Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 27. Okt. 2016 - 4 L 2130/16
Gericht
Tenor
1. die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft zu erteilen zu folgenden Fragen:
1) Der Dienstleistungsvertrag über die Vollversorgung von Flüchtlingen in Flüchtlingsdörfern zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen für das F3. Flüchtlingsdorf L. 48, 45305 F4. , regelt in § 3 Absatz 2 die Vergütung der Beigeladenen für die Erbringung sämtlicher festgelegter Leistungsinhalte über eine monatliche Vergütungspauschale.
• Wie hoch ist die in dem Vertrag unter § 3 Absatz 2 Punkt a festgeschriebene Vergütungspauschale bis 350 Plätze,
• wie hoch ist die unter § 3 Absatz 2 Punkt b festgeschriebene Vergütungspauschale bis 250 Plätze,
• wie hoch ist die unter § 3 Absatz 2 Punkt c festgeschriebene Vergütungspauschale bis 150 Plätze,
• wie hoch ist die unter § 3 Absatz 2 Punkt d festgeschriebene Vergütungspauschale bis 50 Plätze?
2) Wann beginnt und wann endet die Laufzeit des Dienstleistungsvertrages über die Vollversorgung von Flüchtlingen in Flüchtlingsdörfern zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen für das F2. Flüchtlingsdorf L. 48, 00000 F. ?
3) Wie hoch ist die auf Seite 4 der Anlage 3 des Dienstleistungsvertrages über die Vollversorgung von Flüchtlingen in Flüchtlingsdörfern zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen für das F1. G. L. 48, 00000 F. geregelte Schadenpauschale?
4) Wann wurde der Auftrag mit der Auftragsnummer 20140421 – Dienstleistungsvertrag über die Vollversorgung von Flüchtlingen in Flüchtlingsdörfern zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen - für das F1. Flüchtlingsdorf „Sportanlage Q.---------weg “, 00000 F. - von der Antragsgegnerin bestätigt?
5) Wie lautet der Inhalt der Anlage 2 (Auftrag mit der Auftragsnummer 20140421) und der Anlage 4 (zusätzliche Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistung) des Dienstleistungsvertrages über die Vollversorgung von Flüchtlingen in Flüchtlingsdörfern zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen für das F1. Flüchtlingsdorf „Sportanlage Q.---------weg ", 00000 F. wörtlich?
6) Von wann datiert die „Leistungsbeschreibung zum Dienstleistungsvertrag über die Unterbringung und Betreuung ausländischer Flüchtlinge in Flüchtlingsdörfern", die Anlage 3 des Dienstleistungsvertrages über die Vollversorgung von Flüchtlingen in Flüchtlingsdörfern zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen für das F1. Flüchtlingsdorf „Sportanlage Q.---------weg ", 00000 F. ?
7) Der Dienstleistungsvertrag über die Vollversorgung von Flüchtlingen in Flüchtlingsdörfern zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen für das F1. Flüchtlingsdorf „Sportanlage Q.---------weg “, 00000 F. , regelt in § 3 Absatz 2 die Vergütung des Auftragnehmers für die Erbringung sämtlicher festgelegter Leistungsinhalte über eine monatliche Vergütungspauschale.
• Wie hoch ist die in dem Vertrag unter § 3 Absatz 2 Punkt a festgeschriebene Vergütungspauschale bis 400 Plätze,
• wie hoch ist die unter § 3 Absatz 2 Punkt b festgeschriebene Vergütungspauschale bis 350 Plätze,
• wie hoch ist die unter § 3 Absatz 2 Punkt c festgeschriebene Vergütungspauschale bis 250 Plätze,
• wie hoch ist die unter § 3 Absatz 2 Punkt d festgeschriebene Vergütungspauschale bis 150 Plätze,
• wie hoch ist die unter § 3 Absatz 2 Punkt e festgeschriebene Vergütungspauschale bis 50 Plätze?
8) Wie hoch ist die Pauschale je Bewohner für Ausstattungselemente wie Mobiliar und Trennwände, die die Beigeladene von der Antragsgegnerin laut § 3 Absatz 2 des Dienstleistungsvertrages über die Vollversorgung von Flüchtlingen in Flüchtlingsdörfern zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen für das F1. Flüchtlingsdorf „Sportanlage Q.---------weg “, 00000 F. , erhält?
9) Wie lautet die Laufzeit des Dienstleistungsvertrages über die Vollversorgung von Flüchtlingen in Flüchtlingsdörfern zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen für das F1. Flüchtlingsdorf „Sportanlage Q.---------weg “, 00000 F. ?
10) Wie hoch ist die monatliche Brutto-Schadenspauschale, die auf Seite 4 in Anlage 3 (Punkt 1.5) des Dienstleistungsvertrages über die Vollversorgung von Flüchtlingen in Flüchtlingsdörfern zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen für das F1. Flüchtlingsdorf „Sportanlage Q.---------weg ", 00000 F. , geregelt wird?
11) Wie lautet der Inhalt der Anlage 2 (Auftragsbestätigung vom 13.10. und 19.10.2015) und der Anlage 4 (zusätzliche Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistung) des Dienstleistungsvertrages über die Vollversorgung von Flüchtlingen in Flüchtlingsdörfern zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen für das F1. Flüchtlingsdorf L. 48, 00000 F. wörtlich?
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
2. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
1
Az.: 4 L 2130/16
2Beschluss
3In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren
4wegen preserechtlichem Auskunftsanspruch
5hat die 4. Kammer des
6VERWALTUNGSGERICHTS GELSENKIRCHEN
7am 27. Oktober 2016
8durch
9die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Eckhold
10als Einzelrichterin
11beschlossen:
12G r ü n d e:
13Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch die Einzelrichterin entscheiden. Der Rechtsstreit wurde durch Beschluss der Kammer vom 26. Oktober 2016 auf die Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Entscheidungen über Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung können, da sie durch Beschluss ergehen (§ 123 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -), ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 101 Abs. 3 VwGO). Besondere Umstände, die hier ausnahmsweise die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfordert hätten, sind nicht ersichtlich. Die Beigeladene hatte die Möglichkeit, schriftlich zu den der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten Stellung zu nehmen.
14Der Antrag, die Antragsgegenerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Auskünfte über die im Tenor bezeichneten Fragen zu erteilen, ist zulässig und begründet.
15Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 3, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
16Nimmt der Erlass einer einstweiligen Anordnung die Hauptsache im Wesentlichen vorweg, was bei einer begehrten Auskunft der Fall ist, sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund besondere Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann nur in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und ihm ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten.
17Gemessen an diesen Maßstäben hat der Antrag Erfolg. Der Antragsteller hat mit der mit Blick auf die angestrebte Vorwegnahme der Hauptsache zu fordernden hohen Wahrscheinlichkeit das Vorliegen des tenorierten Auskunftsanspruchs gemäß § 4 Abs. 1 des Pressegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (PresseG NRW) glaubhaft gemacht.
18Der Antragsteller ist als Mitglied der Redaktion „BILD Reporter / Investigative Recherche“ der BIlD-Zeitung Vertreter der Presse im Sinne des § 4 Abs. 1 PresseG NRW und somit grundsätzlich auskunftsberechtigt. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine Behörde im Sinne des § 4 Abs. 1 PresseG NRW.
19Die mit dem Antrag verlangten Informationen dienen der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse. Die öffentliche Aufgabe der Presse liegt gemäß § 3 PresseG NRW darin, dass sie Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt. Die gesetzliche Beschränkung der Auskunftspflicht auf Auskünfte, die dieser Aufgabe dienen, schließt daher einen Anspruch auf solche Informationen aus, die nicht der publizistischen Auswertung zu dienen bestimmt sind. In diesem Zusammenhang wird es im Wesentlichen um die Befriedigung bloßer privater Neugier oder mögliche Missbrauchsfälle gehen, in denen der Anspruchsteller etwa nur die eigenen wettbewerblichen Chancen verbessern will.
20Vgl. VG Berlin, Urteil v. 23. August 2013 - 27 K 159/13 -; OLG Hamm, Urteil v. 16. Dezember 2016 - 11 U 5/14 -, jeweils juris.
21Es ist insbesondere nicht Sache des Gerichts zu bewerten, ob die erbetene Auskunft zu sinnvollen Ergebnissen führen kann.
22Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil v. 25. Juni 2014 - 4 K 3466/13 -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 16. November 2011 - 26 L 1431/11 -, juris.
23Vorliegend liegt ein Zusammenhang zwischen dem erklärten Rechercheziel (Aufklärung von Missständen bei der Flüchtlingsunterbringung, insbesondere Verdacht auf überhöhte Preisgestaltungen, auf unangemessene Vertragsbedingungen, auf Mängel in der Vergabepraxis und auf unzureichende Selbstkontrolle der Verwaltung) und den begehrten Auskünften zu Vergütungspauschalen und Vertragsgestaltungen auf der Hand. Dass der Antragsteller das Ziel der publizistischen Auswertung nur vorgibt, ist angesichts der vorgelegten Presseberichte zu überdurchschnittlichen Tagespauschalen, Subunternehmer-Strukturen und hohen Renditen bei Flüchtlingsheimbetreibern fernliegend.
24Der vorstehend grundsätzlich bejahte Auskunftsanspruch ist auch nicht gemäß § 4 Abs. 2 PresseG NRW ausgeschlossen.
25Vorschriften über die Geheimhaltung gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 PresseG NRW stehen der Auskunftserteilung nicht entgegen. Soweit die Beigeladene auf § 17 Abs. 3 EG VOL/A (Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen - Teil A - ) hinweist, wonach „die Angebote und ihre Anlagen sowie die Dokumentation über die Angebotseröffnung auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens sorgfältig zu verwahren und vertraulich zu behandeln sind“, steht diese Vorschrift jedenfalls der vorliegend konkret begehrten Auskunftserteilung nicht entgegen. Die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – Teil A – enthält schon nichts über die Vertraulichkeit des sich aus dem Vergabeverfahren ergebenden Vertrags.
26Vgl. VG Wiesbaden, Urteil v. 4. September 2015 - 6 K 687/15 -, juris.
27Auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist eine Anwendung auf die vorliegend begehrten Vertragsinhalte nicht geboten. Der Zweck der vergaberechtlichen Geheimhaltungsvorschriften liegt darin, die Anbieter im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens davor zu schützen, (Wettbewerbs-) Nachteile dadurch zu erleiden, dass Angebote den Mitbietern bekannt werden. Die Gefahr solcher Wettbewerbsnachteile ist indes nur dann gegeben, wenn etwaige Informationen über einen Bieter es Mitbewerbern ermöglichen, sich darauf in künftigen Vergabeverfahren mit ihren eigenen Angeboten zum Wettbewerbsnachteil des betroffenen Bieters einzustellen. Diese Möglichkeit schließt die Kammer bei der Offenlegung der Vergütungspauschalen, Leistungsbeschreibungen und Schadensersatzpauschalen aus. Die von der Beigeladenen formulierte Befürchtung, ihre Wettbewerbssituation werde durch die Bekanntgabe im Verhältnis zu Mitbewerbern in erheblicher Weise geschwächt, ist allein deshalb unrealistisch, weil die Antragsgegnerin auch einem im Hinblick auf die Vergütungspauschale günstigeren Angebot einen Zuschlag nur erteilen kann, wenn der niedrigeren Vergütungspauschale auch eine tragfähige Kalkulation zugrunde liegt. Den hier streitgegenständlichen Vertragsbestandteilen lassen sich die zugrunde liegenden Kalkulationsgrundlagen (z.B. Personalkosten, Personaleinsatz) oder Konzepte nicht entnehmen. Ohne Kenntnis der Kalkulations- und sonstigen Geschäftsinterna der Beigeladenen lässt das Bekanntwerden der Vergütungspauschale sowie der Leistungsbeschreibung wettbewerbsrelevante Rückschlüsse von Konkurrenz-Bewerbern nicht zu.
28Ein Verstoß gegen andere gesetzliche Geheimhaltungsvorschriften ist nicht ersichtlich.
29Der Auskunftserteilung steht weiterhin die Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 3 PresseG NRW nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift besteht kein Auskunftsanspruch, soweit ein schutzwürdiges privates oder ein überwiegendes öffentliches Interesse verletzt würde. Dabei bedarf es - sowohl hinsichtlich der Schutzwürdigkeit privater Interessen als auch des Überwiegens öffentlicher Interessen - einer Abwägung der jeweils zu berücksichtigenden Belange im Einzelfall. Das Interesse der Presse an Offenlegung ist den gegenläufigen Interessen am Unterbleiben der Auskunft gegenüber zu stellen. Ist mit der Auskunft beispielsweise nur ein geringfügiger Eingriff in das Recht eines Privaten verbunden, so bedarf es keines zeitgeschichtlichen Interesses an der Information, um diese als gerechtfertigt anzusehen. Demgegenüber muss das von der Presse verfolgte Interesse umso gewichtiger sein, um eine Auskunft zu legitimieren, je sensibler der Bereich ist, über den informiert wird und je detaillierter und weitergehend die begehrte Auskunft ist.
30Vgl. OVG NRW, Urteil v. 18. Dezember 2013 - 5 A 413/11 - und Beschluss v. 27. Juni 2012 - 5 B 1463/11 -, jeweils juris m.w.N.
31Das öffentliche Interesse an der Offenlegung (vgl. § 3 LPG NRW) tritt demgemäß nicht schon dann zurück, wenn dadurch in grundrechtlich geschützte Rechte der Vertragspartner der auskunftspflichtigen Stelle eingegriffen würde. Ein besonderes öffentliches Interesse an der Kenntnis von Vertragsbeziehungen besteht unter anderem dann, wenn die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe in Rede steht und dabei öffentliche Mittel in nicht unerheblichem Umfang zum Einsatz gebracht werden. Das öffentliche Informationsinteresse zielt nicht nur auf Transparenz, um die sachgerechte Verwendung öffentlicher Gelder nachvollziehen zu können, sondern auch auf alle rechtlichen Verpflichtungen, die die öffentliche Hand eingegangen ist. Das öffentliche Interesse an der Offenlegung wiegt umso schwerer, wenn sich die öffentliche Hand aufgrund langer Laufzeiten in besonderer Weise zeitlich gebunden hat.
32Vgl. OVG NRW, Urteil v. 18. Dezember 2013 - 5 A 413/11 - sowie BVerwG, Beschluss v. 8. Februar 2011 - 20 F 13.10 -, (zu § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO), jeweils juris.
33Nach diesen Maßstäben fällt die Abwägung hier zugunsten des Antragstellers aus.
34Die Beigeladene beruft sich auf den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse. Hierzu zählen alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig sind und an deren Nichtverbreitung der Unternehmer ein berechtigtes Interesse hat. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Geschäftsgeheimnisse zielen auf den Schutz kaufmännischen Wissens. Sie betreffen alle Konditionen, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens maßgeblich bestimmt werden können. Dazu gehören unter anderem Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten oder Bezugsquellen. Auch konkrete Vertragsgestaltungen können als Geschäftsgeheimnis geschützt sein.
35Vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 19. Januar 2012 - 20 F 3.11 - und v. 8. Februar 2011 - 20 F 13.10 -, juris m.w.N.; OVG NRW, Urteil v. 18. Dezember 2013 - 5 A 413/11; Beschluss v. 23. Mai 2011 - 8 B 1729/10 -, jeweils juris.
36Um ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis geht es bereits dann, wenn die offengelegte Information lediglich Rückschlüsse auf ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis zulässt.
37Vgl. BVerwG, Urteil v. 24. September 2009 - 7 C 2.09 -, juris.
38Danach zählt der Inhalt der zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossenen Verträge über die Vollversorgung von Flüchtlingen in den Flüchtlingsdörfern „L. “ und „Sportanlage Q.---------weg “ zwar grundsätzlich zu den Geschäftsgeheimnissen, weil ihm zumindest wettbewerbsrelevante Rahmenbedingungen entnommen werden können. Eine nennenswerte nachteilige Beeinflussung der Wettbewerbsfähigkeit der Beigeladenen durch die Offenlegung der Vertragsinhalte ist jedoch nicht ersichtlich. Die Vertragsinhalte enthalten – wie ausgeführt – keine Kalkulationsgrundlagen und ermöglichen keine Rückschlüsse auf die interne Preiskalkulation der Beigeladenen. Ebenso erlaubt die Mitteilung der Vertragsinhalte keine Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Sie betrifft lediglich zwei Verträge, während die Beigeladene über 100 Flüchtlingsunterkünfte betreibt (vgl. Handelsblatt Nr. 136 vom 18. Juli 2016). Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beigeladenen werden daher durch die Vertragsinhalte nicht maßgeblich bestimmt. Ferner besagt insbesondere die Vergütungspauschale nichts über die der Beigeladenen durch die Vertragsausführung entstehenden Kosten.
39Auf der anderen Seite ist bei der Feststellung der Schutzwürdigkeit wie oben ausgeführt der verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz der Pressefreiheit zu berücksichtigen. Das Auskunftsersuchen des Antragstellers betrifft die sparsame und sachgerechte Verwendung öffentlicher Gelder bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben und dient damit zugleich einer Kontrolle der Verwendung von Steuergeldern. Der Verdacht einer angesichts großer Kapazitätsengpässe möglicherweise überhöhten Preisgestaltung, die Vermutung einer „überlangen“ zeitlichen Bindung bei Verträgen zur Unterbringung von Flüchtlingen sowie letztlich auch die Aufdeckung möglicher Zusammenhänge zwischen Vertragsgestaltung (insbesondere Vergütungspauschalen) und unsachgemäßer Aufgabenbewältigung betreffen öffentliche Interessen von erheblichem Gewicht und waren bereits mehrfach Gegenstand aktueller Berichterstattungen. Die von der Antragsgegnerin bisher geschwärzten Vertragsinhalte haben im Zusammenhang mit dem Berichterstattungsinteresse des Antragstellers zentrale Bedeutung. Der Auskunftsanspruch gemäß § 4 Abs. 1 PresseG NRW würde ausgehöhlt, wenn es ein Vertragspartner, der öffentliche Mittel in nicht unerheblichem Umfang erhält, generell in der Hand hätte, durch Verweis auf Geschäftsgeheimnisse eine konkrete Überprüfung des Verdachts von vornherein zu verhindern. Vor diesem Hintergrund geht das Auskunftsersuchen des Antragstellers dem privaten Interesse der Beigeladenen an der Geheimhaltung der bisher nicht mitgeteilten Vertragsinhalte - einschließlich der Vergütungs- und Schadensersatzpauschalen - vor.
40Dass ein überwiegendes öffentliches Interesse der Auskunftserteilung entgegenstünde, hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.
41Ein Anordnungsgrund für die Erteilung der begehrten Auskünfte ist ebenfalls glaubhaft gemacht. Für die Beurteilung, ob dem Antragsteller bei einem Zuwarten bis zur Klärung in einem Hauptsacheverfahren schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, ist die grundrechtliche Dimension der Pressefreiheit zu beachten. Angesichts der Aufgabe der Presse in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat darf an die Auslegung des schweren Nachteils kein zu enger Maßstab angelegt werden. Maßgeblich ist, ob ein gesteigertes öffentliches Interesse sowie ein starker Gegenwartsbezug an der Berichterstattung vorliegen.
42Vgl. BVerfG, Beschluss v. 8. September 2014 – 1 BvR 23/14 -; BVerwG, Beschluss v. 22. September 2015 – 6 VR 2.15 -, jeweils juris.
43Das ist vorliegend der Fall. Ein gesteigertes öffentliches Interesse ist bereits deswegen anzunehmen, weil die Bewältigung der Aufgabe der Unterbringung, Versorgung und Betreuung von Flüchtlingen durch eine der größten Kommunen des Landes Nordrhein-Westfalen sowie die daraus entstehenden (langfristigen) hohen Kosten für die Allgemeinheit von weitreichender Bedeutung sind. Ein starker Gegenwartsbezug liegt ebenfalls vor, da die mit der Flüchtlingsunterbringung und –versorgung verbundenen Fragen derzeit hochaktuell sind, was u.a. die vom Antragsteller vorgelegten Berichterstattungen verschiedener Presseerzeugnisse belegen. Ob diese Thematik nach Abschluss eines Hauptsacheverfahrens noch in vergleichbarer Weise die öffentliche Berichterstattung bestimmt, ist nicht absehbar. Jedenfalls spricht viel dafür, dass die hier streitigen Auskünfte ihren Nachrichtenwert weitgehend verloren haben dürften.
44Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3 und 162 Abs. 3 VwGO, wobei berücksichtigt worden ist, dass die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat. In der „Bitte“ der anwaltlich vertretenen Beigeladenen unter III. des Schriftsatzes vom 17. Oktober 2016 ist ein solcher Antrag nicht zu sehen.
45Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes. Von einer Halbierung des Streitwertes wegen des in diesem Verfahren grundsätzlich nur möglichen vorläufigen Rechtsschutzes hat das Gericht im Hinblick auf die Vorwegnahme der Hauptsache abgesehen.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.
(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.