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| Der sinngemäß gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) mit dem Ziel, es der Antragsgegnerin bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu untersagen, die Urne mit der Asche des verbrannten Leichnams des am … in … geborenen und am … in … verstorbenen …, zuletzt wohnhaft …, in einem anonymen Urnenmassengrab oder in einem sonstigen Grab auf ihrem Friedhof beizusetzen, hat keinen Erfolg. |
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| Offen bleiben kann, ob ein Anordnungsgrund, d.h. die Notwendigkeit einer gerichtlichen Eilentscheidung vorliegt. Allerdings besteht entgegen der Auffassung der Antragstellerin wohl nicht deshalb ein Eilinteresse, weil die Urne nach ihrer Beisetzung in einem anonymen Grab nicht mehr gefunden und deshalb nicht mehr umgebettet werden könnte. Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, die Urnen würden keineswegs in einer solchen Weise bestattet werden. Unter § 13 Nr. 5 der Friedhofs- und Bestattungsgebühren Satzung der Antragsgegnerin sei geregelt, dass Urnenreihengrabstätten für anonyme Beisetzungen eingerichtet würden, wobei die Grabstätten nicht gekennzeichnet seien. Das anonyme Grabfeld sei im Friedhofsprogramm hinterlegt und jede Grabstelle innerhalb des anonymen Grabfeldes sei mit einer Nummer versehen. An der dem Sterbefall zugeteilten Grabstellennummer sei für die Friedhofsbehörde jederzeit erkennbar, wo sich die Urne befinde, sie könne also jederzeit - von der Behörde bzw. auf deren Anweisung vom Bestattungsunternehmer - wiedergefunden und notfalls ausgegraben werden. Zur Illustration hat die Antragsgegnerin eine Kopie aus dem Friedhofsprogramm vorgelegt, auf welchem die jeweiligen Reihen und die Grabstellennummerierungen erkennbar sind. Damit ist sichergestellt, dass die Urne mit der Asche des Vaters der Antragstellerin gegebenenfalls wieder aufgefunden werden kann. |
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| Jedenfalls hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Die Antragsgegnerin ist nicht nach - im vorliegenden Verfahren allein zu prüfenden - öffentlich-rechtlichen Vorschriften gehindert, die Urne mit der Asche des verstorbenen Vaters der Antragstellerin auf ihrem Friedhof in einem anonymen Urnengrab beizusetzen. Insbesondere hat sie es mit Schreiben vom 27.07.2016 an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zu Recht unter Hinweis auf die von der Beigeladenen, der Ehegattin des Verstorbenen getroffene Entscheidung zur Beisetzung der Urne auf dem Friedhof der Antragsgegnerin abgelehnt, dem Verlangen der Antragstellerin zu entsprechen, die Urne nicht auf ihrem Friedhof beizusetzen. |
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| An welchem Ort und in welcher Weise der Verstorbene beigesetzt werden oder ob eine bestimmte Person darüber entscheiden soll, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Willen des Verstorbenen. Fehlt es an jeder Willensäußerung des Verstorbenen, so sind die Angehörigen berechtigt und kraft ihres Totenfürsorgerechts auch verpflichtet, die letzte Ruhestätte des Verstorbenen und die Einzelheiten der Bestattung zu bestimmen und zu regeln. Die „Totenfürsorge“ obliegt gewohnheitsrechtlich in erster Linie den nächsten Familienangehörigen und nicht den Erben. Recht und Pflicht der Totenfürsorge sind kein von dem Verstorbenen ererbtes Recht, sondern ein Ausfluss des familienrechtlichen Verhältnisses, das den Verstorbenen bei Lebzeiten mit den Überlebenden verbunden hat, das über den Tod hinaus fortdauert und gegenüber dem toten Familienmitglied Pietät und Pflege seines Andenkens gebietet (vgl. Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 10. Aufl. 2010, S. 115; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.10.2004 - 1 S 681/04 -, VBlBW 2005, 141; OVG Lüneburg, Beschluss vom 27.09.2004 - 8 ME 227/04 -, NJW 2005, 1067). Ist eine entsprechende Willensbekundung des Verstorbenen nicht bekannt, entscheiden die Angehörigen in der jeweils gesetzlich festgelegten Rangfolge (vgl. Gaedke, a.a.O., S. 120 und 235). |
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| Gemessen hieran ist die Antragsgegnerin an die Entscheidung der Beigeladenen gebunden. Denn diese Entscheidung geht der der Antragstellerin vor. Nach § 31 Abs. 1 S. 1 BestattG müssen für die Bestattung die Angehörigen (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG) sorgen. Für die Reihenfolge der Verpflichtung gilt § 21 Abs. 3 BestattG entsprechend (§ 31 Abs. 1 S. 2 BestattG) mit der Folge, dass eine Bestattungspflicht nur besteht, wenn eine in der Reihenfolge zuvor genannte Person nicht vorhanden oder verhindert ist. Damit ist die Beigeladene als in § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG erstgenannte vorrangig berechtigt, über Art und Ort der Bestattung zu entscheiden. Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf die von ihr veranlasste Feuerbestattung. Die Bestattung kann als Erd-, Feuer- oder Seebestattung vorgenommen werden. Die Art der Bestattung richtet sich nach dem Willen der verstorbenen Person. Ist ein Wille der verstorbenen Person nicht bekannt, bestimmen die Angehörigen (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG) die Bestattungsart. Werden von den Angehörigen Einwendungen gegen die Feuerbestattung erhoben, so ist nur die Erdbestattung zulässig, sofern ein Gericht nichts anderes entscheidet (§ 32 Abs. 1 BestattG). Auf die Frage, ob die Einäscherung des Verstorbenen nach Maßgabe dieser Vorschrift zulässig war, kommt es aber nicht mehr an, da sie bereits am 13.07.2016 durchgeführt wurde. Vielmehr geht es nur noch um die Frage, in welcher Weise und wo die Urne mit der Asche des Verstorbenen beigesetzt werden soll. Auf diese Frage bezieht sich § 32 Abs. 1 S. 4 BestattG, wonach im Falle von Einwendungen gegen die Feuerbestattung grundsätzlich nur die Erdbestattung zulässig ist, nicht. Erdbestattung ist die Bestattung des Verstorbenen in einem Sarg in einer Grabstätte (§ 32 Abs. 2 S. 1 BestattG), aber nicht - wie hier - die Beisetzung einer Urne mit der Asche des Verstorbenen. Im Übrigen soll § 31 Abs. 1 Satz 4 BestattG die Schaffung eines nicht mehr änderbaren Zustandes verhindern und eine vorherige gerichtliche Entscheidung darüber ermöglichen, ob eine - bereits erdbestattete - Leiche nachträglich noch feuerbestattet wird (vgl. Seeger, Bestattungsrecht in Baden-Württemberg, 1. Aufl. 1971, § 32 Rn. 5; Faiß/Ruf, Bestattungsrecht Baden-Württemberg, 1. Aufl. 2012, § 32, zu Abs. 2). Eine vergleichbare Fallkonstellation liegt aber hier nicht vor, da - wie bereits ausgeführt - die Urne auch nach Beisetzung in dem anonymen Urnengrab auf dem Friedhof der Antragsgegnerin auffindbar ist. Auch aus § 32 Abs. 2 S. 2 BestattG folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift umfasst die Feuerbestattung die Einäscherung Verstorbener in einem Sarg und die Beisetzung der Asche. Diese Formulierung soll zwar deutlich machen, dass die Feuerbestattung erst mit der Beisetzung der Urne beendet ist. Dass sie aber gerade deshalb in das Bestattungsgesetz aufgenommen wurde, um in Fällen der vorliegenden Art die Regelung eines Interimszustandes aufgrund der Einwendungen von Angehörigen anzuordnen, kann weder den Gesetzgebungsunterlagen noch der Vorschrift entnommen werden. Hätte der Gesetzgeber entsprechendes beabsichtigt, hätte es einer Regelung bedurft, wie nach der Einäscherung im Falle von Einwendungen mit der Asche des Verstorbenen zu verfahren ist. Mit § 32 Abs. 2 S. 2 BestattG sollte lediglich klargestellt werden, dass die Feuerbestattung erst mit der Beisetzung der Urne beendet ist (Landtagsdrucksache 14/3847, Seite 19). |
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| Findet § 32 Abs. 1 BestattG keine Anwendung mehr, kommt es auch nicht auf die Frage an, ob - wie die Antragstellerin meint - aus dem Umstand, dass diese Vorschrift - anders als § 31 Abs. 1 S. 2 BestattG - nicht auf § 21 Abs. 3 BestattG und die dort geregelte Reihenfolge verweist, der Rückschluss zu ziehen ist, dass die Angehörigen einvernehmlich entscheiden müssen. Allerdings ist davon wohl nicht auszugehen. Auch wenn es in § 32 BestattG nicht geregelt ist, ergibt sich die Reihenfolge der entscheidungsberechtigten Angehörigen wohl aus der entsprechenden Anwendung des § 21 Abs. 3 BestattG (vgl. Faiß/Ruf, a.a.O., § 32, zu Abs. 1). |
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| Soweit die Antragstellerin geltend macht, es lägen Umstände vor, aus denen zu schließen sei, dass ihr Vater keine Beisetzung auf dem Friedhof der Antragsgegnerin beabsichtigt habe, ist sie auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen. Denn Meinungsverschiedenheiten über die Art der Bestattung sind privatrechtlicher Natur und daher vor den ordentlichen Gerichten auszutragen (vgl. Gaedke, S. 120 und 122; Faiß/Ruf, a.a.O., § 32, zu Abs. 1). Die Antragstellerin hat auch nicht glaubhaft gemacht, inzwischen eine Entscheidung eines Zivilgerichts erwirkt zu haben, die einer Beisetzung der Urne auf dem Friedhof der Antragsgegnerin entgegenstünde. Abgesehen davon vermag die Kammer keine Indizien zu erkennen, die auf einen eindeutigen Willen des Verstorbenen hinsichtlich Art und Ort der Bestattung schließen lassen könnten. Dass er - wie die Antragstellerin vorträgt - bis zu seinem Tode die Nutzungsgebühren für ein Familiengrab auf dem Friedhof der Stadt P. gezahlt hat, in dem seine erste Ehefrau und deren Eltern beigesetzt sind und ein weiterer Platz für eine Erdbestattung vorhanden ist, lässt wohl keinen entsprechenden Rückschluss zu. Selbst wenn er zunächst die Absicht gehabt haben mag, ebenfalls in P. beigesetzt zu werden, so ist zu berücksichtigen, dass seit dem Tode seiner ersten Ehefrau 1989 bis zu seinem Tode ca. 27 Jahre vergangen sind und er eine weitere Ehe eingegangen ist, so dass ein Motiv- und Meinungswandel ohne weiteres denkbar erscheint. Zum anderen trägt die Antragstellerin vor, ihr Vater habe nicht nur Nutzungsgebühren für das Familiengrab in P. bezahlt, sondern es sei außerdem die Ruhezeit für das Familiengrab in F., in dem seine Eltern beigesetzt worden seien, noch nicht abgelaufen. Mit Schreiben vom 19.07.2016 forderte sie die Antragsgegnerin zur Umbettung des Verstorbenen in das vorhandene Familiengrab in F. auf. Damit ist auch nach dem Vorbringen der Antragstellerin offen, wo ihr Vater beigesetzt werden wollte. |
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| Die Antragstellerin hat auch keine Umstände vorgetragen, die als eindeutige Hinweise auf einen Willen des Verstorbenen hinsichtlich der Art der Bestattung verstanden werden könnten. Allein der Umstand, dass Grabstätten in P. und F. vorhanden sind, ist schon deshalb kein eindeutiger Hinweis darauf, dass der Verstorbene erdbestattet werden wollte, weil die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht hat, dass in den Grabstätten nur eine Erdbestattung möglich ist. Soweit sie darauf verweist, Freunde und Bekannte ihres Vaters könnten sich unter keinen Umständen vorstellen, dass er verbrannt und in einem anonymen „Massengrab“ in B. bestattet werden wolle, und sie sei davon überzeugt, dass er eine normale Erdbestattung in einem Friedhofsgrab gewollt habe, an dem sich seine Angehörigen und Freunde auch an ihn erinnern und dort trauern könnten, handelt es sich lediglich um Vermutungen. |
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| Auf die Frage, welche Bedeutung der von der Beigeladenen vorgelegten Erklärung der weiteren Tochter des Verstorbenen (…) vom 22.07.2016 beizumessen ist, wonach ihr Vater im letzten Jahr ihr gegenüber ausdrücklich bekundet habe, er wünsche eine anonyme Feuerbestattung in B., und ob die von der Antragstellerin vorgetragenen Einwände hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit ihrer Schwester und der Authentizität sowie Glaubhaftigkeit der Erklärung durchgreifen, kann damit wohl offen bleiben. |
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| Soweit die Antragstellerin Zweifel dahingehend äußert, ob ihr Vater eines natürlichen Todes gestorben ist, ob eine ordnungsgemäße Leichenschau im Sinne von § 7 Abs. 1 BestattVO durchgeführt wurde und ob die Voraussetzungen für die Erlaubnis zur Feuerbestattung nach § 16 BestattVO vorgelegen haben, hat dies für die Frage, ob und in welcher Weise die Urne mit der Asche des Verstorbenen auf dem Friedhof der Antragsgegnerin beigesetzt werden darf, keine Bedeutung (mehr). Die Antragstellerin geht auch zu Unrecht davon aus, dass sich hinsichtlich der Frage, ob die Beisetzung der Urne mit der Asche des Verstorbenen auf dem Friedhof der Antragsgegnerin zulässig ist, Einschränkungen aus § 33 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1 BestattG ergeben. Denn die Vorschrift des § 33 Abs. 1 S. 2 BestattG, die für die Beisetzung von Aschen Verstorbener entsprechend gilt (§ 33 Abs. 3 S. 1 BestattG), regelt den Fall, dass eine (Erd-)Bestattung nicht - wie dies nach § 33 Abs. 1 S. 1 BestattG grundsätzlich vorgeschrieben ist - auf einem Bestattungsplatz, sondern an einem anderen Ort zugelassen werden soll. Die Möglichkeit, außerhalb von Bestattungsplätzen zu bestatten, wurde zugelassen, weil hierfür in besonderen Fällen ein Bedürfnis bestehen kann, z.B. bei der Bestattung eines hohen kirchlichen Würdenträgers in einer Kirche. Eine Ausnahmegenehmigung ist auch erforderlich, wenn in Grüften und Grabgebäuden außerhalb von Bestattungsplätzen bestattet werden soll (vgl. Faiß/Ruf, a.a.O., § 33 zu Abs. 1). Aus § 33 BestattG ergeben sich mithin hinsichtlich des jedem Menschen zustehenden Rechts, Anordnungen über den Ort der Bestattung zu treffen (vgl. Gaedke, a.a.O., Seite 119), d. h. einen Bestattungsplatz auszuwählen, keine Einschränkungen. |
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| Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen § 26 Abs. 2 BestattVO vor. Nach dieser Vorschrift ist für jede Urne eine Einzelbeisetzungsstelle zur Verfügung zu stellen. Werden Aschen mehrerer Verstorbener in einer gemeinsamen Urnenstätte beigesetzt, so muss der Träger des Bestattungsplatzes Vorsorge treffen, dass die Asche einer verstorbenen Person jederzeit aufgefunden werden kann. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin soll die Urne mit der Asche des Vaters der Antragstellerin wohl nicht in einer gemeinsamen Urnenstätte beigesetzt werden. Jedenfalls hat die Antragsgegnerin aber Vorsorge dafür getroffen, dass die Urne jederzeit wieder aufgefunden werden kann. |
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