Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 05. Okt. 2016 - 14 L 2356/16
Gericht
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage - 14 K 6579/16 -des Antragstellers gegen die in Ziffer 1. der Versammlungsbestätigung des Antragsgegners vom 30. September 2016 enthaltene Auflage zur Durchführung der Versammlung als Standkundgebung wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der aus dem Tenor ersichtliche sinngemäß gestellte Antrag hat Erfolg.
3Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus.
4Nach dem derzeitigen, der Interessenabwägung zu Grunde zu legenden Sach- und Streitstand überwiegt das öffentliche Interesse am Vollzug der beschränkenden Auflage das Suspensivinteresse des Antragstellers nicht, da sich die Auflage, die Kundgebung an Stelle des angemeldeten Aufzugs über eine rund 3,8 km lange Strecke in der südlichen Dortmunder Innenstadt, nur als Standkundgebung auf der Bahnhofstraße, in einem vor Ort mit den Einsatzkräften abzustimmenden Bereich durchzuführen, voraussichtlich als rechtswidrig erweist. Auch im Rahmen einer allgemeinen Vollzugsfolgenabwägung lässt sich ein überwiegendes öffentliches Interesse am Vollzug der beschränkenden Auflage nicht feststellen.
5Unstreitig unterfällt die von dem Antragsteller angemeldete Kundgebung dem Schutzbereich des Art. 8 Grundgesetz (GG).
6Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Versammlungsgesetz (VersG) sind vorliegend nicht erfüllt. Der Antragsgegner hat bislang nicht hinreichend dargelegt, dass nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung zu erkennenden Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
7Erforderlich ist insoweit eine auf die konkrete Versammlung bezogene Gefahrenprognose, die auf erkennbaren Umständen beruhen muss, also auf nachweisbaren Tatsachen, Sachverhalten und sonstigen Erkenntnissen. Bloße Spekulationen, Vermutungen und Mutmaßungen im Hinblick auf einen Schadenseintritt reichen nicht aus.
8Die umfangreiche, durch zahlreiche Wiederholungen geprägte Begründung der hier streitgegenständlichen beschränkenden Auflage trägt die Prognose, von der Versammlung gingen Gefahren aus, welche auf der Grundlage des § 15 VersG eine Einschränkung der durch Art. 8 GG gewährleisteten Versammlungsfreiheit zum Schutz der öffentlichen Sicherheit erforderten, nicht.
9Im Kern beschränkt sich die Begründung tatsachengestützt darauf, dass es aufgrund polizeilicher Erkenntnisse zu erwarten sei, dass an der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung auch Personen teilnehmen werden, die der sogenannten „Hooligan-Szene“ zuzurechnen sind und dass die dieser Szene zuzurechnenden Personen - in der Regel im Zusammenhang mit Fußballspielen - von den Polizeibehörden als „gewaltbereit“ oder „gewaltsuchend“ eingestuft sind. Außerdem stützt sich die Prognose darauf, dass es in der Vergangenheit, vor allen Dingen 2014 in Köln, zu teilweise erheblichen Übergriffen auf Polizisten gekommen ist und auf die dem Gericht aus anderen Verfahren bekannte Tatsache, dass es zwischen der „linken“ und „rechten“ Szene in Dortmund zu Auseinandersetzungen gekommen ist, in deren Zusammenhang auch immer wieder gewalttätige Übergriffen stattfanden.
10Der Begründung der Verfügung lässt sich jedoch nicht entnehmen, warum aus diesen allgemeinen Erkenntnissen der Schluss zu ziehen ist, von der konkret angemeldeten Versammlung des Antragstellers gehe eine Gefahr aus, der nur durch die Beschränkung der Versammlung auf eine Standkundgebung auf der Bahnhofstraße zu begegnen sei.
11Soweit darauf abgestellt wird, die angemeldete Teilnehmerzahl von 300 sei unzutreffend und es sei mit mindestens 1.000 Teilnehmern zu rechnen, ist schon diese Grundannahme - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Versammlung des Antragstellers im Internet bundesweit beworben wird - bislang nicht durch Tatsachen belegt. Dazu heißt es im Verwaltungsvorgang des Antragsgegners in einem Vermerk zur Erkenntnislage (Bl. 96) sogar ausdrücklich wie folgt: “Eine Zahl im niedrigen vierstelligen Bereich wird aufgrund polizeilicher Erkenntnisse und Erfahrungen anzunehmen sein. Dies kann jedoch nicht durch Tatsachen belegt werden“. In der Begründung der Auflagenverfügung wird gleichwohl - gestützt auf Erkenntnisse der örtlichen Polizeibehörden - ausgeführt, dass führende Personen der als Teilnehmer der Versammlung in Betracht kommenden „Szene“ in ihren eigenen Internetauftritten für eine Teilnahme an der Versammlung werben. Konkret werde daher mit der Anreise von Teilnehmern aus Bremen, München, Aachen, Duisburg, Oberhausen, Solingen und Braunschweig gerechnet, sowie mit der Teilnahme von Mitgliedern der Dortmunder „rechten“ Szene. Die in der Begründung der Auflagenverfügung angegebenen Zahlen beziehen sich auf die polizeibekannten „Mitglieder“ der in den genannten Städten ansässigen Gruppen. Unterstellt, diese „Gruppen“ würden vollständig zu der Versammlung des Antragstellers anreisen, ergibt sich daraus eine Teilnehmerzahl von rund 250 Personen, die als aufgrund polizeilicher Erkenntnisse tatsachengestützt angesehen werden kann. Dies entspricht in etwa der Teilnehmerzahl, welche der Antragsteller angemeldet hat.
12Unabhängig davon ist, auch wenn von der durch den Antragsgegner zugrundegelegten Teilnehmerzahl von 1.000 Personen auszugehen wäre, auch hier weder tatsachengestützt belegt, dass die Versammlung einen unfriedlichen Verlauf nehmen wird, noch dass allein die Beschränkung auf eine Standkundgebung als Mittel in Betracht kommt, um dieser Gefahr zu begegnen.
13Allein der Umstand, dass an der Versammlung auch Personen teilnehmen, die aufgrund ihrer andernorts deutlich gewordenen Neigung zu Gewalttätigkeiten als abstrakt gefährlich angesehen werden können, rechtfertigt keine beschränkenden Auflagen nach dem Versammlungsrecht. Etwaige Straftaten einzelner Versammlungsteilnehmer rechtfertigen ein Einschreiten gegen die gesamte Versammlung nur unter strengen Voraussetzungen. Die Unfriedlichkeit einer Versammlung kann erst dann angenommen werden, wenn eine Prognose mit hoher Wahrscheinlichkeit ergibt, dass der Veranstalter und sein Anhang Gewalttätigkeiten beabsichtigen oder ein solches Verhalten anderer zumindest billigen werden. Unfriedlich ist eine Versammlung, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden. Das unfriedliche Verhalten Einzelner kann nicht für die gesamte Versammlung zum Verlust oder auch der Einschränkung des Grundrechtsschutzes führen, wobei bei Anwendung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben keine rein zahlenmäßige Betrachtung in dem Sinne anzustellen ist, dass bei Gewalttätigkeit von mehr als der Hälfte der Versammlungsteilnehmer der Grundrechtsschutz entfallen würde. Vielmehr bleibt entscheidend, ob die Versammlung im Ganzen zumindest mit Billigung des Veranstalters oder seines Anhangs einen gewalttätigen Verlauf nehmen wird.
14Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 2015 - 15 B 1201/15 -, Juris
15Die in der Begründung der Verfügung sowie der in dem vorgelegten Verwaltungsvorgang enthaltenen Gefahrenprognose erfolgte Darstellung von Vorkommnissen bei in der Vergangenheit von Angehörigen der „Hooligan-Szene“ durchgeführten Versammlungen oder in deren Umfeld trägt die streitgegenständliche Auflage nicht.
16Nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechts, die auf die Konzeption der Grundrechte als Abwehrrechte abgestimmt sind, liegt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Verbotsgründen bei der Behörde. Dies gilt auch für das aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nach § 15 VersG ebenfalls statthafte mildere Mittel der beschränkenden Auflage.
17Als für eine Gefahrenprognose maßgebliche Vorgängerversammlungen sind in erster Linie diejenigen Veranstaltungen heranzuziehen, die bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen. Haben sich bei Veranstaltungen an anderen Orten mit anderen Beteiligten Gefahren verwirklicht, so müssen besondere, von der Behörde bezeichnete Umstände die Annahme rechtfertigen, dass ihre Verwirklichung ebenfalls bei der nunmehr geplanten Versammlung zu befürchten sei. Gibt es neben Anhaltspunkten für die von der Behörde oder den Gerichten zu Grunde gelegte Gefahrenprognose auch Gegenindizien, so haben sich die Behörde und die Gerichte auch mit diesen in einer den Grundrechtsschutz hinreichend berücksichtigenden Weise auseinanderzusetzen.
18Vgl. BVerfG, einstweilige Anordnung vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, m.w.N., Juris
19Vorliegend ist bei der anzustellenden Gefahrenprognose zunächst zu berücksichtigen, dass sich die sogenannte „Hooligan-Szene“ - soweit sie hier im „politischen Bereich“ in Erscheinung tritt - sich zu Beginn des Jahres 2015 aufgeteilt hat. Davon geht auch der Antragsgegner aus.
20Vor diesem Hintergrund ist hinsichtlich der von HoGeSa im Oktober 2014 in Köln durchgeführten Versammlung, die zu den hinlänglich bekannten Ausschreitungen und Krawallen geführt hat,- unabhängig davon, ob diese Ausschreitungen durch unzureichendes polizeiliches Einschreiten begünstigt wurden -
21vgl. Hamburgisches OVG, Beschluss vom 11. September 2015 - 4 Bs 192/15 - Juris, Rdnr. 15,
22schon allein mit Blick auf den Teilnehmer und Organisatorenkreis fraglich, ob die Ausschreitungen in Köln überhaupt für die hier zu treffende Gefahrenprognose herangezogen werden können.
23Soweit auf die HoGeSa Demonstrationen in Köln im November 2014, in Hannover im November 2014 sowie im Oktober 2015 in Köln und die GsD Demonstration im April 2016 in Magdeburg abgestellt wird, sind die Angaben des Antragsgegners zu Umfang, Intensität und Folgen der angeführten Tätlichkeiten nicht dazu geeignet, den Schluss zuzulassen, dass die Versammlung selbst die Schwelle zur Gewaltanwendung überschritten hat.
24Im Gegenteil kam es bei der Versammlung in Magdeburg, die ebenfalls als Aufzug durchgeführt wurde, trotz einer nach den polizeilichen Erkenntnissen überwiegenden Anzahl von in die als „gewaltsuchend“ eingestuften Hooligans der „Kategorie C“ auch nach den Erkenntnissen des Antragsgegners offenbar zu keinen erheblichen Ausschreitungen aus der Versammlung, sondern „lediglich“ zu einem Übergriff auf einen Medienvertreter.
25Vgl. auch Bericht der Magdeburger Zeitung „Volksstimme“ vom 9. April 2016 „Demonstranten bleiben friedlich“,http://www.volksstimme.de/lokal/magdeburg/20160409/8192/kundgebung--demonstranten-bleiben-friedlich,Stand 05.10.2016, 13.30 Uhr.
26Eine solche Einzeltat rechtfertigt es nach den oben dargestellten Maßstäben nicht, die Versammlung insgesamt als gewalttätig einzustufen.
27Auch eine am 2. Mai 2015 durchgeführte Demonstration der „Hooligan-Szene“ in Erfurt verlief nach Presseberichten
28vgl. Bericht der „Thüringische Landeszeitung“ vom 4. Mai 2015, „Hooligan-Demo in Erfurt“,http://www.tlz.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Hooligan-Demo-in-Erfurt-40035073,Stand 05.10.2016, 13.30 Uhr,
29und den sich aus dem vorgelegten Verwaltungsvorgang ergebenden Erkenntnissen, störungsfrei.
30Ähnliches folgt aus dem vorgelegten Verwaltungsvorgang für die in Köln am 25. Oktober 2015 durchgeführte Versammlung. Diese Versammlung wurde, worauf der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung abstellt, als Standkundgebung durchgeführt. Wie sich aus den Entscheidungen des VG Köln, sowie der nachfolgenden Beschwerdeentscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein - Westfalen ergibt,
31VG Köln, Beschluss vom 23. Oktober 2015 - 20 L 2600/15-, OVG NRW, Beschluss vom 24. Oktober 2015 - 15 B 1226/15, beide Juris und www.nrwe.de,
32wurde die beschränkende Auflage, nur eine Standkundgebung durchzuführen, aber mit einer konkret auf die örtlichen Verhältnisse sowie auf die konkreten Umstände der Versammlung (Teilnehmerkreis und -zahl, Ort und Datum) gestützten Gefahrenprognose begründet.Allein der Umstand, dass zu dieser Versammlung eine beschränkende Ortsauflage rechtmäßig war, lässt daher keinen Rückschluss auf die Rechtmäßigkeit der hier streitgegenständlichen Auflage zu, wie er in der Antragserwiderung von dem Antragsgegner gezogen wird.
33Diese Umstände werden durch den Antragsgegner aber weder in der in dem Verwaltungsvorgang befindlichen Gefahrenprognose noch in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheides hinreichend gewürdigt.
34Hinsichtlich der Gefahr von Auseinandersetzungen unter den Versammlungsteilnehmern selbst, bleibt die Gefahrenprognose des Antragsgegners ebenfalls widersprüchlich. Einerseits wird aufgrund der Erfahrungen bei Fußballspielen - nachvollziehbar - davon ausgegangen, dass die einzelnen Gruppen untereinander verfeindet sind. Dem steht jedoch die im Verwaltungsvorgang niedergelegte Erkenntnis gegenüber, dass es in der Vergangenheit mehrfach gelungen ist, unter dem Motto „In den Farben getrennt - in der Sache vereint“ trotz der Heterogenität der Hooligan-Szene gemeinsame Demonstrationen ohne interne Auseinandersetzungen durchzuführen. Soweit aus der Rivalität der einzelnen Gruppen darauf geschlossen wird, die Versammlung sei durch einen Versammlungsleiter nicht zu steuern, steht dies im Widerspruch zu der zuletzt genannten Erkenntnis der gemeinsamen Durchführung von Veranstaltungen. Dieser Widerspruch wird weder in der Gefahrenprognose, noch in der Begründung der Ordnungsverfügung aufgelöst. Des weiteren ist nicht hinreichend deutlich, inwieweit diese angenommene fehlende Steuerungsmöglichkeit zwingend die Beschränkung auf eine Standkundgebung erfordert und ihr nicht durch andere Auflagen, wie etwa den Austausch des vom Antragsgegner offenbar für ungeeignet gehaltenen benannten Versammlungsleiters, oder durch eine höhere Anzahl von Ordnern begegnet werden kann.
35Letztlich bleibt die zur Begründung der beschränkenden Auflage herangezogene Gefahr aus der Versammlung selbst, allein auf Annahmen und der allgemeinen Besorgnis begründet, der Teilnehmerkreis sei gewaltgeneigt. Eine solche - nachzuvollziehende - allgemeine Besorgnis erreicht jedoch nicht das nach dem oben dargestellten Maßstab erforderliche Maß tatsachengestützter Annahmen, welche einen Eingriff in das Versammlungsrecht des Antragstellers rechtfertigen.
36Soweit für die Annahme einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit auf Übergriffe durch Angehörige des „linken Spektrums“ auf die Versammlung des Antragstellers abgestellt wird, ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller insoweit als sogenannter „Nichtstörer“ anzusehen ist, denn die von dem Antragsgegner bei seiner Entscheidung herangezogene Gefahrenlage geht nicht unmittelbar von der Versammlung des Antragstellers aus.
37Konkrete und tatsachengestützte Anhaltspunkte dafür, dass es bei der streitgegenständlichen Versammlung zu solchen Übergriffen in einem so erheblichem Umfang kommen wird, dass der angemeldete Aufzug des Antragstellers, unabhängig davon, ob von den angemeldeten 300 oder bis zu den vom Antragsgegner angesetzten 1.000 Teilnehmern auszugehen ist, nicht mehr geschützt werden könnte, hat der Antragsgegner nicht benannt.
38Soweit darauf abgestellt wird, dass die vom Antragsteller angemeldete Aufzugsstrecke durch enge Straßen in Wohngebieten führe, so dass ein wirksamer Schutz durch die Polizei aufgrund der sich ständig ändernden örtlichen Gegebenheiten und der Länge des Demonstrationszuges nicht möglich sei, trägt dies die Beschränkung auf eine Standkundgebung vorliegend ebenfalls nicht. Grundsätzlich geht die Kammer zwar davon aus, dass einem Aufzug ein höheres Gefahrenpotential innewohnt als einer Standkundgebung. Diese abstrakte Steigerung des Gefahrenpotentials ist jedoch mit Blick auf die in Art. 8 GG gewährte Versammlungsfreiheit grundsätzlich hinzunehmen. Allein der Umstand, dass die Begleitung eines mit Blick auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit als „kritisch“ angesehenen Demonstrationszuges einen erheblichen Aufwand erfordern kann, rechtfertigt mit Blick auf die Bedeutung des in Art. 8 GG gewährten Grundrechts die hier streitgegenständliche Beschränkung nicht.
39Auch mit Blick auf die konkrete Begründung des Antragsgegners wäre als milderes Mittel zunächst eine Änderung der Aufzugsstrecke in Betracht zu ziehen. Auch wenn die Kammer im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung zu Grunde legt, dass dem Antragsgegner bei der Bewertung der versammlungsspezifischen Risiken und der polizeilichen Möglichkeiten der Gefahrenabwehr ein besonderer Fach- und Sachverstand zuzubilligen ist, dem im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens durchaus ein deutliches Gewicht zukommt, ist vorliegend nicht zu erkennen, das auch ein Demonstrationszug mit 1.000 Teilnehmern auf einer gegebenenfalls abgeänderten Demonstrationsroute nicht angemessen polizeilich begleitet und soweit erforderlich geschützt werden, sowie durch die Polizei Ausschreitungen aus der Versammlung heraus kontrolliert werden könnten. Dies war der Dortmunder Polizei in der Vergangenheit jedenfalls mehrfach sowohl bei Versammlungen des „rechten“ als auch des „linken“ Spektrums möglich, auch wenn die einzelnen Versammlungen - insbesondere des linken Spektrums - als in hohem Maße gewaltbereit und konfliktsuchend einzustufen waren.
40Dies gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass der Antragsteller hinsichtlich der Übergriffe Dritter auf die Versammlung als Nichtstörer anzusehen ist und bislang lediglich eine - als Standkundgebung angemeldete - Gegendemonstration des Bündnisses „Blockado“ angemeldet wurde. Die polizeiliche Erkenntnis, dass Teilnehmer der Gegendemonstration versuchen werden, in kleinen Gruppen den Aufzug des Antragstellers zu erreichen, erfordert keine andere Bewertung.Bereits in der Vergangenheit hat die Dortmunder Polizei in derartigen Situationen ein Konzept zur räumlichen Trennung der beiden „Lager“ z.B. durch eine entsprechenden Gestaltung und Absicherung der Aufzugswege umgesetzt, ohne dass es notwendig gewesen wäre, Versammlungen von vornherein auf Standkundgebungen zu beschränken.
41Dass dem Antragsgegner die für die Umsetzung eines solchen Konzepts erforderlichen Kräfte nicht zur Verfügung stünden, so dass die beschränkende Auflage auf eine Standkundgebung aus dem Gesichtspunkt des polizeilichen Notstandes gerechtfertigt sein könnte, wird nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
42Sofern sich aus den konkreten Gegebenheiten der vom Antragsteller angemeldeten Aufzugsstrecke aus polizeilicher Sicht tatsachengestützte Bedenken hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit, die auch die Sicherheit der Versammlungsteilnehmer erfasst, ergeben, ist es dem Antragsgegner unbenommen in Absprache mit dem Antragsteller, der insoweit seine Bereitschaft zur Kooperation in der Antragsbegründung erklärt hat, oder durch entsprechende Auflagen eine Aufzugsstrecke festzulegen, die diesen Bedenken Rechnung trägt.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
44Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes und geht wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache vom vollen Auffangstreitwert aus.
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.