Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 20. Feb. 2015 - 10 L 3022/14.A
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Der Beschluss soll der Ausländerbehörde der Stadt P. per Telefax bekanntgegeben werden.
1
Gründe:
2Der am 10. Dezember 2014 gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage (10 K 8285/14.A) gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. November 2014 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, insbesondere nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG fristgerecht gestellt, aber unbegründet.
5Bei seiner Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO entscheidet das Gericht aufgrund einer Interessenabwägung zwischen dem Vollzugsinteresse der Behörde und dem Suspensivinteresse des Antragstellers, wobei das erstere regelmäßig überwiegt, wenn der eingelegte Rechtsbehelf wegen Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, und das letztere regelmäßig überwiegt, wenn der Rechtsbehelf wegen Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat.
6Die Abschiebungsanordnung in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 14. November 2014 ist offensichtlich rechtmäßig.
7Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
8Das Bundesamt hat die Asylanträge der Antragstellerinnen zu Recht gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzung liegt vor. Da die Antragstellerinnen ihre Asylanträge am 29. Juli 2014 und damit nach dem 1. Januar 2014 gestellt haben, richtet sich die Bestimmung des zuständigen Staates nach der Dublin-III-Verordnung, vgl. Art. 49 Abs. 2 Dublin-III-VO. Danach ist für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragstellerinnen nicht die Antragsgegnerin, sondern die Republik Polen zuständig. Denn am 22. September 2014 richtete das Bundesamt ein Übernahmeersuchen an Polen, woraufhin die polnische Behörde am 24. September 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin-III-VO erklärte.
9Diese Zuständigkeit ist nicht nach Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen. Nach dieser Vorschrift ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der neue Antrag gestellt wurde, wenn das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Absatz 2 festgesetzten Frist erfolgt. Die in Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO festgesetzte Frist für die Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs beträgt zwei Monate nach der Eurodac-Treffermeldung im Sinne von Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 (Eurodac-Verordnung). Diese Frist hat das Bundesamt eingehalten: Die Eurodac-Treffermeldung lag am 30. Juli 2014 vor (vgl. Bl. 43 bis 46 des Verwaltungsvorgangs), das Wiederaufnahmeersuchen wurde spätestens am 24. September 2014 – wenn man zugrundelegt, dass an diesem Tag das undatierte Wiederaufnahmeersuchen von der polnischen Behörde beantwortet wurde – und damit vor Ablauf von zwei Monaten gestellt. Es mag sein, dass – wie die Antragstellerinnen zutreffend bemerken – nach Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO das Wiederaufnahmegesuch vor dem Hintergrund des Beschleunigungsgebotes so bald wie möglich zu stellen ist. Die von Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-VO in Bezug genommene Frist beträgt aber zwei Monate und wurde gewahrt.
10Ebenso VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. August 2014 – 13 L 1645/14.A –, juris Rdnr. 16; VG Aachen, Beschluss vom 6. Juni 2014 – 7 L 322/14.A –, juris Rdnr. 11, m. w. N. aus der Rspr.
11Die Antragsgegnerin ist auch nicht für die Durchführung des Asylverfahrens nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO durch Ausübung des Selbsteintrittsrechts zuständig geworden. Nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO kann jeder Mitgliedsstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Diese in das Ermessen des Mitgliedsstaats gestellte Entscheidung setzt ein Verhalten des Mitgliedstaates voraus, das zweifelsfrei den Entschluss des Mitgliedstaates verdeutlicht, das Asylverfahren abweichend vom Regelfallsystem des Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO in eigener Verantwortung durchzuführen.
12Vgl. zur Dublin-II-VO: Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. März 2010 – 15 ZB 10.30005 –, juris Rdnr. 3.
13Bestimmte Förmlichkeiten werden dazu von der Dublin-III-Verordnung nicht vorgegeben. Maßgeblich kann daher nur sein, dass die zuständige Stelle (in der Bundesrepublik das Bundesamt) ihre Entschließung in irgendeiner verlässlichen Art und Weise nach außen erkennbar werden lässt.
14Vgl. Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, November 2013, § 27a Rdnr. 177.
15Gemessen daran hat die Antragsgegnerin ihr Selbsteintrittsrecht nicht ausgeübt. Sie hat an keiner Stelle des Verwaltungsverfahrens ausdrücklich erklärt, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Ob im Einzelfall auch eine „konkludente“ Ausübung des Selbsteintrittsrechts denkbar sein mag, kann dahinstehen.
16Dies bejahend: Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. März 2010 – 15 ZB 10.30005 –, juris Rdnr. 4; Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, November 2013, § 27a Rdnr. 177.
17Denn eine solche „konkludente“ Ausübung müsste ebenso zweifelsfrei den Willen des Mitgliedsstaates erkennen lassen, das Asylverfahren entgegen der Zuständigkeitsverteilung nach der Dublin-III-VO in eigener Zuständigkeit durchzuführen.
18Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. März 2010 – 15 ZB 10.30005 –, juris Rdnr. 4; VG Minden, Beschluss vom 23. Januar 2015 – 10 L 1013/14.A –, juris Rdnr. 48; VG Ansbach, Urteil vom 5. November 2009 - AN 5 K 09.30201 - juris Rdnr. 17 und 18;
19Daran fehlt es aber vorliegend. Allein in der durch das Bundesamt am 19. August 2014 durchgeführten Anhörung nach § 25 AsylVfG zu den Asylgründen der Antragstellerin zu 1) hat das Bundesamt nicht zweifelsfrei zu erkennen gegeben, dass es das Selbsteintrittsrecht wahrnehmen wolle.
20Vgl. auch VG Minden, Beschluss vom 23. Januar 2015 – 10 L 1013/14.A –, juris Rdnr. 48; VG Hamburg, Beschluss vom 2. März 2010 – 15 AE 44/10 –, juris; VG Münster, Beschluss vom 4. März 2009 – 9 L 77/09.A –, juris Rdnr. 15; a. A. (allerdings auch bei einem etwas anderen Sachverhalt): VG Hamburg, Beschluss vom 20. August – 8 AE 356/08 –, juris Rdnr. 3 f.
21Daran ändert nichts, dass das Bundesamt vor der Anhörung nach § 25 AsylVfG am 19. August 2014 bereits am 29. Juli 2014 das „persönliche Gespräch“ im Sinne des Art. 5 Dublin-III-VO zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates durchgeführt hatte. Zwar wäre die Einleitung eines Dublin-Verfahrens schon nach diesem persönlichen Gespräch und dem am 30. Juli 2014 erhaltenen Eurodac-Treffer ohne Weiteres möglich gewesen. Davon ausgehend kann aber nicht im Umkehrschluss aus dem Umstand, dass das Bundesamt dies zunächst unterlassen und stattdessen die Anhörung zu den materiellen Asylgründen der Antragstellerin zu 1) durchgeführt hat, darauf geschlossen werden, dass die Antragsgegnerin damit von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen wollte.
22Zunächst verhält sich Art. 5 Dublin-III-VO nicht zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO. Vielmehr lässt die Vorschrift das Selbsteintrittsrecht gerade unberührt, weil das persönliche Gespräch nach Art. 5 Dublin-III-VO nur dazu dient, das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu erleichtern. Hingegen zeichnet das Selbsteintrittsrecht gerade aus, dass es unabhängig davon ausgeübt wird, welcher Staat nach der Dublin-III-VO rechtlich zuständig wäre, und stattdessen politischen, humanitären oder praktischen Erwägungen im Einzelfall folgt.
23Vor diesem Hintergrund kann im vorliegenden Fall die weitere Anhörung der Antragstellerin zu 1) auch dadurch motiviert gewesen sein, eine breitere Entscheidungsgrundlage für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts zu erlangen, eine solche Entscheidung also nur vorzubereiten. Angesichts dessen, dass sich die Antragstellerin zu 1) in ihrem Asylantrag mit anwaltlichem Schriftsatz vom 3. Juli 2014 unter anderem auch darauf berufen hat, in Polen keine staatliche Unterstützung erhalten zu haben und bedroht worden zu sein, mithin systemische Mängel bei der Unterbringung in Polen beständen, kann die weitere Anhörung der Antragstellerin zu 1) am 19. August 2014 auch dazu gedient haben, nähere Informationen von ihren persönlichen Erlebnissen in Polen zu erhalten und auf dieser Grundlage die Ausübung des Selbsteintrittsrechts näher prüfen zu können. Dementsprechend bezog sich die Befragung auch im Wesentlichen darauf, warum die Antragstellerinnen nicht in Polen bleiben könnten. Dass die Antragstellerin zu 1) daneben auch dazu befragt wurde, warum sie nicht in ihre Heimat Russland zurückkehren könne, ändert nichts daran, dass allein anhand der Befragung die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nicht zweifelsfrei abgeleitet werden kann. Der anhörende Mitarbeiter hat nämlich auch nicht gegenüber der Antragstellerin zu 1) erklärt, dass ihr Asylbegehren inhaltlich-sachlich in der Bundesrepublik geprüft werde, sondern allein, dass sie zu ihrem Verfolgungsschicksal und den Gründen für ihren Asylantrag angehört werde. Im Übrigen kann die Anhörung nach § 25 AsylVfG vorliegend auch nur deshalb erfolgt sein, weil das Bundesamt bereits am 29. Juli 2014 im direkten Anschluss an die Asylantragstellung irrtümlich verfrüht diesen Termin festgelegt hatte. All dies zeigt, dass die Durchführung der Anhörung nach § 25 AsylVfG jedenfalls nicht ausschließlich und damit zweifelsfrei dahin verstanden werden kann, die Antragsgegnerin habe von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen wollen, sondern auch andere mögliche Erklärungen denkbar sind.
24Etwas anderes können die Antragstellerinnen auch nicht aus den von ihnen zitierten Entscheidungen herleiten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 3. März 2010 – 15 ZB 10.30005 – vielmehr betont, dass es von den – soeben gewürdigten – Umständen des Einzelfalls abhänge, ob eine Anhörung des Asylbewerbers zu den Gründen der Verfolgungsfurcht hinreichend zweifelsfrei die Ausübung des Selbsteintrittsrechts zum Ausdruck bringe. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat sich in seinem Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 – zu der hier erheblichen Frage nicht geäußert, sondern in dem anderen Zusammenhang eines verspätet gestellten Übernahmeersuchens lediglich ohne weitere Begründung angedeutet, dass in dem Beginn einer sachlichen Prüfung – ungeachtet dessen, ob dieser hier überhaupt schon angenommen werden kann – durch das Bundesamt die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gesehen werden könnte.
25Schließlich war die Antragsgegnerin auch nicht verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, weil in Polen systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende bestünden. Denn solche bestehen in Polen nicht.
26Vgl. dazu ausführlich mit weiteren Nachweisen: Beschluss des Einzelrichters vom 15. Januar 2015 – 10 L 2636/14.A –.
27Die Abschiebung kann auch durchgeführt werden, § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Insbesondere stehen vom Bundesamt in diesem Rahmen zu prüfende inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe,
28vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris,
29mit Blick auf die gesundheitliche Verfassung der Antragstellerin 2) einer Abschiebung nicht entgegen.
30Ein inlandsbezogenes Ausreisehindernis in Form von Reiseunfähigkeit liegt nur vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers unmittelbar durch die Ausreise bzw. Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon voraussichtlich wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtern wird.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 2007 – 19 B 352/07 –, juris Rdnr. 5.
32Eine derartige Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 2) ist nicht belegt. In der Antragsschrift vom 10. Dezember 2014 haben die Antragstellerinnen lediglich behauptet, dass die Antragstellerin zu 2) „wohl“ vom 1. bis 3. Dezember 2014 stationär in P. behandelt worden sei, da sie seit zwei Monaten keine Nahrung mehr zu sich nehme, sondern nur trinke. Eine fundierte ärztliche Aussage zur Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2) liegt jedoch nicht vor. Aus den vorgelegten Attesten des Kinder- und Jugendarztes S. C. vom 9. Dezember 2014 geht lediglich hervor, dass die Antragstellerin zu 2) seit drei Tagen alles erbreche und anhaltend Verstopfung habe sowie die Gabe von Microklist, einem Abführmittel, und gegebenenfalls eine stationäre Aufnahme empfohlen werde. Diese vagen Angaben, die noch nicht einmal eine Diagnose enthalten und die Angaben der Antragstellerinnen, die Antragstellerin zu 2) nehme seit zwei Monaten keine feste Nahrung zu sich, nicht bestätigen, rechtfertigen ohne nähere Angaben aus sich heraus nicht zwangsläufig die Annahme der Reiseunfähigkeit, d. h. dass der konkrete gesundheitliche Zustand der Antragstellerin zu 2) eine Reise nicht erlaube. Die dazu erforderlichen weiteren Angaben haben die Antragstellerinnen entgegen ihrer eigenen Ankündigung und trotz Erinnerung durch das Gericht innerhalb eines Zeitraums von mehr als zwei Monaten nicht vorzulegen vermocht.
33Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG.
34Die Mitteilung des Beschlusses an die Ausländerbehörde beruht auf § 83a AsylVfG.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 20. Feb. 2015 - 10 L 3022/14.A
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass
1. die italienischen Behörden unter Berücksichtigung des vorgelegten ärztlichen Attestes vom 22. Juli 2014 vor der Durchführung der Abschiebung über die Erkrankung des Antragstellers an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 1 informiert werden und
2. dem Antragsteller bei der Abschiebung ein – ggfs. nach Rücksprache mit den italienischen Behörden zu bemessender - für die Übergangszeit bis zur Registrierung im italienischen Gesundheitssystem ausreichender Insulinvorrat sowie die zur Lagerung, einschließlich Kühlung, und Verabreichung des Insulins erforderlichen Hilfsmittel mitgegeben werden.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 22. Juli 2014 sinngemäß anhängig gemachte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 4743/14.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 AsylVfG berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos.
5Der hier gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da nach § 34a Abs. 2 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in seiner durch Artikel 1 Nr. 27 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsandrohung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m. § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 2. Juli 2014 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Absatz 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG gestützte Bescheid wurde ausweislich der im Verwaltungsvorgang enthaltenen Postzustellungsurkunde am 17. Juli 2014 gemäß § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG dem Antragsteller persönlich zugestellt. Er hat am 22. Juli 2014 innerhalb der Wochenfrist den Eilantrag gestellt und Klage erhoben.
7Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
8Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Abs. 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
9vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR -, juris Rn 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 -, juris Rn 3 f. Siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7. Januar 2014 - 13 L 2168/13.A -.
10Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich ‑ nicht ausschließlich ‑ an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt und geht von der Zuständigkeit Italiens für dessen Prüfung aus. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
12Die angegriffene Entscheidung ist rechtmäßig. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO), da sowohl der Asylantrag vom 24. Januar 2014 als auch das an Italien gerichtete Wiederaufnahmeersuchen Deutschlands vom 17. April 2014 nach dem 1. Januar 2014, dem gemäß Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Dublin III-VO maßgeblichen Zeitpunkt, gestellt worden ist.
13Nach den Vorschriften der Dublin III-VO ist Italien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Antragsteller gestellten Asylantrags. Der Antragsteller hat nach seinen eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt am 24. Januar 2014 vor seiner Einreise nach Deutschland bereits mehrere Jahre in Italien gelebt und ausweislich des unter dem 20. Februar 2014 festgestellten Eintrags in der EURODAC-Datenbank (Treffer-Nr. IT1PN00RDO) dort auch am 23. Mai 2011 einen Asylantrag gestellt.
14Nachdem Italien auf das am 17. April 2014 vom Bundesamt gestellte Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin nicht innerhalb der nach Artikel 25 Absatz 1 Satz 2 Dublin III-VO im Falle eines EURODAC-Treffers maßgeblichen Frist von zwei Wochen nach der Stellung des Wiederaufnahmeersuchens seine Zuständigkeit erklärt hat, ist nach Artikel 25 Absatz 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass Italien die Wiederaufnahme des Antragstellers akzeptiert hat. Italien ist daher gemäß Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
15Anhaltspunkte für die vom Antragsteller vorgebrachten Zweifel an der Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes im Sinne von Artikel 18 GrCh bestehen nicht. Soweit der Antragsteller zur Begründung seiner Auffassung auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. Februar 2014
16- 25 K 8830/13.A -, juris und InfAuslR 2013, 159 f.
17Bezug nimmt, ergibt sich hieraus schon deshalb nichts für seine Rechtauffassung, weil dieser Entscheidung ein Wiederaufnahmeersuchen nach der Dublin II-Verordnung zugrunde lag. Artikel 20 der Dublin II-VO sah aber – anders als die neue Dublin III-VO – tatsächlich noch keine Fristen für die Stellung von Wiederaufnahmeersuchen durch den ersuchenden Mitgliedstaat vor. Die vorliegend anwendbare Dublin III-VO enthält dagegen in Artikel 23 solche der Verfahrensbeschleunigung dienende Fristvorgaben. Diese Fristen hat die Antragsgegnerin auch eingehalten. Stellt der Ausländer im ersuchenden Mitgliedstaat – wie vorliegend - einen erneuten Asylantrag, hat der ersuchende Mitgliedstaat sein Übernahmeersuchen gemäß Artikel 23 Absatz 2 UAbs. 1 Dublin III-VO so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung zu stellen. Die Antragsgegnerin hat das Wiederaufnahmeersuchen am 17. April 2014 und damit innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung vom 20. Februar 2014 an Italien gerichtet.
18Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller das Gebiet der Mitgliedstaaten für mehr als drei Monate verlassen hat (Art. 19 Absatz 2 UAbs. 1 Dublin III-VO) sind schließlich ebenfalls nicht ersichtlich.
19Soweit der Antragsteller unter Berufung auf systemische Mängel des Asylsystems in Italien eine Zuständigkeit Deutschlands bzw. aufgrund einer Ermessensreduzierung einen Anspruch auf Selbsteintritt Deutschlands geltend macht, kann sich das erkennende Gericht dem unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse ebenfalls nicht anschließen.
20Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Art. 9 Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen – wie die der bisherigen Dublin II-VO - zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
21vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11-, juris Rn 37; Schlussanträge des GA Jääskinnen vom 18. April 2013 – C 4/11-, juris Rn 57 f.
22Die Antragsgegnerin ist aber auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO zugunsten des Antragstellers – nach Artikel 3 Absatz 2 UAbs 2 Dublin III-VO gehindert, diesen nach Italien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs,
23EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10- et al. -, juris Rn 83 ff., 99, EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09-, NVwZ 2011, 413,
24der Fall wäre, liegen nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sine können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 GrCh bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
25EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al.-, juris Rn 94.
26Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind diejenigen Umstände besonders zu berücksichtigen, die auf die Situation des jeweiligen Antragstellers zutreffen. Die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Situationen spielt hingegen keine unmittelbare Rolle und kann allenfalls ergänzend zur Beurteilung der Situation herangezogen werden,
27vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A -, juris, Rn 130.
28Vorliegend ist danach hier besonders die Situation von Dublin-Rückkehrern in den Blick zu nehmen, die – wie der Antragsteller - in Italien bereits einen Asylantrag gestellt haben.
29Insoweit macht sich das Gericht zunächst die Einschätzung und Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in dessen Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A – juris, Rn 131 ff., 176 ff., 186 zu eigen, wonach mit Blick auf das Rechtssystem als auch insbesondere die Verwaltungspraxis des Asylverfahrens davon auszugehen ist, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches trotz ggf. vorliegender einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der „vor Ort“ tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass rücküberstellte Asylbewerber – darunter speziell Dublin-Rückkehrer - „im Normalfall“, also bei nach der Erkenntnislage vorhersehbarem Verlauf der Dinge, nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen, namentlich nicht solchen i.S.d. Gewährleistung aus Artikel 4 EUGRCh, rechnen müssen.
30Auch soweit sein Asylverfahren in Italien abgeschlossen sein sollte, könnte der Antragsteller im Übrigen in Italien einen Folgeantrag stellen. Für Folgeantragsteller besteht in Italien die Möglichkeit, das Folgevorbringen durch eine sogenannte „Territorial Commission“ prüfen zu lassen. Wenn diese Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass neue Elemente vorgetragen sind, erfolgt regelmäßig eine erneute persönliche Anhörung zur Klärung eventueller Abweichungen zum bisherigen Vorbringen. Während eines Asylfolgeverfahrens haben die Antragsteller grundsätzlich dieselben gesetzlichen Garantien wie Erstantragssteller, z.B. können sie erneut in Unterbringungseinrichtungen der CARA unterkommen,
31vgl. aida, Asylum Information Database, National Country Report, Stand: April 2014, S. 33 f.
32Aus der fehlenden fristgerechten Zustimmung Italiens zum Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin ergeben sich schließlich – entgegen der Auffassung des Antragstellers – schon deshalb keine Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien, weil eine solche Verfahrenskonstellation in den Dublin-Verordnungen – wenn auch nicht als Regelfall – vorhergesehen und rechtlich ausdrücklich adressiert wird, vgl. Art. 18 Abs. 2 Dublin II-VO bzw. Art. 22 Abs. 7 und Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO. Der Verordnungsgeber geht mithin davon aus, dass es im Rahmen der Dublin-Verfahren zu einem Ausbleiben einer Antwort eines ersuchten Mitgliedstaates innerhalb der vorgegebenen – der Verfahrensbeschleunigung dienenden kurzen - Fristen kommen kann und darf, und trägt diesem Umstand bewusst durch die verfahrensbezogene Regelung einer Zustimmungsfiktion Rechnung, vgl. Artikel 18 Absatz 7 Dublin II-VO bzw. Artikel 22 Absatz 7 und Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO. Ungeachtet dessen ermöglicht die Nichtbeantwortung eines Ersuchens um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die allein die Abwicklung der Rücküberstellungen im Rahmen des Dublin-Verfahrens und die Einhaltung der Verfahrensvorgaben auf der Ebene der Mitgliedstaaten betrifft, auch in tatsächlicher Hinsicht keinen Rückschluss auf die materiellen Aufnahmebedingungen und die Ausgestaltung des sich anschließenden Asylverfahrens im ersuchten Mitgliedstaat selbst.
33Unabhängig von der allgemeinen Situation bestehen zur Überzeugung des Gerichts auch in der Person des Antragstellers selbst keine besonderen Gründe, die es vorliegend verbieten, den Antragsteller nach Italien zu überstellen. Der Antragsteller hat von sich aus keine beachtlichen Umstände vorgetragen, die ihn als eine innerhalb der Gruppe der Dublin-Rückkehrer besonders gefährdete oder verletzliche Person erscheinen lassen.
34Soweit der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren unter Bezugnahme auf ein ärztliches Attest vom 22. Juli 2014 eine Erkrankung an Diabetes vorträgt, ergibt sich daraus nichts anderes. Ausweislich des Attestes besteht bei ihm zwar eine Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 1. Diese verläuft bisher aber ausweislich der ärztlichen Ausführungen ohne bekannte Komplikationen oder Folgeerkrankungen. Der Antragsteller ist zwar insulinpflichtig, kann die erforderlichen Blutzuckermessungen aber selbst vornehmen und verabreicht sich auch selbständig Insulin. Anhaltspunkte für eine Reiseunfähigkeit des Antragstellers ergeben sich aus dem Attest nicht. Auch dass sich sein Gesundheitszustand durch eine Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon wesentlich verschlechtern würde, ist nicht dargelegt. Soweit das Attest den Hinweis enthält, dass die Insulintherapie auf Reisen oder an neuen Aufenthaltsorten auf Dauer sichergestellt sein sollte, um das Risiko der Entwicklung einer ketoazidotischen Stoffwechselentgleisung mit möglicherweise lebensbedrohlichen Komplikationen zu vermeiden, ergibt sich daraus auch kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsteller die erforderliche Versorgung mit Insulin nicht auch in Italien erhalten könnte. Asylsuchende haben – nach der Registrierung im nationalen Gesundheitssystem – grundsätzlich einen Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung. Dies gilt selbst dann, wenn sie nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind,
35vgl. aida, Asylum Information Database, National Country Report, Stand: April 2014, S. 61, 62; ebenso auch Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 5. Juni 2014 – AN 1 K 14.30275 - und Verwaltungsgericht Würzburg, Beschluss vom 5. März 2014 – W 6 S 14.30235 -, beide juris m.w.N.
36Voraussetzung des Anspruchs auf medizinische Versorgung ist allerdings die Registrierung des Asyl(folge)begehrens sowie die erst anschließend mögliche Registrierung im nationalen Gesundheitssystem. Auch nach derzeitigem Erkenntnisstand kann schon die Registrierung des Asyl(folge)antrags weiterhin nicht immer unverzüglich nach der Einreise, sondern - bei Dublin-Rückkehrern zudem abhängig vom Stand ihres in Italien geführten früheren Asylverfahrens - teilweise erst mit einer nicht unerheblichen zeitlichen Verzögerung erfolgen und so zu einem verzögerten Einsetzen der medizinischen Versorgung führen,
37vgl. aida, Asylum Information Database, National Country Report, Stand: April 2014, S. 25.
38Um dem letztgenannten Aspekt Rechnung zu tragen, war im Tenor die verpflichtende Maßgabe aufzunehmen, dass die Antragsgegnerin die italienischen Behörden vor der Abschiebung des Antragstellers über dessen Diabetes-Erkrankung und den daraus erwachsenden – vorrangig medikamentösen – Weiterbehandlungsbedarf informiert und dass der Antragsteller zur Überbrückung eines eventuell entstehenden Übergangszeitraums bis zur Registrierung seines Begehrens und der Ausstellung einer Gesundheitskarte, die ihm Zugang zum nationalen Gesundheitssystem in Italien verschafft, mit einem – hinsichtlich des Umfangs ggfs. mit den italienischen Behörden abzuklärenden - ausreichenden Insulinvorrat sowie den Mitteln zu dessen Verabreichung und vorübergehender Lagerung ausgestattet wird.
39Mit dieser Maßgabe bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG keine Bedenken.
40Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Absatz 1 Satz 3 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 RVG.
41Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gleichen Rubrums mit dem Aktenzeichen 7 K 851/14.A gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. April 2014 wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e
2Der zulässige Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 30. April 2014 (7 K 851/14.A) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. April 2014 anzuordnen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 AsylVfG), ist unbegründet.
3Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist in materieller Hinsicht begründet, wenn das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung eines belastenden Bescheides das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Durchsetzung des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei der Interessenabwägung sind mit der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen Zurückhaltung auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Erweist sich der angegriffene Verwaltungsakt bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtswidrig, so überwiegt in der Regel das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Umgekehrt geht die Interessenabwägung zu Ungunsten des Antragstellers aus, wenn die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist.
4Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier zu Lasten des Antragstellers aus, weil der angegriffene Bescheid vom 29. April 2014 sich voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird.
5Wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, ordnet das Bundesamt gem. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Die Abschiebungsanordnung darf als Festsetzung eines Zwangsmittels erst dann ergehen, wenn alle Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Abschiebung nach § 26a oder § 27a AsylVfG i.V.m. § 34a AsylVfG erfüllt sind. Vor Erlass der Abschiebungsanordnung ist zu prüfen, ob die Abschiebung in den Dritt- bzw. Mitgliedstaat - wenn auch nur vorübergehend - rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist.
6Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 02.05.2012 - 13 MC 22/12 -, juris Rn. 27.
7Die Rücküberstellung des Antragstellers ist hier weder rechtlich unzulässig noch tatsächlich unmöglich.
81.) Konkrete Anhaltspunkte für eine tatsächliche Unmöglichkeit der Rücküberstellung sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
92.). Es ist auch keine rechtliche Unzulässigkeit festzustellen. Das wäre u.a. dann der Fall, wenn die Antragsgegnerin für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers zuständig wäre. Das ist hier nicht gegeben.
10Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist, vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180 Seite 31), nachfolgend: Dublin III-VO.
11a) Ausgehend von der Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO, nach der bei der Bestimmung des nach den Kriterien der Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaates von der Situation ausgegangen wird, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt, ist Schweden zuständig. Denn dort hat der Antragsteller nach seinen Angaben bei der Anhörung vor dem Bundesamt zum ersten Mal am 05. September 2012 einen Asylantrag gestellt, der abgelehnt worden sein soll. Daraus folgt gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d) Dublin III-VO die Verpflichtung Schwedens, den Antragsteller wieder aufzunehmen. Dazu hat sich Schweden mit Schreiben vom 16. April 2014 auch bereiterklärt.
12b) Die Antragsgegnerin ist auch nicht nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO zuständig geworden. Nach dieser Norm ist, wenn das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Absatz 2 festgesetzten Frist gestellt wird, der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der neue Asylantrag gestellt wurde. Gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO ist ein Wiederaufnahmegesuch "so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten" nach der Eurodac-Treffermeldung im Sinne von Art. 9 Abs. 5 VO (EG) Nr. 603/2013 zu stellen. Die Frist von zwei Monaten hat die Antragsgegnerin gewahrt. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist die Norm nicht in der Weise zu lesen, dass das Gesuch "sofort" zu stellen sei. Darauf aber liefe es hinaus, wenn man auf den Tag der Eurodac-Treffermeldung abstellt und den Standpunkt vertritt, das Gesuch um Wiederaufnahme müsse noch am selben Tag gestellt werden. Vielmehr bringt der Verordnungsgeber mit dem Zusatz "auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten" selbst hinreichend klar zum Ausdruck, dass nach seiner Vorstellung die Rechtsfolge des Übergangs in der Zuständigkeit erst dann Platz greifen soll, wenn der Mitgliedstaat auch noch zwei Monate nach der Treffermeldung kein Wiederaufnahmeersuchen gestellt hat.
13Vgl. ebenso zur Maßgeblichkeit der Frist von 2 Monaten VG Göttingen, Beschluss vom 08.05.2014 - 2 B 145/14 -, juris Rn. 24; VG Augsburg, Beschluss vom 08.04.2014 - Au 7 S 14.30260 -, juris Rn. 36; VG Berlin, Beschluss vom 27.11.2013 - 33 L 500.13.A -, juris Rn. 9.
14c) Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin folgt auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 der Dublin III-VO. Eine Voraussetzung für den Übergang der Zuständigkeit ist danach, dass es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen.
15Daran fehlt es hier. Anhaltspunkte für mögliche erhebliche systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahme- und Lebensbedingungen für Asylsuchende, wie sie hinsichtlich verschiedener anderer EU-Länder (Griechenland, Italien, Malta, Ungarn) in jüngerer Vergangenheit geäußert worden sind, sind bezüglich Schweden nicht ersichtlich. Gerichtliche Entscheidungen, in denen systemische Mängel für Schweden angenommen werden, sind nicht bekannt, wohl aber im Gegenteil solche, die das Vorliegen derartiger Mängel verneinen.
16Vgl. OVG Saarlouis, Beschluss vom 21.12.2012, 3 A 245/10 -; VG Hamburg, Beschluss vom 25.02.2014 - 7 AE 534/14 -; VG Braunschweig, Beschluss vom 21.02.2014 - 7 B 26/14 -; VG Göttingen, Beschluss vom 17.02.2014 - 2 B 31/14 -; VG München, Beschluss vom 24.01.2014 - M 4 S 14.30061 -; VG Bremen, Beschluss vom 28.03.2011 - 5 V 256/11.A -; VG München, Urteil vom 12.02.2010 - M 16 K 09.50318 -, sämtlich veröffentlicht in: juris.
17Der Antragsteller hat das Vorliegen systemischer Mängel auch nicht vorgetragen. Soweit er mit Schriftsatz vom 21. Mai 2014 auf einen noch einzuholenden Bericht des UNHCR verweist, sieht sich die Kammer nicht zu einem weiteren Zuwarten veranlasst. Denn nach den Ausführungen in dem Schriftsatz sollte die Beantwortung der Anfrage ca. 1 Woche dauern. Diese zeitliche Vorgabe ist nunmehr - deutlich - überschritten.
18Ungeachtet dessen kann der Antragsteller nicht mit Erfolg geltend machen, ihm drohe von Schweden aus die Abschiebung nach Afghanistan. Insbesondere aus der Zielsetzung der Dublin-Verordnung, eine Zuständigkeitskonzentration bei einem Mitgliedstaat zu gewährleisten,
19vgl. Art. 1 Dublin III-VO; EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris Rn. 84 f. zur Dublin II-VO,
20ergibt sich, dass Einwendungen in der Sache von dem Asylbewerber (allein) in dem nach den Vorschriften der Dublin-Verordnung für die Prüfung seines Schutzbegehrens zuständigen Mitgliedstaat geltend zu machen sind. Auf eine „Zweitprüfung" des Schutzbegehrens durch die Antragsgegnerin nach erfolglosem Durchlaufen des Asylverfahrens in dem zuständigen Mitgliedstaat hat ein Asylbewerber jedenfalls dann keinen Anspruch, wenn es - wie vorliegend für Schweden - an jedem Anhaltspunkt dafür fehlt, dass das Asylverfahren im zuständigen Mitgliedstaat nach seiner Ausgestaltung oder nach der dortigen Rechtspraxis nicht den unions- oder konventionsrechtlichen Anforderungen genügt.
21Vgl. VG Schleswig, Beschluss vom 10.12.2009 - 6 B 55/09 -, juris.
22Ein Asylantrag ist nach der Bestimmung des § 27a AsylVfG - prinzipiell - unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder anderer völkerrechtlicher Verträge für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Letzteres ist hier - wie dargetan - der Fall. Dabei kann es nicht von Belang sein, ob der Asylantrag nach einem Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren bereits bestandskräftig geworden ist. Demgemäß ist der Antragsteller letztendlich darauf zu verweisen, im Zuge seiner Überstellung an die schwedischen Behörden gegenüber denselben ggf. einen Asylfolgeantrag mit dem Ziel der Zuerkennung subsidiären Schutzes zu stellen bzw. die nach dem schwedischen Rechtssystem vorgesehenen Rechtsbehelfe zu ergreifen
23Vgl. VG Braunschweig, Beschluss vom 21. Februar 2014 – 7 B 26/14 –, juris; VG Göttingen, Beschluss vom 17.10.2013 – 2 B 844/13 -, juris.
24Auch nach dem schwedischen System der Asylgewährung ist es Asylbewerbern grundsätzlich möglich, bei Vorliegen neuer Umstände einen Folgeantrag zu stellen.
25So OVG Saarl., Beschluss vom 21.12.2012 - 3 A 245/10 - , juris.
26Es ist auch nicht Aufgabe der deutschen Rechtsprechung, im Einzelnen die Verwaltungsentscheidungen oder die Asylrechtsprechung der EU-Staaten gleichsam nochmals oder aber im Vorgriff auf eine anstehende Entscheidung zu überprüfen und mit der entsprechenden deutschen Rechtsprechung bzw. deutschen Gesetzeslage "abzugleichen". Eine dem Antragsteller ggf. im Verhältnis zur Antragsgegnerin ungünstigere Asylpraxis eines Mitgliedstaates der Europäischen Union bietet für sich genommen keinen Anlass, von einer Überstellung in einen aufgrund der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat abzusehen.
27Vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 26.01.2011 - 3 B 150/11 -, abrufbar im Internet unter "asylnet", mit dem zutreffenden Hinweis auf die sonst bestehende Gefahr des Unterlaufens der Intention der (seinerzeit einschlägigen) Dublin II-Verordnung.
28Vor diesem Hintergrund erhellt zugleich, dass ein subjektiver Anspruch des Antragstellers auf Prüfung seines Schutzgesuchs durch die Antragsgegnerin auch nicht aus Art. 17 VO (EG) Dublin III-VO abgeleitet werden kann.
29Zuletzt ist auch nicht erkennbar, dass in Bezug auf Schweden zielstaatsbezogene oder inlandsbezogene Abschiebungsverbote vorliegen, die auch gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht werden können.
30Vgl. VGH BW, Beschluss vom 31.05.2011 - A 11 S 1523/11, juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 03.12.2010 - 4 Bs 223/10 -; VG Hamburg, Beschluss vom 09.01.2014 - 10 AE 5269/13 -, n.v.
31Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylVfG.
32Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
Tenor
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
1
Gründe:
2I.
3Der am 28. September 1990 geborene Antragsteller stammt aus Ägypten. Er stellte am 10. September 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) einen Asylantrag. Im Rahmen eines am selben Tag mit ihm (in arabischer Sprache) geführten „Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens“ gab er an: Er sei im April 2014 auf dem Luftweg über die Türkei in die Niederlande eingereist. Er habe ein Ticket nach Quito (Ecuador) gehabt und in Amsterdam umsteigen sollen. Er habe jedoch den Transitbereich des dortigen Flughafens verlassen und sich bei der Polizei gemeldet. Er habe sodann in den Niederlanden ohne Erfolg ein Asylverfahren betrieben, bevor er sich nach Deutschland begeben habe. Seine Schwester lebe in Höxter und sei auf seine Unterstützung angewiesen, weil sie krank sei.
4Ein Abgleich der Fingerabdrücke des Antragstellers mit der EURODAC-Datenbank ergab für ihn am 6. Oktober hinsichtlich der Niederlande einen Treffer der Kategorie 1 (NL1-2798595768-20140503).
5Am 15. Oktober 2014 wurde der Antragsteller gemäß § 25 AsylVfG vor dem Bundesamt angehört. Hierbei legte er dar, dass er christlichen Glaubens sei und Ägypten aus Furcht vor radikalen Moslems verlassen habe. Zudem erklärte er erneut, vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland in den Niederlanden erfolglos ein Asylverfahren betrieben zu haben. Seine Schwester lebe seit dem Jahr 2011 in Deutschland.
6Ebenfalls am 15. Oktober 2014 richtete das Bundesamt ein Aufnahmegesuch an die niederländischen Behörden. Diese erklärten sich am 22. Oktober 2014 zur Rückübernahme des Antragstellers bereit.
7Mit Bescheid vom 18. Dezember 2014 – Az.: 5810640-287 – lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung in die Niederlande an.
8Am 23. Dezember 2014 hat der Kläger Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 10 K 2897/14.A beim Verwaltungsgericht Minden anhängig ist. Am selben Tag hat er den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, zu dessen Begründung er im Wesentlichen geltend macht: Er sei koptischer Christ und habe seine Heimat aufgrund von Anfeindungen durch islamische Geistliche verlassen müssen. Bei einem Anschlag auf eine Kirche in Alexandria sei zudem seine Schwester verletzt worden. Diese habe zeitweise in Höxter gelebt, sei aber inzwischen nach Ägypten zurückgekehrt. Er – der Antragsteller – habe am 30. April 2014 die Niederlande erreicht und dort Asyl beantragt. Bereits nach zwei Wochen sei sein Antrag abgelehnt worden, woraufhin er Klage erhoben habe, die jedoch abgewiesen worden sei. Ein Rechtsmittelverfahren sei ebenfalls ohne Erfolg geblieben. Schon nach der Abweisung seiner Klage in erster Instanz habe man ihn aus seiner Unterkunft in Dronten gewiesen, ohne ihm eine Alternative anzubieten. Auch habe er keine finanzielle Unterstützung mehr erhalten. An medizinische Versorgung sei nicht mehr zu denken gewesen. Er sei zunächst durch Vermittlung eines Pfarrers von einer Familie aufgenommen worden, die ihn versorgt habe. Dort habe er aber nur zwei Wochen bleiben können. Für weitere zwei Wochen sei er bei einer anderen Familie untergekommen. Danach sei er ohne jede Unterstützung gewesen. Er habe daher keine Möglichkeit mehr gesehen, seine Existenz in den Niederlanden zu sichern und sei nach Deutschland weitergereist, um Hilfe zu erlangen. Mangels behördlicher Unterstützung sei er in den Niederlanden einer konkreten Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt gewesen. Das Verwaltungsgericht Darmstadt habe in seinem Beschluss vom 9. Mai 2014 – 4 L 491/14 – in einem ähnlichen Fall die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen die Anordnung einer Abschiebung in die Niederlande angeordnet. Die dabei durch das Verwaltungsgericht Darmstadt angestellten Erwägungen seien auch in seinem – des Antragstellers – Fall einschlägig und müssten zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes führen.
9Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),
10die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 10 K 2897/14.A beim Verwaltungsgericht Minden anhängigen Klage gegen die im Bescheid des Bundesamtes vom 18. Dezember 2014 – Az.: 5810640-287 – enthaltene Abschiebungsanordnung anzuordnen.
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten der Verfahren 10 K 2897/14.A und 10 L 1013/14.A sowie den durch das Bundesamt übermittelten Verwaltungsvorgang (ein Heft) Bezug genommen.
12II.
13A. Der nach § 34a Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist unbegründet. Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus.
14Für diese Interessenabwägung gelten die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO anwendbaren allgemeinen Grundsätze. Dementsprechend ist das Interesse des Antragstellers an einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung gegen das öffentliche Interesse an deren alsbaldiger Vollziehung abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten der Klage maßgeblich zu berücksichtigen.
15Dagegen setzt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage – anders als in Fällen der Unbeachtlichkeit oder der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrags (§ 36 Abs. 1 und 4 Satz 1 AsylVfG) – nicht voraus, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen. Im Gegensatz zu § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG enthält § 34a Abs. 2 AsylVfG keine entsprechende Einschränkung. Ein Antrag, § 34a Abs. 2 AsylVfG entsprechend zu fassen, fand im Gesetzgebungsverfahren keine Mehrheit.
16Vgl. VG Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR –, juris (Rdnr. 5 ff.), mit ausführlicher Darstellung des Ablaufs des Gesetzgebungsverfahrens; VG Darmstadt, Beschluss vom 9. Mai 2014 – 4 L 491/14.DA.A –, juris (Rdnr. 2).
17Ausgehend von diesen Grundsätzen fällt die gebotene Interessenabwägung vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus. Denn die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung erweist sich als rechtmäßig, so dass das in § 34a AsylVfG zum Ausdruck gebrachte öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.
18Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Vorliegend ist die Zuständigkeit des Königreichs der Niederlande für die Bearbeitung des Asylantrags des Antragstellers gegeben; diese Zuständigkeit ist auch nicht auf einen anderen Staat übergegangen.
19I. Die Zuständigkeit der Niederlande für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers ergibt sich aus der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180, S. 31, sog. Dublin III-VO). Diese Verordnung und nicht deren Vorgängerverordnung, die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl. L 50, S. 1, sog. Dublin-II-VO) ist hier einschlägig, weil der Antragsteller seinen Asylantrag, d.h. seinen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b) Dublin-III-VO, am 10. September 2014 und damit nach dem 1. Januar 2014 als dem gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Dublin-III-VO für die Eröffnung des Anwendungsbereichs dieser Verordnung maßgeblichen Zeitpunkt gestellt hat.
20Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden. Welcher Mitgliedstaat dies ist, bestimmt sich nach den Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO und zwar in der Rangfolge ihrer Nummerierung (Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO). Lässt sich anhand dieser Kriterien nicht bestimmen, welcher Mitgliedstaat zuständig ist, so ist der erste Mitgliedstaat zuständig, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO). Bei Anwendung dieser Kriterien sind die Niederlande für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig.
21Mangels vorrangiger Kriterien (vgl. dazu die zutreffenden Erwägungen auf Seite 2 des streitgegenständlichen Bundesamtsbescheides) folgt dies hier aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO. Danach ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, dessen Land-, See- oder Luftgrenze der Antragsteller aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat Ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn ausgehend von seinen eigenen, insofern von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogenen Angaben hat der Antragsteller aus einem Drittstaat (Türkei) kommend als erstes die (Luft-) Grenze zu dem Mitgliedstaat Niederlande überschritten. Dies erfolgte – soweit ersichtlich – ohne einen Aufenthaltstitel und insofern illegal. Die daraus resultierende Zuständigkeit der Niederlande hat auch nicht nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO geendet. Zwar endet nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die Zuständigkeit (eines Mitgliedstaats für die Durchführung des Asylverfahrens) zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Damit ist aber lediglich gemeint, dass die Zuständigkeit dann endet, wenn vor Ablauf der genannten Frist in keinem der Mitgliedstaaten ein Asylantrag gestellt wurde. Diese Auslegung ergibt sich zwingend vor dem Hintergrund des Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO, der als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Dublin-Zuständigkeit denjenigen vorgibt, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Deshalb ist es etwa unschädlich, wenn nicht (auch) in dem Einreisestaat innerhalb der in Rede stehenden Frist ein Asylantrag gestellt wurde. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob der Zwölfmonatszeitraum im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgelaufen ist.
22Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, m.w.N., juris (Rdnr. 46 ff.), zu den im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen der Art. 10 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO.
23Damit steht Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO einer Zuständigkeit der Niederlande nicht entgegen. Ausgehend von seinen eigenen Angaben (vgl. u.a. Blatt 28 der beigezogenen Bundesamtsakte) hat der Antragsteller die Niederlande im April 2014 erreicht. Nach der Einreise in diesen Mitgliedsstaat hat er – ebenfalls nach eigenem Bekunden – sogleich einen Asylantrag gestellt. Es bestehen daher keinerlei Zweifel, dass die sich aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO ergebende Frist von zwölf Monaten seit dem illegalen Grenzübertritt gewahrt ist.
24II. Aufgrund der danach gegebenen Zuständigkeit der Niederlande und des Umstands, dass dort der Asylantrag des Antragstellers abgelehnt worden ist, hat dieser Mitgliedstaat gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-III-VO die Pflicht zur Wiederaufnahme des Antragstellers. Diese Pflicht ist auch nicht nachträglich erloschen. Namentlich sind die einschlägigen Antrags- und Überstellungsfristen nicht verstrichen:
25Die (hier aufgrund des erzielten EURODAC-Treffers) einschlägige zweimonatige Frist zur Stellung des Wiederaufnahmegesuchs (Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) hat das Bundesamt beachtet, indem es sich am 15. Oktober 2014, d.h. rund eine Wochen nach Erzielung des EURODAC-Treffers, der vom 6. Oktober 2014 datiert, an die niederländischen Behörden gewandt hat.
26Ebenso wenig ist die sechsmonatige Frist für die Überstellung des Antragstellers in den zuständigen Mitgliedstaat (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) mit der Folge überschritten, dass die Zuständigkeit für die Durchführung seines Asylverfahrens gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen wäre. Gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO erfolgt die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald sie praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch den anderen Mitgliedstaat. Die Niederlande haben ihr Einverständnis mit der Wiederaufnahme des Antragstellers am 22. Oktober 2014 (und somit innerhalb der zweiwöchigen Erklärungsfrist nach Art. 25 Abs. 2 i.V.m Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO) erteilt, so dass die sechsmonatige Überstellungsfrist erst im April 2015 verstreichen wird.
27III. Auch im Übrigen sind keine im vorliegenden Verfahren durchgreifenden Gründe dafür ersichtlich, dass von einer Abschiebung des Antragstellers in die Niederlande abgesehen werden müsste. Namentlich kann er sich nicht mit Erfolg auf systemische Mängel des niederländischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen berufen.
28Gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 VO Dublin-III-VO setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) mit sich bringen (Unterabs. 2); kann eine Überstellung an einen aufgrund der Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, nicht vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat (Unterabs. 3).
29Der Regelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin-III-VO liegt die Rechtsprechung des EuGH zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zugrunde. Dieses gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll zu dieser Konvention von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskommission zukommt. Diese Vermutung ist allerdings nicht unwiderleglich. Wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist die Widerlegung der Vermutung aber an hohe Hürden geknüpft, so dass nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder jeder Verstoß gegen Bestimmungen des zum Asylrecht ergangenen Sekundärrechts geeignet sind, die Vermutung zu widerlegen.
30Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 u.a. (N.S. u.a.) –, NVwZ 2012, 417, sowie vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 (Abdullahi) –, NVwZ 2014, 208.
31Die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin-III-VO liegen vor, wenn das Gericht zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gelangt, dass ein Asylbewerber wegen systemischer Mängel, also strukturell bedingter, größerer Funktionsstörungen, im konkret zu entscheidenden Fall in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird.
32Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, NVwZ 2014, 1039, zur Rechtslage nach der Dublin II-VO.
33Im Rahmen dieser Prognose ist nicht allein auf die Rechtslage im betreffenden Mitgliedstaat abzustellen, maßgeblich ist vielmehr deren Umsetzung in die Praxis.
34Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 (M.S.S ./. Belgien und Griechenland) –, NVwZ 2011, 413 und HUDOC (Rdnr. 359); Hailbronner, Ausländerrecht, Band 3, Stand: Juni 2014, § 34a AsylVfG Rdnr. 21.
35Dem beschließenden Gericht liegen indessen keinerlei Erkenntnismittel vor, welche die Befürchtung rechtfertigen könnten, dass in den Niederlanden systemische Mängel des Asylverfahrens bzw. der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im vorstehend genannten Sinne bestehen
36- ebenso z.B. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 17. Dezember 2014– 6a L 1837/14.A –, juris (Rdnr. 10 ff.), VG Augsburg, Beschlüsse vom 29. Oktober 2014 – Au 7 S 14.50263 –, juris (Rdnr. 27 ff.), und vom 22. September 2014 – Au 7 S 14.50234 –, juris (Rdnr. 25 ff.), sowie VG Magdeburg, Beschluss vom 12. August 2014 – 1 B 894/14 –, juris (Rdnr. 3), jeweils m.w.N. -.
37Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Antragstellers, wonach er in den Niederlanden nach Abweisung seiner Klage gegen die ablehnende Entscheidung über sein Asylgesuch nicht mehr durch den Staat untergebracht und versorgt worden sein will. Zwar dürfte es zutreffen, dass Asylbewerber, die ausreisepflichtig sind, weil ihr Asylantrag abgelehnt worden ist, in den Niederlanden grundsätzlich keinen Anspruch auf staatliche Hilfe mehr haben.
38Vgl. VG Darmstadt, Beschluss vom 9. Mai 2014 – 4 L 491/14.DA.A –, juris (Rdnr. 4), VG Augsburg, Beschluss vom 29. Oktober 2014– Au 7 S 14.50263 –, juris (Rdnr. 28).
39Jedoch hat es der Antragsteller grundsätzlich selbst in der Hand, diese Folge zu vermeiden. Derjenige Asylbewerber, der nach der (bestandskräftigen) Ablehnung seines Asylgesuchs die Niederlande aufgrund von Umständen nicht verlassen kann, die er selbst nicht zu vertreten hat, kann dort nämlich auch weiterhin einen Aufenthaltstitel erhalten, wenn er ausreichend an der Beschaffung von Heimreisedokumenten mitwirkt.
40Vgl. dazu die durch die niederländischen Behörden unter https://ind.nl/EN/ individuals/residence-wizard/asylum/Pages/default.aspx in englischer Sprache bereitgestellten Informationen (durch das Gericht abgerufen am 23. Januar 2015).
41Dem Asylbewerber, dessen Antrag abgelehnt worden ist, wird damit – bei Vornahme der zur Beschaffung von Heimreisedokumenten erforderlichen Mitwirkungshandlungen – zugleich die Möglichkeit eröffnet, eine etwa drohende Obdachlosigkeit und Einstellung der Nahrungsmittelversorgung abzuwenden.
42Vgl. VG Magdeburg, , Beschluss vom 12. August 2014 – 1 B 894/14 –, juris (Rdnr. 3).
43Bei dieser Sachlage kann das Gericht durchgreifende systemische Mängel des niederländischen Asylsystems nicht erkennen.
44Doch selbst dann, wenn man davon ausginge, dass unabhängig vom Vorliegen systemischer Mängel für jeden Einzelfall zu prüfen wäre, ob eine Verletzung des Art. 4 GR-Charta bzw. des Art. 3 EMRK vorliegt
45- in diesem Sinne etwa EGMR, Urteil vom 4. November 2014 – 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) –, HUDOC (Rdnr. 104), und United Kingdom Supreme Court, Urteil vom 19. Februar 2014 – EM (Eritrea) and others v the Secretary of the State for the Home Department, [2014] UKSC 12 (Rdnr. 42 bis 64), jeweils zu Überstellungen nach Italien -
46könnte der Antragsteller hieraus nichts für sich herleiten. Denn es ist aus den vorstehend genannten Gründen auch nicht erkennbar, dass er Gefahr liefe, im Anschluss an eine Rücküberstellung in die Niederlande – ggf. auch unabhängig vom Fehlen systemischer Schwachstellen des dortigen Asylsystems – einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Angesichts der beschriebenen Möglichkeit, auch nach Ablehnung des Asylantrags einen Aufenthaltstitel zu erwirken, vermag das Gericht ebenfalls nicht festzustellen, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in die Niederlande Gefahr laufen würde, in seiner Menschenwürde verletzt zu werden
47- ebenso in einem ähnlichen Fall VG Magdeburg, Beschluss vom 12. August 2014 – 1 B 894/14 –, juris (Rdnr. 3); a.A. VG Darmstadt, Beschluss vom 9. Mai 2014 – 4 L 491/14.DA.A –, juris (Rdnr. 5 ff.) -.
48IV. Auch im Übrigen bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die Anordnung der Abschiebung des Antragstellers in die Niederlande. Insbesondere ist nichts für das Bestehen von Abschiebungshindernissen gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Soweit er noch im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hatte, seine Schwester lebe in Höxter, kann daraus schon deshalb kein Abschiebungshindernis (mehr) folgen, weil die Schwester– wie der Antragsteller im vorliegenden gerichtlichen Verfahren erklärt hat – nach Ägypten zurückgekehrt ist. Ohnehin hatte der Antragsteller im Verwaltungsverfahren keine Umstände substanziiert vorgetragen, aus der sich eine Angewiesenheit seiner Schwester auf seine Hilfe und Unterstützung hätte ergeben können. Auch nach bisherigem Vortrag des Antragstellers konnte mithin keine durch Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK geschützte Beistandsgemeinschaft mit seiner Schwester, die ein Abschiebungshindernis hätte begründen können, festgestellt werden.
49Vgl. zu entsprechenden Fällen etwa Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 1. April 2010 – 8 PA 27/10 – (Rdnr. 12 ff.).
50V. Soweit der Antragsteller – u.a. in seiner Anhörung nach § 25 AsylVfG – materielle Asylgründe vorgetragen hat, die einer Rückkehr nach Ägypten entgegenstehen sollen, kommt es hierauf nicht an. Streitgegenständlich ist vorliegend allein die im Bescheid des Bundesamtes vom 18. Dezember 2014 enthaltene Anordnung der Abschiebung in die Niederlande. Dass sich dieser Mitgliedstaat des Antragstellers unter Verstoß gegen das Non-Refoulement-Prinzip entledigen würde, ist nicht erkennbar.
51In der durch das Bundesamt durchgeführten Anhörung nach § 25 AsylVfG zu den Asylgründen des Antragstellers liegt im Übrigen auch keine konkludente Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Antragsgegnerin (Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO). Das Bundesamt hat nicht zu erkennen gegeben, dass es das Selbsteintrittsrecht wahrnehmen wolle. Die Ausübung des Selbsteintrittsrechts erfordert aber im Interesse der Rechtsklarheit eine entsprechende, für den Asylbewerber erkennbare Entscheidung und entsprechende Erklärung des Bundesamtes. Eine solche Entscheidung hat das Bundesamt beim Antragsteller nicht getroffen. Eine entsprechende Absicht des Bundesamtes ist in keiner Weise nicht ersichtlich. Allein aus dem Umstand, dass eine Anhörung nach § 25 AsylVfG durchgeführt worden ist, geht noch keine Absicht, das Asylgesuch materiell in der Bundesrepublik Deutschland zu prüfen, hervor.
52Vgl. zu entsprechenden Fällen etwa VG Ansbach, Urteil vom 5. November 2009 – AN 5 K 09.30201 – juris (Rdnr. 17 und 18).
53B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Hinweis auf die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 83b AsylVfG.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.