Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 25. Okt. 2016 - B 5 K 15.645

published on 25/10/2016 00:00
Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 25. Okt. 2016 - B 5 K 15.645
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

1. Die Beklagte wird verpflichtet, die Auslagen des Klägers zur Verwaltungsstreitsache gegen die Beklagte vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth, Az. B 5 K 12.18, und dem Rechtsmittelverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Az. 4 ZB 13.2225, in Höhe von insgesamt 2.133,71 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 9. April 2015 zu erstatten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger ¼, die Beklagte ¾.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erstattung von Kosten, die ihm aus gerichtlichen Verfahren entstanden sind, die er als Mitglied des Stadtrates und des Bau- und Umweltausschusses der Beklagten gegen diese geführt hat.

In seiner Sitzung vom 16. August 2011 hatte der Bau- und Umweltausschuss der Beklagten unter Tagesordnungspunkt 1 mit 5:5 Stimmen die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens zum Bauantrag der L. GmbH & Co. KG zur Errichtung eines ... ... beschlossen. Mit Schreiben vom 23. August 2011 lud die erste Bürgermeisterin der Beklagten die Mitglieder des Bau- und Umweltausschusses zu einer weiteren Sitzung am 30. August 2011 mit dem Tagungsordnungspunkt 1: Bauantrag L. GmbH & Co. KG Errichtung eines ... Bei der öffentlichen Sitzung am 30. August 2011 erläuterte die Vorsitzende, dass sie den Beschluss vom 16. August 2011 für rechtswidrig erachte und daher beabsichtige, diesen zu beanstanden. Sie gebe dem Gremium die Gelegenheit, den Beschluss zu überdenken und aufzuheben, ansonsten werde sie den Fall an die Rechtsaufsicht weitergeben. Der Kläger beantragte in der Sitzung, den Tagesordnungspunkt 1 von der Tagesordnung zu streichen, da er noch keine Niederschrift über die Sitzung vom 16. August 2011 erhalten habe und daher nicht überprüfen könne, ob seine Argumentation richtig niedergeschrieben worden sei. Die Vorsitzende verwies den Kläger auf die Möglichkeit der Einsichtnahme im Stadtbauamt und darauf, seine Argumente in der aktuellen Sitzung erneut zu äußern. Der Antrag des Klägers auf Absetzung des Punktes von der Tagesordnung wurde mit 3:8 Stimmen abgelehnt. Der Ausschuss fasste abschließend mit 8:3 Stimmen den Beschluss, den Beschluss vom 16. August 2011 aufzuheben und das gemeindliche Einvernehmen zu dem Bauvorhaben zu erteilen.

Mit Schreiben vom 31. August 2011 wandte sich der Kläger an das Landratsamt ... als Rechtsaufsichtsbehörde und bat unter Schilderung des jeweiligen Sitzungsablaufes um rechtliche Prüfung der Beschlüsse vom 16. August 2011 und 30. August 2011. Das Landratsamt ... antwortete dem Kläger mit Schreiben vom 25. Oktober 2011 und führte hinsichtlich der Ausschusssitzung am 16. August 2011 aus, es gebe keine kommunalrechtliche Vorgabe dafür, in welcher Reihenfolge einzelne Tagesordnungspunkte zu behandeln seien. Dies sei eine Frage der Zweckmäßigkeit, die von der Rechtsaufsichtsbehörde nicht zu prüfen sei. Aus der Behandlung der eingegangenen Bedenken und Anregungen zum für den Bauantrag der L. GmbH & Co. KG maßgeblichen Bebauungsplan in der Sitzung vom 16. August 2011 habe sich die Planreife dieses Bebauungsplans im Sinne des § 33 des Baugesetzbuches (BauGB) ergeben. Damit habe sich aber auch die Rechtslage für die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens geändert, was dazu berechtigt habe, diese Frage für die Ausschusssitzung am 30. August 2011 erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Dass die Niederschrift der Sitzung vom 16. August 2011 zur Sitzung am 30. August 2011 noch nicht vorlag, sei unschädlich, da der Niederschrift keine rechtsbegründende Wirkung zukomme. Im Ergebnis sei das Handeln der Beklagten im Zusammenhang mit dem Bauantrag der L. GmbH & Co. KG zur Errichtung eines ... nicht zu beanstanden gewesen.

Mit Schriftsatz vom 3. Januar 2012 erhob der Kläger im Verfahren B 5 K 12.18 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragte, festzustellen, dass der Beschluss der Beklagten vom 30. August 2011 zu Tagesordnungspunkt 1 (Aufhebung des Beschlusses vom 16. August 2011 und Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens bzgl. des Bauantrages der L. GmbH & Co. KG/Errichtung eines ...) rechtswidrig gewesen sei. Die Klage wies das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 27. September 2013 mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ab. Nach den Entscheidungsgründen war die Klage mangels Klagebefugnis bereits als unzulässig abzuweisen. Der Kläger könne die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Gemeinderatsbeschlüsse nicht mit der Begründung geltend machen, er sei in seinem Informationsrecht als Stadtratsmitglied verletzt worden, weil ein solches uneingeschränktes subjektiv öffentliches Recht auf Information Gemeinderäten weder nach der Gemeindeordnung (GO) noch nach der Geschäftsordnung des Stadtrats der Beklagten (GeschO) zukomme. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, da der Kläger hinreichende Informationen bekommen habe, um über das gemeindliche Einvernehmen zum Bauantrag der L. GmbH & Co. KG entscheiden zu können. Durch das erstinstanzliche Verfahren entstanden dem Kläger Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.024,00 € (Bl. 32 und 35 der gerichtlichen Beiakte I) sowie Gerichtskosten von 363,00 € (Bl. 33 der gerichtlichen Beiakte I).

Der gegen das erstinstanzliche Urteil gerichtete Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. Februar 2014 - 4 ZB 13.2225 - ebenfalls mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abgelehnt. Die Verneinung eines allgemeinen Informationsrechtes des einzelnen Gemeinderatsmitglieds gegenüber einer Gemeinde und die dadurch bedingte Unzulässigkeit der Klage mangels Klagebefugnis entspreche der langjährigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes. In der zweiten Instanz hatte der Kläger Rechtsanwaltskosten in Höhe von 600,71 € (Bl. 34 der gerichtlichen Beiakte I) und Gerichtskosten von 146,00 € (Bl. 41 der gerichtlichen Beiakte I) zu tragen.

Der Kläger erhob daraufhin eine Verfassungsbeschwerde, deren Annahme zur Entscheidung das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 5. November 2014 - 2 BvR 602/14 - ablehnte. Hierdurch entstanden dem Kläger nochmals Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 600,71 € (Bl. 39 der gerichtlichen Beiakte I).

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2014 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch für die oben genannten Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 2.734,42 € geltend. Die Beklagte wies nach Einholung einer Stellungnahme des Landratsamtes ... den Erstattungsanspruch des Klägers mit Schreiben vom 9. April 2015 zurück.

Durch seine Bevollmächtigte ließ der Kläger mit Schriftsatz vom 18. September 2015, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 21. September 2015, Klage erheben und beantragen,

die Beklagte zu verpflichten, die Auslagen des Klägers zur Verwaltungsstreitsache gegen die Beklagte vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth, Az. B 5 K 12.18, dem Rechtsmittelverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Az. 4 ZB 13.2225, sowie für die Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht mit dem Az. 2 BvR 602/14 in Höhe von insgesamt 2.734,42 € zzgl. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 9. April 2015 zu erstatten.

Dem Kläger stehe ein kommunalverfassungsrechtlicher Erstattungsanspruch bezüglich der verauslagten Verfahrenskosten gegen die Beklagte zu, der sich aus den Mitgliedschaftsrechten des einzelnen Gemeinderatsmitgliedes ergebe. Die Anrufung des Gerichts zur Durchsetzung individueller Mitgliedschaftsrechte sei hier ultima ratio gewesen. Der Zinsanspruch ergebe sich aus §§ 286, 288 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die Beklagte habe mit Schreiben vom 9. April 2015 die Erstattung endgültig abgelehnt und befinde sich seitdem im Verzug.

Die Beklagte äußerte sich ohne Antragstellung mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2015 und verwies auf ihr Schreiben vom 9. April 2015, die dazu eingeholte Stellungnahme des Landratsamtes ... vom 17. März 2015 und ein Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 17. Januar 1996 (W 2 K 94.155 - BayVBl 1996, 377).

Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2015 führte die Bevollmächtigte des Klägers ergänzend aus, dass der Kläger vor Anrufung des Gerichts die Rechtsaufsichtsbehörde eingeschaltet habe. Er habe in seinem Schreiben vom 31. August 2011 das Landratsamt um eine rechtsaufsichtliche Prüfung der Beschlüsse vom 16. August 2011 und 30. August 2011 gebeten. Der Kläger habe damit alle zumutbaren Maßnahmen zur außergerichtlichen Durchsetzung seiner organschaftlichen Rechte ohne Erfolg wahrgenommen, so dass die Erhebung einer Klage zur Durchsetzung seiner individuellen Mitgliedschaftsrechte als ultima ratio unumgänglich gewesen sei. Das gesamte Bestreben des Klägers sei darauf gerichtet gewesen, Schaden von der Beklagten abzuwenden. Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde verzichtet.

Die Beklagte verzichtete mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2015 ebenfalls auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

1. Über die Streitsache konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

2. Die als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage ist teilweise begründet, da der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der der verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren in der ersten und der zweiten Instanz hat. Im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen.

a) Die überwiegende Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte erkennt in kommunalverfassungsrechtlichen Organstreitigkeiten einen grundsätzlichen Kostenerstattungsanspruch des Gemeinderatsmitglieds an, sofern die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens geboten war, das heißt nicht mutwillig bzw. aus sachfremden Gründen erfolgt ist (vgl. grundlegend OVG Saarl, U. v. 6.12.1978 - 3 R 123/78 - zitiert nach FStBay 1979, Nr. 190 sowie B. v. 5.10.1981 - 3 R 87/80 - NVwZ 1982, 140; VGH BW, B. v. 17.9.1984 - 9 S 1076/84 - NVwZ 1985, 284; OVG RhPf, U. v. 19.5.1987 - 7 A 90/86 - NVwZ 1987, 1105; OVG Bremen, B. v. 31.5.1990 - 1 B 18/90 - NVwZ 1990, 1195; SächsOVG, B. v. 31.7.1996 - 3 S 274/96 - NVwZ-RR 1997, 665). Insoweit ist die gerichtliche Kostenentscheidung, die die Kostentragung im Verhältnis der Verfahrensbeteiligten untereinander sowie im Verhältnis zum Gericht regelt, nicht abschließend. Sie ist vielmehr von der Frage zu unterscheiden, wer die Kosten im Innenverhältnis letztlich nach materiellem Recht zu tragen hat (VGH BW, B. v. 17.9.1984 - 9 S 1076/84 - NVwZ 1985, 284; SächsOVG, B. v. 31.7.1996 - 3 S 274/96 - NVwZ-RR 1997, 665; VG Würzburg, U. v. 17.1.1996 - W 2 K 94.155 - BayVBl 1996, 377). Die Frage, wer im Innenverhältnis mit den Kosten eines Kommunalverfassungsstreitverfahrens endgültig belastet wird, stellt sich immer dann, wenn das Gericht demjenigen, der den Kommunalverfassungsstreit geführt hat, die Kosten des Rechtsstreits auferlegt hat, sei es, weil er den Rechtsbehelf zurückgenommen hat oder - wie hier - im Streit unterlegen ist oder weil aus sonstigen Gründen eine Kostenentscheidung zu seinen Lasten ergangen ist (BayVGH, B. v. 14.8.2006 - 4 B 05.939 - juris Rn. 20).

b) Eine ausdrückliche Regelung darüber, wer bei einer kommunalverfassungsrechtlichen Streitigkeit letztendlich die angefallenen Kosten zu tragen hat, ist weder in der Gemeindeordnung, in einem anderen Gesetz noch in der Satzung der Beklagten zur Regelung von Fragen des örtlichen Gemeindeverfassungsrechts vom 24. Juni 2014 enthalten. Art. 20a Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung (GO) kann hier weder unmittelbar noch entsprechend als Rechtsgrundlage für einen solchen Erstattungsanspruch herangezogen werden, denn die Vorschrift erfasst lediglich Auslagen der Gemeinderatsmitglieder, die regelmäßig anfallen und mit der Ausübung der Tätigkeit eines Gemeinderates typischerweise verbunden sind. Solche Aufwendungen liegen bei den hier streitgegenständlichen Verfahrenskosten nicht vor. Gegen eine analoge Anwendung von Art. 20a Abs. 1 Satz 1 GO spricht, dass der Gesetzgeber die Norm in Kenntnis der Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Kommunalverfassungsstreites mehrfach geändert hat, ohne diesen Anspruch zu regeln. Der Erstattungsanspruch ergibt sich im bayerischen Landesrecht vielmehr aus dem Mitgliedschaftsrecht des einzelnen Gemeinderates. Steht eine Verletzung daraus fließender Positionen durch das Kollegialorgan oder den ersten Bürgermeister im Raum, kann das Ratsmitglied gerichtlichen Primärrechtsschutz in Anspruch nehmen. Endet ein Kommunalverfassungsstreit mit einer Kostenentscheidung zulasten des Mitglieds, sind Fallkonstellationen denkbar, in denen dessen endgültige Kostenbelastung unbillig ist. In diesen Fällen dient die Freistellung von den zur wirksamen Rechtsdurchsetzung erforderlichen Aufwendungen als Kompensation des verletzten Organ(teil)rechts (vgl. BayVGH, B. v. 14.8.2006 - 4 B 05.939 - juris Rn. 22 ff.).

c) Einer Kostenerstattung für ein Gemeinderatsmitglied auf dieser Rechtsgrundlage muss daher zwingend eine Organstreitigkeit beziehungsweise ein Kommunalverfassungsstreit zugrunde liegen, das heißt, streitgegenständlich müssen insoweit Rechte des Klägers gerade aus seiner Stellung als Gemeinderatsmitglied gewesen sein, er muss in seiner Eigenschaft als Amtswalter seine Befugnisse zur Mitwirkung und Teilhabe an der organschaftlichen Willensbildung des Gemeinderats verteidigt haben (vgl. OVG Saarl, B. v. 5.10.1981 - 3 R 87/80 - NVwZ 1982, 140; OVG RhPf, U. v. 19.5.1987 - 7 A 90/86 - NVwZ 1987, 1105; BayVGH, U. v. 14.8.2006 - 4 B 05.939 - juris Rn. 27; NdsOVG, U. v. 29.9.2015 - 10 LB 25/14 - juris Rn. 40). Dies ist hier der Fall, da der Kläger im Ausgangsverfahren B 5 K 12.18 die Feststellung der Rechtwidrigkeit eines Beschlusses des Bau- und Umweltausschusses der Beklagten mit der Begründung begehrt hat, er sei in seinen Mitgliedschaftsrechten verletzt, da er hinsichtlich dieses Beschlusses nicht ausreichend informiert und deshalb nicht in der Lage gewesen sei, das Ausmaß der Entscheidung zu erfassen. Anders als in der von Beklagtenseite in Bezug genommenen Entscheidung des VG Würzburg (U. v. 17.1.1996 - W 2 K 94.155 - BayVBl 1996, 377) stand dem Kläger die Rechtsposition als Mitglied des Bau - und Umweltausschusses der Beklagten auch tatsächlich zu.

d) Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 14.8.2006 - 4 B 05.939 - ausgeführt, dass eine Kostenerstattung im Anschluss an einen Organstreit nur gerechtfertigt ist, wenn die Anrufung des Gerichts zur Durchsetzung individueller Mitgliedschaftsrechte als ultima ratio unumgänglich war, weil - über die Anforderungen des allgemeinen Prozessrechts (Rechtsschutzbedürfnis) hinaus - alle dem Gemeinderatsmitglied zumutbaren Maßnahmen zur außergerichtlichen Durchsetzung der organschaftlichen Rechte ohne Erfolg geblieben sind. Nicht zuletzt aus der (Mit-)Verantwortung des einzelnen Gemeinderatsmitglieds für die berechtigten Interessen der Gemeinde (Gebot sparsamer Haushaltsführung) folgt grundsätzlich die Obliegenheit, zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Rechtsaufsichtsbehörde anzurufen. Dies hat der Kläger hier mit seinem Schreiben an das Landratsamt ... vom 31. August 2011 getan, in dem er unter zutreffender Schilderung des Sachverhaltes um eine rechtliche Prüfung auch des später im Verfahren B 5 K 12.18 streitgegenständlichen Beschlusses des Bau- und Umweltausschusses der Beklagten gebeten hat. Das Landratsamt hat dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 25. Oktober 2011 geantwortet und im Ergebnis keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses gesehen. Für den Kläger bestand zur Durchsetzung seiner Rechtsauffassung daher keine andere Möglichkeit, als vor dem Verwaltungsgericht Klage zu erheben.

e) Ganz allgemein ist ein Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der Verfahrenskosten einer kommunalverfassungsrechtlichen Streitigkeit aber stets nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit die Klageerhebung nicht mutwillig aus sachfremden Gründen oder dergleichen erfolgt ist (vgl. bereits OVG Saarl, U. v. 6.12.1978 - 3 R 123/78 - zitiert nach FStBay 1979, Nr. 190; BayVGH, B. v. 14.8.2006 - 4 B 05.939 - juris Rn. 27 m. w. N.). Mutwillig erhoben ist die Klage insbesondere dann, wenn eine verständige Partei, die die Kosten selbst tragen müsste, von einem Prozess absehen würde oder wenn an der Klärung zwar ein allgemeines Interesse besteht, die Frage aber im konkreten Sachzusammenhang ohne Bedeutung ist (OVG Saarl, B. v. 5.10.1981 - 3 R 87/80 - NVwZ 1982, 140). Es kommt beim Merkmal der Mutwilligkeit also nicht maßgeblich auf die voraussichtlichen Erfolgsaussichten der Klage, sondern vielmehr auf die Frage an, ob die spätere Kostenerstattung dadurch gerechtfertigt ist, dass die Klageerhebung zumindest auch durch ein öffentliches Interesse an der Klärung der streitgegenständlichen Rechtsfrage motiviert ist. Dies setzt aber wiederum voraus, dass von der begehrten gerichtlichen Entscheidung ein maßgeblicher Beitrag zur Klärung dieser Rechtsfrage zu erwarten ist, so dass ein „vernünftiger Grund“ für die Klageerhebung vorlag (vgl. OVG Bremen, B. v. 31.5.1990 - 1 B 18/90 - NVwZ 1990, 1195).

Insoweit ist hier zu differenzieren: Zwar wurde die Klage des Klägers im Verfahren B 5 K 12.18 mangels Klagebefugnis bereits als unzulässig (und im Übrigen auch unbegründet) abgewiesen und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsauffassung in seinem Beschluss vom 11. Februar 2014 (4 ZB 13.2225) ausdrücklich bestätigt. Allerdings kann der Klageerhebung und dem Antrag auf Zulassung der Berufung nicht von vornherein entgegengehalten werden, dass an der Klärung der streitentscheidenden Frage, nämlich dem Bestehen eines allgemeinen subjektiv-öffentlichen Informationsrechtes des einzelnen Gemeinderatsmitglieds gegenüber der Gemeindeverwaltung, kein ausreichendes öffentliches Interesse bestanden hätte. Denn auch wenn die Verneinung eines solchen Informationsrechtes der „langjährigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entspricht“ (BayVGH, B. v. 11.2.2014 - 4 ZB 13.2225 - juris Rn. 13), so kann ein öffentliches Interesse daran, die Verwaltungsgerichtsbarkeit erneut mit dieser Frage zu befassen, nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Denn die Klageerhebung war insoweit die einzige - wenn auch im Ergebnis erfolglose - Möglichkeit, eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung herbeizuführen, zumal zur streitentscheidende Rechtsfrage in der kommunalrechtlichen Literatur ebenso wie von anderen Oberverwaltungsgerichten auch gegenteilige Auffassungen vertreten werden (vgl. die Nachweise in BayVGH, B. v. 11.2.2014 - 4 ZB 13.2225 - juris Rn. 13). Auf die Erfolgsaussichten kommt es nach oben Gesagtem dabei gerade nicht entscheidend an. Insoweit war zum einen die Klageerhebung vor dem Verwaltungsgericht nicht als mutwillig anzusehen. Da auch das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung maßgeblich auf die bisherige Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen und sich dieser angeschlossen hat, kann auch der Antrag auf Zulassung der Berufung nicht als mutwillig angesehen werden. Denn nur auf diesem Weg konnte die Rechtsfrage erneut an die obergerichtliche Instanz herangetragen werden, die die bisherige Rechtsprechung geprägt hat. Hinsichtlich dieser Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 2.133,71 € (Gerichtskosten von 363,00 € und Rechtsanwaltskosten von 1.024,00 € für die erste Instanz sowie 146,00 € Gerichtskosten und 600,71 € Rechtsanwaltskosten für die zweite Instanz) steht dem Kläger somit ein Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten zu.

Anders zu sehen ist dies aber hinsichtlich der vom Kläger im Jahr 2014 erhobenen Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht. Zum einen erscheint bereits zweifelhaft, ob angesichts des auf die Grundrechte des Grundgesetzes und Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes (GG) beschränkten Prüfungsmaßstabes im Verfassungsbeschwerdeverfahren (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) überhaupt mit einer inhaltlichen Aussage des Bundesverfassungsgerichts zur landesrechtlich ausgestalteten Rechtsstellung bayerischer Gemeinderatsmitglieder gerechnet werden konnte. Denn der Kläger hätte zunächst die Möglichkeit einer individuellen, gegenwärtigen und unmittelbaren Verletzung in einem dieser Rechte geltend machen müssen, § 90 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes - BVerfGG (vgl. allgemein zu den Rechtsschutzmöglichkeiten eines Gemeinderatsmitgliedes im Verfassungsbeschwerdeverfahren BVerfG, B. v. 26.10.2010 - 2 BvR 1913/09 - juris Rn. 3 ff.). Schon deswegen erscheint es zweifelhaft, ob hier ein öffentliches Interesse an einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in der streitgegenständlichen Rechtsfrage bestehen konnte. Darüber hinaus haben sich Verwaltungsgericht und Bayerischer Verwaltungsgerichtshof in ihren Entscheidungen bereits ausführlich mit der streitentscheidenden Rechtsfrage befasst, die Gründe für die Ablehnung eines allgemeinen Informationsrechtes im Einzelnen dargelegt und sich dabei mit der Argumentation des Klägers auseinandergesetzt. Mit der Ablehnung des Antrages auf Zulassung der Berufung durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof war der Rechtsweg erschöpft, § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Ein darüber hinaus gehendes öffentliches Interesse daran, gegen die ablehnende Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes durch den „außerordentlichem Rechtsbehelf“ einer Verfassungsbeschwerde vorzugehen, ist nicht ersichtlich. In dieser Situation wäre von einer verständigen Partei, die den Rechtsstreit auf eigene Kosten finanziert, nicht zu erwarten, dass nach Ausschöpfung des regulären Rechtsweges noch eine Verfassungsbeschwerde erhoben wird. Insoweit sieht die Kammer die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde als mutwillig im oben dargestellten Sinne an. Deshalb kommt eine Kostenerstattung im Hinblick auf die dem Kläger für die Verfassungsbeschwerde entstandenen Verfahrenskosten nicht in Betracht, so dass die Klage insoweit abzuweisen war.

f) Dem Kläger steht in entsprechender Anwendung von § 286 Abs. 2 Nr. 3, § 288 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für die zu erstattenden Verfahrenskosten ein Zinsanspruch in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 9. April 2015 zu. Unter diesem Datum hat die Beklagte den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ernsthaft und endgültig abgelehnt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we
3 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 11/02/2014 00:00

Tenor I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 27. September 2013 wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der
published on 26/10/2010 00:00

Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.
published on 07/01/2019 00:00

Gründe 1 Die von dem Antragsteller mit Schriftsatz vom 18. November 2018 gegen die Kostenrechnung vom 11. September 2018 - Kassenzeichen 1110-W18267-0 - eingelegte „Beschwerde“ ist als Erinnerung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG statthaft, hat aber in
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:

1.
über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind;
2.
bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrechte auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages;
2a.
bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 entspricht, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes;
3.
bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht;
4.
in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bunde und den Ländern, zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist;
4a.
über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein;
4b.
über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Gemeindeverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach Artikel 28 durch ein Gesetz, bei Landesgesetzen jedoch nur, soweit nicht Beschwerde beim Landesverfassungsgericht erhoben werden kann;
4c.
über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag;
5.
in den übrigen in diesem Grundgesetze vorgesehenen Fällen.

(2) Das Bundesverfassungsgericht entscheidet außerdem auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes, ob im Falle des Artikels 72 Abs. 4 die Erforderlichkeit für eine bundesgesetzliche Regelung nach Artikel 72 Abs. 2 nicht mehr besteht oder Bundesrecht in den Fällen des Artikels 125a Abs. 2 Satz 1 nicht mehr erlassen werden könnte. Die Feststellung, dass die Erforderlichkeit entfallen ist oder Bundesrecht nicht mehr erlassen werden könnte, ersetzt ein Bundesgesetz nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2. Der Antrag nach Satz 1 ist nur zulässig, wenn eine Gesetzesvorlage nach Artikel 72 Abs. 4 oder nach Artikel 125a Abs. 2 Satz 2 im Bundestag abgelehnt oder über sie nicht innerhalb eines Jahres beraten und Beschluss gefasst oder wenn eine entsprechende Gesetzesvorlage im Bundesrat abgelehnt worden ist.

(3) Das Bundesverfassungsgericht wird ferner in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen tätig.

(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.

(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.

(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.