin zu sehen, dass sie auf die Anerkennung einer nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB anfechtbaren Vaterschaft verzichten und damit vermeiden können, dass eine Situation entsteht, die später zum Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes führt (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Die Beteiligten bereits zum Verzicht auf eine im Sinne von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB bemakelte Vaterschaftsanerkennung zu bewegen, ist letztlich auch Ziel der gesetzlichen Einräumung einer behördlichen Anfechtungsbefugnis. Die Zumutbarkeit eines solchen Verzichts bedarf allerdings gesonderter Betrachtung (s.u., d)).

39

bb) Soweit ein mittelbarer Einfluss der Eltern auf den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes besteht, kann er diesem unter bestimmten Bedingungen zugerechnet werden. Dann ist der Staatsangehörigkeitsverlust als durch das Kind beeinflussbar zu werten und eine unzulässige Entziehung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG auszuschließen (vgl. BVerfGE 116, 24 <60>). Zwar muss das Kind so mit dem Staatsangehörigkeitsverlust eine schwerwiegende Folge des Handelns seiner Eltern tragen, auf das es tatsächlich keinen eigenen Einfluss hat. Sinn und Zweck des Verbots der Entziehung der Staatsangehörigkeit lassen eine Zurechnung des Elternverhaltens gleichwohl zu. Dem durch das Entziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG bezweckten Schutz vor willkürlicher Instrumentalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ist bereits dadurch Rechnung getragen, dass der Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes von den Eltern beeinflusst werden kann und damit der freien Verfügung des Staates entzogen ist. Der Wegfall der Staatsangehörigkeit entspringt dann nicht einem einseitigen Willensakt des Staates, sondern ist Folge der von den Eltern herbeigeführten anfechtbaren Vaterschaftsanerkennung (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Dass das Kind keinen eigenen Einfluss auf den Verlust der Staatsangehörigkeit nehmen kann, darf indessen bei der verfassungsrechtlichen Würdigung eines Staatsangehörigkeitsverlusts nicht unbeachtet bleiben. Dies wird in der Prüfung am Maßstab des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG berücksichtigt.

40

Ob eine Zurechnung elterlichen Verhaltens in den Fällen der Behördenanfechtung altersunabhängig und damit auch bei größeren, zunehmend eigenständigen Kindern möglich ist, bedarf hier keiner Entscheidung, da es im Ergebnis teilweise bereits an der Einflussnahmemöglichkeit der Eltern (s.u., c)), beziehungsweise an der Zumutbarkeit fehlt, die bestehende Einflussmöglichkeit zu nutzen (s.u., d)).

41

c) An der Möglichkeit der Eltern, den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes dadurch zu beeinflussen, dass sie auf eine Vaterschaftsanerkennung verzichten, wenn die zur Behördenanfechtung berechtigenden Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB vorliegen, fehlt es, soweit die Anfechtung gemäß Art. 229 § 16 EGBGB Fälle erfasst, in denen die Vaterschaftsanerkennung und damit der Staatsangehörigkeitserwerb vor Inkrafttreten des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB am 1. Juni 2008 erfolgten - das heißt zu einem Zeitpunkt, in dem die zur Nichtigkeit des Staatsangehörigkeitserwerbs führende Anfechtungsregelung noch nicht existierte. Eine den Entziehungstatbestand des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ausschließende Einflussmöglichkeit der Eltern ist insoweit mangels Vorhersehbarkeit zu verneinen.

42

aa) Wird eine Regelung, welche die Staatsangehörigkeit entfallen lässt, nachträglich in Kraft gesetzt, so ist dies als verbotene Entziehung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen. Die Betroffenen haben nur dann Einfluss auf den Verlust der Staatsangehörigkeit, wenn sie im Zeitpunkt ihres Handelns wissen oder wenigstens wissen können, dass sie damit die Voraussetzungen für den Verlust der Staatsangehörigkeit schaffen. Zur Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus gehört auch die Vorhersehbarkeit eines Verlusts und damit ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Bereich der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verlustregelungen (BVerfGE 116, 24 <45>).

43

Erfolgte die Anerkennung einer nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB anfechtbaren Vaterschaft vor Inkrafttreten des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB, konnten die Eltern nicht wissen, dass sie mit dieser Vaterschaftsanerkennung zugleich die Voraussetzung des späteren Verlusts schaffen, weil es die Möglichkeit der Behördenanfechtung zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab. Die betroffenen Eltern durften bis zur Einführung der Behördenanfechtung davon ausgehen, dass die Vaterschaftsanerkennung unabhängig vom damit verfolgten Zweck wirksam war und die Grundlage für den Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes bildete. Die Vaterschaftsanerkennung schafft eine vollgültige, mit allen Rechten und Pflichten verbundene Vaterschaft, auch wenn weder ein biologisches Abstammungsverhältnis noch eine sozial-familiäre Beziehung zwischen anerkennendem Vater und Kind existieren. Erst mit dem Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB konnte die zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken erfolgende Vaterschaftsanerkennung angefochten und damit die deutsche Staatsangehörigkeit rückwirkend zum Wegfall gebracht werden. Erst seitdem können die Eltern durch Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung den späteren Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes durch Behördenanfechtung bewusst verhindern. Bis dahin mussten sie hingegen nicht mit einer Vaterschaftsanfechtung durch die Behörde rechnen.

44

bb) Ob Art. 229 § 16 EGBGB gegen das Rückwirkungsverbot verstößt, bedarf darüber hinaus keiner Entscheidung.

45

d) Soweit die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die nach Inkrafttreten der zu überprüfenden Normen erfolgten, waren die Anfechtung und der dadurch vermittelte Staatsangehörigkeitsverlust zwar vorhersehbar und konnten von den Eltern durch den Verzicht auf Vaterschaftsanerkennung beeinflusst werden. Einen Staatsangehörigkeitsverlust durch den Verzicht auf eine behördlich anfechtbare Vaterschaftsanerkennung zu beeinflussen, ist jedoch nicht ohne Weiteres zumutbar.

46

Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist nur dann zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt (aa). Die in § 1600 Abs. 3 und Abs. 4 BGB geregelten Anfechtungsvoraussetzungen sind jedoch so weit formuliert, dass sie nicht hinreichend genau allein solche Vaterschaftsanerkennungen erfassen (bb). Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist den Betroffenen in diesen Fällen auch nicht deshalb zuzumuten, weil dem Gesetzgeber keine andere Möglichkeit der Regelung der Behördenanfechtung zur Verfügung stünde und das Interesse an der Behördenanfechtung eindeutig die Interessen derjenigen überwöge, die auf eine, nicht der Umgehung gesetzlicher Aufenthaltsvoraussetzungen dienende, anfechtbare Vaterschaftsanerkennung verzichten müssten (cc).

47

aa) Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist nur dann zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Erlangung eines besseren Aufenthaltsstatus unter Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen zielt. Andernfalls kann den Eltern ein Verzicht nicht zugemutet werden, weil ihnen damit eine Form familienrechtlicher Statusbegründung genommen würde, die allen anderen Paaren in gleicher Lage ohne Weiteres offen steht.

48

(1) Nach dem Recht der Vaterschaftsanerkennung ist diese für ein rechtlich vaterloses Kind mit Zustimmung der Mutter unabhängig von der biologischen Vaterschaft ohne jede weitere Voraussetzung möglich. Der Gesetzgeber hat die Vaterschaftsanerkennung der autonomen Entscheidung der Eltern überlassen und hat gerade dies bei der Einführung von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nochmals bekräftigt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 1 und 11). Er hat darauf verzichtet, die Gründe für eine konkrete Anerkennung zu erforschen oder zu reglementieren. Die Betroffenen können eine Vaterschaft durch Anerkennung aus beliebigen Motiven herbeiführen; das gilt auch dann, wenn sie damit rechnen oder sogar wissen, dass der Anerkennende nicht biologischer Vater des Kindes ist. Die Regelung statuiert keine rechtliche Erwartung, auf bestimmte Vaterschaftsanerkennungen zu verzichten.

49

(2) Demgegenüber verlangt die hier zur Prüfung gestellte Regelung den Betroffenen ab, unter den Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, wenn sie nicht später den anfechtungsbedingten Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes riskieren wollen. Betroffen sind nur binationale und ausländische Paare, von denen mindestens ein Elternteil keinen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt, weil die Anfechtung nach § 1600 Abs. 3 BGB erfordert, dass durch die Vaterschaftsanerkennung objektiv aufenthaltsrechtliche Vorteile geschaffen werden.

50

(3) Es ist den Betroffenen nicht ohne Weiteres zumutbar, auf eine allen anderen Paaren offenstehende Vaterschaftsanerkennung nur deshalb zu verzichten, weil ein Elternteil weder die deutsche Staatsangehörigkeit noch einen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt.

51

(a) Zumutbar ist allerdings, unter den in § 1600 Abs. 3 BGB genannten Voraussetzungen auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, soweit diese gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt. Wollen die Mutter und der Anerkennungswillige mit der Vaterschaftsanerkennung gerade die Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils schaffen, bedienen sie sich des familienrechtlichen Instruments der Vaterschaftsanerkennung, um aufenthaltsrechtliche Vorteile herbeizuführen, die das Aufenthaltsrecht an und für sich nicht gewährt. Dass § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nun diesen fachrechtlich nicht vorgesehenen Weg, Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsrecht zu erwerben, beschränkt, dient der Verwirklichung der Steuerungsziele des Staatsangehörigkeits- und des Aufenthaltsrechts. Auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, die gerade darauf zielt, aufenthaltsrechtliche Vorteile zu erlangen, die das einschlägige Fachrecht zulässigerweise nicht gewährt, ist zumutbar, zumal die in diesem Fall schwachen familiären Interessen an der Vaterschaft das Anfechtungsinteresse nicht überwinden könnten.

52

(b) Erfolgt die Vaterschaftsanerkennung hingegen nicht gezielt gerade zur Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts, rechtfertigen es das staatsangehörigkeits- und das aufenthaltsrechtliche Gesetzesziel der Regelungen zur Behördenanfechtung nicht, den Betroffenen zuzumuten, auf die vom Gesetzgeber ansonsten ohne Ansehung der Motive eingeräumte Möglichkeit der Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, die allen anderen Paaren in genau gleicher Lage offensteht.

53

bb) Kann demnach der Verlust der Staatsangehörigkeit nur dann als rechtfertigungsfähiger Verlust, nicht aber als strikt verbotene Entziehung angesehen werden, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts zielt, muss die Möglichkeit der Behördenanfechtung auf die Fälle spezifisch aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennungen begrenzt bleiben. Diese Begrenzung vermögen die vom Gesetzgeber gewählten Anfechtungsvoraussetzungen nicht hinreichend zuverlässig zu leisten.

54

(1) Zwar darf sich der Gesetzgeber bei der Statuierung der Voraussetzungen für die behördliche Anfechtung einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaft aus Praktikabilitätsgründen objektiver Merkmale bedienen, die eine entsprechende subjektive Motivlage beispielhaft und widerlegbar indizieren können. Objektive Anhaltspunkte könnten neben einem Geständnis der Eltern etwa sein, dass der anerkennende Vater bereits mehrfach Kinder verschiedener ausländischer Mütter anerkannt hat oder dass eine Geldzahlung anlässlich der Vaterschaftsanerkennung bekannt wird (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 16).

55

(2) Die objektiv gefassten Anfechtungsvoraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen jedoch nicht.

56

(a) Nach § 1600 Abs. 3 BGB setzt die Behördenanfechtung voraus, dass zwischen Kind und Anerkennendem nicht zu bestimmten Zeitpunkten eine sozial-familiäre Beziehung besteht oder bestanden hat und dass durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt geschaffen werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat das Gericht im Falle fehlender biologischer Vaterschaft das Nichtbestehen der Vaterschaft festzustellen, ohne dass es weitere Belege dafür verlangen müsste oder auch nur dürfte, dass die Vaterschaftsanerkennung tatsächlich gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielte. Dies wird beim Fehlen einer sozial-familiären Beziehung vielmehr unwiderlegbar unterstellt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 14).

57

(b) Die objektiv formulierten Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB sind als Anhaltspunkte für eine spezifisch aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung nicht hinreichend aussagekräftig.

58

(aa) Die Voraussetzung der Schaffung von Einreise- oder Aufenthaltsvoraussetzungen ist für sich genommen nicht zu einer den Anforderungen von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG genügenden Eingrenzung der Anfechtungsfälle geeignet, weil sie alle Fälle der Vaterschaftsanerkennung einbezieht, in denen die Mutter einen ungesicherten Aufenthaltsstatus hatte. Dass die Vaterschaftsanerkennung in diesen Fällen generell gerade zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken erfolgt, ist weder im Gesetzgebungsverfahren dargelegt worden noch sind dafür sonst Anhaltspunkte erkennbar.

59

(bb) Auch das Fehleneiner sozial-familiären Beziehung zwischen Vater und Kind ist kein zuverlässiger Indikator dafür, dass eine, den Aufenthaltsstatus der Beteiligten objektiv verbessernde, Vaterschaftsanerkennung gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile zielt. Nach § 1600 Abs. 4 BGB besteht eine sozial-familiäre Beziehung, wenn der Vater zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat, was in der Regel der Fall ist, wenn der Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Die erste Alternative scheidet hier schon deshalb aus, weil die Eltern in Fällen der Vaterschaftsanerkennung in aller Regel nicht miteinander verheiratet sind. Die zweite Alternative fasst die sozial-familiäre Beziehung zu eng, als dass deren Fehlen bereits die aufenthaltsrechtliche Motivlage indizieren könnte (vgl. Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>; Grün, FuR 2007, S. 12 <13>; Helms, StAZ 2007, S. 69 <73>). Das Erfordernis einer häuslichen Gemeinschaft ist streng und geht deutlich über das Maß an sozialen Vater-Kind-Kontakten hinaus, das ansonsten zwischen nichtehelichen Kindern und ihren Vätern praktisch üblich ist. So kam eine im Gesetzgebungsverfahren zum Kindschaftsrechts-Reformgesetz von 1998 in Auftrag gegebene Untersuchung zur Lebenslage nichtehelicher Kinder zu dem Ergebnis, dass nur knapp ein Viertel aller unverheirateten Eltern in einer häuslichen Gemeinschaft lebten; demgegenüber lebten etwa drei Viertel aller Väter nichtehelicher Kinder nicht mit diesen im selben Haushalt (vgl. BTDrucks 13/4899, S. 50). Das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft ist damit kein zuverlässiger Indikator einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung (vgl. Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>).

60

Dabei wird nicht verkannt, dass in Fallkonstellationen, in denen keine häusliche Gemeinschaft zwischen Vater und Kind begründet wird, Vaterschaftsanerkennungen zu einem gewissen Anteil tatsächlich gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile zielen werden. Gleichwohl eröffnet der generalisierende Schluss vom Fehlen häuslicher Gemeinschaft auf die aufenthaltsrechtliche Motivlage zu weitgehende Anfechtungsmöglichkeiten, die durch Verzicht auf die Vaterschaftsanerkennung zu vermeiden den Betroffenen nicht zuzumuten ist (s.u., cc)).

61

(3) Freilich könnte § 1600 Abs. 4 Satz 2 BGB als nicht abschließende Aufzählung von Beispielen verstanden werden. Dann wäre davon auszugehen, dass auch in anderen als den dort genannten Fällen der Ehe und der häuslichen Gemeinschaft eine tatsächliche Verantwortungsübernahme - und damit eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB - vorliegen kann. Der Schutz der durch Anerkennung begründeten rechtlichen Vater-Kind-Beziehung vor behördlicher Anfechtung reichte dann weiter.

62

Dem Wortlaut ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Regelvermutungen die denkbaren Fälle einer sozial-familiären Gemeinschaft abschließend bezeichnen oder lediglich als Beispiele gedacht sind. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien sollte die Aufzählung nicht abschließend sein. Dort heißt es, neben dem gesetzlichen Regelfall der häuslichen Gemeinschaft könne der Vater tatsächliche Verantwortung auch übernehmen, indem er "typische Elternrechte und -pflichten" wahrnimmt, etwa regelmäßigen Umgang mit dem Kind, Betreuung und Erziehung des Kindes oder die Leistung von Unterhalt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 13). Darüber hinaus verweist die Begründung des Regierungsentwurfs in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Oktober 2005 - 2 BvR 1001/04 -, FamRZ 2006, S. 187 <188>), in der festgestellt wurde, eine verantwortungsvoll gelebte Eltern-Kind-Gemeinschaft lasse sich nicht allein quantitativ etwa nach Daten und Uhrzeiten des persönlichen Kontakts oder genauem Inhalt der einzelnen Betreuungshandlungen bestimmen. Die Entwicklung eines Kindes werde nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 13 f.).

63

Auch im Fachschrifttum wird im Rahmen der Behördenanfechtung eine weite Auslegung des negativen Tatbestandsmerkmals der sozial-familiären Beziehung befürwortet, weil es allein darum gehe, die Missbrauchsfälle herauszufiltern (vgl. Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 8, 6. Aufl. 2012, § 1600 Rn. 21; Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>). An einer sozial-familiären Beziehung fehle es nicht automatisch dann schon, wenn keine persönlichen Kontakte zwischen dem Anerkennenden und dem Kind bestünden. Ein Mangel an persönlichem Kontakt könne durchaus auf Umständen beruhen, auf die der Anerkennende keinen Einfluss habe, so etwa wenn tatsächliche Umstände (z.B. eine große räumliche Distanz zwischen Kind und Anerkennendem, Erkrankungen des Anerkennenden oder des Kindes oder die Verbüßung einer Strafhaft) das persönliche Zusammentreffen nicht möglich machten (vgl. Grün, FuR 2007, S. 12 f.; ders., FPR 2011, S. 382 <383 f.>).

64

(4) Die verfassungsrechtlichen Defizite der Norm lassen sich jedoch angesichts der Gesetzessystematik nicht durch Auslegung beheben.

65

Die sozial-familiäre Beziehung ist zugleich negatives Tatbestandsmerkmal der bereits im Jahr 2004 eingeführten Vaterschaftsanfechtung durch den biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Der Gesetzgeber hatte bei der Regelung der Anfechtung durch den biologischen Vater mit der Aufnahme dieses Negativmerkmals (§ 1600 Abs. 2 BGB) im Wesentlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der bestehenden rechtlichen Familie umgesetzt (vgl. BVerfGE 108, 82). Für die Behördenanfechtung wurde das Kriterium später in diesen anderen Zusammenhang schlicht übernommen (§ 1600 Abs. 3 BGB). Die sozial-familiäre Beziehung ist dabei für beide Anfechtungskonstellationen einheitlich in § 1600 Abs. 4 BGB definiert. Die Doppelfunktion des negativen Tatbestandsmerkmals der sozial-familiären Beziehung lässt es hier im Ergebnis nicht zu, dieses Tatbestandsmerkmal im Zusammenhang mit der Behördenanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB den Erfordernissen des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG gemäß weit auszulegen, weil dasselbe Tatbestandsmerkmal im Rahmen der Anfechtung durch den mutmaßlichen biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) aus verfassungsrechtlichen Gründen eng auszulegen ist.

66

Das negative Tatbestandsmerkmal der sozial-familiären Beziehung steht in den beiden Anfechtungskonstellationen in unterschiedlichem Kontext und hat bei der Anfechtung durch den biologischen Vater eine völlig andere Funktion als bei der Anfechtung durch die Behörde (vgl. van Els, FPR 2011, S. 380 <381>; Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Grün, FuR 2007, S. 12 <13>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>; Helms, StAZ 2007, S. 69 <72 f.>).

67

Bei der Anfechtung durch den biologischen Vater soll die bestehende Vaterschaft des rechtlichen Vaters durch die des biologischen Vaters ersetzt werden. Das Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung zum rechtlichen Vater dient im Interesse des Kindes dem Schutz der bestehenden sozialen Familie (vgl. BVerfGE 108, 82 <109 f.>). Der Schutzbedarf ist jedoch begrenzt, weil das Kind nicht vaterlos wird, sondern den biologischen Vater als rechtlichen Vater erhält, woran das Kind ein eigenes Interesse hat, das das Interesse an der Erhaltung der rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung zum bisherigen Vater überwiegen kann. Um die Anfechtung nicht übermäßig zu erschweren, ist mit der sozial-familiären Beziehung ein negatives Tatbestandsmerkmal gewählt, das der Anfechtung durch den biologischen Vater Raum gewährt und diese nur dann scheitern lässt, wenn Kind und rechtlicher Vater tatsächlich gemeinsam ein soziales Familienleben führen, welches durch die rechtliche Neuordnung der Vaterschaft gestört würde. Bei der Behördenanfechtung hingegen soll eine rechtliche Vater-Kind-Zuordnung im öffentlichen Interesse aufgehoben werden, ohne dass für die Feststellung einer neuen, biologisch zutreffenden Vaterschaft Sorge getragen wäre. Die Anfechtung dient - anders als im Fall der Anfechtung durch den biologischen Vater - nicht dem Schutz der Grundrechte der Betroffenen, sondern der Durchsetzung staatsangehörigkeits- und aufenthaltsrechtlicher Steuerungsziele. Durch die Behördenanfechtung wird weder ein Vater in sein Recht gesetzt noch hat das Kind hierdurch Vorteile. Vielmehr verliert es neben der deutschen Staatsangehörigkeit ersatzlos einen rechtlich vollwertigen Elternteil.

68

Demgemäß kommt dem Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung bei der Behördenanfechtung eine andere Funktion zu als bei der Anfechtung durch den biologischen Vater. Während es bei der Anfechtung durch die Behörde vor allem dazu dient, eine gerade aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung zu identifizieren, geht es bei der Anfechtung durch den biologischen Vater nur darum, festzustellen, ob der Anfechtung eine verfassungsrechtlich schützenswerte, sozial gehaltvolle Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater entgegensteht.

69

Verfassungsrechtlich unzulässig wäre es, das für beide Anfechtungskonstellationen relevante Tatbestandsmerkmal der sozial-familiären Beziehung, das in § 1600 Abs. 4 BGB eine einheitliche Definition erfahren hat, je nach Kontext unterschiedlich auszulegen, indem man es als Voraussetzung der Behördenanfechtung weit interpretierte, ihm aber bei der Anfechtung durch den biologischen Vater eine enge Bedeutung beilegte (kritisch Helms, StAZ 2007, S. 69<73>). Ein und dasselbe, durch eine Norm einheitlich definierte Tatbestandsmerkmal kann hier nicht, je nachdem, mit welcher Anfechtungsnorm es in Verbindung gebracht wird, einmal eng und einmal weit interpretiert werden. Angesichts der erheblichen Grundrechtseingriffe, die mit der Vaterschaftsanfechtung in beiden Fällen verbunden sind, wäre dies unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten der Normverständlichkeit nicht zu akzeptieren.

70

cc) Es ist den Betroffenen auch nicht deshalb zuzumuten, bereits im Fall des Fehlens einer sozial-familiären Beziehung im engeren Sinne auf die Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, weil sich das behördliche Anfechtungsrecht mangels äußerer Unterscheidbarkeit gerade aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennungen von anderen Vaterschaftsanerkennungen nur auf diese Weise durchsetzen ließe und das Interesse an der Vaterschaftsanerkennung hinter dem Anfechtungsinteresse zurücktreten müsste. Es ist nicht ausgeschlossen, treffgenauere Kriterien als das Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung zu verwenden (s.o., bb)(1)). Selbst wenn diese nicht alle Fälle aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennung vollständig erfassen sollten, wäre das hinnehmbar, zumal eine besondere Dringlichkeit, aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennungen zu bekämpfen, nicht erkennbar geworden ist.

71

So konnte die für den Zeitraum vom 1. April 2003 bis 31. März 2004 erhobene Zahl von 1.694 Aufenthaltstiteln, die an unverheiratete ausländische Mütter eines deutschen Kindes erteilt wurden, die im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig waren, nach eigener Einschätzung der Bundesregierung "nicht belegen, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen handelt" (BTDrucks 16/3291, S. 11). Es ist wahrscheinlich, dass ein ganz erheblicher Anteil der Fälle keine Anfechtungsfälle waren, denn in die Erhebung waren insbesondere auch die Fälle einbezogen, in denen die biologische Vaterschaft oder aber wenigstens eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Vater und Kind bestand, mithin reguläre Vaterschaftsanerkennungen, auf die die Behördenanfechtung nicht zielt und die sie auch nicht erfasst.

72

Dass sich die Vaterschaftsanerkennung praktisch nicht zum extensiv genutzten Instrument der Aufenthaltssicherung unter Umgehung aufenthaltsrechtlicher Voraussetzungen entwickelt hat, dürfte nicht zuletzt darauf beruhen, dass die anerkennenden Väter ein erhebliches Risiko eingehen, dauerhaft unterhaltsrechtlich belangt zu werden. Die Vaterschaftsanerkennung führt zur rechtlich vollgültigen Vaterschaft. Mit ihr ist auch und gerade im Fall fehlender häuslicher Gemeinschaft eine unter Umständen lang währende Pflicht zur Zahlung von Kindesunterhalt verbunden, die gegebenenfalls staatlich durchsetzbar ist. Mittellosigkeit schützt den Vater allenfalls begrenzt vor dieser Zahlungspflicht. Der Vater eines minderjährigen Kindes ist gemäß § 1601, § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigert unterhaltspflichtig und deshalb verpflichtet, alle Anstrengungen zu unternehmen, um Unterhalt zahlen zu können. Dies zwingt den Unterhaltspflichtigen zur Übernahme jeder ihm zumutbaren Arbeit, wobei zur Sicherung des Unterhalts minderjähriger Kinder auch Aushilfs- und Gelegenheitsarbeiten zumutbar sind und ein Orts- und Berufswechsel verlangt werden kann. Unterlässt es der Unterhaltsverpflichtete, einer ihm möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit nachzugehen, werden ihm auch fiktiv erzielbare Einkünfte zugerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 -, juris, Rn. 20 ff.; stRspr).

73

Im Übrigen stehen dem Staat auch jenseits des familiengerichtlichen Unterhaltsverfahrens des unterhaltsberechtigten Kindes Mittel zur Verfügung, die Unterhaltspflichten durchzusetzen und so indirekt Druck gegen eine Praxis aufenthaltsrechtlich motivierter Gefälligkeitsanerkennungen zu entfalten. Die Verletzung der Unterhaltspflicht ist nach § 170 StGB strafbewehrt. Zudem haben die Sozialbehörden im Fall der Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch das Kind Mittel an der Hand, die unterhaltsrechtlichen Folgen einer Vaterschaftsanerkennung spürbar werden zu lassen, indem sie die auf sie übergehenden Unterhaltsforderungen gegenüber dem Anerkennenden durchsetzen.

74

4. Die zu überprüfenden Normen verstoßen darüber hinaus gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie genügen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG an einen sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit stellt, weil sie keine Möglichkeit bieten, zu berücksichtigen, ob das Kind staatenlos wird (a), weil es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Staatsangehörigkeitsverlusts fehlt (b) und weil keine angemessene Fristen- und Altersregelung getroffen wurde, die verhindern könnte, dass auch ältere Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit über einen längeren Zeitraum besessen haben, diese noch verlieren (c).

75

a) § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB ist insofern verfassungswidrig, als dem über die Anfechtung entscheidenden Gericht weder aufgegeben noch ermöglicht ist, Rücksicht darauf zu nehmen, ob das betroffene Kind infolge der Behördenanfechtung staatenlos wird. Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG darf der Verlust der Staatsangehörigkeit gegen den Willen der Betroffenen nur dann eintreten, wenn diese dadurch nicht staatenlos werden. Weil der Verlust der Staatsangehörigkeit im Fall der Behördenanfechtung in aller Regel gegen den Willen des betroffenen Kindes eintritt, hätte der Gesetzgeber eine Vorkehrung für den Fall der Staatenlosigkeit treffen müssen. Für eine verfassungskonforme Auslegung bietet der Wortlaut keinen Anknüpfungspunkt.

76

aa) Es ist nicht auszuschließen, dass Kinder infolge der Behördenanfechtung staatenlos werden. Welche Auswirkungen der Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit für die weitere Staatsangehörigkeit des Kindes hat, bestimmt sich nach ausländischem Staatsangehörigkeitsrecht. Das deutsche Recht kann Erwerb, Fortbestand oder Wiederaufleben der mütterlich vermittelten ausländischen Staatsangehörigkeit nicht steuern.

77

bb) Eine Rechtfertigung der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit kommt nicht in Betracht. Der Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG sieht abgesehen vom Willenskriterium keine weitere Einschränkung des Verbots der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit vor; das Staatenlosigkeitsverbot ist strikt formuliert.

78

Zwar wurde eine Inkaufnahme der Staatenlosigkeit im Fall der Rücknahme einer durch bewusst falsche Angaben erwirkten rechtswidrigen Einbürgerung für verfassungsrechtlich zulässig gehalten (vgl. BVerfGE 116, 24 <45 ff.>). Wegen des strikt formulierten Verbots des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ist jedoch bei einer Weiterung der für den Rücknahmefall angestellten Rechtfertigungsüberlegungen auf andere Konstellationen äußerste Zurückhaltung geboten. In der hier zu beurteilenden Konstellation greifen die zur Rücknahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung angestellten Erwägungen jedenfalls nicht. Dort stand im Zentrum, dass sich die Betroffenen über die Rechtsordnung hinweggesetzt und durch willentliche Täuschung eine rechtswidrige Einbürgerung erreicht haben. Im Fall der Behördenanfechtung liegen die Dinge anders.

79

Durch die Vaterschaftsanerkennung haben sich die Eltern weder über die Rechtsordnung hinweggesetzt, noch haben sie irgendjemanden über irgendetwas getäuscht, noch haben sie eine rechtswidrige Entscheidung herbeigeführt. Wegen der geringen Voraussetzungen, die das deutsche Abstammungsrecht an eine Vaterschaftsanerkennung stellt, welche insbesondere keine biologische Vaterschaft erfordert, gibt es nichts, worüber die Eltern täuschen könnten. Von einer rechtlichen Missbilligung des Staatsangehörigkeitserwerbs durch Vaterschaftsanerkennung kann ohnehin allenfalls bei Vaterschaftsanerkennungen die Rede sein, die nach Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB erfolgten. Auch dann ist die Bemakelung der durch Vaterschaftsanerkennung erlangten Staatsangehörigkeit jedoch mit einer durch rechtswidriges Verhalten oder Täuschung erschlichenen Einbürgerung nicht vergleichbar und rechtfertigt nicht die Überwindung des Verbots der Herbeiführung von Staatenlosigkeit. In dieser Konstellation setzte sich die deutsche Rechtsordnung durch eine Inkaufnahme der Staatenlosigkeit auch in Widerspruch zu völkerrechtlichen Bestimmungen zur Staatenlosigkeit (Art. 8 Abs. 1 und 2 der Konvention zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961, BGBl II 1977, S. 598, United Nations, Treaty Series, vol. 989, p. 175; Art. 7 Abs. 3 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit vom 6. November 1997, BGBl II 2004, S. 579; BGBl II 2006, S. 1351,United Nations, Treaty Series, vol. 2135, p. 215).

80

Vor allem aber treten hier der Verlust der Staatsangehörigkeit und damit gegebenenfalls die Staatenlosigkeit beim Kind ein, das selbst an der Erlangung der Staatsangehörigkeit nicht aktiv beteiligt war. Anders als bei der Abgrenzung von Entziehung und Verlust der Staatsangehörigkeit (s.o., 3.b)bb)) ist es angesichts des klaren Verbots der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit hier nicht möglich, dem Kind ein Verhalten der Eltern zuzurechnen.

81

b) Darüber hinaus liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts vor. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt zur Legitimierung eines unfreiwilligen Verlusts der Staatsangehörigkeit eine gesetzliche Grundlage (vgl. BVerfGE 116, 24 <52 ff.>). Dabei gebietet Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, den Verlust der Staatsangehörigkeit so bestimmt zu regeln, dass die für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit nicht beeinträchtigt wird (vgl. BVerfGE 116, 24 <61>). Dem genügen die Regelungen über die Behördenanfechtung nicht, weil der Umstand, dass die Staatsangehörigkeit infolge der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft wegfällt, nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Damit liegt zugleich ein Verstoß gegen das Zitiergebot vor (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG).

82

Die familienrechtlichen Vorschriften zur Behördenanfechtung zielen zwar ersichtlich darauf, die durch Vaterschaftsanerkennung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes zu Fall zu bringen, um so die nicht gewollten aufenthaltsrechtlichen Folgen der Vaterschaftsanerkennung zu beseitigen. Jedoch regeln sie die Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit des Kindes nicht ausdrücklich. Auch im Staatsangehörigkeitsrecht findet sich keine gesetzliche Regelung, die den Verlust der Staatsangehörigkeit infolge der die Vaterschaft beendenden Behördenanfechtung anordnet. In der Aufzählung der Verlustgründe (§ 17 Abs. 1 StAG) ist diese Verlustform nicht enthalten. Der Wegfall ergibt sich vielmehr aus der Anwendung zweier ungeschriebener Rechtsregeln, an die § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB unausgesprochen anknüpft. Zugrunde liegen erstens die Annahme der Rückwirkung der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung auf den Zeitpunkt der Geburt und zweitens die Annahme, dass das Staatsangehörigkeitsrecht in vollem Umfang den familienrechtlichen Abstammungsvorschriften folgt, so dass die staatsangehörigkeitsrechtlichen Erwerbsvoraussetzungen einheitlich mit der Vaterschaft rückwirkend entfallen (s.o., A.III.2.). Der Gesetzgeber hat dies vorausgesetzt, jedoch nicht klar erkennbar geregelt.

83

Zwar hat die staatsangehörigkeitsrechtliche Folge der behördlichen Vaterschaftsanfechtung im Februar 2009 mittelbar Niederschlag im Gesetz gefunden, indem der Gesetzgeber in § 17 Abs. 2 und 3 StAG für den Staatsangehörigkeitsverlust drittbetroffener Kinder eine Altersgrenze festgesetzt und dabei die Behördenanfechtung ausdrücklich von der Geltung dieser Altersgrenze ausgenommen hat. Diese Bestimmung impliziert, dass die Behördenanfechtung zum Verlust der Staatsangehörigkeit führt. Den strengen Anforderungen, die der Gesetzesvorbehalt an die Regelung der Staatsangehörigkeit stellt, genügt diese nur mittelbare Regelung jedoch nicht.

84

c) Die Regelung verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie verfolgt zwar einen legitimen Zweck, genügt jedoch nicht den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Die Regelung zielt legitimer Weise auf die Effektivierung der gesetzlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts, deren zielgerichtete Umgehung im Wege einer Vaterschaftsanerkennung verhindert werden soll (s.o.,3.d)aa)(3)(a)). Angesichts des Gewichts des Staatsangehörigkeitsverlusts (aa), das mit Alter und Dauer der Inhaberschaft der deutschen Staatsangehörigkeit steigt (bb), und verbleibender Zweifel an der Dringlichkeit des mit der Behördenanfechtung verfolgten Ziels (cc) ist die konkrete Ausgestaltung der Behördenanfechtung jedoch unverhältnismäßig im engeren Sinne, weil es an einer angemessenen Fristen- und Altersregelung fehlt (dd). Das gilt auch für Fälle, in denen die Vaterschaftsanerkennung tatsächlich zur Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts erfolgte. Sofern die Anfechtung Vaterschaftsanerkennungen erfasst, die nicht gerade zum Zweck der Umgehung des Aufenthaltsrechts erfolgten, sind sie ohnehin verfassungswidrig, weil sie gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen (s.o., 3.d)).

85

aa) Die staatliche Herbeiführung des Staatsangehörigkeitsverlusts ist aus Sicht des betroffenen Kindes ein gravierender Grundrechtseingriff. Die deutsche Staatsangehörigkeit ermöglicht dem Kind den weiteren Verbleib in Deutschland und die gleichberechtigte Teilhabe an Gütern und Rechten und damit die volle Teilnahme am gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik. Mit dem Wegfall der Staatsangehörigkeit entschwinden Lebenschancen, auf die sich das Kind je nach Alter eingerichtet hat (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306> m.w.N.). Dabei fällt auch ins Gewicht, dass Kinder von der Behördenanfechtung als Außenstehende betroffen sind, die an dem bemakelten Staatsangehörigkeitserwerb nicht beteiligt waren und darum mit der Vaterschaftsanfechtung die Folgen des Handelns ihrer Eltern tragen müssen.

86

bb) Die Belastungswirkung des mit dem Staatsangehörigkeitsverlust durch Behördenanfechtung verbundenen Grundrechtseingriffs nimmt mit dem Alter des betroffenen Kindes und mit der Zeitspanne zu, während der das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit innehatte. Mit dem altersgemäß steigenden Bewusstsein seiner Staatsangehörigkeit wächst das Vertrauen des Kindes auf den Bestand der Staatsangehörigkeit und der mit der deutschen Staatsangehörigkeit verbundenen faktischen und rechtlichen Folgen. Neben dem Alter erhöht auch die Dauer der Inhaberschaft der deutschen Staatsangehörigkeit die Belastungswirkung ihres Entfallens. Je länger sich ein Kind auf ein Leben in Deutschland eingerichtet und sich, insbesondere durch Teilhabe am deutschen Bildungssystem, in die deutsche Gesellschaft integriert hat, umso gravierender ist der mit dem Staatsangehörigkeitsverlust verbundene Grundrechtseingriff (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>).

87

cc) Auf der anderen Seite ist ungeachtet der legitimen Zielsetzung der Behördenanfechtung eine konkrete Dringlichkeit, in Umgehungsabsicht erfolgte Vaterschaftsanerkennungen zu bekämpfen, nicht erkennbar (s.o., 3.d)cc)).

88

dd) Wegen der erheblichen Belastungswirkung des Staatsangehörigkeitsverlusts, die mit dem Alter des Kindes und mit der Dauer der Staatsangehörigkeit steigt, sind dem Staatsangehörigkeitsverlust jenseits des relativ frühen Kindesalters zeitliche Grenzen zu setzen. Dass damit nicht jede zu Umgehungszwecken erfolgte Vaterschaftsanerkennung im Wege der Behördenanfechtung rückgängig gemacht werden kann, ist auch angesichts der Zweifel an deren Dringlichkeit hinnehmbar.

89

(1) Dem Vertrauen von Kindern in den Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit ist durch spezifische Regelungen Rechnung zu tragen, die die Möglichkeit des Staatsangehörigkeitsverlusts einschränken (vgl. BVerfGE 116, 24 <60>). Dementsprechend hat der Gesetzgeber Altersgrenzen für den Verlust der Staatsangehörigkeit bei Kindern geschaffen. Nach der Regelung in § 17 Abs. 2 und 3 Satz 1 StAG berühren Entscheidungen nach anderen Gesetzen, die den rückwirkenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit Dritter zur Folge hätten, nicht die deutsche Staatsangehörigkeit von Kindern, die mindestens fünf Jahre alt sind. Exemplarisch nennt § 17 Abs. 3 StAG die Rücknahme der Einbürgerung oder einer Niederlassungserlaubnis der Eltern sowie die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft. Zur Begründung führte die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren aus, sie wolle Kinder, die am nachträglichen Wegfall der Erwerbsvoraussetzungen für ihre Staatsangehörigkeit nicht beteiligt sind, gegen einen automatischen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit schützen. Man gehe aber davon aus, dass ein Kind bis zum Alter von fünf Jahren noch kein eigenes Bewusstsein von seiner Staatsangehörigkeit und kein eigenes Vertrauen auf deren Bestand habe (vgl. BTDrucks 16/10528, S. 6 f.).

90

(2) Die damit geschaffene absolute Altersgrenze von fünf Jahren gilt jedoch nach § 17 Abs. 3 Satz 2 StAG nicht für den Wegfall der Staatsangehörigkeit nach einer Behördenanfechtung. Der Gesetzgeber verweist zur Begründung des Verzichts auf ein Alterskriterium bei der Behördenanfechtung auf den seiner Ansicht nach ausreichenden Schutz dieser Kinder durch die in § 1600b Abs. 1a Satz 3 BGB enthaltene Anfechtungsfrist von fünf Jahren nach Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung oder Einreise des Kindes in das Bundesgebiet (vgl. BTDrucks 16/10528, S. 7).

91

Die Staatsangehörigkeit kann jedoch durch Behördenanfechtung auch bei einem älteren Kind verloren gehen, das die deutsche Staatsangehörigkeit über einen langen Zeitraum innehatte. Zwar schließt § 1600b Abs. 1a BGB den Staatsangehörigkeitsverlust bei älteren Kindern in den Fällen aus, in denen eine Vaterschaftsanerkennung in zeitlicher Nähe zur Geburt des Kindes erfolgte. Die Behördenanfechtung trifft gleichwohl auch ältere Kinder. Zum einen ist die Behördenanfechtung auch in Fällen möglich, in denen die Vaterschaftsanerkennung in vorgerücktem Kindesalter erfolgte. Zum anderen wird durch die Ausschlussfrist des § 1600b Abs. 1a Satz 3, 2. Alt. BGB die Behördenanfechtung auch solcher Vaterschaftsanerkennungen ermöglicht, die bereits vor Jahren wirksam wurden, sofern das Kind erst deutlich später in die Bundesrepublik einreist. Aufgrund der langen Anfechtungsfrist von fünf Jahren trifft die Behördenanfechtung zudem auch (ältere) Kinder, die bereits seit vielen Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit innehatten und demgemäß als Deutsche gelebt haben. Es kommt hinzu, dass die Fünfjahresfrist auf die Anfechtung bezogen ist und nicht auf die Rechtskraft des das Nichtbestehen der Vaterschaft feststellenden Urteils, die nochmals Jahre später eintreten kann.

92

(3) Soweit die Behördenanfechtung wegen der altersunabhängigen Fünfjahresfrist ältere Kinder trifft, deren Staatsangehörigkeitserwerb möglicherweise schon viele Jahre zurückliegt, so dass sie bereits ein Bewusstsein für ihre Staatsangehörigkeit und die damit verbundenen Folgen entwickelt haben und in für die Entfaltung ihrer Persönlichkeit entscheidenden Jahren davon ausgingen, deutsche Staatsangehörige zu sein, ist die Regelung übermäßig hart, zumal die betroffenen Kinder zur Bemakelung ihres Staatsangehörigkeitserwerbs nicht selbst beigetragen haben. Nach der Einschätzung und Wertung des Gesetzgebers setzt das Bewusstsein für die eigene Staatsangehörigkeit bei Kindern ein, die älter sind als fünf Jahre. Verfassungsrechtlich ist auch für die Behördenanfechtung für Kinder, die älter als fünf Jahre sind, eine deutliche Verkürzung der Anfechtungsfrist geboten.

II.

93

Die Regelungen über die Behördenanfechtung verstoßen gegen das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Elternrecht.

94

1. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt als Grundlage und Kern des Elternrechts auch den Bestand der Elternschaft. Die Behördenanfechtung betrifft das Bestandsinteresse des Vaters wie auch das ebenfalls geschützte (vgl. BVerfGE 38, 241 <252>) Interesse der Mutter am Fortbestand einer zuvor willentlich begründeten gemeinsamen Elternschaft.

95

Eine verfassungsrechtlich geschützte Elternschaft besteht auch dann, wenn die Vaterschaft durch Anerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB begründet wurde und der Anerkennende - wie in § 1600 Abs. 3 BGB vorausgesetzt - weder der biologische Vater des Kindes ist noch eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind begründet hat. Die durch Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB erlangte Vaterstellung macht den anerkennenden Mann unabhängig von den biologischen Abstammungsverhältnissen zugleich zum Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, ohne dass es auf die Begründung einer sozial-familiären Beziehung ankäme. Freilich hängt die Intensität des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Schutzes davon ab, ob die rechtliche Vaterschaft auch sozial gelebt wird.

96

2. Die Behördenanfechtung beendet die rechtliche Vaterschaft rückwirkend gegen den Willen der Familienmitglieder (s.o., A.III.2.) und greift so in das Bestandsinteresse beider Eltern ein.

97

3. Der Eingriff ist nicht zu rechtfertigen, weil er unverhältnismäßig ist.

98

a) Das Elterngrundrecht enthält keinen allgemeinen Gesetzesvorbehalt. Eine Beschränkung des Elterngrundrechts kann indessen aufgrund verfassungsimmanenter Schranken erfolgen. Die Behördenanfechtung dient der Durchsetzung aufenthaltsrechtlicher Steuerungszwecke und verfolgt damit ein legitimes Ziel (s.o., I.3.d)aa)(3)(a)), das eine verfassungsimmanente Schranke des Elterngrundrechts bildet. Zwar erteilt das Grundgesetz dem Gesetzgeber nicht ausdrücklich den Auftrag, den Zuzug ausländischer Staatsangehöriger zu regeln. Die Eröffnung beziehungsweise Verwehrung von Zuzugsmöglichkeiten berührt das Gemeinwesen jedoch im Kern und bedarf darum rechtlicher Steuerung.

99

b) Zielte die Vaterschaftsanerkennung gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile, ist die Schutzwürdigkeit der Elternposition gering. Der Eingriff durch eine behördliche Anfechtung ist insoweit angesichts ihrer legitimen Zwecksetzung verhältnismäßig. Soweit die Behördenanfechtung hingegen nach den zu breit formulierten Voraussetzungen des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB Vaterschaften erfasst, die nicht zur Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts anerkannt wurden (s.o., I.3.d)bb)), ist sie nicht vom Gesetzeszweck getragen und ist darum im Hinblick auf das Elterngrundrecht unverhältnismäßig.

III.

100

Die überprüften Regelungen verstoßen gegen das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Recht des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung.

101

1. Kinder, denen ein eigenes Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit zukommt (Art. 2 Abs. 1 GG), bedürfen des Schutzes und der Hilfe, um sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln zu können. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verleiht dem Kind darum ein Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Februar 2013 - 1 BvL 1/11 und 1 BvR 31 BvR 3247/09 -, juris, Rn. 41 ff.) und schützt Kinder zugleich dagegen, durch staatliche Maßnahmen von der spezifisch elterlichen Hinwendung abgeschnitten zu werden.

102

2. Ist die behördliche Anfechtungsklage erfolgreich, entfällt rückwirkend auf den Tag der Geburt des Kindes die bisherige Vaterschaftszuordnung. Dem Kind wird mit der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtungsklage durch eine staatliche Behörde der rechtliche Vater genommen. Dies greift in das Recht des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung ein.

103

3. Der Eingriff in das Recht des Kindes ist unverhältnismäßig, sofern die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die nicht zur Umgehung des Aufenthaltsrechts erfolgt sind (s.o., I.3.d)bb)). Wurde die Vaterschaftsanerkennung hingegen allein zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken vorgenommen, ist der soziale Gehalt der Vaterschaft für das Kind typischerweise nicht hoch. Dass der Gesetzgeber demgegenüber dem Interesse an der Durchsetzung aufenthaltsrechtlicher Zielsetzungen den Vorrang gegeben hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

IV.

104

Ein - nur in Teilen durch verfassungskonforme Auslegung zu vermeidender - Verstoß gegen das allgemeine Familiengrundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG liegt vor, weil die Regelung ein tatsächlich bestehendes Familienleben im Rahmen des Anfechtungsverfahrens nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB unnötig mit behördlichen und gerichtlichen Ausforschungen belastet.

105

1. Belastungen resultieren aus der Abstammungsklärung. Die erfolgreiche Behördenanfechtung setzt wie alle anderen Formen der Vaterschaftsanfechtung voraus, dass der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, nicht der biologische Vater des Kindes ist. Daher muss die Abstammung des Kindes im Rahmen des Anfechtungsverfahrens geklärt werden. Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, dass diese Abstammungsklärung erst dann erfolgen dürfte, wenn sichergestellt ist, dass die sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen. Eltern und Kinder könnten sich der Abstammungsklärung folglich auch dann unterziehen müssen, wenn die Behördenanfechtung schließlich an den sonstigen Voraussetzungen scheitert. Obwohl die Behördenanfechtung dann im Ergebnis wegen des Bestehens einer sozial-familiären Beziehung erfolglos bleibt, greift bereits die Abstammungsklärung an sich in das Recht des Kindes und der Eltern aus Art. 6 Abs. 1 GG ein. Denn falls eine sozial-familiäre Beziehung zum Vater besteht, belastet die Durchführung des familiengerichtlichen Anfechtungsverfahrens, in dem die gesamte familiäre Situation einer staatlichen Prüfung unterzogen und die biologische Vaterschaft in Frage gestellt wird, die soziale Beziehung zwischen den Betroffenen. Die Belastung ist besonders groß, wenn sich bei der Abstammungsklärung herausstellt, dass der rechtliche Vater trotz sozial-familiärer Beziehung nicht biologischer Vater des Kindes ist (vgl. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, August 2005, S. 378).

106

Insoweit stehen die vorgelegten Regelungen einer verfassungskonformen Anwendung jedoch nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat nicht geregelt, in welcher Reihenfolge das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen zu klären ist. Wegen der familiären Auswirkungen der Abstammungsklärung kann es zur Vermeidung unnötiger Eingriffe in das Familiengrundrecht geboten sein, die Abstammungsklärung erst dann herbeizuführen, wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt ist, dass die sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen. Ist hingegen absehbar, dass die Klärung der sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen für die Betroffenen - etwa wegen der Breitenwirkung der dafür erforderlichen Ermittlungen - ungleich belastender ist, kann es umgekehrt geboten sein, zuerst die Abstammungsklärung vorzunehmen. Die Regelungen zur Behördenanfechtung lassen die Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte zu.

107

2. Indessen setzt die Beeinträchtigung des Familienlebens durch die mit einem Anfechtungsverfahren verbundene Ausforschung nicht erst mit der gerichtlichen Abstammungsklärung ein. Vielmehr belasten schon die vorausgehenden behördlichen Ermittlungen die sozialen Beziehungen der Familie, weil sie die Beteiligten bereits mit dem Verdacht des fehlenden biologischen Abstammungsverhältnisses zwischen Vater und Kind und mit der Gefahr einer Auflösung der rechtlichen Vater-Kind-Beziehung konfrontieren und weil sie unter Umständen Details des Familienlebens ausleuchten und damit dessen unbeschwerte Fortführung hemmen. Die behördlichen Ermittlungen nehmen den Beteiligten Gewissheit und Vertrauen in ihre familiären Beziehungen, indem sie deren tatsächliche und rechtliche Grundlagen in Frage stellen. Dies kann selbst dann der Fall sein, wenn zwischen Vater und Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht, denn die behördliche Infragestellung der Vaterschaft belastet auch die familiäre Beziehung zwischen Mutter und Kind.

108

Die Belastungen sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt, sofern die Maßnahmen der Anfechtung einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung dienen. Grundsätzlich ist auch hinzunehmen, dass in die behördlichen Ermittlungen Familien einbezogen werden, bei denen die behördlichen Aufklärungen am Ende ergeben, dass die Voraussetzungen für eine Vaterschaftsanfechtung nicht vorliegen. Eben dies kann sich unter Umständen erst durch behördliche Nachforschung erweisen.

109

Verfassungsrechtlich nicht hinzunehmen ist jedoch, dass die in § 1600 Abs. 4 BGB unnötig weit gefassten Anfechtungsvoraussetzungen nicht verheiratete, ausländische oder binationale Elternpaare, die keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, generell dem Verdacht aussetzen, die Vaterschaftsanerkennung allein aus aufenthaltsrechtlichen Gründen vorgenommen zu haben und deren Familienleben damit ohne Weiteres mit behördlichen Nachforschungen belasten (vgl. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, August 2005, S. 378). Auch wegen Art. 6 Abs. 1 GG wäre insoweit eine präzisere Fassung der Anfechtungsvoraussetzungen verfassungsrechtlich geboten.

V.

110

Die Regelungen verstoßen nicht gegen Art. 6 Abs. 5 GG.

111

Art. 6 Abs. 5 GG setzt als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes und als Schutznorm zugunsten nichtehelicher Kinder der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit Grenzen (vgl. BVerfGE 84, 168 <184 f.>). Auch eine mittelbare Schlechterstellung nichtehelicher Kinder im Verhältnis zu ehelichen Kindern ist durch Art. 6 Abs. 5 GG verboten (vgl. BVerfGE 118, 45 <62> m.w.N.). Eine ungleiche Behandlung nichtehelicher Kinder, die sich als Benachteiligung gegenüber ehelichen Kindern auswirkt, bedarf stets einer überzeugenden Begründung (vgl. BVerfGE 84, 168 <185>).

112

Die Behördenanfechtung kann nur bei nichtehelichen Kindern zur Anwendung kommen und benachteiligt diese daher mittelbar (1.). Dies lässt sich jedoch rechtfertigen (2.).

113

1. Die Regelungen über die Behördenanfechtung bewirken mittelbar eine Benachteiligung nichtehelicher Kinder. Der Gesetzgeber hat die rechtliche Vaterschaft kraft Anerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB), nicht aber die rechtliche Vaterschaft kraft Ehe (§ 1592 Nr. 1 BGB) behördlicher Anfechtung unterworfen, obwohl auch im Fall der auf Ehe beruhenden Vaterschaft eine lediglich rechtliche Vaterschaft ohne biologische Abstammungsbeziehung vorliegen kann, die unter Umständen - ähnlich wie die Vaterschaftsanerkennung - einen besseren Aufenthaltsstatus vermittelt. Die Behördenanfechtung im Fall der Vaterschaftsanerkennung knüpft zwar nicht an das Merkmal der Nichtehelichkeit des Kindes an. Praktisch trifft sie jedoch gerade die nichtehelichen Kinder und führt so zu einer (mittelbaren) Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder rechtlicher Väter gegenüber ehelichen Kindern von rechtlichen Vätern. Zwar sieht das Gesetz in § 1314 Abs. 2 Nr. 5, § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch die Möglichkeit eines behördlichen Antrags auf Aufhebung einer zu Aufenthaltszwecken geschlossenen Ehe vor. Die Aufhebung der Ehe führt jedoch nicht zur Beendigung der Vaterschaft eines in der Ehe geborenen Kindes, obwohl das Kind auch hier - wie im Fall der Behördenanfechtung - dem ausländischen Elternteil weiterhin über § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG einen besseren Aufenthaltsstatus vermitteln kann. Eine Anfechtung der durch eine zu Aufenthaltszwecken geschlossenen Ehe begründeten Vaterschaft sieht das Gesetz nicht vor, und zwar auch dann nicht, wenn die Ehe gemäß § 1313, § 1314 Abs. 2 Nr. 5, § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgehoben wurde.

114

2. Die Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder, deren rechtliches Verhältnis zum Vater auf Anerkennung beruht (§ 1592 Nr. 2 BGB) und ehelicher Kinder, deren rechtliches Verhältnis zum Vater auf der Ehe der Mutter beruht (§ 1592 Nr. 1 BGB), ist gerechtfertigt.

115

Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gezwungen, behördliches Einschreiten in allen Konstellationen allein rechtlicher Vater-Kind-Beziehungen anzuordnen, die den Beteiligten aufenthaltsrechtliche Vorteile bringen. Vielmehr steht ihm ein politischer Spielraum zu, sich auf Konstellationen zu beschränken, in denen er besonderen Handlungsbedarf sieht. Offenbar hat der Gesetzgeber den Handlungsbedarf bei einer durch Aufenthaltsehe begründeten Vaterschaft für geringer gehalten als bei auf Anerkennung beruhender Vaterschaft. Dabei ist der Gesetzgeber auch bezüglich aufenthaltsrechtlich motivierter Ehen nicht untätig geblieben, sondern hat, wie gesehen, die Aufenthaltsehe behördlicher Aufhebung unterworfen. Freilich hat er darauf verzichtet, auch die durch diese aufgehobene Ehe vermittelte Vaterschaft für Kinder des ausländischen Elternteils der Anfechtung zu unterwerfen.

116

Dass der Gesetzgeber sich darauf konzentriert hat, die Aufhebung der Aufenthaltsehe zu ermöglichen, nicht aber dadurch etwa vermittelte Vaterschaften aufheben wollte, ist hinreichend plausibel und darum verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die auf einer Ehe beruhende Vaterschaft hat im Vergleich zur durch Anerkennung begründeten Vaterschaft quantitativ ein deutlich geringeres Potenzial, anderen Personen einen besseren Aufenthaltsstatus zu vermitteln: Ein Mann kann in Deutschland gleichzeitig nur mit einer Frau die Ehe eingehen; er kann aber jederzeit für zahlreiche Kinder die Vaterschaft anerkennen. Zudem kann im Wege der Ehe nur künftig auf die Welt kommenden Kindern die Vaterschaft vermittelt werden, wohingegen die Anerkennung der Vaterschaft auch für früher geborene Kinder möglich ist. Ein einzelner Mann kann darum mittels Vaterschaftsanerkennung sehr viel mehr Personen zu einer aufenthaltsrechtlich vorteilhaften Position verhelfen als ihm durch Eingehung einer Ehe möglich wäre.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird erworben

1.
durch Geburt (§ 4),
2.
durch Erklärung (§ 5),
3.
durch Annahme als Kind (§ 6),
4.
durch Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 oder 2 des Bundesvertriebenengesetzes7),
5.
durch Einbürgerung (§§ 8 bis 16, 40b und 40c).

(2) Die Staatsangehörigkeit erwirbt auch, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Als deutscher Staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem bei Behandlung als Staatsangehöriger der Erwerb der Staatsangehörigkeit angenommen wurde. Er erstreckt sich auf Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von dem nach Satz 1 Begünstigten ableiten.

(1) Eine rechtswidrige Einbürgerung oder eine rechtswidrige Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit kann nur zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist.

(2) Dieser Rücknahme steht in der Regel nicht entgegen, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird.

(3) Die Rücknahme darf nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der Einbürgerung oder Beibehaltungsgenehmigung erfolgen.

(4) Die Rücknahme erfolgt mit Wirkung für die Vergangenheit.

(5) Hat die Rücknahme Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gegenüber Dritten, so ist für jede betroffene Person eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist insbesondere eine Beteiligung des Dritten an der arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an den vorsätzlich unrichtigen oder unvollständigen Angaben gegen seine schutzwürdigen Belange, insbesondere auch unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.