Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 22. März 2017 - 2 K 1201/15

bei uns veröffentlicht am22.03.2017

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin erstrebt eine Neubescheidung über das Ergebnis ihrer Abiturprüfung nach Neuabnahme, hilfsweise Neubewertung der Präsentationsprüfung.

2

Die Klägerin belegte als Schülerin des Gymnasiums A. in der Studienstufe das bilinguale Profil „The Path to Freedom and Democracy”. In dem in englischer Sprache unterrichteten Fach Politik/Gesellschaft/Wirtschaft erzielte sie in den vier Semestern der Studienstufe 12, 14, 13 und 14 Punkte. Die am 3. Juni 2014 ausgegebene Aufgabenstellung für die in diesem Fach am 17. Juni 2014 abzulegende Präsentationsprüfung lautete:

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„Topic: The social change of Germany during the Industrial Revolution

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‚Describe Germany’s social and economic changes between 1830 and 1890 regarding the Industrialisation of the country. Analyse and evaluate the state’s reaction to it and its effectiveness.’

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Regelungen zur Durchführung der Präsentationsprüfung

6

Für die Durchführung der Prüfung und Bewertung der Prüfungsleistung gelten die Regelungen der ‚Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife‘ (APO-AH) vom 25. März 2008, zuletzt geändert am 19. Juli 2012, und die ‚Richtlinie für die Aufgabenstellung und Bewertung der Leistungen in der Abiturprüfung‘ in der jeweils aktuellen Fassung. […] Mit der Aushändigung der Aufgabenstellung gilt ein Beratungsverbot für alle Lehrerinnen und Lehrer der Schule. […]“

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Die Klägerin gab am 10. Juni 2014 eine zu den Prüfungsakten genommene schriftliche Dokumentation ab. Aus dieser geht die von der Klägerin formulierte „Leitfrage“ hervor:

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„To what extent were the economic changes around 1850 resulting in an economic take-off necessary to set the social change in motion?“

9

Am 17. Juni 2014 betrat die Klägerin einige Minuten nach 9.00 Uhr den Prüfungsraum. Mit den im Prüfungsraum anwesenden Prüfern, der Prüfungsausschussvorsitzenden B., dem Referenten C. und dem Korreferenten Dr. D. entwickelte sich ein Gespräch, dessen Einzelheiten streitig sind. In der Niederschrift der mündlichen Prüfung ist für 9.19 Uhr vermerkt, dass der Prüfling bestätige, gesund und in der Lage zu sein, die Prüfung anzutreten. Die Niederschrift enthält für die Zeit von 9.20 Uhr bis 9.35 Uhr Notizen über die erbrachte Präsentation und für die Zeit von 9.36 Uhr bis 9.51 Uhr Notizen über das geführte Fachgespräch. In der Niederschrift heißt es ferner:

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„Abschlussbegründung und Notengebung

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Insgesamt wird die Prüfung mit 9 Punkten bewertet, da einerseits Teile der Fragestellung außer Acht gelassen werden. Der Prüfling machte den Fehler, eine eigene Fragestellung zu wählen, die Teile der Aufgabenstellung außer Acht ließ. Im Prüfungsgespräch zeigte sich, dass dieser Teil der Aufgabenstellung auch nicht hinreichend durchdrungen wurde. Auch gestaltete sich die Bearbeitung des Themas eher deskriptiv als analytisch. Andererseits wies der Prüfling den gesamten Ablauf eine hohe Kommunikationskompetenz nach; der Vortrag wurde frei und sehr sicher gehalten, Sprache völlig adäquat und sinnstiftend eingesetzt und auch den Einhilfen durch den Prüfer und weiteren Mitgliedern der Kommission begegnete der Prüfling mit Ruhe und Gelassenheit und Humor.“

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Die in der Niederschrift eingetragene Bewertung mit 9 Punkten (oberer Bereich der Note „befriedigend“) wurde der Klägerin im Anschluss an die Prüfung eröffnet.

13

Der von ihr bevollmächtigte Vater der Klägerin teilte der Schulleiterin noch am Prüfungstag durch E-Mail mit,

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„dass wir uns gezwungen sehen, die Note (9 Punkte), die meine Tochter [Name der Klägerin] heute Morgen für die oben aufgeführte Prüfung erhalten hat, gerichtlich überprüfen zu lassen. […] Die Note passt in keiner Weise zu den bisher von meiner Tochter erzielten Leistungen […]. Allein die einleitende Frage von Herrn Dr. D., ob [Name der Klägerin] Schwester F., die 2011 an Ihrem Gymnasium das Abitur erfolgreich abgelegt hat, immer noch so schlank sei wie damals, hat [Name der Klägerin] komplett aus dem Konzept gebracht […]“.

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Mit E-Mail vom 18. Juni 2014 bot die Schulleiterin ein persönliches Gespräch an. Unter ihrem Vorsitz fand am 7. Juli 2014 ein Gespräch statt, an dem die Klägerin, ihr Vater, ihr jetziger Prozessbevollmächtigter, die Vorsitzende des Prüfungsausschusses sowie der Oberstufenkoordinator teilnahmen.

16

Dem zuvor unter dem 3. Juli 2014 erteilten Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife, das eine Durchschnittsnote von 1,6 und eine Bewertung der mündlichen Prüfung mit 9 Punkten ausweist, widersprach die Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 11. Juli 2014. In diesem wurde für das „freundliche und sachliche Gespräch“ vom 7. Juli 2014 gedankt, die Bewertung der mündlichen Prüfung als formell und materiell fehlerhaft beanstandet und insbesondere vorgebracht:

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„Zuletzt war der Prüfer D. offensichtlich voreingenommen und hat die Widerspruchsführerin mit einer anzüglichen Bezugnahme auf ihre Schwester stark irritiert, so dass sich die Widerspruchsführerin die gesamte Prüfung über unwohl fühlte, weil ihre Schwester nach ihrem Empfinden von einem älteren Prüfer zum weiblichen Begierdeobjekt degradiert worden war. Zunächst fragte der Prüfer D., wie es der Schwester der Widerspruchsführerin ginge. Diese antwortete, dass ihre Schwester gerade ihr Physikum absolvieren würde. Dann fragte er, ob die Schwester der Widerspruchsführerin noch immer so schlank sei.“

18

Die Prüfer nahmen am 29. August 2014 auf die erhobenen inhaltlichen Einwendungen hin Stellung und führten aus:

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„Dies in Betracht ziehend wurde die Prüfung mit 9 Punkten, also befriedigend und an einigen Stellen besser, bewertet. Für eine gute Leistung zwischen 10 und 12 Punkten, also eine Leistung, die den Anforderungen voll und ganz entspricht, gab es keinen Spielraum, und oben genannte Mängel würden auch teilweise eine Bewertung im ausreichenden Bereich ermöglichen. Das sprachliche und sichere Auftreten von Frau [Name der Klägerin] jedoch war der Prüfungskommission überzeugend genug, um bei der Bewertung wieder in den befriedigenden Bereich zu gelangen.“

20

Diese Stellungnahme teilte die Schulleiterin am 1. September 2014 der Behörde für Schule und Berufsbildung als Ergebnis der Abhilfeprüfung mit. Innerhalb dieser Behörde nahm der Fachreferent für Politik/Gesellschaft/Wirtschaft gegenüber der Rechtsabteilung am 6. Oktober 2014 Stellung. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid der Behörde für Schule und Berufsbildung vom 3. Februar 2015 den Widerspruch als zulässig, aber unbegründet zurück.

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Die Klägerin hat am 3. Februar 2015 Klage erhoben und zu Rügen gegen das Prüfungsverfahren und inhaltlichen Rügen gegen die Prüfungsbewertung schriftsätzlich sowie im Termin zur mündlichen Verhandlung ausgeführt. Sie beantragt,

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1. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 3. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2015 zu verpflichten, sie nach Neuabnahme der mündlichen Prüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,

23

2. hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 3. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2015 zu verpflichten, sie nach Neubewertung der mündlichen Prüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

24

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Klägerin in Person angehört sowie Beweis erhoben durch Einvernahme der drei Prüfer und der Mutter der Klägerin, E., als Zeugen. Demgegenüber hat das Gericht einen Beweisantrag der Klägerin auf Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens abgelehnt. Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind der Prüfungsvorgang und der Widerspruchsvorgang. Darauf sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte wird wegen der Einzelheiten, insbesondere des Ergebnisses der Beweisaufnahme, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

27

Die Klage hat im Hauptantrag keinen Erfolg, weshalb über den Hilfsantrag zu entscheiden ist, in dem sie aber ebenso ohne Erfolg bleibt. Die Klage ist in beiden Anträgen jeweils aus den gleichen Erwägungen zulässig (hierzu unter 1.) und nicht begründet (hierzu unter 2.).

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1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO im Unterfall der Versagungsgegenklage und Bescheidungsklage nach § 113 Abs. 5 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere kann der Klägerin das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden. Für jedes Gesuch um gerichtlichen Rechtsschutz ist ein berechtigtes Interesse zur Erreichung des begehrten Rechtsschutzes erforderlich (BVerwG, Urt. v. 17.1.1989, 9 C 44/87, BVerwGE 81, 164, juris Rn. 9; Ehlers, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 31. EL Juni 2016, Vorb. § 40 Rn. 74). Bei der Verpflichtungsklage ist grundsätzlich von einem Rechtsschutzbedürfnis auszugehen und dieses nur bei Vorliegen besonderer Umstände zu verneinen (Ehlers, a.a.O., Rn. 80). Immer dann, wenn die Rechtsordnung ein materielles Recht gewährt, erkennt sie in aller Regel auch das Interesse dessen, der sich als Inhaber dieses Rechts sieht, am Schutze dieses Rechts an (BVerwG, Urt. v. 17.1.1989, a.a.O.). Das Rechtsschutzinteresse für eine Verpflichtungsklage kann mit der Begründung, der erstrebte Verwaltungsakt bringe dem Kläger keinen Nutzen, nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die sich das erkennende Gericht zu eigen macht, nur verneint werden, wenn die Nutzlosigkeit tatsächlich oder rechtlich außer Zweifel steht (BVerwG, Urt. v. 29.4.2004, 3 C 25/03, BVerwGE 121, 1, juris Rn. 19). Ausgehend davon überträgt das erkennende Gericht die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid, nach welchen der Widerspruch zulässig ist, da die Klägerin bei der Bewertung der in Rede stehenden Prüfungsleistung mit 11 Punkten eine um eine Nachkommastelle bessere Abitur-Durchschnittsnote erhalten hätte, auf die Zulässigkeit der Klage. Ausgehend von der benannten Rechtsprechung folgt das erkennende Gericht nicht der älteren Rechtsprechung, nach der bei einem Begehren auf geringfügige Verbesserung einer Examensnote (BVerwG, Beschl. v. 3.12.1979, 7 B 196/79, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr 123, juris Rn. 5 f.) oder Abiturnote (OVG Hamburg, Urt. v. 20.5.1996, Bf III 79/95, juris Rn. 28 ff.) konkret dargelegt werden muss, wozu die bessere Note gebraucht werde. Vielmehr genügt es, dass wegen der Jugend der Klägerin nicht ausgeschlossen werden kann, dass der im Abiturzeugnis als Ausweis ihrer allgemeinen Leistungsfähigkeit angegebenen Durchschnittsnote in ihrem zukünftigen beruflichen Werdegang noch Bedeutung zukommen wird.

29

2. Die Klage ist nicht begründet. Ein Erfolg der das Ergebnis einer Prüfung betreffenden Bescheidungsklage setzt nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO voraus, dass die durch das Prüfungszeugnis ausgesprochene Versagung eines besseren Prüfungsergebnisses rechtswidrig ist und der Prüfling in seinen Rechten verletzt ist. Denn nur in diesem Fall besteht ein Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, sei es nach Neuabnahme oder aber nach Neubewertung der Prüfung. Das Zeugnis vom 3. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2015 als Verwaltungsakt des beklagten Schulträgers ist auch insofern rechtmäßig, als es darauf beruht, dass der mit drei Lehrkräften des Gymnasiums A. besetzte Prüfungsausschuss die von der Klägerin am 17. Juni 2014 in der Präsentationsprüfung im Fach Politik/Gesellschaft/Wirtschaft erbrachte Leistung mit 9 Punkten bewertet hat. Im Einzelnen:

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Das der Klägerin erteilte Abiturzeugnis beruht auf einer Rechtsgrundlage (hierzu unter a.), nach der die Bewertung der vom Prüfling in der Präsentationsprüfung gezeigten Leistung in die Durchschnittsnote des Abiturs einfließt (hierzu unter b.). Ausgehend von dem anzulegenden Maßstab der gerichtlichen Kontrolle (hierzu unter c.) stehen der Einberechnung der von der Klägerin am 17. Juni 2014 in der Präsentationsprüfung gezeigten Leistung nach der vom Prüfungsausschuss vorgenommenen Bewertung weder formelle noch materielle Bedenken entgegen.

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In formeller Hinsicht ist die Zuständigkeit der Prüfer gewahrt (hierzu unter d.). Eine Verfahrensrüge wegen einer mangelnden Rücksprachemöglichkeit mit den Lehrkräften bleibt ohne Erfolg (hierzu unter e.). Die der Klägerin vor Eintritt in die Präsentationsprüfung gewährte Aufbauzeit war weder gemessen an bestimmten normativen Vorgaben absolut zu kurz (hierzu unter f.) noch gegenüber anderen Prüflingen relativ zu kurz (hierzu unter g.). Eine vom Korreferenten während der Aufbauzeit getätigte Äußerung begründet keinen Verstoß gegen die in der nachfolgenden Prüfung geltenden Gebote der Fairness und Sachlichkeit (hierzu unter h.). Die Klägerin kann nicht mit Erfolg eine eigene Prüfungsunfähigkeit (hierzu unter i.) oder eine Besorgnis der Befangenheit der Prüfer geltend machen (hierzu unter j.). Die Bewertung genügt dem formellen Begründungserfordernis (hierzu unter k.).

32

In materieller Hinsicht ist die Prüferkritik, der Schwerpunkt der am 3. Juni 2014 ausgegebenen Aufgabe liege entgegen der von der Klägerin gestellten „Leitfrage“ bei der Rolle des Staates, nicht zu beanstanden (hierzu unter l.). Die Klägerin zeigt mit ihren Einwendungen keinen Fehler im Hinblick auf die Prüferkritik zur mangelnden Abdeckung der Anforderungsbereiche I und II (hierzu unter m.) sowie des Anforderungsbereichs III (hierzu unter n.) auf. Die Prüferkritik stützt sich nicht auf Rechtschreibfehler (hierzu unter o.). Die Prüferkritik an einer unterlassenen Antwort im Fachgespräch (hierzu unter p.) und an der Wahl der Medien in der Präsentation (hierzu unter q.) hält den erhobenen Einwendungen Stand. Die Bewertung der mündlichen Prüfung gründet nicht auf sachfremden Erwägungen hinsichtlich der Abitur-Durchschnittsnote (hierzu unter r.), sie leidet nicht an einem Beurteilungsausfall (hierzu unter s.) und entspricht allgemeingültigen Bewertungsmaßstäben (hierzu unter t.).

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a. Anwendung findet die Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife (v. 25.3.2008, HmbGVBl. S. 137 m. spät. Änd. – APO-AH). Gemäß § 18 Abs. 2 APO-AH erhält ein Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife nach Feststellung durch die Zeugniskonferenz, wer in der Studienstufe einschließlich der Abiturprüfung die für den Erwerb der Hochschulreife erforderliche Gesamtqualifikation nach § 32 Abs. 1 Satz 1 APO-AH erreicht hat. Dieses Zeugnis weist nach § 18 Abs. 2 Satz 1 APO-AH insbesondere die Punktzahlen für die einzelnen Prüfungsleistungen sowie die nach § 32 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 i.V.m. Anlage 3 APO-AH gebildete Durchschnittsnote aus.

34

Die Verordnung ist rechtswirksam. In der obergerichtlichen Rechtsprechung (OVG Hamburg, Beschl. v. 12.1.2016, 1 Bs 194/15; Beschl. v. 2.6.2015, 1 Bf 137/14.Z; Beschl. v. 11.8.2014, 1 Bs 152/14) sind diesbezüglich zu Recht keine Bedenken erhoben worden. Die Verordnung beruht entgegen der Annahme der Klägerin (Klagerweiterungsschrift, S. 4) auf einer gesetzliche Ermächtigung, insbesondere der in der Verordnung auch zitierten Gesetzesvorschrift § 46 Abs. 2 des Hamburgischen Schulgesetzes (v. 16.4.1997, HmbGVBl. S. 97 m. spät. Änd. – HmbSG). Nach dieser Vorschrift ist der Senat ermächtigt, Ausbildung, Prüfungen und Abschlussverfahren durch Rechtsverordnung zu regeln, insbesondere Bildung und Zusammensetzung der Prüfungsausschüsse, Zweck, Dauer und Verlauf der Prüfung, Prüfungsgebiete, Art und Umfang der Prüfungsleistungen, Bewertungsmaßstäbe und Voraussetzungen für das Bestehen der Prüfung, Bewertung des Prüfungsergebnisses. In Übereinstimmung mit Art. 53 Abs. 1 Satz 2 HmbVerf sind Inhalt (hier: Regelungen über Prüfungen), Zweck (hier: Konkretisierung der Hochschulreifeprüfung nach § 17 Abs. 4 HmbSG) und Ausmaß der Ermächtigung (hier: Regelungen in Anlehnung an den Katalog des § 46 Abs. 2 HmbSG) im Gesetz bestimmt. Die Ermächtigung zum Erlass der Rechtsverordnung war aufgrund § 116 HmbSG durch die Verordnung zur Weiterübertragung von Verordnungsermächtigungen im Bereich des Schulrechts (v. 30.5.2006, HmbGVBl. S. 274) auf die Behörde für Schule und Berufsbildung übertragen.

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Entgegen der Annahme der Klägerin finden das gesetzliche Erfordernis des § 60 Abs. 2 Nr. 4 des Hamburgischen Hochschulgesetzes (v. 18.7.2001, HmbGVBl. S. 171 m. spät. Änd. – HmbHG), Regelungen über Art und Dauer von Prüfungen in Prüfungsordnungen zu treffen, sowie die diesbezügliche Rechtsprechung der Kammer (VG Hamburg, Urt. v. 5.11.2015, 2 K 950/14, juris Rn. 37) keine Anwendung, da keine Hochschulprüfung in Rede steht. Unabhängig davon liegt für die Abiturprüfung eben in der benannten Rechtsverordnung eine Prüfungsordnung durch Rechtsnorm vor.

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b. In die im Abiturzeugnis auszuweisende Durchschnittsnote fließt insbesondere die Bewertung der Leistung ein, die der Prüfling in der Präsentationsprüfung gezeigt hat. Zur Abiturprüfung gehört gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 APO-AH eine mündliche Prüfung im vierten Prüfungsfach. Anders als bei einer schriftlichen Prüfungsleistung ist die Leistung in der Präsentationsprüfung als einem Unterfall der mündlichen Prüfung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 APO-AH weder in den Prüfungsakten festgehalten noch lässt sich die vom Prüfling gezeigte Leistung auf anderem Wege unmittelbar reproduzieren oder rekonstruieren. Der Prüfling erhält gemäß § 26 Abs. 3 Satz 5 APO-AH zwei Wochen vor dem Prüfungstermin eine Aufgabenstellung. Er hat gemäß § 26 Abs. 3 Satz 5 APO-AH eine Woche vor dem Prüfungstermin eine schriftliche Dokumentation über den geplanten Ablauf sowie alle Inhalte der Präsentation abzugeben. Die im Prüfungstermin zu erbringende Leistung besteht gemäß § 26 Abs. 3 Satz 2 APO-AH aus einem 15 Minuten langen mediengestützten Vortrag (Präsentation), dem ein ebenfalls 15 Minuten langes Fachgespräch mit dem Prüfungsausschuss folgt. Die Leistung des Prüflings wird gemäß §§ 26 Abs. 5, 23 Abs. 3 Satz 3 APO-AH vom Prüfungsausschuss bewertet, der nach § 23 Abs. 1, Abs. 2 APO-AH aus einem Vorsitzenden, einem Referenten und einem Korreferenten besteht und gemäß § 26 Abs. 4 APO-AH die Prüfung durchführt.

37

c. Die Bewertung schulischer Leistungen ist eine originär pädagogische Aufgabe (BVerwG, Beschl. v. 6.3.1998, 6 B 9/98, NVwZ 1998, 859, juris Rn. 6). Den Prüfern in der den Zugang zu Berufsausbildungen eröffnenden Abiturprüfung kommt ein Beurteilungsspielraum wie in einer berufsbezogenen Prüfung zu (OVG Hamburg, Urt. v. 20.5.1996, Bf III 79/95, juris Rn. 34, 37; VGH München, Beschl. v. 5.12.2013, 7 ZB 13.1306, juris Rn. 13). Das Gebot der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG erfordert eine Bewertung der Leistungen aller Prüflinge nach den Maßstäben der Prüfer. Das Gericht kann sich nicht an die Stelle der Prüfer setzen. Das Gericht kann nur überprüfen, ob das Verfahren eingehalten wurde, anzuwendendes Recht verkannt wurde, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzt wurden oder sachfremde Erwägungen ausschlaggebend waren (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 56). Es obliegt dem Prüfling, konkrete und substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung zu benennen (BVerwG, Beschl. v. 23.12.1993, 6 B 19/93, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 326, juris Rn. 8; Urt. v. 4.5.1999, 6 C 13/98, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 395, juris Rn. 35; OVG Hamburg, Beschl. v. 17.7.2008, 3 Bf 351/07.Z, NVwZ-RR 2008, 851, juris Rn. 23). Dem entspricht es, dass die Prüfer die Bewertung insbesondere einer schriftlichen Aufsichtsarbeit schriftlich begründen müssen; diese Begründung muss ihrem Inhalt nach so beschaffen sein, dass das Recht des Prüflings, Einwände gegen die Abschlussnote wirksam vorzubringen, ebenso gewährleistet ist wie das Recht auf gerichtliche Kontrolle des Prüfungsverfahrens unter Beachtung des Beurteilungsspielraums der Prüfer; daher müssen die maßgeblichen Gründe, die den Prüfer zu der abschließenden Bewertung veranlasst haben, zwar nicht in den Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein (BVerwG, Urt. v. 9.12.1992, 6 C 3/92, BVerwGE 91, 262, juris Rn. 27 f.). Bei mündlichen Prüfungen gilt der Begründungsanspruch demgegenüber nicht voraussetzungslos (BVerwG, Urt. v. 6.9.1995, 6 C 18/93, BVerwGE 99, 185, juris Rn. 22). Der prüfungsrechtliche Bewertungsspielraum ist auf prüfungsspezifische Wertungen beschränkt, erstreckt sich also nicht auf alle fachlichen Fragen, die den Gegenstand der Prüfung bilden (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 49). Unter fachlichen Fragen fallen sowohl Fragen, die fachwissenschaftlich geklärt sind, als auch solche, die in der Fachwissenschaft kontrovers behandelt werden (BVerwG, Urt. v. 17.12.1997, 6 B 55/97, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 385). Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar sind, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden; eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 57).

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d. Die Bewertung der von der Klägerin am 17. Juni 2014 in der Präsentationsprüfung im Fach Politik/Gesellschaft/Wirtschaft gezeigten Leistung hat der dafür gemäß §§ 26 Abs. 5, 23 Abs. 3 Satz 3 APO-AH zuständige Prüfungsausschuss vorgenommen. Der Prüfungsausschuss hat die Leistung am Tag der Prüfung mit 9 Punkten bewertet und an seiner Bewertung in seiner Stellungnahme vom 29. August 2014 festgehalten. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist die prüferische Entscheidung in der Fassung, wie sie von den Prüfern im Rahmen ihrer Überdenkungsentscheidung getroffen worden ist (OVG Münster, Urt. v. 12.6.2013, 14 A 1600/11, NWVBl 2014, 68, juris Rn. 40; Urt. v. 23.12.2014, 2 K 1285/11, juris Rn. 44; vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.3.2001, 6 B 6/01, NVwZ 2001, 922, juris Rn. 4). Im Überdenkungsverfahren können entgegen der Annahme der Klägerin (Klageschrift, S. 27) neue Einwände erhoben werden, die in sachlichem Zusammenhang mit der Aufgabe des Prüfers stehen, die Prüfungsleistung anhand des dem Prüfer eigenen Bewertungssystems fachlich richtig und gerecht zu bewerten (BVerwG, Urt. v. 14.7.1999, 6 C 20/98, BVerwGE 109, 211, juris Rn. 24).

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Unschädlich ist entgegen der Annahme der Klägerin (Klagerweiterungsschrift, S. 6) die dem Überdenkungsverfahren nachfolgende Stellungnahme des Fachreferenten für Politik/Gesellschaft/Wirtschaft der Behörde für Schule und Berufsbildung vom 6. Oktober 2014 gegenüber deren Rechtsabteilung. Diese behördeninterne Stellungnahme ist ebenso wenig selbst Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle, wie die im Widerspruchsbescheid zum Ausdruck kommende Auffassung der Rechtsabteilung. Es ist nicht zu beanstanden, dass die mit Juristen besetzte Rechtsabteilung der Behörde für Schule und Berufsbildung sich in einem prüfungsrechtlichen Widerspruchsverfahren den behördenintern vorgehaltenen fachlich-didaktischen Sachverstand zunutze zu machen sucht, um auf diesem Wege etwaig auftretende fachliche Fragen zu klären und eine Plausibilitätskontrolle durchzuführen. Der auf diesem Wege in Anspruch genommene Fachreferent wird dadurch aber nicht als Prüfer tätig, seine Stellungnahme keine Bewertung eines Prüfers. Die allein von dem am Gymnasium A. eingerichteten Prüfungsausschuss vorgenommene Bewertung der Prüfungsleistung der Klägerin in ihrer ursprünglichen Gestalt vom 17. Juni 2014 sowie in der Gestalt vom 29. August 2014 ist schon aus zeitlichen Gründen unbeeinflusst von der widerspruchsbehördeninternen Stellungnahme vom 6. Oktober 2014 entstanden. Diese ist erst abgegeben worden, nachdem die Schulleiterin dem Widerspruch am 1. September 2014 nicht abgeholfen und ihn an die Behörde für Schule und Berufsbildung als Widerspruchsbehörde abgegeben hatte.

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e. Die Klägerin (Klageschrift, S. 7) hat ohne Erfolg die Verfahrensrüge erhoben, sie habe vor der Prüfung nicht mit den Lehrkräften Rücksprache halten können. Nach der Aushändigung der Aufgabenstellung durfte die Klägerin, wie jeder andere Prüfling, keine Beratung mehr bei den Lehrkräften suchen, da dies eine unzulässige Hilfestellung bei der vom Prüfling vorzubereitenden Präsentation dargestellt hätte. Vor der Aushändigung der Aufgabenstellung durfte die Klägerin, wie jeder andere Prüfling, eine Beratung des Fachlehrers in Anspruch nehmen. Sofern sie dies nicht getan hat, geht dies zu ihren Lasten, da sie die Prüfung angetreten hat, ohne eine etwaig fehlende Rücksprachemöglichkeit zu rügen. Im Einzelnen:

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Dem Prüfling obliegt es, einen Verfahrensfehler frühzeitig zu rügen. Das erkennende Gericht macht sich die Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 27.4.1999, 2 C 30/98, juris Rn. 26; OVG Bautzen, Urt. v. 25.10.2016, 2 A 308/15, juris Rn. 15; VGH München, Beschl. v 20.8.2012, 7 ZB 12.554, juris, Rn. 10 jeweils m.w.N.) zu eigen, nach welcher ein Prüfling Mängel des Prüfungsverfahrens grundsätzlich – auch wenn dies nicht normativ bestimmt ist – unverzüglich rügen muss. Insoweit obliegt ihm eine Mitwirkungspflicht. Zum einen soll verhindert werden, dass der betroffene Prüfling, indem er in Kenntnis des Verfahrensmangels zunächst die Prüfung fortsetzt und das Prüfungsergebnis abwartet, sich mit einer späteren Rüge eine zusätzliche Prüfungschance verschafft, die ihm im Verhältnis zu den anderen Prüflingen nicht zusteht und ihnen gegenüber das Gebot der Chancengleichheit verletzen würde. Zum anderen soll der Prüfungsbehörde eine eigene zeitnahe Überprüfung mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Aufklärung und gegebenenfalls noch rechtzeitigen Behebung oder zumindest Kompensation eines festgestellten Mangels ermöglicht werden, um auch hierdurch die Chancengleichheit mit den anderen Prüflingen zu wahren.

42

Der Obliegenheit einer unverzüglichen Rüge hat die Klägerin insoweit nicht genügt. Vielmehr hat sie die mündliche Prüfung am 17. Juni 2014 angetreten und die darin für sie liegende Prüfungschance wahrgenommen. Ihr war es ohne weiteres zumutbar, einen etwaig vor Ausgabe der Aufgabenstellung aufgetretenen Verfahrensfehler binnen zwei Wochen vor Eintritt in den Prüfungstermin zu rügen.

43

f. Die der Klägerin vor Eintritt in die Prüfung eingeräumte Aufbauzeit war nicht gemessen an bestimmten normativen Vorgaben absolut zu kurz. Entgegen ihrer Annahme (Klageschrift, S. 6) war ihr nicht im Prüfungsraum vor Beginn der Präsentationsprüfung eine ungestörte Zeit von 30 Minuten zur „Vorbereitung“ zu gewähren.

44

Begrifflich muss zwischen der „Vorbereitungszeit“ i.S.d. § 26 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 5, Satz 8, § 27 Satz 2 APO-AH und der in der Verordnung nicht näher geregelten „Aufbauzeit“ unterschieden werden. Im Anwendungsbereich des § 26 Abs. 2 Satz 3 APO-AH soll den Prüflingen etwa 30 Minuten „Zeit zur Vorbereitung“ gegeben werden. Dabei bezeichnet diese Vorbereitungszeit, wie aus dem systematischen Zusammenhang hervorgeht, die dem Prüfling insgesamt zur Verfügung stehende Zeitspanne zwischen dem Erhalt der schriftlichen Aufgabenstellung durch die Schule gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 APO-AH und der Erbringung seiner mündlichen Prüfungsleistung. Dem Prüfling steht es im Anwendungsbereich des § 26 Abs. 2 Satz 3 APO-AH frei, den letzten Teil der ihm zur Vorbereitung zur Verfügung stehenden Zeit als „Aufbauzeit“ zu nutzen, d.h. Notizen und Gedanken zu ordnen und sich auch gemütsmäßig in die Lage zu versetzen, alsbald die Prüfungsleistung zu erbringen. Diese Aufbauzeit ist normativ nicht gesondert geregelt, sondern Teil der Vorbereitungszeit.

45

Der Struktur nach gilt dann nichts anderes, wenn die mündliche Prüfung nicht in ihrer klassischen Gestalt, sondern als Präsentationsprüfung, sei es mit oder ohne sport- oder spielpraktische oder musikalisch-improvisatorische Anteile, abgenommen wird. Lediglich ist im Fall der Präsentationsprüfung die Vorbereitungszeit, d.h. die Zeitspanne zwischen dem Erhalt der Aufgabenstellung und dem Prüfungstermin, gemäß der Ausnahme des § 26 Abs. 3 Satz 5 APO-AH vom Grundsatz des § 26 Abs. 2 Satz 3 APO-AH statt auf 30 Minuten regelmäßig auf zwei Wochen bemessen. Im Unterfall einer Präsentationsprüfung mit sport- oder spielpraktischem oder musikalisch-improvisatorischem Anteil kann den Prüflingen gemäß der Ausnahme des § 26 Abs. 3 Satz 8 APO-AH von der Ausnahme des § 26 Abs. 3 Satz 5 APO-AH statt zwei Wochen nur bis zu 60 Minuten Zeit zur Vorbereitung gegeben werden. Die Aufbauzeit ist damit auch im Fall der Präsentationsprüfung in der Vorbereitungszeit eingeschlossen und nicht gesondert zu gewähren.

46

g. Die der Klägerin innerhalb der Vorbereitungszeit gewährte Aufbauzeit war auch nicht im Vergleich zu den Prüfungsbedingungen anderer Prüflinge relativ zu kurz. Entgegen der Annahme der Klägerin (Klagerweiterungsschrift, S. 6) folgt ein aus einem Gleichheitsverstoß herzuleitender Verfahrensfehler weder daraus, dass – wie sie vorgetragen hat – Schülerinnen und Schüler des Carl-von-Ossietzky-Gymnasiums etwaig 30 Minuten vor der Prüfung in den dortigen Prüfungsraum gelassen worden sind, noch daraus, dass anderen Schülerinnen und Schüler ihres eigenen Gymnasiums etwaig eine (noch) längere Aufbauzeit zur Verfügung gestanden haben als ihr selbst, die sich bereits kurz nach 9.00 Uhr im Prüfungsraum eingefunden und erst um 9.20 Uhr die Prüfung angetreten hat.

47

Insoweit ist bereits keine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung aufgezeigt. Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verlangt seiner Struktur nach keine Identität in allen Punkten, sondern eine Gleichbehandlung in wesentlichen Punkten. Es besteht kein Anspruch auf völlig gleiche und damit identische Prüfungsbedingungen, sondern nur auf Prüfungsbedingungen, die im Wesentlichen gleich sind oder jedenfalls nicht ohne sachlichen Grund wesentlich ungleich sind. Ein Gebot völlig gleicher Prüfungsbedingungen kann es nicht geben, denn es würde verlangen, dass alle Prüflinge zur identischen Zeit, am identischen Ort von identischen Prüfern geprüft werden. Ein Gebot gleichartiger Prüfungsbedingungen gilt auch nicht unbeschränkt, sondern nur eine Ungleichbehandlung in wesentlichen Punkten muss sich rechtfertigen lassen. Eine Ungleichheit in unwesentlichen Punkten, wie z.B. der Lage des Prüfungsraums im Keller oder im Obergeschoss, der Farbe der Tür des Prüfungsraums, der Uhrzeit der mündlichen Prüfung, der Rechts- oder Linkshändigkeit der Prüfer oder ihres Geschlechts, ihrer politischen Auffassung oder ihrer Herkunft, sind für unwesentlich zu erachten. Zu den unwesentlichen Punkten gehört im Allgemeinen auch die Länge der gewährten Aufbauzeit. Die Aufbauzeit ist nicht bereits durch eine normative Festlegung zu einem wesentlichen Element des Prüfungsverfahrens erhoben. Vielmehr handelt es sich bei Aufbauzeit um einen selbst normativ nicht festgelegten Teil der normativ festgelegten Vorbereitungszeit (s.o. f.). Die beschränkte Bedeutung der Aufbauzeit folgt auch daraus, dass der vor Eintritt in die Prüfung vorgenommene Aufbau von Medien keinesfalls die eigentliche Präsentation als Prüfungsleistung gemäß § 26 Abs. 3 Satz 2 APO-AH ganz oder teilweise vorwegnehmen darf. Soweit die Klägerin beanstandet hat (Klageschrift, S. 4), sie habe vor Eintritt in die Prüfung den ausführlichen Tafelanschrieb einer Zeitleiste nicht fertigstellen können mit der Folge, dass sie nur eine Druckversion an die Prüfer habe ausgeben können, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass die Entwicklung eines Tafelbildes als eines nach ihrer Wahl zur Unterstützung ihres Vortrags eingesetzten nicht-elektronischen Mediums grundsätzlich zur eigentlichen Präsentation und damit zu der in der Prüfungszeit zu erbringenden Prüfungsleistung selbst gehört. Eine wesentliche und deshalb nach Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung läge nur dann vor, wenn die der Klägerin zur Verfügung stehende Aufbauzeit so kurz bemessen gewesen wäre, dass sie ihrem beschränkten Zweck, d.h. Medien und Gedanken zu ordnen und sich auch gemütsmäßig in die Lage zu versetzen, alsbald mit der Prüfungsleistung zu beginnen, nicht mehr genügt hätte. Ein solcher Fall erscheint aber ausgeschlossen, da der Klägerin eine Aufbauzeit von mehr als 10 Minuten gewährt worden ist.

48

h. Eine vom Korreferenten während der Aufbauzeit getätigte Äußerung begründet keinen Verstoß gegen die in der nachfolgenden Prüfung geltenden Gebote der Fairness und Sachlichkeit.

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Der anzulegende Maßstab ergibt sich daraus, dass die dem Prüfer obliegenden Grundpflichten zu Fairness und Sachlichkeit gebieten, Verhaltensweisen, insbesondere Äußerungen, zu vermeiden, die geeignet sind, leistungsverfälschende Verunsicherungen des Prüflings auszulösen (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 328). Der Prüfling soll nicht durch ein unangemessenes Verhalten des Prüfers einer psychischen Belastung ausgesetzt werden, die das Bild seiner Leistungsfähigkeit verfälscht und dadurch seine Chancen mindert; ob sich das Verhalten eines Prüfers so hätte auswirken können, ist anhand einer objektiven Betrachtung aus der Sicht eines verständigen Prüflings zu beurteilen (BVerwG, Urt. v. 11.11.1998, 6 C 8/97, BVerwGE 107, 363, juris Rn. 18 m.w.N.; Beschl. v. 28.10.2004, 6 B 51/04, juris Rn. 24). Danach kommt es darauf an, ob die Äußerungen des Prüfers als Kennzeichen unzureichender Distanz erscheinen oder als ein singulärer Ausrutscher (Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 329). So ist für eine scharfe Prüferkritik in der mündlichen Prüfung anerkannt, dass der Prüfling Äußerungen des Prüfers hinzunehmen hat, die zwar bei überlegter Betrachtung ungerechtfertigt, andererseits aber aus der Situation heraus, insbesondere im Hinblick auf Fehlleistungen des Prüflings, auch nicht ganz und gar unverständlich erscheinen (BVerwG, Urt. v. 28.4.1978, VII C 50/75, BVerwGE 55, 355, juris Rn. 17). Noch nicht gegen das Gebot der Fairness verstoßen, sofern es sich nicht etwa um den Prüfling persönlich herabwürdigende erhebliche und nachhaltige Entgleisungen handelt, ungeschickte Äußerungen jeder Art (VG Mainz, Beschl. v. 10.7.2006, 7 K 735/05.MZ, juris Rn. 7) oder beiläufige Äußerungen, „die nicht gerade von hohem Einfühlungsvermögen in die besondere psychische Situation des Prüflings zeugen“ (Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 330). Allein subjektive Empfindungen des Prüflings reichen nicht aus, vielmehr bedarf es präziser Feststellungen über das Verhalten der Prüfer, aus dem sich nachvollziehbar Schlussfolgerungen auf eine Verwirrung oder Verunsicherung der Prüflinge ziehen lassen (VGH Mannheim, Urt. v. 27.9.2012, 9 S 2143/11, juris Rn. 53).

50

Dieser Maßstab gilt unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls auch für ein im Vorfeld der Prüfung geführtes Gespräch. Nehmen die Prüfer kurz vor der Prüfung an einem Gespräch mit dem Prüfling über gerade nicht auf die Prüfung bezogene Themen teil, so ist dies im Grundsatz nicht zu beanstanden, jedenfalls dann, wenn auch der Prüfling das Gespräch veranlasst hat. Ein solches Gespräch kann einer zu hohen Anspannung in der alsbald anzutretenden Prüfung entgegenwirken und entspricht dem Zweck der Aufbauzeit, sich auch gemütsmäßig in die Lage zu versetzten, alsbald mit der Prüfungsleistung zu beginnen. Unabhängig davon kann das Schweigen gegenüber der im selben Raum anwesenden Person unhöflich wirken, so dass eine Teilnahme der Prüfer am Gespräch diesen Eindruck vermeidet. Als Gegenstand eines solchen „informellen Gesprächs“ oder „small talks“ ist eine Vielzahl von Themen geeignet, die nur hinreichend belanglos sind, d.h. keinen Bezug zur Prüfung aufweisen und in der Prüfung selbst deshalb unsachlich wären. Fragt eine Lehrkraft einen Prüfling, ob er mit einer dritten Person verwandt ist, die sie unterrichtet hat, so ist dies im Allgemeinen sozialadäquat und unbedenklich ebenso wie die Frage nach dem Werdegang der dritten Person. Die von einem Lehrer einer Schülerin gegenüber gemachte Äußerung, dass deren Schwester schlank sei, dürfte demgegenüber unabhängig vom Kontext der Äußerung nicht angemessen sein. In einem solchen Fall hängt vom Kontext der Äußerung allerdings ab, ob sie lediglich als singulärer Ausrutscher zu missbilligen ist oder eine unzureichende Distanz des Prüfers kennzeichnet.

51

In tatsächlicher Hinsicht steht dabei für das erkennende Gericht zu der gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Überzeugung fest: Als die Klägerin sich am Prüfungstag bereits im Prüfungsraum aufhielt, die Prüfung aber noch nicht begonnen hatte, entwickelte sich ein nicht unmittelbar die Prüfung betreffendes Gespräch zwischen der Klägerin und wahlweise den Mitgliedern des Prüfungsausschusses. Die Klägerin, die selbst Hockey als Leistungssport betreibt, sprach die Vorsitzende des Prüfungsausschusses darauf an, dass sie die Vorsitzende gesehen habe, als die Vorsitzende ihre Kinder zum Hockey gebracht habe. Es wurden weitere Hockey betreffende Fragen erörtert. Etwaig beteiligte sich auch der Referent an dem Gespräch mit der Klägerin. Entweder vor, nach oder aber zwischen den Gesprächsanteilen der anderen Mitglieder des Prüfungsausschusses fragte der Korreferent die ihm persönlich nicht bekannte Klägerin ausgehend von der ihm aufgefallenen Nachnamensgleichheit, ob sie eine Schwester habe. Dies bejahte die Klägerin. Gesprochen wurde darüber, dass die dem Korreferenten aus dem Unterricht bekannte Schwester sich im Medizinstudium befinde. Der Korreferent tätige eine weitere Äußerung, wobei das auf die Schwester bezogene Adjektiv „schlank“ in einem nicht näher aufklärbaren Zusammenhang begegnete. Den genauen Wortlaut der Äußerung und ihren genauen Kontext hat das Gericht auch nach Anhörung der Klägerin in Person und Einvernahme der Zeugen in der mündlichen Verhandlung nicht ermitteln können. Weitere Beweismittel stehen nicht zu Gebote. Im Einzelnen:

52

Die Klägerin hat in ihrer persönlichen Anhörung angegeben, das „informelle Gespräch“ habe der Auflockerung gedient. Es sei u.a. darum gegangen, dass die Tochter der Prüfungsausschussvorsitzenden dieselbe Sportart wie sie, die Klägerin, selbst ausübe. Der Korreferent habe gefragt, wie es ihrer Schwester gehe, die er aus ihrer Schulzeit gekannt habe. Ihre Schwester habe in Lübeck Medizin studiert. Er habe dann gefragt:

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„Ist sie immer noch so schön schlank wie früher?“

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Im Hinblick auf den Wortlaut der von der Klägerin wiedergegebenen Frage sind ihre Angaben nicht glaubhaft. Die Angaben in der persönlichen Anhörung gehen über den eigenen schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin hinaus. Noch in der Klageschrift hatte sie lediglich behauptet, dass in dem Zusammenhang das Wort „schlank“ gefallen sei, ohne jedoch einen dieses Wort enthaltenden Satz im Wortlaut wiederzugeben oder auch nur den Zusatz „schön“. Die Aussagen der als Zeugen vernommenen Prüfer B., Dr. D. und C. sind nicht zugunsten des nunmehr von der Klägerin angegebenen Wortlauts ergiebig. Soweit die in der Prüfung nicht anwesende und als Zeugin vernommene Mutter der Klägerin, E., bekundet hat, der Korreferent habe gefragt, ob die Schwester noch „so schön schlank“ sei, kann dies allenfalls auf Hörensagen beruhen und hat keinen eigenständigen, von den Angaben der Klägerin unabhängigen Beweiswert.

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Soweit die Klägerin in der mündlichen Anhörung angegeben hat, die Äußerung des Korreferenten sei unmittelbar bevor sie „auf Start gedrückt“ habe und es „losgegangen“ sei mit der (insoweit durch ein elektronisches Medium unterstützten) Präsentation, ist diese Angabe nicht glaubhaft. In den Aussagen der Zeugen hat sich ein solcher zeitlicher Ablauf nicht bestätigt. Die Angaben der Klägerin weisen nicht in einem Maße Wahrheitskennzeichen auf, dass ihnen ohne Hinzutreten weiterer Umstände zu folgen wäre. Die Angaben der Klägerin sind nicht tendenzfrei, sie zeigen, wie dargelegt, gegenüber dem schriftsätzlichen Vortrag sogar gesteigertes Vorbringen, was den Wortlaut der Äußerung des Korreferenten und die Verwendung des Wortes „schön“ betrifft. Gleichwohl damit nicht zu ermitteln ist, ob und in welchem Umfang das „informelle Gespräch“ noch nach der Äußerung des Korreferenten weitergeführt worden ist, steht aufgrund der Niederschrift der mündlichen Verhandlung als öffentlicher Urkunde nach § 415 ZPO fest, dass die Klägerin jedenfalls nicht unmittelbar nach dem informellen Gespräch die Präsentationssoftware gestartet hat, sondern um 9.19 Uhr zunächst bestätigt hat, gesund und in der Lage zu sein, die Prüfung anzutreten. Die Ableistung der in Übereinstimmung mit § 26 Abs. 3 Satz 2 APO-AH 15 Minuten dauernden Präsentation ist in der Niederschrift erst für die Zeitspanne von 9.20 Uhr bis 9.35 Uhr festgehalten, die Durchführung des ebenfalls 15 minütigen Fachgesprächs für die Zeitspanne von 9.36 Uhr bis 9.51 Uhr.

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Soweit die Zeugin E. bekundet hat, die Klägerin habe nach der mündlichen Prüfung eine sehr desolaten und extrem aufgewühlten Eindruck gemacht habe, mag dies zutreffen. Die Zeugin hat insoweit detailreich geschildert, dass die Klägerin sich wegen einer Äußerung des Korreferenten „angefasst“ gefühlt habe und sie so durchgeschwitzt gewesen sei, dass man ihr neue Kleidung habe kaufen müssen. Davon ausgehend muss angenommen werden, dass die Klägerin sich jedenfalls nach dem Ende der mündlichen Prüfung rückblickend auf diese in hohem Maß unfair behandelt gefühlt hat. Die Ursachen für diesen Gemütszustand lassen sich jedoch nicht sicher ermitteln. Auch nach der Aussage der Zeugin E., die insoweit tendenzfrei ist, lassen sich dafür verschiedene Ansatzpunkte finden: eine Äußerung „schlank“ des Korreferenten, der „Schock über die Note“ von 9 Punkten, die Äußerung der Prüfer, eine Durchschnittsnote von 1,6 sei eine für ein Jurastudium hinreichende Note oder dass man der Klägerin „keine Zeit“ (gemeint wohl: Aufbauzeit) gelassen habe. Gerade im Hinblick auf die zeitlichen Abläufe vor der mündlichen Prüfung, welche die Zeugin nur vom Hörensagen kennen kann, ist ihre Aussage aber unbrauchbar. Die Zeugin hat bekundet, es sei darum gegangen, dass man der Klägerin „keine Zeit“ gelassen habe, dass „dieser sehr merkwürdige small talk“ dann angefangen habe. Die damit von der Zeugin geschilderte Reihenfolge der Ergebnisse ist nicht nachvollziehbar.

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Ausgehend vom dargestellten Maßstab begründen die tatsächlich festgestellten Umstände keinen Verfahrensfehler. Die Prüfer durften sich an einem informellen Gespräch mit der Klägerin während der Aufbauzeit jedenfalls deshalb beteiligen, weil auch die Klägerin selbst zu dem Gespräch durch Nachfragen beigetragen hat. Dem Korreferenten ist eine Äußerung während der Aufbauzeit anzulasten, die zwar unangemessen gewesen sein dürfte, aber lediglich ungeschickt und beiläufig gewesen ist und nicht zur Leistungsverfälschung in der nachfolgenden Prüfung geführt hat. Im Einzelnen:

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Vorliegend kennzeichnet die vereinzelte Äußerung des Korreferenten keine unzureichende Distanz. Soweit die Klägerin, wie sie vorgetragen hat (Widerspruchsschrift, S. 13), sich die gesamte Prüfung über unwohl gefühlt hat, weil ihre Schwester nach ihrem Empfinden von dem „älteren Prüfer zum weiblichen Begierdeobjekt degradiert“ worden sei, mag dies subjektiv zutreffen. Es fehlt jedoch an einer objektiven Grundlage dafür, die Äußerung des Korreferenten ihr oder ihrer Schwester gegenüber als herabwürdigend zu verstehen. Obschon jede Äußerung eines Lehrers gegenüber einer Schülerin über die Figur ihrer Schwester unangemessen sein dürfte, kann der Äußerung, die Schwester sei schlank, keine negative Aussage oder Herabwürdigung entnommen werden. Die Äußerung hat keinen negativen Beiklang, sondern weist vielmehr in eine ähnliche, positiv besetzte Richtung wie die im Gespräch mit der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses zur Geltung gekommene Sportlichkeit der Klägerin selbst. Eine Reduktion der Person auf ein, zumal äußerliches Merkmal war in der Gesprächssituation bereits deshalb nicht gegeben, weil die Person auch in ihren Rollen als Schwester, als Abiturientin des Gymnasiums A. sowie als Medizinstudentin angesprochen war. Die Äußerung mag ungezwungen und flapsig gewesen sein, wie es dem Eindruck entspricht, den das Gericht vom Kommunikationsstil des Korreferenten in der Zeugenbefragung gewonnen hat. Die Äußerung war aber nicht anzüglich. Sie hat selbst keinen explizit sexuellen Inhalt. Für einen sexualisierenden Hintergrund der Äußerung besteht kein Anhalt. Die bloße Geschlechtsverschiedenheit von Lehrer und Schwester der Schülerin genügt dafür nicht. Die Gesprächssituation unter Anwesenheit mehrerer Personen kurz vor der Prüfung spricht gegen eine sexuelle Implikation und für einen missglückten „small talk“. Eine besondere Sensibilität der bereits volljährigen Klägerin bei diesem Thema war für den Korreferenten nicht erkennbar. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände belegt die Äußerung insbesondere nicht, der Korreferent habe die Subjektsqualität der Schwester missachtet und sie zum bloßen Objekt sexueller Begierde gemacht. Nicht jede Äußerung über die Figur einer Person, auch nicht jede taktlose Äußerung über die Figur einer Person, ist zugleich eine Beleidigung oder gar eine Missachtung der Menschenwürde.

59

Der von der Klägerin vorgebrachte Eindruck (Klageschrift, S. 6 Mitte), sie habe ihre volle Leistungsfähigkeit nicht abrufen zu können, lässt sich nicht zur Überzeugung des Gerichts auf eine sie in der mündlichen Prüfung hemmende Verwirrung oder Verunsicherung zurückführen. Für die Annahme einer die Klägerin beeinträchtigenden Irritation besteht keine Grundlage. Der Prüfungsausschuss hat in der Niederschrift der mündlichen Prüfung vom 17. Juni 2014 die Notengebung vielmehr gerade mit einer Abwägung zwischen den inhaltlichen Mängel dessen, was die Klägerin in Präsentation und Fachgespräch vorgestellt hat, und den vom Prüfungsausschuss hervorgehobenen methodischen Vorzügen, wie die Klägerin in Präsentation und Fachgespräch agiert hat, begründet. Auf der einen Seite habe die Klägerin Teile der Fragestellung außer Acht gelassen und das Thema eher deskriptiv als analytisch bearbeitet. Auf der anderen Seite hat der Prüfungsausschuss eine hohe Kommunikationskompetenz, einen freien und sicheren Vortrag, einen völlig adäquaten und sinnstiftenden Spracheinsatz hervorgehoben, und zwar über den gesamten Ablauf und auch in Bezug auf die Einhilfen der Prüfer, die ausweislich der Niederschrift im Fachgespräch stattfanden. Der Klägerin wird in der Niederschrift zugeschrieben, den Mitgliedern des Prüfungsausschusses mit Ruhe, Gelassenheit und Humor begegnet zu sein. In Übereinstimmung damit hat der Prüfungsausschuss in seiner im Überdenkungsverfahren am 29. August 2014 erstellten Stellungnahme die Benotung im „befriedigenden“ Bereich, statt in dem aufgrund der inhaltlichen Mängel in Betracht gezogenen „ausreichenden“ Bereich damit begründet, das „sprachliche und sicherere Auftreten“ der Klägerin sei für ihn „überzeugend genug“ gewesen.

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Das Gericht unterstellt der Klägerin keine bewusst wahrheitswidrige Darstellung der Geschehnisse, kann aber nicht die Augen davor verschließen, dass der Eindruck der Klägerin, sie habe ihre volle Leistungsfähigkeit nicht abrufen können, sich nur anders als von der Klägerin vorgetragen nachvollziehbar erklären lässt: Die Klägerin dürfte nach Eröffnung der Bewertung mit allerdings immerhin 9 Punkten enttäuscht gewesen sein und nach Gründen für die von ihr als solche empfundene Minderleistung gesucht haben. Eine Enttäuschung der Klägerin über das Ergebnis der mündlichen Prüfung mit der „befriedigenden“ Bewertung 9 Punkte drängt sich ausgehend von den in den vier Semestern der Studienstufe in Prüfungsfach Politik/Gesellschaft/Wirtschaft gezeigten, um mindestens eine Notenstufe besseren Leistungen mit einem gehobenen „gut“ bis vollen „sehr gut“, im Einzelnen 12, 14, 13 und zuletzt wieder 14 Punkten, auf. Die in der mündlichen Prüfung gezeigte Leistung ist damit schlechter bewertet als die Leistung in den drei schriftlichen Abiturprüfungen, einschließlich derjenigen im Fach Mathematik, in dem die Klägerin noch in den vier Semestern der Studienstufe 9, 8, 9 und zuletzt 7 Punkte erzielt und damit deutlich schlechtere Leistungen als im Fach Politik/Gesellschaft/ Wirtschaft erbracht hatte. In Übereinstimmung mit der anzunehmenden Enttäuschung über die Note hat der als Zeuge vernommene Referent Thal glaubhaft geschildert, dass die Stimmung auch noch nicht im Fachgespräch „gekippt“ sei, die Klägerin aber „natürlich“ nach der Notenverkündung verzweifelt oder traurig gewesen zu sein. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, „natürlich auch von der Note geschockt gewesen“ zu sein. Bezeichnenderweise hat der von der Klägerin nachträglich bevollmächtigte Vater in seiner noch am Tag der Prüfung an die Schulleiterin versandten E-Mail bereits mitgeteilt, man sehe sich zu einer gerichtlichen Überprüfung der Note gezwungen, die in keiner Weise zu den bisher von seiner Tochter erzielten Leistungen passe. In der E-Mail wird der Grund für die nunmehr erzielte Leistung darin gesehen, dass der Korreferent eine „einleitende Frage“ gestellt habe, welche die Klägerin „komplett aus dem Konzept gebracht“ habe. Nicht eine „einleitende Frage“ im Prüfungsgespräch, sondern eine Äußerung im informellen Vorgespräch steht jedoch in Rede.

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i. Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine aus besonderen, in ihrer Person liegenden Gründen beeinträchtigte Leistungsunfähigkeit aus Anlass der Äußerung des Korreferenten berufen.

62

Wegen individueller Gründe, aus denen die zwar unangemessene, aber nicht negative und nicht herabwürdigende Äußerung des Korreferenten (dazu s.o. h.) die Leistungsfähigkeit im Fall der Klägerin hätte beeinträchtigen können, käme allenfalls ein Rücktritt von einer erbrachten Prüfungsleistung wegen einer während der Prüfung bestehenden krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit in Betracht. Eine ausdrückliche Regelung des Rücktritts von einer bereits erbrachten Prüfungsleistung enthält die einschlägige Verordnung (dazu s.o. a.) zwar nicht. Doch weist die Verordnung in verfassungskonformer Anwendung im Hinblick auf den Rücktritt wegen einer zunächst nicht erkennbaren Prüfungsunfähigkeit eine Regelungslücke auf, die durch – allerdings nur analoge – Anwendung der Regelungen über die Versäumnis einer bevorstehenden Prüfungsleistung in § 27 APO-AH zu schließen ist. Im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 27 Satz 1 APO-AH ist bestimmt, dass, wer einen Prüfungstermin aus wichtigem Grund versäumt, Gelegenheit erhält, die Prüfungsleistung nachträglich zu erbringen. Den wichtigen Grund hat der Prüfling gemäß § 27 Satz 3 APO-AH unverzüglich nachzuweisen, wobei gemäß § 27 Satz 4 APO-AH bei Krankheit die Vorlage eines ärztlichen oder schulärztlichen Attests verlangt werden kann.

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Einer analogen Anwendung dieser Regelungen bedarf es wegen des Chancengleichheit in berufsbezogenen Prüfungen nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG dann, wenn der Prüfling sich zwar der Prüfung unterzogen hat, ihm aber seine Prüfungsunfähigkeit nicht erkennbar war. Der Rücktritt ist aber auch in diesem Fall nicht voraussetzungslos zu gewähren: An die Unverzüglichkeit des Rücktritts von einer Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen; es ist Sache des Prüflings, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob seine Leistungsfähigkeit durch außergewöhnliche Umstände, insbesondere durch Krankheit, erheblich beeinträchtigt ist, und bejahendenfalls daraus unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen, und zwar bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit grundsätzlich vor Beginn der Prüfung, spätestens aber dann, wenn er sich ihrer bewusst geworden ist (BVerwG, Urt. v. 7.10.1988, BVerwGE 80, 282, juris Rn. 12). Ein Rücktritt ist dann nicht mehr unverzüglich, wenn der Prüfling die Erklärung nicht zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt abgegeben hat, zu dem sie von ihm in zumutbarer Weise hätte erwartet werden können (BVerwG, Urt. v. 13.5.1998, 6 C 12/98, BVerwGE 106, 369, juris Rn. 17 ff.; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 283 m.w.N.). Eine den Grundsatz der Chancengleichheit zu Lasten der Mitbewerber verletzende zusätzliche Prüfungschance verschafft sich nicht nur derjenige, dem es gelingt, durch nachträglich vorgetäuschte Prüfungsunfähigkeit die Genehmigung des Rücktritts zu erreichen, sondern auch der, der tatsächlich prüfungsunfähig war, sich aber in Kenntnis seines Zustandes der Prüfung unterzogen hat, um sich im Falle des Misserfolgs durch nachträglichen Rücktritt den Rechtswirkungen der fehlgeschlagenen Prüfung zu entziehen. Diesen Gefahren für die Chancengleichheit wird entgegengewirkt, wenn die nachträglich geltend gemachte Prüfungsunfähigkeit zwar als Rücktrittsgrund nicht von vornherein ausgeschlossen, an die Geltendmachung aber die Anforderung der Unverzüglichkeit gestellt wird (BVerwG, Urt. v. 7.10.1988, 7 C 8/88, BVerwGE 80, 282, juris Rn. 11). Macht ein Prüfling geltend, dass er seine Prüfungsunfähigkeit erst nachträglich erkennen und einschätzen konnte, müssen die dafür maßgeblichen Gründe in gleicher Weise glaubhaft gemacht werden wie die Prüfungsunfähigkeit selbst (OVG Münster, Beschl. v. 8.12.2009, 14 E 861/09, juris Rn. 3). Kenntnis von der Prüfungsunfähigkeit hat der Prüfling schon dann, wenn ihm sein gesundheitlicher Zustand (speziell seine gesundheitlichen Beschwerden) in den wesentlichen Merkmalen bewusst ist und er die Auswirkungen der Erkrankung auf seine Leistungsfähigkeit im Sinne einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ erfasst (BVerwG, Beschl. v. 22.9.1993, 6 B 36/93, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 318, juris Rn. 4).

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Nach diesem Maßstab sind die Voraussetzungen einer zum Rücktritt von einer bereits erbrachten Prüfungsleistung berechtigenden Prüfungsunfähigkeit nicht erfüllt. Ansätze für eine Amtsermittlung in diese Richtung sind nicht gegeben. Der in diesem Zusammenhang von der Klägerin gestellte Beweisantrag ist zu Recht abgelehnt worden. Im Einzelnen:

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Ohne Erfolg hat die Klägerin (Klagerweiterungsschrift, S. 5) geltend gemacht, sie möge zwar selbstbewusst und selbstsicher wirken, sei jedoch hinter der Fassade durchaus sensibel, nicht zuletzt wegen der Trennung ihrer Eltern, und wegen ihrer Unsicherheit gegenüber Männern sogar in „therapeutischer Behandlung“. Die Klägerin hat damit kein bestimmtes Krankheitsbild beschrieben, insbesondere keine Erkrankung, aufgrund der eine Prüfungsunfähigkeit nachvollziehbar wäre und aufgrund derer es ihr unmöglich gewesen sein könnte, eine Prüfungsunfähigkeit vor Eintritt in die Prüfung zu erkennen.

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Dem in der mündlichen Verhandlung abgelehnten Antrag,

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„durch Einholung eines psychologischen Gutachtens Beweis darüber zu erheben, dass die Klägerin durch die Äußerung des Dr. D. gegenüber der Klägerin mit der Formulierung

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1. ‚Ist Ihre Schwester noch immer so schlank?‘ oder
2. ‚Ist ihre Schwester noch immer so schön schlank?‘ oder
3. ‚Ist ihre Schwester nicht die, die schlank ist?‘ oder
4. Fragen 1 bis 3 ohne ‚so‘ oder
5. Fragen 1 bis 3 Ihre ersetzt durch ‚Du‘ oder
6. ‚schlank‘ bezüglich der Schwester der Klägerin

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im Vorfeld der mündlichen Prüfung vom 17. Juni 2014 derart beeinträchtigt war, dass es ihre Leistungsfähigkeit in der mündlichen Prüfung beeinträchtigte“,

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ist nicht nachzugehen. Auf den von einem Beteiligten in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag ist zum Beweis einer im Antrag benannten und für die Entscheidung des Gerichts erheblichen Tatsache Beweis zu erheben durch ein im Antrag genanntes geeignetes Beweismittel. An diesen Voraussetzungen fehlt es. Die zu Beweis gestellte „beeinträchtigte Leistungsfähigkeit“ der Klägerin ist bereits keine Tatsache, sondern eine Wertung. Die Leistungsfähigkeit eines Prüflings wird in der Prüfung durch die Prüfer bewertet. Eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit wäre nur dann ausnahmsweise nicht von den Prüfern zu beurteilen, wenn sie auf einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit beruhte. Aber auch eine solche Prüfungsunfähigkeit ist keine Tatsache, die durch psychologisches oder ärztliches Sachverständigengutachten aufklärbar wäre, sondern die von der Prüfungsbehörde oder im Streitfall vom Gericht vorzunehmende rechtliche Würdigung eines Sachverhalts. Allenfalls einzelne Elemente des zu würdigenden Sachverhalts, beispielsweise einzelne Krankheitssymptome und ihr Schweregrad, wären als Tatsachen einer Beweisaufnahme zugänglich.

71

Das Gericht ist auch nicht veranlasst, von sich aus den Sachverhalt nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO weiter zu erforschen. Für das Vorliegen bestimmter Tatsachen, aufgrund derer die Klägerin im Prüfungstermin für sie unerkennbar prüfungsunfähig gewesen sein könnte, fehlt es an einem Anhaltspunkt.

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j. Der Korreferent oder die Vorsitzende des Prüfungsausschusses mussten sich nicht wegen Besorgnis der Befangenheit einer Mitwirkung enthalten.

73

Ein Mitglied des für eine Behörde tätig werdenden Ausschusses ist gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 88, 21 Abs. 1, Abs. 2, 20 Abs. 4 HmbVwVfG, wie auch sonst eine in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werdende Person, von der Tätigkeit auszuschließen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Eine Besorgnis der Befangenheit verlangt einen gegenständlichen, vernünftigen Grund, der die Beteiligten von ihrem Standpunkt aus befürchten lassen kann, dass der Amtsträger nicht unparteiisch sachlich, insbesondere nicht mit der gebotenen Distanz, Unbefangenheit und Objektivität entscheiden, sondern sich von persönlichen Vorurteilen oder sonstigen sachfremden Erwägungen leiten lassen könnte; nicht ausreichend ist die „Ahnung“ oder das „Gefühl“ eines Beteiligten oder rein querulatorisches Vorbringen, erforderlich vielmehr ein in der Person oder in der Art der Sachbehandlung liegender, benennbarer, rationaler Grund, der an Tatsachen anknüpft, die nach objektiven und vernünftigen Erwägungen geeignet sind, Zweifel an der unparteiischen Tätigkeit des Bediensteten zu wecken (Schmitz, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 21 Rn. 10 m.w.N.).

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Die Vorbefassung des Korreferenten und der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses schließen sie entgegen der Annahme der Klägerin nicht vom weiteren Verfahren aus. Steht die von einem Prüfer vorgenommene Bewertung in Streit schließt dies den Prüfer vom weiteren Verfahren nicht aus, denn nach dem Grundsatz der Chancengleichheit gegenüber den Mitprüflingen ist der ursprüngliche Prüfer grundsätzlich auch mit einer etwaigen Neubewertung zu befassen (BVerwG, Urt. v. 10.10.2002, 6 C 7/02, NJW 2003, 1063, juris, Rn. 13). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wegen mehrfacher Wiederholung gleichartiger Fehler und Unbelehrbarkeit der Prüfer (dazu VG Hamburg, Urt. v. 20.3.2017, 2 K 869/15) kommt vorliegend nicht in Betracht.

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Die bereits erörterte Äußerung des Korreferenten in dem vor der mündlichen Prüfung am 17. Juni 2014 geführten informellen Gespräch stand einer Mitwirkung im Prüfungsausschuss nicht entgegen. Die Klägerin musste von ihrem Standpunkt als Prüfling aus nicht befürchten, der Korreferent würde als Prüfer nicht mehr sachlich entscheiden. Die vor der mündlichen Prüfung getane Äußerung des Korreferenten mag unangemessen gewesen sein, war aber als vereinzelte Ungeschicklichkeit objektiv nicht geeignet, in der nachfolgenden mündlichen Prüfung zu einer leistungsverfälschenden Irritation zu führen (s.o. h.), weckte mithin keinen Zweifel an der unparteiischen Tätigkeit des Korreferenten.

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Ebenso ohne Erfolg macht die Klägerin in Bezug auf die Vorsitzende des Prüfungsausschusses eine Besorgnis der Befangenheit geltend. Zum einen hat die Klägerin das Recht, eine etwaige Verfahrensrüge geltend zu machen, insoweit verwirkt. Sie hat es unter Verstoß gegen ihre Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge eines Verfahrensfehlers (dazu s.o. e.) erst mit der Klagerweiterungsschrift unternommen, aus dem Gespräch vom 7. Juli 2014 eine Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses herzuleiten, nachdem sie in der Widerspruchsschrift vom 11. Juli 2014 noch ausdrücklich für das „freundliche und sachliche Gespräch“ vom 7. Juli 2014 gedankt hatte. Eine Rüge der Besorgnis der Befangenheit war zum damaligen Zeitpunkt nur in Bezug auf den Korreferenten erhoben. Zum anderen dringt die Rüge hinsichtlich der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses in der Sache nicht durch. Die Klägerin hat keine Umstände dargelegt, welche die Sachlichkeit der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses in Zweifel ziehen könnte. Sie hat lediglich vorgebracht, dass die Vorsitzende des Prüfungsausschusses in dem am 7. Juli 2014 in der Schule geführten Gespräch nicht sofort, sondern erst im Verlauf eingeräumt habe, dass der Korreferent in dem informellen Gespräch vom 17. Juni 2014 das Wort „schlank“ verwendet habe. Den genauen Verlauf des Gesprächs am 11. Juli 2014 hat die Klägerin nicht vorgetragen, er ist auch im Übrigen nicht rekonstruierbar. Aus der von der Schulleiterin erstellten Gesprächsnotiz geht insofern lediglich hervor, dass der jetzige Prozessbevollmächtigte der „Schule“ vorgeworfen habe, „diese Bemerkung (Wort ‚schlank‘) im Vorgespräch zu leugnen“, die „Schule“ aber eingeräumt habe, dass das Wort gefallen sei.

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k. Der Einberechnung der vom Prüfungsausschuss vorgenommenen Bewertung in die Abiturnote stehen keine die Form, insbesondere die Begründung, betreffenden Bedenken entgegen.

78

Entgegen der Annahme der Klägerin (Widerspruchsschrift, S. 3) ist die für Verwaltungsakte eine Begründung fordernde allgemeine Vorschrift des § 39 HmbVwVfG auf das Abiturzeugnis unanwendbar, weil § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG für die Tätigkeit der Behörden bei Prüfungen von Personen und allgemein für die Tätigkeit der Schulen die Anwendung ausschließt. Jedoch ergibt sich aus § 30 Abs. 4 APO-AH, dass die Niederschrift über die Verhandlung eines Prüfungsgremiums erkennen lassen muss, wie die Bewertung der Prüfungsleistung zustande gekommen ist. Hinzu tritt das aus dem Grundrechtsschutz der Art. 12 Abs. 1 und 19 Abs. 4 GG herzuleitende Informationsrecht des Prüflings, das sich grundsätzlich auch auf eine angemessene Begründung der Prüfungsentscheidung richtet, d.h. auf die Bekanntgabe der wesentlichen Gründe, mit denen die Prüfer zu einer bestimmten Bewertung der schriftlichen und mündlichen Prüfungsleistungen gelangt sind (BVerwG, Urt. v. 6.9.1995, 6 C 18/93, BVerwGE 99, 185, juris Rn. 19).

79

Dabei ist, entgegen der Annahme der Klägerin (Klageschrift, S. 10), die Bewertung nicht notwendigerweise mit einem vom Prüfer als besonders tief oder hoch eingeschätzten Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellung zu begründen. In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist es unbeanstandet geblieben, eine vom Prüfer ausdrücklich vorgenommene Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung dem prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraum zuzuordnen (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 66). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird beispielhaft der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe, die Überzeugungskraft der Argumente, die prompte oder zögerliche Beantwortung der gestellten Fragen sowie etwa allgemein Unsicherheiten im Verhalten des Prüflings zu den prüfungsspezifische Wertungen und Einschätzungen gezählt, auf die der Prüfer seine Bewertung gestützt haben mag (BVerwG, Urt. v 6.9.1995, a.a.O., Rn. 33). Daraus folgt aber nicht, dass in jedem Fall der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe, die Überzeugungskraft der Argumente, die prompte oder zögerliche Beantwortung der gestellten Fragen sowie etwa allgemein Unsicherheiten im Verhalten des Prüflings zu den wesentlichen Gründen zählen müssen, auf denen die Bewertung des Prüfers materiell beruht. Hat der Prüfer die für seine Bewertung wesentlichen Gründe benannt, ist dem allein formellen Begründungserfordernis genügt.

80

Die wesentlichen Gründe, aus denen der Prüfungsausschuss eine bessere als die „befriedigende“ Benotung mit 9 Punkten verwehrt hat, gehen bereits aus der Niederschrift der mündlichen Prüfung vom 17. Juni 2014 hervor. Wie bereits dargestellt (s.o. h.), hat der Prüfungsausschuss den von ihm hervorgehobenen methodischen Vorzügen, wie die Klägerin in Präsentation und Fachgespräch agiert hat, inhaltliche Mängel dessen, was die Klägerin in Präsentation und Fachgespräch vorgestellt hat, entgegengestellt: Die Klägerin habe Teile der Fragestellung außer Acht gelassen und das Thema eher deskriptiv als analytisch bearbeitet. Seine Kritik an der Leistung der Klägerin hat der Prüfungsausschuss im Überdenkungsverfahren konkretisiert und dazu in seiner Stellungnahme vom 29. August 2014 ausgeführt: Es sei bereits in der Präsentation deutlich geworden, dass es nicht um die Effektivität der Reaktionen des Staates auf wirtschaftliche Veränderungen im 19. Jahrhundert gehen würde, sondern um Veränderungen der Gesellschaft und des Landes. Die von der Klägerin gewählte eigene Fragestellung, d.h. die in der schriftlichen Dokumentation festgehaltene Leitfrage, inwiefern die wirtschaftlichen Veränderungen notwendig waren, um gesellschaftliche Veränderungen hervorzurufen, sei am eigentlichen Thema vorbeigegangen. Der Anforderungsbereich III sei nicht erfüllt worden, da „die Politik nicht integriert“ sei und hierüber entgegen dem Erwartungshorizont kein „profundes, historisches Sach- und Werturteil über ihren Wirkungsgrad“ gebildet worden sei. Damit verweist die Bewertung auf die in der Aufgabenstellung ausdrücklich in Bezug genommene Richtlinie für die Aufgabenstellung und Bewertung der Leistungen in der Abiturprüfung, in deren das Fach Politik/Gesellschaft/Wirtschaft betreffenden Anlage 16 unter Tz. 3.1 wie folgt drei Anforderungsbereiche unterschieden werden:

81

„Der Anforderungsbereich I umfasst das Wiedergeben und Darstellen von Sachverhalten aus einem abgegrenzten Gebiet und im gelernten Zusammenhang unter rein reproduktiver Benutzung eingeübter Arbeitstechniken (Reproduktion).

82

Der Anforderungsbereich II umfasst das selbstständige Erklären, Bearbeiten und Ordnen bekannter Inhalte und das angemessene Anwenden gelernter Inhalte und Methoden auf andere Sachverhalte (Reorganisation und Transfer).

83

Der Anforderungsbereich III umfasst den reflexiven Umgang mit neuen Problemstellungen, den eingesetzten Methoden und gewonnenen Erkenntnissen, um zu Begründungen, Folgerungen, Deutungen und Wertungen zu gelangen (Reflexion und Problemlösung).“

84

Die drei Anforderungsbereiche stehen in einem Stufenverhältnis zueinander. Unter Tz. 5.2.3 ist ausgeführt:

85

„Wie bei der Bewertung einer Klausurleistung gilt auch für die Präsentationsprüfung, dass eine Bewertung mit ‚ausreichend‘ Leistungen voraussetzt, die über den Anforderungsbereich I hinaus auch im Anforderungsbereich II oder III erbracht werden. Gute und bessere Bewertungen setzen Leistungen voraus, die deutlich über den Anforderungsbereich II hinausgehen und mit einem wesentlichen Anteil dem Anforderungsbereich III zuzuordnen sind.“

86

Ausgehend davon, dass der Prüfungsausschuss der Klägerin Leistungen im Anforderungsbereich III abgesprochen hat, ergibt sich mithin aus der Bewertung insbesondere, weshalb der Prüfungsausschuss eine „gute“ oder bessere Benotung verwehrt hat. Zusätzlich ist in der Stellungnahme vom 29. August 2014 ausdrücklich ausgeführt, dass ausgehend vom Erwartungshorizont im Hinblick auf den „guten“ Bewertungsbereich nur der erste „Bullet Point“ teils und der zweite voll und ganz erreicht, die weiteren nicht erreicht worden seien. Die Prüfer haben sich den Erwartungshorizont damit zu Eigen und für sich verbindlich gemacht.

87

l. Die gegen die Bewertung erhobene materielle Einwendung (Klageschrift, S. 17 ff., 27, 29, Klagerweiterungsschrift, S. 6 f.), die den Prüflingen gestellte Aufgabe sei „kurz und weit“ gefasst, missverständlich und habe einen sehr weiten Antwortspielraum gelassen, so dass der Schwerpunkt der am 3. Juni 2014 ausgegebenen Aufgabe nicht notwendig auf der Rolle des Staates liege, trägt nicht. Vielmehr hat die geäußerte Prüferkritik, dass die Klägerin Teile der Aufgabenstellung außer Acht gelassen habe (dazu s.o. k.), auch in der Sache Bestand. Der Prüfungsausschuss hat seinen Beurteilungsspielraum durch die Würdigung nicht überschritten, dass die von der Klägerin selbst formulierte Leitfrage, inwiefern die wirtschaftlichen Veränderungen notwendig waren, um gesellschaftliche Veränderungen hervorzurufen, am eigentlichen Thema vorbeigehe. Im Einzelnen:

88

Die Aufgabenstellung umreißt das Thema („topic“) in ihrer Überschrift nur grob als den gesellschaftlichen Wandel Deutschlands während der Industriellen Revolution („The social change of Germany during the Industrial Revolution”). Konkret als Handlungsaufträge an den Prüfling gestellt sind jedoch drei Imperative in aufsteigender Reihenfolge: Erstens ist der gesellschaftliche und wirtschaftlichen Wandel Deutschlands zwischen 1830 und 1890 in Bezug auf die Industrialisierung des Landes zu beschreiben („describe“), zweitens sind die darauf bezogene Reaktion des Staates und ihre Wirksamkeit zu analysieren („analyse“) und drittens zu bewerten („evaluate“). Der zweite und der dritte Imperativ schließen notwendigerweise ein, die als Reaktion ergriffenen staatlichen Maßnahmen zunächst zu beschreiben. Ansonsten bliebe die Analyse und Bewertung unverständlich. Unabhängig davon ist die Beschreibung der ergriffenen staatlichen Maßnahmen bereits vom ersten Imperativ gefordert ist, da und soweit die zu einem Zeitpunkt in Reaktion auf den bisherigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel getroffenen staatlichen Maßnahmen ihrerseits im nachfolgenden Teilzeitraum den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel mitgestaltet haben.

89

Entgegen der Annahme der Klägerin (Klageschrift, S. 18 f.) überschreit es den Antwortspielraum des Prüflings, in der Analyse und Bewertung der staatlichen Rolle nach dem zweiten und dritten Imperativ lediglich einen „Nachschub“ zu einer vorrangig auf die Gesellschaft bezogenen „Hauptaufgabe“ nach dem ersten Imperativ zu sehen. Die drei konkreten Aufgaben Beschreibung, Analyse und Bewertung bauen aufeinander auf und sind in aufsteigender Wertigkeit angeordnet. Dies bestätigt der Umstand, dass in der Aufgabenstellung ausdrücklich auf die bereits benannte Richtlinie Bezug genommen wird, in deren Anlage 16 unter Tz. 3.1 und 5.2.3 drei Anforderungsbereiche definiert und in einen Stufenverhältnis gebracht werden (s.o. k.). Die drei Imperative der Aufgabenstellung vom 3. Juni 2014 sind eindeutig den drei Anforderungsbereichen zuzuordnen. Denn unter Tz. 3.2 der benannten Anlage ist dargestellt, mit welchen Operatoren Leistungen aus den einzelnen Anforderungsbereichen eingefordert werden. Wird dem Prüfling die Aufgabe „Beschreiben“ gestellt, so wird ihm eine Leistung im Anforderungsbereich I abverlangt:

90

„Wesentliche Aspekte eines Sachverhaltes im logischen Zusammenhang unter Verwendung der Fachsprache strukturiert wiedergeben“

91

Die Aufgabe „Analysieren“ zielt auf eine Leistung im Anforderungsbereich II ab:

92

„Unter gezielten Fragestellungen Elemente, Strukturmerkmale und Zusammenhänge herausarbeiten und die Ergebnisse darstellen“

93

Soweit die Aufgabe „Bewerten“ lautet, muss der Prüfling eine Leistung aus dem Anforderungsbereich III erbringen:

94

„Unter Offenlegung und Reflexion der eigenen normativen Maßstäbe ein begründetes Werturteil formulieren“

95

Ausgehend davon lag der Schwerpunkt der ab 3. Juni 2014 ausgegebenen Aufgabe nicht bei einer bloßen Beschreibung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels, sondern bei der weitergehenden Analyse und letztlich Bewertung der staatlichen Reaktion und ihrer Wirksamkeit. Bereits eine – der Klägerin vom Prüfungsausschuss mehr als zugestandene – Benotung mit „ausreichend“ setzte voraus, dass Leistungen über das Beschreiben hinaus auch in den Bereichen des Analysierens und Bewertens erbracht wurden. Eine von der Klägerin erstrebte „gute“ oder bessere Benotung setzte deutlich über das Analysieren hinausgehende und mit einem wesentlichen Anteil dem Bereich des Bewertens der staatlichen Rolle zuzuordnende Leistungen voraus.

96

m. Die Klägerin zeigt mit ihrer Einwendung (Klageschrift, S. 22 f., 23 f., 25 ff.), sie habe ausweislich der von ihr vorgelegten schriftlichen Dokumentation im Hinblick auf den Anforderungsbereich I alle Punkte des Erwartungshorizonts abgedeckt und sie habe dem Anforderungsbereich II in ihrer schriftlichen Dokumentation „nahezu vollumfänglich entsprochen“, keinen Bewertungsfehler auf. Die in der Stellungnahme vom 29. August 2014 zum Ausdruck kommende Prüferkritik, ein Punkt des Anforderungsbereichs I (Kenntnis der Lösungsansätze des Staates zur Bewältigung der Veränderungen) sei „höchstens gestreift, da hierzu nur (zu) wenige Worte in Vortrag und Prüfungsgespräch gefallen“ seien, bezieht sich auf die Leistung der Klägerin im Prüfungstermin, die es zu bewerten galt (s.o. b.). Entsprechendes gilt für die Prüferkritik, ein Punkt des Anforderungsbereichs II (detaillierte Erläuterung des Einflusses der staatlichen Antworten) sei nicht erreicht und der andere (Kontextualisierung unter Einbeziehung aller beteiligten Seiten) nur teils, weil die Politik ausgeblendet worden sei. Die Kritik der Prüfer an der in Präsentation und Fachgespräch am 17. Juni 2014 erbrachten Leistung kann nicht unter Hinweis auf die Inhalte der schriftlichen Dokumentation entkräftet werden. Zudem greifen die Einschätzungen der Klägerin in den dem Prüfungsausschuss vorbehaltenen Beurteilungsspielraum über. Es gebührt dem Prüfungsausschuss zu bewerten, inwieweit einzelne Aspekte in der Prüfungsleistung der Klägerin hinreichend Berücksichtigung gefunden haben.

97

n. Ebenso wenig greifen die von der Klägerin erhobenen Bedenken (Klageschrift, S. 25) gegen die vom Prüfungsausschuss vorgenommene Bewertung durch, der Anforderungsbereich III sei nicht erfüllt worden sei. Der Prüfungsausschuss hat mit seiner Feststellung, der Anforderungsbereich III sei nicht erfüllt worden, da „die Politik nicht integriert“ gewesen sei und entgegen dem Erwartungshorizont kein „profundes, historisches Sach- und Werturteil über ihren Wirkungsgrad“ gebildet worden sei, den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe sind nicht verletzt. Die von der Klägerin zugrunde gelegte Leitfrage, inwiefern die wirtschaftlichen Veränderungen notwendig waren, um gesellschaftliche Veränderungen hervorzurufen, durfte von den Prüfern als das eigentliche Thema verfehlend beurteilt werden, da die Beschreibung, Analyse und Bewertung der Rolle des Staates den Schwerpunkt der Aufgabe bildete (s.o. l.). Die Einwendung der Klägerin (Klageschrift, S. 25), der Aktivität des Staates sei vertretbar keine zentrale Bedeutung beigemessen worden, geht fehl. Die Rolle des Staates war nach der Aufgabenstellung auch dann zum thematischen Schwerpunkt zu machen, wenn der Prüfling in der Bearbeitung der Aufgabe beispielsweise den Standpunkt einnehmen wollte, der reale Schwerpunkt der Entwicklung habe nicht beim Staat gelegen, sondern der mit der Industrialisierung einhergehende gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandel sei maßgeblich von Impulsen aus dem Bürgertum ausgegangen und gestaltet worden. Die Klägerin ist vom Prüfungsausschuss nicht vorgehalten worden, dass sie über den Wirkungsgrad der vielfältigen – in ihrer eigenen schriftlichen Dokumentation vermerkten – staatlichen Eingriffe ein von den Prüfern nicht geteiltes Urteil, sondern dass sie insoweit gar kein „profundes, historisches Sach- und Werturteil“ kundgegeben hat.

98

o. Ein Beurteilungsfehler ist nicht mit der Einwendung aufgezeigt, insofern die Klägerin (Klageschrift, S. 20) vorgetragen hat, es sei nicht vertretbar, ihre Rechtschreibung, „die sich insgesamt auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau“ bewege, „als Kritikpunkt in dem Bewertungsbogen vom 17. Juni 2014 heranzuziehen“. Die Prüferkritik, gegen die sich die Klägerin damit zu wenden sucht, besteht nicht. In der Niederschrift über die mündliche Prüfung ist in den Notizen über den Verlauf der Präsentation von 9.20 Uhr bis 9.35 Uhr zwar vermerkt „übersichtlich, ohne viele Schreibfehler“. Doch ist der Klägerin nicht im Umkehrschluss vorgehalten worden, ihr seien „einige Schreibefehler“ unterlaufen, insbesondere nicht in der die Begründung der Bewertung enthaltenden „Abschlussbegründung und Notengebung“. Dort und in der nachfolgenden Stellungnahme vom 29. August 2014 hat der Prüfungsausschuss vielmehr die Sprachkompetenz der Klägerin hervorgehoben (s.o. h.).

99

p. Die Prüferkritik, die Klägerin habe die im Fachgespräch vom Referenten gestellte Frage, was in ihrem Schaubild fehle, zunächst unbeantwortet gelassen, hält der von der Klägerin (Klageschrift, S. 23) erhobenen Einwendung stand. Die Klägerin hat insoweit vorgetragen, sie habe auf die Frage des Referenten „eine kurze Verständnisfrage gestellt, da sie nicht sicher“ habe sein können, „ob die Frage auf die Wahl der Schlagworte oder die Gruppierung der Anordnung bezogen gewesen“ sei. Die Klägerin hat mithin statt auf die Frage zu antworten eine Gegenfrage gestellt. Dies konnte der Prüfungsausschuss ihr, wie in der Stellungnahme vom 20. August 2014 ausgeführt, entgegenhalten, ohne damit den ihm obliegenden Beurteilungsspielraum zu überschreiten. Ausgehend davon, dass der Schwerpunkt der den Prüflingen gestellten Aufgabe auf der Rolle des Staates lag (s.o. l.), und der Staat im Schaubild der Klägerin nicht berücksichtigt war, durfte der Prüfungsausschuss erwarten, dass die Rolle des Staates zumindest auf Frage des Referenten erörtern werden würde. Das von der Klägerin vorgestellte Schaubild („Getriebe des 19. Jahrhunderts“) bestand ausweislich der vorgelegten schriftlichen Dokumentation aus mehreren Zahnrädern, die zum Teil mit Begriffen des Geisteslebens (z.B. „solidarity“, „education“, „nationalism“) beschriftet waren, zum Teil mit Begriffen des realen Lebens (z.B. „unification“, „communication“, „success“). In der Mitte trug ein Zahnrad die Aufschrift „revolution“. Keines der Zahnräder verwies auf den damaligen, nicht aus der Gesellschaft heraus legitimierten obrigkeitlichen Staat, dessen eigene Agenda und Maßnahmen. Inwieweit die weiteren Diskussionsbeiträge der Klägerin auf die Einhilfe der Prüfer, dass der Staat bislang unberücksichtigt sei, hinreichend waren, obliegt der prüferischen Bewertung. Sie kann insoweit nicht ihre eigene Einschätzung an die Stelle derjenigen der Prüfer setzen.

100

q. Die Prüferkritik an der Wahl der Medien, hat entgegen der von der Klägerin erhobenen Einwendung (Klageschrift, S. 20, und mündliche Verhandlung) Bestand. In seiner Stellungnahme vom 29. August 2014 hat der Prüfungsausschuss angemerkt, die Zahnräder des bereits erwähnten (s.o. p.) Schaubilds seien „von Zeit zu Zeit“ abgefallen. Ferner hat der Prüfungsausschuss hinsichtlich des bereits erwähnten Tafelbildes (s.o. g.) erwogen, „ob bei der Zeitleiste (ausführlicher Tafelanschrieb) nicht eine effizientere Methode hätte eingesetzt werden können, die nicht erst an die Tafel hätte geschrieben werden müssen, sondern z.B. als Plakat mitgebracht worden wäre“. Gleichwohl der Prüfling hinsichtlich der Wahl der zur Präsentation herangezogenen Medien über einen Spielraum verfügt und die Darstellungsmethode als solche nicht vorgegeben werden kann, steht es den Prüfern zu, die vom Prüfling getroffene Wahl danach zu kritisieren, welche Nachteile sie mit sich bringt und Alternativen aufzuzeigen, die zu den eingetretenen Nachteilen nicht geführt hätten.

101

r. Die Bewertung der mündlichen Prüfung gründet nicht auf sachfremden Erwägungen hinsichtlich der Abitur-Durchschnittsnote. Zutreffend hat die Klägerin ausgeführt, die Prüfungsentscheidung habe allein auf der Basis ihrer Leistung im mündlichen Prüfungsverfahren zu erfolgen gehabt. Es besteht aber kein Anhaltspunkt dafür, dass der Prüfungsausschuss dagegen verstoßen hat. Ohne Erfolg hat die Klägerin (Klageschrift, S. 21) einen Beurteilungsfehler daraus herzuleiten gesucht, dass nach der mündlichen Prüfung die Vorsitzende des Prüfungsausschusses und der Referent festgestellt hätten, dass eine Abitur-Durchschnittsnote von „1,6 eine gute Note sei und die Klägerin sicherlich noch einen Studienplatz in Jura bekomme“. Es ist nicht ersichtlich, dass ein solcher Hinweis der Prüfer mehr beinhaltete als tröstende Worte an die Klägerin, die nach der Notenverkündung enttäuscht war (dazu s.o. h.).

102

s. Entgegen der Einwendung der Klägerin (mündliche Verhandlung) ist ein Beurteilungsausfall, d.h. eine mangelnde Wahrnehmung des dem Prüfungsausschuss zukommenden Beurteilungsspielraums, nicht festzustellen. Der Prüfungsausschuss hat in seiner im Überdenkungsverfahren erstellten Stellungnahme vom 29. August 2014 zwar nach Ausschöpfung seines Beurteilungsspielraums dafür gehalten, dass es für „eine gute Leistung […] keinen Spielraum“ gegeben habe. Doch ist damit lediglich das Ergebnis der Abwägung mitgeteilt, in die ausdrücklich eingestellt worden ist, dass die benannten „Mängel auch teilweise eine Bewertung im ausreichenden Bereich ermöglichen“ würden, jedoch das „sprachliche und sicherere Auftreten“ der Klägerin für den Prüfungsausschuss „überzeugend genug“ gewesen sei, „um bei der Bewertung wieder in den befriedigenden Bereich zu gelangen.“ Der Prüfungsausschuss hat damit seinen Beurteilungsspielraum nicht verkannt, sondern ihn gerade in bestimmter Weise ausgeübt.

103

t. Die Klägerin sucht ihre eigene Einschätzung (Klageschrift, S. 21), bei ihrer Prüfungsleistung habe es sich „keineswegs um eine nicht hervorragende“ gehandelt, ohne Erfolg an die Stelle der den Prüfern obliegenden Bewertung zu setzen. Die Bewertung ihrer Prüfungsleistung mit – immerhin – 9 Punkten widerspricht zumindest nicht zulasten der Klägerin allgemein gültigen Bewertungsmaßstäben. Nach dem gemäß § 9 APO-AH anwendbaren Notensystem weist eine Bewertung mit 9, 8 oder 7 Punkten (Note „befriedigend“) eine Leistung aus, die im Allgemeinen den Anforderungen entspricht, während eine Bewertung mit 10, 11 oder 12 Punkten (Note „gut“) für eine Leistung steht, die voll den Anforderungen entspricht. Darauf hat der Prüfungsausschuss in seiner Stellungnahme vom 29. August 2014 ausdrücklich Bezug genommen. Das Fehlen von Leistungen der Klägerin im Anforderungsbereich III (s.o. n.) verhinderte in Übereinstimmung mit Tz. 5.2.3 der Anlage 16 der benannten Richtlinie eine Bewertung der Leistung mit „gut“ (s.o. k.).

II.

104

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 22. März 2017 - 2 K 1201/15

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 22. März 2017 - 2 K 1201/15

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 22. März 2017 - 2 K 1201/15 zitiert 12 §§.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

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(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Zivilprozessordnung - ZPO | § 415 Beweiskraft öffentlicher Urkunden über Erklärungen


(1) Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffen

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Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 22. März 2017 - 2 K 1201/15 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 05. Nov. 2015 - 2 K 950/14

bei uns veröffentlicht am 05.11.2015

Tenor Der Bescheid vom 26. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass dem Kläger mindestens drei Prüfungsversuche für die Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ zus

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 23. Dez. 2014 - 2 K 1285/11

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Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 27. Sept. 2012 - 9 S 2143/11

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Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 2. März 2011 - 2 K 179/10 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand  1 Der Kläger we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Der Bescheid vom 26. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass dem Kläger mindestens drei Prüfungsversuche für die Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ zustehen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen des Studiums im Masterstudiengang Entrepreneurship bei der Beklagten und begehrt die Feststellung, dass ihm weitere Prüfungsversuche zustehen.

2

Der Kläger nahm zum 1. Oktober 2007 das Studium im Masterstudiengang Entrepreneur-ship bei der Beklagten auf.

3

Im Wintersemester 2007/08 nahm er erstmals an dem Kurs „Lehrprojekt Entrepreneur-ship I“ teil, in dem eine Hausarbeit zu schreiben war. Bis zum vorgesehenen Abgabetermin am 14. April 2008 gab der Kläger keine Hausarbeit ab. Nachdem der Abgabetermin für die zweite Hausarbeit auf Antrag des Klägers auf den 29. Oktober 2008 verschoben worden war, gab er die Hausarbeit am 26. Oktober 2008 ab. Die Hausarbeit wurde mit „nicht bestanden“ bewertet. Die dritte Hausarbeit reichte der Kläger am 16. Juni 2009 ein.

4

Mit Bescheid vom 26. Juli 2010 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er die Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ gemäß § 12 Abs. 3 der Prüfungsordnung endgültig nicht bestanden habe, und darauf hingewiesen, dass gemäß § 40 Abs. 2 der Prüfungsordnung die Masterprüfung nicht mehr bestanden werden könne. Auf dem in der Sachakte der Beklagten befindlichen Bescheid befindet sich ein handschriftlicher Vermerk folgenden Inhalts: „Heute 26.7.10 mit bewerteter Arbeit persönlich übergeben!“

5

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom gleichen Tag Widerspruch, den er damit begründete, dass ihm ein weiterer Prüfungsversuch zustehe. Bei der ersten Hausarbeit mit Abgabetermin am 14. April 2008 sei er für eine andere Prüfung krankgeschrieben gewesen und beantrage, seine Krankschreibung auch auf die (erste) Hausarbeit zu beziehen. Hilfsweise begehre er die Neubewertung der zuletzt geschriebenen Hausarbeit. Wegen der durch den Kläger insofern geltend gemachten Bewertungsfehler wird auf die Widerspruchsbegründung verwiesen.

6

Am 18. Oktober 2010 nahm die Erstprüferin Frau … zu den durch den Kläger erhobenen Bewertungsrügen Stellung, wobei sie an der Bewertung mit „nicht bestanden“ festhielt. Am 17. November 2010 teilte die Zweitprüferin … mit, dass sie sich den Ausführungen der Erstprüferin anschließe.

7

Auf der Sitzung am 17. November 2010 beschloss der Prüfungsausschuss, dem Widerspruch des Klägers nicht abzuhelfen. Dies wurde dem Kläger mit Schreiben vom 19. November 2010, das mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, mitgeteilt.

8

Am 22. November 2010 erhob der Kläger „Widerspruch“ gegen die Nichtabhilfemitteilung und fügte ein auf den 3. Februar 2008 datiertes Schreiben bei, wonach er sich von der der ersten Hausarbeit abmelde, sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Herrn Dr. … vom 18. März 2008 für den Zeitraum vom 18. März 2008 bis 13. April 2008. Er teilte mit, dass er das Attest in der ersten Juniwoche 2008 postalisch an die Beklagte versandt habe.

9

Am 21. Dezember 2010 ging ein Antrag des Klägers auf Neubewertung der im Sommersemester 2008 geschriebenen Hausarbeit bei der Beklagten ein.

10

Mit anwaltlichem Schreiben vom 1. November 2011 trug der Kläger zur Begründung seines Widerspruchs weiter vor: Der erste Prüfungsversuch könne nicht gewertet werden, da er, der Kläger, „abgemeldet“ und krank geschrieben gewesen sei; es sei unerklärlich, warum die Abmeldung und die Atteste erst 2010 eingegangen seien. Die Entscheidung über den Prüfungsrücktritt stünde aus. Aus der Nichtabgabe der Hausarbeit innerhalb der festgelegten Bearbeitungszeit könne nicht gefolgert werden, dass die Bewertung der Hausarbeit mit „nicht bestanden“ ihm bekannt gegeben worden sei. Der zweite Versuch könne ebenfalls nicht gewertet werden, da sich die Hausarbeit, gegen deren Bewertung er Widerspruch erhoben habe, nicht in der Sachakte befinde. Im Hinblick auf den dritten Versuch befinde sich nur noch die Kopie der Hausarbeit in der Sachakte; das Gutachten, das sich auf der Rückseite der Hausarbeit befunden habe, sei nicht (mehr) vorhanden. Da die Unauffindbarkeit des Originals zulasten der Beklagten gehe, sei ihm auch insofern ein Wiederholungsversuch zuzugestehen. Die Prüfungsversuche könnten zudem deshalb nicht gewertet werden, da die Prüferinnen entgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 der Prüfungsordnung nicht ordnungsgemäß bestellt worden seien. Zudem ergebe sich erst aus § 35 Abs. 5 der Prüfungsordnung i.V.m. III.3 §§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 der Studienordnung, dass eine Hausarbeit im Lehrprojekt geschrieben werden müsse. Die Prüfungsordnung enthalte zudem keine Regelungen zur Bearbeitungszeit. Dies verstoße gegen § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG, wonach Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen in Hochschulprüfungsordnungen geregelt werden müssten und nicht in der Studienordnung.

11

Nachdem Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten gescheitert waren, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2014 zurück. Die Bewertungen der ersten beiden Hausarbeiten seien bestandskräftig geworden. Ein nachträglicher Prüfungsrücktritt komme nicht in Betracht. Im Hinblick auf den dritten Prüfungsversuch seien Bewertungsfehler, für die der Kläger die Beweislast trage, nicht erkennbar. Die Prüferinnen seien ordnungsgemäß bestellt worden.

12

Der Kläger hat am 27. Februar 2014 Klage erhoben. Zu deren Begründung wiederholt und vertieft er seinen Vortrag aus dem Vorverfahren und trägt ergänzend insbesondere vor, dass die von der Beklagten als Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid herangezogene Vorschrift des § 12 Abs. 3 der Prüfungsordnung nichtig und unanwendbar sei, da die darin vorgesehene Kombination der anzahlmäßigen Begrenzung der Wiederholungsmöglichkeiten und der Prüfungsfristenregelung nicht mit § 65 HmbHG in der bei Erlass der Prüfungsordnung gültigen Fassung von 2001 vereinbar sei.

13

Nachdem der Kläger zunächst angekündigt hatte, neben der Aufhebung des Bescheids vom 26. Juli 2014 und des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 auch die Aufhebung der Nichtabhilfemitteilung vom 19. November 2010 zu beantragen, hat er den Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2015 klargestellt.

14

Der Kläger beantragt,

15

den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 aufzuheben und festzustellen, dass ihm mindestens drei Prüfungsversuche für die Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ zustehen,

16

hilfsweise,

17

die Beklagte zu verpflichten, über die Bewertung der von ihm am 26. Oktober 2008 und 16. Juni 2009 abgegebenen Hausarbeiten (erneut) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Vorverfahren und führt ergänzend aus, dass die Prüfungsordnung im Hinblick auf die zu erbringenden Prüfungsleistungen mit § 60 Abs. 2 HmbHG vereinbar sei. In § 11 der Prüfungsordnung würden die Bestimmungen zur Bewertung der Prüfungsleistungen genannt. In § 35 Abs. 1 der Prüfungsordnung fänden sich die Regelungen zu Zahl, Art und Dauer der im Rahmen der Masterstudiengänge zu erbringenden Prüfungsleistungen. Der in § 35 Abs. 5 der Prüfungsordnung enthaltene Verweis auf die Studienordnung, die nähere Vorgaben zu der im Lehrprojekt zu erbringenden Hausarbeit enthalte, sei von § 60 Abs. 2 Nr. 1 HmbHG gedeckt, der erlaube, dass Inhalt und Aufbau des Studiums auch in Studienordnungen geregelt werden könnten.

21

Im Hinblick auf die Vereinbarkeit des § 12 Abs. 3 der Prüfungsordnung mit § 60 HmbHG hat die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2015 mitgeteilt, dass von der Fristenregelung nach § 12 Abs. 3 Satz 2 der Prüfungsordnung in der Praxis der Beklagten kein Gebrauch gemacht werde.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sachakte der Beklagten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

23

Die Klage ist bereits im Hauptantrag zulässig (hierzu unter 1.) und begründet (hierzu unter 2.).

24

1. Die Klage ist zulässig.

25

Soweit sie auf die Aufhebung des Bescheids vom 26. Juli 2010 und des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 gerichtet ist, ist sie als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

26

Soweit sie auf die Feststellung der dem Kläger zustehenden Prüfungsversuche gerichtet ist, ist sie als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und sind auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben.

27

Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO liegt im Hinblick auf die Anzahl der dem Kläger im Rahmen seines Masterstudiums konkret noch zustehenden Prüfungsversuche vor.

28

Das berechtigte Interesse an der Feststellung ergibt sich daraus, dass nach der Rechtsauffassung der Beklagten das Bestehen der Hausarbeit Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss des Studiums im Masterstudiengang Entrepreneurship ist. Denn in dem Bescheid vom 26. Juli 2010 hat sie den Kläger darauf hingewiesen, dass er nach der Prüfungsordnung wegen des endgültigen Nichtbestehens dieser Prüfungsleistung sein Studium nicht mehr erfolgreich beenden könne.

29

Der Feststellungsklage steht auch § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, entfällt die dort angeordnete Subsidiarität jedenfalls dann, wenn eine Umgehung der insbesondere für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Sonderregeln nicht in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.7.1976, VII C 71.75, BVerwGE 51, 69, juris Rn. 21 m.w.N.). Dies ist hier der Fall, da die Zulassung des Klägers zu weiteren Prüfungsversuchen im Rahmen der Hausarbeit weder mit der Anfechtungs- noch mit der Verpflichtungsklage, sondern mit der allgemeinen Leistungsklage zu erstreben wäre, die wie die Feststellungsklage weder die vorherige Durchführung eines behördlichen Vorverfahrens voraussetzt noch fristgebunden ist (vgl. Pietzcker, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 28. EL 2015, § 43 Rn. 43).

30

Dass vorliegend weder Anfechtungs- noch Verpflichtungsklage statthaft wären, beruht darauf, dass im Hinblick auf die streitgegenständliche Hausarbeit keine gesonderte Zulassung durch Verwaltungsakt erfolgt. Ob die Zulassung zu einer Prüfung Verwaltungsaktqualität hat oder nicht, beurteilt sich – vergleichbar mit der Frage, ob der Bewertung einer Prüfungsentscheidung Verwaltungsaktqualität zukommt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 23.5.2012, 6 C 8/11, juris Rn. 14; Beschl. v. 25.3.2003, 6 B 8/03, juris Rn. 3) – nach der konkreten Ausgestaltung des Prüfungs- bzw. Zulassungsverfahrens durch die jeweilige Prüfungsordnung.

31

Maßgeblich für das Studium des Klägers, das dieser zum 1. Oktober 2007 aufgenommen hat, ist die „Ordnung für die Bachelorprüfung im Interdisziplinären Bachelorstudiengang Sozialökonomie und die Masterprüfung in den konsekutiven Masterstudiengängen Europastudien, International Business Administration, Entrepreneurship, Human Resource Management – Personalpolitik und Ökonomische und Soziologische Studien“ (v. 12.6.2003, Amtl. Anz. S. 4473, zuletzt geändert am 15.6.2005, Amtl. Anz. S. 1568 - PO) und nicht die „Neufassung der Ordnung für die Bachelorprüfung im Interdisziplinären Bachelorstudiengang Sozialökonomie und die Masterprüfung in den konsekutiven Masterstudiengängen Europastudien, International Business Administration, Entrepreneurship, Human Resource Management – Personalpolitik und Ökonomische und Soziologische Studien“ (vom 2.7.2008 und 9.7.2008, Hochschulanzeiger Nr. 18 v. 12.8.2008), die gemäß ihrem § 45 nur für Studierende gilt, die ab dem Wintersemester 2008/2009 ihr Studium begonnen haben.

32

Gemäß § 31 Abs. 1 PO ist zwar für die Teilnahme an den Prüfungen des Masterstudiums eine vorherige Zulassung zum Masterstudium erforderlich und dürfte es sich bei dieser Zulassungsentscheidung auch um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 HmbVwVfG handeln. Nach dieser „Grundzulassung“ zum Masterstudium und zu den Prüfungen des Masterstudiums nach § 31 Abs. 1 PO ergehen jedoch für die im Einzelnen abzulegenden Prüfungen keine weiteren Zulassungsentscheidungen mehr. Der Vorschrift des § 7a Abs. 1 PO lässt sich vielmehr entnehmen, dass für die im Bachelor- und im Masterstudiengang zu erbringenden Klausuren nur noch eine „Anmeldung“ der Studierenden (und nicht etwa ein Antrag auf Zulassung) erforderlich ist. Auch für Hausarbeiten finden sich weder in der Prüfungsordnung noch in der für den Kläger maßgeblichen „Studienordnung für den Interdisziplinären Bachelorstudiengang Sozialökonomie und die konsekutiven Masterstudiengänge Europastudien, International Business Administration, Entrepreneur-ship, Human Ressource Management – Personalpolitik, Daten- und Informationsmanagement, Gender und Arbeit und Ökonomische und soziologische Studien“ (v. 12.6.2003, Amtl. Anz. S. 4484, mit Änderungen zuletzt v. 15.6.2005, Amtl. Anz. S. 1570 - StudO) gesonderte Zulassungsbestimmungen. Soweit ersichtlich hat die Beklagte auch in der Vergangenheit über die Teilnahme des Klägers an der streitgegenständlichen Hausarbeit nicht durch förmlichen Bescheid oder eine sonstige Mitteilung entschieden, die nach den auch im öffentlichen Recht geltenden Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB als Verwaltungsakt angesehen werden könnte.

33

2. Die Klage ist auch begründet. Der Kläger kann sowohl die Aufhebung des angefochtenen Bescheids (hierzu unter a.) als auch die Feststellung beanspruchen, dass ihm mindestens drei Prüfungsversuche zustehen (hierzu unter b.).

34

a. Der Bescheid vom 26. Juli 2010, mit dem das endgültige Nichtbestehen der Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ festgestellt und dem Kläger mitgeteilt worden ist, dass er sein Studium nicht mehr erfolgreich beenden könne, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Januar 2014 ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, da er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.

35

Dabei kann an dieser Stelle offenbleiben, ob die Beklagte die Feststellung des Nichtbestehens der Hausarbeit im Lehrprojekt, bei der es sich um eine Prüfungsleistung des Masterstudiengangs Entrepreneurship i.S.d. § 35 Abs. 5 PO handelt, auf § 12 Abs. 3 Satz 1 PO stützen konnte oder ob diese Bestimmung wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig und unanwendbar ist (vgl. hierzu jedoch unten unter b.aa.).

36

Denn auch wenn der Nichtbestehensbescheid deshalb auf § 65 Abs. 1 Satz 1 des Hamburgischen Hochschulgesetzes in der bei Erlass des Widerspruchsbescheids am 30. Januar 2014 gültigen Fassung (v. 19.7.2001, HmbGVBl. 171 - HmbHG 2001) zu stützen wäre, wonachZwischen- und Abschlussprüfungen zweimal und andere Prüfungen bis zu zweimal wiederholt werden können, ist Voraussetzung für eine solche Feststellung, dass die drei fraglichen Prüfungsversuche auf Grundlage einer rechtsgültigen Prüfungsordnung abgenommen worden sind.

37

Soweit die Prüfungsordnung wegen formeller oder inhaltlicher Mängel rechtsungültig ist, führt dies regelmäßig dazu, dass der beanstandeten Prüfungsentscheidung die erforderliche rechtliche Grundlage fehlt und sie rechtswidrig und aufzuheben ist (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 62). Dies hat zur Konsequenz, dass die Prüfung – nach Erlass einer rechtsgültigen Prüfungsordnung – als Erstprüfung erneut abgehalten werden muss (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 58, 62; BVerwG, Urt. v. 29.5.2013, 6 C 18/12, juris Rn. 50).

38

An einer wirksamen Grundlage in der Prüfungsordnung fehlt es für die streitgegenständliche Prüfungsleistung jedoch.

39

Dabei kann dahinstehen, ob die Bewertungen des ersten und zweiten Prüfungsversuchs des Klägers mit „nicht bestanden“, wie die Beklagte meint, bestandskräftig geworden sind bzw. ob diese Bewertungen überhaupt der Bestandskraft fähig sind, was voraussetzen würde, dass es sich bei den Bewertungen von Modulprüfungen um Verwaltungsakte i.S.d. § 35 Satz 1 HmbVwVfG handelt (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 23.5.2012, 6 C 8/11, juris Rn. 14).

40

Denn jedenfalls die Bewertung des dritten Prüfungsversuchs, die dem Kläger am 26. Juli 2010 mit der Übergabe des Nichtbestehensbescheids bekannt gegeben worden ist, ist durch die fristgerechte Erhebung von Widerspruch und Klage gemäß § 80 Abs. 1 VwGO mit aufschiebender Wirkung angefochten worden. Dieser Prüfungsversuch ist nicht auf Grundlage einer rechtsgültigen Prüfungsordnung abgenommen worden. Denn die für den Kläger maßgebliche Prüfungsordnung genügt im Hinblick auf die streitgegenständliche Hausarbeit den Anforderungen von § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG nicht.

41

Die Vorschrift des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG ist, abgesehen von der mit dem Gesetz zur Verbesserung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte und des Bachelor-Master-Studiensystems (v. 6.7.2010, HmbGVBl. S. 473) zum 15. Juli 2010 bewirkten Ersetzung der Textstelle „Zwischen- und Abschlussprüfungen“ durch die Textstelle „Prüfungen in modularisierten Studiengängen, Zwischen- und Abschlussprüfungen“, mit der klargestellt werden sollte, dass die inhaltlichen Vorgaben für die Hochschulprüfungsordnungen auch für Prüfungsordnungen in modularisierten Studiengängen gelten (Bü.-Drs. 19/6214, S. 13), seit ihrem Erlass (Gesetz zur Neuordnung des Hochschulrechts v. 19.7.2001, HmbGVBl. 171) unverändert geblieben und galt damit sowohl im fraglichen Prüfungszeitraum als auch bei Erlass des Widerspruchsbescheids. Nach dieser Vorschrift sind in Hochschulprüfungsordnungen, die Prüfungen in modularisierten Studiengängen, Zwischen- und Abschlussprüfungen oder Abschlussprüfungen betreffen, insbesondere Be-stimmungen aufzunehmen über Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen.

42

§ 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG erfordert es, dass diese Bestimmungen konkret in der Prüfungsordnung selbst geregelt werden (vgl. Delfs, in Neukirchen, Reußow/Schomburg, Hamburgisches Hochschulgesetz, 2011, § 60 Rn. 4). Diese gesetzliche Vorgabe ist, da die Regelung von Prüfungsanforderungen und Prüfungsverfahren in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit eingreift, Ausfluss der Wesentlichkeitstheorie (vgl. Delfs, a.a.O., § 60 Rn. 2). Dabei betreffen die Bestimmungen gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG die Prüfungsanforderungen und damit „zentrale Elemente der Hochschulprüfungsordnung“ (Delfs, a.a.O, § 60 Rn. 8). Hieraus folgt, dass ein strenger Maßstab anzulegen ist: Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen sind – hinreichend konkret – in der Prüfungsordnung selbst zu regeln, eine Regelung in einem anderen Dokument – auch in einer Studienordnung – ist nicht zulässig. Für die Anlegung dieses strengen Maßstabs und gegen eine großzügige Öffnung zugunsten von Studienordnungen spricht auch, dass, während in § 60 Abs. 2 Nr. 1 HmbHG ausdrücklich geregelt ist, dass „Inhalt und Aufbau des Studiums (…) auch in gesonderten Ordnungen (Studienordnungen) geregelt werden“ können, eine solche Bestimmung in § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG fehlt. Zudem müssen Studienordnungen anders als Prüfungsordnungen nicht durch das Präsidium genehmigt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 3 HmbHG) und nicht im Amtlichen Anzeiger veröffentlicht werden (vgl. § 108 Abs. 5 Satz 1 HmbHG). Auch dass sich an die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens einer nach der Prüfungsordnung vorgesehenen Prüfung nach § 44 HmbHG erhebliche Rechtsfolgen für die Studierenden knüpfen – sie können das Studium an einer Hamburger Hochschule nicht in dem gleichen Studiengang fortsetzen und können, wenn die Prüfungsgegenstände der endgültig nicht bestandenen Prüfung auch in diesem Studiengang durch die Prüfungsordnung verbindlich vorgeschrieben sind, das Studium auch in einem anderen Studiengang nicht fortsetzen – spricht dagegen, die Regelungen über die Prüfungsanforderungen in einem anderen Dokument als der Prüfungsordnung selbst zuzulassen.

43

Entgegen der Bestimmung des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG ergibt sich im vorliegenden Fall jedoch erst aus der Studienordnung und nicht bereits aus der Prüfungsordnung, dass im Lehrprojekt I eine Hausarbeit zu erbringen ist, welchen Umfang sie haben soll und wie sie zu bewerten ist.

44

Dabei kann offen bleiben, ob sich die Bestimmungen in § 35 Abs. 1 PO, wie die Beklagte meint, auch auf die im Masterstudium zu erbringenden Fachprüfungsleistungen nach § 35 Abs. 5 PO beziehen oder nur die Prüfungsleistungen aus dem Bereich „Allgemeine Studien“ betreffen. Gemäß § 35 Abs. 1 PO sind Fachkurse, Projekte, betreute Projektgruppen, Lernwerkstätten und Kurse aus dem Bereich „Allgemeine Studien“ mit jeweils einer Prüfungsleistung abzuschließen; die Art der Leistungsnachweise – die in § 35 Abs. 5 Satz 2 PO bezogen auf eine zweistündige Lehrveranstaltung regelhaft aufgezählt sind und u.a. in Hausarbeiten in einem Umfang von 10 bis 12 Seiten bestehen können – werden durch die Kursleiterinnen bzw. Kursleiter mit Zustimmung der zuständigen Masterausschüsse bestimmt. Denn die Vorschrift genügt den Anforderungen des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG nicht, da sie jedenfalls die Art der Prüfungsleistung nicht selbst konkret regelt, sondern ihre Bestimmung den Kursleitern überlässt. Auch der Bestimmung des § 35 Abs. 5 PO lässt sich eine Regelung von Zahl, Art, Dauer und Bewertung der Prüfungsleistung nicht entnehmen, wenn es dort heißt: „Im Masterprogramm ‚Entrepreneurship‘ sind weitere Fachprüfungsleistungen im Umfang von 84 Kreditpunkten zu erbringen, davon Prüfungsleistungen im Umfang von 45 Kreditpunkten in Projekten. Das Nähere regelt die Studienordnung.“ § 11 PO lässt sich zwar entnehmen, wie die Prüfungsleistungen im Einzelnen zu bewerten sind. Eine konkrete Bestimmung der für die einzelnen Prüfungsleistungen zu vergebenden Kreditpunkte, die für die Berechnung der Gesamtnote der Masterarbeit gemäß § 40 Abs. 2 PO erforderlich ist und damit ebenfalls eine notwendige Bestimmung zur Bewertung der Prüfungsleistung i.S.d. § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG darstellt (vgl. Delfs, a.a.O., § 60 Rn. 8), enthält die Prüfungsordnung hingegen nicht. In § 34 Abs. 2 PO wird insofern lediglich bestimmt, dass für bestandene Prüfungen mindestens drei Kreditpunkte und im Falle „von Lehrveranstaltungen, die ein höheres Maß an studentischer Eigenarbeit voraussetzen (…) oder für die eine Große Hausarbeit als Prüfungsleistung erbracht wird, (…) eine dem Anteil der Eigenarbeit entsprechend höhere Anzahl von Kreditpunkten zu vergeben“ sind.

45

Erst aus Abschnitt III.3, §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 2, 5 Abs. 1 StudO ergibt sich, dass im ersten Semester im Rahmen des sog. Lehrprojekts eine Hausarbeit im Umfang von 25 Seiten geschrieben werden soll, für die 9 Kreditpunkte vergeben werden.

46

Anders als die Beklagte meint, betreffen diese Regelungen auch nicht lediglich Inhalt und Aufbau des Studiums, sondern die Zahl (eine Prüfungsleistung), die Art (Hausarbeit, Seitenanzahl) und die Bewertung (konkrete Anzahl der Kreditpunkte) der Prüfungsleistung. Die Dauer der Prüfungsleistung, d.h. die den Prüflingen einzuräumende Bearbeitungszeit für die Hausarbeit, lässt sich dabei weder der Prüfungsordnung noch der Studienordnung entnehmen.

47

Dass die Prüfungsordnung im Hinblick auf diese Bestimmungen auf die Studienordnung verweist, ändert nach dem oben beschriebenen strengen Maßstab nichts an dem Verstoß gegen § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG.

48

b. Auch im Hinblick auf die vom Kläger begehrte Feststellung, dass ihm mindestens drei Prüfungsversuche für die Hausarbeit im Lehrprojekt „Entrepreneurship I“ zustehen, ist die Klage begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Teilnahme an der streitgegenständlichen Prüfung (hierzu unter aa.), der weder durch Fristen noch die Anzahl der Prüfungsversuche beschränkt ist (hierzu unter bb.).

49

aa. Der (grundsätzliche) Anspruch des Klägers auf Teilnahme an der Prüfung ergibt sich als Teilhaberecht nach der staatlichen Errichtung der Beklagten als beruflicher Ausbildungseinrichtung und der Zulassung des Klägers zum Masterstudium gemäß § 31 Abs. 1 PO aus dem Gleichheitssatz in Verbindung mit der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.9.1973, VII C 2.70, NJW 1974, 573, juris Rn. 9; OVG Münster, Urt. v. 30.1.2015, 14 A 2307/13, juris Rn 29 m.w.N.).

50

Dem Anspruch auf Prüfungsteilnahme steht dabei nicht entgegen, dass die Bestimmungen in der Prüfungsordnung den Anforderungen des § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG auch gegenwärtig nicht entsprechen. Denn der Mangel der Prüfungsordnung führt zwar dazu, dass der auf diesen Bestimmungen beruhende, den Kläger belastende Bescheid über das endgültige Nichtbestehen aufzuheben ist (vgl. oben unter a.). Dies bedeutet jedoch nicht, dass dem Kläger die Teilnahme an der Prüfung solange versagt werden könnte, bis die Prüfungsordnung unter Berücksichtigung der Anforderungen höherrangigen Rechts geändert worden ist. Denn die Teilnahme an einer Prüfung setzt grundsätzlich nicht voraus, dass an ihr Nichtbestehen rechtlich wirksame nachteilige Folgen für den Studierenden geknüpft sind. Zudem geht es bei der Teilnahme an der Prüfung nicht um die Abwehr eines Eingriffs, sondern um die Erweiterung des Rechtskreises des Klägers in Form der Geltendmachung eines Prüfungsanspruchs, so dass die (übergangsweise) Anwendung der rechtsungültigen Vorschriften insoweit unbedenklich ist (vgl. OVG Münster, Urt. v. 30.1.2015, a.a.O., juris Rn. 29).

51

bb. Der Anspruch auf Prüfungsteilnahme ist nach aktueller Rechtslage weder durch Fristen noch in der Anzahl begrenzt, so dass dem Kläger – unabhängig von der Anzahl der (wirksamen) Prüfungsversuche in der Vergangenheit – mindestens drei Prüfungsversuche zustehen.

52

Dabei ergibt sich der Anspruch auf zumindest einen weiteren Prüfungsversuch bereits daraus, dass jedenfalls der letzte (nicht bestandskräftige) Prüfungsversuch mangels ausreichender Grundlage in der Prüfungsordnung rechtlich „ins Leere gegangen“ ist, so dass er erneut abzunehmen ist (vgl. oben unter a.).

53

Ob dies auch im Hinblick auf die ersten beiden Prüfungsversuche der Fall ist oder ob deren Bewertungen mit „nicht bestanden“ bestandskräftig geworden sind, kann dahinstehen.

54

Denn aus der Prüfungsordnung ergibt sich derzeit keine rechtsgültige Beschränkung der Prüfungsversuche (hierzu unter (1)). Auch höherrangigem Recht lässt sich eine Höchstgrenze nicht (mehr) entnehmen, sondern vielmehr ein Anspruch auf mindestens drei Prüfungsversuche (hierzu unter (2)).

55

(1) Eine rechtsgültige Begrenzung der Prüfungsversuche für die streitgegenständliche Hausarbeit auf insgesamt drei Prüfungsversuche ergibt sich nicht aus § 12 Abs. 3 Satz 1 PO. Denn die Bestimmung des § 12 Abs. 3 PO ist wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig und unanwendbar.

56

Gemäß § 12 Abs. 3 PO können Bachelor- und Masterprüfungsleistungen – mit Ausnahme der Abschlussarbeit gemäß § 12 Abs. 1 PO – zweimal wiederholt werden, wenn sie schlechter als 4,0 bewertet worden sind. Für die Wiederholungsprüfung kann der Dozent bzw. die Dozentin eine abweichende, gleichwertige Prüfungsart festlegen. Die Prüfungen müssen im Bachelorstudium einschließlich sämtlicher Wiederholungen im ersten Studienjahr gemäß § 22 PO innerhalb einer Frist von vier Semestern, beginnend mit dem Semester der Zulassung zum ersten Studienjahr, im zweiten und dritten Studienjahr gemäß § 23 PO innerhalb von einer Frist von acht Semestern, beginnend mit dem Semester der Zulassung zum zweiten Studienjahr, erbracht werden, im Masterstudium innerhalb einer Frist von sechs Semestern beginnend mit dem Semester der Zulassung zu den Masterprüfungen. Für Teilzeitstudierende verlängert sich die Frist um jeweils 50 %. Der Prüfungsausschuss kann diese Frist bei begründetem Antrag verlängern. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 PO gilt die entsprechende Prüfung, wenn die Fristen nicht eingehalten werden, als nicht bestanden und wird mit „nicht ausreichend" (5,0) bewertet.

57

Diese in § 12 Abs. 3 PO enthaltene Kombination der Beschränkung der Anzahl der Wiederholungsversuche auf zwei (§ 12 Abs. 3 Satz 1 PO) mit der Beschränkung der Wiederholungsmöglichkeiten durch Prüfungsfristen (§ 12 Abs. 3 Satz 2 PO) verstößt gegen § 65 des Hamburgischen Hochschulgesetzes in der vom 19. Juli 2001 (HmbGVBl. 171) bis 30. Juni 2014 (sodann geändert durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts v. 8.7.2014, HmbGVBl. 269) gültigen Fassung (HmbHG 2001).

58

An dieser Fassung (§ 65 HmbHG 2001) und nicht an der aktuellen Fassung (§ 65 HmbHG) der Norm muss sich § 12 Abs. 3 PO deshalb messen lassen, weil die für den Kläger maßgebliche Prüfungsordnung bereits am 12. Juni 2003 erlassen und letztmalig am 15. Juni 2005 geändert worden ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtsgültigkeit von Rechtsnormen ist derjenige ihres Erlasses; die spätere Änderung höherrangigen Rechts kann den Gültigkeitsmangel der untergesetzlichen Vorschrift nicht nachträglich beseitigen.

59

Zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt für die Vereinbarkeit von untergesetzlichen Rechtsnormen mit höherrangigem Recht hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschl. v. 15.11.1967, 2 BvL 7/64, 2 BvL 22 BvL 20/64, 2 BvL 22 BvL 22/64, juris Ls. 1 und Rn. 65) wie folgt ausgeführt:

60

„Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, daß der Gesetzgeber die staatlicher Eingriffsmöglichkeit offenliegende Rechtssphäre selbst abgrenzt und dies nicht dem Ermessen der Exekutive überläßt (vergleiche BVerfG 1958-07-10 1 BvF 1/58 = BVerfGE 8, 71, 76).

61

Es fordert, daß die Exekutive als Verordnungsgeber in den Rechtskreis des einzelnen Bürgers durch Erlaß von Rechtsvorschriften nur eingreifen darf, wenn sie dazu in einem Gesetz ermächtigt ist und wenn diese Ermächtigung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß so hinreichend bestimmt und begrenzt ist, daß die möglichen Eingriffe für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar werden (vergleiche BVerfG 1958-07-10 1 BvF 1/58 = BVerfGE 9, 137, 147 unter Hinweis auf BVerfG 1958-11-12 2 BvL 4/56 = BVerfGE 8, 274, 325; BVerfG 1958-11-12 2 BvL 26/56 = BVerfGE 8, 274, 325; BVerfG 1958-11-12 2 BvL 40/56 = BVerfGE 8, 274, 325; BVerfG 1958-11-12 2 BvL 1/57 = BVerfGE 8, 274, 325; BVerfG 1958-11-12 2 BvL 7/57 = BVerfGE 8, 274, 325). An der Voraussehbarkeit des Inhaltes von Rechtsverordnungen würde es jedoch fehlen, wenn eine Rechtsverordnung zunächst ohne gesetzliche Ermächtigung erlassen würde und der Gesetzgeber eine derartige Rechtsverordnung mit rückwirkender Kraft nachträglich genehmigen könnte.“

62

Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 27.3.2014, 4 CN 3/13, BVerwGE 149, 229-244, juris Rn. 27) sind Rechtsnormen, die unter Verletzung (zwingenden) höherrangigen Rechts, das in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt zu beachten war, zustande gekommen sind, von Anfang an nichtig:

63

„Rechtsnormen, die unter Verletzung (zwingenden) höherrangigen Rechts, das in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt zu beachten war, zustande gekommen sind, sind im Grundsatz von Anfang an (ex tunc) und ohne Weiteres (ipso iure) unwirksam (vgl. z.B. Gerhardt/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand April 2013, vor § 47 Rn. 6 und Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 47 Rn. 112 und 120), soweit sich nicht aufgrund gesetzlicher Sonderregelungen anderes ergibt (vgl. Beschluss vom 7. März 2002 - BVerwG 4 BN 60.01 - Buchholz 406.13 § 5 ROG Nr. 3 S. 10).“

64

Diese Grundsätze gelten auch für das Zustandekommen anderer untergesetzlicher Rechtsnormen wie Prüfungsordnungen. Eine Vorschrift im Hamburgischen Hochschulgesetz, wonach es für ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht nicht auf den Zeitpunkt ihres Erlasses ankäme, ist nicht ersichtlich, und eine solche Annahme lässt sich auch nicht aus anderen Bestimmungen oder Erwägungen herleiten. Ein Verstoß der Prüfungsordnung gegen zum Zeitpunkt ihres Erlasses geltende höherrangige gesetzliche Bestimmungen führt daher zu ihrer Nichtigkeit ex tunc. Eine spätere Änderung der höherrangigen gesetzlichen Bestimmungen kann wegen des Rechtsstaatsprinzips nicht zur Heilung der Prüfungsordnung führen, da es sonst an der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der auf ihrer Grundlage möglichen Eingriffe für die Studierenden fehlen würde.

65

Die Vorschrift des § 65 HmbHG 2001 lautet wie folgt:

66

§ 65 Wiederholbarkeit

67

(1) 1 Zwischen- und Abschlussprüfungen können zweimal, andere Prüfungen bis zu zweimal wiederholt werden. 2 Die Abschlussarbeit kann einmal, nur in begründeten Ausnahmefällen ein zweites Mal wiederholt werden.

68

(2) Die Wiederholung findet in der Regel nur für die Prüfungsleistungen statt, die nicht bestanden worden sind.

69

(3) 1 Für studienbegleitende Prüfungen kann anstelle der Wiederholbarkeit bestimmt werden, dass Prüfungsleistungen innerhalb in der Prüfungsordnung festzulegender Fristen zu erbringen sind. 2 Durch die Studienorganisation ist sicherzustellen, dass drei Prüfungsversuche innerhalb der Frist möglich sind.

70

Die Auslegung dieser Norm ergibt, dass zwischen einer anzahlmäßigen Begrenzung der Prüfungsversuche gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HmbHG 2001 und einer durch Fristen begrenzten Limitierung der Prüfungsversuche gemäß § 65 Abs. 3 Satz 1 HmbHG 2001 in einer Prüfungsordnung ein Alternativverhältnis bestehen soll.

71

Für dieses Normverständnis spricht zunächst und vor allem der Wortlaut der Bestimmung: Durch die Formulierung „anstelle der Wiederholbarkeit“ in § 65 Abs. 3 Satz 1 HmbHG 2001 hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass eine Kombination der beiden Beschränkungsmöglichkeiten (nach § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 HmbHG) nicht zulässig sein soll, sondern durch den Satzungsgeber entweder das eine oder das andere Instrument zur Begrenzung der Wiederholungsversuche gewählt werden soll.

72

Dass es dabei im Normtext positiv „Wiederholbarkeit“ und nicht negativ etwa „Beschränkung der Wiederholungsversuche“ heißt, führt nicht zu einem anderen Normverständnis. Vielmehr dürfte es sich hierbei nur um eine sprachliche Ungenauigkeit des Gesetzgebers handeln. Zwar enthält § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HmbHG auch eine gesetzliche Gewährleistung für die Studierenden dahingehend, dassZwischen- und Abschlussprüfungen zweimal wiederholt werden können („Wiederholbarkeit“). Zugleich enthält die Vorschrift jedoch sowohl im Hinblick auf Zwischen- und Abschlussprüfungen i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HmbHG als auch im Hinblick auf die anderen Prüfungen i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HmbHG eine gesetzliche Obergrenze für Prüfungsversuche (vgl. Nünke, in Neukirchen/Reußow/Schomburg, Hamburgisches Hochschulgesetz, 1. Aufl. 2011, § 65 Rn. 5; Bü-Drs. 20/10491, S. 63), d.h. eine Beschränkung der Wiederholungsversuche. Da auch § 65 Abs. 3 Satz 1 HmbHG 2001 mit der Beschränkbarkeit der Prüfungsversuche durch Prüfungsfristen für die Universität eine Regelungsbefugnis zulasten der Studierenden bereithält – erst § 65 Abs. 3 Satz 2 HmbHG 2001 enthält eine positive Gewährleistung für die Studierenden –, dürfte der Gesetzgeber mit dem durch das Wort „anstelle“ zum Ausdruck gebrachten Alternativverhältnis bezweckt haben, die Regelung gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG 2001 und die Regelungsmöglichkeit gemäß § 65 Abs. 3 Satz 1 HmbHG 2001 so zu begrenzen, dass sie nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung der Studierenden führen. Dieses Bemühen zeigt auch der nachfolgende Satz gemäß § 65 Abs. 3 Satz 2 HmbHG, wonach durch die Studienorganisation sicherzustellen ist, dass drei Prüfungsversuche innerhalb der Frist möglich sind.

73

Dass die Beschränkungsmöglichkeiten von § 65 Abs. 1 und 3 HmbHG 2001 in einem Alternativverhältnis zueinander stehen sollten, ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zum Entwurf des Hochschulrechtsänderungsgesetzes (v. 22.5.1978, HmbGVBl. S. 109), mit dem die Regelung des § 65 Abs. 3 HmbHG 2001 – damals als § 60 Abs. 5 – eingeführt worden ist und zu der er heißt, dass es „in bestimmten Studiengängen (…) zweckmäßiger sein (kann), wenn bei studienbegleitenden Prüfungenstatt der Wiederholbarkeit eine Frist für die Ablegung von Prüfungen festgelegt wird“ (Bü-Drs. 13/5337, S. 35).

74

Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen für dieses Normverständnis. Denn mit der Begrenzung von Prüfungsversuchen, die im Ergebnis dazu führen kann, dass die Studierenden das aufgenommene Studium nicht erfolgreich beenden, gemäß § 44 Satz 1 HmbHG das Studium an einer Hamburger Hochschule nicht in dem gleichen Studiengang und unter den Voraussetzungen des § 44 Satz 2 HmbHG auch in einem anderen Studiengang nicht fortsetzen können, geht für die betroffenen Studierenden ein erheblicher Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG einher, der sich am Maßstab der Verhältnismäßigkeit messen lassen muss. Der Eingriff wiegt umso schwerer, wenn die Begrenzung nicht nur durch die Anzahl der Prüfungsversuche oder durch Prüfungsfristen erfolgt, sondern durch eine Kombination von beiden Begrenzungsinstrumenten. Dies gilt selbst dann, wenn gemäß § 65 Abs. 3 Satz 2 HmbHG 2001 sichergestellt ist, dass innerhalb der Prüfungsfrist eine Mindestzahl von Prüfungsversuchen zur Verfügung steht. Denn die Kombination der Begrenzungsinstrumente erhöht die Wahrscheinlichkeit des endgültigen Nichtbestehens einer Prüfungsleistung auch dann, wenn sichergestellt ist, dass innerhalb der Prüfungsfristen drei Prüfungsversuche möglich sind.

75

Aus alledem folgt, dass, wenn die Universitäten von der Regelung gemäß § 65 Abs. 3 HmbHG 2001 – vorschriftsmäßig – Gebrauch machen, die Studierenden „die – insoweit unbegrenzte – Möglichkeit“ haben müssen, studienbegleitende Prüfungen innerhalb einer bestimmten Frist abzulegen und „eine Prüfung (…) innerhalb der jeweiligen Frist so lange wiederholt werden (kann), bis sie bestanden ist“ (vgl. Nünke, a.a.O., § 65 Rn. 9).

76

Dieses durch § 65 HmbHG 2001 vorgeschriebene Alternativverhältnis findet sich in § 12 Abs. 3 PO nicht wieder. Vielmehr enthält § 12 Abs. 3 Satz 1 PO eine – anzahlmäßige – Begrenzung der Prüfungsversuche auf drei und § 12 Abs. 3 Satz 2 PO zugleich eine Beschränkung der Prüfungsversuche durch Prüfungsfristen. Beide Bestimmungen können unabhängig voneinander zum endgültigen Nichtbestehen der Prüfungsleistung führen. Dabei kann § 12 Abs. 3 Satz 1 PO auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass es sich hierbei um die Konkretisierung der Gewährleistung des § 65 Abs. 3 Satz 2 HmbHG 2001 und nicht um eine Beschränkung der Prüfungsversuche i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG 2001 handelt. Denn, abgesehen davon, dass § 12 Abs. 3 Satz 1 HmbHG keine Maßgabe im Hinblick auf die Studienorganisation enthält, wird keine Mindestbestimmung („mindestens zweimal“), sondern eine feste Anzahl von Prüfungsversuchen und damit eine Obergrenze normiert. Auch systematische Gründe sprechen dafür, § 12 Abs. 3 Satz 1 PO im Sinne einer Beschränkung und nicht im Sinne einer Mindestgewährleistung zu verstehen. Denn im Gegensatz zu § 12 Abs. 3 PO regelt § 12 Abs. 4 PO ausdrücklich, dass „nicht bestandene Leistungen nach § 22 Absätze 2 und 3 (…) innerhalb der Frist nach Absatz 3 Satz 2 beliebig oft wiederholt werden“ können.

77

Diese Unvereinbarkeit der Gesamtbestimmung des § 12 Abs. 3 PO mit § 65 Abs. 1 und 3 HmbHG 2001 kann auch nicht zugunsten der Beklagten dahingehend aufgelöst werden, dass nur die anzahlmäßige Begrenzung der Prüfungsversuche gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 PO oder nur die Begrenzung der Prüfungsversuche durch Prüfungsfristen gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 PO bestehen bliebe. Denn das Gericht kann sich nicht an die Stelle des allein zuständigen Satzungsgebers setzen und entscheiden, welche der beiden Begrenzungen für sich genommen bestehen bleiben soll. Dies wäre mit den Grundsätzen der Gewaltenteilung unvereinbar.

78

Unerheblich ist auch, ob die Behauptung der Beklagtenvertreterin zutrifft, dass von der Regelung des § 12 Abs. 3 Satz 2 PO praktisch kein Gebrauch gemacht werde. Denn für die Vereinbarkeit einer Prüfungsordnung mit höherrangigem Recht kommt es allein auf ihren Regelungsinhalt und nicht auf ihre Anwendung in der Praxis an.

79

(2) Auch höherrangigem Recht lässt sich eine Begrenzung der Prüfungsversuche für die hier in Streit stehende Modulprüfung nicht (mehr) entnehmen, sondern – im Gegenteil – eine Mindestanzahl von Prüfungsversuchen.

80

Maßgeblich für die Frage der dem Kläger gegenwärtig noch zustehenden Prüfungsversuche ist nicht die Vorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG 2001, die eine gesetzliche Höchstgrenze für Prüfungsversuche bei Zwischen- und Abschlussprüfungen und anderen Prüfungen statuierte, sondern § 65 Abs. 1 des Hamburgischen Hochschulgesetzes in der aktuell gültigen Fassung (v. 8.7.2014, HmbGVBl. S. 269 - HmbHG), die eine gesetzliche Obergrenze für Prüfungsversuche bei studienbegleitenden Prüfungen nicht mehr vorsieht. Denn maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die begehrte Feststellung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, da es dem Kläger nicht um die Feststellung der ihm in der Vergangenheit zustehenden Prüfungsversuche, sondern um die Feststellung der ihm gegenwärtig zustehenden Prüfungsversuche geht. Zwar ist zu berücksichtigen, dass sich der Kläger seiner Prüfung bereits unter der Geltung des § 65 HmbHG 2001 gestellt hat. Da der Kläger jedoch jedenfalls seinen letzten Prüfungsversuch wirksam angefochten hat, ist sein Prüfungsverfahren noch nicht abgeschlossen (vgl. zu dieser Voraussetzung: OVG Bautzen, Urt. v. 23.4.2013, 2 A 525/11, juris Rn. 25). Eine Übergangsvorschrift ist in dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts (v. 8.7.2014, HmbGVBl. S. 269), mit dem die gesetzliche Höchstgrenze für Prüfungsversuche nach § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG mit Wirkung zum 1. Juli 2014 aufgehoben worden ist, für diese Gesetzesänderung nicht vorgesehen. Auch aus sonstigen Erwägungen spricht nichts dafür, die Bestimmung des § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG 2001 – zu Lasten – des Klägers weiterhin anzuwenden.

81

Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HmbHG stehen dem Kläger für die streitgegenständliche Hausarbeit mindestens drei Prüfungsversuche zu. Nach dieser Vorschrift können studienbegleitende Prüfungen nunmehr mindestens zweimal wiederholt werden. Eine Begrenzung der Prüfungsversuche für studienbegleitende Prüfungen sieht § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG nicht mehr vor, sondern nur die Gewährleistung einer Mindestanzahl von Prüfungsversuchen (vgl. auch die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Hochschulrechts, Bü-Drs. 20/10491, S. 63).

82

Bei der streitgegenständlichen Hausarbeit handelt es sich um eine studienbegleitende Prüfung i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 HmbHG. Ob es sich bei ihr zugleich auch um den Teil einer Abschlussprüfung i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 HmbHG, d.h. einer das Studium beendenden Prüfung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.11.1986, B 108/86, juris Rn. 8) handelt, da sie gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 PO Teil der Masterprüfung ist, kann dahinstehen. Denn auch wenn die Hausarbeit zugleich als Teil einer Abschlussprüfung anzusehen sein sollte, handelt es sich jedenfalls um den studienbegleitenden Teil einer solchen Prüfung. Studienbegleitende Prüfungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie thematisch dem Studienfortschritt angepasst sind (vgl. Reich, Hochschulrahmengesetz, 11. Aufl. 2012, § 15 Rn. 2). So liegt es im Falle von Modulprüfungen (vgl. auch Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 812, der die Begriffe „studienbegleitende Prüfung“ und „Modulprüfung“ synonym verwendet), mit denen nicht kursübergreifender Prüfungsstoff eines Studienabschnitts oder des gesamten Studiums abgeprüft wird, sondern nur der in dem jeweiligen Modul vermittelte Prüfungsstoff. Dass nach § 65 Abs. 1 Satz 1 HmbHG dem Prüfling bei studienbegleitenden Prüfungen grundsätzlich mehr Prüfungsversuche zustehen als bei nicht studienbegleitend abgenommenen Zwischen- und Abschlussprüfungen, erscheint vor dem Hintergrund von Art. 12 Abs. 1 GG auch sachgerecht. Denn da bei einer studienbegleitenden Prüfung, deren Nichtbestehen ebenso wie das Nichtbestehen einer nicht studienbegleitend abgenommenen Zwischen- oder Abschlussprüfung zu einem Nichtbestehen des Studiums führen kann, ein kleinerer Ausschnitt aus dem für den Studienabschluss insgesamt erforderlichen Prüfungsstoff abgeprüft wird, bestehen hier weniger Möglichkeiten, Schlechtleistungen durch gute Leistungen in einem anderen Prüfungsgebiet auszugleichen, so dass der Ausspruch des endgültigen Nichtbestehens bei diesen Prüfungsleistungen schwerer wiegt.

II.

83

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da keine obergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage existiert, ob § 60 Abs. 2 Nr. 4 HmbHG es erfordert, Zahl, Art, Dauer und Bewertung von Prüfungsleistungen konkret in der Prüfungsordnung selbst zu regeln, und welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen die Vorschrift nach sich zieht.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Neubewertung zweier Aufsichtsarbeiten in der zweiten Staatsprüfung für Juristen, die Neuabnahme und Bewertung des Aktenvortrags in der mündlichen Prüfung sowie die Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote.

2

Der Kläger schloss sein rechtwissenschaftliches Studium durch die erste Prüfung für Juristen mit der Note „vollbefriedigend“ (10,90 Punkte) ab. Seine Leistungen als Referendar in den Stationen des juristischen Vorbereitungsdienstes wurden wie folgt bewertet:

3

Strafrechtsstation

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Zivilrechtsstation

„gut“ 

(14 Punkte)

Wahlstation

„gut“ 

(15 Punkte)

Verwaltungsstation

„befriedigend“

(9 Punkte)

Anwaltsstation (zweigeteilt, jeweils)

„gut“ 

(15 Punkte)

Wahlstation

„sehr gut“

(17 Punkte)

4

In der zweiten Staatsprüfung für Juristen fertigte der Kläger vom 7. bis 19. Februar 2008 die Aufsichtsarbeiten, welche zunächst wie folgt bewertet wurden:

5

Zivilrecht I

„gut“ 

(13 Punkte)

Zivilrecht II

„befriedigend“

(9 Punkte)

Zivilrecht III

„mangelhaft“

(3 Punkte)

ZHG     

„ausreichend“

(5 Punkte)

Strafrecht I

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Strafrecht II

„befriedigend“

(7 Punkte)

Öffentliches Recht I

„gut“ 

(14 Punkte)

Öffentliches Recht II

„mangelhaft“

(3 Punkte)

6

Am 26. Juni 2008 unterzogen sich der Kläger und seine Mitprüflinge, darunter die Zeugen A. und B., der mündlichen Prüfung, die von der Zeugin C. als Vorsitzende und Prüferin im Pflichtfach Öffentliches Recht, dem Zeugen D. als Prüfer im Pflichtfach Strafrecht, dem Zeugen Dr. E. als Prüfer im Wahlfach Öffentliches Recht sowie den Rechtsanwalt Dr. G. als Prüfer im Pflichtfach Zivilrecht abgenommen wurde. Der Aktenvortrag und die vier Abschnitte des Prüfungsgesprächs wurden wie folgt bewertet:

7

Aktenvortrag

„ausreichend“

(6 Punkte)

Pflichtfach Zivilrecht

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Pflichtfach Öffentliches Recht

„vollbefriedigend“

(12 Punkte)

Pflichtfach Strafrecht

„befriedigend“

(8 Punkte)

Wahlfach Öffentliches Recht

„gut“ 

(14 Punkte)

8

Der Prüfungsausschuss sah von einer Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote ab. Der Kläger erreichte ausweislich des Ergebnisbescheids vom selben Tag in der zweiten Staatsprüfung für Juristen die Note „befriedigend“ (8,78 Punkte).

9

Der Kläger legte gegen den Bescheid mit einem auf den 30. Juni 2008 datierten und beim Gemeinsamen Prüfungsamt am 1. Juli 2008 eingegangenen Schreiben Widerspruch ein. Er führte aus, die Schlussentscheidung sei fehlerhaft, da eine Anhebung über das rechnerisch ermittelte Ergebnis hinaus nicht „ernsthaft erwogen“ worden sei und der Prüfungsausschuss darüber erneut zu entscheiden habe. Dazu nahmen die Prüfer Stellung und hielten an ihrer Entscheidung fest. Der Kläger begründete den Widerspruch unter dem 26. November 2008 weiter. In einer zusätzlichen Widerspruchsbegründung vom 22. März 2009 führte der Kläger dazu aus, dass er die Promotion und einen Master-Abschluss erworben habe und als […] tätig sei. In den beiden auf den 23. Juli 2010 datierten ergänzenden Widerspruchsbegründungen wandte sich der Kläger im Einzelnen gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeiten ZR III und ZHF. Die Gutachter der Aufsichtsarbeit ZR III blieben in ihren ergänzenden Stellungnahmen vom 3. August 2010 und 7. September 2010 bei ihrer Bewertung. Die Gutachter der Aufsichtsarbeit ZHG hoben mit ihren ergänzenden Stellungnahmen vom 24. August 2010 und 6. September 2010 ihre Bewertung auf die Note „ausreichend“ (6 Punkte) an. Mit einer zusätzlichen Widerspruchsbegründung vom 24. September 2010 brachte der Kläger vor, der Prüfungsausschuss sei „zumindest teilweise befangen“ und müsste die Entscheidung über die Abweichung überdenken. Das Gemeinsame Prüfungsamt der Beklagten schrieb die Zeugin C., den Zeugen D. und den Zeugen Dr. E. unter dem 30. September 2010 an und bat um Stellungnahme; der Prüfer Dr. G. war mittlerweile verstorben. Die Zeugin C. teilte mit Schreiben vom 29. November 2011 „nach Rücksprache mit Herrn D. und Herrn Dr. E. und im Einverständnis mit diesen“ mit, dass die erzielte Notenanhebung nicht zu einer – gegenüber der bisherigen – anderslautenden Entscheidung über die Vergabe von Zusatzpunkten führe. Nach einer weiteren Widerspruchsbegründung vom 23. Dezember 2010 änderte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2011 die Gesamtnote auf „befriedigend“ (8,87 Punkte) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.

10

Zur Begründung der am 7. Juni 2011 erhobenen Klage bringt der Kläger vor, er habe wegen der von ihm erhobenen Bewertungsrügen Anspruch auf Neubewertung der zwei angegriffenen Klausuren durch jeweils beide Votanten. Er könne eine Neuentscheidung über die Vergabe von Zusatzpunkten beanspruchen. Ferner habe er Anspruch auf eine erneute Abnahme des Aktenvortrags, da die Zeugin C. und der Zeuge D. befangen gewesen seien. Die Zeugin C. habe im Zuge der Eröffnung des Gesamtergebnisses geäußert, sie habe sich während des Aktenvortrags des Klägers gefühlt wie in einer seiner Unterrichtsstunden und sie selbst habe in einem der beiden Examina das Prädikat knapp verfehlt. Der Zeuge D. habe ebenfalls geäußert, dass er selbst in einem der beiden Examina das Prädikat knapp verfehlt habe. Ferner habe der Zeuge D. ihn, den Kläger, während der Strafrechtsprüfung angeschrien mit den Worten „Sind Sie wahnsinnig?“ und nach Eröffnung des Ergebnisses der mündlichen Prüfung mitgeteilt, er sei bei Betreten des Prüfungsraums durch den Kläger von dessen Erscheinungsbild enttäuscht gewesen. Der Kläger trägt weiter vor, er habe der für das Gemeinsame Prüfungsamt tätigen Zeugin F. in einem Gespräch einige Tage nach der mündlichen Prüfung die „persönlichen Dinge“ eröffnet, aber auf ihr Anraten hin nicht in seinen Widerspruch einbezogen.

11

Der Kläger beantragt,

12

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2011, soweit entgegenstehend, zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über das Ergebnis der zweiten Staatsprüfung für Juristen neu zu bescheiden

13

1. nach Neubewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III,
2. nach Neubewertung der Aufsichtsarbeit ZHG,
3. nach Neuabnahme und Bewertung des Kurzvortrags,
4. nach Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote.

14

Die Beklagte beantragt

15

die Klage abzuweisen.

16

Die Beklagte verteidigt die getroffene Prüfungsentscheidung, tritt den Rügen gegen die Bewertung der beiden bezeichneten Aufsichtsarbeiten, den gegen zwei Prüfer erhobenen Rügen der Befangenheit und den gegen die Entscheidung über die Abweichung vom rechnerischen Ergebnis erhobenen Rügen entgegen.

17

Das Gericht hat den Kläger in Person angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C., D., Dr. E., A., B. und F.. Einen Beweisantrag des Klägers im Hinblick auf Äußerungen der Zeugin C. im Zusammenhang mit der mündlichen Prüfung hat das Gericht abgelehnt.

18

Die Sachakten der Beklagten, bestehend aus der Prüfungsakte, dem Widerspruchsvorgang und einem Hefter mit den Aufgabenstellungen der Aufsichtsarbeiten, sind beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Auf diese sowie auf die Gerichtsakte wird wegen der Einzelheiten einschließlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die Entscheidung trifft die Kammer gemäß § 112 VwGO in der sich nach einem Wechsel in der Zusammensetzung zwischen Eröffnung der mündlichen Verhandlung am 23. Januar 2014 und Schluss der mündlichen Verhandlung am 11. Dezember 2014 ergebenden geschäftsplanmäßigen Besetzung (vgl. Clausing, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 112 Rn. 4).

I.

20

Die zulässige Klage hat in der Sache gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO keinen Erfolg. Der Bescheid vom 26. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat den Kläger frei von Rechtsfehlern über das Ergebnis der zweiten Staatsprüfung für Juristen mit der Note „befriedigend“ (8,87 Punkte) beschieden.

21

Grundlage der Prüfungsentscheidung sind die für juristische Prüfungen einschlägigen Vorschriften im Deutschen Richtergesetz (i.d.G. der Bekanntmachung v. 19.4.1972, BGBl. I S. 713, in den maßgebenden Bestimmungen zuletzt geändert durch Gesetz v. 11.7.2002, BGBl. I S. 2592 – DRiG), die hinsichtlich der zweiten Staatsprüfung für Juristen in den beteiligten Ländern durch die Übereinkunft der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein über ein Gemeinsames Prüfungsamt und die Prüfungsordnung für die zweite Staatsprüfung für Juristen (ratifiziert durch Gesetz v. 26.6.1972, HmbGVBl. S. 119; letzte Änderung ratifiziert durch Gesetz v. 19.2.2008, HmbGVBl. S. 71 – LÜ) umgesetzt worden sind (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 8.9.2004, 9 A 34/04, juris Rn. 23 ff.).

22

Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass die Beklagte ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bescheidet. Im Einzelnen kann der Kläger weder eine Neubewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III (1.) oder der Aufsichtsarbeit ZHG (2.) noch eine Neuabnahme und Bewertung des Kurzvortrags (3.) noch eine Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote (4.) verlangen.

23

1. Der Kläger kann keine Neubewertungen der Aufsichtsarbeit ZHG beanspruchen. Ausgehend von den Maßstäben der gerichtlichen Kontrolle (a)) hat die übereinstimmende Bewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III durch Erst- und Zweitvotanten mit der Note „mangelhaft“ (3 Punkte) Bestand (b)).

24

a) Die Bewertung der Aufsichtsarbeiten in der zweiten Prüfung für Juristen durch je zwei Votanten findet ihre Grundlage in § 11 Abs. 1 LÜ. Bei der Bewertung der Leistungen in berufsbezogenen Prüfungen ist ein gerichtlich nicht überprüfbarer Beurteilungsspielraum anzuerkennen (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 54; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 877 ff.). Das Gebot der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG erfordert eine Bewertung der Leistungen aller Prüflinge nach den Maßstäben der Prüfer. Das Gericht kann sich nicht an die Stelle der Prüfer setzen. Das Gericht kann nur überprüfen, ob das Verfahren eingehalten wurde, anzuwendendes Recht verkannt wurde, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzt wurden oder sachfremde Erwägungen ausschlaggebend waren (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, Rn. 56). Es obliegt dem Prüfling, konkrete und substantiierte Einwendungen gegen die Bewertung zu benennen (BVerwG, Beschl. v. 23.12.1993, 6 B 19/93, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 326, juris Rn. 8; OVG Hamburg, Beschl. v. 17.7.2008, 3 Bf 351/07.Z, NVwZ-RR 2008, 851, juris Rn. 23). Der prüfungsrechtliche Bewertungsspielraum ist jedoch auf prüfungsspezifische Wertungen beschränkt, erstreckt sich also nicht auf alle fachlichen Fragen, die den Gegenstand der Prüfung bilden (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, Rn. 49). Unter fachlichen Fragen fallen sowohl Fragen, die fachwissenschaftlich geklärt sind, als auch solche, die in der Fachwissenschaft kontrovers behandelt werden (BVerwG, Urt. v. 17.12.1997, 6 B 55/97, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 385). Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar sind, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, andererseits muss aber auch dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden; eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, Rn. 57).

25

b) Daran gemessen zeigen die vom Kläger erhobenen Einwendungen keinen für das Ergebnis erheblichen Fehler in der Bewertung der Aufsichtsarbeit Zivilrecht III auf.

26

In der Aufsichtsarbeit waren gemäß dem Bearbeitervermerk aus Anwaltssicht die Erfolgsaussichten einer bereits erhobenen Klage sowie das Bestehen sonstiger Ansprüche in einem Gutachten darzustellen. Bei Unzulässigkeit der Klage war in einem Hilfsgutachten zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen. Nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatten die Eigentümer eines Vorderlieger-Grundstücks die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zugunsten eines Hinterlieger-Grundstücks übernommen, eine Baulastfläche als ständig freizuhaltenden Zugang in einer Breite von mindestens 2,75 m zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich bestand eine Zufahrt über das Vorderlieger-Grundstück jedoch nur in einer Breite von 2,35 m. Die Mandanten kauften das Hinterlieger-Grundstück in der Annahme, die Breite betrage tatsächlich 2,75 m. Im Kaufvertrag wurde eine Grunddienstbarkeit vereinbart, nach welcher der Eigentümer des Hinterlieger-Grundstücks die mit der Baulast belastete Teilfläche zum Begehen und Befahren als Zugang nutzen könne. Die Gewährleistung wurde ausgeschlossen. Die Mandanten hatten bereits Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises erhoben, dabei Anfechtung und hilfsweise Rücktritt erklärt. Sie begehrten den Kaufpreis nebst Zinsen zurück und erstrebten die Erstattung weiterer Kosten.

27

Die vom Kläger gegen die Prüferkritik erhobenen Rüge betreffend die Prüfungsreihenfolge einzelner Ansprüche (aa)), die Prüfungsreihenfolge von Zulässigkeit und Begründetheit der zivilgerichtlichen Klage (bb)) sowie die Abgrenzung eines Mangels und eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (cc)) dringen nicht durch.

28

aa) Der Einwand des Klägers gegen die Prüferkritik an der Reihenfolge, in der die Ansprüche geprüft wurden, dringt nicht durch.

29

Der Kläger begann die Prüfung mit Ansprüchen aus Rückgewährschuldverhältnis nach Rücktritt (S. 1 der Bearbeitung).

30

Der Erstvotant merkte am Rand der Bearbeitung sowie im Erstvotum an, es sei wegen der erklärten Anfechtung besser mit Bereicherungsansprüchen zu beginnen. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte der Erstvotant aus, die Prüfungsreihenfolge sei aus seiner Sicht kein für die Beurteilung wichtiger Umstand. Der Zweitvotant hielt im Zweitvotum die Anfechtung für vorrangig und bekräftigte in seiner ergänzenden Stellungnahme, es stünden nach dem Wunsch des Mandanten die Anfechtung und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen im Vordergrund. Deshalb sei es geboten gewesen, mit der Anfechtung materiell-rechtlich zu beginnen.

31

Der Kläger hat gegen die Prüferkritik eingewandt, die Reihenfolge der Prüfung sei vertretbar und lediglich eine Frage der Zweckmäßigkeit.

32

Damit ist kein Fehler in der Bewertung der vom Kläger erbrachten Prüfungsleistung aufgezeigt. Der Antwortspielraum des Prüflings umfasst es nicht, eine erkennbar unzweckmäßige Prüfungsreihenfolge zu wählen. Zwar dürften nach der Grundregel die einen wirksamen Vertrag voraussetzenden Ansprüche auf Rückgewähr vor gesetzlichen Ansprüchen auf Herausgabe der Bereicherung zu prüfen sein. Wenn ein Mandant jedoch bereits vorrangig Anfechtung und hilfsweise Rücktritt erklärt hat, drängt sich auf, zunächst die sich aufgrund des durchdringenderen Gestaltungsrechts der Anfechtung etwaig ergebenden gesetzlichen Bereicherungsansprüche zu prüfen. Ansonsten käme es bei der Prüfung eines Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises aus Rückgewährschuldverhältnis zu einer leicht vermeidbaren Inzidentprüfung, ob der nach § 346 Abs. 1 BGB vorausgesetzte Vertrag durch Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend vernichtet ist. Darüber hinaus umfasst der aus einer Anfechtung wegen Arglist folgende Bereicherungsanspruch gemäß §§ 818 Abs. 2, Abs. 4, 819 Abs. 1, 142 Abs. 2 BGB auch den Wert der gezogenen Nutzungen.

33

bb) Ebenso hat die Prüferkritik an der Prüfungsreihenfolge von Zulässigkeit und Begründetheit Bestand.

34

Der Kläger prüfte die Zulässigkeit (S. 21 der Bearbeitung) nach einer die Prüfung in der Sache beinhaltenden Schlüssigkeitsstation (S. 1 ff. der Bearbeitung).

35

Der Erstvotant übte an dieser Reihenfolge keine Kritik. Der Zweitvotant bemerkte im Zweitvotum, es sei geboten, mit der Zulässigkeit der Klage zu beginnen. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte er aus, es sei nach seinem Verständnis vorweg die Zulässigkeit kurz zu prüfen, da in diesem Fall der Anwalt das Mandat von einem Kollegen übernommen habe.

36

Der Kläger hat gegen die Prüferkritik eingewandt, die gewählte Reihenfolge sei vertretbar. Etliche Voraussetzungen der Zulässigkeit richteten sich nach der materiellen Rechtslage.

37

Zu Recht hat der Zweitvotant einen dem Einzelfall nicht angemessen Prüfungsaufbau gerügt. Wie im Widerspruchsbescheid ausgeführt, hat der Kläger in der Bearbeitung die Besonderheit des Einzelfalls übersehen, die darin liegt, dass nach Erhebung der Klage ein Anwaltswechsel stattgefunden hat. Für den Fall, dass der Mandant die Erhebung einer Klage erst noch beabsichtigt und der Bearbeitervermerk nichts anderes anordnet, mag in einer Anwaltsklausur üblicherweise die materielle Rechtslage vor der Zulässigkeit eines sich auf Grundlage der Prüfung in der Sache erst zu bestimmenden Rechtsbehelfs zu erörtern sein. Gemäß Bearbeitervermerk waren aber die Erfolgsaussichten der erhobenen Klage zu prüfen. Dies impliziert die Prüfung von Zulässigkeit und Begründetheit in dieser Reihenfolge. Bei Unzulässigkeit der Klage war in einem Hilfsgutachten zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen, was ebenfalls eine Prüfung der Zulässigkeit vor einem Einstieg in die Sachprüfung voraussetzt.

38

cc) Desgleichen ist die Prüferkritik hinsichtlich der Abgrenzung zwischen einem dem Kaufgegenstand anhaftenden Mangel und einem Wegfall der Geschäftsgrundlage des Kaufvertrags nicht zu beanstanden.

39

Der Kläger führte aus (S. 4 f. der Bearbeitung), ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB, d.h. ein Abweichen von der vereinbarten Beschaffenheit, scheide aus, weil eine Zufahrt zum Grundstück vereinbart sei, nicht aber eine Breite von 2,75 m. Ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB sei gegeben, da keine Eignung zur Bebauung als vorausgesetzter Verwendung bestehe. Der Kläger prüfte und bejahte sodann einen Anspruch aus Rückgewährschuldverhältnis wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (S. 10 ff. der Bearbeitung).

40

Der Erstvotant bemerkte am Rand der vom Kläger vorgenommenen Erörterung eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (S. 11 der Bearbeitung): „Dies begründet doch den Mangel“. Im Erstvotum führte er aus, es werde übersehen, dass wegen der Überwegung eine Grunddienstbarkeit bewilligt worden sei. Diese Grunddienstbarkeit habe sich auf eine Zuwegung mit einer ganz bestimmten Breite bezogen. Eine Verneinung der Beschaffenheitsvereinbarung sei kaum vertretbar. In seiner ergänzenden Stellungnahme setzte der Erstvotant hinzu, zur Beschaffenheit des Grundstücks dürfte eine mindestens 2,75 breite Zuwegung gehören. Der Zweitvotant legte im Zweitvotum dar, ein Wegfall der Geschäftsgrundlage liege sicherlich nicht vor. Die Baulast über die Grunddienstbarkeit sei Vertragsbestandteil geworden. In seiner ergänzenden Stellungnahme bezog der Zweitvotant sich auf die ergänzende Stellungnahme des Erstvotanten.

41

Der Kläger hat eingewandt, die Annahme eines Rechtsbindungswillens für eine Beschaffenheitsvereinbarung widerspreche dem im Kaufvertrag enthaltenen Gewährleistungsausschluss. Die Prüfung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage müsse vertretbar sein. Eine als vertretbar eingestufte Entscheidung dürfe nicht an anderer Stelle als falsch bewertet werden.

42

Die Votanten haben zu Recht kritisiert, dass der Kläger eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB verneint und einen Wegfall der Geschäftsgrundlage bejaht hat. Die in § 7 des Kaufvertrages enthaltenen Regelungen über die Folgen von Mängeln und Pflichtverletzungen beinhalten einen Haftungsausschluss und betreffen nicht die logisch vorrangige Frage, wann tatbestandlich Mängel vorliegen, also insbesondere die Frage einer Beschaffenheitsvereinbarung. Dieser Unterschied zeigt sich insbesondere darin, dass ein tatbestandlicher Ausschluss von Mängeln notwendig Gewährleistungsansprüchen entgegenstünde, ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss jedoch nach § 444 Alt. 1 BGB nicht wirksam ist, falls der Verkäufer arglistig gehandelt hat, was in der Aufsichtsarbeit in Betracht zu ziehen war. Es ist widersprüchlich, wenn der Kläger wegen der Breite der Zufahrt einen Sachmangel (S. 5 der Bearbeitung) und zugleich einen Wegfall der Geschäftsgrundlage (S. 11 der Bearbeitung) bejaht. Die Geschäftsgrundlage kann keine Überdeckung mit dem Inhalt des Geschäfts aufweisen. Geschäftsgrundlage sind gemäß § 313 Abs. 1, Abs. 2 BGB wesentliche Umstände und wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nicht der Inhalt des Vertrags selbst.

43

2. Der Kläger kann auch keine Neubewertung der Aufsichtsarbeit ZHG beanspruchen. Nach dem anzulegenden Maßstab (a)) hat die im Überdenkungsverfahren von beiden Votanten auf die Note „ausreichend“ (6 Punkte) angehobene Bewertung der Aufsichtsarbeit ZHG Bestand (b)).

44

a) Die Bewertung obliegt den Prüfern in den Grenzen ihres Beurteilungsspielraums (s.o. 1. a)). Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist dabei die prüferische Entscheidung in der Fassung, wie sie von den Prüfern im Rahmen ihrer Überdenkungsentscheidung getroffen worden ist (OVG Münster, Urt. v. 12.6.2013, 14 A 1600/11, NWVBl 2014, 68, juris Rn. 40; vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.3.2001, 6 B 6/01, NVwZ 2001, 922, juris Rn. 4).

45

b) Die vom Kläger gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeit ZHG erhobenen Bedenken zeigen keinen Beurteilungsfehler auf.

46

Nach dem Bearbeitervermerk war eine Entscheidung des Gerichts über eine Klage zu entwerfen. Die Klägerin in der Aufsichtsarbeit hatte Klage erhoben mit den angekündigten Klageanträgen, die Zwangsvollstreckung aus einem vorangegangenen Urteil des Beklagten gegen ihren Ehemann für unzulässig zu erklären 1. in bestimmte, näher bezeichnete Gegenstände und 2. in eine angebliche Forderung des Ehemanns der Klägerin gegen die Hausbank auf Rückgewähr einer Sicherungsgrundschuld an einem Grundstück, das im Miteigentum beider Eheleute stand. In der Aufsichtsarbeit erklärte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor Stellung der Anträge den Rechtsstreit hinsichtlich des angekündigten Antrags zu 2. für erledigt.

47

Die klägerischen Einwände gegen die Prüferkritik im Hinblick auf den Verkündungsvermerk (aa)), die Bezeichnung der Drittwiderspruchsklage im Urteilstatbestand (bb)), die Darstellung des erledigten Klageantrags (cc)), die Darstellung des Miteigentums (dd)), die Datumsangabe für eine Darlehensrückzahlung (ee)), die Bezeichnung des betreffenden Kraftfahrzeugs (ff)) sowie die Schlüsselgewalt (gg)) dringen nicht durch.

48

aa) Der – zunächst berechtigte – Einwand des Klägers hinsichtlich des Verkündungsvermerks hat sich durch die von den Votanten im Überdenkungsverfahren vorgelegten ergänzenden Stellungnahmen erledigt.

49

In der Bearbeitung zeigte der vom Kläger erstellte Urteilsentwurf keinen Verkündungsvermerk.

50

Dies wurde im ursprünglichen Erstvotum als Fehler moniert. Das ursprüngliche Zweitvotum schloss sich dem ursprünglichen Erstvotum an. In seiner ergänzenden Stellungnahme räumte der Erstvotant auf den Einwand des Klägers hin ein, dass der Verkündungsvermerk nicht vom Richter, sondern vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auf das Urteil gesetzt werde. Der Zweitvotant verhielt sich in seiner ergänzenden Stellungnahme nicht ausdrücklich zu diesem Punkt, schloss sich jedoch der durch die ergänzende Stellungnahme des Erstvotanten auf „ausreichend“ (6 Punkte) erhöhten Bewertung an.

51

Hinsichtlich des Verkündungsvermerks ist nunmehr keine Prüferkritik mehr geübt. Der Erstvotant hat seine im ursprünglichen Erstvotum geübte unberechtigte Kritik zurückgenommen. Der Zweitvotant hatte zunächst im ursprünglichen Zweitvotum durch Inbezugnahme des ursprünglichen Erstvotums die unberechtigte Kritik geteilt. Für den Zweitvotanten bestand, nachdem er von der ergänzenden Stellungnahme des Erstvotanten Kenntnis genommen und sich die Notenanhebung zu Eigen gemacht hatte, keine Veranlassung mehr zu weiteren Ausführungen zu der hinsichtlich des Verkündungsvermerks erledigten Prüferkritik.

52

bb) Der Einwand des Klägers hinsichtlich der Bezeichnung der Drittwiderspruchsklage im Urteilstatbestand zeigt keinen Bewertungsfehler auf.

53

Der Kläger führte im Einleitungssatz des Urteilstatbestandes ausdrücklich aus, es werde mit einer „Drittwiderspruchsklage“ vorgegangen (S. 3 der Bearbeitung), und begründete in der Zulässigkeitsprüfung die Statthaftigkeit einer Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 Abs. 1 ZPO (S. 9 der Bearbeitung)

54

In den Randbemerkungen (S. 3 und S. 9 der Bearbeitung) monierten die Votanten die Vornahme einer Bewertung im Urteilstatbestand. In seiner ergänzenden Stellungnahme führte der Erstvotant aus, die Einordnung als Drittwiderspruchsklage sei erst im Rahmen der Zulässigkeit vorzunehmen. Der Zweitvotant bekräftigte in seiner ergänzenden Stellungnahme, die rechtliche Qualifizierung als Drittwiderspruchsklage habe im Tatbestand nichts zu suchen.

55

Der Kläger hat dagegen eingewandt, „unstreitige Rechtsbegriffe“, wie hier derjenige der Drittwiderspruchsklage, dürften im Tatbestand Verwendung finden.

56

Zu Recht hat der Kläger in den Entscheidungsgründen die rechtliche Einordnung als „Drittwiderspruchsklage“ normativ begründet. Denn, wie in der Klageerwiderung hervorgehoben, war in der Aufsichtsarbeit insoweit kein „unstreitiger Rechtsbegriff“ gegeben. Der Begriff „Drittwiderspruchsklage“ wurde von den Parteien im Sachverhalt der Aufsichtsarbeit nicht verwendet, so dass er vom Kläger im Urteilstatbestand nicht hätte zugrunde gelegt werden dürfen.

57

cc) Die Prüferkritik hinsichtlich der Darstellung des erledigten Klageantrags lässt keinen Beurteilungsfehler erkennen.

58

Der Kläger (S. 6 f.) stellte im entworfenen Urteilstatbestand zunächst – jeweils unter Einrückung im Original – folgende Anträge der Parteien dar:

59

„Die Klägerin beantragt

60

1. [es folgt der zu 1. angekündigte Klageantrag]

61

und beantragte zunächst

62

2. [es folgt der zu 2. angekündigte Klageantrag].“

63

Die Beklagte beantragt,

64

die Klage abzuweisen.“

65

Am Ende des entworfenen Urteilstatbestandes führte der Kläger (S. 8 der Bearbeitung) aus: „Aufgrund des Verzichts des Beklagten […] hat das Amtsgericht Siegen den diesbezüglichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss […] aufgehoben. In der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2007 hat die Klägerin den Antrag für erledigt erklärt.“

66

Die Votanten bemerkten am Rand der Darstellung des Klageantrags zu 2.: „hatte den Antrag angekündigt“. Der Erstvotant legte im Erstvotum dar, dass dem Verfasser nicht bekannt sei, dass Anträge nach § 137 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung gestellt sind. Die beiden Votanten hoben in ihren ergänzenden Stellungnahmen hervor, dass Klageanträge vor der mündlichen Verhandlung erst angekündigt würden.

67

Die Votanten notierten am Ende des Urteilstatbestandes: „Diese Form der Darstellung mag den Erfordernissen des § 313 ZPO entsprechen und auch in der Ausbildungslit. empfohlen werden – unüblich, mißverständlich und verwirrend ist sie jedenfalls.“ Im Erstvotum heißt es, der Tatbestand unterrichte im Wesentlichen vollständig, Probleme bestünden bei der ungeschickten Darstellung des Geschehens zum erledigten Klagantrag. Das Zweitvotum schließt sich dem Erstvotum an.

68

Der Kläger hat eingeräumt, es sei sicherlich richtig, dass Anträge in der Klageschrift lediglich angekündigt würden. Die gewählte Formulierung sei aber nicht falsch. In § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO werde davon ausgegangen, dass Anträge bereits in der Klageschrift gestellt würden. Erledigungserklärungen unterfielen nicht als Anträge § 313 Abs. 2 ZPO und gehörten in die Prozessgeschichte.

69

Die Prüfer haben die konkrete Darstellungsweise kritisiert, ohne damit die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschritten zu haben. Die vom Kläger in seiner Bearbeitung gewählte Formulierung „beantragte zunächst“ lässt nicht erkennen, dass – anders als ein Antrag zu 1. – ein Antrag zu 2. in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden war. Aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ergibt sich nur, dass die Klageschrift einen bestimmten Antrag enthalten soll, d.h. es muss ein bestimmter Antrag formuliert werden. Vorbereitende Schriftsätze sollen nach § 130 Nr. 2 ZPO die Anträge enthalten, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt. Erst die mündliche Verhandlung wird gemäß § 137 Abs. 1 ZPO dadurch eingeleitet, dass die Parteien ihre Anträge stellen. Die Ankündigung des Antrags zu 2. hätte – als zur Prozessgeschichte gehörend – in der Zeitform Perfekt dargestellt werden müssen. Zudem wird der Leser nach der vom Kläger gewählten Darstellungsweise erst am Ende des Urteilstatbestandes über den erledigten Teil des Rechtsstreits informiert. Es ist eine nicht zu beanstandende prüfungsspezifische Wertung, diese Darstellung als ungeschickt zu würdigen, denn es hätte der üblichen Darstellungsweise entsprochen und hätte den Leser besser geführt, den erledigten Teil des Rechtsstreits zwar als Teil der Prozessgeschichte, aber vor den Anträgen darzustellen, die von den Parteien in der mündlichen Verhandlung gestellten wurden.

70

dd) Die Prüfer haben den ihnen zukommen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der von ihnen kritisierten Darstellung des Miteigentums im Urteilstatbestand nicht überschritten.

71

Der Kläger führte im Urteilstatbestand (S. 3 f. der Bearbeitung) aus: „Am 30.08.2003 trafen die Eheleute L. vor dem Notar K. eine Vereinbarung (Bl. 6 d. A.), nach der u.a. der streitgegenständliche Dielenschrank, der zuvor Eigentum des Herrn L. gewesen war, an die Klägerin übereignet wurde. Das Grundstück St. Straße 5, ... S., dessen Miteigentümerin die Klägerin zu einem Bruchteil von ½ ist, war von der notariellen Vereinbarung nicht erfasst. Am 04.03.2005 bestellten die Eheleute L. der Sparbank S. AG eine Grundschuld über […] Euro 20.000,- als Sicherheit für ein bei der Sicherungsnehmerin gesamtschuldnerisch aufgenommenes Darlehen.“

72

Die Votanten strichen den zweiten der drei zitierten Sätze durch und notierten am Rand der Bearbeitung „überflüssig“.

73

Der Kläger hat dagegen eingewandt, auf die Darstellung des Miteigentums am Grundstück komme es wegen § 91a ZPO, d.h. der Regelung über die Kostenentscheidung bei Erledigung, an. Der gestrichene Satz beziehe sich auf die Eigentumsverhältnisse am Grundstück, möge er auch „leicht missverständlich formuliert“ sein.

74

Zwar bedurfte es in dem Urteilsentwurf an geeigneter Stelle der Darstellung des Miteigentums am Grundstück. Doch betraf der konkret der Prüferkritik unterliegende Satz einen Dielenschrank als Teil des beweglichen Vermögens. In diesem Zusammenhang erfolgte der Hinweis auf das Miteigentum der Klägerin am Grundstück in der Tat am falschen Ort und deplatziert. Der Angabe, dass das Grundeigentum von der notariellen Vereinbarung nicht erfasst war, bedurfte es an dieser Stelle ebenso wenig.

75

ee) Der Einwand des Klägers, es habe einer Datumsangabe für die Darlehensrückzahlung nicht bedurft, zeigt keinen Fehler in der Bewertung durch die Votanten auf.

76

Der Kläger führte aus (S. 4 der Bearbeitung): „Das Darlehen wurde von den Eheleuten zwischenzeitlich zurückgezahlt.“

77

Die Prüfer brachten dazu die Randbemerkung an: „genau: 30.4.2007“

78

Dagegen hat der Kläger eingewandt, es bestehe keine Notwendigkeit, das Datum der Darlehensrückzahlung im Tatbestand aufzuführen.

79

Die Wendung „zwischenzeitlich“ ist jedoch – wie in der Klageerwiderung ausgeführt – sehr unpräzise und erfüllt nicht die Informationsfunktion des Tatbestandes, da diverse Geschehnisse als zeitliche Anknüpfungsmerkmale in Betracht kommen. Für die Frage, ob die Pfändung aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 19. November 2007 zulässig war, kommt es darauf an, ob die Eheleute das Darlehen bereits zu diesem Zeitpunkt zurückgezahlt hatten.

80

ff) Auch der Einwand des Klägers, es habe keiner genaueren Bezeichnung des Kraftfahrzeugs bedurft, zeigt keinen Fehler in der Bewertung durch die Votanten auf.

81

Der Kläger (S. 5 der Bearbeitung) gab im Urteilstatbestand an: „Im Jahr 2006 wurde der BMW angeschafft“ (S. 5).

82

Die Prüfer notierten am Rand: „ungenau: welcher?“

83

Der Kläger hat dagegen eingewandt, es bestehe angesichts des Klageantrags keiner Notwendigkeit einer näheren Bezeichnung.

84

Der entworfene Urteilstatbestand durfte von den Prüfern insoweit als unzureichend moniert werden. In dem Gerichtsverfahren, das u.a. die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in bestimmte bewegliche Sachen zum Gegenstand hatte, erforderte die Informationsfunktion des Urteilstatbestandes die Mitteilung, welche konkrete Sache i.S.d. § 90 BGB Gegenstand der Ausführungen war, etwa durch eine geeignete Inbezugnahme auf den Klageantrag.

85

gg) Nicht zu beanstanden ist die Prüferkritik hinsichtlich der Erörterung der Schlüsselgewalt.

86

Der Kläger (S. 13 der Bearbeitung) führte aus: „Bei dem Fahrzeugkauf handelte es sich nämlich um ein Geschäft zur Deckung des angemessenen Lebensbedarfs des Ehegatten nach § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB, denn bei dem Lebensstandard des Bauträgers, der mit Immobilien hunderttausende Euro bewegte, gehört ein Fahrzeug der Mittelklasse zum Lebensbedarf der Familie.“

87

Die Votanten bemerkten dazu am Rand der Bearbeitung: „das Auto gehört noch nicht zur Basisversorgung“, „Kl. war pleite!“, „falsche Spur“.

88

Der Kläger hat dagegen eingewandt, er sei in seinen Ausführungen mit gewichtigen Argumenten davon ausgegangen, dass das für die Einkäufe genutzte Fahrzeug in diesem Einzelfall noch zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Eheleute gezählt habe. Durch die vorgenommene abwägende Argumentation sei sein Standpunkt zumindest fachlich vertretbar.

89

Die prüfungsspezifische Wertung verletzt den Antwortspielraum des Prüflings nicht. Zumindest reicht die Argumentation des Klägers nicht hin, um ein § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB unterfallendes Geschäft zu bejahen. Nach dieser Vorschrift ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Maßstab ist das, was von einem Ehegatten selbständig, d.h. ohne Konsultation und Mitwirkung des anderen, zwecks Bedarfsdeckung erledigt zu werden pflegt (BGH, Urt. v. 13.2.1985, IVb ZR 72/83, BGHZ 94, 1). Der Kläger hat in seiner Bearbeitung nicht dargestellt, dass diese Voraussetzungen vorgelegen hätten.

90

3. Der Kläger kann ferner nicht die Neuabnahme und Bewertung des Aktenvortrags beanspruchen. Einen solchen Anspruch hätte der Kläger nur dann, wenn das Prüfungsverfahren oder die Bewertung des in der mündlichen Prüfung vom 26. Juni 2008 gehaltenen Aktenvortrags an einem Fehler litte, der nur durch Wiederholung der Prüfungsleistung behoben werden könnte. Nach dem anzulegenden Maßstab (a)) ist einer solcher Fehler weder in formeller Hinsicht (b)) noch in materieller Hinsicht (c)) aufgezeigt.

91

a) Die Abnahme des Aktenvortrags als erster Teil der mündlichen Prüfung beruht auf § 16 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 LÜ. Die Bewertung obliegt gemäß § 17 Abs. 1 LÜ dem Prüfungsausschuss, dem insoweit ein prüfungsrechtlicher Beurteilungsspielraum zukommt. Aus § 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG folgt die Verfahrensanforderung, dass sich ein Prüfer der Mitwirkung enthalten muss, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Soweit sich die Rüge der Befangenheit auf Äußerungen stützt, die durch die Prüfer im Verfahren der Leistungsbewertung abgegeben werden, sind diese Äußerungen am Gebot der Sachlichkeit zu messen. Hiernach haben die Prüfer die Prüfungsleistung mit innerer Distanz und frei von Emotionen zur Kenntnis zu nehmen (BVerwG, Urt. v. 24.2.1993, 6 C 35/92, BVerwGE 92, 132, juris Rn. 19). Unsachlich wird die Bewertung dann, wenn der Prüfer seiner Verärgerung über schwache Prüfungsleistungen freien Lauf lässt und dadurch die Gelassenheit und emotionale Distanz verliert, ohne die eine gerechte Beurteilung schwerlich gelingen kann (BVerwG, Beschl. v. 8.3.2012, 6 B 36/11, juris Rn. 16; Urt. v. 20.9.1984, 7 C 57/83, juris Rn. 36). Eine Befangenheit von Prüfern kann sich ferner daraus ergeben, wenn diese sich von vornherein darauf festgelegt haben, ihre Benotung nicht zu ändern oder ihnen die Fähigkeit fehlt, eigene Fehler zu erkennen und einzuräumen oder diese mit dem ihnen objektiv gebührenden Gewicht zu bereinigen (vgl. BVerwG, Urt. 4.5.1999, 6 C 13/98, juris Rn. 58). Es obliegt dem Prüfling nach § 6 Abs. 5 Satz 1 LÜ, eine Beeinträchtigung des Prüfungsablaufs – und damit insbesondere eine Besorgnis der Befangenheit – unverzüglich zu rügen. Die Rüge ist nach § 6 Abs. 5 Satz 2 LÜ spätestens nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses unbeachtlich, es sei denn, der Referendar hat die Verspätung der Rüge nicht zu vertreten. An die Unverzüglichkeit der Rüge im Falle einer behaupteten Voreingenommenheit oder Befangenheit eines Prüfers ist insbesondere dann ein strenger Maßstab anzulegen, wenn der Prüfling mündliche Äußerungen des Prüfers beanstandet; dies dient neben der Wahrung der Chancengleichheit gegenüber anderen Prüfungsteilnehmern auch dazu, der Prüfungsbehörde eine möglichst zeitnahe Überprüfung des Sachverhalts zu ermöglichen (VGH München, Beschl. v 20.8.2012, 7 ZB 12.554, juris, Rn. 10 m.w.N.).

92

b) Daran gemessen dringen die vom Kläger gegen die Mitwirkung der Zeugen C. (aa)) und D. (bb)) als Prüfer erhobenen Rügen einer Besorgnis der Befangenheit nicht durch.

93

aa) Die Zeugin C. musste sich nicht von der Mitwirkung als Vorsitzende des Prüfungsausschusses enthalten. Die Rüge einer Besorgnis der Befangenheit dränge selbst dann nicht durch, wenn unterstellt würde, die Zeugin C. habe sich so geäußert, wie es der Kläger vorbringt. Der vom Kläger beantragten Beweiserhebung bedurfte es insoweit nicht. Im Einzelnen:

94

Soweit der Kläger vorbringt, die Zeugin C. habe ihm in der Vorbesprechung am 24. Juni 2008 unangenehme Fragen über das Liebesleben [des Kollegen] gestellt und von ihrer Zeit in dessen Kursen in K. erzählt, ist die Rüge einer Besorgnis der Befangenheit jedenfalls nach § 6 Abs. 5 Satz 2 LÜ verspätet. Denn es handelt sich um Umstände, die dem Kläger bereits vor Beginn der mündlichen Prüfung bekannt geworden sind und die er deshalb vor Antritt der mündlichen Prüfung hätte geltend machen müssen. Unabhängig davon wäre auf Grundlage des Vortrags des Klägers keine Besorgnis der Befangenheit anzunehmen. Es erscheint möglich, dass sich die Zeugin im Vorgespräch etwa nur auflockernd innerhalb der Grenzen eines „small talks“ geäußert hat.

95

Soweit der Kläger vorbringt, die Zeugin C. habe im Zuge der Eröffnung des Prüfungsergebnisses geäußert, sie habe sich während der Prüfung wie in einer der Unterrichtsstunden des Klägers gefühlt, wäre darin eine Prüferkritik an der vom Kläger als Prüfling verwandten Vortrags- und Darstellungsweise zum Ausdruck gekommen, die den Boden der Sachlichkeit nicht verlassen hätte.

96

Soweit der Kläger vorträgt, die Zeugin C. habe darauf hingewiesen, dass sie selbst in einem der beiden juristischen Examina kein Prädikat erzielt habe, lässt dies nicht darauf schließen, dass sie bei der prüferischen Entscheidungsfindung das Gebot der Sachlichkeit missachtet hätte. Es ist nicht erkennbar, dass die Zeugin C. ein ihr selbst fehlendes Prädikatsexamen als Begründung heranziehen wollte, um dem Prüfling ein Prädikatsexamen zu versagen. Es ist nicht ersichtlich, dass ein solcher Hinweis der Prüfer mehr beinhaltete als tröstende Worte an den Kläger, der ausgehend von seinen eigenen Angaben in der persönlichen Anhörung „natürlich absolut enttäuscht“ war, das erhoffte Prädikatsexamen nicht erreicht zu haben.

97

Soweit der Kläger geltend macht, die Zeugin C. habe sich nach Eröffnung des Prüfungsergebnisses geweigert, Vorgänge in der mündlichen Prüfung in das von ihr geführte Protokoll aufzunehmen, zeigt er schon kein fehlerhaftes Verhalten der Vorsitzenden und damit erst recht keinen Grund für eine Besorgnis der Befangenheit auf. Über die mündliche Prüfung ist gemäß § 19 Satz 1 LÜ eine vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses zu unterzeichnende Niederschrift aufzunehmen, in der die Gegenstände und die Einzelbewertungen der mündlichen Prüfung, die Entscheidung nach § 17 Abs. 3 LÜ, die Prüfungsnote und die Schlussentscheidung des Prüfungsausschusses mit der Gesamtnote festgestellt werden. Neben den Noten sind dabei gemäß § 19 Satz 2 LÜ auch die festgesetzten Punktzahlen niederzulegen. Weitere Umstände sind in die Niederschrift nicht aufzunehmen.

98

bb) Der Zeuge D. musste sich ebenso wenig einer Mitwirkung als Mitglied des Prüfungsausschusses enthalten.

99

Soweit der Kläger vorträgt, der Zeuge D. sei ihn in der Pflichtfachprüfung im Strafrecht „zwischenzeitlich geradezu aggressiv“ angegangen, habe ihn mit den Worten „Sind sie wahnsinnig?“ schreiend unterbrochen und sodann einem Mitprüfling das Wort erteilt, hat das Gericht auf Grundlage der Beweisaufnahme nicht die Überzeugung erlangt, dass sich die Umstände wie vom Kläger geschildert zugetragen haben. Die Angaben des persönlich angehörten Klägers genügen für sich genommen nicht, um dem Gericht die notwendige Überzeugung zu verschaffen. Zwar hat der Kläger in seiner persönlichen Anhörung insofern keine Belastungstendenz gegen den Zeugen D. erkennen lassen, als der Kläger auch angegeben hat, der Zeuge habe nach Eröffnung des für ihn, den Kläger, nicht erwünschten Prüfungsergebnisses ihm gegenüber geäußert: „Sie sind ein Macher, Sie schaffen das auch so.“ Auch hat der Kläger die dem Zeugen D. zugeschriebene Äußerung nicht gänzlich ohne Zusammenhang dargestellt. Der Kläger hat bekundet, der Zeuge D. habe auf die Antwort zu einer der Fragen, an wen genau man sich im Hinblick auf einen internationalen Haftbefehl wenden solle in einer deutschen Botschaft, an den Botschafter oder an eine andere Person, geäußert: „Sind Sie wahnsinnig?“. Doch belegen weder die Aussagen der als Zeugen vernommenen drei verbliebenen Prüfer D., Dr. E. und C. noch die Aussagen der als Zeugen vernommenen Mitprüflinge A. und B. insoweit die Schilderung des Klägers. Im Einzelnen:

100

Der Zeuge D. hat bekundet, dass ihm die mündliche Prüfung selbst nicht mehr erinnerlich sei. Der Zeuge Dr. E. hat angegeben, sich nur noch an ein im Anschluss an die Prüfung zwischen der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses und dem Kläger geführtes Gespräch zu erinnern. Die beiden Zeugenaussagen sind insoweit nicht ergiebig.

101

Die weiteren Zeugen haben ausgesagt, sich an die mündliche Prüfung zu erinnern, nicht aber an die dem Zeugen D. zugeschriebene Äußerung. Es wäre aber zu erwarten gewesen, dass sie sich erinnert und dies in ihrer Zeugenaussage bekundet hätten, wenn sich der Zeuge D. als Prüfer gegenüber dem Kläger als Prüfling aggressiv verhalten, ihn angeschrien und unterbrochen hätte. So hat die Zeugin A. den klägerischen Vortrag nicht bestätigt, aber in ihrer Vernehmung bekundet, der Zeuge D. sei als Prüfer mit den gegebenen Antworten „nicht so richtig zufrieden“ gewesen, habe die Prüflinge der Reihe nach raten lassen und die Fragen dann weitergereicht. Der Zeuge B. hat zwar ausgesagt, sich an den Ablauf der mündlichen Prüfung zu erinnern, und detailliert bekundet, sich über die Art der Prüfungsführung geärgert zu haben, da der Zeuge D. als Prüfer im Strafrecht ein, zwei Fragen gestellt und dann bei diesem Fragenkomplex verharrt habe. Doch hat der Zeuge B. bekundet, sich an konkrete Äußerungen nicht erinnern zu können. Die Aussagen der vom Kläger als Zeugen benannten Mitprüflinge A. und B. sind glaubhaft. Sie sind detailreich und lassen, zumal sie Kritik am Prüfungsstil des Zeugen D. beinhalteten, keine Tendenz zugunsten des Zeugen D. oder zulasten des Klägers erkennen. Die Zeugin C. hat glaubhaft ausgesagt, sich an die mündliche Prüfung zu erinnern, nicht aber an eine Äußerung des Zeugen D. „Sind Sie wahnsinnig?“. Die Zeugin hat in ihrer Vernehmung den Eindruck vermittelt, dass es ihr um die gewissenhafte Darstellung des selbst Wahrgenommenen gehe. Sie hat sich offen geäußert und beispielsweise dargelegt, dass der Aktenvortrag „– außerhalb des Protokolls – in einem Maschinengewehrtempo“ so gewesen sei, dass man sich „erschlagen“ gefühlt habe. Angesichts der verstrichenen Zeit war ein höherer Detailreichtum der Zeugenaussage nicht zu erwarten. Eine gegen den Kläger gerichtete Belastungstendenz lässt die Zeugenaussage nicht erkennen. Die Zeugin hat bekundet, sie habe sich aus Anlass der Ladung als Zeugin zur mündlichen Verhandlung über die darin als Beweisthema genannten Äußerungen Gedanken gemacht, da der Kläger „ja sicherlich eine solche Behauptung auch nicht völlig aus der Luft gegriffen“ aufstelle. Die Zeugin hat zugunsten des Klägers die Möglichkeit angeführt, dass eine auf den Fall und die Lösung bezogene Kritik missverstanden und auf die Person bezogen worden sei. Schließlich ergibt sich aus der Aussage der für das Gemeinsame Prüfungsamt tätigen Zeugin F. nichts dafür, dass der Kläger ihr gegenüber die dem Zeugen D. zugeschriebene Äußerung zeitnah wiederholt hätte. Die Zeugin F. hat angegeben, sich nicht daran zu erinnern, dass in dem kurz nach der mündlichen Prüfung mit dem Kläger geführten Gespräch die Befangenheit eines Prüfers in Rede gestanden habe.

102

Soweit der Kläger angegeben hat, der Zeuge D. habe bemerkt, dass sich der Prüfungsausschuss wegen der Tätigkeit des Klägers als geschäftsführender Gesellschafter mit seinem Lebenslauf eine andere Erscheinung vorgestellt habe, ist das Gericht ebenfalls nicht davon überzeugt, dass diese Bemerkung gefallen ist. Es ist nicht erweislich, dass es zu einer gegen die Person des Klägers gerichteten Äußerung gekommen ist. Es ist mindestens ebenso wahrscheinlich, dass der Kläger eine sachliche Kritik an seinem in der mündlichen Prüfung gezeigten Leistungsbild missverstanden und auf sein persönliches Erscheinungsbild bezogen hat. In der Vernehmung haben weder der Zeuge D. selbst noch die weiteren Zeugen C., Dr. E., A. und B. ausgesagt, dass der Zeuge D. sich in der vom Kläger geschilderten Weise geäußert habe. Dagegen, dass eine solche Bemerkung gefallen ist, spricht auch, worauf die Zeugen C. und D. in ihren Aussagen zutreffend hingewiesen zu haben, dass die Notenverkündung und Notenbegründung in die Aufgabe der Vorsitzenden und nicht der weiteren Mitglieder des Prüfungsausschusses fällt.

103

Soweit der Kläger vorträgt, der Zeuge D. habe auf ein ihm selbst fehlendes Prädikatsexamen hingewiesen, kann dahinstehen, ob eine solche Äußerung gefallen ist. Denn eine solche Äußerung könnte – ebenso wie im Fall der Zeugin C. (s.o. aa)) – keine Besorgnis der Befangenheit begründen. Gegen eine Voreingenommenheit des Zeugen D. gegen die Person des Klägers spricht in diesem Zusammenhang zusätzlich die vom Kläger dem Zeugen D. zugeschriebene aufmunternde Äußerung: „Sie sind ein Macher, Sie schaffen das auch so.“

104

Unabhängig davon steht einer gegen den Zeugen D. als Prüfer erhobenen Befangenheitsrüge entgegen, dass der Kläger sie unter Verletzung seiner Obliegenheit aus § 6 Abs. 5 Satz 1 LÜ nicht unverzüglich erhoben hat. Der Aktenvortrag wurde vom Prüfungsausschuss am 26. Juni 2008 abgenommen. Eine Rüge der Befangenheit hat der Kläger erstmals in der ergänzenden Widerspruchsbegründung vom 24. September 2010 schriftlich niedergelegt und dort geltend gemacht, der Prüfungsausschuss sei „zumindest teilweise befangen“. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger zuvor bereits mündlich eine Rüge der Befangenheit erhoben hätte. Die mündliche Erhebung einer solchen Rüge belegen weder die Aussagen der als Zeugen vernommenen Prüfer C., D., Dr. E. oder der als Zeugen vernommenen Mitprüflinge A. und B. noch die Aussage der für das Gemeinsame Prüfungsamt tätig gewordenen Zeugin F.. Insbesondere ist der klägerische Vortrag nicht erwiesen, die Zeugin F. habe dem Kläger in Kenntnis der von ihm später mit der hiesigen Klage zur Begründung der Befangenheitsrüge vorgebrachten Umstände geraten, zur Vermeidung von Unstimmigkeiten gegenüber der Prüfungskommission den Widerspruch zunächst auf die Überprüfung der Hebeentscheidung sowie die Bewertung der betroffenen Klausuren zu beschränken. Der persönlich angehörte Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, er habe im Jahr 2008 von den „Prüfern ja auch noch etwas“ gewollt. Dies spricht gegen die Annahme, dass der Kläger einzelne Prüfer aus dem weiteren Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit ausschließen wollte. Die Angaben des persönlich angehörten Klägers, im Laufe des sich nach der Eröffnung des Prüfungsergebnisses ergebenden Gesprächs sei es „auch Richtung Befangenheit“ gegangen, wie er genau formuliert habe, wisse er nicht mehr, belegen nicht, dass der Kläger bereits gegenüber dem anwesenden Prüfungsausschuss selbst eine substantiierte Rüge der Befangenheit des Zeugen D. erhoben hätte. Der persönlich angehörte Kläger hat angegeben, nicht mehr zu wissen, welche „persönlichen Dinge“ über die Bemerkung der Zeugin C. über seinen […]-Kollegen hinaus er in dem mit der Zeugin F. nach der mündlichen Prüfung geführten Gespräch mitgeteilt habe. Die Zeugin F. hat in ihrer Vernehmung bekundet, sich nicht daran zu erinnern, dass in dem kurz nach der mündlichen Prüfung mit dem Kläger geführten Gespräch die Befangenheit eines Prüfers in Rede gestanden habe. Sie hat nicht bekundet, dass sie den Kläger in der von ihm geschilderten Weise beraten habe, sondern lediglich, dass sie ihm geraten habe, einen Verbesserungsversuch zu unternehmen, der auch neben einem Widerspruchsverfahren betrieben werden könne.

105

Zudem stehen einer Erhebung der Befangenheitsrüge der auch im öffentlichen Recht geltende Grundsatz von Treu und Glauben und das daraus folgende Verbot widersprüchlichen Verhaltens entgegen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, hat die Verwirkung als Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben für die gesamte Rechtsordnung Gültigkeit; sie bildet einen Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens und besagt, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (BVerwG, Beschl. v. 17.8.2011, 3 B 36/11, ZOV 2011, 222, juris Rn. 5 m.w.N.). Diese Voraussetzungen einer Verwirkung sind gegeben. Das erforderliche Umstandsmoment liegt darin, dass der Kläger mit dem Widerspruchsschreiben vom 30. Juni 2008 die bisherigen Prüfer zur Überdenkung ihrer nach § 17 Abs. 3 LÜ getroffenen Entscheidung aufgefordert und ausgeführt hat, er hoffe und sei zuversichtlich, dass bei Vornahme einer fehlerfreien Entscheidung eine Bewertung mit einem Prädikat herauskommen werde. Das erforderliche Zeitmoment ist durch den Ablauf von mehr als zwei Jahren zwischen der mündlichen Prüfung vom 26. Juni 2008 und der erstmaligen Erhebung einer Befangenheitsrüge am 24. September 2010 erfüllt.

106

c) In materieller Hinsicht dringt die gegen die Bewertung des Aktenvortrags mit der Note „ausreichend“ (6 Punkte) erhobene Rüge nicht durch.

107

Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung angegeben, er habe das Gefühl gehabt, dass die Prüfer sich von seinem Vortragsstil „erschlagen“ gefühlt hätten. In Übereinstimmung damit hat die als Zeugin vernommene Vorsitzende des Prüfungsausschusses C. angegeben, die Vortragsweise sei „– außerhalb des Protokolls – in einem Maschinengewehrtempo“ so gewesen, dass man „erschlagen“ worden sei. Der eine Prüfer habe von dem Aktenvortrag das mitbekommen und der andere jenes, und die Prüfer hätten insgesamt teilweise nicht mehr folgen können. Hiermit ist kein Unvermögen der Prüfer, sondern eine Schwäche des Aktenvortrags aufgezeigt, welche zu gewichten Aufgabe der Prüfer in Ausfüllung ihres Beurteilungsspielraums war. Es begründet keinen Bewertungsfehler, bei der Bewertung des Aktenvortrags auf dessen Verständlichkeit und den Vortragsstil abzustellen.

108

4. Der Kläger kann schließlich keine Neuentscheidung über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote der zweiten Staatsprüfung für Juristen verlangen. Die Entscheidung des Prüfungsausschusses, vom rechnerischen Ergebnis weder zulasten noch zugunsten des Klägers abzuweichen, hat Bestand. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist die Abweichungsentscheidung in der Fassung, die sie im Überdenkungsverfahren gefunden hat. Die vom Kläger erhobenen Rügen zeigen nicht auf, dass die Entscheidung des Prüfungsausschusses ausgehend von der einschlägigen Rechtsgrundlage (a)) die an sie gestellten formellen (b)) und materiellen (c)) Anforderungen verfehlen würde.

109

a) Die Entscheidung über eine Abweichung beruht auf der landesrechtlichen Regelung in § 17 Abs. 3 LÜ, welche die bundesrechtlichen Vorgaben des § 5d Abs. 4 DRiG umsetzt. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 LÜ darf der Prüfungsausschuss bei seiner Entscheidung über das Ergebnis der Prüfung von der nach § 17 Abs. 2 LÜ rechnerisch ermittelten Gesamtnote abweichen, wenn dies auf Grund des Gesamteindrucks den Leistungsstand des Referendars besser kennzeichnet. Hierbei sind nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 LÜ auch die Leistungen im Vorbereitungsdienst zu berücksichtigen. Sofern der Prüfungsausschuss dem Grunde nach eine Abweichung vornimmt, ist die Abweichung der Höhe nach dadurch beschränkt, dass sie gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 a.E. LÜ auf das Bestehen der Prüfung keinen Einfluss haben und nach § 17 Abs. 3 Satz 2 LÜ ein Drittel des durchschnittlichen Umfangs einer Notenstufe nicht übersteigen darf. Eine rechnerisch ermittelte Anrechnung von im Vorbereitungsdienst erteilten Noten auf die Gesamtnote ist gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 LÜ ausgeschlossen.

110

b) Ausgehend davon zeigen die vom Kläger erhobenen Einwendungen keinen formellen Fehler der Abweichungsentscheidung auf. Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist dabei die prüferische Entscheidung in der Fassung der Überdenkungsentscheidung (vgl. OVG Münster, Urt. v. 12.6.2013, 14 A 1600/11, NWVBl 2014, 68, juris Rn. 40). Weder das Ausgangsverfahren, in dem der Prüfungsausschuss am Tag der mündlichen Prüfung seine ursprüngliche Entscheidung getroffen hat (aa)), noch das durchgeführte Überdenkungsverfahren (bb)) lässt einen formellen Fehler erkennen.

111

aa) Das Ausgangsverfahren, in dem der Prüfungsausschuss am Tag der mündlichen Prüfung seine ursprüngliche Entscheidung getroffen hat, von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nicht abzuweichen, lässt keinen Fehler erkennen. Der vom Kläger erhobene Einwand, für eine „seriöse Befassung“ mit seinen Stationszeugnissen habe den Prüfern vor der ursprünglichen Abweichungsentscheidung zu wenig Zeit zur Verfügung gestanden, dringt nicht durch.

112

Es genügt, dass sich der Prüfungsausschuss aus den ihm vorliegenden Bewertungen der schriftlichen und mündlichen Prüfungsleistungen und auch aus den Leistungen im juristischen Vorbereitungsdienst einen Gesamteindruck über den Leistungsstand bilden konnte. Die Zeugnisse über die vom Kläger im juristischen Vorbereitungsdienst durchlaufenen Ausbildungsstationen lagen bei der am Tag der mündlichen Prüfung getroffenen Entscheidung vor. Die Entscheidung des Prüfungsausschusses gegen eine Abweichung setzt kein präsentes Wissen aller Prüfer hinsichtlich des vollständigen Inhalts sämtlicher Stationszeugnisse über den juristischen Vorbereitungsdienst voraus. Es ist bereits Ausdruck einer dem Prüfungsausschuss obliegenden prüfungsspezifischen Wertung, ob er in den ihm bekannten Umständen Anhaltspunkte dafür sieht, ausnahmsweise von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abzuweichen, und diesen Anhaltspunkten beispielsweise durch Lektüre der Stationszeugnisse nachgeht. Dies folgt daraus, dass für die Abweichungsentscheidung die Bewertungskriterien des jeweiligen Prüfungsausschusses maßgeblich sind, dem der Gesetzgeber hinsichtlich des Gesamteindrucks des Leistungsstands einen weiten Beurteilungsspielraum verleiht.

113

Das Gesetz enthält eine prüfungsrechtliche Beurteilungsermächtigung, die es ausschließt, dass ein Gericht bei der Überprüfung der Entscheidung des Prüfungsausschusses über eine Abweichung von der Durchschnittspunktzahl seinen eigenen Gesamteindruck vom Leistungsstand des Kandidaten zum Maßstab nimmt (BVerwG, Urt. v. 7.10.1988, 7 C 2/88, juris Rn. 19). Bei der Regelung über die Abweichungsbefugnis handelt es sich um eine typische Härtefallklausel, die Unbilligkeiten und ungewollten Härten einer schematischen Rechtsanwendung im Einzelfall begegnen und gegebenenfalls dem Gesamteindruck des Prüfungsorgans ausnahmsweise zum Durchbruch verhelfen will, freilich auch Korrekturen nach unten ermöglicht (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 10).

114

Ausgehend von der auf eine Härtefallkorrektur begrenzten Funktion der Abweichungsentscheidung muss der Prüfungsausschuss die Stationszeugnisse nur hinsichtlich der darin ausgewiesenen Noten kennen, um seine Entscheidung ordnungsgemäß treffen zu können. Nach diesen Maßstäben bestand im Ausgangsverfahren für den Prüfungsausschuss hinreichend Zeit, sich unter Berücksichtigung der Stationsnoten mit dem Leistungsbild der Prüflinge einschließlich desjenigen des Klägers zu befassen. Am Tag der mündlichen Prüfung lagen dem Prüfungsausschuss insbesondere die Zeugnisse über die Stationen des juristischen Vorbereitungsdienstes vor, so dass der ausweislich ihrer Stellungnahme vom 21. Juli 2008 um 9.00 Uhr eingetroffenen Vorsitzenden, der Zeugin C., und den frühzeitig eingetroffenen drei weiteren Prüfern hinreichend Gelegenheit blieb, sich aus den bisherigen Leistungen bereits vor dem ersten um 10.00 Uhr beginnenden Aktenvortrag ein umfassendes Bild von allen Prüfungskandidaten zu verschaffen.

115

Die Kammer schließt sich der weitergehenden Forderung nicht an, die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der notwendigen Befassung mit den Leistungen im juristischen Vorbereitungsdienst formuliert hat. Es hat in Auslegung der § 5d Abs. 4 DRiG in das nordrhein-westfälische Landesrecht umsetzenden Regelung angenommen, die Prüfer hätten für eine unerlässliche Verschaffung eines Gesamteindrucks die im Vorbereitungsdienst erteilten Einzelzeugnisse nicht nur mit ihrer jeweiligen Endnote, sondern auch mit ihrem Inhalt zur Kenntnis zu nehmen (OVG Münster, Urt. v. 9.1.2008, 14 A 3658/06, DÖV 2008, 608, juris Rn. 65). Die für diese Forderung gegebene Begründung ist nicht tragfähig. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen angeführt, dass es keinen allgemeinen Bewertungsgrundsatz gebe, aufgrund dessen im Vergleich zu den Prüfungsleistungen bessere Noten im Vorbereitungsdienst, gleichgültig wann und in welcher Ausbildungssituation sie erzielt worden sind, den Leistungsstand eines Prüflings besser kennzeichnen als der rechnerisch ermittelte Wert. Diese Ausführungen sind nachvollziehbar, da sie die Aussagekraft der im juristischen Vorbereitungsdienst erzielten Noten zu Recht relativieren und ihnen keine höhere Bedeutung beimessen als den in der zweiten Prüfung erbrachten Leistungen. Die Ausführungen bieten jedoch keine Grundlage für die Annahme, dass hinsichtlich der im juristischen Vorbereitungsdienst gezeigten Leistungen der Prüfungsausschuss die Zeugnisse ihrem vollständigen Inhalt nach erfassen müsse. Denn auch hinsichtlich der Bewertungen der schriftlichen Leistungen in der zweiten Prüfung wird eine solche Forderung – zu Recht – nicht aufgestellt. Soweit in der Rechtsprechung anderer Obergerichte an die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen angeknüpft wird, werden die Folgen, die sich aus einer Pflicht zur Kenntnisnahme der vollständigen Stationszeugnisse ergäben, sogleich eingeschränkt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat sich darauf zurückgezogen, dass die Kenntnisnahme in der Begründung des Prüfungsausschusses für die Entscheidung, nicht von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abzuweichen, nicht zum Ausdruck kommen müsse (VGH Kassel, Beschl. v. 10.9.2008, 8 UZ 1815/07, juris Rn 46). Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat es genügen lassen, dass allein der Prüfungsausschussvorsitzende die Ausbildungszeugnisse nicht nur hinsichtlich der Noten, sondern in ihrem gesamten Inhalt zur Kenntnis nimmt, um das dadurch vermittelte Bild an die anderen Ausschussmitglieder weitergeben zu können (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 30.11.2009, OVG 10 N 50.08, juris Rn. 10).

116

Aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt sich nicht, dass über die in den Ausbildungsnoten zum Ausdruck kommenden Ergebnisse im Vorbereitungsdienst hinaus notwendig auch die Inhalte der Stationszeugnisse in die Entscheidung über eine Abweichung einfließen müssen. Es ergibt sich allenfalls die Forderung, dass die erzielten Stationsnoten in die Abweichungsentscheidung gemäß § 5d Abs. 4 Satz 1 DRiG einbezogen werden müssen. So hat das Bundesverwaltungsgericht Zweifel gegen eine Auffassung angemeldet, dass gemäß § 5d Abs. 4 Satz 1 DRiG erst bei einer Entscheidung der Höhe nach, inwieweit von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird, die im Vorbereitungsdienst erbrachten Leistungen einzubeziehen seien (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 11). Das Bundesverwaltungsgericht hat es in dem von ihm entschiedenen Einzelfall jedenfalls genügen lassen, dass der Prüfungsausschuss seine Entscheidung auf einen Vergleich der im Prüfungsverfahren und im Vorbereitungsdienst erzielten Noten gestützt hatte (BVerwG, a.a.O, Rn. 11; der zugrundeliegende Sachverhalt ergibt sich aus der Entscheidung der Vorinstanz, OVG Münster, Urt. v. 27.2.1997, 22 A 1326/94, NWVBl. 1997, 380, juris Rn. 19).

117

Dem Landesrecht kann die Forderung, der Prüfungsausschuss müsse bei seiner Entscheidung nach § 17 Abs. 3 LÜ die Stationszeugnisse nicht nur hinsichtlich der Noten, sondern in ihrem gesamten Inhalt zur Kenntnis nehmen, jedenfalls nicht entnommen werden. Der Landesgesetzgeber geht ausweislich § 16 Abs. 2 LÜ davon aus, dass es hinreicht, den Mitgliedern des Prüfungsausschusses rechtzeitig vor der mündlichen Prüfung die Namen der Referendare, die Ergebnisse ihrer Aufsichtsarbeiten und den von ihnen gewählten Schwerpunktbereich mitzuteilen. Es ist vom Landesgesetzgeber demgegenüber keine Vorkehrung dafür getroffen worden, allen Prüfern eine Volllektüre der Stationszeugnisse zu ermöglichen.

118

Das Bundesrecht lässt ebenso wenig die Forderung erkennen, der Prüfungsausschuss müsse bei seiner Entscheidung nach § 5d Abs. 4 DRiG hinsichtlich der im Vorbereitungsdienst erbrachten Leistungen mehr als nur die Ausbildungsnoten berücksichtigen. Einer weitergehenden Forderung steht vielmehr der mit der Einführung der Abweichungsbefugnis verfolgte Gesetzeszweck entgegen. Der Bundesgesetzgeber hat die Abweichungsbefugnis durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (v. 16.8.1980, BGBl I S. 1451, zunächst in § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG, sodann durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes v. 25.7.1984, BGBl. I S. 995, in § 5d Abs. 4 Satz 1 DRiG verschoben) eingeführt. Der gesetzgeberische Zweck, die Folgen zu mildern, die sich aus der zugleich vorgenommenen Abschaffung einer automatischen Anrechnung der im juristischen Vorbereitungsdienst erbrachten Leistungen ergeben, geht aus der Entstehungsgeschichte hervor. Ursprünglich hatte § 5d Satz 2 des Deutschen Richtergesetzes in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (v. 10.9.1971, BGBl. I S. 1557) eine landesrechtliche Regelung zugelassen, dass bei der Entscheidung über das Ergebnis der zweiten Prüfung Noten für Leistungen im Vorbereitungsdienst bis zu einem Drittel auf die Gesamtnote angerechnet werden. Die Bundesregierung sah in ihrem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes (BT-Drs. 8/3312, S. 2) insoweit noch keine Änderung vor. Der Bundesrat nahm zu dem Regierungsentwurf dahingehend Stellung (BT-Drs. 8/3312, S. 6), dass es zur Vereinheitlichung der Prüfungsbestimmungen insbesondere unerlässlich sei, die Möglichkeit der Anrechnung der Ausbildungsnote auf das Ergebnis der zweiten Prüfung abzuschaffen. Die Regierungsmehrheit im Bundestag wollte den Vorschlag des von der damaligen Opposition dominierten Bundesrates einerseits nicht von der Hand weisen, andererseits dem Vorschlag auch nicht ohne Ergänzung folgen, sondern die Möglichkeit einer Berücksichtigung der Stationsnoten im Einzelfall offen halten. Die Einführung einer Abweichungsbefugnis durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes beruht auf einer Beschlussempfehlung und einem Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags (BT-Drs. 8/3972, S. 6). Dort heißt es:

119

„Die Mehrheit hält die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung nicht für geeignet, die an sich wünschenswerte Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen und Leistungsbewertung zu erreichen. Sie hält es für bedenklich, die Anrechnung von Ausbildungsnoten bei der zweiten Prüfung ganz auszuschließen. Die zweite Prüfung spiegelt notwendigerweise den Leistungsstandard eines Referendars nur im Zeitpunkt der Prüfung wider. Die sich daraus ergebenden Unsicherheiten für die Gesamtbeurteilung können am besten durch Berücksichtigung der Leistungen während der Ausbildung verringert werden.“

120

Ferner kommt die Eigenart der Abweichungsentscheidung, die sie gegenüber anderen prüferischen Entscheidungen wie der Bewertung einer Einzelleistung strukturell unterscheidet, auch hinsichtlich der Umstände zu tragen, von denen die Prüfer sich Kenntnis verschaffen müssen, um eine ordnungsgemäße prüferische Entscheidung treffen zu können. Die Bewertung einer einzelnen Prüfungsleistung erfordert, dass der Prüfer die zu bewertende Prüfungsleistung vollständig zur Kenntnis nimmt. Mit der zu bewertenden Prüfungsleistung sind zugleich alle Umstände erschöpfend erfasst, die potentiell zur Grundlage der prüferischen Entscheidung gemacht werden können. Demgegenüber muss der Prüfungsausschuss, um die Abweichungsentscheidung zu treffen, zwar die in den mündlichen und praktischen Prüfungsleistungen sowie die im juristischen Vorbereitungsdienst erzielten Noten zur Kenntnis nehmen. Es ist aber bereits Ausdruck einer dem Prüfungsausschuss obliegenden prüfungsspezifischen Wertung, ob der Prüfungsausschuss in den ihm bekannten Umständen Anhaltspunkte dafür sieht, ausnahmsweise von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abzuweichen und diesen Anhaltspunkten beispielsweise durch Lektüre der Stationszeugnisse oder der Aufsichtsarbeiten nebst Erst- und Zweitvoten der Gutachter nachzugehen.

121

Die Forderung, dass der Prüfungsausschuss die Stationszeugnisse ihrem Inhalt nach würdigen müsse, um sich den erforderlichen Gesamteindruck über den Leistungsstand zu verschaffen, kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Prüfungsausschuss dazu berufen wäre, als eine den Ausbildern in den Stationen übergeordnete, höhere prüferische Instanz eine eigene Bewertung der vom Referendar im juristischen Vorbereitungsdienst des Landes Bremen, Hamburg oder Schleswig-Holstein erbrachten Leistungen vorzunehmen. Eine solche Stellung kommt dem Prüfungsausschuss jedoch nicht zu. Der Prüfungsausschuss hat keine eigene Bewertung der Leistungen im juristischen Vorbereitungsdienst oder auch der in der zweiten Prüfung für Juristen erbrachten schriftlichen Leistungen vorzunehmen, sondern den sich insbesondere auf Grundlage der Einzelnoten ergebenden Gesamteindruck des Leistungsstandes zu beurteilen. Der für die mündliche Prüfung eingesetzte Prüfungsausschuss hatte auch vor der – um eine Abweichungsbefugnis gemilderten – Abschaffung der automatischen Anrechnung der Stationsnoten keine den Gutachtern der schriftlichen Einzelleistungen oder den Stationsausbildern übergeordnete Stellung inne. Der begrenzte Rahmen der Abweichungsentscheidung äußert sich etwa auch in der Begrenztheit der Folgen einer fehlerhaften Abweichungsentscheidung. Da die Abweichungsentscheidung das Prüfungsgeschehen nicht prägt und es sich bei § 5d Abs. 4 DRiG um eine lediglich ergänzende Regelung handelt, muss insbesondere nicht die mündliche Prüfung wiederholt werden, um einen Fehler in der Abweichungsentscheidung heilen zu können (BVerwG, Urt. v. 10.10.2002, 6 C 7/02, juris Rn. 17).

122

bb) Das Überdenkungsverfahren ist von dem mit den drei verbliebenen Prüfern ((1)) rechtsfehlerfrei besetzten ((2)) zuständigen Prüfungsausschuss ordnungsgemäß durchgeführt worden. Dem Prüfungsausschuss lagen die erforderlichen Akten vor ((3)). Die an eine Kollegialentscheidung im Hinblick auf den Meinungsaustausch unter den Mitgliedern zu stellenden Anforderungen sind im Einzelfall erfüllt ((4)).

123

(1) Der Prüfungsausschuss war im Überdenkungsverfahren entgegen dem vom Kläger erhobenen Einwand nicht unterbesetzt. Nach Versterben des Prüfers Dr. G. konnte und musste der mit den drei verbleibenden Prüfern besetzte Prüfungsausschuss das Überdenkungsverfahren abschließen.

124

Den einschlägigen Vorschriften ist zum einen die Vorgabe zu entnehmen, dass der Prüfungsausschuss aus vier Prüfern besteht, zum anderen die Vorgabe, dass der die mündliche Prüfung abnehmende Prüfungsausschuss derselbe ist, der die Entscheidung über eine Abweichung trifft. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 LÜ wird die mündliche Prüfung von einem einschließlich des Vorsitzenden aus vier Prüfern bestehenden Prüfungsausschuss abgenommen, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 LÜ im Anschluss an die mündliche Prüfung über die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen berät. „Der Prüfungsausschuss“ ist das in § 17 Abs. 3 LÜ benannte Organ, das die Entscheidung trifft, ob von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird. Damit ist aufgrund der systematischen Stellung der Norm derjenige Prüfungsausschuss gemeint, der die mündliche Prüfung abgenommen und nach § 17 Abs. 1 LÜ bewertet hat. Demgegenüber fehlt es an einer Vorschrift, die bestimmt, dass der Prüfungsausschuss nicht der gleiche sein müsse wie der zur Abnahme der mündlichen Prüfung berufene Prüfungsausschuss. Eine solche Vorschrift wäre ausgehend von der Gesetzesgeschichte zu erwarten gewesen. So gab es in § 11 Abs. 1 Satz 5 der ursprünglichen Fassung der Übereinkunft der Länder Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein über ein Gemeinsames Prüfungsamt und die Prüfungsordnung für die Große Staatsprüfung für Juristen (in Landesrecht überführt durch Gesetz v. 26.6.1972, HmbGVBl. S. 119) eine Vorschrift, die bestimmte, dass der damals zur Bewertung der Aufsichtsarbeiten einzusetzende Prüfungsausschuss aus vier Mitgliedern nicht der gleiche sein musste wie derjenige zur Abnahme der mündlichen Prüfung.

125

Der zuständige Prüfungsausschuss, der am Tag der mündlichen Prüfung getroffenen Entscheidung noch aus vier Mitgliedern bestanden hatte, musste und durfte nach dem Versterben des Prüfers Dr. G. nicht mit einem neuen vierten Mitglied nachbesetzt werden. Dies folgt aus dem Gebot der Chancengleichheit in berufseröffnenden Prüfungen gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GF.

126

Verstirbt nach der mündlichen Prüfung ein Prüfer, kann nicht sowohl der Vorgabe aus § 16 Abs. 1 LÜ, dass der Prüfungsausschuss aus vier Mitgliedern besteht, als auch der Vorgabe aus § 17 Abs. 2 LÜ, dass der die Abweichungsentscheidung vornehmende Prüfungsausschuss mit demjenigen identisch ist, der die mündliche Prüfung abgenommen hat, Genüge getan werden. Dem Gebot des geringstmöglichen Eingriffs in die Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien entspricht es, in diesem Fall die Abweichungsentscheidung durch den bisherigen Prüfungsausschuss überdenken zu lassen, wenngleich in der Besetzung mit den verbleibenden drei Mitgliedern. Aufgrund des Gebots der Chancengleichheit ist eine wegen Bewertungsfehlern beanstandete Prüfungsentscheidung unter Mitwirkung der bisherigen Prüfer zu überdenken (BFH, Urt. v. 28.11.2002, VII R 27/02, BFHE 201, 471, juris Rn. 6 ff.). Denn es müssen soweit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien wie bei den Mitprüflingen gelten (BVerwG, Urt. v. 28.10.2004, 6 B 51.04, juris Rn. 20). Die dafür erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, ist in erster Linie Aufgabe des zuständigen Normgebers; bei Fehlen einer normativen Bestimmung sind die Gerichte aufgerufen, die Lücke in der Regelung des Prüfungsablaufs so zu schließen, dass der Prüfling bei der Überprüfung einer strittigen Bewertung den geringstmöglichen Nachteil erleidet (BVerwG, Urt. v. 19.12.2001, 6 C 14/01, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400, juris Rn. 27), indes dadurch auch keinen Vorteil gegenüber anderen Prüflingen erlangt (BFH, Urt. v. 28.11.2002, VII R 27/02, BFHE 201, 471, juris Rn. 6). Eine Überdenkung als selbstkritische und selbständige Überprüfung der eigenen Beurteilung (OVG Münster, Urt. v. 18.4.2012, 14 A 2687/09, juris Rn. 73) war nur den Prüfern möglich, die an der zur Überdenkung gestellten ursprünglichen Entscheidung beteiligt waren. Wäre die vakante vierte Stelle mit einem neuen Prüfer nachbesetzt worden, hätte der Prüfungsausschuss seine Entscheidung am Maßstab seiner Bewertungskriterien nicht überdenken können, sondern es hätte sich ein neu zusammengesetzter Prüfungsausschuss am Maßstab seiner erst noch zu bildenden Bewertungskriterien mit der Frage der Abweichung erstmals befassen müssen. Zu dem Gesamteindruck aller Prüfungsleistungen i.S.d. § 5d Abs. 4 DRiG gehört nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 10.10.2002, 6 C 7/02, juris Rn. 17), der sich die Kammer anschließt, grundsätzlich auch der durch die mündliche Prüfung vermittelte Eindruck. Auf eine Berücksichtigung des Eindrucks der mündlichen Prüfung würde ohne Not verzichtet, wenn der Prüfungsausschuss in neuer Zusammensetzung mit einem vierten Mitglied, das nicht an der mündlichen Prüfung mitgewirkt hat, die Entscheidung über die Abweichung treffen müsste.

127

(2) Entgegen den vom Kläger erhobenen Bedenken war auch bei der Überdenkungsentscheidung kein Prüfer einer Besorgnis der Befangenheit ausgesetzt, die seiner Mitwirkung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG entgegengestanden hätte. In der im Überdenkungsverfahren von der Vorsitzenden für den Prüfungsausschuss abgegebenen Stellungnahme vom 29. November 2010 heißt es:

128

„Da Herr Rechtsanwalt Dr. G. zwischenzeitlich verstorben ist, kann eine solche Stellungnahme nur noch von den o. g. Prüfern abgegeben werden. Rein vorsorglich weise ich darauf hin, dass die nachfolgenden Ausführungen das Votum aller drei verbliebenen Mitglieder der Prüfungskommission darstellen. Selbst eine abweichende Auffassung von Herrn Dr. G. – wenn (rein hypothetisch) eine solche zu seinen Lebzeiten erfolgt wäre – könnte somit an der jetzigen Entscheidung der Kommission nichts ändern.“

129

In dieser Äußerung kommt der erreichte einvernehmliche Meinungsstand der verbliebenen drei Mitglieder des Prüfungsausschusses zum Ausdruck. Es ist aber nicht der Schluss möglich, dass den verbliebenen drei Mitgliedern die Bereitschaft gefehlt hätte, sich mit entsprechenden Argumenten des vierten Mitglieds zugunsten einer Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote auseinanderzusetzen.

130

(3) Für die Zwecke der Überdenkung der Abweichungsentscheidung bedurfte es nicht der Vorlage weiterer Aktenbestandteile. Nach den dargestellten Grundsätzen setzt bereits die ursprüngliche Entscheidung des Prüfungsausschusses kein präsentes Wissen aller Prüfer hinsichtlich des vollständigen Inhalts der Stationszeugnisse über die im juristischen Vorbereitungsdienst gezeigten Leistungen voraus (s.o. aa)). Ein solches Wissen müssen sich die Prüfer deshalb auch im Überdenkungsverfahren nur verschaffen, wenn sich nach dem Maßstab ihrer prüfungsspezifischen Wertung entsprechende Anhaltspunkte ergeben.

131

Die den Prüfern im Überdenkungsverfahren vorliegenden Aktenbestandteile genügten. Die Zeugin C. wurde mit Schreiben des Gemeinsamen Prüfungsamtes vom 30. September 2010 gebeten, nach Rücksprache mit den übrigen Prüfern unter erneuter Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums im Hinblick auf eine Notenanhebung Stellung zu nehmen. Die Zeugen D. und Dr. E. wurden mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 ersucht, sich mit der Zeugin C. in Verbindung zu setzen und unter erneuter Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums im Hinblick auf eine Notenanhebung Stellung zu nehmen. Jeweils in Kopie beigefügt wurden das klägerische Schreiben vom 24. September 2010, dass auf die Notenanhebung in der Aufsichtsarbeit ZHG als Anlass der Überdenkung verweist, sowie das Protokoll der mündlichen Prüfung.

132

(4) Für die Zwecke der Überdenkung der Abweichungsentscheidung sind die Anforderungen an den für eine Kollegialentscheidung erforderlichen Meinungsaustausch gewahrt. Die Mitglieder des Prüfungsausschusses haben sich im Überdenkungsverfahren zwar nicht erneut physisch an einem Ort getroffen und auch nicht die Entscheidung etwa in einer Telefonkonferenz getroffen. Doch ist die von der Zeugin C. dem Gemeinsamen Prüfungsamt übermittelte Stellungnahme im Überdenkungsverfahren nach Rücksprache und im Einvernehmen der verbliebenen Prüfer erstellt worden. Im Einzelfall setzte ein ordnungsgemäßes Überdenkungsverfahren eine gleichzeitige Anwesenheit oder eine gleichzeitige Kommunikation aller Mitglieder des Prüfungsverfahrens nicht voraus.

133

Dabei kann dahinstehen, ob die ursprüngliche Entscheidung des Prüfungsausschusses über eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote notwendig die gleichzeitige Anwesenheit aller Mitglieder erforderte oder auch auf andere Weise eine Entscheidung zulässig gewesen wäre. Zwar ist der Prüfungsausschuss nach § 17 Abs. 3 LÜ verpflichtet, vor der Eröffnung des Ergebnisses die Entscheidung zu treffen, ob von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird. Zu diesem Zeitpunkt ist der Prüfungsausschuss noch am Prüfungsort versammelt. Doch steht in Frage, ob etwa dann, wenn der Prüfungsausschuss es am Tag der mündlichen Prüfung versäumt hat, die Entscheidung über eine Abweichung zu treffen, er notwendig noch einmal zusammentreten muss oder eine andere Verfahrensweise möglich ist. Denn während die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen gemäß § 17 Abs. 1 LÜ ausdrücklich voraussetzt, dass der Prüfungsausschuss über die Bewertung berät, findet sich im Gesetzeswortlaut keine entsprechende Verfahrensanforderung für die nach § 17 Abs. 3 LÜ zu treffende Abweichungsentscheidung.

134

Zumindest sind an das Überdenkungsverfahren in Ermangelung besonderer Vorschriften in der Prüfungsordnung nicht notwendig die gleichen Verfahrensanforderungen zu stellen, wie an die ursprüngliche prüferische Entscheidung. Selbst soweit das Prüfungsverfahren eine Beratung verlangt, gilt dies nicht ohne weiteres auch für das Überdenkungsverfahren (VGH Mannheim, Urt. v. 9.5.1995, 9 S 2341/93, DVBl. 1995, 1356, juris Rn. 29). Die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Überdenkungsverfahren ergeben sich aus seiner Funktion. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Beschl. v. 9.10.2012, 6 B 39/12, juris Rn. 5; vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, 1 BvR 419/81, 1 BvR 21 BvR 213/83, BVerfGE 84, 34, juris Rn. 39), welche sich die Kammer zu Eigen macht, besteht ein grundrechtlich fundierter Anspruch von Prüflingen, bereits im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens ihre Einwände gegen die Bewertungen der Prüfer vorzubringen, um deren wirksame Nachprüfung zu erreichen. Das Überdenkungsverfahren hat die Funktion, einen der Eigenart prüferischer Entscheidungen angepassten Rechtsschutz zu gewähren (BFH, Urt. v. 28.11.2002, VII R 27/02, BFHE 201, 471; FG München, Urt. v. 18.4.2012, 4 K 309/09, EFG 2012, 1602). Während effektiver Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich dadurch gewährleistet wird, dass in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Letztentscheidung dem Gericht obliegt, verbleibt in den Grenzen eines prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums die Letztentscheidung den Prüfern. Das Überdenkungsverfahren ist so auszugestalten, dass es dem wirksamen Rechtsschutz dient, welcher nach der Eigenart der zur Überdenkung anstehenden prüferischen Entscheidung möglich ist. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 16.4.1997, 6 C 9/95, juris Rn. 36), der sich die Kammer anschließt, sind für das Überdenkungsverfahren keine starren Regelungen aufzustellen und kommt, abhängig von den Umständen des Einzelfalls, auch ein Umlaufverfahren in Frage. Den Bedenken, dass einzelne Prüfer bei der mündlichen Beratung im Prüfergremium bessere Möglichkeiten hätten, ihre Erwägungen in die Entscheidung des Prüfungsausschusses einfließen zu lassen, als dies bei einer Abstimmung im Umlaufverfahren der Fall sei (so VGH Kassel, Urt. v. 13.10.1994, 6 UE 2077/90, DVBl 1995, 436 , juris Rn. 85), kann dabei dadurch Rechnung getragen werden, dass die Durchführung eines Umlaufverfahrens auf den Fall beschränkt wird, in dem sich die Prüfer auf eine einheitliche Haltung einigen können (OVG Schleswig, Urt. v. 8.10.1993, 3 L 47/93, DÖV 1994, 394, juris Rn. 35).

135

Im Einzelfall genügte die Handhabung des Verfahrens den durch Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG vorgegebenen spezifischen Zielen des Überdenkungsverfahrens.

136

In tatsächlicher Hinsicht legt die Kammer dabei ausgehend von den Sachakten und der durchgeführten Beweisaufnahme folgenden Ablauf des Überdenkungsverfahrens zugrunde: Die Stellungnahme vom 29. Oktober 2011 gegenüber dem Gemeinsamen Prüfungsamt wurde von der Zeugin C. nach Rücksprache mit den Zeugen D. und Dr. E. und im Einverständnis mit diesen abgegeben. Nach den Angaben der Zeugin C. in ihrer Vernehmung hat sie als Vorsitzende des Prüfungsausschusses den beiden verbliebenen Mitprüfer mit einer E-Mail den Entwurf der später am 29. Oktober 2011 abgegebenen Stellungnahme zugesandt und sie um Mitteilung gebeten, falls sie Änderungs- oder Verbesserungswünsche hätten. Vor der Abgabe der Stellungnahme hatte die Zeugin C. telefonisch oder auf anderem Wege Kontakt mit den Mitprüfern. Die Zeugin hat ihre Erinnerung auf die ihr als Ausdrucke vorliegenden E-Mails gestützt. Die Aussage der Zeugin C. ist auch hinsichtlich des Ablaufs des Überdenkungsverfahrens tendenzfrei sowie hinreichend detailreich und ebenso glaubhaft wie hinsichtlich des Geschehens am Tag der mündlichen Prüfung (dazu s.o. 3. b) bb)).

137

In rechtlicher Hinsicht genügte das geschilderte Umlaufverfahren, um im Einzelfall ein rechtsschutzwirksames Überdenkungsverfahren zu gewährleisten. Die Entscheidung ist vom Prüfungsausschuss getroffen worden, nachdem alle Mitglieder Gelegenheit zum Meinungsaustausch hatten. Jedem der Prüfer hätte es offen gestanden, Änderungswünsche anzubringen und auch auf einer nochmaligen Zusammenkunft zu bestehen, wenn dies nach seiner prüfungsspezifischen Wertung angezeigt gewesen wäre. Nach Gegenstand und Anlass des Überdenkungsverfahrens bestanden keine Besonderheiten, die eine bestimmte Verfahrensweise erfordert hätten. Es bedurfte insbesondere keiner gleichzeitigen Anwesenheit der Mitglieder des Prüfungsausschusses an einem Ort oder der gleichzeitigen Kommunikation aller Mitglieder des Prüfungsausschusses etwa in einer Telefonkonferenz, um eine tatsächlich wirksame Überprüfung zu gewährleisten.

138

Den Gegenstand des Überdenkungsverfahrens bildete die Abweichungsentscheidung. Hinsichtlich des einzuhaltenden Verfahrens kommt zum Tragen, dass sich bei der Überdenkung der Abweichungsentscheidung die rechtsschutzwirksame Auseinandersetzung mit Einwänden des Prüflings nicht in der gleichen Weise vollziehen kann und deshalb auch nicht in der gleichen Weise vollziehen muss, wie bei der Überdenkung der Bewertung einer Einzelleistung. Bezieht sich das Überdenkungsverfahren auf die von einem Prüfer vorgenommenen Bewertung einer Einzelleistung, muss der jeweilige Prüfer selbstkritisch und selbständig seine eigene Beurteilung überprüfen (OVG Münster, Urt. v. 18.4.2012, 14 A 2687/09, juris Rn. 73). Damit das Verfahren des Überdenkens der Prüfungsentscheidung seinen Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings effektiv zu schützen, konkret erfüllen kann, muss insoweit gewährleistet sein, dass die Prüfer ihre Bewertungen hinreichend begründen, dass der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Korrekturbemerkungen der Prüfer einsehen kann, dass die daraufhin vom Prüfling erhobenen substantiierten Einwände den beteiligten Prüfern zugeleitet werden, dass die Prüfer sich mit den Einwänden des Prüflings auseinandersetzen und, soweit diese berechtigt sind, ihre Bewertung der betroffenen Prüfungsleistung korrigieren sowie alsdann auf dieser – möglicherweise veränderten – Grundlage erneut über das Ergebnis der Prüfung entscheiden (BVerwG, Beschl. v. 9.10.2012, 6 B 39/12, juris Rn. 6). Der Prüfer muss sein Bewertungsergebnis begründen, indem er seine Bewertungsmaßstäbe erkennen lässt und diese auf die Bewertungsgrundlage anwendet und Stärken und Schwächen der Prüfungsleistung aufzeigt. Etwa kann die Prüferkritik an einer juristischen Einzelleistung differenziert Fehler unter den Aspekten der Sachverhaltserfassung, Norminterpretation, Subsumtion, Methodik, Logik oder Sprache aufzeigen und darstellen, wie schwer diese Fehler nach den Kriterien des Prüfers gewichtet werden. Der Weg des Prüfers zu dem gefundenen Bewertungsergebnis wird auf diese Weise nachvollziehbar und überprüfbar gemacht. Soweit der Prüfling rügt, dass seinen Fehlern ein geringeres Gewicht zukomme, berührt dies prüfungsspezifische Wertungen, hinsichtlich derer dem Prüfer ein Beurteilungsspielraum zukommt, so dass ein Gericht nur die Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums kontrollieren kann. Soweit ein Prüfling aber das Vorliegen eines fachlichen Fehlers bestreitet, obliegt dem Gericht die Letztentscheidung über die Vertretbarkeit der vom Prüfling gegebenen Antwort. Bezieht sich das Überdenkungsverfahren hingegen auf die den Gesamteindruck des Leistungsstands in den Blick nehmende Entscheidung des Prüfungsausschusses, ob von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote abgewichen wird, ist eine nach fachlichen Fragen einerseits und prüfungsspezifischen Wertungen andererseits differenzierende Auseinandersetzung mit der prüferischen Entscheidung nicht zu leisten. Die von den Prüfern einvernehmlich getroffene prüfungsspezifische Wertung, dass nach dem Gesamteindruck kein eine Abweichung rechtfertigender Härtefall vorliegt, konnte von den Mitgliedern des Prüfungsausschusses selbstkritisch und selbständig überdacht werden, wenn nur – wie im eingeschlagenen Umlaufverfahren – ein Meinungsaustausch zwischen den Mitgliedern möglich war. Es ist kein Mehrwert ersichtlich, der sich aus einem neuerlichen Zusammentritt des Prüfungsausschusses an einem Ort oder etwa einer Telefonkonferenz für den wirksamen Rechtsschutz des Prüflings ergeben hätte.

139

Es war auch nicht auf Grund des konkreten Anlasses des Überdenkungsverfahrens eine Entscheidung im Umlaufverfahren ausgeschlossen. Die Überdenkung, auf die sich die vom Kläger erhobenen Einwände beziehen, hatte mit der Anhebung der Bewertung in der Aufsichtsarbeit ZHG unter Beibehaltung der Notenstufe „ausreichend“ im Punktwert von 5 auf 6 Punkte und damit einhergehend einer Änderung der rechnerisch ermittelten Gesamtnote von 8,78 auf 8,87 Punkte einen begrenzten und überschaubaren Anlass. Der rechnerische Abstand zu der im Gesamtergebnis erstrebten nächsten Notenstufe „vollbefriedigend“ war von 0,22 auf immer noch 0,13 Punkte verringert worden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Prüfungsausschuss die von ihm angelegten Kriterien im Überdenkungsverfahren verändert hätte. Ein Umlaufverfahren war dem Anlass des Überdenkungsverfahrens angemessen, zumal nach dem Gesetz eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nur ausnahmsweise zulässig ist (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 9), mithin im Regelfall angenommen werden muss, dass die anhand der gesetzlichen Gewichtungsregelungen rechnerisch ermittelte Gesamtnote dem wahren Leistungsstand entspricht.

140

c) Die materiellen Anforderungen sind durch die Abweichungsentscheidung in der Gestalt, die sie im Überdenkungsverfahren gefunden hat, erfüllt. Der Prüfungsausschuss hat mit seiner Entscheidung, von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote nicht abzuweichen, den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Die Kammer schließt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn. 9) an, nach der die Ermächtigung eine Abweichung nur ausnahmsweise zulässt und es verbietet, die Prüfer immer schon dann zu einer Höherstufung zu verpflichten, wenn einzelne dafür sprechende Umstände vorliegen. Die vom Kläger im Widerspruchsverfahren erhobene Rüge hinsichtlich der Berücksichtigung der Notenanhebung in der Aufsichtsarbeit ZHG hat sich im Überdenkungsverfahren erledigt (aa)). Die Leistungen des Klägers in der mündlichen Prüfung und im juristischen Vorbereitungsdienst sind entgegen der erhobenen Rüge hinreichend berücksichtigt worden (bb)). Die Rüge im Hinblick darauf, dass der Kläger die Gesamtnote „vollbefriedigend“ in der ersten Prüfung für Juristen erreicht und in der zweiten Prüfung knapp verfehlt hat, dringt nicht durch (cc)). Die außerhalb des juristischen Vorbereitungsdienstes vom Kläger erbrachten Leistungen haben zu Recht keine Berücksichtigung gefunden (dd)). Die Rüge hinsichtlich der Äußerung über eine wohlwollende Beurteilung in den Einzelnoten der mündlichen Prüfung zeigt keinen Fehler in der Bewertung auf (ee)).

141

aa) Die Abweichungsentscheidung leidet nicht deshalb an einem Sachverhaltsfehler, weil die nachträgliche Anhebung der Bewertung in der Aufsichtsarbeit ZHG auf die Note „ausreichend“ (6 Punkte) ursprünglich keine Berücksichtigung hatte finden können. Der am Tag der mündlichen Prüfung getroffenen ursprünglichen Abweichungsentscheidung lag zunächst die – damals zutreffende – Annahme zugrunde, die Aufsichtsarbeit ZHG sei mit der Note „ausreichend“ (5 Punkte) bewertet worden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 19.12.2001, 6 C 14/01, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 400, juris Rn. 32), der sich die Kammer anschließt, muss der Prüfungsausschuss die Abweichungsentscheidung auch dann neu treffen, wenn schriftliche Arbeiten neu bewertet worden sind. Der Prüfungsausschuss hat im Überdenkungsverfahren unter Einbeziehung der Anhebung der Bewertung in der Aufsichtsarbeit ZHG an seiner Entscheidung festgehalten. In der Stellungnahme des Prüfungsausschusses vom 29. November 2011 wird zutreffend hervorgehoben, dass ein Notensprung damit nicht verbunden war und es bei einer ausreichenden Klausurleistung verblieb. Ohne Bewertungsfehler erkennen zu lassen, wird ausgeführt, dass das Gesamtbild der schriftlichen Prüfungsleistungen mit insgesamt fünf Klausuren im Bereich zwischen 3 und 9 Punkten und drei Klausuren im Bereich zwischen 12 und 14 Punkten weiterhin von sehr stark schwankenden Leistungen geprägt sei, die schwerpunktmäßig im mangelhaften bis befriedigenden Bereich und nicht im zumindest vollbefriedigenden Bereich angesiedelt seien.

142

bb) Die Entscheidung über die Abweichung hat die mündlichen Leistungen und die Leistungen im Vorbereitungsdienst auch im Überdenkungsverfahren hinreichend einbezogen. Wie in der der Stellungnahme vom 29. November 2011 zutreffend dargelegt, zeigte der Kläger auch in der mündlichen Prüfung nicht konstant Leistungen im oberen Bereich der Notenskala. Der Kläger hat nicht nur im rechtsfehlerfrei mit der Note „ausreichend“ (6 Punkte) bewerteten Aktenvortrag, sondern auch im strafrechtlichen Abschnitt des Prüfungsgesprächs mit der Note „befriedigend“ (8 Punkte) keine mindestens vollbefriedigenden Leistungen gezeigt. Ohne Bewertungsfehler erkennen zu lassen, hat sich für den Prüfungsausschuss ausweislich der Stellungnahme ein Leistungsbild ergeben, das der Notenstufe „vollbefriedigend“ auch unter Berücksichtigung der im Vorbereitungsdienst gezeigten Leistungen nicht entsprochen habe.

143

Es lässt keinen Beurteilungsfehler erkennen, nicht bereits darin eine Härte zu sehen, dass der Kläger in drei der vier Abschnitte des Prüfungsgesprächs in der mündlichen Prüfung deutlich bessere Bewertungen erzielt hat als im Aktenvortrag und im Durchschnitt in den Aufsichtsarbeiten. Sowohl in den Aufsichtsarbeiten als auch in der mündlichen Prüfung hat der Kläger nicht nur vereinzelt Prädikatsnoten verfehlt. Die Abweichungsbefugnis nach § 17 Abs. 3 LÜ dient nicht dazu, die gesetzliche Gewichtung nach § 17 Abs. 2 LÜ zu korrigieren, weder hinsichtlich des höheren Gewichts der schriftlichen Leistungen gegenüber den mündlichen Leistungen (70,00 v.H. gegenüber 30,00 v.H.), noch hinsichtlich des höheren Gewichts des Aktenvortrags gegenüber den einzelnen Abschnitten des Prüfungsgesprächs (8,00 v.H. gegenüber 5,50 v.H.).

144

Es überschreitet nicht den dem Prüfungsausschuss zukommenden Beurteilungsspielraum, darin keine den Fall des Klägers gegenüber den typischen Fallgestaltungen heraushebende Härte zu sehen, dass die meisten der Stationsnoten des Klägers deutlich besser sind als die rechnerisch ermittelte Gesamtnote. Zwar wäre der Prüfungsausschuss nicht gehindert gewesen, auch unter Berücksichtigung der Stationsnoten eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote vorzunehmen. Allerdings war er nicht dazu verpflichtet. Es gibt keinen allgemein gültigen Erfahrungssatz, dass ein Referendar, der in den Stationen des juristischen Vorbereitungsdienstes durchgehend – oder wie der Kläger fast durchgehend – Noten im Prädikatsbereich erzielt hat, in der zweiten Prüfung für Juristen die Note „vollbefriedigend“ erreichen müsste.

145

cc) Soweit der Kläger einwendet, das knappe Verfehlen einer Notenstufe und ein erheblicher Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Staatsexamen hätten zu einer Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote führen müssen, ist damit kein Beurteilungsfehler aufgezeigt. Wie vom Prüfungsausschuss in der Stellungnahme vom 29. Oktober 2011 aufgezeigt, hätte die Anhebung der Gesamtnote auf mindestens 9,00 Punkte zugunsten des Klägers rechnerisch mehr als zwei zusätzlichen Punkten in der Bewertung der vier Abschnitte des Prüfungsgesprächs oder zwei zusätzlichen Punkten in der Bewertung des Aktenvortrags entsprochen. Wird der Punktwert für eine bessere Note nur knapp verfehlt, liegt darin allein noch keine eine Abweichung von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote rechtfertigende ungewollte Härte (BVerwG, Beschl. v. 4.8.1997, 6 B 44/97, juris Rn 10). Es ist nicht untypisch, dass sich ein Prädikatsexamen aus der ersten Prüfung in der zweiten Prüfung für Juristen nicht wiederholt.

146

dd) Sofern ein Prüfer gegenüber dem Kläger geäußert haben sollte, es sei nicht sein „Lebenswerk“ zu würdigen, wäre dies nicht zu beanstanden. Außerhalb des Vorbereitungsdienstes gezeigte Leistungen können nur dann in die Gesamtbeurteilung des Leistungsstandes einbezogen werden, wenn sie eine Aussage hinsichtlich der Inhalte und Ziele des Vorbereitungsdienstes enthalten (VG Köln, Urt. v. 9.9.2010, 6 K 2738/09, juris Rn. 62, 64). Die Promotion des Klägers zum Doctor iuris, der Erwerb des Grades eines Magister Legum oder die Tätigkeit als […] stehen ohne erkennbaren Bezug zu Inhalten und Zielen des Vorbereitungsdienstes.

147

ee) Soweit die Prüfer in der ursprünglichen Eröffnung des Gesamtergebnisses ausgeführt haben, eine positive Abweichungsentscheidung komme nicht in Betracht, weil bei den Einzelnoten bereits im Zweifel zugunsten des Prüflings entschieden worden sei, ist darin kein Beurteilungsfehler zu sehen. Ein Beurteilungsausfall würde voraussetzen, dass die Prüfer eine Abweichung nicht erwogen hätten. Kein Beurteilungsausfall liegt vor, wenn der Prüfungsausschuss, wie im vorliegenden Fall, eine Abweichung erwägt und ablehnt. Dabei ist es nicht beurteilungsfehlerhaft, wenn der Prüfungsausschuss bei der Entscheidung gegen eine Abweichung berücksichtigt, dass er die Noten für die mündlichen Prüfungsleistungen – ausgehend von seinen Bewertungskriterien – wohlwollend vergeben hat.

II.

148

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 2. März 2011 - 2 K 179/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Bewertung seiner Leistung in der mündlichen Abiturprüfung im Fach Religion.
Der Kläger legte im Schuljahr 2007/2008 als Schüler des Biotechnologischen Gymnasiums der ... in ... in der zweiten Jahrgangsstufe der Qualifikationsphase die Abiturprüfung ab. In der mündlichen Prüfung am 25.06.2008 im Fach Katholische Religion erzielte er eine Punktzahl von sechs Punkten (ausreichend). Damit erreichte er insgesamt nur 99 Punkte der gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abiturverordnung berufliche Gymnasien (BGVO) vom 05.12.2002 (GBl. 2003 S. 25, die nachfolgenden Änderungen sind vorliegend nicht maßgeblich) erforderlichen Mindestpunktzahl von 100 Punkten, so dass er die Abiturprüfung nicht bestand. Die Mitteilung der Schule über das Nichtbestehen der Abiturprüfung wurde dem Kläger am 26.06.2008 ausgehändigt. Das betreffende Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.
Mit Schreiben vom 15.09.2008 wandte sich der Bevollmächtigte des Klägers an das Regierungspräsidium und teilte mit, dass er für den Kläger bei der Schule Widerspruch eingelegt habe. Mit Schreiben vom 20.04.2009 begründete er den Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, die mündliche Prüfung sei fehlerhaft erfolgt. Dies liege an der Teilnahme des Leiters der Schule, Oberstudiendirektor (OStD) E., in der Prüfung im Fach Katholische Religion. OStD E. sei dem Kläger gegenüber voreingenommen gewesen. Er habe den Kläger durch seine Gestik und durch Lautäußerungen in der Prüfung verunsichert. Dadurch sei das Fairness- und Sachlichkeitsgebot verletzt. Außerdem sei das Protokoll über die mündliche Prüfung fehlerhaft. Aus dem Protokoll ergebe sich nicht, dass der Prüfungsausschuss die Teilnahme von OStD E. gestattet habe. Es sei fraglich, ob er an der Prüfung habe teilnehmen dürfen. Weiter habe sich OStD E. offenbar in die Beratung über die Note eingemischt. Nach Mitteilung des Fachlehrers habe OStD E. geäußert, man solle sich gut überlegen, ob man dem Kläger sechs oder sieben Punkte gebe. Es habe offensichtlich an OStD E. gelegen, dass der Kläger nur sechs Punkte erhalten habe. In der Prüfung hätte er nur sieben Punkte benötigt. So schlecht sei er im Fach Religion noch nie gewesen.
In den daraufhin eingeholten dienstlichen Stellungnahmen traten OStD E. sowie die Mitglieder des Fachausschusses Studienrat im Kirchendienst (StR i.K.) S., Oberstudienrat (OStR) B. und OStR A. den Vorwürfen des Klägers entgegen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 30.12.2009 - zugestellt am 05.01.2010 - zurückgewiesen.
Am 04.02.2010 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen den Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und eine Beweisaufnahme verlangt. Das Verwaltungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch die Vernehmung von OStD (mittlerweile a.D.) E., OStR B., StR i.K. S. und OStR A. als Zeugen. Außerdem wurde der Kläger persönlich angehört.
Mit Urteil vom 02.03.2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtene Festsetzung der Note der mündlichen Abiturprüfung im Fach Katholische Religion und der Bescheid des Beklagten vom 26.06.2008 über das Nichtbestehen der Abiturprüfung seien rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch, erneut im Abiturprüfungsfach Katholische Religion durch neue Prüfer geprüft und über das Bestehen der Abiturprüfung neu beschieden zu werden. Die Prüfung sei in verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender Weise abgehalten worden. Der Schulleiter, OStD E., sei nach § 18 Abs. 2 Satz 3 BGVO als stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses berechtigt gewesen, bei der Prüfung und auch bei der anschließenden Beratung des Fachausschusses anwesend zu sein. Es liege kein Verfahrensfehler darin, dass dem Kläger die Teilnahme von OStD E. nicht vorher bekannt gegeben worden sei. Eine vorherige Unterrichtung sei aufgrund des Gebots der Chancengleichheit sowie des Anspruchs auf ein faires Prüfungsverfahren nur bezüglich der stimmberechtigten Mitglieder des Fachausschusses notwendig. Entgegen der Meinung des Klägers sei das Protokoll nicht fehlerhaft. Es entspreche den Vorgaben des § 23 Abs. 7 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 8 BGVO). Es sei von allen Mitgliedern des Fachausschusses unterzeichnet. Die Anwesenheit des stellvertretenden Prüfungsausschussvorsitzenden müsse nicht protokolliert werden, weil er nur Zuhörer sei. Inhaltlich genüge das Protokoll den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Es könne weiter nicht angenommen werden, dass der Vorsitzende des Fachausschusses wegen der Kenntnis der Vornoten des Klägers sowie der kritischen Prüfungssituation befangen gewesen sei.
Ein Verstoß gegen das Fairnessgebot liege nicht vor. Nach der Beweisaufnahme bestünden keine Anhaltspunkte für die Annahme, OStD E. habe sich während der Prüfung durch Geräusche oder kommentierende Bemerkungen unsachlich hervorgetan und insoweit die Prüfung zum Nachteil des Klägers beeinflusst. Im Ergebnis sei der Kläger für seine Behauptung beweisfällig geblieben.
Soweit der Kläger außerdem behaupte, OStD E. habe sich unsachlich und voreingenommen an der Beratung über die Notengebung beteiligt, habe die Beweisaufnahme diesen Vortrag gleichfalls nicht bestätigt. Lege man die Angaben des Zeugen OStD E. zugrunde, dass er nach der Prüfung und noch vor der Beratung sinngemäß allein die Bewertung der Prüfungsleistung durch den Fachausschuss angemahnt habe, lasse sich daraus eine Beteiligung an der Notenvergabe und damit ein Verstoß gegen § 23 Abs. 6 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 7 BGVO) nicht herleiten. Dieser allgemeine Hinweis zu den Bewertungsgrundsätzen sei vielmehr von § 18 BGVO gedeckt. Zwar spreche der Wortlaut des § 18 Abs. 2 Satz 3 BGVO dafür, dass der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende des Prüfungsausschusses nur ein Anwesenheitsrecht hätten. Aus der verfahrensmäßigen Regelung der Besetzung der Fachausschüsse folge weiter, dass eine nicht dem Fachausschuss angehörende Person sich jeder Einflussnahme auf die Prüfung zu enthalten habe. Diese verfahrensrechtlichen Sicherungen hätten aufgrund des Art. 12 Abs. 1 GG ein besonderes Gewicht. Gleichwohl ergebe sich aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung in § 18 BGVO, dass der Vorsitzende bzw. sein Stellvertreter nicht auf die bloße Rolle als Zuhörer beschränkt sei. Gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 BGVO sorge der Vorsitzende für die ordnungsgemäße Durchführung der mündlichen Prüfung. Die Äußerungen von OStD E. in der Beratung entsprächen dieser Aufgabe. Dass sich OStD E. - über diesen allgemeinen Hinweis hinaus - an der Notengebung beteiligt und in die abschließende Beratung aktiv eingegriffen habe, lasse sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht annehmen. Insbesondere die vom Kläger behauptete Aussage von OStR B., OStD E. sei an der Vergabe von sechs Punkten „schuld“, er habe gesagt, man solle sich gut überlegen, ob man dem Kläger sechs oder sieben Punkte gebe, habe sich nicht erwiesen. Kein Zeuge habe bekundet, dass diese Aussage während der Beratung gefallen sei. Angesichts dessen sei nicht erklärbar, wieso der Zeuge OStR B. während des Telefongesprächs mit dem Kläger eine anderslautende Bemerkung gemacht haben sollte. Die Aussagen der Zeugen seien glaubhaft.
Auf den Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 26.07.2011 - zugestellt am 01.08.2011 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Klärungsbedürftig sei insbesondere die Frage, ob die in § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO normierten Befugnisse des Prüfungsausschussvorsitzenden auch dem stellvertretenden Vorsitzenden zustünden. Hiergegen spreche insbesondere der Wortlaut. Es sei nicht ausgeschlossen, dass dem Schulleiter bewusst nicht dieselben Befugnisse eingeräumt worden seien, wie dem aus einer anderen Schule stammenden Prüfungsausschussvorsitzenden.
10 
Der Bevollmächtigte des Klägers hat die Berufung am 15.08.2011 begründet. Er meint, OStD E. habe als stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses nur ein Anwesenheitsrecht besessen. Die in § 18 Abs. 2 BGVO normierte Überwachungsbefugnis habe allein dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses zugestanden. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts sei contra legem. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, dass ein Vertretungsfall vorgelegen habe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Notengebung anders ausgefallen wäre, wenn sich OStD E. nicht geäußert hätte. Darüber hinaus werde beantragt, die Beweisaufnahme nochmals mit Blick auf das Geschehen während der Prüfung und der Beratung zu wiederholen. Der Zeuge OStR B. sei verfahrensfehlerhaft nicht vereidigt worden. Seine Aussage wirke so, als habe er nicht die volle Wahrheit gesagt. Dies gelte vor allem deshalb, weil er über Vorkommnisse, die von den anderen Zeugen bekundet worden seien, nichts Definitives gesagt habe. Dem Zeugen OStR B. hätten die Aussagen der anderen Zeugen nochmals vorgehalten werden müssen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil der Zeuge OStR B. dem Kläger am Telefon etwas anderes gesagt habe. Es sei sehr naheliegend, dass die Äußerung von OStD E., man solle nicht die Situation, sondern die Leistung bewerten, unmittelbar nach der Aussage von StR i.K. S., er sei bereit, sieben Punkte zu geben, gefallen sei. Damit habe OStD E. der Beratung eine bestimmte Richtung gegeben. Merkwürdig seien die punktuellen Erinnerungslücken der Zeugen. Seltsam sei unter anderem, dass sich OStD E. nicht mehr habe daran erinnern können, dass er zum Ende der länger dauernden Beratung auf einen Abschluss gedrängt habe.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 02.03.2011 - 2 K 179/10 - zu ändern und den Bescheid der ...... vom 26.06.2008 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 30.12.2009 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, ihn erneut an der mündlichen Abiturprüfung im Fach Katholische Religion teilnehmen zu lassen und über das Ergebnis der Abiturprüfung zu bescheiden.
13 
Der Beklagte beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Er tritt der Rechtsaufassung des Klägers entgegen. OStD E. sei nach § 18 Abs. 2 BGVO zu den getätigten Äußerungen, die sich auf die ordnungsgemäße Durchführung der Prüfung bezogen hätten, berechtigt gewesen. Die Äußerungen von OStD E. dienten der Wahrung der Chancengleichheit der Kandidaten. Auch sei die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden.
16 
Der Senat hat Beweis erhoben über das Verhalten des stellvertretenden Prüfungsausschussvorsitzenden OStD E. während der mündlichen Abiturprüfung des Klägers im Fach Katholische Religion am 25.06.2008 und bei der anschließenden Beratung durch Vernehmung von OStD E., StR i.K. S., OStR B. und OStR A. als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
17 
Dem Senat liegen die Verwaltungsakten des Beklagten (zwei Hefte) sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg (2 K 179/10) vor. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Akten sowie die beim Verwaltungsgerichtshof eingereichten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
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Die Berufung ist zwar zulässig, insbesondere frist- und formgerecht nach § 124a Abs. 6 VwGO eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet. Denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 26.06.2008 über das Nichtbestehen der Abiturprüfung sowie der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 30.12.2009 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch, erneut im Abiturprüfungsfach Katholische Religion durch neue Prüfer geprüft und über das Bestehen der Abiturprüfung neu beschieden zu werden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGVO setzt das Erreichen der Mindestqualifikation der Abiturprüfung voraus, dass in den fünf Prüfungsfächern zusammen mindestens 100 Punkte erzielt werden. Dies hat der Kläger nicht erreicht, weshalb ihm nach § 25 Abs. 2 Satz 2 BGVO die allgemeine Hochschulreife zu Recht nicht zuerkannt wurde. Die mündliche Prüfung des Klägers im Fach Katholische Religionslehre vom 25.06.2008 leidet entgegen dessen Auffassung nicht an einem rechtserheblichen Verfahrensfehler.
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Die in der ersten Instanz noch vorgebrachten Rügen bezüglich der fehlenden vorherigen Bekanntgabe der Teilnahme von OStD E., bezüglich der Protokollierung der Prüfung sowie der Befangenheit des Vorsitzenden des Fachausschusses wegen Kenntnis der Vornoten wurden in der Berufungsinstanz nicht substantiiert weiterverfolgt. Die diesbezüglichen Einwände des Klägers sind vom Verwaltungsgericht zutreffend für nicht durchgreifend befunden worden. Insoweit wird auf die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils verwiesen (vgl. § 130b Satz 2 VwGO).
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Auch im Übrigen ist das Prüfungsverfahren nicht zu beanstanden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger die geltend gemachten Verfahrensfehler mit der Begründung seines Widerspruchs knapp zehn Monate nach der mündlichen Prüfung noch rechtzeitig gerügt hat, um die Rechtsfolge der Präklusion zu vermeiden (vgl. dazu: Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 214 ff.; Birnbaum, NVwZ 2006, 286; BVerwG, Urteile vom 27.04.1999 - 2 C 30/98 -, NVwZ 2000, 921, und vom 22.06.1994 - 6 C 37/92 -, BVerwGE 96, 126; Senatsbeschluss vom 21.11.2006 - 9 S 987/06 -, VBlBW 2007, 218). Denn weder bei der Durchführung der mündlichen Prüfung noch bei der Beratung über deren Ergebnis wurden Verfahrensfehler begangen.
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1. Ein Fehler liegt insbesondere nicht darin, dass sich OStD E. als stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses in Wahrnehmung der Befugnisse nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO während der Beratung des Fachausschusses überhaupt geäußert hat.
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a) Nach § 23 Abs. 6 Satz 1 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 7 Satz 1 BGVO) wird im Anschluss an die mündliche Prüfung des einzelnen Prüflings das Ergebnis der mündlichen Prüfung vom Fachausschuss auf Vorschlag des Prüfers nach § 5 Abs. 1 BGVO festgesetzt. Dem Fachausschuss gehören nach § 18 Abs. 4 Satz 2 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 an: 1. der Vorsitzende des Prüfungsausschusses oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Prüfungsausschusses als Leiter, sofern das Oberschulamt nichts anderes bestimmt; 2. die Fachlehrkraft, welche den Schüler im vierten Schulhalbjahr unterrichtet hat, als Prüfer; 3. ein weiteres fachkundiges Mitglied des Prüfungsausschusses, zugleich mit der Aufgabe, das Protokoll zu führen. Von dem Fachausschuss zu unterscheiden ist der bereits erwähnte Prüfungsausschuss. Dieser wird nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BGVO für die Abiturprüfung und die Feststellung der Gesamtqualifikation an jedem Gymnasium gebildet. Ihm gehören nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 an: 1. als Vorsitzender ein Vertreter oder Beauftragter des Oberschulamts; 2. als stellvertretender Vorsitzender der Schulleiter oder sein ständiger Vertreter oder eine vom Schulleiter beauftragte Lehrkraft; 3. sämtliche Fachlehrer der Schule, welche die an der Abiturprüfung teilnehmenden Schüler in den letzten beiden Schulhalbjahren unterrichtet haben; 4. gegebenenfalls weitere vom Oberschulamt oder von dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses beauftragte Mitglieder oder von dem Schulleiter mit der Führung des Protokolls beauftragte fachkundige Lehrkräfte. Die Mitglieder des Prüfungsausschusses sind bei ihrer Prüfungstätigkeit unabhängig. Sie sind zur Amtsverschwiegenheit über alle Prüfungsangelegenheiten verpflichtet und vor Beginn der Prüfung hierüber zu belehren (vgl. § 18 Abs. 3 BGVO). Da in der Regel alle Mitglieder eines Fachausschusses aus dem Prüfungsausschuss ausgewählt werden bzw. dort Mitglied sind, gelten die Unabhängigkeits- und Verschwiegenheitserfordernisse auch für die Mitglieder der Fachausschüsse.
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Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses sorgt nach § 18 Abs. 2 Satz 1 BGVO für die ordnungsgemäße Durchführung der mündlichen oder fachpraktischen Prüfung. Dabei wird gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 BGVO insbesondere darauf geachtet, dass die Bestimmungen eingehalten werden, nicht von unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze oder den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen wird. Die Personen nach § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGVO, also der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende des Prüfungsausschusses, können bei allen Prüfungen und Beratungen der Fachausschüsse anwesend sein.
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Nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO hat damit zunächst nur der Vorsitzende des Prüfungsausschusses die genannten Aufgaben und Befugnisse. Berücksichtigt man die Systematik des § 18 BGVO fällt auf, dass das in § 18 Abs. 2 Satz 3 BGVO normierte Anwesenheitsrecht weder wörtlich auf den Vorsitzenden noch auf den stellvertretenden Vorsitzenden Bezug nimmt, sondern auf die in § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGVO genannten Personen. Dabei ist unklar, ob mit diesen Personen jeweils nur der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende des Prüfungsausschusses gemeint ist oder ob darüber hinaus und neben diesen auch die weiteren als Vorsitzender oder dessen Stellvertreter in Betracht kommenden Personen ein Anwesenheitsrecht haben. Eindeutig ist jedoch, dass jedenfalls der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende des Prüfungsausschusses bei allen Prüfungen und Beratungen anwesend sein dürfen. Mit Blick auf die weiteren Rechte des Stellvertreters ist § 18 Abs. 2 Satz 3 BGVO allerdings kein eindeutiges Ergebnis zu entnehmen.
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Aus Sinn und Zweck der Vorschrift des § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO ergibt sich jedoch, dass der stellvertretende Vorsitzende die gleichen Befugnisse haben soll wie der Vorsitzende, wenn dieser nicht anwesend ist. Dies folgt schon aus den allgemeinen Grundsätzen des Vertretungsrechts. Ordnet das Gesetz eine Stellvertretung an, ist davon auszugehen, dass diese eingreift, wenn der Vorsitzende seine Rechte nicht ausüben kann oder dieser dem Stellvertreter die Ausführung überträgt. Dabei hat - sofern nichts anderes ausdrücklich geregelt ist - der Stellvertreter grundsätzlich die gleichen Befugnisse wie die vertretene Person, wobei er allerdings an etwaige Vorgaben des Vertretenen, die sich hier im Rahmen des § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO halten müssen, gebunden ist. Der Schaffung der Funktion des „stellvertretenden Vorsitzenden“ hätte es nicht bedurft, wenn er im Vertretungsfall nicht die Funktion des Vorsitzenden ausüben darf. Denn ansonsten hätten die in § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGVO als potentielle Stellvertreter genannten Personen auch zu einfachen Mitgliedern des Prüfungsausschusses bestimmt werden können. Dieser Umstand spricht stark für den Willen des Normgebers, dass auch dem stellvertretenden Vorsitzenden des Prüfungsausschusses im Vertretungsfall die Rechte aus § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO zustehen. Als Vertretungsfall ist dabei unter anderem der Fall anzusehen, in dem der Vorsitzende dem stellvertretenden Vorsitzenden den Auftrag erteilt, in einer bestimmten Prüfung die Aufgaben nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO wahrzunehmen.
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Es ist im Ergebnis nicht - wie im Zulassungsbeschluss noch als Frage aufgeworfen - anzunehmen, dass der Verordnungsgeber dem Schulleiter bewusst nicht die Befugnisse des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses einräumen wollte, der aus einer anderen Schule oder nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 vom Oberschulamt bzw. nach der aktuellen Fassung des § 18 BGVO von der oberen Schulaufsichtsbehörde kommt. Dass es dem Verordnungsgeber insoweit nicht darauf ankam, mit Blick auf das Vorgesetztenverhältnis des Schulleiters zu dem Prüfer nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BGVO dem stellvertretenden Vorsitzenden nicht die Aufgaben nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO zu übertragen, ergibt sich schon daraus, dass nach § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGVO nicht nur der Schulleiter, sondern auch sein ständiger Vertreter oder eine vom Schulleiter beauftragte Lehrkraft stellvertretender Vorsitzender sein können. Bei Gymnasien der Normalform ist dies anders. Dort ist nach § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Abiturverordnung Gymnasien der Normalform (NGVO) vom 24.07.2001 (GBl. S. 518), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 11.04.2012 (GBl. S. 467), allein der Schulleiter stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses. Letztlich entscheidend für die Auslegung all dieser Regeln ist jedoch, dass die Mitglieder des Prüfungsausschusses und damit grundsätzlich auch die Mitglieder der Fachausschüsse gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 BGVO (bzw. § 18 Abs. 3 Satz 1 NGVO) bei ihrer Prüfungstätigkeit unabhängig sind. Mit dieser rechtlichen Sicherung hat der Normgeber dafür Sorge getragen, dass die Mitglieder eines Fachausschusses sich durch ein Hierarchieverhältnis zum Schulleiter als stellvertretendem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses nicht beeinflussen lassen, wenn dieser die Aufgaben nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO wahrnimmt.
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Abzugrenzen ist allerdings die Tätigkeit des Vorsitzenden bzw. stellvertretenden Vorsitzenden des Prüfungsausschusses nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO von derjenigen des Fachausschusses nach § 23 Abs. 3 bis 7 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 3 bis 8 BGVO). Für die Durchführung der mündlichen Prüfung und fachliche Bewertung der Leistung des Prüflings ist allein der Fachausschuss zuständig (vgl. dazu: VG Hamburg, Beschluss vom 23.12.2002 - 14 VG 4116/2002 -, Juris Rn. 20). Es widerspricht nämlich dem Wesen der Beurteilungsermächtigung und dem rechtsstaatlichen Gebot sachlicher Unabhängigkeit der Prüfer, außenstehende Dritte in einer Weise zu beteiligen, dass ihnen ein bestimmender Einfluss auf das Prüfungsergebnis eingeräumt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 16.01.1990 - 9 S 3071/88 -, Juris Rn. 36). Daher darf der Vorsitzende des Prüfungsausschusses und im oben dargelegten Umfang sein Stellvertreter nur soweit Einfluss nehmen, als ihm dies durch die Prüfungsordnung, also hier § 18 Abs. 2 BGVO, gestattet ist (vgl. dazu auch: Niehues/Fischer, a.a.O., Rn. 371).
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b) Damit steht zunächst fest, dass OStD E. als Schulleiter und stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses bei der Prüfung und Beratung anwesend sein durfte. Darüber hinaus steht fest, dass er als stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses auch die in § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO normierten Aufgaben und Befugnisse in Vertretung des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses ausüben und sich insoweit äußern durfte.
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Ein Vertretungsfall war hier gegeben. Der stellvertretende Vorsitzende des Prüfungsausschusses, OStD E., hat sowohl im Rahmen seiner in der ersten Instanz durchgeführten Vernehmung als Zeuge als auch in seiner erneuten Vernehmung vor dem Senat glaubhaft bekundet, dass er - einer ständigen Übung entsprechend - vom Prüfungsausschussvorsitzenden OStD S. von den Z.-Schulen gebeten worden sei, an der mündlichen Prüfung des Klägers im Fach Katholische Religion teilzunehmen. Der Prüfungsausschussvorsitzende selbst habe an den mündlichen Prüfungen des Klägers in den Fächern Mathematik und Biotechnologie teilgenommen. Die Behauptung des Klägers, OStD E. habe allein auf Bitten des Fachausschussvorsitzenden StR i.K. S. an der Prüfung teilgenommen, ist unplausibel und nicht glaubhaft. Die Behauptung des Klägers beruht wohl auf einer Verwechslung oder fehlenden Unterscheidung zwischen dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGVO und dem Vorsitzenden des Fachausschusses nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BGVO (vgl. auch die Anlage zur Niederschrift vom 27.09.2012, S. 19, Kläger: „Dann habe ich die Namen verwechselt.“).
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2. Ausgehend von den dargestellten rechtlichen Befugnissen des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses und dessen Stellvertreter verstoßen auch die konkreten, nach der Beweisaufnahme festgestellten Äußerungen des OStD E. in der Beratung über das Ergebnis der streitgegenständlichen mündlichen Prüfung nicht gegen § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 und § 23 Abs. 6 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002.
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a) Die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von OStD E. während der Beratung des Fachausschusses gegebenen Hinweise sind von § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO gedeckt.
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aa) Dies gilt zunächst für den Hinweis, mit dem er sinngemäß allein die Bewertung der konkreten Prüfungsleistung durch den Fachausschuss angemahnt und deutlich gemacht hat, dass es nicht in erster Linie darum gehe, mit Blick auf das Gesamtergebnis des Abiturs in der einzelnen mündlichen Prüfung eine bestimmte Punktzahl zu erreichen, sondern die Prüfungsleistung als solche zu bewerten. Dieser Hinweis stellt eine Erklärung zu den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen dar, der rechtlich nicht zu beanstanden ist, sondern den Vorgaben aus § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 sowie § 23 Abs. 6 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 7 BGVO) entspricht.
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Dass OStD E. diesen Hinweis gegeben hat, stand bereits für das Verwaltungsgericht nach der vor diesem durchgeführten Beweisaufnahme fest. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts hierzu haben sich in der Beweisaufnahme des Senats bestätigt. OStD E. gab in seiner Vernehmung als Zeuge an, er habe während der Beratung des Fachausschusses gesagt, es gehe jetzt in erster Linie darum, die Prüfungsleistung zu bewerten und nicht darum, das Bestehen oder das Nichtbestehen des Abiturs zu debattieren. Diese Äußerung habe er bereits relativ früh von sich gegeben, weil er den Eindruck gehabt habe, dass die ersten Äußerungen der Mitglieder des Fachausschusses um die Frage gegangen seien, ob das Abitur bestanden werde oder nicht. Seine Äußerung sei nicht während eines Gesprächs zwischen den Mitgliedern des Fachausschusses gefallen. Vielmehr habe er bereits nach den ersten ein oder zwei Sätzen eingegriffen. Er erinnere sich jedoch nicht mehr, wer diese Sätze gesagt habe. Als erstes habe sich der Fachlehrer, OStR B., geäußert. Er meine, dass er bereits hier eingegriffen habe. Die anderen Mitglieder des Fachausschusses konnten sich in ihrer Vernehmung als Zeugen an diese Äußerung von OStD E. nicht konkret erinnern. Der Zeuge OStR A. hielt es jedoch für möglich, dass diese Aussage von OStD E. gefallen sei. Allerdings sei es allgemein klar, dass es nur um die Bewertung der Einzelprüfung gehen könne. Auch der Zeuge OStR B. hielt es für möglich, dass OStD E. den genannten Hinweis gegeben habe. All diese Aussagen sind für den Senat glaubhaft. Damit kann vorliegend davon ausgegangen werden, dass OStD E. den oben genannten, rechtlich zulässigen Hinweis gegeben hat.
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bb) Auch soweit von OStD E. gegen Ende der lange dauernden Beratung ein Hinweis gegeben wurde, die Beratung solle wegen der nachfolgenden Prüfung zum Ende kommen, war dies von § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO gedeckt. Denn der Hinweis diente der Wahrung der Chancengleichheit der Prüflinge sowohl mit Blick auf die Länge der Beratung als auch mit Blick darauf, dass nachfolgende Prüflinge, die sich in der Zwischenzeit anhand einer Prüfungsaufgabe auf ihre mündliche Prüfung vorbereiteten, nicht unnötig lange auf den Beginn der Prüfung warten und nicht zu viel Vorbereitungszeit zur Verfügung haben sollten.
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Dass OStD E. auf die Dauer der Beratung hingewiesen hat, ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen StR i.K. S., OStR A. und OStR B. Diese haben bekundet, dass OStD E. gegen Ende der Beratung einen Hinweis auf die Uhrzeit gegeben habe. So hat StR i.K. S. wie bereits bei der Vernehmung vor dem Verwaltungsgericht angegeben, er glaube, OStD E. habe am Ende der Beratung gesagt, man solle auf die Uhr schauen, weil der nächste Kandidat warte. Der Zeuge OStR A. gab ebenfalls an, dass es nach seiner Erinnerung einen solchen Hinweis gegeben habe. Allerdings wisse er nicht mehr genau, ob OStD E. einen verbalen Hinweis gegeben habe oder lediglich auf die Uhr geblickt habe. Auch OStR B. hat bekundet, OStD E. habe gegen Ende der Prüfung gesagt, man solle die Zeit nicht ganz aus den Augen lassen. Lediglich OStD E. selbst konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, ob er einen Hinweis gegeben habe, dass man angesichts der fortgeschrittenen Zeit zum Schluss der Beratung komme müsse. Er hielt es in seiner Vernehmung jedoch für möglich, weil er als Schulleiter grundsätzlich darauf achte, dass der Zeitplan einer Prüfung nicht aus den Fugen gerate. Diese im Kern übereinstimmenden Aussagen sind für den Senat glaubhaft. Daher kann davon ausgegangen werden, dass OStD E. einen rechtlich grundsätzlich zulässigen Hinweis auf die Zeit gegeben hat.
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b) Über die Befugnisse des § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO hinaus gehende Eingriffe des stellvertretenden Prüfungsausschussvorsitzenden OStD E. in die Zuständigkeit des Fachausschusses nach § 23 Abs. 6 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 7 BGVO) konnten nach dem Ergebnis der umfassenden Beweisaufnahme nicht festgestellt werden.
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aa) Es wäre wohl als unzulässiger Eingriff des stellvertretenden Prüfungsausschussvorsitzenden in die Befugnisse des Fachausschusses nach § 23 Abs. 6 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 7 BGVO) zu werten, wenn OStD E. während der Beratung des Fachausschusses gesagt hätte, man solle sich gut überlegen, ob man dem Kläger sechs oder sieben Punkte gebe. Denn mit einer solchen Äußerung wäre der Fachausschuss indirekt dazu aufgefordert worden, die Auswirkungen der Notengebung in der mündlichen Prüfung in einem einzelnen Prüfungsfach mit Blick auf das Bestehen der gesamten Abiturprüfung zu berücksichtigen. Dies ist nach § 23 Abs. 6 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 7 BGVO) jedoch nicht Sinn der Bewertung der einzelnen Prüfungsleistung.
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Nach der Beweisaufnahme ist der Senat jedoch nicht davon überzeugt, dass eine solche Aussage von OStD E. getroffen wurde. Daher kann ein solcher Verfahrensfehler hier nicht angenommen werden.
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Keiner der Zeugen, die bei der Beratung unmittelbar dabei waren, hat in der Beweisaufnahme vor dem Verwaltungsgericht oder dem Senat bekundet, dass sich OStD E. in der Beratung in dieser Weise geäußert habe. Von OStD E. wurde sogar ausdrücklich bestritten, dass er sich so geäußert habe. Auch auf Vorhalt der vom Zeugen StR i.K. S. in der erstinstanzlichen Vernehmung getroffenen Aussagen, er - StR i.K. S. - sei mit Bauchschmerzen bereit, dem Kläger sieben Punkte zu geben, sowie auf Vorhalt der Angaben des Klägers blieb der Zeuge OStD E. bei seiner Aussage. Der Zeuge OStR A. bekundete, er könne sich nicht daran erinnern, dass OStD E. die behauptete Äußerung getätigt habe. Vor dem Hintergrund seiner Erfahrung wäre ihm eine solche Äußerung jedoch aufgefallen. Er erklärte in nachvollziehbarer Weise, eine solche Einmischung hätte er nicht unkommentiert gelassen, weil er wegen seines Berufsethos darauf achte, dass die Schüler zu ihrem Recht kämen. Der Zeuge OStR B. konnte sich nach vier Jahren nicht mehr daran erinnern, dass eine solche Aussage von OStD E. gefallen sei. Demgegenüber gab der Kläger an, OStR B. habe in einem Telefonat etwa drei Tage nach der Prüfung ihm gegenüber mitgeteilt, OStD E. habe während der Beratung gesagt, man solle sich gut überlegen, ob man sechs oder sieben Punkte gebe. In dem Telefonat habe er - der Kläger - sich zuvor bei OStR B. bedankt und zu ihm gemeint, dass er die sieben Punkte bekommen hätte, wenn OStD E. nicht dabei gewesen wäre. Der Zeuge OStR B. konnte sich in der Vernehmung jedoch nicht daran erinnern, dass in dem betreffenden Telefonat überhaupt über das Verhalten von OStD E. gesprochen wurde. Nach seiner Erinnerung habe sich der Kläger für den Unterricht bedankt. Er habe den Eindruck gehabt, dass für den Kläger die Situation Schule abgeschlossen gewesen sei, und habe ihn auf die Möglichkeit der Fachhochschulreife hingewiesen. Der Kläger habe ihn nicht dafür verantwortlich gemacht, dass er das Abitur nicht bestanden habe. Schließlich hätten die sechs Punkte in der mündlichen Prüfung im Fach Religion grundsätzlich dazu reichen können, das Abitur zu bestehen. Die Punkte hätten in anderen Fächern gefehlt.
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Damit bestehen zwar gewisse Unsicherheiten hinsichtlich des Inhalts des Telefongesprächs zwischen dem Kläger und OStR B. Aber selbst wenn letzterer sich dort so geäußert haben sollte, wie es der Kläger gehört und verstanden haben will, wäre dies nur ein Indiz dafür, dass die Äußerung tatsächlich in der Beratung so gefallen ist. Dieses Indiz wäre hier jedoch durch das im Wesentlichen übereinstimmende Zeugnis der unmittelbar bei der Beratung anwesenden Zeugen entkräftet.
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Abgesehen davon ist es auch nicht fernliegend, dass der Kläger bei dem Telefongespräch etwas anderes verstanden hat, als tatsächlich von OStR B. gesagt worden ist. Solche Missverständnisse kommen in Telefonaten häufiger vor, zumal wenn diese von Emotionen beeinflusst sind, wie der Anruf bei einem der Prüfer nach einer nicht bestandenen Abiturprüfung. Auf ein Missverständnis deutet auch der Umstand hin, dass der Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung im Rahmen des Telefonats zunächst selbst die Vermutung geäußert haben will, dass er sieben Punkte erhalten hätte, wenn OStD E. in der Prüfung und Beratung nicht anwesend gewesen wäre. Möglicherweise hat er verstanden, was er gerne hören wollte.
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bb) Auch im Übrigen konnte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden, dass OStD E. als stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses in unzulässiger Weise auf die Beratung des Fachausschusses Einfluss genommen hat.
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Eine unzulässige Einflussnahme durch den Vorsitzenden bzw. den stellvertretenden Vorsitzenden des Prüfungsausschusses kann dann vorliegen, wenn er durch die Wahrnehmung seiner Rechte aus § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO gezielt aus sachfremden Erwägungen heraus die fachliche Beratung beeinflusst, mit dem Ziel, den Prüfling durchfallen zu lassen. Durch eine solche Verhaltensweise kann das Sachlichkeitsgebot verletzt sein, das auch für den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses sowie seinen Stellvertreter bei der Wahrnehmung der Aufgaben und Befugnisse nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO gilt (zum Sachlichkeitsgebot: Niehues/Fischer, a.a.O., Rn. 331 ff.).
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Ein solches Verhalten des OStD E. lässt sich vorliegend jedoch nicht erkennen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass OStD E. den Kläger bewusst durchfallen lassen wollte. Keiner der Zeugen hat bekundet, dass es zwischen dem Kläger und OStD E. vor der Prüfung Probleme gegeben hätte. Dies wird noch nicht einmal vom Kläger behauptet.
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Es hat sich in der Beweisaufnahme ferner nicht zur Überzeugung des Senats ergeben, dass OStD E. mit seinem Hinweis auf die lange Dauer der Beratung und die fortgeschrittene Uhrzeit inhaltlich auf das Ergebnis der Beratung Einfluss genommen hat. Keiner der Zeugen hat bekundet, dass er sich durch den Hinweis unter Druck gesetzt gefühlt hat oder dass ihm die Möglichkeit genommen worden sei, sich für einen andere Benotung einzusetzen.
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Des Weiteren konnte sich der Senat in der Beweisaufnahme nicht davon überzeugen, dass OStD E. unmittelbar nach einer Äußerung des StR i.K. S. eingegriffen hat, der gesagt haben soll, er sei bereit, dem Kläger „mit Bauchschmerzen“ sieben Punkte zu geben. Denn es ist schon nicht erwiesen, dass die Äußerung des StR i.K. S. überhaupt gefallen ist. Selbst wenn sie gefallen ist, fehlt es in den Aussagen der Zeugen an jeglichem Hinweis, dass OStD E. auf diese Äußerung reagiert hat. So konnte sich nur StR i.K. S. daran erinnern, dass er gesagt habe, er sei bereit dem Kläger „mit Bauchschmerzen“ sieben Punkte zu geben. Nach dessen Erinnerung hat jedoch OStD E. auf diese Äußerung gar nicht reagiert. Vielmehr hätten die Zeugen OStR A. und OStR B. gesagt, man habe auch in Religion keine Punkte zu verschenken. Der Zeuge OStD E. hat als Zeuge bekundet, er erinnere sich nicht an diese Äußerung von StR i.K. S. und auch nicht an eine Reaktion seinerseits. Seinen allgemeinen Hinweis, dass es allein um die Bewertung der einzelnen Prüfungsleistung gehe, habe er gleich zu Beginn - wohl nach einer ersten Äußerung des Fachlehrers OStR B. - gegeben, als noch gar nicht über Noten und Punkte, sondern nur über die Situation des Klägers gesprochen worden sei. Der Zeuge OStR A. konnte sich weder an die genannte Äußerung des Kollegen StR i.K. S., er sei bereit sieben Punkte zu geben, noch an die Antwort, man verschenke keine Punkte, erinnern. Auch der Zeuge OStR B. gab an, er könne sich nach vier Jahren nicht mehr darin erinnern, ob StR i.K. S. in der Beratung bereit gewesen sei, „mit Bauchschmerzen“ dem Kläger sieben Punkte zu geben.
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Abgesehen davon läge wohl selbst dann keine unzulässige Einflussnahme des stellvertretenden Prüfungsausschussvorsitzenden OStD E. vor, wenn er tatsächlich als Antwort auf die Aussage des Fachausschussvorsitzenden StR i.K. S., er sei bereit „mit Bauchschmerzen“ sieben Punkte zu geben, eingegriffen hätte. Denn eine solche Äußerung des Fachausschussvorsitzenden StR i.K. S., sollte sie so gefallen sein, wäre tatsächlich rechtlich bedenklich. Sie lässt vermuten, dass vor allem das Gesamtergebnis der Abiturprüfung und nicht die einzelne Prüfungsleistung für die Beurteilung maßgeblich sein solle. Daher hielte sich der von OStD E. bereits eingeräumte Hinweis, man möge die einzelne Prüfungsleistung bewerten, auch dann in den Grenzen der Befugnisse des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses sowie dessen Stellvertreters aus § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO, wenn er nach der fraglichen Äußerung von StR i.K. S. gegeben worden wäre. Entgegen der Meinung des Klägers wäre auch die Äußerung eines Mitglieds des Fachausschusses mit dem sinngemäßen Inhalt, man verschenke keine Punkte, rechtlich nicht zu beanstanden. Denn eine solche Äußerung ist nicht sachwidrig. Zudem ist der Fachausschuss für die Notenbildung zuständig.
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Ob OStD E. sinngemäß einen Vergleich mit knappen Ergebnissen im Fußball, die man ebenfalls akzeptieren müsse, gezogen habe, kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist dieser Satz auch nach Angaben des Zeugen StR i.K. S., der ihn als Einziger gehört haben will, erst „ganz am Schluss“, „gegen Ende der Beratung“ geäußert worden. In der ersten Instanz hatte der Zeuge StR i.K. S. noch ergänzend präzisiert, der Satz sei „ganz am Ende nach der Festsetzung der Note gefallen.“ Die übrigen Zeugen konnten sich noch nicht einmal daran erinnern, dass der Satz überhaupt so gefallen sei. Nach Bekunden des Zeugen OStD E. gehöre die Äußerung auch nicht zu dem von ihm üblicherweise verwendeten Vokabular. Damit ist jedenfalls nicht erwiesen, dass die betreffende Äußerung zu einem Zeitpunkt gefallen ist, zu dem sie Einfluss auf die Notenbildung gehabt haben könnte. Es kann daher weiter offen bleiben, ob der betreffende Satz - sollte er gefallen sein - überhaupt einen unsachlichen und damit rechtswidrigen Eingriff darstellen würde.
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cc) Die vorstehend genannten Aussagen der Zeugen sind für den Senat glaubhaft. Dabei ist es nach mittlerweile vier Jahren verständlich, dass sich nicht jeder Zeuge an das Gleiche erinnert und Erinnerungslücken vorhanden sind. Im Kerngeschehen stimmen die Zeugenaussagen jedoch überein. Die Aussagen zeichnen sich durch lebensnahe und teilweise substantiierte Schilderungen aus. Für die Glaubhaftigkeit der Zeugen spricht weiter, dass bei keinem Belastungstendenzen gegenüber dem Kläger erkennbar waren. So konnte sich insbesondere der Zeuge OStD E. an zwei Äußerungen von sich erinnern, mit denen er - freilich im Einklang mit den Befugnissen des stellvertretenden Vorsitzenden des Prüfungsausschusses nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO - in die Beratung eingegriffen hat. Mit den grundsätzlichen Ausführungen zu seinem Verständnis von den Aufgaben des stellvertretenden Vorsitzenden des Prüfungsausschusses hat der Zeuge eindrucksvoll und für den Senat überzeugend dargelegt, dass ihm die Wahrung der Bestimmungen der Abiturverordnung berufliche Gymnasien ein echtes Anliegen war. Eine Beeidung der Zeugen war vor diesem Hintergrund nach Abwägung aller Umstände und mit Blick auf den Zeitablauf nicht geboten, insbesondere auch nicht um eine wahrheitsgemäße Aussage herbeizuführen.
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3. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wurde auch bei der Durchführung der mündlichen Prüfung das Fairnessgebot nicht verletzt.
53 
Während das Sachlichkeitsgebot für die Bewertung der Leistungen des Prüflings durch den einzelnen Prüfer oder die Prüfungskommission gilt, zielt das Fairnessgebot auf den Schutz des Prüflings im Rahmen des Prüfverfahrens (vgl. Niehues/Fischer, a.a.O., Rn. 331). Das Fairnessgebot verpflichtet den Prüfer, darauf Bedacht zunehmen, dass auch der Prüfungsstil, der Ablauf des Prüfungsverfahrens und die Prüfungsatmosphäre nach Möglichkeit leistungsverfälschende Verunsicherungen des Prüflings ausschließen. Der Prüfling soll nicht durch ein unangemessenes Verhalten des Prüfers einer psychischen Belastung ausgesetzt werden, die das Bild seiner Leistungsfähigkeit verfälscht und dadurch seine Chancen mindert. Ob sich das Verhalten eines Prüfers so hätte auswirken können, ist anhand einer objektiven Betrachtung aus der Sicht eines verständigen Prüflings zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urteile vom 11.11.1998 - 6 C 8.97 -, BVerwGE 107, 363, und vom 20.09.1984 - 7 C 57/83 -, BVerwGE 70, 143). Verstöße gegen die Gebote der Fairness und der Sachlichkeit lassen sich nicht allein aus den subjektiven Empfindungen der Prüflinge über eine „bedrückende“ Prüfungsatmosphäre herleiten. Vielmehr bedarf es insoweit präziser Feststellungen über das Verhalten der Prüfer, aus dem sich nachvollziehbar Schlussfolgerungen auf die Verwirrung oder Verunsicherung der Prüflinge ziehen lassen (vgl. FG Bremen, Urteil vom 22.11.1994 - 2 93 086 K 2 -, Juris). Je nach Qualität der Leistung eines Prüflings können allerdings auch eindeutig kritische Reaktionen eines Prüfers das Gebot der Sachlichkeit und Fairness noch wahren (vgl. Senatsbeschluss vom 20.09.1994 - 9 S 2484/93 -, NVwZ-RR 1995, 275). Das Fairnessgebot gilt nicht nur für Prüfer, sondern auch für gemäß § 18 Abs. 2 Satz 3 BGVO anwesende Personen.
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Es mag zwar sein, dass der Kläger aufgrund der für ihn kritischen Prüfungssituation durch die von der Abiturverordnung berufliche Gymnasien vorgesehene und generell übliche Anwesenheit seines Schulleiters verunsichert war. Dieser Umstand allein stellt jedoch noch keine Verletzung des Fairnessgebots dar.
55 
Dass OStD E. darüber hinausgehend die Prüfung durch Missfallensbekundungen gestört hat, hat jedoch die Beweisaufnahme durch den Senat - wie schon die Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht - nicht ergeben. Der Kläger behauptet zwar, OStD E. habe gestikuliert und Ausrufe wie „Ah“ und „Oh“ von sich gegeben. Entsprechendes konnte jedoch von keinem der Zeugen bestätigt werden. Die Aussagen des Klägers diesbezüglich waren inhaltsarm und beschränkten sich nahezu wörtlich auf die Wiederholung dessen, was er schon im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu Protokoll geben hatte. Wäre er tatsächlich durch ein Verhalten des OStD E. objektiv gestört worden, hätte er die Situation detaillierter beschreiben können. Die übereinstimmenden Angaben der Zeugen erscheinen dagegen glaubhaft. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zur Würdigung der Glaubwürdigkeit der Zeugen und die Begründung für die unterbliebene Beeidigung verwiesen werden.
56 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
57 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Es liegt keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vor. Denn die Auslegung von §§ 18 und 23 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 7 BGVO) stellt keine Frage des revisiblen Rechts dar. Vielmehr handelt es sich lediglich um die Auslegung irrevisiblen Landesrechts.
58 
Beschluss vom 27. September 2012
59 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 38.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327).

Gründe

 
18 
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
19 
Die Berufung ist zwar zulässig, insbesondere frist- und formgerecht nach § 124a Abs. 6 VwGO eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet. Denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 26.06.2008 über das Nichtbestehen der Abiturprüfung sowie der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 30.12.2009 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch, erneut im Abiturprüfungsfach Katholische Religion durch neue Prüfer geprüft und über das Bestehen der Abiturprüfung neu beschieden zu werden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
20 
Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGVO setzt das Erreichen der Mindestqualifikation der Abiturprüfung voraus, dass in den fünf Prüfungsfächern zusammen mindestens 100 Punkte erzielt werden. Dies hat der Kläger nicht erreicht, weshalb ihm nach § 25 Abs. 2 Satz 2 BGVO die allgemeine Hochschulreife zu Recht nicht zuerkannt wurde. Die mündliche Prüfung des Klägers im Fach Katholische Religionslehre vom 25.06.2008 leidet entgegen dessen Auffassung nicht an einem rechtserheblichen Verfahrensfehler.
21 
Die in der ersten Instanz noch vorgebrachten Rügen bezüglich der fehlenden vorherigen Bekanntgabe der Teilnahme von OStD E., bezüglich der Protokollierung der Prüfung sowie der Befangenheit des Vorsitzenden des Fachausschusses wegen Kenntnis der Vornoten wurden in der Berufungsinstanz nicht substantiiert weiterverfolgt. Die diesbezüglichen Einwände des Klägers sind vom Verwaltungsgericht zutreffend für nicht durchgreifend befunden worden. Insoweit wird auf die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils verwiesen (vgl. § 130b Satz 2 VwGO).
22 
Auch im Übrigen ist das Prüfungsverfahren nicht zu beanstanden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger die geltend gemachten Verfahrensfehler mit der Begründung seines Widerspruchs knapp zehn Monate nach der mündlichen Prüfung noch rechtzeitig gerügt hat, um die Rechtsfolge der Präklusion zu vermeiden (vgl. dazu: Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 214 ff.; Birnbaum, NVwZ 2006, 286; BVerwG, Urteile vom 27.04.1999 - 2 C 30/98 -, NVwZ 2000, 921, und vom 22.06.1994 - 6 C 37/92 -, BVerwGE 96, 126; Senatsbeschluss vom 21.11.2006 - 9 S 987/06 -, VBlBW 2007, 218). Denn weder bei der Durchführung der mündlichen Prüfung noch bei der Beratung über deren Ergebnis wurden Verfahrensfehler begangen.
23 
1. Ein Fehler liegt insbesondere nicht darin, dass sich OStD E. als stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses in Wahrnehmung der Befugnisse nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO während der Beratung des Fachausschusses überhaupt geäußert hat.
24 
a) Nach § 23 Abs. 6 Satz 1 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 7 Satz 1 BGVO) wird im Anschluss an die mündliche Prüfung des einzelnen Prüflings das Ergebnis der mündlichen Prüfung vom Fachausschuss auf Vorschlag des Prüfers nach § 5 Abs. 1 BGVO festgesetzt. Dem Fachausschuss gehören nach § 18 Abs. 4 Satz 2 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 an: 1. der Vorsitzende des Prüfungsausschusses oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Prüfungsausschusses als Leiter, sofern das Oberschulamt nichts anderes bestimmt; 2. die Fachlehrkraft, welche den Schüler im vierten Schulhalbjahr unterrichtet hat, als Prüfer; 3. ein weiteres fachkundiges Mitglied des Prüfungsausschusses, zugleich mit der Aufgabe, das Protokoll zu führen. Von dem Fachausschuss zu unterscheiden ist der bereits erwähnte Prüfungsausschuss. Dieser wird nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BGVO für die Abiturprüfung und die Feststellung der Gesamtqualifikation an jedem Gymnasium gebildet. Ihm gehören nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 an: 1. als Vorsitzender ein Vertreter oder Beauftragter des Oberschulamts; 2. als stellvertretender Vorsitzender der Schulleiter oder sein ständiger Vertreter oder eine vom Schulleiter beauftragte Lehrkraft; 3. sämtliche Fachlehrer der Schule, welche die an der Abiturprüfung teilnehmenden Schüler in den letzten beiden Schulhalbjahren unterrichtet haben; 4. gegebenenfalls weitere vom Oberschulamt oder von dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses beauftragte Mitglieder oder von dem Schulleiter mit der Führung des Protokolls beauftragte fachkundige Lehrkräfte. Die Mitglieder des Prüfungsausschusses sind bei ihrer Prüfungstätigkeit unabhängig. Sie sind zur Amtsverschwiegenheit über alle Prüfungsangelegenheiten verpflichtet und vor Beginn der Prüfung hierüber zu belehren (vgl. § 18 Abs. 3 BGVO). Da in der Regel alle Mitglieder eines Fachausschusses aus dem Prüfungsausschuss ausgewählt werden bzw. dort Mitglied sind, gelten die Unabhängigkeits- und Verschwiegenheitserfordernisse auch für die Mitglieder der Fachausschüsse.
25 
Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses sorgt nach § 18 Abs. 2 Satz 1 BGVO für die ordnungsgemäße Durchführung der mündlichen oder fachpraktischen Prüfung. Dabei wird gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 BGVO insbesondere darauf geachtet, dass die Bestimmungen eingehalten werden, nicht von unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen und nicht gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze oder den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen wird. Die Personen nach § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGVO, also der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende des Prüfungsausschusses, können bei allen Prüfungen und Beratungen der Fachausschüsse anwesend sein.
26 
Nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO hat damit zunächst nur der Vorsitzende des Prüfungsausschusses die genannten Aufgaben und Befugnisse. Berücksichtigt man die Systematik des § 18 BGVO fällt auf, dass das in § 18 Abs. 2 Satz 3 BGVO normierte Anwesenheitsrecht weder wörtlich auf den Vorsitzenden noch auf den stellvertretenden Vorsitzenden Bezug nimmt, sondern auf die in § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGVO genannten Personen. Dabei ist unklar, ob mit diesen Personen jeweils nur der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende des Prüfungsausschusses gemeint ist oder ob darüber hinaus und neben diesen auch die weiteren als Vorsitzender oder dessen Stellvertreter in Betracht kommenden Personen ein Anwesenheitsrecht haben. Eindeutig ist jedoch, dass jedenfalls der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende des Prüfungsausschusses bei allen Prüfungen und Beratungen anwesend sein dürfen. Mit Blick auf die weiteren Rechte des Stellvertreters ist § 18 Abs. 2 Satz 3 BGVO allerdings kein eindeutiges Ergebnis zu entnehmen.
27 
Aus Sinn und Zweck der Vorschrift des § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO ergibt sich jedoch, dass der stellvertretende Vorsitzende die gleichen Befugnisse haben soll wie der Vorsitzende, wenn dieser nicht anwesend ist. Dies folgt schon aus den allgemeinen Grundsätzen des Vertretungsrechts. Ordnet das Gesetz eine Stellvertretung an, ist davon auszugehen, dass diese eingreift, wenn der Vorsitzende seine Rechte nicht ausüben kann oder dieser dem Stellvertreter die Ausführung überträgt. Dabei hat - sofern nichts anderes ausdrücklich geregelt ist - der Stellvertreter grundsätzlich die gleichen Befugnisse wie die vertretene Person, wobei er allerdings an etwaige Vorgaben des Vertretenen, die sich hier im Rahmen des § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO halten müssen, gebunden ist. Der Schaffung der Funktion des „stellvertretenden Vorsitzenden“ hätte es nicht bedurft, wenn er im Vertretungsfall nicht die Funktion des Vorsitzenden ausüben darf. Denn ansonsten hätten die in § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGVO als potentielle Stellvertreter genannten Personen auch zu einfachen Mitgliedern des Prüfungsausschusses bestimmt werden können. Dieser Umstand spricht stark für den Willen des Normgebers, dass auch dem stellvertretenden Vorsitzenden des Prüfungsausschusses im Vertretungsfall die Rechte aus § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO zustehen. Als Vertretungsfall ist dabei unter anderem der Fall anzusehen, in dem der Vorsitzende dem stellvertretenden Vorsitzenden den Auftrag erteilt, in einer bestimmten Prüfung die Aufgaben nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO wahrzunehmen.
28 
Es ist im Ergebnis nicht - wie im Zulassungsbeschluss noch als Frage aufgeworfen - anzunehmen, dass der Verordnungsgeber dem Schulleiter bewusst nicht die Befugnisse des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses einräumen wollte, der aus einer anderen Schule oder nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 vom Oberschulamt bzw. nach der aktuellen Fassung des § 18 BGVO von der oberen Schulaufsichtsbehörde kommt. Dass es dem Verordnungsgeber insoweit nicht darauf ankam, mit Blick auf das Vorgesetztenverhältnis des Schulleiters zu dem Prüfer nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BGVO dem stellvertretenden Vorsitzenden nicht die Aufgaben nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO zu übertragen, ergibt sich schon daraus, dass nach § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGVO nicht nur der Schulleiter, sondern auch sein ständiger Vertreter oder eine vom Schulleiter beauftragte Lehrkraft stellvertretender Vorsitzender sein können. Bei Gymnasien der Normalform ist dies anders. Dort ist nach § 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Abiturverordnung Gymnasien der Normalform (NGVO) vom 24.07.2001 (GBl. S. 518), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 11.04.2012 (GBl. S. 467), allein der Schulleiter stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses. Letztlich entscheidend für die Auslegung all dieser Regeln ist jedoch, dass die Mitglieder des Prüfungsausschusses und damit grundsätzlich auch die Mitglieder der Fachausschüsse gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 BGVO (bzw. § 18 Abs. 3 Satz 1 NGVO) bei ihrer Prüfungstätigkeit unabhängig sind. Mit dieser rechtlichen Sicherung hat der Normgeber dafür Sorge getragen, dass die Mitglieder eines Fachausschusses sich durch ein Hierarchieverhältnis zum Schulleiter als stellvertretendem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses nicht beeinflussen lassen, wenn dieser die Aufgaben nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO wahrnimmt.
29 
Abzugrenzen ist allerdings die Tätigkeit des Vorsitzenden bzw. stellvertretenden Vorsitzenden des Prüfungsausschusses nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO von derjenigen des Fachausschusses nach § 23 Abs. 3 bis 7 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 3 bis 8 BGVO). Für die Durchführung der mündlichen Prüfung und fachliche Bewertung der Leistung des Prüflings ist allein der Fachausschuss zuständig (vgl. dazu: VG Hamburg, Beschluss vom 23.12.2002 - 14 VG 4116/2002 -, Juris Rn. 20). Es widerspricht nämlich dem Wesen der Beurteilungsermächtigung und dem rechtsstaatlichen Gebot sachlicher Unabhängigkeit der Prüfer, außenstehende Dritte in einer Weise zu beteiligen, dass ihnen ein bestimmender Einfluss auf das Prüfungsergebnis eingeräumt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 16.01.1990 - 9 S 3071/88 -, Juris Rn. 36). Daher darf der Vorsitzende des Prüfungsausschusses und im oben dargelegten Umfang sein Stellvertreter nur soweit Einfluss nehmen, als ihm dies durch die Prüfungsordnung, also hier § 18 Abs. 2 BGVO, gestattet ist (vgl. dazu auch: Niehues/Fischer, a.a.O., Rn. 371).
30 
b) Damit steht zunächst fest, dass OStD E. als Schulleiter und stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses bei der Prüfung und Beratung anwesend sein durfte. Darüber hinaus steht fest, dass er als stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses auch die in § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO normierten Aufgaben und Befugnisse in Vertretung des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses ausüben und sich insoweit äußern durfte.
31 
Ein Vertretungsfall war hier gegeben. Der stellvertretende Vorsitzende des Prüfungsausschusses, OStD E., hat sowohl im Rahmen seiner in der ersten Instanz durchgeführten Vernehmung als Zeuge als auch in seiner erneuten Vernehmung vor dem Senat glaubhaft bekundet, dass er - einer ständigen Übung entsprechend - vom Prüfungsausschussvorsitzenden OStD S. von den Z.-Schulen gebeten worden sei, an der mündlichen Prüfung des Klägers im Fach Katholische Religion teilzunehmen. Der Prüfungsausschussvorsitzende selbst habe an den mündlichen Prüfungen des Klägers in den Fächern Mathematik und Biotechnologie teilgenommen. Die Behauptung des Klägers, OStD E. habe allein auf Bitten des Fachausschussvorsitzenden StR i.K. S. an der Prüfung teilgenommen, ist unplausibel und nicht glaubhaft. Die Behauptung des Klägers beruht wohl auf einer Verwechslung oder fehlenden Unterscheidung zwischen dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses nach § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGVO und dem Vorsitzenden des Fachausschusses nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BGVO (vgl. auch die Anlage zur Niederschrift vom 27.09.2012, S. 19, Kläger: „Dann habe ich die Namen verwechselt.“).
32 
2. Ausgehend von den dargestellten rechtlichen Befugnissen des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses und dessen Stellvertreter verstoßen auch die konkreten, nach der Beweisaufnahme festgestellten Äußerungen des OStD E. in der Beratung über das Ergebnis der streitgegenständlichen mündlichen Prüfung nicht gegen § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 und § 23 Abs. 6 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002.
33 
a) Die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von OStD E. während der Beratung des Fachausschusses gegebenen Hinweise sind von § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO gedeckt.
34 
aa) Dies gilt zunächst für den Hinweis, mit dem er sinngemäß allein die Bewertung der konkreten Prüfungsleistung durch den Fachausschuss angemahnt und deutlich gemacht hat, dass es nicht in erster Linie darum gehe, mit Blick auf das Gesamtergebnis des Abiturs in der einzelnen mündlichen Prüfung eine bestimmte Punktzahl zu erreichen, sondern die Prüfungsleistung als solche zu bewerten. Dieser Hinweis stellt eine Erklärung zu den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen dar, der rechtlich nicht zu beanstanden ist, sondern den Vorgaben aus § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 sowie § 23 Abs. 6 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 7 BGVO) entspricht.
35 
Dass OStD E. diesen Hinweis gegeben hat, stand bereits für das Verwaltungsgericht nach der vor diesem durchgeführten Beweisaufnahme fest. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts hierzu haben sich in der Beweisaufnahme des Senats bestätigt. OStD E. gab in seiner Vernehmung als Zeuge an, er habe während der Beratung des Fachausschusses gesagt, es gehe jetzt in erster Linie darum, die Prüfungsleistung zu bewerten und nicht darum, das Bestehen oder das Nichtbestehen des Abiturs zu debattieren. Diese Äußerung habe er bereits relativ früh von sich gegeben, weil er den Eindruck gehabt habe, dass die ersten Äußerungen der Mitglieder des Fachausschusses um die Frage gegangen seien, ob das Abitur bestanden werde oder nicht. Seine Äußerung sei nicht während eines Gesprächs zwischen den Mitgliedern des Fachausschusses gefallen. Vielmehr habe er bereits nach den ersten ein oder zwei Sätzen eingegriffen. Er erinnere sich jedoch nicht mehr, wer diese Sätze gesagt habe. Als erstes habe sich der Fachlehrer, OStR B., geäußert. Er meine, dass er bereits hier eingegriffen habe. Die anderen Mitglieder des Fachausschusses konnten sich in ihrer Vernehmung als Zeugen an diese Äußerung von OStD E. nicht konkret erinnern. Der Zeuge OStR A. hielt es jedoch für möglich, dass diese Aussage von OStD E. gefallen sei. Allerdings sei es allgemein klar, dass es nur um die Bewertung der Einzelprüfung gehen könne. Auch der Zeuge OStR B. hielt es für möglich, dass OStD E. den genannten Hinweis gegeben habe. All diese Aussagen sind für den Senat glaubhaft. Damit kann vorliegend davon ausgegangen werden, dass OStD E. den oben genannten, rechtlich zulässigen Hinweis gegeben hat.
36 
bb) Auch soweit von OStD E. gegen Ende der lange dauernden Beratung ein Hinweis gegeben wurde, die Beratung solle wegen der nachfolgenden Prüfung zum Ende kommen, war dies von § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO gedeckt. Denn der Hinweis diente der Wahrung der Chancengleichheit der Prüflinge sowohl mit Blick auf die Länge der Beratung als auch mit Blick darauf, dass nachfolgende Prüflinge, die sich in der Zwischenzeit anhand einer Prüfungsaufgabe auf ihre mündliche Prüfung vorbereiteten, nicht unnötig lange auf den Beginn der Prüfung warten und nicht zu viel Vorbereitungszeit zur Verfügung haben sollten.
37 
Dass OStD E. auf die Dauer der Beratung hingewiesen hat, ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen StR i.K. S., OStR A. und OStR B. Diese haben bekundet, dass OStD E. gegen Ende der Beratung einen Hinweis auf die Uhrzeit gegeben habe. So hat StR i.K. S. wie bereits bei der Vernehmung vor dem Verwaltungsgericht angegeben, er glaube, OStD E. habe am Ende der Beratung gesagt, man solle auf die Uhr schauen, weil der nächste Kandidat warte. Der Zeuge OStR A. gab ebenfalls an, dass es nach seiner Erinnerung einen solchen Hinweis gegeben habe. Allerdings wisse er nicht mehr genau, ob OStD E. einen verbalen Hinweis gegeben habe oder lediglich auf die Uhr geblickt habe. Auch OStR B. hat bekundet, OStD E. habe gegen Ende der Prüfung gesagt, man solle die Zeit nicht ganz aus den Augen lassen. Lediglich OStD E. selbst konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, ob er einen Hinweis gegeben habe, dass man angesichts der fortgeschrittenen Zeit zum Schluss der Beratung komme müsse. Er hielt es in seiner Vernehmung jedoch für möglich, weil er als Schulleiter grundsätzlich darauf achte, dass der Zeitplan einer Prüfung nicht aus den Fugen gerate. Diese im Kern übereinstimmenden Aussagen sind für den Senat glaubhaft. Daher kann davon ausgegangen werden, dass OStD E. einen rechtlich grundsätzlich zulässigen Hinweis auf die Zeit gegeben hat.
38 
b) Über die Befugnisse des § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO hinaus gehende Eingriffe des stellvertretenden Prüfungsausschussvorsitzenden OStD E. in die Zuständigkeit des Fachausschusses nach § 23 Abs. 6 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 7 BGVO) konnten nach dem Ergebnis der umfassenden Beweisaufnahme nicht festgestellt werden.
39 
aa) Es wäre wohl als unzulässiger Eingriff des stellvertretenden Prüfungsausschussvorsitzenden in die Befugnisse des Fachausschusses nach § 23 Abs. 6 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 7 BGVO) zu werten, wenn OStD E. während der Beratung des Fachausschusses gesagt hätte, man solle sich gut überlegen, ob man dem Kläger sechs oder sieben Punkte gebe. Denn mit einer solchen Äußerung wäre der Fachausschuss indirekt dazu aufgefordert worden, die Auswirkungen der Notengebung in der mündlichen Prüfung in einem einzelnen Prüfungsfach mit Blick auf das Bestehen der gesamten Abiturprüfung zu berücksichtigen. Dies ist nach § 23 Abs. 6 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 7 BGVO) jedoch nicht Sinn der Bewertung der einzelnen Prüfungsleistung.
40 
Nach der Beweisaufnahme ist der Senat jedoch nicht davon überzeugt, dass eine solche Aussage von OStD E. getroffen wurde. Daher kann ein solcher Verfahrensfehler hier nicht angenommen werden.
41 
Keiner der Zeugen, die bei der Beratung unmittelbar dabei waren, hat in der Beweisaufnahme vor dem Verwaltungsgericht oder dem Senat bekundet, dass sich OStD E. in der Beratung in dieser Weise geäußert habe. Von OStD E. wurde sogar ausdrücklich bestritten, dass er sich so geäußert habe. Auch auf Vorhalt der vom Zeugen StR i.K. S. in der erstinstanzlichen Vernehmung getroffenen Aussagen, er - StR i.K. S. - sei mit Bauchschmerzen bereit, dem Kläger sieben Punkte zu geben, sowie auf Vorhalt der Angaben des Klägers blieb der Zeuge OStD E. bei seiner Aussage. Der Zeuge OStR A. bekundete, er könne sich nicht daran erinnern, dass OStD E. die behauptete Äußerung getätigt habe. Vor dem Hintergrund seiner Erfahrung wäre ihm eine solche Äußerung jedoch aufgefallen. Er erklärte in nachvollziehbarer Weise, eine solche Einmischung hätte er nicht unkommentiert gelassen, weil er wegen seines Berufsethos darauf achte, dass die Schüler zu ihrem Recht kämen. Der Zeuge OStR B. konnte sich nach vier Jahren nicht mehr daran erinnern, dass eine solche Aussage von OStD E. gefallen sei. Demgegenüber gab der Kläger an, OStR B. habe in einem Telefonat etwa drei Tage nach der Prüfung ihm gegenüber mitgeteilt, OStD E. habe während der Beratung gesagt, man solle sich gut überlegen, ob man sechs oder sieben Punkte gebe. In dem Telefonat habe er - der Kläger - sich zuvor bei OStR B. bedankt und zu ihm gemeint, dass er die sieben Punkte bekommen hätte, wenn OStD E. nicht dabei gewesen wäre. Der Zeuge OStR B. konnte sich in der Vernehmung jedoch nicht daran erinnern, dass in dem betreffenden Telefonat überhaupt über das Verhalten von OStD E. gesprochen wurde. Nach seiner Erinnerung habe sich der Kläger für den Unterricht bedankt. Er habe den Eindruck gehabt, dass für den Kläger die Situation Schule abgeschlossen gewesen sei, und habe ihn auf die Möglichkeit der Fachhochschulreife hingewiesen. Der Kläger habe ihn nicht dafür verantwortlich gemacht, dass er das Abitur nicht bestanden habe. Schließlich hätten die sechs Punkte in der mündlichen Prüfung im Fach Religion grundsätzlich dazu reichen können, das Abitur zu bestehen. Die Punkte hätten in anderen Fächern gefehlt.
42 
Damit bestehen zwar gewisse Unsicherheiten hinsichtlich des Inhalts des Telefongesprächs zwischen dem Kläger und OStR B. Aber selbst wenn letzterer sich dort so geäußert haben sollte, wie es der Kläger gehört und verstanden haben will, wäre dies nur ein Indiz dafür, dass die Äußerung tatsächlich in der Beratung so gefallen ist. Dieses Indiz wäre hier jedoch durch das im Wesentlichen übereinstimmende Zeugnis der unmittelbar bei der Beratung anwesenden Zeugen entkräftet.
43 
Abgesehen davon ist es auch nicht fernliegend, dass der Kläger bei dem Telefongespräch etwas anderes verstanden hat, als tatsächlich von OStR B. gesagt worden ist. Solche Missverständnisse kommen in Telefonaten häufiger vor, zumal wenn diese von Emotionen beeinflusst sind, wie der Anruf bei einem der Prüfer nach einer nicht bestandenen Abiturprüfung. Auf ein Missverständnis deutet auch der Umstand hin, dass der Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung im Rahmen des Telefonats zunächst selbst die Vermutung geäußert haben will, dass er sieben Punkte erhalten hätte, wenn OStD E. in der Prüfung und Beratung nicht anwesend gewesen wäre. Möglicherweise hat er verstanden, was er gerne hören wollte.
44 
bb) Auch im Übrigen konnte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden, dass OStD E. als stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses in unzulässiger Weise auf die Beratung des Fachausschusses Einfluss genommen hat.
45 
Eine unzulässige Einflussnahme durch den Vorsitzenden bzw. den stellvertretenden Vorsitzenden des Prüfungsausschusses kann dann vorliegen, wenn er durch die Wahrnehmung seiner Rechte aus § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO gezielt aus sachfremden Erwägungen heraus die fachliche Beratung beeinflusst, mit dem Ziel, den Prüfling durchfallen zu lassen. Durch eine solche Verhaltensweise kann das Sachlichkeitsgebot verletzt sein, das auch für den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses sowie seinen Stellvertreter bei der Wahrnehmung der Aufgaben und Befugnisse nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO gilt (zum Sachlichkeitsgebot: Niehues/Fischer, a.a.O., Rn. 331 ff.).
46 
Ein solches Verhalten des OStD E. lässt sich vorliegend jedoch nicht erkennen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass OStD E. den Kläger bewusst durchfallen lassen wollte. Keiner der Zeugen hat bekundet, dass es zwischen dem Kläger und OStD E. vor der Prüfung Probleme gegeben hätte. Dies wird noch nicht einmal vom Kläger behauptet.
47 
Es hat sich in der Beweisaufnahme ferner nicht zur Überzeugung des Senats ergeben, dass OStD E. mit seinem Hinweis auf die lange Dauer der Beratung und die fortgeschrittene Uhrzeit inhaltlich auf das Ergebnis der Beratung Einfluss genommen hat. Keiner der Zeugen hat bekundet, dass er sich durch den Hinweis unter Druck gesetzt gefühlt hat oder dass ihm die Möglichkeit genommen worden sei, sich für einen andere Benotung einzusetzen.
48 
Des Weiteren konnte sich der Senat in der Beweisaufnahme nicht davon überzeugen, dass OStD E. unmittelbar nach einer Äußerung des StR i.K. S. eingegriffen hat, der gesagt haben soll, er sei bereit, dem Kläger „mit Bauchschmerzen“ sieben Punkte zu geben. Denn es ist schon nicht erwiesen, dass die Äußerung des StR i.K. S. überhaupt gefallen ist. Selbst wenn sie gefallen ist, fehlt es in den Aussagen der Zeugen an jeglichem Hinweis, dass OStD E. auf diese Äußerung reagiert hat. So konnte sich nur StR i.K. S. daran erinnern, dass er gesagt habe, er sei bereit dem Kläger „mit Bauchschmerzen“ sieben Punkte zu geben. Nach dessen Erinnerung hat jedoch OStD E. auf diese Äußerung gar nicht reagiert. Vielmehr hätten die Zeugen OStR A. und OStR B. gesagt, man habe auch in Religion keine Punkte zu verschenken. Der Zeuge OStD E. hat als Zeuge bekundet, er erinnere sich nicht an diese Äußerung von StR i.K. S. und auch nicht an eine Reaktion seinerseits. Seinen allgemeinen Hinweis, dass es allein um die Bewertung der einzelnen Prüfungsleistung gehe, habe er gleich zu Beginn - wohl nach einer ersten Äußerung des Fachlehrers OStR B. - gegeben, als noch gar nicht über Noten und Punkte, sondern nur über die Situation des Klägers gesprochen worden sei. Der Zeuge OStR A. konnte sich weder an die genannte Äußerung des Kollegen StR i.K. S., er sei bereit sieben Punkte zu geben, noch an die Antwort, man verschenke keine Punkte, erinnern. Auch der Zeuge OStR B. gab an, er könne sich nach vier Jahren nicht mehr darin erinnern, ob StR i.K. S. in der Beratung bereit gewesen sei, „mit Bauchschmerzen“ dem Kläger sieben Punkte zu geben.
49 
Abgesehen davon läge wohl selbst dann keine unzulässige Einflussnahme des stellvertretenden Prüfungsausschussvorsitzenden OStD E. vor, wenn er tatsächlich als Antwort auf die Aussage des Fachausschussvorsitzenden StR i.K. S., er sei bereit „mit Bauchschmerzen“ sieben Punkte zu geben, eingegriffen hätte. Denn eine solche Äußerung des Fachausschussvorsitzenden StR i.K. S., sollte sie so gefallen sein, wäre tatsächlich rechtlich bedenklich. Sie lässt vermuten, dass vor allem das Gesamtergebnis der Abiturprüfung und nicht die einzelne Prüfungsleistung für die Beurteilung maßgeblich sein solle. Daher hielte sich der von OStD E. bereits eingeräumte Hinweis, man möge die einzelne Prüfungsleistung bewerten, auch dann in den Grenzen der Befugnisse des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses sowie dessen Stellvertreters aus § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO, wenn er nach der fraglichen Äußerung von StR i.K. S. gegeben worden wäre. Entgegen der Meinung des Klägers wäre auch die Äußerung eines Mitglieds des Fachausschusses mit dem sinngemäßen Inhalt, man verschenke keine Punkte, rechtlich nicht zu beanstanden. Denn eine solche Äußerung ist nicht sachwidrig. Zudem ist der Fachausschuss für die Notenbildung zuständig.
50 
Ob OStD E. sinngemäß einen Vergleich mit knappen Ergebnissen im Fußball, die man ebenfalls akzeptieren müsse, gezogen habe, kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist dieser Satz auch nach Angaben des Zeugen StR i.K. S., der ihn als Einziger gehört haben will, erst „ganz am Schluss“, „gegen Ende der Beratung“ geäußert worden. In der ersten Instanz hatte der Zeuge StR i.K. S. noch ergänzend präzisiert, der Satz sei „ganz am Ende nach der Festsetzung der Note gefallen.“ Die übrigen Zeugen konnten sich noch nicht einmal daran erinnern, dass der Satz überhaupt so gefallen sei. Nach Bekunden des Zeugen OStD E. gehöre die Äußerung auch nicht zu dem von ihm üblicherweise verwendeten Vokabular. Damit ist jedenfalls nicht erwiesen, dass die betreffende Äußerung zu einem Zeitpunkt gefallen ist, zu dem sie Einfluss auf die Notenbildung gehabt haben könnte. Es kann daher weiter offen bleiben, ob der betreffende Satz - sollte er gefallen sein - überhaupt einen unsachlichen und damit rechtswidrigen Eingriff darstellen würde.
51 
cc) Die vorstehend genannten Aussagen der Zeugen sind für den Senat glaubhaft. Dabei ist es nach mittlerweile vier Jahren verständlich, dass sich nicht jeder Zeuge an das Gleiche erinnert und Erinnerungslücken vorhanden sind. Im Kerngeschehen stimmen die Zeugenaussagen jedoch überein. Die Aussagen zeichnen sich durch lebensnahe und teilweise substantiierte Schilderungen aus. Für die Glaubhaftigkeit der Zeugen spricht weiter, dass bei keinem Belastungstendenzen gegenüber dem Kläger erkennbar waren. So konnte sich insbesondere der Zeuge OStD E. an zwei Äußerungen von sich erinnern, mit denen er - freilich im Einklang mit den Befugnissen des stellvertretenden Vorsitzenden des Prüfungsausschusses nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGVO - in die Beratung eingegriffen hat. Mit den grundsätzlichen Ausführungen zu seinem Verständnis von den Aufgaben des stellvertretenden Vorsitzenden des Prüfungsausschusses hat der Zeuge eindrucksvoll und für den Senat überzeugend dargelegt, dass ihm die Wahrung der Bestimmungen der Abiturverordnung berufliche Gymnasien ein echtes Anliegen war. Eine Beeidung der Zeugen war vor diesem Hintergrund nach Abwägung aller Umstände und mit Blick auf den Zeitablauf nicht geboten, insbesondere auch nicht um eine wahrheitsgemäße Aussage herbeizuführen.
52 
3. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wurde auch bei der Durchführung der mündlichen Prüfung das Fairnessgebot nicht verletzt.
53 
Während das Sachlichkeitsgebot für die Bewertung der Leistungen des Prüflings durch den einzelnen Prüfer oder die Prüfungskommission gilt, zielt das Fairnessgebot auf den Schutz des Prüflings im Rahmen des Prüfverfahrens (vgl. Niehues/Fischer, a.a.O., Rn. 331). Das Fairnessgebot verpflichtet den Prüfer, darauf Bedacht zunehmen, dass auch der Prüfungsstil, der Ablauf des Prüfungsverfahrens und die Prüfungsatmosphäre nach Möglichkeit leistungsverfälschende Verunsicherungen des Prüflings ausschließen. Der Prüfling soll nicht durch ein unangemessenes Verhalten des Prüfers einer psychischen Belastung ausgesetzt werden, die das Bild seiner Leistungsfähigkeit verfälscht und dadurch seine Chancen mindert. Ob sich das Verhalten eines Prüfers so hätte auswirken können, ist anhand einer objektiven Betrachtung aus der Sicht eines verständigen Prüflings zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urteile vom 11.11.1998 - 6 C 8.97 -, BVerwGE 107, 363, und vom 20.09.1984 - 7 C 57/83 -, BVerwGE 70, 143). Verstöße gegen die Gebote der Fairness und der Sachlichkeit lassen sich nicht allein aus den subjektiven Empfindungen der Prüflinge über eine „bedrückende“ Prüfungsatmosphäre herleiten. Vielmehr bedarf es insoweit präziser Feststellungen über das Verhalten der Prüfer, aus dem sich nachvollziehbar Schlussfolgerungen auf die Verwirrung oder Verunsicherung der Prüflinge ziehen lassen (vgl. FG Bremen, Urteil vom 22.11.1994 - 2 93 086 K 2 -, Juris). Je nach Qualität der Leistung eines Prüflings können allerdings auch eindeutig kritische Reaktionen eines Prüfers das Gebot der Sachlichkeit und Fairness noch wahren (vgl. Senatsbeschluss vom 20.09.1994 - 9 S 2484/93 -, NVwZ-RR 1995, 275). Das Fairnessgebot gilt nicht nur für Prüfer, sondern auch für gemäß § 18 Abs. 2 Satz 3 BGVO anwesende Personen.
54 
Es mag zwar sein, dass der Kläger aufgrund der für ihn kritischen Prüfungssituation durch die von der Abiturverordnung berufliche Gymnasien vorgesehene und generell übliche Anwesenheit seines Schulleiters verunsichert war. Dieser Umstand allein stellt jedoch noch keine Verletzung des Fairnessgebots dar.
55 
Dass OStD E. darüber hinausgehend die Prüfung durch Missfallensbekundungen gestört hat, hat jedoch die Beweisaufnahme durch den Senat - wie schon die Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht - nicht ergeben. Der Kläger behauptet zwar, OStD E. habe gestikuliert und Ausrufe wie „Ah“ und „Oh“ von sich gegeben. Entsprechendes konnte jedoch von keinem der Zeugen bestätigt werden. Die Aussagen des Klägers diesbezüglich waren inhaltsarm und beschränkten sich nahezu wörtlich auf die Wiederholung dessen, was er schon im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu Protokoll geben hatte. Wäre er tatsächlich durch ein Verhalten des OStD E. objektiv gestört worden, hätte er die Situation detaillierter beschreiben können. Die übereinstimmenden Angaben der Zeugen erscheinen dagegen glaubhaft. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zur Würdigung der Glaubwürdigkeit der Zeugen und die Begründung für die unterbliebene Beeidigung verwiesen werden.
56 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
57 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Es liegt keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vor. Denn die Auslegung von §§ 18 und 23 BGVO in der Fassung vom 05.12.2002 (heute: § 24 Abs. 7 BGVO) stellt keine Frage des revisiblen Rechts dar. Vielmehr handelt es sich lediglich um die Auslegung irrevisiblen Landesrechts.
58 
Beschluss vom 27. September 2012
59 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 38.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327).

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffentliche Urkunden), begründen, wenn sie über eine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet sind, vollen Beweis des durch die Behörde oder die Urkundsperson beurkundeten Vorganges.

(2) Der Beweis, dass der Vorgang unrichtig beurkundet sei, ist zulässig.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.