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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der Bescheid der Beklagten vom 12.03.2002 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 15.08.2002 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung gemäß ihrem Bauantrag vom 24.04.2001 für die Errichtung einer Plakatanschlagtafel auf dem Grundstück FlSt.-Nr. in Offenburg, X - Straße, zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO).
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Für die nach den §§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 1 LBO i.V.m. Nr. 55 des Anhangs zu § 50 LBO baugenehmigungspflichtige Errichtung der Werbeanlage ist die beantragte Baugenehmigung gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Dies ist vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten der Fall, da das Bauvorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist (nachfolgend Ziff. 1) und die Beklagte sich auch nicht auf die einschlägigen Vorschriften der Werbeanlagensatzung berufen kann (nachfolgend Ziff. 2).
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1. Bauplanungsrechtliche Vorschriften stehen dem Vorhaben nicht entgegen. Da für das Grundstück, auf dem das Vorhaben errichtet werden soll, lediglich ein einfacher Bebauungsplan i.S.v. § 30 Abs. 3 BauGB besteht, der lediglich Straßen- und Baufluchten festsetzt und damit die Voraussetzungen eines qualifizierten Bebauungsplans nach § 30 Abs. 1 BauGB nicht erfüllt, richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB.
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Nach der Art der baulichen Nutzung fügt sich die geplante Werbetafel in die vorgefundene, jedenfalls auch durch gewerbliche Anlagen geprägte Eigenart der näheren Umgebung ein. Die nähere Umgebung muss insoweit berücksichtigt werden, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und soweit die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - IV C 9.77 -, BVerwGE 55, 369, 380). Hierbei kommt es nicht nur auf den Bereich an, von dem aus die Anlage einsehbar ist. Dieser Betrachtungsweise läge ein baugestalterischer Ansatz zugrunde, der bei der Frage der verunstaltenden Wirkung einer Werbeanlage maßgeblich wäre. Für die Bestimmung des nach § 34 BauGB maßgeblichen Bereichs muss dagegen eine bodenrechtliche Beurteilung Platz greifen, die darauf abstellt, ob verschiedene Bodennutzungen in einem engen räumlichen Zusammenhang miteinander verträglich sind oder nicht (BVerwG, Urteil vom 15.12.1994 - 4 C 19/93 -, NVwZ 1995, 897, 898). Dabei kann eine Straße trennende oder verbindende Funktion haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann hierbei nicht allein auf den optischen Eindruck abgestellt werden, wenn die Bebauung diesseits und jenseits der Straße jeweils unterschiedliche Nutzungen aufweist (BVerwG, Urteil vom 06.07.1984 - 4 C 28/83 -, NJW 1985, 1569).
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Im vorliegenden Fall ist auf die Bebauung auf beiden Seiten der X - Straße abzustellen. Denn auf beiden Straßenseiten befinden sich Gebäude, die maßgeblich auch von einer anderen Nutzung als der reinen Wohnnutzung geprägt werden.
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§ 34 Abs. 2 BauGB ist diesbezüglich nicht anwendbar, da die Eigenart der näheren Umgebung des geplanten Standortes der Werbeanlage keinem in der Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung - BauNVO -) bezeichneten Baugebiete entspricht. Neben überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden befinden sich in der unmittelbaren Umgebung des in Augenschein genommenen Vorhabens insbesondere die Gebäude des Gerichts Offenburg, die den geplanten Standort der Werbeanlage entscheidend prägen. Es liegt damit auch faktisch kein allgemeines Wohngebiet i.S.d. § 4 BauNVO, sondern eine Mischbebauung vor, denn es handelt sich bei dem Gericht nicht mehr um Anlagen der Verwaltung i.S.v. § 4 Abs. 3 Satz 3 BauNVO, die ausnahmsweise in einem allgemeinen Wohngebiet zugelassen werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Auslegung des § 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO das Kriterium der Gebietsverträglichkeit maßgebend (BVerwG, Urteil vom 21.03.2002 – 4 C 1/02 -, BVerwGE 116, 155). Die Gebietsunverträglichkeit beurteilt sich für § 4 BauNVO in erster Linie nach dem Kriterium der gebietsunüblichen Störung. Dies bringt § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO mit der regelhaften Zulässigkeit nur der nicht störenden Handwerksbetriebe und § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO mit der Einschränkung auf sonstige nicht störende Gewerbebetriebe sehr deutlich zum Ausdruck. Der "störende" Gewerbebetrieb erzeugt eine Gebietsunverträglichkeit, es sei denn, die Störung sei im Rahmen einer gebietsbezogenen Versorgung nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO hinzunehmen.
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Gemessen daran können die Gebäude des Gerichts nicht mehr als Anlagen der Verwaltung im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO angesehen werden. Denn angesichts der Größe der Gebäude, der Anzahl der bei den Gerichten beschäftigen Personen und insbesondere dem bei einem Gericht (mit ihren zahlreichen Sitzungen) erheblichen Publikumsverkehr gehen von diesen Gebäuden Störungen aus, die mit der in einem allgemeinen Wohngebiet erstrebten gebietsbezogenen Wohnruhe nicht vereinbar sind. Dieses "Ruhebedürfnis" soll - mit Ausnahme der verbrauchernahen Versorgung (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) - grundsätzlich nicht in Frage gestellt werden. Das dem Wohngebiet immanente "Ruhebedürfnis" ist nicht gleichbedeutend mit einer immissionsschutzrechtlich relevanten Lärmsituation. Es handelt sich um die Vermeidung als atypisch angesehener Nutzungen, die den Charakter einer kollektiven Wohngemeinschaft im Sinne des Gebietscharakters stören. Die Gebäude des Gerichts haben insoweit einen prägenden Einfluss auf die andere Seite der X - Straße, als sich dort in der weit überwiegenden Mehrzahl der ansonsten durch Wohnnutzung geprägten Gebäude jeweils im Erdgeschoss Restaurants und Betriebe (zwei Gaststätten, ein Versicherungsvertreter, das Büro eines Steuerbevollmächtigten, ein Keramikladen und ein Goldschmiedemeister sowie zwei derzeit leerstehende Ladenlokale) mit gewerblicher Nutzungen angesiedelt haben, die auf den Publikumsverkehr angewiesen sind, den das Gericht anzieht. Auch diese vertikale Gliederung (im Erdgeschoss gewerbliche Nutzung und in den Obergeschossen Wohnnutzung) spricht gegen das Vorliegen eines allgemeinen Wohngebietes.
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In diese Eigenart der näheren Umgebung fügt sich die Werbeanlage nicht nur nach der Art, sondern auch nach dem Maß der baulichen Nutzung ein.
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2. Die Bestimmungen der §§ 2 und 4 Abs. 1 WAS stehen dem Vorhaben nicht entgegen. Diese Bestimmungen der Werbeanlagensatzung der Beklagten sind nichtig.
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Unter der Überschrift „Zulässigkeit von Werbeanlagen in Wohngebieten und Dorfgebieten“ sieht zunächst § 2 Abs. 1 WAS vor, dass in den durch Bebauungsplan festgesetzten Kleinsiedlungsgebieten (WS), Reinen Wohngebieten (WR), Allgemeinen Wohngebieten (WA), besonderen Wohngebieten (WB), Dorfgebieten (MD) Mischgebieten (MI) und Kerngebieten (MK) nur Werbeanlagen an der Stätte der Leistung gemäß § 3 sowie für Anschläge bestimmte Werbeanlagen gemäß § 4 zulässig sind. Diese können auch Werbung für andere Hersteller und Zulieferer mit anderen Betriebsstätten enthalten (gemischte Werbeanlagen), wenn sie einheitlich gestaltet sind und die Werbung für den genannten Hersteller oder Zulieferer nicht störend hervortritt. Gemäß § 2 Abs. 2 WAS sind die Bestimmungen entsprechend der vorhandenen Bebauung sinngemäß anzuwenden, soweit Baugebiete entsprechend der Baunutzungsverordnung nicht festgesetzt sind. Unter der Überschrift „Für Anschläge bestimmte Werbeanlagen, Großbildwände und Sammelhinweise“ sieht § 4 Abs. 1 dann vor, dass Werbeanlagen, die für Anschläge bestimmt sind, in den Gebieten nach § 2 und im Bereich der in der Übersichtskarte als wesentlicher Bestandteil der Satzung dargestellten Stadteinfahrten und Hauptdurchfahrten nur als Säulen und an Buswartehäuschen in Schaukästen zulässig sind.
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Diese Bestimmungen sind unwirksam, weil sie nicht den Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit geringen und auch materiell-rechtlich durchgreifenden Bedenken begegnen.
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Die Satzungsregelung in § Abs. 1 WAS ist zunächst hinsichtlich der räumlichen Abgrenzung ihres Geltungsbereichs nicht hinreichend bestimmt. Aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG sowie aus der Rechtsnatur und dem Sinn und Zweck von Bebauungsplänen und örtlichen Bauvorschriften ergibt sich das Gebot hinreichender Klarheit und Bestimmtheit. Diese bestimmen den Inhalt des Grundeigentums sowohl für die unmittelbar von den Festsetzungen und Vorschriften betroffenen Flächen als auch mittelbar für die benachbarten Grundflächen. Der Bebauungsplan und örtliche Bauvorschriften bilden die Grundlage für Vollzugmaßnahmen, die auch Eingriffscharakter haben können. Aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist es daher notwendig, dass sich Inhalt, Umfang und räumliche Reichweite der örtlichen Bauvorschriften eindeutig feststellen und erkennen lassen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.06.2003 – 3 S 2533/02 – m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. In § 4 Abs. 1 WAS werden hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs die Gebiete nach § 2 und die in der Übersichtskarte dargestellten Stadteinfahrten und Hauptdurchfahrten genannt. Ein hinreichend bestimmbarer Geltungsbereich ist daraus nicht ableitbar. Deshalb verweist die Satzung auch auf einen Plan, der aber auch keine Klarheit bringt, weil auf ihm lediglich die Stadteinfahrten und Hauptdurchfahrten, nicht aber der räumliche Geltungsbereich des Verbots eingezeichnet sind. Es bleibt insbesondere unklar, bis zu welcher Tiefe der an den betroffenen Straßen gelegenen Grundstücke das Verbot gelten soll, ob es z.B. bereits für die Anwendung der Vorschrift ausreichen soll, dass die Werbeanlage von einer im Plan markierten Straße aus nur einsehbar ist. Gerade bei Werbeanlagen, die nur geringen Raum einnehmen und in vielfältiger Weise aufgestellt oder angebracht werden können, spielt die räumliche Abgrenzung des Geltungsbereichs eines Verbotes eine bedeutende Rolle.
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Die Vorschriften der §§ 2 und 4 Abs. 1 WAS sind auch in materiell-rechtlicher Hinsicht unwirksam. Zwar können die Gemeinden zur Durchführung baugestalterischer Absichten, zur Erhaltung schützenswerter Bauteile, zum Schutz bestimmter Bauten, Straßen, Plätze oder Ortsteile von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung sowie zum Schutz von Kultur- und Naturdenkmalen im Rahmen dieses Gesetzes in bestimmten bebauten oder unbebauten Teilen des Gemeindegebietes durch Satzung örtliche Bauvorschriften erlassen über Anforderungen an Werbeanlagen und Automaten; dabei können sich die Vorschriften auch auf deren Art, Farbe, Größe und Anbringungsort sowie auf den Ausschluss bestimmter Werbeanlagen und Automaten beziehen (§ 74 Abs. 1 Nr. 2 LBO). Diese Vorschrift ermächtigt die Gemeinden zum Erlass von Bauvorschriften, die der Durchsetzung „positiver“, d.h. über die bloße Abwehr von Verunstaltungen hinausgehender gestalterischer Vorstellung dienen.
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§ 4 Abs. 1 WAS ist von dieser Ermächtigungsregelung nicht gedeckt. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den Stadteinfahrten und Hauptdurchfahrten um Straßen von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung handeln würde, zu deren Schutz die Regelung in § 4 Abs. 1 WAS erlassen worden ist, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Die in der Begründung zu § 4 Abs. 1 WAS angeführte Erwägung, die Stadteinfahrten und Hauptdurchfahrten seien die „Visitenkarte“ einer Stadt, die den Eindruck der Besucher prägen und zu deren positiven Gestaltung die Beklagte erhebliche Anstrengungen unternommen habe, ist zu allgemein und deshalb zur Begründung eines städtebaulichen Konzepts nicht geeignet. Sie könnte auf nahezu alle Ausfallstraßen jeder Stadt zutreffen. Städtebauliche Besonderheiten in einer bestimmten Straße werden dadurch nicht angesprochen. Diese Erwägungen können daher eine besondere städtebauliche Bedeutung aller Stadteinfahrten und Hauptdurchfahrten nicht begründen. Auch das von der Beklagten angesprochene Konzept und die in der Ausführung in bestimmten Bereichen getroffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Gestaltung einzelner Straßen können die Bestimmung in § 4 Abs. 1 WAS, die keinerlei Differenzierung vorsieht, nicht rechtfertigen.
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Außerdem ist zweifelhaft, ob § 74 Abs. 1 die Gemeinde ermächtigt, Bauvorschriften zu erlassen, die sich - wie hier – auf das gesamte Gemeindegebiet beziehen. Schließlich spricht die Norm von Vorschriften, die sich auf bestimmte bebaute oder unbebaute Teile des Gemeindegebiets beziehen.
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§§ 2 und 4 Abs. 1 WAS verstoßen schließlich gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehören baugestalterische Regelungen über die Benutzung bebauter oder unbebauter Grundstücke zum Zwecke der Werbung zu den Vorschriften, durch welche Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt werden. Inhaltsbestimmung und Beschränkungen des Eigentums sind nach dieser grundrechtlichen Vorschrift aber nur gerechtfertigt, wenn und soweit sie von dem geregelten Sachbereich her geboten und in ihrer Ausgestaltung selbst sachgerecht sind. Dabei sind die grundlegende Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten eines sozialgebundenen Privateigentums und das daraus ableitbare Gebot an die rechtsetzende Gewalt zu berücksichtigen, bei der Bestimmung des Eigentumsinhalts die Belange der Gemeinschaft und die privaten Interessen des einzelnen in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen (BVerwG, Urteil vom 28.04.1972 - IV C 11.69 -, BVerwGE 40, 94 m.w.N., vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 24.02.2003 - 8 S 406/03 -, VENSA). Ausgehend von diesem Verständnis des Art 14 GG hat das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Abwägung der Belange der Gemeinschaft mit den privaten Interessen des einzelnen - besonders den privaten Interessen der auf Werbung angewiesenen Gewerbetreibenden - stets anerkannt, dass das baugestalterische Ziel, eine Beeinträchtigung des vorhandenen oder durch Planung erstrebten Charakters eines Baugebiets durch funktionswidrige Anlagen zu verhindern, ein "beachtenswertes öffentliches Anliegen" ist. Demgemäß sind generalisierende Regelungen, welche die Zulässigkeit von Werbeanlagen überhaupt oder die Zulässigkeit bestimmter Werbeanlagen von der Art des Baugebietes abhängig machen, wiederholt als vertretbar angesehen worden. Insbesondere ist die generalisierende Regelung für rechtmäßig erachtet worden, durch die z.B. in Dorfgebieten, Kleinsiedlungsgebieten und allgemeinen Wohngebieten nur für Zettelanschläge und Bogenanschläge bestimmte Werbeanlagen sowie Werbeanlagen an der Stätte der Leistung zugelassen, andere Werbeanlagen jedoch ausgeschlossen waren. Dabei war die Einsicht maßgebend, dass Werbeanlagen, die etwa in einem Gewerbegebiet oder Industriegebiet als angemessen empfunden werden und dort deshalb nicht generell untersagt werden dürfen, in anderen Baugebieten im Hinblick auf deren unterschiedliche städtebauliche Funktion und auf die sich daraus ergebende anders geartete Eigentumssituation einen störenden Eingriff bedeuten können (BVerwG, Urteile vom 22.02.1980 - IV C 44.76 -, DÖV 1980, 521 und vom 28.04.1972, a.a.O. jeweils m.w.N.). An planungsrechtlich unterschiedlichen Nutzungsweisen der Bauflächen darf eine baugestalterische Regelung über Anforderungen an Werbeanlagen nicht schlechthin vorbeigehen. Das generalisierende Verbot bestimmter Werbeanlagen in bestimmten Baugebieten muss seine Entsprechung in einem Mindestmaß an Einheitlichkeit des Baugebietscharakters finden. Fehlt es, wie z.B. bezogen auf Kerngebiete, an einer einheitlichen Funktion und damit auch an einer einheitlichen Eigentumssituation der Bauflächen, so lässt sich unter dem Gesichtspunkt besonderer gestalterischer Anforderungen keine einheitliche Beantwortung der Frage erreichen, ob sich eine bestimmte Werbeanlage ihrer Umgebung funktionsgerecht anpasst. Unter solchen Umständen ist eine einheitliche, ein generelles Verbot bestimmter Werbeanlagen umfassende Regelung nicht sachgerecht und deshalb nicht mit den Grenzen vereinbar, die Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG für die Bestimmung und Beschränkung des Eigentums setzt (BVerwG, Urteile vom 16.3.1995 - 4 C 3.94 -, NVwZ 1995, 899 und vom 28.04.1972, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.06.2003 – 3 S 2533/02 -; sowie OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 06.02.1992 - 11 A 2232/89 -, NVwZ 1993, 87).
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Diesen Anforderungen genügt die Regelung in § 4 Abs. 1 WAS nicht. In dieser Regelung hat die Beklagte das generalisierende Verbot von Produktwerbung nicht von einer bestimmten (Nutzungs-)Art eines Baugebiets abhängig gemacht. Vielmehr hat sie in dieser Regelung verschiedene Bereiche (Stadteinfahrten und Hauptdurchfahrten) genannt ohne Rücksicht auf die planungsrechtlich bestimmte oder tatsächlich vorhandene bauliche Nutzung dieser Bereiche. Die genannten Bereiche werden nicht einheitlich genutzt, vielmehr sind unterschiedliche Baugebiete vorhanden, ohne dass die Satzung diesen unterschiedliche Gebietsarten Rechnung tragen würde. In der Begründung zu § 4 Abs. 1 WAS führt die Beklagte vielmehr aus, dass § 4 Abs. 1 WAS keine Rücksicht auf verschiedene Gebietskategorien innerhalb einer Straße (und damit auf die tatsächlich vorhandene unterschiedliche Nutzung dieser Bereiche) nimmt. Die Stadteinfahrten und Hauptdurchfahrten führen auch durch oder entlang von Misch-, Gewerbe- und Industriegebieten, in denen Produktwerbung nicht unangemessen ist und dort nicht generell ausgeschlossen werden darf. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn das Abstellen auf die Stadteinfahrten und Hauptdurchfahrten eine tragfähige Differenzierung darstellen würde (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 16.03.1995 - 4 C 3.94 -, NVwZ 1995, 899, wo hinsichtlich eines Ausschlusses in Kerngebieten auf den Schutz bestimmter Bauten, Straßen, Plätze oder Ortsteile von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung sowie von Bau- oder Naturdenkmälern abgestellt worden ist). Dies ist nicht der Fall. Wie bereits oben ausgeführt, weisen die Stadteinfahrten und Hauptdurchfahrten in geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Hinsicht keinerlei Besonderheiten auf.
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Auch § 2 WAS genügt den oben dargelegten Anforderungen insoweit nicht, als die Bestimmung sich auch auf Mischgebiete bezieht. Eine Gestaltungssatzung ist nur wirksam, wenn mit ihr eine gebietsspezifische gestalterische Absicht verfolgt wird, die dem Geltungsbereich der Satzung ein besonderes Gepräge gibt. Die Beklagte hat die Fremdwerbung jedoch nicht nach den örtlichen Gegebenheiten zum Schutz bestimmter Bauten, Straßen, Plätze oder Ortsteile von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung sowie von Bau- oder Naturdenkmälern, sondern generell ausgeschlossen. Eine einheitliche, ein generelles Verbot bestimmter Werbeanlagen umfassende baugestalterische Regelung, die ohne Rücksicht auf eine durch gewerbliche Nutzung geprägte tatsächliche Bebauung in einem Mischgebiet erfolgt ist, ist aber mit Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar (BVerwG, Urteil vom 29.04.1972 - IV C 11.69 -, BVerwGE 40, 94). Als maßgebend hierfür hat das Bundesverwaltungsgericht die Einsicht bezeichnet, dass Werbeanlagen, die in einem gewerblich geprägten Baugebiet als angemessen empfunden und deshalb nicht generell untersagt werden können.
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Auch der Umstand, dass nach §§ 12 Abs. 5 WAS und 56 Abs. 5 LBO Ausnahmen und Befreiungen möglich sind, führt nicht zu der Rechtmäßigkeit der Satzung. Denn die Regelungen in §§ 2, 4 Abs. 1 WAS führen dazu, dass in den durch die Werbeanlagensatzung festgelegten Bereichen jede Fremdwerbung, die nicht als Säule oder Anschlagtafel an einem Buswartehäuschen gestaltet ist, einer Ausnahme oder Befreiung bedürfte. Dies ist unverhältnismäßig, weil damit nicht lediglich in seltenen oder atypischen Fällen, sondern regelmäßig bei Unternehmen der Werbebranche eine Ausnahme erforderlich wäre, weil das Standardwerbeformat nicht zulässig ist (vgl. dazu VG Gera, Urteil vom 15.08.1996 - 4 K 159/96.GE -, NVwZ 1997, 623).
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